Das Unvorstellbare

von Visitor
Zusammenfassung:

Ein Mordanschlag auf die böse Sytania im Dunklen Imperium löst ein interdimensionales Chaos aus...


Kategorien: Fanfiction, Fanfiction > Star Trek Charaktere: Keine
Genres: Fantasy, Science Fiction
Herausforderung: Keine
Serie: Star Trek 3000
Kapitel: 7 Fertiggestellt: Ja Wörter: 31530 Aufgerufen: 34023 Veröffentlicht: 07.09.09 Aktualisiert: 07.09.09
Hinweise zur Geschichte:

Star-Trek-Kurzgeschichte

1. Sytanias Ermordung von Visitor

2. Endzeit von Visitor

3. Am Wendepunkt von Visitor

4. Hoffnung von Visitor

5. Shannons Volltreffer von Visitor

6. Lucillas letzte List von Visitor

7. Vokabular - Vendarisch - Deutsch von Visitor

Sytanias Ermordung

von Visitor

Im Dunklen Imperium auf Sytanias Seite war es Nacht geworden. Über dem Lager von Logars Soldaten, die sich über die Grenze geschlichen hatten, schien der Mond taghell.

Ihr müsst wissen, dass das Dunkle Imperium eine so genannte Pangäa-Dimension, also eine riesige Sphäre ist, über der ein Mond und eine Sonne kreisen.

Lucius, ein junger Rekrut, schlich an das Zelt seines Hauptmannes heran. Eine seltsame Unruhe hatte den 16-jährigen Bauernjungen befallen. Er verstand nicht, was Logar, sein oberster Befehlsherr, von den Soldaten wollte, spürte aber, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Lucius sagte es nicht laut, aber er hatte das Gefühl, sein Gebieter habe jetzt endgültig den Verstand verloren und sich von seiner Macht korrumpieren lassen. Genau das war ihm passiert, dessen er seine böse Tochter, Sytania, immer beschuldigte. Würde Lucius das laut sagen, würde sicher sein Kopf rollen.

Gordian sah kurz auf, als der Junge an ihn herantrat. „Was willst du?“, knurrte er mürrisch. „Vergib mir, Hauptmann.“, begann Lucius mit zitternder Stimme. „Ich habe gestern Morgen, als du mir auftrugst, die Waffen zu inspizieren, einen Pfeil gefunden, dessen Spitze aus Rosannium-Quarz besteht. Damit kann man, wie du mir beigebracht hast, Wesen wie Logar oder Sytania töten. Da ich nicht davon ausgehe, dass wir unseren Gebieter töten sollen …“ Weiter kam er nicht, denn Gordian sprang auf, gab ihm links und rechts eine solche Backpfeife, dass seine Wangen anschwollen und brüllte: „Du wagst es, die Befehle unseres Herrn in Frage zu stellen?! Ich will dich lehren, was es heißt …“ Bevor Gordian allerdings weiter machen konnte, stürzte ein weiterer Soldat hinzu und meldete: „Hauptmann, Der Wachposten hat Sytanias Tross gesehen. Sie scheint tatsächlich auf unsere scheinbare Unverfrorenheit hereinzufallen.“

Gordian ließ von Lucius ab und trat vor das Zelt. „Zu den Waffen!“ In seinem Befehl schwang ein wenig Freude mit. Lucius, der wusste, was ihm blühte, würde er sich bei seinem Boss nicht wieder lieb Kind machen, bat: „Bitte bitte Hauptmann. Lass mich beweisen, dass ich nicht willens war, den Befehl unseres Herren und Meisters zu hinterfragen, um ihn zu verweigern, sondern eigentlich nur genaues wissen wollte, um ihn gewissenhafter ausführen zu können.“

In den Ohren des alt gedienten Soldaten waren diese Worte wie Musik. Sein harter Gesichtsausdruck schmolz zu einem Lächeln und er sagte: „Nun gut, mein Sohn. Dann sollst du die Ehre haben, Sytania zu töten.“

Mit leuchtenden Augen sah Lucius, wie der Hauptmann einen Bogen mit goldenen Beschlägen aus dem Waffenzelt holte. Dann folgte der besagte Pfeil mit der Rosannium-Spitze.

Rosannium ist ein Kristall, der auf vielen Planeten vorkommt. Im Grunde weiß man um seine Wirkung schon seit dem Mittelalter. Es gibt Legenden, denen zu Folge manche Edelsteine vor dem bösen Blick schützen. Erst im 30. Jahrhundert kann man allerdings diesen Stoff isolieren und sichtbar machen. Es handelt sich um eine Energieform, welche die Energie von telepathischen und anderen übernatürlichen Kräften, bedingt durch ihre Wellenlänge, neutralisiert.

Bald standen alle Soldaten in voller Montur und im Begriff, auf ihre Pferde zu steigen, bereit. Als Lucius aber einen alten Schimmel besteigen wollte, nahm ihm Gordian diesen ab und führte ihm stattdessen einen langbeinigen muskulösen jungen Rappen vor, der, wie Lucius beobachtet hatte, das schnellste Pferd im Lager war. Dieses Pferd gehörte eigentlich Gordian selbst. Das wusste Lucius. Er wusste auch, dass der Hauptmann es sich nicht nehmen ließ, es eigentlich selbst zu versorgen. Noch nicht einmal den Stallburschen ließ er an seinen Liebling heran und jetzt sollte Lucius ihn im Kampf reiten dürfen? „Wie.“, stammelte der Junge. „Wie komme ich zu …“ „Ach.“, machte Gordian. „Frag nicht so dumm. Du wirst ein schnelles Pferd brauchen, um deinen Auftrag auszuführen.“ Damit hob er Lucius in den Sattel.

Alle, bis auf Lucius, folgten Gordian hinter eine Baumgruppe. Sie sollten Sytanias Wachen dadurch ablenken, dass sie sie in einen Kampf verwickelten. Lucius sollte allein hinter Sytania her reiten und sie zur Strecke bringen.

Schemenhaft konnte Lucius bald in der Ferne eine Frauengestalt in einem langen schwarzen Kleid entdecken, die im Damensitz auf einem feurigen Hengst heran galoppierte. Ihr folgten ebenfalls berittene Wächter unter starker Bewaffnung. Lucius spürte, wie sein Pferd jeden Muskel anspannte, bereit loszuspritzen, sobald er auch nur ein Wort sagen würde. Das Tier schien, so empfand es Lucius jedenfalls, genauer zu wissen, was jetzt zu tun war, als er selbst. „Ruhig.“, flüsterte er. „Gleich geht es sicher los und dann kannst du deine läuferischen Qualitäten unter Beweis stellen.“ „Attacke!!“, rief Gordian von jenseits der Bäume. Lucius ließ die Zügel locker und dachte nur noch an seinen Auftrag. Das Säbelrasseln und Aufeinanderklirren von Schwertern und Schilden sowie die Schreie der Verwundeten und Sterbenden versuchte er auszublenden. Er hatte nur noch Sytania vor Augen, die tatsächlich bald von ihren Wachen getrennt war. „Jetzt, Junge! Jetzt!“, schallte ihm Gordians Stimme entgegen. Lucius bekam das Gefühl, irgendwie nur noch mechanisch zu handeln. Ohne eine Gefühlsregung spannte er den Bogen, legte den Pfeil ein, zielte, schoss und traf Sytania mitten ins Herz, worauf sie vom Pferd sank. Lucius erschauerte. Er hielt an, stieg vom Pferd und beugte sich über die sterbende Prinzessin. „Bevor ich nun für immer meine Augen schließe.“, begann diese mit leiser werdender Stimme. „Will ich meinem Vater doch noch durch dich ausrichten lassen, dass er diese Tat noch bitter bereuen wird.“ Dann starb sie.

In der Dimension der Filidea Sapiens auf Terra Gataa, gingen Minor, eines von Zoras und Carusos Kindern und Mischka, eine Schleichkatze, die bei uns wohl unter die Art der Erdmännchen fallen würde und die die Chefin des Geheimdienstes der Katzen war, die lange Straße zum Regierungsgebäude entlang. Minor war ihr bester Agent. Aus Sentimentalität gegenüber ihrer toten Freundin hatte Zora ihren einzigen Sohn nach Minora benannt. Minor war stolz auf das, was er erreicht hatte. Keine seiner fünf Schwestern hatte einen solch geheimen Posten. „Wirst du den Majestäten wirklich vorschlagen, mich ins Dunkle Imperium zu schicken?“, wollte Minor von seiner Chefin wissen. „Aber natürlich.“, antwortete Mischka wie selbstverständlich. „Warum sonst hätten wir uns denn die Mühe gemacht, dir beizubringen, wie man eine Maus fängt und auch alle anderen Verhaltensweisen der primitiven Katzen von dort?“ „Was ist, wenn sie nein sagen?“ Minors Frage schien Mischka etwas zu verärgern. Sie stellte ihre Haare auf und fauchte: „Das werden sie nicht. Sie wissen genau so gut wie du und ich, das im Dunklen Imperium etwas im Argen liegt.“

Katzen wird nachgesagt, dass sie Telepathen spüren können. Wenn also irgendwas mit so einem passiert, sind sie alarmiert.

