Raghtajino zu dritt

von Visitor
Zusammenfassung:

 

Eine Scheidung ist manchmal gar nicht so einfach. Ein sturer Richter verursacht einem Ehepaar, das sich scheiden lassen will, reichlich Kopfzerbrechen. Doch Betsy weiß auch dieses Mal einen Rat...


Kategorien: Fanfiction > Star Trek Charaktere: Keine
Genres: Science Fiction
Herausforderung: Keine
Serie: Keine
Kapitel: 1 Fertiggestellt: Ja Wörter: 3643 Aufgerufen: 2688 Veröffentlicht: 16.10.12 Aktualisiert: 16.10.12

Raghtajino zu dritt

von Visitor

 

Ein fabrikneuer quietschgrüner Jeep bog auf die Straße zum Raumflughafen von Washington ein. Am Steuer saß eine reptiloide Mittdreißigerin, die bunt gefärbte Sommerkleidung trug und über ihr gesamtes echsenartiges Gesicht grinste. Auf dem nahen Parkplatz stellte sie den Jeep ab und verließ ihn, um die Richtung zur Ankunftshalle einzuschlagen. Hier stand sie nun und ihr Blick suchte nervös die Reihen von Fluggästen ab, die in regelmäßigen Abständen die Gates verließen.

Endlich schien sie denjenigen gefunden zu haben, nach dem sie schon die ganze Zeit Ausschau gehalten hatte. „Ich bin hier, Mr. Ford.“, sagte sie mit ihrer hohen zuweilen etwas schrill wirkenden flapsigen Stimme. Ein hoch gewachsener Terraner, der sich anscheinend angesprochen gefühlt hatte, löste sich aus der Menge und kam auf sie zu. Er war in einen feinen schwarzen Anzug gekleidet und trug ebenfalls schwarze Schuhe. Mit seinen 1,80 m überragte er die mit ihren 1,65 m kleine Frau um einiges. „Ich hätte Sie beinahe nicht erkannt, Tchey.“, gab er zu, während er sich bei ihr mit links unterhakte, um mit rechts seinen Koffer vom Band zu ziehen. „Wen wundert’s.“, meinte die Reptiloide. „Wenn wir uns sonst sehen, sind Sie meistens bewusstlos.“ „Das ist wohl wahr.“, erwiderte der Terraner mit seiner tiefen sonoren Stimme.

Sie waren beim Fahrzeug angekommen und Tchey beobachtete, wie Ford seinen Koffer in den Laderaum lud. Dann wies sie ihm den Weg zur Beifahrertür. Sie selbst setzte sich auf den Fahrersitz und setzte den Jeep langsam in Bewegung.

„Wohin bringen Sie mich?“, wollte Ford wissen, als sie auf den Highway abbogen, der sie aus der Stadt führte. „Habe ich das in meiner letzten Mail nicht erwähnt?“, staunte Tchey. „Sie sprachen von einer mysteriösen sie, die mir und meiner Frau bei unseren Problemen helfen können soll.“, fasste Ford die Nachricht zusammen. „Genau.“, sagte Tchey. „Die hat nämlich Einblick in Sachen, von denen manche Leute heute schon keine Ahnung mehr haben. Und sie lebt in Little Federation.“ „Da haben sich Tavanna und ich ja auch kennen und lieben gelernt.“, sagte Ford und machte ein verzweifeltes Gesicht. „Genau.“, sagte Tchey. „Der bajoranische Bürgermeister persönlich hat Sie zwei getraut. Aber ihre Ehe stand wohl unter keinem guten Stern, Adam.“

