Redshirt Flexy 24 von Azur
Vorschrift ist Vorschrift von Azur

Ich bin´s wieder, Flexy.

Die Hippo hatte auf einer kleinen Versorgungsbasis der Förderation angedockt, weil die jährliche Inspektion anstand. Eigentlich keine große Sache. Es kommt ein hohes Tier an Bord, läuft einmal rund und dann bekommt man entweder Lob oder eine Liste mit Sachen, die nicht in Ordnung sind.

Für unseren großem Häuptling Carter war es aber wohl doch eine große Sache. Auf jeden Fall lief er Tage vor der Inspektion durch das Schiff, kroch in alle Winkel und hetzte die Crew darum. Dabei machte er ein Gesicht, als hätte in Zitronen gebissen. Gut, dieses Gesicht hatte er sonst auch, aber dieses Mal sah es nach einer ganzen Kiste von Zitronen aus.

Endlich traute Soleta sich, zu fragen: "Sie wirken so angespannt, Sir? Ist alles in Ordung?" - "Nein.", knirschte Carter. - "Geht es um die Inspektion?" - "Ja." - "Ich weiß, Sie wünschen, dass alles in Ordnung ist..."- "Darum geht es nicht.", platzte es aus Carter heraus. "Es geht um den Inspekteur an sich. Wir kriegen den schlimmsten! Chief Lübke van Rutherford!"

Ich muss sagen, als der Chief einige Tage später an Bord kam, sah er gar nicht so schlimm aus. Ein etwas kleinerer, untersetzter Mann mit leichtem Bauch, Mitte 50 und angehender Vertreter der Glatzenkultur. Seine Kleidung war in schlichtem Grau gehalten. In der Hand hatte er einen Koffer mit seinen Utensilien und ein Aufzeichnungsgerät.

"Willkommen an Bord, Sir.", begrüßte Carter ihn. - "Nanu?", fragte der Chief mit leicht näselnder Stimme. "Der kommandierende Offizier persönlich...welche Ehre." -"Ich werde den Rundgang leiten.", sagte Carter. - "Diese Aufgabe kann Ihr Erster Offizier übernehmen. Sie sind sicher mit anderen Dingen beschäftigt. Ich bin genügsam." - "Nun..." Carter dehnte das Wort in die Länge. "Wir haben noch keinen Ersten Offizier...man hatte noch keinen geeigneten für uns gefunden."

Lübke blieb stehen. "Keinen Ersten Offizier? Das geht aber nicht." Sofort zückte er das Aufzeichnungsgerät. "Sie wissen, dass Sie nach den offiziellen Vorschriften auf dem kürzesten Wege einen Interimsoffizier brauchen. Die Seniorposten müssen alle besetzt sein." - "Das ist mir bekannt." - "Umso schlimmer, dass die Vorschriften dann wohl keine Bedeutung für Sie haben.", erwiderte der Chief. "Das ist natürlich die erste negative Eintragung. Beginnen wir nun mit dem Rundgang."

Galliunin blickte dem Duo nach, als sie den Rundgang begangen. "Oh ha...mit dem Giftzwerg werden wir noch richtig Ärger haben..."

Der Ärger begann bereits in der Krankenstation. Vor der Tür blieb Lübke stehen. "Sagen Sie, Carter..singt da jemand?"- "Das ist Mr. T.Enor, unser Schiffsarzt. Und ja, er singt. Er hat eine fundierte Ausbildung. Die Patienten wissen es zu schätzen." - "Aber ich nicht." Der Chief betrat die Krankenstation. "Das Singen ist sofort zu unterlassen, Mr. T. Enor." Der Chefarzt drehte sich um. "Wer ist denn das?" - "Chief Lübke van Rutherford. Oberinspektor für fördernationale Standards und Bestimmungen.", stellte der Mann sich vor und fuhr gleich fort: "Sie üben einen wichtigen Beruf aus, in dem höchste Konzentration gefragt ist. Singen stört diese Konzentration stark. Ihnen könnten Fehler unterlaufen." T. Enor verzog das Gesicht. "Sie erinnern mich an Ensign Soleta. Die ist der gleichen Ansicht." - "Eine kluge Ensign.", nickte Lübke. "Also, ab sofort kein Gesang mehr."