Kleinlaut betrat der Kater neben seiner Vorgesetzten das Sprechzimmer, in dem Leo und Tigra bereits auf die beiden Geheimdienstler warteten. Mischkas Standpauke war auf jeden Fall angekommen. Bevor die beiden sich überhaupt setzen konnten, kam der Löwe mit der dicken schwarzen Mähne gleich zur Sache. „Nun.“, begann er. „Wir alle haben den Tod von Sytania gespürt. Wir wissen alle, dass die Dimensionen das nicht aushalten. Normalerweise weiß das Logar auch. Wir müssen herausfinden, was hier los ist und was ihn zu so einem Schritt getrieben haben könnte.“ Tigra nickte ihrem Gemahl beifällig zu und wandte sich dann an Mischka. „Du sagst, du hast einen ausgebildeten Agenten, der das für uns erledigen könnte?“ „Das stimmt, Milady.“, erwiderte Mischka und zeigte mit einer Bewegung ihres Kopfes auf Minor. „Ich persönlich habe ihn entsprechend geschult. Er hat so schnell gelernt, dass ich gar nicht mehr mit dem Vorbereiten der Lektionen hinterher kam. Er scheint die richtige Mischung aus der Intelligenz seiner Mutter und den Instinkten seines Vaters geerbt zu haben, was ihn zu einem perfekten Spion in dieser Sache macht.“

Die Löwin wechselte einen kurzen Blick mit ihrem Mann, dann sagte sie: „Tut, was notwendig ist. Leo und ich werden uns an die Regierung der Zweibeiner wenden. Sie muss wissen, dass einer ihrer politischen Freunde über die Stränge geschlagen hat.“

Ein Veshell, ein kleines Raumschiff der Vendar, flog durch die interdimensionale Schicht. An Bord befanden sich Tolea und ihr oberster Vendar Namens Diran.

Die Vendar sind in einem Paralleluniversum zur Heimat der Föderation beheimatet. Sie sind ein kriegerisches Volk. Ihre Gestalt erinnert leicht an die von Bären, aber mit menschlichen Gesichtszügen. Die Vendar können große Mengen telepathischer Energie in einem Organ namens „Sifa“ speichern, die sie Telepathen abzapfen. Falls sie einmal das gesamte Bewusstsein eines Telepathen mit aufnehmen, sorgt ein weiteres Organ Namens „Nashach“ dafür, dass der Geist des Telepathen dem Vendar nichts anhaben kann durch eine Art biologisches Rosannium, welches im Nashach produziert wird. Sifa und Nashach sitzen nebeneinander am unteren Schädelende in der Nähe des Nackens. Beide sind Anhängsel des Gehirns. Manche Vendar haben im Laufe der Zeit gelernt, die Reaktion des Nashach umzuleiten oder ganz abebben zu lassen, was ihnen ermöglicht, Auch Energiefelder mit Bewusstsein zu tragen. Außerdem können diese Vendar auch durch ein Fütterungsritual, eine Art bestimmte Meditation, diese Energiefelder füttern und somit verstärken. Eine willentliche Übertragung dieser Felder auf das mächtige Wesen, dem die Vendar dienen, ist nur in den ersten zehn Wochen des so genannten Sifa-Zyklus möglich. Ist der Zeitraum überschritten, muss das Feld bis zum Ende des Zyklus getragen und versorgt werden. Energie ohne Bewusstsein kann jederzeit übertragen werden. Ein Sifa-Zyklus dauert im Allgemeinen ein Jahr. Die inneren Zellen des Organs bilden eine neutrale Struktur, die theoretisch zu jeder Wellenlänge von neuraler Energie passen könnte. Am Ende des Zyklus wird diese Schleimhaut abgebaut und vom Körper resorbiert. Viele Mächtige greifen auf die Hilfe von Vendar zurück, um ihre Feinde zu schwächen und sich selbst zu stärken. Perfektioniert hat Sytania dies vor knapp 1000 Jahren vom 30. Jahrhundert an gerechnet. Um mit ihr Schritt halten zu können, mussten auch viele andere Mächtige diesen Schritt gehen. Die Sprache der Vendar ähnelt in ihrer Klangstruktur dem Hebräischen oder auch dem Altägyptischen oder Arabischen.

„Alle Achtung.“, wandte sich Tolea lobend an ihren Bediensteten, der das Schiffchen sicher im Dunklen Imperium aus dem Interdimensionsmodus geholt hatte. „Logar scheint unsere Anwesenheit nicht zu bemerken.“ „Deshalb habe ich Euch vorgeschlagen, Gebieterin, dass wir mein Schiff nehmen und durch das Tenjaâl fliegen.“, antwortete der Vendar mit zufriedener Miene. „Hättet Ihr Eure Kräfte benutzt, wäre Logar sicher aufmerksam geworden.“ „Wie Recht du hast.“, entgegnete die Bewohnerin des Raum-Zeit-Kontinuums und sah aus dem Fenster.

Tolea, ihr Bruder, Kairon, und deren Anhänger wollen von uns Sterblichen nicht länger als Q bezeichnet werden, weil dies an die schmerzliche Vergangenheit erinnert. Die neue Begrifflichkeit verstehen Tolea und Kairon als Handreichung zum Neuanfang.

„Achtet bitte gut auf Euch.“, versuchte Diran die Aufmerksamkeit seiner Herrin zurückzubekommen. „Ich möchte nicht, dass …“ „Diran, tshê.“, unterbrach sie ihn. „Lande auf dieser Lichtung und warte auf mich!“

Die Silbe „Tshê“ ist eine Art Bannwort. Alle Vendar reagieren mit sofortiger Erstarrung darauf. Erst am Ende nachfolgender Sätze können sie sich aus der Erstarrung lösen. Einem unter dem Einfluss des Bannwortes gegebenen Befehl können sie nicht zuwider handeln.

Diran landete das Schiff auf der Lichtung und sah zu, wie Tolea es mit festem Schritt verließ. Er gab dem Versuch seiner Gebieterin, Logar ins Gewissen zu reden, nicht viele Chancen. Wenn, dann würde sie die Hilfe sämtlicher Gottheiten bedürfen, die er kannte. Diran schaltete den Annäherungsalarm seines Schiffes ein und vertiefte sich ins Gebet.

Lucius ließen die Bilder der sterbenden Sytania nicht mehr los. Jedes Mal, wenn er einschlief, hatte er die Prinzessin mit der klaffenden Wunde vor sich. Deshalb schlich er sich aus der Kaserne in den Wald. Sein Weg führte ihn aber leider auch an der Stelle vorbei, an der Sytania ihr Leben gelassen hatte. Warum musste er sie töten? Was würde jetzt geschehen? Wer würde ihren Platz einnehmen, damit die Dimension nicht stürbe? Wütend hob er einen Zweig auf und warf ihn in Richtung des Flusses. Was hatte er getan? Warum hatte er nicht genauer nachgefragt? Warum hatte er sich von seinem Hauptmann so einschüchtern lassen? Dazu war er doch eigentlich viel zu intelligent. Warum nur? Warum? Er spürte, wie die Verzweiflung ihn übermannte und sank weinend zu Boden.

Wie viel Zeit vergangen war, wusste Lucius nicht, als er eine pelzige große Hand spürte, die ihm über den Kopf strich. „Lucius.“, flüsterte eine Mädchenstimme. „Mein geliebter Lucius. Was ist dir nur geschehen?“ Als Lucius sich umgedreht und durch seinen Tränenschleier gesehen hatte, erkannte er Simach, die Vendar-Novizin, mit der er eine Beziehung pflegte. Zwar waren beide von verschiedenen Spezies, aber wo die Liebe hinfällt, ihr wisst schon.

Lucius, der Simachs Muttersprache heimlich lernte, stammelte: „Menal shem madan.“ „Heute habe ich getötet.“ Simach antwortete: „Tumaishan, Lucius, saâdenach.“ Das heißt: „Sorge dich nicht, ich vergebe dir.“ Dann half sie ihm auf und sie gingen zum Flussufer, wo sie sich setzten.

„Tolea aus dem Raum-Zeit-Kontinuum.“, kündigte Logars Herold Tolea an, als diese den Palast betreten hatte. „Lass sie vortreten und lass uns dann allein.“, befahl der Herrscher gelangweilt. Dann stieg er von seinem Thron herab und setzte sich mit Tolea an einen Tisch. Danach ließ er den Mundschenk eine Kanne Met und zwei Trinkbecher bringen. „Nun.“, begann er scheinheilig. „Was führt Euch zu mir, Gevatterin?“

Sternenflottenwissenschaftler gehen davon aus, dass alle mächtigen Wesen irgendwo miteinander verwandt sind.

Tolea setzte ihren Becher ab. Was bildete er sich ein? Dachte er denn nicht, dass sie nicht schon längst wusste, was geschehen war? Sie sah ihm fest in die Augen und sagte dann: „Meint Ihr ernsthaft, Gevatter, mir sei entgangen, was ihr getan habt? Habt Ihr denn gar nicht über die Konsequenzen nachgedacht?“ „Konsequenzen.“, lachte Logar. „Es wird nur gute Konsequenzen haben, wenn meine üble Tochter nicht mehr lebt. Ich bin im Begriff ein Geistwesen zu schaffen, das einer meiner Vendar tragen und zu seiner vollen Stärke entwickeln wird. Dann wird eine Bäuerin ein totes Kind zur Welt bringen, das dann zu den Vendar gebracht wird. Somit hat es zumindest alles den Anschein einer natürlichen Schöpfung.“ „Seid Ihr des Wahnsinns!“, rief Tolea aus. „Das werde ich verhindern!“ Nestor, Logars Kammerdiener, und der Herold sahen nur noch weiße Blitze, die an der Decke des Palastes hin und her zuckten. Dann lag Toleas Körper leblos auf der Erde. Logar schickte nach seinen Wachen und beauftragte sie, die Tote zu dem Vendar-Schiff zu bringen, das er mit Hilfe seiner seherischen Fähigkeiten bereits wahrgenommen hatte.

Simach hatte Lucius mit ins Vendar-Dorf genommen. Es war beiden egal geworden, dass Lucius beim Morgenappell fehlen würde. Simach lebte während ihrer Novizinnenzeit bei ihrem Ausbilder, Shiran, und dessen Frau, Danajach. Danajach war Priesterin. Deshalb verstand sie sich auf das Heilen.

Vendar-Frauen können entweder Telepathenjägerinnen, wie die Männer, oder Priesterinnen werden. Das kommt darauf an, ob ihre Sifa schon zum Zeitpunkt ihrer Geburt rückgebildet oder normal ist. Im Glauben der Vendar ist jedes medizinische Wissen göttlich. Deshalb haben auch nur die Priesterinnen Zugang dazu.

