Der bittersüße Nachgeschmack des Sieges von Visitor
Kapitel 37: Unvermutete Schützenhilfe von Visitor

 

Halb schlafend lag Nugura in dem mit goldenen und silbernen Beschlägen verzierten Ehebett auf der linken Seite unter ihrer roten samtenen Bettwäsche und fragte sich, wann ihre Ehefrau denn nun endlich zu Bett gehen würde. Sie hatte die nervöse Stimmung durchaus wahrgenommen, in der Sytania sich befand. Wie eine Tigerin war sie auf- und abgelaufen und hatte immer wieder aus dem Schlafzimmerfenster geschaut. Nugura aber konnte sich nicht erklären, was sie so nervös machte.

Erneut drehte sie sich zu ihr um: „Komm doch endlich ins Bett, Liebling.“ „Das kann ich nicht!“, erwiderte Sytania sehr bestimmt. „Sie ist auf dem Weg hierher und sie will kämpfen! Das spüre ich genau! Sie will es wirklich darauf ankommen lassen! Sie will ausfechten, wer hier die Macht hat!“ „Wer will das?!“, fragte Nugura schlaftrunken. „Die andere Sytania natürlich!“, sagte Sytanias Kopie und warf ihrer Frau einen verächtlichen Blick zu. „Offenbar stimmen die Gerüchte tatsächlich. Aber sie soll sich nichts einbilden! Gegen mich wird sie nicht bestehen können. Du aber solltest eine Rede an die Nation halten, während ich versuche sie in die Schranken zu weisen. Unsere armen Untertanen wissen sonst gar nicht wie ihnen geschieht. Steh auf, geh zu Saron und sag auch sonst jedem Bescheid, den du dafür benötigst. Ich werde bereits in die Arena gehen, die sich im Schlosspark befindet. Dort werde ich sie erwarten! Aber ich werde nicht allein sein! Kissara ist ebenfalls auf dem Weg. Sie bringt Scott mit. Die hat tatsächlich den Ring der Macht. Damit werde ich den Kampf bestimmt gewinnen! Sag den Bürgern, sie sollen nicht traurig sein, aber mir allesamt die Daumen drücken. Einen Grund für Trauer wird es nicht geben, denn ich werde siegen! Ganz bestimmt werde ich das!“ „Wie du wünschst, Sytania.“, sagte Nugura und schälte sich mühsam aus den Federn. Dann stellte sie sich vor das Display des Hausrechners, dessen Konsole sich auf dem Nachttisch befand und begann damit sich notdürftig schön zu machen. Der Königstochter ging das aber nicht schnell genug. Mit einem missmutigen Blick sagte sie: „Ach, das kann man ja nicht mit ansehen!“, dann gab es einen schwarzen Blitz und Nugura stand geschminkt und in einem roten mittelalterlich anmutenden Kleid und einer weißen vergoldeten Schleppe sowie weißen Schnabelschuhen vor ihr. „So kann man dich auf die Bevölkerung loslassen.“, sagte Sytania zufrieden. „Denkst du nicht, du solltest deine Kräfte schonen, Liebes?“, fragte Nugura. „Ach was!“, lachte Sytania. „Das war doch nicht mehr als eine Fingerübung für mich. Solche Sachen habe ich schon als Kleinkind beherrscht! Denk nicht über meine Geschäfte nach! Ich werde dir ja auch nicht in deine Rede pfuschen. Die wirst du übrigens aus dem Stehgreif halten müssen. Es ist nicht mehr viel Zeit. Sie ist nah! Sehr nah! Geh! Tu deine Pflicht! Ich tue die Meine!“ Nugura nickte und verließ das Schlafzimmer. Sie wusste genau, dass jetzt das Ende gekommen war. Ihr war nur nicht klar, warum ich den Ring der Macht für Sytania besorgt hatte. In ihren Augen konnte sie damit nämlich tatsächlich den Kampf für sich entscheiden. Nugura wusste ja nicht, was ich wusste. Diesen Umstand würde sie aber bald ändern. Sie vertraute mir und ahnte, dass ich einen Plan haben musste.

Sie ging zum nächsten Turbolift und ließ sich von ihm in die Etage des Schlosses bringen, in der ihr Sekretär seine kleine Dienstwohnung hatte. Die Präsidentin wusste, dass sie ihn aus dem Schlaf reißen würde, aber das würde jetzt auch nichts mehr ändern.