Sie beobachtete, wie er plötzlich blass anlief. Ruhig, aber bestimmt stellte sie den Jeep am rechten Fahrbahnrand ab und öffnete per Knopfdruck beide vorderen Türen, um auszusteigen und dabei eine mitgebrachte Tüte aus dem Handschuhfach zu zerren. Dann sprintete sie um den Jeep herum, um ihre rechte Hand unter Fords Stirn zu stemmen, während sie ihm mit der Linken die Tüte vorhielt, in die er den gesamten Inhalt seines Magens entließ. „Ganz ruhig, Adam.“, beruhigte ihn Tchey, während sie sich den Inhalt der Tüte genauer betrachtete. Als Pilotin des Rettungsshuttles hatte sie schon weitaus Schlimmeres gesehen. Allerdings schien sie erstaunt über die Tatsache, dass viele kleine Kapseln zutage getreten waren. Sie sah Ford ernst an. „Wie viele nehmen Sie, Adam?!“, fragte sie ernst. „Mittlerweile achtzehn am Tag.“, gab der gebeutelte Mann zu. Geplättet ob seiner Antwort ließ sich Tchey auf die Motorhaube des Jeeps sinken. „Kein Wunder, dass sich Ihr Körper wehrt.“, sagte sie. „Und ich dachte schon, es war mein Fahrstil. Aber das kann ja nicht gut gehen, wenn Sie sich die 6-fache Dosis von dem verpassen, was verschrieben wurde.“ „Was soll ich denn machen?!“, fragte Adam verzweifelt. „Wenn Tavanna und ich uns körperlich lieben wollen, verliere ich so viel Blut wegen meiner Krankheit, dass ich Sie jedes Mal brauche, damit Sie mich in die nächste Klinik fliegen. Ich bin sicher, Ihre Vorgesetzte kann schon am Kalender ablesen, wann der Notruf unseres Adoptivsohnes eingeht.“ „Nicht nur meine Vorgesetzte.“, sagte Tchey. „Ich habe die Dosis also eigenmächtig immer weiter erhöht, damit es überhaupt noch eine Wirkung gibt. Sonst wäre ich längst tot. Außerdem hatten Tavanna und ich ein Ziel, ein Baby. Das war auch der Grund für die Pünktlichkeit, mit der wir …“, erklärte Ford weiter. „Schon gut.“, sagte Tchey verständig. „Und deshalb wollen Sie als Härtefall geschieden werden. Nur, Richter Andreotti rafft das nicht.“ „Nein.“, sagte Adam. „Aber das kommt daher, weil Sie eigentlich nicht aussagen dürfen, was Sie jeden Monat zu sehen bekommen, weil Sie und die Xylianerin an die Schweigepflicht gebunden sind. Es kann sich ja auch niemand erklären, warum ich blute wie ein Schwein!“ „Aber was man sich erklären kann.“, begann Tchey. „Ist die Tatsache, dass es für Ihre Gesundheit nicht gut ist, länger mit Ihrer Frau verheiratet zu bleiben, wenn Sie mich fragen.“ „Sicher.“, sagte Adam resigniert. „Wir beschränken uns ja schon auf den Termin von Tavannas Eisprung, aber …“ „Aber dazu kommt es ja gar nicht, weil Sie vorher fast ausbluten.“, meinte Tchey. Adam nickte.

Sie stieg wieder in den Jeep und fuhr ihn langsam wieder auf die Straße zurück. „Sie riskieren Ihren Job für mich.“, stellte Ford fest. „Ich meine, dass Sie eine weitere Person in diese Dinge einweihen, ist ja eigentlich nicht erlaubt. Auch wenn diese Frau, von der Sie mir geschrieben haben, Ihre Freundin ist. Aber wenn das jemand rauskriegt, dann …“ „Ich weiß.“, sagte Tchey. „Aber wir müssen einen Weg finden, Adam. Sonst liegen Sie irgendwann tot in Ihrem eigenen Schlafzimmer. Gegen die meisten blutstillenden Medikamente haben Sie schon eine Resistenz entwickelt. Irgendwann können wir Ihnen nicht mehr helfen, wenn es so weiter geht!“ „Schade, dass es in der Kolonie auf dem Mars keinen eigenen Familienrichter gibt.“, sagte Ford. „Denken Sie, der würde anders urteilen?“, fragte Tchey. „Alle Richter wissen, dass eine interspezies-Ehe aufgrund von interkulturellen Differenzen geschieden werden kann, aber nicht muss. Alles, was Sie bisher vorgebracht haben, sind ja Dinge, über die man reden könnte. Der Haken ist ja, dass die Sache, die alles in ein anderes Licht rücken könnte, unter dem Deckmäntelchen der Schweigepflicht steht.“

„Halten Sie an!“, rief Adam plötzlich. „Ich muss schon wieder!“ Der Vorgang von vorher wiederholte sich. Aber dieses Mal begann Ford sogar zu weinen. „Ich bin so fertig.“, schluchzte er. „Mein Magen bringt mich um und mein Kreislauf ist am Ende. Ich breche mir jeden Tag die Seele aus dem Leib und blute einmal im Monat fast meinen gesamten Körper leer. Das geht doch nicht so weiter. Warum kapiert das dieser verdammte Italiener nicht und scheidet uns einfach?!“ „Weil der verdammte Italiener nichts davon weiß.“, erklärte Tchey. „D/4 und ich dürfen ja nichts sagen.“ „Es bringt mich um!“, schrie Adam und hielt sich den Magen.