Danajach bereitete Lucius einen Kräutertee zur Beruhigung und dann berichteten Simach und er, was passiert war. Shiran stand plötzlich auf und forderte seine Novizin unmissverständlich und mit Nachdruck auf, ihm zu folgen. „Was gibt es, Ausbilder?“, fragte Simach neugierig. Der Vendar-Ausbilder legte den Kopf in die Hände und überlegte eine Weile. Dann sagte er: „Unser Gebieter, Logar, will dich morgen sehen.“ „Mich?“, fragte die Jugendliche irritiert. „In der Tat.“, bestätigte Shiran. „Es hat etwas damit zu tun, dass dein neuer Sifa-Zyklus begonnen hat.“ „Heißt das, Ausbilder, ich soll ein Energiefeld …“ Dem erwachsenen Vendar fiel es schwer, angesichts der freudigen Erregung seiner Schülerin die Wahrheit zu verschleiern. Natürlich hatte der Soldat, der ins Vendar-Dorf gekommen war, ihm gesagt, was los war. Aber das konnte er Simach auf keinen Fall sagen. Außerdem erinnerte er sich noch gut daran, als er sein erstes Energiefeld tragen durfte. Es war zwar nur erjagte Energie ohne Bewusstsein, Aber Simach würde jetzt sogar ein Feld mit Bewusstsein erhalten. Dies zeugte von einem großen Vertrauen ihres Gebieters und diese Hoffnung wollte er nicht zerstören. Überglücklich versprach Simach, sich an alles zu halten, was sie gelernt hatte, um ihren Gebieter, Logar, nicht zu enttäuschen.

Diran hatte das Zeitgefühl verloren. Das Signal des Computers seines Schiffes ließ ihn aufschrecken. Er nahm das Mikrofon in die Hand und sagte: „Was gibt es, Mishar?“ „Annäherung registriert.“, erfolgte die nüchterne Antwort des Rechners. Bevor Diran die Richtung erfragen konnte, hörte er bereits selbst den Hufschlag mehrerer Pferde und das Scheppern von Rüstungen. Wen bringt sie denn jetzt mit?, dachte er bei sich.

In der Nähe des Veshell kam der Tross zum Stehen und einige Soldaten stiegen von ihren Pferden. Einer löste einen Riemen an einem Packgeschirr und Toleas Leiche fiel Diran direkt vor die Füße. Fassungslos starrte Diran auf den toten Körper seiner Herrin. „Mach’ dir mal nicht gleich ins Hemd.“, schnodderte ein Soldat ihm entgegen. „Ihr Körper ist zwar tot, aber ihren Geist hat Logar für immer in den Wald der Steine gebracht. Hier kommt sie nicht mehr raus. Es sei denn, sie findet einen Sterblichen, in dessen Körper sie schlüpfen kann. Der Eigene wird ja bald total verwest sein. Ha, ha, ha. Aufsitzen, Kameraden, wir rücken ab.“

Der Tross entfernte sich. Traurig blieben Toleas Leiche und Diran zurück. Der Vendar wusste, dass die Soldaten bezüglich der Verwesung Recht hatten. Ohne ihren mächtigen Geist hatte Toleas Körper jegliche Unverwundbarkeit verloren und schon jetzt machten sich die Fliegen, so empfand es Diran auf jeden Fall, einen Spaß daraus, sich das beste Stück auszusuchen. Er wusste weder, was dieser verdammte Wald der Steine war, noch wo er sich befand, oder wo nach er seinen Schiffscomputer suchen lassen sollte.

Sein Schiff, natürlich. Diran stieg ins Cockpit zurück und programmierte von hier aus die Umweltbedingungen im Frachtraum so um, dass sie denen einer Leichenkammer entsprachen. Dann brachte er Toleas Körper hinein. Dann beauftragte er den Computer, die Koordinaten der Beschützerstation, auf der Joran, ein guter Freund, stationiert war, anzufliegen. Er selbst würde sich auf den Weg machen, den Geist seiner Gebieterin zu suchen, zu finden und zurückzubringen. Außerdem formulierte er noch eine Nachricht, die der Computer bei Ankunft abspielen sollte. Dann verließ er das Cockpit wieder.

„Wie beurteilen Sie die letzte politische Entwicklung, Allrounder.“, wollte Data an diesem Tag von mir wissen.

Cupernica war auf Mission und hatte mich gebeten, auf ihren „Strohwitwer“ ein Auge zu haben.“ Ich war kurzfristig an demetanischem Feuchtwangenfieber erkrankt gewesen und konnte deshalb auf die aktuelle Mission der Granger nicht mit. Allrounder Ribanna, eine Reservistin, hatte meinen Platz eingenommen. So konnte ich nach meiner Genesung Cupernicas Bitte nachkommen.

„Nun, Mr. Data.“, begann ich, nachdem ich einen großen Schluck heiße Schokolade getrunken hatte. „Ich weiß zwar nicht, was da wirklich los ist, aber die Regierung sollte die Katzen zumindest anhören. Macht kann sehr stark korrumpieren und auch Logar, unser politischer Freund, ist davor sicherlich nicht gefeit. Auch er ist ein Wesen und alle Wesen haben sowohl eine gute als auch eine böse Seite. Das Leben ist nun mal nicht schwarzweiß. Es gibt eine Menge Graustufen.“ „Das ist wohl korrekt.“, antwortete Data. Ich konnte in seiner Stimme fast ein Erstaunen wahrnehmen. „Was erstaunt Sie?“, fragte ich. „Faszinierend.“, antwortete er. „Was finden Sie so faszinierend.“, verlieh ich meiner Frage Nachdruck. „Mich fasziniert.“, erklärte der Android. „Dass eine blinde Frau so sicher über Farben spricht.“ „Oh.“, lachte ich. „Da gibt es wohl ein Missverständnis. Ich wollte damit nur gesagt haben, dass ich nicht glaube, dass selbst Logar nur gut ist. Allerdings glaubt das wohl die Regierung. Andernfalls hätten sie den Katzen sicher geglaubt. Das mit den Farben ist nur eine Allegorie.“ „Verstehe.“, antwortete Data. Dann führte er meine Hand an sein Gesicht. Ich spürte, wie seine Lippen zu einem Lächeln auseinander gingen. Dann sagte er fast triumphierend: „Reingefallen.“ „Sie hinterlistiges Etwas!“, rief ich aus.

Shiran und Simach waren an diesem Morgen schon sehr früh aufgebrochen. Sie waren auf dem Weg in Logars Schloss. Shiran war die Nachricht zugekommen, das Logar das Wesen erschaffen hatte und es jetzt in Simachs Sifa übertragen wollte. Dajanachs Untersuchung der Sifa der jungen Novizin hatte ergeben, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt war.

Die Wachen winkten die zwei Vendar zum Thron des Herrschers durch. Vorschriftgemäß knieten sie sich vor Logar hin. „Deine Schülerin soll aufstehen.“, wandte sich Logar an Shiran. Simach stand auf und ging näher an den Thron, wie Logar es ihr hieß. „Sieh mir in die Augen, Vendar-Mädchen.“, befahl Logar. Zögernd befolgte Simach seinen Befehl. „Wie lautet dein Name?“ „Simach, Tochter von Milach, Ehefrau von Dashan und Dashan, Ehemann von Milach.“, antwortete Simach jetzt mit fester Stimme. „Gut, Simach.“, sagte Logar. „Ich hoffe, dir ist bewusst, was für ein Geschenk ich dir mache und welche Verantwortung ich dir übertrage.“ „Natürlich, Gebieter.“, erwiderte Simach. „Wohlan, so berühre meine Schläfen.“ Simach tat, was Logar ihr befohlen hatte und begann, sich auf sein Telepathiezentrum zu konzentrieren. Alsbald spürte sie ein Kribbeln in ihren Händen, das bis in ihre Sifa wanderte. Nachdem dies aufgehört hatte, ließ sie Logar los und drehte sich ihrem Lehrer zu, der mit seinen Händen auf ihren Handgelenken ebenfalls eine Verbindung geschaffen hatte, allerdings nur beobachtet hatte. „Alles ist in Ordnung.“, sagte Shiran freundlich. „Ab jetzt trägst du dein erstes Energiefeld.“ Simach lächelte. Dann verließ sie mit ihrem Lehrer den Palast.

Shannon und IDUSA patrouillierten um die tindaranische Basis.

Die Tindaraner sind ein telepathisches Volk. Sie sind auch als die Beschützer bekannt. Sie bewohnen ebenfalls ein Paralleluniversum zur Dimension der Föderation, mit der sie sogar eine politische Beziehung pflegen.

Shannon war technische Assistentin und hatte von ihrer Vorgesetzten, Techniker Jenna Mc’Knight, den Auftrag erhalten, IDUSAs Antrieb zu testen.

„Bisher gibt es keine Beanstandungen, nicht wahr, Shannon.“, wendete sich das Schiff an sie. „Nee nee.“, meinte die Irin flapsig. „Du schnurrst wie ein Kätzchen, mein Schätzchen.“

Shannon war für ihre Sprüche bekannt. Sie verglich sich des Öfteren zwar mit einem gewissen Jack O’Neill aus einem Sci-Fi-Unterhaltungsschmöker, den sie las und war der Meinung, dass sowohl sie als auch der erwähnte Gentleman nicht viel auf dem Kasten hatten, aber Sprücheklopfen, das konnten wohl beide.

„Würden Jenna und Sie nicht so zuverlässig meinen Antrieb warten.“, begann IDUSA. „Wäre dies sicher nicht der Fall. Oh, Shannon, wir bekommen Besuch.“ „Hätten die nicht vorher anrufen können?“, flappste Shannon. „Ich bezweifle ernsthaft, dass Sie sie verstanden hätten.“, erklärte das Schiff. „Es ist ein …“ „Ähm-ähm, zeig’s mir!“, forderte Shannon.

Über den Neurokoppler sah Shannon jetzt das Bild von Dirans Schiff.