Er eilte zu einem Tisch. "Und was sehe ich hier?" - "Sir...dies ist das Operationsgeschirr." - "Sie lassen es frei zugänglich liegen?" - "Wir bekommen pro Tag manchmal bis zu zwei Fällen mit schweren Verletzungen, die sofort behandelt werden müssen, und.." - "Nach § 35, Abs. 4 der Vorschriften für die medizinische Abteilung eines Schiffes ist es strengstens untersagt, medizinisches Zubehör unverschlossen herum liegen zu lassen. Stellen Sie sich doch nur mal vor, was passieren könnte...wenn Ihre Patienten Sie nun damit angreifen..." - "Meine Patienten sind brav." - "Mit Vorschriften reißt man keine Witze. Wegschließen. Und hier..."Ein Schritt zum Biobett. "Diese Laken müssen nach jedem Patienten abgezogen und ersetzt werden, um Keime und ansteckende Krankheiten zu vermeiden." - "Die hatte der letzte Patient nicht. Er wollte nur Halsschmerztabletten….“- „Vorschrift ist Vorschrift.“, lautete die Antwort.

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Im Maschinenraum ging es weiter mit den Vorschriften. "Nach § 147 der Verordnung zum sicheren Verwalten des Maschinenraums ist geregelt, dass neben der Abgrenzung, die den Bereich des Warpkerns umgibt, noch einmal mindestens 50 Meter Sperrfläche gezogen werden müssen. Also..." van Rutherford zückte ein Maßband. "Das wäre...hier...also müssen Sie hier noch eine zweite Absperrung bauen!" - "Aber dann komme ich an diese Konsole nicht mehr heran.", beklagte sich unser geisterhafter Ingenieur. - "Dann legen Sie sie still. Im Übrigen werde ich scharf Widerspruch dagegen erheben, dass Sie weiter Ihren Führungsposten ausüben. Als körperlose Essenz eigenen Sie sich in meinen Augen nicht dafür. In Krisensituationen brauchen Ihre Untergebenen einen sichtbaren Ansprechpartner. Vorschrift ist Vorschrift.“ 

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"Sie sind also der Chef der Wissenschaft?", fragte Lübke kurze Zeit darauf in der Wissenschaftssektion Birdy. "Korrekt." - "Nun, da Sie ein Avian sind, müssen Sie stärker auf Ihre Kleidung achten. Ihre Federn könnten in die Reagenzgläser fallen oder während Experimenten mit hoch sensiblen Geräten Schäden auslösen. Ich empfehle Ihnen entweder eine Komplettrasur oder aber einen zusätzlichen Bodysuit. Eine normale Uniform ist nicht ausreichend. Die Vorschrift, wissen Sie?"

Lübke näherte sich einem kleinen Tisch, an dem Soleta gerade arbeitete. „Bitte erläutern Sie mir, was Sie hier tun.“ Soleta verschränkte die Hände auf dem Rücken, als sie sich umwandte. „Dies ist ein Experiment, aus dem ich mir erhoffe, etwas mehr über die chemischen Lockstoffe von Pflanzen zu erfahren.“ – „Interessant.“ Van Rutherford übersah den Tisch. „Ihr Arbeitsplatz entspricht nicht ganz den Vorschriften.“ – „Inwiefern?“ – „Bei Experimenten mit flüssigen Substanzen müssen nach § 244 a) Reagenzgläser des Typs 805 genommen werden, weil nur sie den nötigen Schutz bieten. Diese Reagenzgläser haben den Typ 809, sind also wesentlich leichter vom Material her. Und Sie verwenden auch dreibeinige Ständer. Bitte verwenden Sie in Zukunft mindestens fünfbeinige Ständer.“-„Ich halte diese Sicherheitsrichtlinie für überflüssig.“ Lübke zuckte mit den Schultern. „Egal. Die DIN-Norm ist Vorschrift und einzuhalten.“

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Bei Isolde und Chucky gab es gleich eine ganze Reihe von Mängeln. "Zunächst einmal ist dieser Raum ungeeignet. Eine Counselor sollte dem Patienten Neutralität vermitteln. Die Farben sind mit Weiß zu übertünchen und diese Sofa und Kissen verschwinden ebenfalls. Und bedenken Sie bitte Ihre Arbeitsweise. Sie sind verpflichtet, Ihre Tätigkeit nach den neuesten Erkenntnissen auszurichten und nicht auf die Kraft der Sterne. Und nach § 55 Abs. 5 der Verordnung für die Arbeitsweise einer Counselor sind Tätigkeiten mit einem Gewerbe verboten. Bitte halten Sie sich an die Vorschriften. Die Normen werden nicht zum Spaß verabschiedet.“

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Den Höhepunkt erreichte Lübke auf der Brücke.

