Von süßen und bitteren Früchten (Ein Vendar-Gleichnis)

von Visitor
Zusammenfassung:

 

Ein junger Erntehelfer, der etwas hochnäsig und arrogant war, erhält von seinem Arbeitherrn und seiner raffinierten Gattin eine Lektion über das Alter...


Kategorien: Fanfiction, Fanfiction > Star Trek Charaktere: Keine
Genres: Keine
Herausforderung: Keine
Serie: Keine
Kapitel: 1 Fertiggestellt: Ja Wörter: 1255 Aufgerufen: 4400 Veröffentlicht: 04.12.14 Aktualisiert: 04.12.14

Kapitel 1: Von süßen und bitteren Früchten (Ein Vendar-Gleichnis)

von Visitor

 

Einst lebten in der Tiefebene unserer Welt der Bauer Gelbran und seine Frau Timbranach. Sie hatten eine Plantage von Schokoladenfruchtbäumen und es war die Zeit, da geerntet werden sollte. Gelbran und Timbranach hatten hierzu zwei Erntehelfer eingestellt. Einen Alten, der ihnen schon seit Jahren half und einen Jungen, der das Handwerk von ebendiesem erlernen sollte. Dies ließ sich aber für seinen Meister nicht gut an, da der Jüngere sich weigerte, in die Kronen der Bäume zu klettern, wo die eigentlich süßesten Früchte verborgen waren. „Warum soll ich Kopf und Kragen riskieren, wo ich doch noch mein ganzes Leben vor mir habe?“, spottete er und machte sich daran, die Früchte von den unteren ästen zu holen, die gerade noch so in seiner Reichweite waren. „Also bleibt mir ja nichts anderes, als selbst die oberen Äste abzuernten.“, seufzte der Alte und kletterte hoch in einen Baum.

Gelbran hatte dies mit Sorge beobachtet. Er wusste sich aber keinen Rat, denn alle Ermahnungen, die er gegen den Jüngeren bereits ausgesprochen hatte, schienen keine Früchte zu tragen. Er machte sich auf den Weg zu Timbranach, die sehr klug und sehr listig war und ihm sicher helfen würde. Sie war gerade damit beschäftigt, aus allerlei farbigen Pflanzen einen Sud zu bereiten, mit dem sie die am Tag zuvor geflochtenen Körbe einfärben wollte. Gelbran schilderte ihr seine Sorge. „Sei ganz unbesorgt, mein lieber Ehemann.“, tröstete die schöne und kluge Bäuerin. „Wir werden dem Jungen eine Lektion erteilen, die er so schnell nicht vergessen wird.“ Damit nahm sie zwei der Körbe und hielt sie ihrem Mann hin: „Entscheide du, welchen ich färben soll und welchen nicht. Sie sind in Größe und Form gleich.“ „Wie soll uns das helfen, Timbranach?“, fragte Gelbran. „Warte nur ab.“, sagte seine Frau und lachte verschmitzt. „Wenn du mir vertraust und tust, wie ich dir sage, wird all deine Neugier gestillt werden.“ „Nun gut.“, sagte Gelbran und zeigte auf den Korb in ihrer rechten Hand. „Wie du wünscht.“, sagte Timbranach und tauchte ihn tief in den heißen Sud. Dann ließ sie ihn eine Weile dort und holte ihn später mit einer eisernen Zange wieder hervor. Dann sagte sie: „Bitte gib mir den Rosshaarpinsel, den du dort findest.“, und zeigte mit einer Kopfbewegung auf den Küchentisch. Vertrauensvoll tat Gelbran, wessen sie ihn angewiesen hatte. Dann begann sie damit, kunstvolle Ornamente in die Farbe zu zeichnen. „Der Korb wird jetzt eine Weile trocknen.“, sagte Timbranach. „Wenn das geschehen ist, bringst du beide Körbe zu den Männern aufs Feld. Biete sie ihnen an und sage, dass du sie danach bezahlen willst, welchen Anteil die von ihnen gepflückten Früchte am Verkauf auf dem Markt ausmachen werden. Schneide aus jedem Korb eine oder zwei Früchte auf, wenn du sie feilbietest, damit die Käufer von ihnen probieren können. Es kauft ja schließlich niemand gern die Katze im Sack. Aber das hast du ja stets so gehalten. Der Unterschied dieses Mal ist nur, dass du genau wissen wirst, welche Früchte sich besser verkauft haben, weil sie süßer waren. Jeder weiß doch, dass die an den oberen Ästen zwar schwerer zu erreichen, aber dafür süßer sind, weil sie mehr Sonne abbekommen. Auch wirst du darüber wachen, dass keiner eine Frucht aus dem Korb des anderen stielt.“ „Oh, meine kluge Timbranach!“, sagte Gelbran und küsste sie heiß. Ihm war längst bewusst, worauf das hinauslaufen würde.