Umso überraschter war sie, als er sie bereits an der Tür des kleinen Apartments erwartete. „Warum sind Sie wach, Mr. Saron?“, fragte sie. „Irgendwas liegt in der Luft, Madam.“, sagte der Demetaner und zog sie mit sich in den freundlich mit blauem Teppich und roten Tapeten ausgestatteten Flur. „Vielleicht zieht ein Gewitter auf.“ Dann befahl er dem Computer auf Demetanisch die Tür zu schließen, was dieser auch ausführte.

Er zog sie weiter und beide landeten schließlich in seinem Wohnzimmer, wo er sie sanft, aber bestimmt auf die Couch drückte: „Ganz ruhig, Sea Federana. Vertrauen Sie mir. Vertrauen Sie uns.“, flüsterte er.

Nugura wollte noch fragen, kam aber nicht mehr dazu, denn im nächsten Moment hatte Saron ein mobiles drahtloses Mikrofon geholt und es ihr gegeben. Dann hatte er es mittels einiger Eingaben mit dem Sprechgerät verbunden und dessen Computer ebenfalls in seiner Muttersprache angewiesen nach einem Transpondersignal der Sternenflotte in der unmittelbaren Nähe der Erde zu suchen. Tatsächlich war er bald fündig geworden.

Die Mitregentin war nicht überrascht meine Stimme zu hören. Durch Sytanias Ankündigung wusste sie ja schon Bescheid. Aber was wusste Saron und warum wusste er es? Was sollte diese ganze Geheimhaltung?

Das Staatsoberhaupt wandte sich zitternd dem Mikrofon zu, das sie in der rechten Hand hielt: „Scott, oh, Scott! Was soll ich tun? Wenn Sie wirklich den Ring der Macht an meine Frau geben, dann wird sie gewinnen und unsere Rache ist …“

Ich gab nur einen beruhigenden Laut von mir und flüsterte ihr etwas auf Elyrisch zu, was so viel bedeutete wie: „Ich komme und wir reden, wenn wir allein sind.“ Dann wechselte ich das Thema: „Mein Commander und ich benötigen einen Landeplatz. Könnten Sie bitte dafür sorgen, Mitregentin? Wir wollen den Kampf nicht verpassen und wollen unsere Großartige Königin Sytania natürlich siegen sehen!“ „Selbstverständlich, Allrounder.“, sagte Nugura. „Sytanias Oberster Vendar untersteht jetzt auch mir. Ich werde ihm Bescheid geben und er wird seine Leute anweisen, Ihnen einen auszuleuchten.“ „Ich danke Ihnen.“, sagte ich und beendete die Verbindung.

Saron nahm das Mikrofon wieder an sich. „Ich weiß Bescheid.“, sagte er. „Ich habe schon alles vorbereitet. Die Medien sind auch schon da. Sie werden auf dem Balkon erwartet. „Wieso, Saron?“, fragte Nugura verwundert über all seine Verhaltensweisen. „Wieso wissen Sie so gut Bescheid? Warum sind Sie so konspirativ? Was soll Ihr Verhalten?“ „Ich bin im Widerstand.“, gab Saron zu. „Die Art, in der Sie sich kleiden, hat mir alles bestätigt. Ich nehme an, Sytania hat Ihnen das angehext, nicht wahr?“ Sie nickte. „Agent Mikel hat mich informiert.“, sagte er weiter und sah traurig um sich: „Dann ist es jetzt wohl soweit. Hoffentlich haben alle ihre Angelegenheiten geregelt.“ „Es wird keine Erben geben, mein lieber Saron.“, sagte sie. „Also muss auch niemand irgendwas regeln. Ich hoffe nur, Sie haben mit sich selbst und Mutter Schicksal Ihren Frieden gemacht.“ Dieses Mal nickte er. „Dann lassen Sie uns gehen!“, sagte Nugura motivierend. „Ich werde alles schon in schöne Worte kleiden, die alle denken lassen, ich wäre für Sytanias Sieg!“ „Schaffen Sie das wirklich ohne Hilfe?“, fragte Saron. „Ich bin Politikerin, Saron!“, sagte Nugura. „Ich bin es gewohnt, den Leuten schlechte Nachrichten als schön zu verkaufen!“ Dann schritt sie voran in Richtung des Turbolifts.

