Der Fall Acht Eins Sieben

von Visitor
Zusammenfassung:

Ein unbekanntes Raumschiff rammt jene Basis, auf der normalerweise Allrounder Betsy ihren Dienst verrichtet. Die Ermittlungen ergeben, dass der Pilot sich das Leben nehmen wollte und hinterließ dabei einen Computervirus. Allrounder Betsy erkennt, dass dieses Virus mehr als ein Viurs ist. Es ist ein Vermächtnis des Selbstmörders...


Kategorien: Fanfiction > Star Trek Charaktere: Keine
Genres: Science Fiction
Herausforderung: Keine
Serie: Star Trek 3000
Kapitel: 1 Fertiggestellt: Ja Wörter: 1870 Aufgerufen: 3857 Veröffentlicht: 18.04.11 Aktualisiert: 18.04.11

Der Fall Acht Eins Sieben

von Visitor

 

Mit unheimlich schlechter Laune war ich an diesem Morgen in Little Federation aus meinem Bett aufgestanden. Ich hatte eigentlich sehr gut geschlafen, aber das war auch nicht der Grund für meine miese Laune. Viel mehr lag das an einem Gespräch, das ich am Vortag mit Kissara geführt hatte und das eigentlich zur Klärung eines anderen Umstandes beitragen sollte. Ich war am Raumflughafen angekommen und dort hatte man mir gesagt, dass gerade mich kein Flugbereitschaftspilot zur 817 bringen würde. Als ich darüber später mit meinem Commander reden wollte, bügelte sie mich nur mit den Worten: „Sie bleiben auf der Erde, Allrounder“, ab. Auch Mikel hatte sich vor seinem Abflug sehr zugeknöpft gegeben. Ich hätte sonst etwas darum gegeben, endlich zu erfahren, was dort los gewesen sei.

Ich replizierte mir ein Frühstück und trat an das in der Zwischenzeit vom Computer geöffnete Fenster. Ich hoffte sehr, dass frische Luft meine Laune wieder etwas heben würde. „Igitt!“ Der Geschmack des Kaffees ließ mich diesen Ausruf tätigen und zu mir sagen: „Du musst unbedingt mal dem Notdienst Bescheid Sagen. So geht das nicht weiter.“

Gerade wollte ich mich zum Sprechgerät drehen, um endlich zu tun, was ich bereits seit mehreren Wochen vorgehabt hatte, als mich eine behaarte Hand berührte. Es war eine sehr große, vorsichtige, aber dennoch bestimmte Hand. Ihrem Gewicht auf meiner Schulter nach zu urteilen, handelte es sich um eine männliche Hand. Wer aber in meinem Umkreis hatte solche Hände? „Kang?“, fragte ich. Der Mann aber schwieg und statt einer Antwort kam eine deutlich leichtere weibliche Hand hinter meinem Rücken hervor, die sich auf meine andere Schulter legte und mich dort in vertrauter Weise kitzelte. Ihre etwas kühlen glatten Finger erkannte ich sofort. „Jenna?“, fragte ich noch etwas unsicher. „Richtig!“, antwortete sie. Das konnte nur eines bedeuten. Der Mann mit den haarigen Händen war nicht Kang. Er war noch nicht mal ein Klingone, sondern ein Vendar. Das hieß, es konnte nur Joran sein. „Jetzt habe ich dich, Joran!“, lächelte ich. „In der Tat.“, gab er zurück. „Was macht ihr zwei hier?“, wollte ich wissen. „Und woher wisst ihr, dass ich hier bin?“ „IDUSA sah deine Kapsel auf deinem Grundstück.“, erklärte Joran. „Ihr seid mit IDUSA hier?“, vergewisserte ich mich. „Ja.“, antwortete Jenna. „Zirell hat es erlaubt, weil im Moment keine andere Mission ansteht. Aber warum sind Sie hier, Betsy und nicht auf Ihrer Basis?“ „Weil ich nicht dort sein darf.“, entgegnete ich mürrisch. „Alle halten sich aber verdammt bedeckt. Noch nicht mal Mikel wollte mir etwas sagen.“ „Du verstehst dich doch aber sehr gut mit Techniker Jannings, Allrounder Betsy.“, schlug Joran vor. „Vielleicht redet ja er gegenüber dir, wenn er in seinem Quartier ist und nicht im Dienst. Als SITCH-Offizierin müsstest du ja eigentlich alle Unterrufzeichen kennen.“ Jenna grinste Joran an: „Schäm dich.“