Tchey rannte zum Kofferraum und holte eine Tropfkonsole hervor. Die legte sie Adam in Windeseile an und steckte zwei Patronen mit Medikamenten auf den dazugehörigen Hypor. Dann stellte sie die Konsole auf eine recht hohe Durchlaufgeschwindigkeit ein. „Was gegen Schmerzen und für den Kreislauf.“, sagte Tchey. „Sagen Sie mir bitte nicht, das haben Sie mitgehen lassen.“, meinte Adam. „Oh, doch.“, sagte Tchey. „Ist der Job erst mal riskiert, klaut man völlig ungeniert und jetzt kommen Sie mir nicht damit, dass ich ja eigentlich keine Medikamente eigenmächtig geben darf. Sie durften ja Ihre sicher auch nicht eigenmächtig erhöhen. Außerdem war’s bei mir ja für ’n guten Zweck.“ „Und bei mir aus Verzweiflung.“, sagte Adam, der langsam wieder eine rosige Gesichtsfarbe bekam. „Ich denke, damit sind wir quitt.“, sagte Tchey.

Ein Geräusch aus dem Jeep ließ sie aufhorchen. „Der SITCH.“, meinte sie. „Machen Sie ruhig.“, sagte Adam. „Hier sitzen kann ich auch allein.“

Sie lächelte und wendete sich wieder der Fahrertür zu, um dort hindurch in den Jeep zu steigen und das Mikrofon des Sprechgerätes in die Hand zu nehmen. Das Rufzeichen im Display hatte sie längst als das Meine erkannt. „Wo bleibst du denn?“, fragte ich. „Hat das Shuttle Verspätung?“ „Nein.“, gab sie zurück. „Wir kommen gleich. Nur, wegen Mr. Ford mussten wir einige Stopps einlegen. Der ist völlig am Ende. Aber wir brauchen nicht mehr lang. Replizier’ du am besten schon mal ’n starken Raghtajino. Den werden wir brauchen.“ „OK.“, sagte ich und fügte hinzu: „Ihr fahrt aber besser nicht über die Enterprise Lane. Da sind nämlich ziemlich viele Leute und ich weiß, dass die häufigen Einsätze von Rescue One jetzt schon Stadtgespräch sind. Irgendwer hat sogar gemeint, es ist immer wegen der Fords. Gestern hat mich jemand angesprochen und meinte, ob ich das Neueste von den Fords gehört hätte.“ „Danke für deine Warnung.“, meinte Tchey. Dann rief sie den Stadtplan von Little Federation im Computer des Jeeps auf. „Hm.“, überlegte sie. „Dann nehmen wir die Dreiundvierzigste, biegen von da auf die Kirk und dann rechts ab an der Kreuzung auf den Paris Way und dann nehmen wir den Abzweig auf die Sisco Road und dann sind wir da. OK, so geht es.“ „Was für ein Umweg!“, stöhnte Adam, der alles mitbekommen hatte. „Wollen Sie etwa, dass ich sie in Ihrem Zustand noch über den Präsentierteller fahre?!“, fragte Tchey energisch. Adam schüttelte den Kopf. „Na also.“, sagte Tchey und nahm ihm den Tropf ab, der inzwischen durchgelaufen war. Sie warf die Gerätschaften in den Kofferraum zurück, schloss diesen und setzte sich wieder ans Steuer, um den Jeep langsam in Bewegung zu setzen.

„War das nicht Mrs. Scott?“, erkundigte sich Adam, der meine Stimme auch erkannt hatte. „Jops.“, machte Tchey. „Dann ist sie die Frau, über die …“, sagte Adam. „Genau.“, meinte sie. Er ließ erleichtert die Luft aus den Lungen entweichen.