Kissaras Kopie und ich waren in unserem Shuttle ebenfalls in Richtung Erde unterwegs, wie Saron herausgefunden hatte. Mein Commander war allerdings über Nuguras Äußerung und meine Antwort auf Elyrisch gestolpert, was mich sehr ins Schwimmen gebracht hatte. „Was meinte Nugura mit der Äußerung über Rache, Allrounder?!“, fragte sie mit strengem Ton und klang dabei auch etwas alarmiert. „Und warum haben Sie ihr in ihrer Muttersprache geantwortet? Ich weiß, dass Sie, als ausgebildete Kommunikationsoffizierin, das sicher können, aber ich kenne den Grund nicht. Wollen Sie mir etwa etwas verheimlichen?“ „Keineswegs, Commander.“, log ich und war selbst sehr überrascht darüber, wie leicht mir das Lügen fiel. Time und Data hatten mich offensichtlich so manipuliert, dass es mir nichts ausmachte. Aber das war für mich nicht schlimm. Es waren ja Time und Data gewesen. Zwei Männer, denen ich sehr vertraute. Ich wusste, sie würden mich niemals zu wirklichen kriminellen Handlungen animieren. Sie wussten ja auch um die Verantwortung, die sie hatten, wenn sie so etwas taten. Time, ein Mensch, wäre eventuell von dem Gedanken mich manipulieren zu können korrumpiert worden oder hätte es werden können. Aber Data, ein Androide mit intakten moralischen Unterprogrammen, hätte dem sicher einen Riegel vorgeschoben, wie immer dieser auch ausgesehen hätte. Ich war also in guten Händen.

„Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Allrounder!“ Kissaras Ausruf hatte mich leicht zusammenfahren lassen. Sie war es offenbar gewohnt sofort Antworten zu erhalten. Wenn man bedachte, dass sie aus einer absolutistischen Struktur kam, in der Befehl und Gehorsam eine noch viel größere Rolle spielten als in der Demokratie, aus der ich kam, war ihre Reaktion aber durchaus verständlich. „Bitte entschuldigen Sie, Madam.“, beschwichtigte ich. „Ich hatte mich auf das Fliegen des Schiffes konzentriert und mein Hilfsmittel hat mich gerade vor einer Gefahr gewarnt. Auf diese Situation musste ich erst reagieren. Aber jetzt bin ich für Sie da! Wie war Ihre Frage noch mal?“ „Was meinte Nugura mit der Sache mit der Rache und warum haben Sie ihr auf Elyrisch geantwortet um dann eine Antwort auf Englisch nachzuschieben, die doch eigentlich selbstverständlich sein sollte. Haben Sie Geheimnisse vor ihrem Commander?!“ „Nugura meinte sicher die Rache unserer Großartigen Königin Sytania an der Frau, die unsere großartige Königin Sytania herausfordern will und ihr die Macht streitig machen will.“, sagte ich, auch wenn das lange nicht der Wahrheit entsprach. „Meine Antwort auf Elyrisch hatte psychologische Gründe, Commander. Nugura war sehr unruhig und ich weiß, dass das Hören der eigenen Muttersprache in solchen Situationen oft eine Beruhigung auslösen kann. Derjenige fühlt sich dann der Familie und der Heimat näher. Das bedingt sich schon allein aus dem Wort Muttersprache. Die Mutter ist im Allgemeinen die Person, von der die Kinder das Sprechen erlernen. Zumindest ist das in unseren sozialen Strukturen meistens und so auch auf Elyrien der Fall, da sie oft die Erziehung der Kinder übernimmt.“ „Diese Antwort ist schlüssig genug für mich, Betsy.“, sagte Kissara. „Hatten Sie mich etwa ernsthaft für eine Verräterin gehalten, Madam?“, fragte ich. „Jeden anderen.“, antwortete sie. „Jeden, aber auf keinen Fall Sie! Sie haben mir bewiesen, dass Ihr Herz an der richtigen Stelle sitzt. Allein Ihr Vorschlag, wie Sie die fremde Dimension erobern wollen. Sie wissen schon. Die von Ihrem angeblichen schwer in Sie verliebten Freund! Oh, Scott! Ich hätte nicht geahnt, wie sehr die Handlungen unserer Großartigen Königin Sytania Sie inspirieren konnten. Sie sollten ein Vorbild für alle anderen Offiziere sein! Jawohl, ein Vorbild! Wer braucht schon die Liebe? Sie macht nur schwach und verletzlich. Der Hass aber macht stark! Genau wie die kalte Berechnung! Denen sollten wir uns zuwenden, wie es unsere Großartige Königin Sytania auch tut.“ „Sie haben Recht, Madam!“, spielte ich die Überzeugte und landete das Shuttle an den Koordinaten, die mir mein Hilfsmittel angewiesen hatte, nachdem es die im Kreis aufgestellten Leuchtbojen der Vendar ausgemacht hatte.