Ich ließ die Beiden durch die Haustür ein. Sie sollten schließlich nicht allein draußen stehen. Unhöflich wollte ich gegenüber meinem Besuch auch nicht sein. „Jetzt rückt mal raus mit der Sprache.“, sagte ich, nachdem wir uns in meinem Wohnzimmer auf die Couch gesetzt hatten. „Was führt euch her?“ „Wir wollten dich besuchen, Allrounder Betsy.“, entgegnete Joran. „Einfach so?“, fragte ich. „Einfach so.“, wiederholte Jenna.

Während unserer weiteren Unterhaltung ließ mich Jorans Vorschlag nicht zur Ruhe kommen. Auch wenn ich den armen Jannings dabei in eine kompromittierende Situation brachte. Ich musste einfach wissen, was auf der 817 geschehen war. Ich ging also zum Sprechgerät und gab das Rufzeichen der 817 samt Unterrufzeichen ein. Jannings musste seinen Dienst längst beendet haben. Das wusste ich. Tatsächlich beantwortete er bald den Ruf. „Was gibt es, Allrounder, dass Sie mich privat sprechen möchten?“, fragte er. „Wollen Sie, dass wir uns zu einer Partie Skat verabreden, wenn Sie wieder da sind?“ „Witzbold!“, gab ich zurück. „Aber nun mal raus mit der Sprache, Techniker! Warum ist die 817 eine Sperrzone, die ich nicht betreten darf. Das war das Letzte, das Agent Mikel zu mir vor seinem überstürzten Abflug sagte.“

Es dauerte eine Weile, bevor er antwortete. Wahrscheinlich musste er sich erst versichern, dass uns wirklich niemand zuhörte. Dann sagte er: „Vor zwei Tagen hat ein fremdes Schiff unsere Basis gerammt. Es wurde nur die Außenhülle eines leeren Frachtraumes beschädigt. Aber in der Wand verlief eine Plasmaleitung. Der fremde Pilot wollte wohl sicher gehen, dass er zwar starb, aber sonst niemand zu Schaden kam. Zumindest geht das aus den Ermittlungen von Agent Mikel und Agent Indira, die ihm als Partnerin zugeteilt war, hervor. Ich musste aussagen. Kissara hatte befohlen, die Schilde zu heben. Kang hatte das auch getan, aber das glaubte er auch nur. Von dem fremden Shuttle war uns ein Computervirus überspielt worden, das uns glauben lassen hat, der Computer würde Kangs Befehl ausgeführt haben. Aber in Wirklichkeit waren die Schilde offline. Elektra hatte das gemerkt und die Schilde über ihren eigenen Prozessor laufen lassen, aber es war zu spät. Jetzt ist sie dienstunfähig. Ich gehe davon aus, dass sie sich auch das Virus geholt hat. Sie tut merkwürdige Dinge und … Ich muss das Gespräch beenden.“ Er drückte die 88-Taste. Im Hintergrund hatte ich einen Alarm gehört.

„Ein Selbstmörder, der ein Virus überspielt, das garantieren soll, dass sein Selbstmord auch wirklich klappt und der keinen Abschiedsbrief hinterlässt?“, fasste Jenna das Gespräch zusammen. Jetzt wurde mir auch klar, warum ich die Station nicht betreten durfte. Sie war eine Art Tatort und an so einem durfte nichts verändert werden, solange die Ermittlungen noch andauerten. Noch nicht einmal die Zusammensetzung der Crew.