Ich war in Little Federation bekannt wie ein bunter Hund dafür, dass ich oft in den verfahrensten Situationen Lösungen fand, auch dann, wenn diese oft sehr schräg anmuteten. Wahrscheinlich war das auch der Grund, aus dem Tchey jetzt auch solche Hoffnungen in mich setzte. Jedenfalls hörte ich bald den Antrieb von Tcheys Jeep und den ausgemachten Hupcode, worauf ich aus der Tür meines Hauses kam und ihr half, den völlig entkräfteten Mr. Ford auf die Couch in meinem Wohnzimmer zu setzen. „Er ist eiskalt, Tchey.“, stellte ich fest. „Da verrätst du mir nichts Neues.“, flapste sie. „Hast du irgendwo Decken?“ Ich nickte und deutete auf meinen Schrank: „Bedien’ dich!“

Sie zerrte einige Decken aus dem Fach, das ich ihr gezeigt hatte und hüllte Adam darin ein, während ich ein Tablett mit frisch repliziertem Raghtajino holte und es auf den Tisch stellte. Dann goss Tchey uns allen ein und sie und ich setzten uns rechts und links neben Adam, um ihn zu wärmen. Dabei hatte Tchey ständig per Erfasser seinen Blutdruck im Auge. „Trinken Sie ganz vorsichtig, Adam.“, sagte ich fürsorglich. „Wir dürfen Ihrem Magen nicht gleich zu viel zumuten.“ „Danke, Mrs. Scott.“, sagte Ford. „Oh, bitte.“, sagte ich, als würde ich ihn auf einen Umstand aufmerksam machen wollen, den er eigentlich längst kennen müsste. „Betsy! Sie nennen Tchey ja auch schon lange nicht mehr Mrs. Neran-Jelquist.“ „Also gut.“, sagte Adam. „Dann danke, Betsy. Obwohl das bei Tchey ja ein bisschen was anderes ist. Sie ist eine Außerirdische, deren Sprache …“ „Trotzdem.“, sagte ich.

„Vergessen Sie bitte nicht, warum wir hier sind, Ladies.“, erinnerte uns Ford. „Darauf können Sie Gift nehmen.“, sagte Tchey. „Ach, nein, das haben Sie ja schon.“ Sie grinste. „Das finde ich nicht sehr lustig.“, sagte Adam leidend. „Sorry.“, flapste Tchey.

Ich schob ihm einen Keks mit Schokolade zwischen die Lippen. „Wie meinen Sie, Tchey, dass sie uns helfen kann.“, fragte Adam schmatzend und auf mich zeigend. „Was weiß sie denn über die Sache mit meinem Blutverlust und der Ehe mit Tavanna und dem Ganzen …“ „Sie weiß alles.“, sagte Tchey. „Das ist ja schon fahrlässig, wie Sie mit Ihrem Arbeitsplatz spielen.“, bemerkte der Terraner mittleren Alters.

„Passiert das nur beim Liebesspiel, oder dürfen Sie sich gar nicht verletzen, Adam?“, fragte ich plötzlich, denn ich hatte eine Theorie! Zwar war ich keine Ärztin, aber was die Bluterkrankheit war, wusste ich aus meiner Schulzeit. Dass man sie im 30. Jahrhundert vielleicht nicht mehr unbedingt kannte, weil ja alle Erbkrankheiten so gut wie nicht mehr vorkamen, konnte ich mir vorstellen. Wenn ein Elternpaar während der Schwangerschaft eine solche Diagnose bekam, durften sie entscheiden, ob das Kind dagegen bereits im Mutterleib genetisch behandelt werden sollte oder nicht. Im Hinblick auf das Trauma der eugenischen Kriege, die noch bei vielen nachwirkten, hatten seine Eltern sich vielleicht für ein Nein entschieden und das bedeutete, dass er lebenslang mit Medikamenten auskommen musste. Es konnte ja niemand ahnen, dass er sich ausgerechnet in eine Klingonin verlieben würde und schon war der Teufelskreis perfekt! „Sind Sie Bluter, Adam?!“, fragte ich gerade heraus. Er entkrampfte sich und ließ einen erleichterten Laut hören. „Oh, Gott!“, rief er. „Es gibt also hier tatsächlich noch jemanden, der Bescheid weiß und mich deshalb nicht schief oder mitleidig ansieht!“ „Ich bin aus dem 21. Jahrhundert.“, sagte ich. „Kein Wunder, dass ich so was noch weiß.“ „Schon gut, Sie intertemporaler Flüchtling.“, sagte er. „Aber jetzt sagen Sie mir bitte nicht, Sie können uns auch noch bei dem anderen Problem helfen.“ „Oh, doch.“, sagte ich und zog grinsend ein Pad aus der Tasche. „Egal in welcher Zeit, man braucht vor Gericht immer eine Schweigepflichtsentbindung als Mediziner. Ich hab’ da schon mal was vorbereitet. Ich weiß ja, Tchey, dass du nicht so gut im Formulieren bist und Sie, Adam, sie haben mir neulich gesagt, dass das auch nicht gerade ihr Steckenpferd sei.“