Im selben Moment jedoch schien Kissara sehr abwesend. Grund dafür war eine telepathische Botschaft, die sie in diesem Moment von Sytania empfangen hatte: Kissara, komm zu mir! Ich erwarte dich in der Arena! Ich muss mit dir über die Situation sprechen, bevor der Kampf beginnen kann.

Mein Commander wandte sich mir zu: „Allrounder, ich werde mir ein wenig die Beine vertreten.“ „OK.“, sagte ich und beobachtete, wie sie dem Schiff entstieg und sich die Luke hinter ihr schloss.

Das Zufallen der Luke hatte mich einen Laut der Erleichterung von mir geben lassen. „Bitte definieren Sie puh!“, sagte Data. „Ich bin nur froh, dass wir jetzt allein sind, Data.“, sagte ich. „Ich muss noch über etwas mit Ihnen reden. Sie müssen, als Sie pro forma die Akademie besuchten, ja auch viele Gewissenskonflikte erlebt haben. Zum Beispiel die Sache mit dem Lügen und dem Betrügen. Führen wir sie nicht ad absurdum, sobald wir uns in Verkleidung und schauspielernd in eine andere Gesellschaft begeben? Ich meine, wir geben vor jemand zu sein, der wir nicht sind. Das ist doch auch eine Lüge oder sogar ein Betrug. Auch wenn es nur dazu dient, unseren Aufprall auf die Gesellschaft zu mildern und die Auswirkungen zu begrenzen. Es ist also eine Notlüge. Das ist mir klar. Aber Sie, als computerbasierte Lebensform, mussten bestimmt einige Datenkonflikte aushalten. Für Sie gibt es im Grunde doch nur ein oder aus, ja oder nein, null oder eins.“ „Wenn ich kein lernfähiger Androide wäre, würde das sicher korrekt sein.“, sagte Data. „Ich habe aber gelernt, dass ich auch Ausnahmen zulassen kann, die über bestimmte Wenn-Dann-Routinen gesteuert werden. Anders machen Sie es ja im Grunde auch nicht.“ „Das stimmt.“, lächelte ich.

Auch Telzan und Sytania hatten die Erde in der Kopie meiner Heimat erreicht. Der Vendar hatte dem Mishar, seinem Schiffsrechner, das Steuer übergeben und war nach hinten gegangen, wo sich seine Herrin zum Schlafen auf eine Bank gelegt hatte. Dort hatte er sie geweckt und sie dann mit sich nach vorn ins Cockpit genommen. Dann hatte er auf den Bildschirm gezeigt: „Seht her, Gebieterin. Wir sind fast da!“ „Das sehe ich.“, sagte Sytania. „Sehr gut gemacht, Telzan! Übernimm jetzt wieder das Steuer und suche uns einen schönen Landeplatz!“ „Wie ihr wünscht.“, sagte der Vendar und nahm wieder im Pilotensitz Platz. Dann befahl er dem Computer ihm die Kontrolle zu übergeben und flog das Veshel in die Atmosphäre.

„Meine Gegnerin wird mich sicher schon erwarten.“, sagte Sytania. „Davon gehe ich auch aus.“, erwiderte der Vendar gleichmütig, ohne von den Instrumenten aufzusehen. „Du willst sicher wissen, wie ich mir den Kampf gedacht habe.“, sagte Sytania. „Schließlich bin ich die Herausforderin und habe somit das Recht der Waffenwahl! Ich dachte mir das so! Jede von uns baut einen Wirbel aus Energie auf. Wer den größten und stabilsten Wirbel aufbauen kann, hat gesiegt. Das Werfen von Gegenständen oder solche Dinge finde ich kindisch. Es lässt keinen Raum für Strategisches Denken. Keinen Raum für List!“ „Da habt Ihr sicher Recht.“, sagte der Vendar. „Nur würde ich an Eurer Stelle nicht nur auf Ästhetik setzen. Die Wirbel sollten miteinander zusammenstoßen um ihre Stabilität zu testen.“ „Genauso dachte ich mir das auch.“, sagte Sytania. „Dann sind wir uns ja einig.“, sagte Telzan.