Als die Körbe also trocken waren, trug er sie hinaus auf den Acker zu seinen Männern. Dann sagte er: „Seht her! Ich habe eine neue Aufgabe für euch. Jeder von euch soll einen Korb bekommen und ihn mit Früchten füllen. Diese werde ich dann auf dem Markt im Dorf feilbieten. Später, wenn ich heimkomme, soll jeder von euch nach dem Anteil an Früchten bezahlt werden, den ich verkauft habe. Ich werde wie immer zwei Goldtaler für eine Frucht verlangen. Ihr könnt euch also ausrechnen, wieviel jeder einnehmen könnte. Nun entscheidet, wer welchen Korb haben soll. In Größe und Form unterscheiden sie sich nicht.“

Der Jüngere zeigte auf den kunstvollen Korb und sprach: „Ich möchte diesen, Gelbran! Er ist schöner als der andere und ich bin auch attraktiver, stärker und schöner als dieser alte Mann dort. Dieser Korb passt also viel besser zu mir.“ „Nun gut.“, sagte Gelbran und überließ dem Jüngeren den farbigen Korb.

Bis spät in den Abend beobachtete er die Beiden bei der Ernte. Dann ging er am nächsten Morgen mit den Körben zum Markt auf dem Dorfplatz, um die Früchte feilzubieten, wie er gesagt hatte. Wie es Timbranach vorausgesagt hatte, schmähten die Leute die Früchte aus dem farbigen Korb. Sie waren ihnen fast allen zu bitter. So geschah es, dass er mit einem leeren schlichten und einem fast vollen farbigen Korb heimkam.

Timbranach, die ihn bereits am Hoftor mit den beiden Erntehelfern erwartete, erzählte er, wie es ihm ergangen war und bat sie, die Kiste mit den Goldtalern zu holen. Auch zwei Beutel sollte sie mitbringen. Wie viele Früchte in einen Korb passten, wusste er aus Erfahrung. Dann überreichten Timbranach und ihr Mann beiden ihren Anteil. Als der Jüngere allerdings sah, dass sich in seinem Beutel nur vier Goldtaler befanden, schalt er den Bauern und fragte: „Warum hast du mir nur vier Taler gegeben?!“ „Weil ich nur zwei Früchte von den deinen verkaufen konnte.“, antwortete Gelbran. „Die Frau, die sie mir abgekauft hat, wollte sie auch nur als Futter für ihr niederstes Vieh.“ Das traf den Jungen bis ins Mark und er begann nachzudenken.

Einige Zeit später beobachteten Gelbran und Timbranach, wie er gemeinsam mit dem älteren Mann oben in die Baumkronen stieg, ja, ihn sogar stützte, wo es notwendig war. „Du hast ein Wunder vollbracht, mein kluges Weib.“, flüsterte er Timbranach zu. „All meine Ermahnungen waren fruchtlos, aber du …“ „Warten wir es ab.“, sagte die Frau bescheiden. „Lass ihn zu uns herabsteigen und frage ihn, warum er seine Meinung geändert hat. Seine Antwort wird dir zeigen, ob er es wirklich verstanden hat.“

Gelbran winkte seinem jungen Helfer und der kam auch geradewegs zu ihm. „Sage mir!“, forderte der Bauer. „Warum du deine Meinung geändert hast!“ „Das will ich dir gern sagen.“, sagte der junge Mann. „Mein alter Lehrmeister tat gut daran, die Früchte aus den Baumkronen zu holen, weil sie die süßeren sind. Sie sind zwar schwerer zu erreichen, aber ihre Süße ist der Lohn, den die Götter uns für diese Mühe geben. Das wusste er, weil er mehr Erfahrung hat als ich. Das bedeutet, im Alter mag zwar vieles beschwerlicher sein, aber man weiß umso besser, was man erreicht hat und es erscheint allen viel wertvoller.“

„Du sprichst die Wahrheit, mein Junge.“, sprach der alte Erntehelfer nun aus dem Hintergrund, der das Gespräch zwischen Gelbran und dem Jungen mitbekommen hatte. „Das wusste ich. Deshalb habe ich auch nicht protestiert, als Gelbran dir den schönen Korb gab und als du dich vor der schweren Arbeit gedrückt hast. Ich wusste, irgendwann würde der Tag kommen, da du es begreifen würdest.“ „Ich danke dir und Gelbran und auch dir, Timbranach, für diese Lektion.“, sagte der Junge. „Ich werde meinem Lehrmeister jetzt auch jederzeit helfen. Irgendwann werde auch ich alt sein und dann bin ich froh, wenn mir jemand zur Seite steht. Bitte verzeiht mir meine Häme und meinen Spott. Ich war leichtfertig und wusste es nicht besser.“ „Dir sei verziehen.“, sagten alle, die er angesprochen hatte, wie aus einem Munde. So halfen sich beide gegenseitig und das bis ans Ende ihrer Tage auf Gelbrans Hof. Der Junge hatte seine Lektion gelernt. Im Alter ist eben manches schwieriger, dafür weiß man aber besser zu schätzen, was man erreicht hat.

ENDE

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