„Was macht Sie so sicher, dass es sich um Dirans Schiff handelt, Shannon?“, fragte IDUSA. „Ich weise Sie darauf hin, dass dieses Schiff kein Transpondersignal aussendet. Es könnte jedem gehören.“ „Nee nee, IDUSA.“, erwiderte Shannon. „Da kannst du mir vertrauen. Ich erkenne doch den Kratzer am Buk und die Beule am Heck. Irgendwo läuft glaube ich auch noch Warbplasma aus.“

Shannons letzter Satz ließ IDUSA die Schubumkehr aktivieren, so dass Shannon durch den plötzlichen Ruck mit dem Kopf auf die Konsole knallte. „Was sollte das Manöver, he?“, empörte Shannon sich. „Wenn wir zu nah an austretendes Warbplasma fliegen, werden wir es entzünden und dann …“, setzte IDUSA an. „Ach.“, machte Shannon. „Das war maßlos übertrieben von mir. Wenn du mir nicht einfach blind vertraut hättest, sondern deine eigenen Sensoren benutzt hättest, dann hättest du gesehen, dass da gar nix ausläuft. Aber nun zu dem Schiff. Kannst du mich mit Diran, der alten Vendar-Socke, verbinden?“ „Kann ich leider nicht.“, entgegnete IDUSA. „Warum nicht.“, wollte Shannon wissen. „Weil er nicht an Bord ist.“ „Wie jetz’.“, staunte Shannon. „Wo is’ er denn?“ „Über Dirans Aufenthaltsort habe ich keine Informationen, Aber …“ „IDUSA?!“ Shannons strenge Ermahnung war angekommen. „Ach so, mal wieder so ein Spruch von Ihnen. Möchten Sie wissen, was das Schiff tut.“, erkundigte sich IDUSA. „Aber klärchen.“, antwortete Shannon. „Es nimmt Kurs auf unsere Basis.“ „Informier’ Zirell und den Grizzly.“, ordnete Shannon an.

Mit dem Grizzly war Joran gemeint. Der Vendar hatte sich mit einigen anderen gegen Sytania erhoben. Unter anderem war auch Diran unter den Rebellen gewesen. Er hatte sich aber bald Tolea angedient und den Planeten, auf dem die Rebellen lagerten, wieder verlassen. Shannon hatte gescherzt, dass er es ohne Gebieter wohl nicht aushalten könne.

Zu Simachs Ehren wurde im Dorf der Vendar ein Fest gegeben.

Vendar, die ein Energiefeld mit Bewusstsein tragen, haben in der Vendar-Gesellschaft eine erhöhte Stellung, da man davon ausgeht, dass sie, wie Logar es bereits sagte, großes Vertrauen ihres Gebieters genießen.

Lucius hatte sich heimlich auf die Party geschlichen. Weder seinem Hauptmann noch seinen Kameraden war aufgefallen, dass er sich jetzt öfter bei seiner Freundin als in der Kaserne aufhielt. Dort erinnerte ihn einfach zu viel an die tragischen Ereignisse, an denen er sich schuldig fühlte. Auswirkungen von Sytanias Tod waren auch schon längst zu spüren. Die Dimension Dunkles Imperium war starken Wetteranomalien ausgesetzt. Lucius ahnte, dass seine Eltern, einfache Bauern, sich das wohl nicht erklären können würden, aber er wusste ja, was los war. Würde er es ihnen erklären, würden sie ihn sicher vor Angst aus dem Haus jagen. Vorher würde der Vater ihn noch einmal kräftig übers Knie legen. Aber ändern würde dies die Situation natürlich in keinster Weise.

Simach lag abseits der sich auf das Fest vorbereitenden Menge auf ihrem Mekash, einer Art rituellem Teppich, und widmete sich dem Fütterungsritual. Lucius war hinzu geschlichen und kauerte sich neben sie. Sie sah jetzt so friedlich aus. Beinahe wie ein schlafender Engel. Aber Lucius wusste, dass sie zwar nicht ganz bei sich war, dennoch aber nicht schlief. Er strich über ihr Kopffell, ihr weiches lockiges weißes Kopffell, das er so liebte. Er wusste nicht, warum er dies fühlte, aber etwas schien ihm zu sagen, dass er ihr beistehen müsse. Zärtlich spielte er mit ihren Ohrpinseln. Er wusste, dass sie dies mochte.

Als sie die Augen wieder aufschlug, küsste er vorsichtig ihr Gesicht. „Hallo, Telshanach, da bist du ja wieder.“, lächelte er. Sie drehte sich um und setzte sich auf. „Warst du die ganze Zeit bei mir, Telshan.“, fragte sie benommen. Lucius bejahte. Dann half er ihr auf und sagte: „Komm, es geziemt sich sicher auch bei euch nicht, wenn der Ehrengast zu spät kommt.“

Diran wusste nicht mehr, wohin er noch gehen sollte. Wenn immer er irgendeinem Bauern die Geschichte erzählte, wurde er des Hofes verwiesen. Einer hatte ihn sogar mit einem Speer bedroht. Bei den Adeligen war es ihm nicht viel besser ergangen. Alle hatten sich wohl nicht vorstellen können, dass Logar, ihr guter König, Logar, zu so einer Tat fähig sein würde.

Der Verzweiflung nahe hatte Diran an einem Flüsschen Rast gemacht. Ihm war klar gewesen, dass man auf Logars Seite des Dunklen Imperiumswohl nicht sehr empfänglich für die Wahrheit sein würde. Aber, dass man ihn geradezu dazu drängen würde, so einen folgenschweren Entschluss zu fassen, hätte er nicht gedacht. Tolea, seine Gebieterin, war auf Logars Seite gewesen und er würde unter normalen Umständen zum Veshan, einem Verräter werden, würde er Geheimnisse Logars an Sytania oder Personen, die auf ihrer Seite wären, ausplaudern. Das verstieß normalerweise gegen das Ehrgefühl eines jeden Vendar. Er wusste, es würde dem Geist seiner Gebieterin von Tag zu Tag schlechter gehen, würde Logar sie noch weiter dort lassen, wo immer das auch war. Er hatte gespürt, dass sie nicht aufgeben wollte und immer noch über ihre „Silberschnur“ mit ihrem Körper verbunden war, was ihn mit dazu gebracht hatte, diesen in Sicherheit zu bringen. Jetzt war diese Quelle für Schwäche zumindest schon mal ausgemerzt, sollte man auf der Beschützerbasis seine Nachricht verstanden haben und entsprechend seinen Anweisungen verfahren haben. Joran würde schon alles erklären, sollten sie aus der Nachricht allein nicht schlau werden. Dafür kannte Diran Joran gut genug. Die beiden hatten 90 gemeinsame Jahre in Sytanias Diensten verbracht, bevor der Aufstand losbrach. Er hatte sich zwar damals Jorans Truppe angeschlossen und sogar Sianach geheiratet, irgendwie hatte es ihn aber wieder in die Dienste einer Mächtigen, in diesem Fall Tolea, gezogen. Damals hatte er Joran gesagt: „Hege keinen Argwohn, mein Freund. Ich habe die Freiheit gekostet, aber gespürt, dass es mir doch anders besser geht. Tolea verlangt keine bösen Dinge. Deshalb denke ich, ich kann mich ihr ohne Bedenken anschließen.“ Joran, der der offizielle Anführer der Vendar-Rebellen war, hatte ihm seinen Segen gegeben. Sianach war ihm nicht gefolgt. Sie hatte andere Verpflichtungen. Joran hatte sie in seiner Abwesenheit zur Anführerin der Vendar auf dem Rebellenplaneten gemacht. Er selbst hatte auf der Beschützerbasis genug damit zu tun, Commander Zirell und ihre Crew über Sytania aufzuklären.

Data rief mich in dieser Nacht in seinen Bastelschuppen. Ich fand es irgendwie schräg, dass er sich das gleiche Hobby wie 90 % aller terranischen Männer zugelegt hatte, nämlich, Basteln bis der Arzt kommt. „Ich hoffe, Allrounder, Ihr Interesse an technischen Dingen hat nicht nachgelassen.“, begann er, als er mich in den Schuppen führte. Ich verneinte und betastete die seltsame Einrichtung, die er mir darauf zeigte. „Was ist das, Sir?“, fragte ich neugierig. Da er den Rang eines Commanders und ich nur den eines Allrounders bekleidete, musste ich ihn so ansprechen. Wir waren jetzt zwar nicht auf einem Raumschiff der Sternenflotte, aber trotzdem passierte es immer wieder, dass ich in diese Sprechweise abglitt. Data hatte fast verzweifelt versucht, mir das abzugewöhnen, war aber kläglich gescheitert.

„Es handelt sich um eine Einrichtung für Hobby-Interdimensionsforscher.“, erklärte er. Den Bausatz habe ich mir auf Celsius bestellt. Ich wollte das Gerät nicht eher in Betrieb nehmen, bis Sie Zeit hätten.“ Ich fühlte mich geschmeichelt. „Welche Ehre.“, erwiderte ich und nahm auf einem Stuhl Platz, den Data mir zugewiesen hatte. „OK.“, sagte ich dann. „Lassen Sie die Show beginnen!“

„Mund auf, Augen zu.“, neckte Lucius, als er mit einer Schüssel Tchalback, einem Getreidebrei, an Simachs und seinen Tisch zurückkam. Lächelnd stellte er die Schüssel vor seiner Freundin ab. Simach betrachtete ihren Inhalt. Dann schlug sie die Hände vor ihr Gesicht und rief aus: „Bei allen Göttern, wer soll das denn alles essen?!“ Die Schüssel war nicht nur bis zum Rand gefüllt, nein, in der Mitte türmte sich der Brei sogar noch zu einem kleinen Turm mit Spitze. „Immer die, die fragt.“, grinste Lucius. „Schließlich konzentriert sich ein leerer Bauch nicht gern und du musst ja jetzt …“ „Verstehe.“, erwiderte Simach und versuchte eine Stelle zu finden, an der sie anfangen konnte, ohne dass ihr die Hälfte gleich über den ganzen Tisch quoll.