Er zog das Schiff plötzlich langsam, aber doch sehr bestimmt hoch. „Was ist?!“, fragte die imperianische Königstochter. „Der Mishar hat ein Sternenflottenschiff gemeldet, das den Landeplatz offenbar mit uns teilen würde.“, meldete Telzan. „Und wo ist das Problem?“, fragte Sytania. „Hat dein Schiff etwa Angst davor?!“ Sie lachte gehässig. „Natürlich nicht.“, erklärte der Vendar. „Aber ihr Pilot hat Bedenken wegen der Insassinnen. Kissara ist harmlos. Sie ist außerdem die Kissara aus der Kopie. Aber bei ihr ist Betsy El Taria. Ich habe mich bei ihr schon oft geirrt, was meine Einschätzungen angeht, wenn ich versucht habe ihre Strategien Vorauszusehen. Diese Betsy El Taria ist unberechenbar. Wir sollten uns nicht zu nah bei ihr aufhalten.“ „Pah!“, machte Sytania. „Ich wusste gar nicht, dass sich mein Oberster Vendar vor einer sterblichen Sternenflottenoffizierin derart in die Hose macht! Wer hat denn wohl die Befehlsgewalt, he?! Kissara oder Betsy?! Wer ist der Commander?!“ „Kissara natürlich, Gebieterin.“, sagte Telzan. „Aber bitte vergesst nicht, dass …“ „Ach was!“, fiel ihm Sytania ins Wort. „Solange sie bei ihr ist, wird Scott sich nicht mucksen! Du wirst brav unser Schiff neben ihrem landen! Hast du das verstanden?! Ich lasse mich doch von dieser Tindaranermieze nicht von meinem angestammten Platz vertreiben!“ „Also gut, Herrin!“, sagte Telzan fest, nachdem er sich merklich zusammengerissen hatte. Dann drehte er das Schiff und machte einen erneuten Ansatz zur Landung, der dann auch erfolgreich war. „Geht doch!“, sagte Sytania anerkennend. „Und nun entschuldige mich!“ Sie verließ das Schiff und ging in Richtung Arena davon.

Hier war Kissara bereits mit Sytanias Kopie zusammengetroffen. Die Imperianerin hatte Sorgenfalten auf der Stirn, was der Thundarianerin nicht entgangen war. „Warum grämt Ihr Euch, Majestät?“, fragte sie. „Ihr werdet siegen! Das ist ganz klar. Allrounder Scott hat den Ring der Macht und den hat sie nur allein für Euch besorgt. Sie wird ihn Euch geben, wenn es dafür an der Zeit ist. Ich halte es nur für strategisch günstiger, wenn wir das nicht sofort tun.“ „Oh, Kissara!“, rief Sytanias Kopie theatralisch aus. „Da kann ich dir nur zustimmen. Ich bin auch heilfroh, dass Scott meinem Vater den Ring aus den Rippen leiern konnte! Das bedeutet, sie und mein Vater wissen genau, dass diese Fremde eine Hochstaplerin sein muss!“ „Das denke ich auch, Milady.“, sagte Kissara schmeichelnd. „Scott hat mir nicht gesagt, was genau sie anstellen musste um den Ring zu bekommen, aber ich denke, sie wird Euren Vater daran erinnert haben, wer seine wahre Tochter ist. Auch wenn Ihr und er lange verfeindet wart, so wird er wissen, dass sie, wenn sie eine Hochstaplerin ist, lange nicht die Macht hat, welche Ihr besitzt und somit auch kein würdiger Gegenpol für ihn sein kann. Scott ist sehr intelligent, meine Königin. Ich denke, sie könnte ihm so die Pistole, beziehungsweise den Phaser, auf die Brust gesetzt haben. Natürlich nur im übertragenen Sinn. Ich vertraue ihr da voll und ganz. Es wäre zwar gut gewesen, wenn sie sich mit mir vorher abgesprochen hätte, aber das ist jetzt egal. Vielleicht weiß Scott aber auch viel zu genau, wie sehr Ihr positive Überraschungen liebt. Wenn ich es gewusst hätte, dann hättet Ihr es auch leicht aus meinen Gedanken ersehen können und dann wäre die schöne Überraschung zerstört gewesen. Das wollte sie sicher nicht.“ „Nun, Kissara.“, sagte Sytanias Kopie. „Ich hätte Scott das nicht zugetraut. Aber ihre Vorgehensweise zeigt mir, dass sie genauso durchtrieben sein kann wie ich, wenn es drauf ankommt. Nach meinem Sieg werde ich euch beide in den Adelsstand erheben! Wie hört sich deiner Meinung nach Lady Kissara und Lady Betsy für dich an?“ „Das hört sich sehr gut an!“, schnurrte Kissara. „Ich werde mit Scott darüber sprechen, wenn sie …“