Ich schob das Pad in die Tischmitte, von wo aus alle es gut sehen konnten. Dann las Adam laut vor: „Sehr geehrter Richter Andreotti, mit diesem Schreiben entbinde ich, Adam Ford, wohnhaft in der Marskolonie, geboren bei zentraler Allzeit 2998.0506,1220 auf der Erde, die Besatzung von Rescue One: (namentlich D/4, Dienst habende Ärztin und Tchey Neran-Jelquist, Pilotin), von der Schweigepflicht in meinen medizinischen Belangen für die Dauer dieses Verfahrens. Mit freundlichen Grüßen Adam Ford.“ Dann legte er seinen rechten Daumen auf das Feld, worauf das Pad seine Unterschrift registrierte und an entsprechender Stelle in das Schreiben einfügte. „Jetzt muss Andreotti die Scheidung bewilligen.“, sagte Ford. „Jetzt kommt er nicht mehr drum herum.“ „Allerdings.“, bestätigte Tchey. „Was meinst du, Betsy? Soll ich beim Schildern eines der vielen Einsätze ein bisschen auf Drama machen? Ich meine, ich könnte sagen, dass die Wetterkontrollstationen über dem Mars ausgefallen waren und ich Rescue One bei Blitz und Donner auf der Wiese landen …“

Ich kassierte das Pad ein. „Wenn du nicht bei der Wahrheit bleibst, dann kannst du dir das hier von der Backe putzen, Tchey!“, sagte ich. „Komm schon, Betsy.“, lachte sie. „Das ist ein Scheidungsverfahren und kein Mordprozess. Die werden schon nicht so genau auf die Beweise achten. Was hast du gegen etwas Drama?“ „Dass du damit deine eigene Glaubwürdigkeit demontierst!“, sagte ich. „Das habe ich dagegen. Außerdem …“ „Na gut.“, sagte sie. „Dann bleiben wir eben bei der Wahrheit, Mrs. Vorschrift. Du hast mich in der Hand. Sonst wird den Fords ja nie geholfen.“ „Na geht doch.“, flapste ich und holte das Pad wieder hervor, um es ihr zu geben.

Richter Giuliano Andreotti war nicht sehr begeistert, als wir in trauter Dreisamkeit am nächsten Tag sein Richterzimmer im Rathaus von Little Federation betraten. D/4 war auch schon da, weil Tchey sie inzwischen verständigt hatte. Adam hatte die Nacht bei mir verbracht und Tchey war als kompetente Aufsicht auch geblieben. Natürlich hatte Tchey ihrer Vorgesetzten noch nichts über das gesagt, was jetzt auf sie zukommen würde.

„Mr. Ford.“, sagte Andreotti deutlich. „Was wollen Sie noch von mir? Ich denke, Ihnen sollte klar sein, dass ich Sie und Ihre Frau nicht wegen einiger Lappalien scheiden kann. War ich denn neulich im Gericht so undeutlich?“ „Ich glaube nicht, dass seine Gesundheit ’ne Lappalie ist, Euer Ehren.“, sagte Tchey. „Sie werden über unseren Einsatz schweigen!“, mischte sich D/4 ein, die offensichtlich die Welt nicht mehr verstand. „Das werde ich nicht!“, sagte Tchey und zog das Pad. „Lesen Sie mal das hier!“ Sie hielt der Sonde das Pad direkt unter die Augen. „Entspricht das hier wirklich Ihrem Willen, Mr. Ford?“, fragte D/4. Adam nickte nur lächelnd. „Ihre Vorgehensweise ist ungewöhnlich.“, sagte die Sonde mild zu Tchey und setzte sich auf einen ihr von Andreotti zugewiesenen Stuhl. Auch wir anderen setzten uns.