Agent Maron betrat die technische Kapsel der Beschützerbasis. „Techniker Mc’Knight, berichten Sie.“, forderte er von Jenna, die gerade dabei war, Daten aus dem Rechner des in der Zwischenzeit automatisch an der Station angedockten Vendar-Schiffes zu überspielen. „Ich weiß noch nicht viel, Sir.“, begann die Terranerin. „Aber es sieht aus, als hätte Diran sein Schiff mit einem speziellen Auftrag zu uns geschickt, dessen genauen Inhalt ich noch nicht kenne.“ „Was wissen Sie denn bis jetzt?“, fragte der demetanische Kriminalist. „Eigentlich nur, dass der Auftrag etwas mit dem Inhalt des Frachtraumes zu tun hat. Die Umweltkontrollen sind merkwürdig eingestellt.“ „Was meinen Sie mit merkwürdig? Menschenskinder, Mc’Knight, lassen Sie sich nicht alles aus der Nase ziehen. Sie sind doch sonst nicht so!“, empörte sich der Demetaner. Mc’Knight versuchte, sich sehr gefasst zu geben und sagte: „Wie in einer Leichenhalle, Sir.“ „Interessant.“, meinte Maron. „Haben Sie schon nachgesehen?“ Jenna verneinte. Dann ergänzte sie: „Ich nicht, aber meine Assistentin ist …“ „Scheiiiße!“, schallte bald darauf die schrille Stimme Shannons aus dem Frachtraum des Shuttles.

Maron und Jenna sprinteten zum anderen Ende der Andockrampe. Dort fanden sie eine völlig aufgelöste Shannon vor, die schimpfend wie ein Rohrspatz gerade das Schiff verließ.

Jenna hielt ihre Assistentin an und fragte: „Was hat Sie schon wieder so aufgeregt, Shannon? Wir setzen uns jetzt erst mal beide hin und dann sagen Sie mir, wo der Schuh drückt, verstanden?“

Die hochintelligente Amerikanerin mit schottischen Wurzeln führte ihre irische Assistentin besonnen zu einem Sitz hinter einer Konsole. „Oh Mann.“, begann Shannon. „Leichenfund am frühen Morgen, mein Tag ist im Arsch!“ „Leichenfund?“, echote Jenna irritiert. „Lassen Sie mal sehen.“ Damit ging sie forschen Schrittes auf die offene Frachtluke von Dirans Schiff zu. Ein Laut der Entrüstung entflog ihrer Kehle, als sie Toleas toten Körpers ansichtig wurde. Maron trat hinzu und erschauerte ebenfalls. Dann riss er sich aber zusammen und ließ die Leiche sofort auf die Krankenstation beamen. Was immer hier geschehen war, bedurfte sicher einer Ermittlung.

Auch Kater Minor hatte in der Zwischenzeit längst sein Ziel erreicht. Es fiel ihm sehr leicht, sich als Streuner auszugeben und so kam er von Hof zu Hof, ohne Verdacht zu erregen. Die Bauern wussten ja nicht, dass es sich bei ihm um einen Vertreter der Spezies: „Filidea Sapiens“ handelte, der sehr wohl in der Lage war, ihre Gespräche zu verstehen. Sein Schiff hatte er gut versteckt. Im Heimatdorf von Lucius war er auch gewesen. Er hatte mitbekommen, dass der Junge dort wohl zurückerwartet wurde, aber auch von einer Trophäe hatte er gehört, die er mitbringen sollte. Doch sollte Lucius jetzt noch in der Kaserne weilen. Nichts wie hin!, dachte Minor und machte sich auf. Die Trophäe würde vielleicht einen Beweis enthalten für jene frevelhafte Tat, die Logar angeordnet hatte.

Simach und Lucius gingen durch den kleinen Walt, der das Vendar-Dorf vom Gelände der Kaserne trennte. „Er will ihn mir schenken.“, sagte Lucius und Simach konnte gut seine Empörung und den Ekel in seiner Stimme heraushören. Sie hatte einen starken Verdacht, aber um diesen zu bestätigen, fragte sie: „Wer will dir was schenken?“ Lucius bekam eine Gänsehaut, als er antwortete: „Mein Hauptmann will mir den verdammten Pfeil schenken. Du weißt schon, den, mit dem ich Sytania…“ „Oh nein.“, antwortete die junge Vendar mitleidig. Fast im selben Moment fuhr sie schreiend zusammen. Vor ihrem geistigen Auge war ein Bild erschienen. Eines, wie es schrecklicher nicht sein konnte. Sie sah eine Frau, die mit Blitzen, die aus ihren Händen kamen, zuerst Logar und dann alle anderen Mächtigen tötete. Dann hörte sie eine Stimme in ihrem Geist sagen: „Sei ohne Sorge, Simach, die du bei meiner Schöpfung hilfst. Ich werde euch von diesem Missetäter und allen anderen seines Schlages befreien und dann wirst du meine …“

 

Endzeit

von Visitor

Lucius war es gelungen, Simach aus ihrer Erstarrung zu befreien. Er hatte sie dazu aber stark schütteln müssen. So sehr, dass sie hingefallen war. Er zog sie auf einen Baumstumpf, entschuldigte sich und fragte dann, während er ihr den Schmutz vom Kleid wischte: „Was war denn?“ Simach liefen die Tränen herunter. Schluchzend stieß sie hervor: „Sie hat mit mir kommuniziert. Das Energiefeld, das ich trage, ist noch viel böser, als es Sytania je war.“ Lucius hielt sie ganz fest. „Oh, um Himmels Willen, wie kann denn so etwas passieren?“, fragte er laut. „Ich weiß es nicht.“, entgegnete Simach verzweifelt. „Vielleicht hat Logar bei der Schöpfung etwas falsch gemacht.“ Lucius ahnte, dass es jetzt an ihm war, eine Entscheidung zu treffen. „Wir gehen zu deinem Ausbilder.“, sagte er mit bestimmtem aber gleichzeitig auch sehr tröstendem Ton. „Vielleicht kann Shiran uns helfen.“

„Sag das noch mal, Maron.“, bat Zirell ihren ersten Offizier ungläubig. „Toleas Leiche? Wie kann das denn sein?“ Alle im Konferenzraum sahen als Erstes Shannon an. „Ach, kommt schon, Leute.“, flapste sie. „Irgendwann hab’ ich vielleicht mal fallen lassen, dass nur ein toter Unsterblicher ein guter Unsterblicher is’. Aber das hier, das war ich nich’. Das schwör’ ich bei der toten Leiche meiner Mutter und am Besten bei der meines Vaters noch obendrein. Vielleicht sollte ich noch bei meiner ganzen Familie …“ „Du solltest dir vor allem mal zuhören, Shannon O’Riley.“, fiel Joran ihr ins Wort.

Im Vendarischen gibt es keine Familiennamen, wie wir sie kennen. Unverheiratete Vendar tragen die Namen ihrer Mutter und ihres Vaters hinter dem Eigenen, wie es aus Simachs Vorstellung bei Logar deutlich geworden sein sollte. Verheiratete tragen hinter dem eigenen Namen die Silbe: „ed“, was soviel wie: „gehört zu“ bedeutet und da hinter den Namen des Ehepartners. Ungenauer Weise haben die Sternenflotten-Universalübersetzer daraus aber ein „Von“ gemacht. Deshalb hat Joran auch Schwierigkeiten, bei terranischen Namen zwischen dem Vor- und Nachnamen zu unterscheiden und sagt beides. Auch, weil er mit Sternenflottenrängen nichts anzufangen weis, spricht er Agent Maron zwar mit Rang und Namen an, duzt ihn aber, wie es bei den Vendar üblich ist. Bei den Beschützern bzw. Tindaranern sind ebenfalls alle perdu.

„Niemand macht Ihnen einen Vorwurf, Technical Assistant.“, beruhigte Maron seine Untergebene. Er hatte die Angewohnheit, Shannon und Jenna mit Sternenflottenrängen anzusprechen, obwohl sie ja keine hatten, weil sie schließlich für die Tindaraner arbeiteten. Die einzige Erklärung, die Jenna für das Verhalten des Verbindungsoffiziers zwischen Tindara und der Föderation fand, war, dass er einfach nicht aus seiner Routine heraus konnte und das wahrscheinlich nur, weil die beiden Terranerinnen waren. Dabei kam Shannon noch nicht mal vom Föderations-Terra, sondern war von der Erde im Universum der Tindaraner. Jenna hingegen kam ursprünglich aus dem 21 Jahrhundert und noch dazu vom Föderations-Terra.

„Wenn mir kein Schwein einen Vorwurf macht.“, wollte Shannon wissen, „Dann frag’ ich mich, wieso mich hier alle wie kaputte Shuttles angucken.“ Maron wollte antworten, aber Joran drängte ihn zur Seite und stellte sich direkt neben Shannon. Dann sagte er: „Agent Maron hat gesagt, du wärst die Erste gewesen, die Toleas Leiche gesehen hat. Du sollst uns ja nur sagen, was du gesehen hast, Shannon O’Riley.“ „Seit wann bist du das Sprachrohr von unserem Demetaner, Grizzly?“, brummelte Shannon. „Aber OK, dann leg’ ich mal los. Also, ich mach’ die Luke auf, ja? habt ihr das?“ Alle nickten. Shannon fuhr fort: „Na ja, da poltert s’e mir halt vor die Füße. Mann, hab’ ich’n Schreck gekriecht. Hm tja, das wars, dann hab’ ich nix mehr machen können. Dann haben ja Jenn’ und Maron übernommen.“

Jetzt trat Ishan vor und berichtete: „Toleas Leiche liegt auf der Krankenstation. Sie ist an Maschinen angeschlossen, die ihren Körper künstlich am Leben halten, wie Diran es in der Nachricht verlangt hat, die Joran zugekommen ist.“ Zirell schaute abwartend in das Gesicht des Vendar. „In der Tat.“, bestätigte Joran und gab Jenna sein Sprechgerät. „Telshanach, würdest du?“ Nach dem Tod von Namach, Jorans Ehefrau, waren Jenna und Joran zusammengekommen. Joran hatte wohl Sorge, er würde etwas zerstören, würde er das Sprechgerät selbst an den Hauptrechner der Station anschließen. Jenna würde mit ihrem technischen Sachverstand sicher keinen Fehler machen.