Ein schwarzer Blitz hatte die Luft zerrissen. „Hier bin ich, du Betrügerin!“, rief eine Gestalt, die aus dem gleißenden Licht getreten war. Sie sah aus wie Sytania, was Kissara sehr erschreckte. Sie vermochte nicht mehr die Beiden auseinanderzuhalten.

„Du hast dir da ja ein sehr ansehnliches Reich geschaffen und alle nennen dich ihre Großartige Königin! Aber ob du wirklich so großartig bist, das werden wir ja noch sehen!“ Damit stellte sie sich ihrer Kopie gegenüber: „Jetzt kannst du mir beweisen, wie großartig du bist!“ „So, so!“, lachte Sytania. „Und wie hast du dir den Kampf zwischen uns so vorgestellt? Im Gegensatz zu dir falle ich nämlich nicht mit der Tür ins Haus. Aber weil du die Herausforderin bist, darfst du auch über die Wahl der Waffen und die Art des Kampfes entscheiden. Wir wollen ja schließlich zivilisiert bleiben, nicht wahr? Eine Eigenschaft, die dir offenbar abgeht!“ „Du willst wissen, wie ich mir den Kampf vorgestellt habe?“, fragte die originale Sytania. „Also gut, ich sage es dir. Jede von uns kreiert einen Wirbel aus Energie. Welche den stabilsten und größten Wirbel erschaffen kann, ohne dass die andere ihn mit dem ihren zerstört, hat gesiegt. Die Wirbel dürfen sich selbstverständlich auch gegeneinander und ineinander schieben. Das war eine Idee meines Obersten Vendar Telzan.“ „Dann sage ihm, falls du ihn noch einmal lebend siehst, dass seine Idee sehr gut war. Auf diese Weise wird es zumindest nicht langweilig. Ich hatte nämlich nicht vor nur einen Schönheitswettbewerb für Energiewirbel zu gewinnen.“, erwiderte die Kopie. „Gut.“, sagte die originale Sytania. „Dann lass uns endlich anfangen!“

„Bitte nur einen kurzen Moment, Ladies.“, mischte sich Kissara ein und machte einen Schritt auf die beiden Sytanias zu. „Es wird sicher starke Verschiebungen aller Naturgesetze geben und das könnte apokalyptische Ausmaße annehmen. Es wäre wohl besser, wenn Nugura die Bevölkerung vorher vorbereiten würde. Sie will ohnehin eine Rede an die Nation halten, denke ich.“ „Na gut.“, sagten beide Sytanias. „Warten wir also ab. Hoffentlich gibt sie uns ein Zeichen, wenn sie fertig ist.“ „Das wird sie bestimmt.“, sagte mein Commander und ging zum Rand der Arena um aus dem Schussfeld zu sein, falls es bei dem Kampf zu Querschlägern kommen würde.