„Na schön.“, sagte der Richter, der sich offensichtlich nicht erklären konnte, was die Besatzung des Rettungsshuttles mit dem Scheidungsverfahren der Fords zu tun haben sollte. Er wahr ohnehin jemand, dem La Familia über alles ging und der nur im absoluten Notfall eine Ehe zwischen verschiedenen Spezies gerade in Little Federation sehr ungern scheiden wollte, da er in einer Stadt, die ja die Föderation im Namen trug, schlechte Presse stärker fürchtete, als der Teufel das Weihwasser. „Meine Sekretärin sollte uns aber eine Verbindung zu Ihrer Frau herstellen.“, meinte Andreotti zu Ford. „Schließlich ist sie auch beteiligt.“ „Sie ist auf Kronos und besucht ihre Eltern.“, sagte Adam. „Ich gebe Ihrer Vorzimmerdame das Rufzeichen.“ Andreotti nickte.

Wenig später war auch die Verbindung mit dem Rufzeichen auf Kronos zustande gekommen und Andreotti sagte zu Tchey: „Sie wollten uns also unbedingt etwas sagen, das in diesem Verfahren noch etwas ändern könnte, dann tun Sie das.“ „OK.“, sagte Tchey und stand auf, um zu beginnen: „In den letzten Monaten lief die Sache immer so ab.“ Sie erzählte so plastisch, dass alle den Eindruck bekamen, das Ganze selbst mit zu erleben.

Es war ein ganz normaler Tag und Tchey hatte gerade die Einsatzzentrale von Rescue One betreten, wo D/4 bereits auf sie gewartet hatte. Kurz hatte die Reptiloide den Kalender mit den Augen gestreift und gegrinst. „Ihr Verhalten ist ungehörig!“, tadelte D/4 ihre Untergebene. „Ach, kommen Sie.“, meinte Tchey. „Haben Sie denn gar keinen Humor?“ Im gleichen Moment holte sie der Pieper aus dem Gespräch. „Wollen wir wetten, dass es die Adresse auf dem Mars ist?“, fragte Tchey. „Diese Wette ist unnötig.“, sagte die Sonde und machte sich auf den Weg zur rechten Tür des Shuttles, während Tchey links einstieg und sich sofort das Mikrofon des Sprechgerätes schnappte, wonach sie das Rufzeichen der Raumkontrolle eingab. „Raumkontrolle, hier Rescue One.“, sagte sie. „Erbitte Sondergenehmigung für Warpflug innerhalb des terranischen Sonnensystems in Richtung Mars!“

Auf dem Schirm erschien das Gesicht eines älteren Vulkaniers, der antwortete: „Genehmigung erteilt, Rescue One. Sie haben Freigabe für Kurs 8, 5,Vertikale 9, 2. Höhenvektor 3, 0, 0. Geschwindigkeit Warp 1.“ Tchey wiederholte die Angaben und beendete die Verbindung. Dann startete sie das Schiff.

Kurze Zeit darauf waren sie in der Siedlung angekommen und Tchey landete Rescue One in der Nähe des Hauses der Fords auf einer Wiese. Dann schnappten sich D/4 und Tchey ihre Ausrüstung und einige replizierte Blutkonserven und machten sich auf den Weg ins Haus, wo sie bereits von dem adoptierten Sohn der Fords erwartet wurden, der einen völlig verstörten Eindruck machte. „Mein Vater ist bewusstlos! Oh, Gott!“, rief der 10-jährige Junge außer sich und deutete auf die Schlafzimmertür.

D/4 warf einen kurzen Blick in den Raum, um dann Tchey gegenüber anzuordnen: „Sie werden mir die Sachen geben, die Sie bei sich haben und dann werden Sie dem Kleinen das Schiff zeigen zur Ablenkung. Ich werde mich allein um Mr. Ford kümmern! Die Situation ist für seine Psyche nicht tolerabel!“ Tchey nickte und tat, was sie ihr aufgetragen hatte.