"Captain, Sie müssen sich einen neuen Stuhl besorgen. Dieser hier muss vollständig entfernt werden.“ – „Bitte?“ – „Sie haben mich schon verstanden.“ – „Aus welchem Grund?“ – „Dieser hier entspricht nicht der DIN-Norm.“ –„Welche DIN-Norm?“ –„Die in der seit etwa drei Jahren gültigen Fassung. Die Armlehnen Ihres Stuhls überschreiten die Norm um ganze 20 cm. Dafür ist der Sitzbereich viel zu eng ausgelegt. Außerdem…“Lübke bückte sich und betrachtete die Unterkanten. „Vier vergrößerte Schrauben…ungenügend…es müssen mindestens acht Schrauben Halfsize sein. Und Ihr Stuhl ist außerdem nicht exakt mittig angebracht.“ – „Nun übertreiben Sie aber, meinen Sie nicht?“, knurrte Carter. –„Nein. Halten Sie sich an die Gesetzesvorschriften.“

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Beim Mittagessen im Casino herrschte eine trübe Stimmung. Alle stocherten lustlos im Essen herum. Van Rutherford nutzte seine Pause, um dem Personal zu erzählen, dass 53 der Gerichte im Replikator entfernt werden mussten, weil sie das vorgeschriebene Speichervolumen um 20% überstiegen. Zusätzlich verlangte er eine Neuanordnung der Getränkeflaschen.

„Ich bringe ihn um!“ T.Enor knallte die Gabel auf den Teller. – „Dieser Inspektor übertreibt es wirklich.“, nickte Tr´Vak. „Mir hat er gesagt, dass ich meine Sammlung klingonischer Waffen einschweißen oder verstumpfen lassen muss, dies sei ein Sicherheitsrisiko für die Besatzung.“ – „Ganz schlimm muss es wohl bei Harrrastensi und seinem Bruder mit einem R weniger gewesen sein.“, meinte Isolde Doppelkopf. „Ich musste beide vorübergehend vom Dienst freistellen. Sie waren aufgelöst, weil der Inspektor von ihnen verlangt hat, dass sie ihre Namen kürzen sollten. Es sei an Bord eines Schiffes wichtig, Namen so zu wählen, dass man sofort wisse, wer gemeint ist.“

Carter kam zu uns an den Tisch. „Soleta, ich brauche Ihr vulkanisches Gehirn!“ – „Mit Vergnügen, Sir.“  Carter setzte sich zu uns. „Dieser Mr. Oberschlau will mir meinen Stuhl wegnehmen. Er entspräche nicht der DIN-Norm. Dies ist mein Stuhl, er entstand nach meinen persönlichen Bedürfnissen und ist das Statussymbol des Captains. Und kein Inspektor Lübke wird ihn mir wegnehmen. Also, wie werden wir den Inspektor los?“

Für einen Moment sah es aus, als würde Soleta lächeln. „Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Es gibt eine Möglichkeit. Aber dazu müssen Sie mitspielen.“ – „Ich bin ganz Öhrchen.“

***

„Tja, Captain. Das wird kein guter Bericht.“ Der Inspektor und Carter saßen im Bereitschaftsraum (dessen Schreibtisch im Übrigen 26 cm höher sein musste) und Lübke hatte die Zusammenfassung in der Hand. „Ihr Schiff hat viele Verstöße gegen gültige DIN-Vorschriften. Da wird vermutlich ein höheres Bußgeld auf Sie zukommen und möglicherweise strengere Auflagen, was Ihre Missionen angeht.“ Carter verzog keine Miene. – „Sie haben natürlich die Möglichkeit, gegen meinen Bericht in einer angemessenen Frist Einwendungen zu erheben, sofern diese begründet sind, natürlich.“- „Seien Sie versichert, dass ich das tun werde. Ihre Einwendungen sind nämlich unberechtigt.“

Lübke stockte der Atem. „Un-unberechtigt?“ – „Ja. Ihr Koffer dort…mit den Utensilien für Ihre Arbeit…er ist veraltet.“- „Das ist nicht möglich!“, brauste der Inspektor auf. – „Ach nein?“ Carter verband sich mit der Brücke. „Lassen Sie bitte Soleta kommen.“

Diese erschien kurze Zeit auch. „Sagen Sie doch bitte Mr. van Rutherford, dass ich recht habe hinsichtlich des Koffers.“

Soleta nickte. „Sie haben recht, Sir. Mr. van Rutherford, nachdem Sie meinen Arbeitsplatz negativ bewertet haben, habe ich wiederum das Gesetz in Anspruch genommen, um zu sehen, ob Ihre Meinung korrekt ist. Mein Volk arbeitet stets gründlich und gesetzeskonform. Dabei habe ich durch Zufall festgestellt, dass Ihre Werkzeuge und auch das Aufzeichnungsgerät ebenfalls nicht mehr der DIN-Norm entsprechen. Sie besitzen einen Koffer der L-Kategorie mit insgesamt 15 geeichten Geräten für standardisierte Kontrollen. Das von Ihnen verwendete Aufzeichnungsgerät trägt die Bezeichnung VXKK700. Beides ist festgelegt in der DIN-Norm 4855. Seit etwa nunmehr zwei Monaten gelten diese Dinge als veraltet.“