„Der Selbstmörder muss das Betriebssystem von Föderationsrechnern gut kennen, Telshanach.“, wendete sich Joran nach einer Weile des Nachdenkens an Jenna. „Davon gehe ich auch aus.“, sagte die hoch intelligente Halbschottin. „Aber was nützt uns diese Information?“ „Du hättest Jannings fragen sollen, Allrounder, welcher Spezies der Selbstmörder angehört hat.“, sagte Joran zu mir und ich ahnte, dass er damit ein bestimmtes Ziel verfolgte. Tatsächlich sprach er bald aus, was ich schon längst gedacht hatte. „Die Föderation hat doch seit zwei Monaten einen frischen Erstkontakt mit den Myrianern. Dort gibt es doch viele politische Diskussionen, die …“

Mein Sprechgerät piepte. Am anderen Ende war Jannings, der mich offensichtlich aus einem verlassenen Frachtraum rief. „Elektra ist aus der Sicherheitszelle ausgebrochen und steht mit einem Phaser hinter mir. Sie sagt, ich soll dafür sorgen, dass Sie her kommen. Kein Wort zu Kissara oder Mikel, sonst tötet sie mich. Ich weiß, das ist nicht sie. Das ist das Virus, das Kontrolle über sie hat. Aber sie will, dass man ihr zuhört!“ „Tun Sie, was sie will, Techniker!“, befahl ich. „Ich bin unterwegs!“ Ich konnte ihm Befehle erteilen, weil ich Brückenoffizierin war und er als Chefmaschinist einige Ränge unter mir stand. „Aye-Aye, Ma’am.“, fistelte er mir nervös entgegen, bevor er die 88-Taste drückte.

„Gehst du davon aus, dass Elektra jetzt den Abschiedsbrief des Selbstmörders in sich trägt?“, fragte Joran. Ich nickte. Dann stürzte ich in Richtung Terrasse, von wo ich schnell zu Lycira kommen konnte. „Halt!“, hielt mich Jenna zurück. „Ihre Kapsel würde man erkennen, aber Joran und ich könnten Sie mit IDUSAs Transporter direkt auf die Station beamen, wenn wir in der interdimensionalen Schicht sind.“ „Guter Plan, Jenn’.“, lobte ich und nahm ihre Hand.

Jenna aktivierte den Transporter des tindaranischen Schiffes per Sprechgerät und eins zwei drei waren wir an Bord, von wo uns Joran sogleich in die interdimensionale Schicht flog. Hier lokalisierten wir Jannings und Elektra und beamten mich hin.

„Allrounder!“, rief mir Jannings voller Angst zu. „Oh, Gott, gut, dass Sie da sind! Sie hat mich vor sich her getrieben und dann …“ „Schon gut, Mr. Jannings.“, sagte ich. Dann drehte ich mich zu Elektra und sagte: „Ich werde zuhören! Ich, Allrounder Betsy Scott, werde Ihnen zuhören!“

Die Androidin warf den Phaser weg, griff meine Hand und zog mich zu einer leeren Frachtkiste. Hier setzten wir uns. „Ma’am.“, begann sie etwas abgehackt. „Ich werde gleich mit einer Ihnen fremden Stimme zu Ihnen sprechen. Stellen Sie bitte die richtigen Fragen. Oh, ich kann nicht …“ Ich umfasste ihre Schultern und zog sie näher an mich, als wollte ich sie stützen. Dann sagte ich zwar mit leiser flüsternder Stimme, aber mit befehlsmäßiger Betonung: „Nicht mehr kämpfen, Technical Assistant! Lassen Sie es zu! Das ist ein Befehl!“