„Sicher.“, lächelte die Terranerin. Voller Bewunderung sah Joran zu, wie sie die Klappe am unteren Ende des Gerätes öffnete und das zum Vorschein kommende Anschlussmodul mit einer Buchse der Hauptkonsole verband. „Das hättest du auch hingekriegt.“, lächelte sie. Langsam schüttelte Joran den Kopf. Fast ehrfürchtig nahm er das Gerät nach dem Überspielvorgang wieder von ihr entgegen.

Jenna stellte sich jetzt vor ein Mikrofon und sagte: „IDUSA, die gerade eingegangene SITCH-Mail ins Englische übersetzen und abspielen.“

Auch die Rechner der Basen heißen bei den Tindaranern IDUSA. Das ist nämlich eigentlich kein Name, sondern der Begriff setzt sich aus den ersten Buchstaben der Worte: „Interactiv Data Processing Unit for Ships Operations Assistants“, also: „interaktive Daten verarbeitende Einheit zur Assistenz bei der Schiffsbedienung“ zusammen. Das gleiche System wird aber auch auf den Stationen benutzt. Trotzdem bleibt ja das S. Ob nun Stationen oder Schiffe.

Der Computer führte ihren Befehl aus und bald sahen alle Dirans verzweifeltes Gesicht auf dem Schirm. Da IDUSA eine Stimmaufzeichnung Dirans hatte, konnte sie die Übersetzung der Nachricht mit Originalton abspielen: „Hört, meine Freunde. Meine Gebieterin, Tolea, benötigt eure Hilfe. Logar hat sie getötet. Bitte schließt ihren Körper an lebenserhaltende Geräte an, damit er sie über die Verbindung durch die Silberschnur nicht länger schwächt. Ich selbst werde mich aufmachen, ihren Geist zu finden.“

Stocksteif standen alle da. Maron war der Erste, der seine Fassung wieder fand. „Na, das wäre zumindest eine Erklärung für das Dimensionssterben.“, schlussfolgerte er. Joran senkte demütig den Kopf und erwiderte: „Vergib mir, Vertreter meiner Anführerin. Aber ich vermag dir nicht zu folgen.“ „Is’ doch piep einfach, Grizzly.“, tönte Shannon aus dem Hintergrund. „Dat raff’ sogar ich. Also, Logar killt seine Tochter und Tolea will ihm anständig die Löffel lang ziehen. Wegen der Dimensionen und so. Klappt aber nich’, weil er s’e einfach umbringt. Nee ehrlich, wisst ihr, der is’ ja wohl total übergeschnappt!“

Maron fiel ob der zwar richtigen aber dennoch unvermittelt schroff vorgetragenen Theorie seiner irischen Untergebenen die Kinnlade herunter. Er räusperte sich und sagte dann: „Sie haben natürlich Recht, O’Riley. Aber bringen Sie das Mal der Föderationsregierung bei. Die glauben kein Wort davon.“ „Bei allem Respekt.“, platzte es jetzt aus Jenna heraus. „Wie naiv sind die, Sir?“ Zirell, die so einen Ausbruch von der an sich sehr besonnenen Jenna nicht gewohnt war, fuhr zusammen. „Genau.“, pflichtete Shannon bei. „Ich mein’, Logar is’n Mächtiger. Die behaupten immer, höhere Wesen ohne Probleme zu sein, aber in Wahrheit haben die ihre eigenen kleinen … Ach. So einem sollte man nich’ blind über’n Weg trauen. Die sind im Grunde auch nur Menschen.“ Jenna schmunzelte.

„Auf dem Schirm sind soeben Wellenlinien erschienen.“, erklärte mir Data. „Das Gerät ist an die interdimensionale Sensorenphalanx gekoppelt, die der Föderation gehört. Die halten einen Kanal für Hobbyforscher offen. Die gleichmäßigen Muster zeigen den Teil der Schicht, der noch in Ordnung ist. Die unregelmäßigen zeigen den beschädigten Teil. Bis jetzt sind 70 % geschädigt. Nein, korrigiere, 80, nein, korrigiere 90, nein, korrigiere.“ Ich winkte ab. Data stoppte seine Beschreibung und schaltete das Gerät ab. „Oh Backe.“, sagte ich und schlug die Hände über meinem Kopf zusammen. „Die interdimensionale Schicht ist bald total im Eimer und die Regierung will immer noch kein Schiff schicken. Wenn sie zerstört ist, laufen alle physikalischen Gesetze aller Dimensionen ineinander und das Riesenchaos bricht aus. Dann existiert nichts mehr. Ich sollte noch mal so richtig Spaß haben, bevor die Welt unter geht. Davon haben Sie ja leider nichts. Trotzdem würde ich nicht gern allein gehen.“ Data verneinte und wies mich darauf hin, dass er noch was zu erledigen hatte. „Na gut.“, sagte ich missmutig. „Dann gehe ich halt allein.“ „Nehmen Sie aber Ihr Sprechgerät mit.“, insistierte der Android. Auf meine Frage nach dem Warum sagte er nur: „Vertrauen Sie mir.“

Shiran war keine große Hilfe gewesen, so empfand es zumindest Lucius. Er war mit Simach zu ihm gegangen und hatte geschildert, was geschehen war. Der Vendar-Ausbilder hatte sich alles angehört und dann entschieden, dass Simach sicherlich nur alles falsch verstanden hätte. Die Visionen von Energiefeldern seien nicht immer eindeutig und sie solle sich viel lieber freuen, beim Schöpfungsakt einer Neuordnung helfen zu können. Lucius war hierüber wenig begeistert. Wie hörig war dieser Mann Logar? Was würde noch geschehen müssen, damit er wieder zu Verstand käme. Und Simach, seine süße liebe unschuldige Simach, sie sollte für diesen Wahnsinn herhalten.

Auf seiner Stube in der Kaserne überlegte der Rekrut hin und her, wie er dies alles verhindern könne. Wenn Simach schon keine Hilfe von den eigenen Leuten erwarten konnte, dann musste eben er ihr helfen. Sein Plan war, mit ihr durchzubrennen, bis ihr Sifa-Zyklus vorbei war. Er wusste, wenn sie das Energiefeld nicht übertragen konnte, würde es sich irgendwann verflüchtigen und dann hatte es sich was mit Logars Schöpfungsplan. Warum das Wesen böse war, wusste er zwar nicht, aber ihm war klar, dass es auf keinen Fall zum Leben erwachen durfte.

Lucius schlich in die Waffenkammer. Hier fiel sein Blick zuerst auf den Bogen, den verhassten Bogen, mit dem er Sytania getötet hatte. Er spürte, wie die Wut in ihm aufstieg. „Na schön, du verdammtes Ding.“, dachte er. „Du kommst mit. Aber gewöhn’ dich daran, gewöhnliche Rehe und Hasen zur Strecke zu bringen.“ Er packte noch einige Pfeile und Speere ein. Den besonderen Pfeil, mit dem er Sytania getötet hatte, hatte Gordian ihm längst in einer feierlichen Zeremonie vor all seinen Kameraden übergeben. Lucius hatte aber jede Minute davon gehasst. Er wusste nicht, wem er den Pfeil geben sollte, aber irgendwie hatte er das starke Gefühl, ihn als Beweis mitnehmen zu müssen.

Auf dem Weg zum Pferdestall schreckte er plötzlich durch ein lautes Wiehern hinter sich auf. Als Lucius sich umdrehte, erblickte er den schwarzen Wallach, den er im Kampf geritten hatte. Dieser galoppierte auf Lucius zu. Neben ihm lief eine kleine zierliche aber nicht minder schnelle Fuchsstute, die wiederum von einem stämmigen Braunen begleitet wurde. „Hey?“, fragte Lucius verwundert. „Seid ihr von der Koppel ausgekniffen? Na kommt, ich bringe euch erst mal zurück.“ Als hätten sie ihn verstanden, schüttelten alle drei Pferde gemeinsam die Köpfe. Erst da begriff Lucius, dass die Tiere eigentlich Recht hatten. Simach und er würden zu Fuß nicht weit kommen, wenn Gordians Leute erst mal wüssten, dass sie getürmt waren. Und sie mussten Vorräte mitnehmen. Lucius sagte ruhig: „Steh und bleib.“, Befehle, die die Pferde gern befolgten und holte zwei Sättel, drei Trensen und ein Packgeschirr. Nachdem er die Pferde so vorbereitet hatte, Bestieg er den Schwarzen und lockte die anderen beiden Pferde hinter sich her. So machten sie sich leise ins Vendar-Dorf auf.

Diran hoffte so sehr, die Grenze würde nicht so schnell näher kommen. Er versuchte, seine Schritte zu verlangsamen, aber das gelang ihm irgendwie nicht wirklich. Er wusste, nur auf Sytanias Seite konnte er mit Hilfe rechnen, aber die Dinge, die jeder Vendar lernt, waren ihm im Weg. Niemals hätte er unter normalen Umständen auch nur in Betracht gezogen, mit den Feinden seiner Gebieterin zusammenzuarbeiten. Aber jetzt war wohl ein Punkt erreicht, an dem seine Überzeugungen auf dem Prüfstand standen. Dennoch hoffte er sehr, die Götter würden ihm diese Entscheidung abnehmen.

In dieser Nacht wälzte er sich hin und her. Er wusste, er musste Tolea helfen, aber er konnte doch nicht …

Ein Tumult ließ ihn plötzlich aufschrecken. Es hörte sich an wie Schreie und Wolfsgeheul. Außerdem glaubte Diran, das verängstigte Blöken von Schafen wahrnehmen zu können. Er setzte sich auf und versuchte angestrengt, die Richtung zu erlauschen, aus der die Geräusche kamen. Das gelang ihm auch. Blitzschnell war er aufgesprungen und dort hin unterwegs. Geradeaus – immer nur geradeaus. Dass er jetzt doch die Grenze überschritt, merkte Diran nicht.