Die Sonde nahm beide Taschen auf die Schultern und betrat das Schlafzimmer. Hier fand sie tatsächlich einen bewusstlosen und stark blutenden Mr. Ford vor, dessen Frau sich über ihn gebeugt hatte. „Verlassen Sie besser den Raum.“, sagte D/4. „Wenn Sie das nicht tun, ist sein Tod unausweichlich. Sie haben nicht die Ausbildung, um mir effizient assistieren zu können. Bitte kümmern Sie sich statt dessen um Ihren Sohn, sobald ich Mr. Ford stabilisiert habe, weil wir ihn dann sofort ins Shuttle beamen und abfliegen werden.“ „Was hier jeden Monat passiert, tut mir leid.“, sagte die Klingonin betroffen. „Ich will ihn auf keinen Fall umbringen!“ „Ihre Einlassung ist zur Kenntnis genommen.“, sagte die künstliche Lebensform, die Ford inzwischen die dritte Blutkonserve verabreicht hatte. Dass die Sonde oft eine Sprechweise an den Tag gelegt hatte, die sehr an eine Borg erinnerte, störte Tavanna nicht. Sie dachte wohl, dass dies für künstliche Lebensformen normal sei.

Endlich schlug Ford geschwächt die Augen auf. „D/4.“, erkannte er. „Sie sollten überlegen, in meine Nachbarschaft zu ziehen.“ „Diese Maßnahme ist unnötig.“, antwortete die Sonde und befestigte einen Transportverstärker an Fords Arm. Dann zog sie ihr Sprechgerät und instruierte Tchey, sie und Ford an Bord des Shuttles zu beamen, wonach Tchey die Spezialklinik auf Terra verständigte, wohin er gebracht wurde.

„Und so laufen alle Einsätze ab?“, fragte Andreotti. „Das ist korrekt.“, antwortete D/4. „Die Menge an Blut, die Mr. Ford verliert, ist lebensgefährlich und es wird jedes Mal schlimmer.“ „Könnten Sie, Mrs. Ford, sich nicht einfach mit den verletzenden Handlungen etwas zurückhalten?“, fragte der Richter ins Mikrofon seines Sprechgerätes. Die Klingonin warf nur einen verächtlichen Blick zurück, aber D/4 ergänzte wissenschaftlich: „Derartige Handlungen sind eine biologische Notwendigkeit im klingonischen Paarungsspiel, um einen adäquaten Zustand der körperlichen Erregung zu erreichen. Ein nicht korrekt ausgeführtes Vorspiel kann also beim klingonischen Teil dieser Ehe zu einer Nichtbefriedigung führen.“ „Oh, das ist sicher auch keine Dauerlösung für eine Ehe.“, stellte Andreotti fest und entschuldigte sich bei Tavanna. „Sie sehen also, Euer Ehren, das mit Tavanna und mir geht einfach nicht.“, stellte Ford fest und seine Frau pflichtete ihm bei. „Das habe ich ja alles nicht gewusst.“, sagte Andreotti. „Aber vor den neuen Fakten sieht es natürlich alles ganz anders aus. Vor der neuen Situation werden Sie natürlich geschieden, Mr. und Mrs. Ford. Über das Sorgerecht für Ihren adoptierten Sohn wird getrennt verhandelt werden müssen, aber das steht auf einem anderen Blatt.“

Er betätigte eine Sprechanlage, die ihn mit seinem Vorzimmer verband: „Tanja, bereiten Sie die Formulare für die Scheidung vor und mailen Sie eine Ausgabe auch an das Rufzeichen auf Kronos.“ „Sehr wohl, Sir.“, gab die Stimme einer lächelnden jungen Terranerin zurück.

Einige Tage darauf erfuhr ich, dass Tchey zwar einen ziemlichen Einlauf bekommen hatte, ihren Job aber schlussendlich doch behalten konnte. Die Fords waren glücklich geschieden und der Kleine Henry wohnte bei Adam, konnte aber jedes Wochenende zu seiner Mutter fliegen. Aber auch Andreotti schien aus der Sache gelernt zu haben. Er fällte seine Urteile jetzt nämlich auch mit mehr Gewicht auf den Fakten und weniger auf eventuellen schlechten Artikeln in der Presse. Alles in allem konnten wir also recht zufrieden sein.

ENDE

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