Im Schussfeld der Presse befand sich zu diesem Zeitpunkt auch Nuguras Kopie. Sie stand auf dem Balkon ihres Schlosses und ein Tontechniker hatte ihr ein Mikrofon angeheftet. Auf dessen Zeichen hatte sie dann ihre Rede begonnen: „Ich richte mich an alle Mitglieder der Föderation, welcher Spezies und welchen Geschlechts Sie auch immer sein mögen! Uns allen werden gleich einige schwere Stunden bevorstehen! Unsere Großartige Königin Sytania wird von einer Bedrohung heimgesucht, die dadurch auch zu einer Bedrohung für uns alle wird! Sie hat die Hilfe der Sternenflotte abgelehnt und möchte den Kampf lieber allein führen. Aber wir alle können ihr helfen, indem wir mit unseren Gedanken bei ihr und für sie sind. Wir alle können uns ihren Sieg wünschen und so dazu beitragen. Aber wie immer dieser Kampf auch ausgeht, wir werden …“ Sie schluckte hörbar.

Die Rede war natürlich auf allen Frequenzen übertragen worden und so hatten auch Data und ich sie im Shuttle gehört. Irgendein Instinkt hatte mich gewarnt, dass etwas geschehen würde und so war ich bereits auf dem Sprung. „Ich muss da hin, Data!“, sagte ich, die ich auf dem Weg zur Luke des Schiffes war. Er aber zog mich zurück: „Nein, Allrounder! Ich kann verstehen, dass Sie Nugura helfen wollen, aber wir werden einen anderen Weg nehmen um zu ihr zu kommen. Bitte sagen Sie dem Computer, er soll die Bedienung des Transporters für mich freigeben. Mein Haftmodul trage ich bereits.“ „Sie haben Recht, Data.“, überlegte ich. „So müssen wir nicht an irgendwelchen Wachen vorbei, denen ich alles erklären muss.“

Ich gab dem Computer des Schiffes die nötigen Befehle und dann übernahm Data das Einstellen des Transporters um mich danach auf die Plattform zu führen. Auch er stellte sich neben mich und wir fanden uns wenig später neben Nugura wieder, deren Hand ich fest griff. Es war mir herzlich egal, dass dies von allen gesehen wurde und die Regenbogenpresse mich eventuell am nächsten Tag als Nuguras neue Liebhaberin titulieren würde. Es gab ja kein Morgen mehr, an dem ich meinen Ruf verlieren könnte.

„Ich bin hier, Madam President.“, flüsterte ich ihr zu.“ Was sie jetzt jedoch tat, war für ein Staatsoberhaupt sicher ungehörig, aber das war uns beiden egal! Sie schlang ihre Arme um mich und drückte mich an sich: „Oh, Scott!“, flüsterte sie mir verzweifelt zu. „Wie soll ich es den Leuten nur sagen?! Wie soll ich Ihnen sagen, dass sie morgen alle tot sein werden und das nur, weil ich einen Fehler gemacht habe, der sie in die Sklaverei gebracht hat. Wie soll ich?!“ „Über die Toten kann Sytania nicht gebieten, Madam President.“, flüsterte ich zurück. „Wir werden also alle morgen frei sein! Sie müssen nicht sagen, dass sie sterben müssen. Sagen Sie nur, dass sie frei sind. Das könnte man ja auch so verstehen, dass sie, wenn die Bedrohung neutralisiert, also die Fremde besiegt ist, frei von deren latenter Bedrohung währen.“ „Oh, Scott!“, flüsterte Nugura. „Sie wissen genau, wie man mit der Sprache umgehen muss. Aber das ist kein Wunder. Sie sind ausgebildete Kommunikationsoffizierin. Also gut.“

Sie wandte sich wieder herum, aber ich ließ ihre Hand nicht los. Sie schien aber auch nichts dagegen zu haben. Im Gegenteil. Meine Anwesenheit schien ihr viel Mut zu geben. Mut, den sie jetzt offensichtlich auch brauchte um zu sagen: „Morgen werden wir alle frei sein!“

Damit beendete sie ihre Rede und sah in die Arena hinunter, auf die sie vom Balkon aus einen guten Blick hatte. Danach drehte sie sich zu mir: „Haben Sie eine Ahnung, Scott, wie wir den zweien da unten ein Zeichen geben sollen, dass sie endlich mit ihrem Kampf beginnen sollen?“ „Wie es die adeligen Herzdamen im Mittelalter bei den Ritterturnieren auch gemacht haben.“, sagte ich. „Lassen Sie ein Taschentuch fallen.“ Nugura lächelte und schickte Saron zum nächsten Replikator, von dem der Sekretär bald mit einem großen weißen Stofftuch zurückkam, das Nugura von der Brüstung warf.



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