Bald war er am Ort des Geschehens angekommen. Er sah ein etwa 13-jähriges imperianisches Mädchen, das verzweifelt versuchte, sich und ihre Schafe mit einer Steinschleuder gegen ein Rudel Wölfe zu verteidigen. Diran wusste, die Steine würden die Wölfe nur noch wütender machen, aber sie keinesfalls verjagen. Alles schien sehr klar vor seinen Augen. Er schien jeden abgemagerten Wolf und jedes panische Schaf einzeln sehen zu können. Nein, so schnell würden die von ihrer Beute nicht ablassen. Als Diran dann auch noch sah, dass das Alpha-Tier sich anschickte, die Kleine anzugreifen, stand seine Entscheidung fest. Er zog sein Sprechgerät aus der Tasche und aktivierte bei voller Lautstärke die Ultraschallfunktion. Fiepend vor Ohrenschmerzen rannten die Wölfe in alle Richtungen davon.

Ultraschall ist für das menschliche Ohr nicht hörbar. Für das von Hundeartigen aber schon. Aber die hochfrequenten Schwingungen bringen die Flüssigkeit in der Hörschnecke derart in Wallung, dass über die Flimmerhärchen, die sich diesen Bewegungen ja anpassen, eine Überlastung des Gleichgewichtsorgans sowie des Hörzentrums gemeldet wird. Dies macht, da es eine Alarmsituation darstellt und das Gehirn überlastet ist, auch jede Konzentration unmöglich und führt zur Ohnmacht, weshalb die Ultraschallwaffe auch gegen Telepathen eingesetzt werden kann, vorausgesetzt, derjenige hat menschliche Gestalt und man befindet sich mit ihm in einem Gebäude oder auf einem Planeten mit einem Schall transportierenden Medium, wie einer Atmosphäre. Bei extremer Intensität kann der hohe Druck auf das Trommelfell hier auch Blutungen auslösen.

Diran staunte über sich selbst. Er hatte das Gefühl gehabt, alle Zeit der Welt zu haben. Das war ihm noch nie passiert. Noch nie hatte er eine Situation so schnell erfasst. Erst jetzt bemerkte er allerdings die Kleine, die langsam auf ihn zu kam. „Ich danke dir.“, hörte Diran sie sagen. „Die Entscheidung, nicht mit dem Phaser um dich zu schießen, war sehr umsichtig, Vendar. Schließlich hättest du so auch die Schafe oder mich verletzen können.“ Diran atmete auf. Dieses Bauernmädchen schien zumindest zu wissen, welcher Spezies er angehörte. Dann musste er das mindestens nicht mehr erklären. „Ich heiße Diran.“, stellte dieser sich vor. „Angenehm. Ich bin Clelia.“, antwortete das Mädchen. „Gut, Clelia, dann lass uns erst mal deine versprengten Schafe suchen. Ich denke, du solltest den Weidegang für heute beenden. Die Tiere haben genug mitgemacht und sollten in ihren schützenden Stall. Ich helfe dir und dann erzählen wir das Ganze erst mal deinen Eltern.“ Dirans Vorschlag war Clelia sehr willkommen. Sie nickte und dann stellte sie sich auf Dirans Geheiß an das Gatter und er trieb ihr die verlorenen Schafe zu.

Jenna hatte eine Experimentierstrecke in der technischen Kapsel der Station aufgebaut. Shannon, die ihr geholfen hatte, betrachtete ihr gemeinsames Werk und fragte dann: „Sagen Sie mal, Jenn’, wozu ist das?“ „Ich will unseren beiden Vorgesetzten noch einmal etwas verdeutlichen.“, erwiderte sie ruhig. „So, so, etwas verdeutlichen.“, lächelte Shannon. „Na, ob Major Carter ihrem General auch immer …“ Bevor sie ihre Vorgesetzte weiter aufziehen konnte, öffnete sich die Tür der technischen Kapsel. Zirell und Maron betraten den Raum. „OK, was willst du uns zeigen, Jenna?“ Zirells Frage ließ Jenna aufstehen und an den Tisch mit der Versuchsanordnung treten. Maron lächelte, denn der Aufbau erinnerte ihn an die Physikstunden in seiner demetanischen High School.

Jenna sah jetzt kurz Shannon an, die einen kleinen Schalter umlegte. In der Versuchsanordnung begann eine Leuchte zu blinken. „Stellt euch vor, das leuchtende Lämpchen wäre das lebende Dunkle Imperium.“, begann Jenna. „Ihr wisst beide, dass es eines Energieflusses bedarf, damit etwas funktionieren kann. Energie ist Leben und um einen Energiefluss zu gewährleisten, bedarf es aber eines Plus- und eines Minuspols.“ Dabei legte sie eine besondere Betonung in das Wörtchen „und.“ „Ihr wisst, dass Logar und Sytania mit ihrer Dimension verbunden sind. Er stellt den Plus- und sie den Minuspol dar.“, fuhr Jenna fort. „Alte Kamellen, Mc’Knight.“, unterbrach Maron. „Kommen Sie endlich zur Sache!“ „Oh.“, machte Jenna mit ironischem Unterton. „Da bin ich die ganze Zeit, Sir.“ Wenn Maron sie mit einem nicht vorhandenen Sternenflottenrang ansprechen konnte, konnte sie so etwas schon lange, zumal er ja einen hatte. „Noch ist alles in Ordnung, weil Plus- und Minuspol vorhanden sind. Aber jetzt.“ Langsam zog sie das Modul für den Minuspol des Stromkreises heraus. Das Licht erlosch. „Ups.“, machte Jenna. „Assistant, hätten Sie wohl die Güte, das Lämpchen wieder einzuschalten?“ Wie mit ihrer Vorgesetzten vorher abgesprochen, tat Shannon unwissend und bewegte den Schalter hin und her. „Geht nich’, Jenn’, der Minuspol fehlt. Den haben Sie.“, sagte sie dann. „Oh, Backe.“, schauspielerte Jenna. „Wie nachlässig von mir.“ Dann steckte sie das Modul zurück, worauf die Lampe wieder zu leuchten begann.

„Wir haben verstanden, Jenna.“, stellte Zirell fest. Wenn Sytania stirbt, dann stirbt über kurz oder lang auch das Dunkle Imperium. Und das nimmt dann irgendwann alle Dimensionen mit.“ „Genau.“, bestätigte Jenna. „Und deshalb müssen wir etwas tun. Ich habe zunächst eine Nachricht auf den Rechner von Dirans Schiff gesprochen und es zurückgeschickt. Er weiß jetzt, dass Tolea in guten Händen ist und vielleicht braucht er sein Schiff noch, dort, wo er jetzt ist. Ich habe es so programmiert, dass es ihn sucht und dann immer eine Umlaufbahn über seiner Position einnimmt, egal, wo er sich im Dunklen Imperium befindet.“ „Sehr umsichtig, Techniker.“, lobte Maron.

Simach saß auf einem Stein vor ihrem Haus. Sie konnte nicht glauben, was sie sah, als Lucius und die Pferde sich näherten. Als die ganze Prozession dann auch noch vor ihr anhielt, fragte sie verwirt: „Was hast du denn vor?“ Lucius deutete auf den Sattel der rotbraunen Stute und sagte: „Steig auf, Telshanach. Wir haben keine Zeit.“ Erleichtert folgte Simach seiner Anweisung.

„Wohin sollen wir denn?“, fragte Simach, als sie bereits eine Weile unterwegs waren. „Logar ist omnipotent. Der findet uns überall. Ich habe auch das starke Gefühl, dass er sich in den Entwicklungsverlauf des Energiefeldes einmischt. Dajanach hat festgestellt, dass mein Sifa-Zyklus schon sehr weit fortgeschritten ist.“ „Was.“, sagte Lucius alarmiert. „Dann müssen wir auf Sytanias Seite. Vielleicht kann man uns dort helfen.“ Damit legte er sein rechtes Bein hinter den Sattelgurt seines Pferdes und drückte das andere an dessen Bauch. Simach tat das Gleiche und beide Pferde galoppierten los. Das Packpferd, das zwar frei lief, seine Herde aber nicht verlieren wollte, folgte unaufgefordert.

Clelia und Diran hatten Clelias Vater alles berichtet. Die Äußerung des Bauern ließ den Vendar allerdings zunächst stutzen. „Hab’ ich’s doch gewusst. Logar ist verrückt. Das erzählt uns unsere Herrin, Sytania, schon seit Jahren.“ „Heißt das, ich bin …“ Diran wollte nicht glauben, was doch so offensichtlich schien. „Genau das soll es.“, bestätigte der Bauer mit fester Stimme. „Du bist auf Sytanias Seite.“ Dirans bis dahin noch sehr angespannte Gesichtszüge schmolzen auseinander. Habt Dank, ihr Götter!, dachte er.

Minor hatte auf einem Baum gewartet. Er hatte Lucius in der Kaserne und auch jetzt auf Schritt und Tritt begleitet. Er hatte auch gesehen, dass Gordian ihm den Pfeil geschenkt hatte. Daher wusste der Kater jetzt genau, an wen er sich zu halten hatte. Irgendwann, das schwor er sich. Irgendwann würde er eine Gelegenheit nutzen, um den Pfeil mitzunehmen und ihn der Föderationsregierung übergeben. Dann mussten die ja wohl alles glauben, auch, wenn es ihnen nicht gefiele. Minor hatte sein Schiff genau so programmiert, wie Jenna das von Diran programmiert hatte. Nur mit dem feinen Unterschied, das dieses landen sollte, sobald Minor den Pfeil hätte und ihn hochhielte, was die Schiffssensoren wahrnehmen würden.