Nach einigen Sekunden generierte ihr Stimmsynthesizer eine männliche Stimme, die sich mir vorstellte: „Ich bin Simerian. Ich habe zu meinen Lebzeiten dieses Virus geschrieben, um sicher zu gehen, dass mein Selbstmord funktioniert und dass alle wissen, warum ich diesen Schritt gewählt habe.“ Er machte eine Pause und ich spürte, wie sich Elektras Körper zusammenkrampfte, als hätte sie überall schreckliche Schmerzen. Dann fuhr die fremde Stimme fort: „Mit diesen verdammten Schmerzen wurde ich bereits geboren. Jedes Organ meines Körpers produziert schon seit der Schwangerschaft meiner Mutter Tumorzellen. Die Organe werden umwuchert und können nicht mehr arbeiten. Das ist eine tückische Erbkrankheit, die in unserer Familie alle sieben Generationen auftritt. Meine Mutter hat, als sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hat, diese unterbrechen lassen wollen aus Liebe zu mir, weil sie mir dieses lebenslange Leid ersparen wollte. Seitdem ich auf der Welt bin, nehme ich Schmerzmittel. Daran hat sich mein Körper mittlerweile so sehr gewöhnt, dass ich immer höhere Dosen brauche. Ich kann mir also aussuchen, ob der Krebs mich zu Tode frisst, oder ob mich die Schmerzmittel langsam vergiften. Sie haben meine Mutter ins Gefängnis gesteckt, damit sie quasi gezwungen war, mich auszutragen. Das geht, weil der myrianische Staat das mit der Heiligkeit des Lebens extrem ernst nimmt.“

Ich fuhr zusammen. Eine ähnliche Diskussion wurde gerade auch in meinem Heimatjahrhundert geführt. Auch dort überlegte man, ob Babies mit Erbkrankheiten zur Welt kommen durften. Allerdings hätte ich im Fall dieses armen Mannes sicherlich mit Nein gestimmt. Wenn Leben nur noch Leid bedeutete, konnte das doch nicht richtig sein.

„Diese Schmerzen!!!“, schrie die Stimme und Elektras Körper krampfte sich erneut zusammen. „Jemand soll machen, dass es aufhört!!!“ „Sie haben gemacht, dass es aufhört, Simerian.“, stellte ich fest. „Sie haben sich getötet.“ Das Virus ließ Elektra nicken. „Im Frachtraum meines Schiffes ist ein Behälter. Darin sind Zellproben.“, erklärte er weiter. „Damit können Sie beweisen, dass ich die Wahrheit gesprochen habe.“

Die Tür des Raumes öffnete sich. Vor mir standen Mikel und Kissara. „Sie hatten doch Befehl, auf der Erde zu bleiben!“, entrüstete sich Kissara. Ich stand auf, salutierte und sagte: „Bei allem Respekt, Commander, Sie werden mir noch mal für meine Einmischung sehr dankbar sein.“ Dann berichtete ich, was mir Simerian gesagt hatte. In diesem Augenblick stand auch Elektra auf und sagte: „Danke, Allrounder. Dass Sie mir zuhörten, hat das Virus gelöscht. Ich bin wider ich selbst.“

Anhand der Beweise wurde tatsächlich bald klar, dass er die Wahrheit gesprochen hatte. Dieser Mann war von Geburt an todkrank gewesen. Eines stand für mich also fest. Auf meine Sicht des aktuellen politischen Themas würde dies einen starken Einfluss haben, wenn ich es denn hätte vorbringen dürfen. Aber auch an eine Äußerung Agent Sedrins musste ich denken. Inhaltlich hatte sie damals gesagt, dass eine Methode nicht von vorn herein schlecht sei, sondern, dass es auf den Umgang mit ihr ankäme. So konnte man mit Diagnosen vor der Geburt einerseits kranken Idealen Vorschub leisten, aber andererseits sicher auch großes Leid verhindern. Sedrin hatte sich damals zwar auf Neurokopplertechnologie bezogen, aber das war ja egal. Es kam eben immer auf den Umgang an.

ENDE

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