„Das…muss ein Irrtum sein….“ – „Nun, laut meinen Aufzeichnungen waren Sie vor zwei Monaten im Betaquadranten. Es ist durchaus möglich, dass Sie die Gesetzesneuerung nicht mit bekommen haben. Ich will Sie gerne aufklären. Die DIN-Norm 4855 wurde reformiert. Es wird dort nunmehr ein Koffer der sogenannten „Doppel-L-Kategorie verwendet. Er enthält nunmehr 17 geeichte anstatt 15 Geräte. Das Aufzeichnungsgerät wurde ebenfalls verbessert und trägt nunmehr die Bezeichnung VXKK701.“

„Und da die Liste der Mängel und vermeintlicher Verstöße doch erheblich ist…“, setzte Carter fort. „…werde ich mich gezwungen sehen, bei der für Sie zuständigen Kontrollbehörde Dienstbeschwerde gegen Sie einzureichen. Sie arbeiten zu unserem Nachteil mit völlig veralteten und überholten Geräten, obwohl Sie als Inspektor verpflichtet sind, stets die aktuelle DIN-Norm ebenfalls zu befolgen. Ich bedaure diesen Schritt, aber Vorschrift ist Vorschrift.“

Es wurde still im Raum. Van Rutherford saß zusammengesunken auf seinem Stuhl mit einem bleichen Gesicht und studierte immer wieder und wieder den Datenblock, auf dem Soleta ihm die Gesetzeslage dargebracht hatte.

Schließlich räusperte Carter sich: „Mr. van Rutherford, glauben Sie mir, es liegt mir wenig an einer dienstlichen Auseinandersetzung. Sie machen Ihre Arbeit ausgezeichnet und es liegt mir fern, eine Person Ihrer Art in den Dreck zu ziehen, wie man schön sagt. Lassen Sie uns eine Vereinbarung treffen. Ich sorge dafür, dass wirklich gravierende Verstöße, die auch die Sicherheit an Bord gefährden, beseitigt werden. Und im Gegenzug lassen wir weniger gravierende Verstöße von Ihrer Liste streichen. Sie schreiben einen neutralen Bericht und ich werde vergessen, dass Sie eigentlich gegen die wichtigste der Auflagen für Ihre Tätigkeit verstoßen haben.“

„Das ist Erpressung.“, sagte Lübke.

„Nein. Das ist der Versuch, die Sache für uns beide so schnell wie möglich vom Tisch zu bekommen. Nennen wir es einfach den kurzen Dienstweg…“, erwiderte Carter.

Schließlich nickte van Rutherford. „Ich schätze, der kurze Dienstweg ist in diesem…speziellen Fall vermutlich das Beste. Einverstanden.“ Er erhob sich. „Sie bekommen den Bericht in etwa zwei Wochen. Ich habe eine längere Reise nach Bajor vor mir. Von daher kann es etwas dauern. Meinen Sie, auf Deep Space Nine bekomme ich neue Utensilien?“ 

Carter nickte. „Natürlich. Fragen Sie Quark, den Barkeeper. Der kann Ihnen wirklich alles besorgen.“

„Das werde ich.“, nickte van Rutherford. Er erhob sich. „Dann werde ich mich mal auf den Weg machen.“

„Soleta bringt Sie zum Transporterraum. Geben Sie mir noch eine Minute. Ich muss ihr noch den Dienstplan für die kommende Schicht mitgeben.“

Van Rutherford nickte und verließ den Raum.

Carter grinste. „Ich hätte nie gedacht, dass Vulkanier derart gute Lügner sind.“

„Ich habe nicht gelogen.“, erwiderte Soleta. „Es gab offenbar durch das Oberkommando eine Fehlinformation hinsichtlich der DIN-Vorschrift.“

„Natürlich…nur eine kleine Fehlinformation. Auf jeden Fall wird jegliche Frist rum sein, bis Lübke das mitbekommt.“ Das Grinsen wurde breiter. „Ich bin gespannt, was Quark ihm zusammen baut. Für Latinum tut er alles.“

„Sie haben sich möglicherweise einen Feind geschaffen, Sir.“, sagte Soleta, die Richtung Tür ging.

„Ja, ich weiß. Aber wir konnte ja nichts dafür, dass uns eine Fehlinformation getroffen hat. Wie sagte Lübke doch so schön? Vorschrift ist Vorschrift.“



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