Da ihr Energiefeld ihr jetzt immer öfter seine wahren Absichten mitteilte, wurde Simach von Tag zu Tag trauriger. Minor spürte das. Er war vielleicht ein Kater der Spezies „Filidea Sapiens“, aber trotzdem fühlte er, wie Katzen eben fühlen und, wenn Katzen einen Menschen, oder wie in diesem Fall, eine kleine Vendar, einmal ins Herz geschlossen haben, lassen sie denjenigen da auch nicht mehr raus. Lucius war auf den Kater schon fast eifersüchtig geworden, weil Simach ihn viel öfter zu streicheln schien, als sie Lucius Zärtlichkeit gab. Aber langsam hatte der imperianische Junge dann doch verstanden und sich mit einem dicken selbst geangelten Fisch aus einem Bach bei Minor entschuldigt. „Ich verstehe dich jetzt.“, sagte Lucius, während er Minor über den Kopf strich. „Du bist nicht mein Rivale, sondern mein Verbündeter. Du willst genau so wenig wie ich, dass Simach weiterhin solche Angst hat. Du bist ein ganz lieber Kater, ja das bist du und so ein hübscher obendrein.“ „Ach so, Lucius, diese Wesen heißen Kater?“, erkundigte sich Simach. Sie kannte keine Katzen, weil es sie auf der Heimatwelt der Vendar nicht gibt. Sie hatte Minor bisher immer als „Meesh“, das heißt so viel wie „sanfte Berührung“ oder umgangssprachlich auch „schmusen“ oder „weich“, bezeichnet.

Lucius wusste, sie mussten bald entweder auf einen Adeligen, der auf Sytanias Seite gewesen war, oder auf eine Vendar-Priesterin treffen, denn Simach spürte von Tag zu Tag mehr, dass die Entwicklung des Energiefeldes mit schier atemberaubender Geschwindigkeit voranschritt. Nur jemand mit telepathischen Fähigkeiten oder dem Heilwissen einer Priesterin konnte ihnen jetzt noch helfen.

Das einfache Volk im Dunklen Imperium hat keine telepathischen Fähigkeiten. Die haben nur die Adeligen und die Herrscher. Das liegt an den Genen.

Minor hatte sich in dieser Nacht neben Lucius gelegt, um besser feststellen zu können, wann er eingeschlafen sei. Er beschloss, sogar noch etwas nachzuhelfen. Er schnurrte laut und gleichmäßig, was den müden Jungen gleich sehr schläfrig machte. So sehr, dass er auf der Stelle ins Land der Träume entglitt. Als Minor sicher war, dass Lucius schlief, schlich er zu dessen Tasche und nahm mit der Schnauze den Pfeil heraus. Er hielt ihn hoch und wie er seinem Schiffscomputer vorher gesagt hatte, beamte dieser ihn an Bord. Zufrieden verstaute Minor den Pfeil dort in einem ballistischen Röhrchen. Dann sagte er: „Computer, setze Kurs auf das Föderationsuniversum. Dann nach Terra.“ Er wusste, dort würde er auf eine gewisse Sternenflottenoffizierin treffen, von der ihm Zora, seine Mutter, viel berichtet hatte. Immer wieder hatte er während seiner Kindheit darauf bestanden, die Geschichte von ihr und Caruso zu hören und auch, wie man gemeinsam einen interdimensionalen Krieg verhinderte.

Diran half Clelia und ihrem Vater bei der Feldarbeit. Er wusste zwar, dass er Tolea finden musste, aber, wollte er sie wirklich in seine Sifa aufnehmen, musste er den Beginn eines neuen Sifa-Zyklus abwarten. Deshalb hatte er das Medikament, das die Beschützer entwickelt hatten, abgesetzt.

Das Medikament gaukelt der Sifa eines Vendar das Tragen eines Energiefeldes vor. Würde dies nicht geschehen, könnten die Vendar auch ihren telepathischen Freunden gegenüber unabsichtlich sehr gefährlich werden, weil das Verlangen, Energie zu nehmen, irgendwann unkontrollierbar würde. Dann würde der Telepath bis zum Tod ausgesaugt.

Die zellneutrale Schleimhaut seiner Sifa hatte sich abgebaut und Diran wusste, dass es jeden Tag wieder so weit sein konnte. Deshalb testete er sich jeden Morgen mit einem dafür geeigneten Kristall. Er wusste, dass er den Zeitpunkt auf keinen Fall verpassen durfte.

Clelia und er wollten an diesem Morgen gerade mit dem Pflügen eines Feldes beginnen. Clelia hatte den alten treuen Ackergaul bereits angeschirrt. Sie hatte beschlossen, Diran eine kleine Falle zu stellen. Irgendwie konnte sie nicht so recht glauben, dass er sich gleich gut mit Technologie und der sehr mittelalterlich anmutenden Lebensweise der Imperianer auskannte. Als Clelia die Zugkette durch die Stränge ziehen wollte, hielt Diran sie zurück: „Halt, wenn du ihn so anspannst, liegt die Kette zu hoch und er könnte sich die Luft abpressen beim Ziehen. Die Kette muss genau in der Mitte des Brustblattes am Geschirr liegen, siehst du?“ Clelia lächelte und löste die Schleifen, mit denen sie die Stränge hochgebunden hatte. Dann sagte sie: „Du kennst dich aber gut aus.“ „Das ist kein Kunststück.“, erklärte der Vendar. „Unsere Gebieter spielen manchmal mit unseren Genen, weil sie wollen, dass wir in jeder Lebenssituation zurechtkommen.“ „Stark.“, meinte Clelia. „Dieses Wissen ist also angeboren.“ Diran nickte.

Das Pflügen ging gut voran. In einer kurzen Pause zog Diran plötzlich den Testkristall aus der Tasche. „Ich habe mich heute Morgen noch nicht getestet.“, erklärte er auf Clelias fragenden Blick. „Kann ich zusehen, oder dir vielleicht sogar helfen?“, fragte Clelia neugierig. „Wenn du willst.“, antwortete Diran und drehte ihr den Rücken zu, nachdem er ihr den Kristall gegeben hatte. „Scheitle mein Nackenfell.“, wies er sie an. „Dann musst du den Kristall ungefähr eine Minute lang auf meine Haut legen und festhalten. Dann sag mir bitte, ob er schwarz wird und bis wo hin. Oder zeig ihn mir einfach.“

Um sich die Wartezeit zu vertreiben, verwickelte Clelia Diran in ein Gespräch. „Sag mal.“, wollte sie wissen. „Warum hast du die Wölfe eigentlich nicht getötet? Dass ich mit meinen Schafen im Weg war, war sicher nicht der einzige Grund für die Wahl deiner Waffen.“ „Nein.“, erklärte Diran. Dann machte er ein weises Gesicht. „Du weißt, Clelia, dass die Wölfe den Wildbestand in der Natur regulieren. Dein Vater und du, ihr seid Obstbauern, nicht wahr? Was würde dein Vater also sagen, wenn seine ganzen jungen Bäume durch Verbiss so stark beschädigt würden, dass sie sterben würden. Rehe und Hirsche lieben nämlich die zarten jungen Triebe. Mit meiner Energiewaffe hätte ich das Wolfsrudel derart stark dezimiert, dass es sich nicht mehr erholt hätte. Du erinnerst dich vielleicht, dass ich dir immer Gesellschaft geleistet habe, wenn du mit den Schafen auf die Weide gingst und Du weißt auch, was geschehen ist, als sich doch einmal ein Wolf zu nah zu uns gewagt hatte.“ „Du hast wieder …“, begann Clelia. „Genau.“, bestätigte Diran mit fester Stimme. „Das machen wir jetzt so lange, bis die Wölfe mit deinen Schafen den gemeinen Ton meiner Waffe verbinden. Dann werden sie euch für immer in Ruhe lassen.“

„Die Zeit müsste um sein.“, stellte Clelia nach einer weiteren Weile fest und nahm den Kristall fort. „Und?“, erkundigte sich Diran. „Ist er schwarz?“ „Schwarz.“, lachte Clelia fast spöttisch. „Er ist pechschwarz. Von oben bis unten pechschwarz.“ „Oh.“, entgegnete Diran. „Dann darf ich keine Zeit verlieren. Du kannst mich nicht zufällig zum Wald der Steine führen?“ „Doch klar.“, lachte Clelia. „Für wie dumm hältst du mich? Ich bin Imperianerin. Wir alle wissen, wo der Wald der Steine ist. Deine Herrin wollen wir ja wohl nicht enttäuschen. Und jetzt geh packen, sonst gibt’s Ärger.“ Geplättet zog Diran ab. So ein forsches Mundwerk hatte er Clelia nicht zugetraut.

Ich hielt mich bereits jetzt für ein „böses Mädchen“, denn ich hatte kurzer Hand einer Gruppe bajoranischer Jugendlicher geholfen, in eine Disco zu kommen, für die sie eigentlich noch viel zu jung waren. Ich hatte mich einfach zu ihrer Aufsichtsperson erklärt, obwohl sie mich und ich sie gar nicht kannte. Wir hatten schnell eine Absprache getroffen und diese kleinen Lügen dem klingonischen Türsteher präsentiert. Der hatte sie uns ohne Prüfung abgenommen. Vorspiegelung falscher Tatsachen war eigentlich eine Straftat, das wusste ich und meine Karriere bei der Sternenflotte war vorbei, würde man das rauskriegen. Aber morgen war die Welt so oder so einmal gewesen. Also, was sollte es. Wenn immer einer der Sicherheitsleute hinüber schaute, ließ ich die eine oder andere erzieherische Bemerkung fallen, wie zum Beispiel: „Nerys, trink nicht so viel.“ Oder „Felor, hör auf zu pöbeln. Die Tanzfläche gehört nicht nur dir allein.“ Die Jugendlichen schauten dann immer betreten und nickten. Ich wusste ja nicht, zu was für illegalen Taten ich noch fähig sein würde, wenn es darauf ankäme. Als meine Schutzbefohlenen zu Ende gefeiert hatten, brachte ich sie noch nach Hause. Als ich mich vor dem Haus des Letzten umdrehte und mich anschickte, wieder nach Hause zu gehen, wurde ich plötzlich auf einen kleinen grauen Kater aufmerksam, der mir lieb um die Beine schnurrte. „Hey, Miez’.“, lächelte ich. „Wo kommst du denn her?“ Er machte ein kurzes „Meck“ wobei ihm etwas klirrend aus der Schnauze fiel. Ich hob den Gegenstand auf und betastete ihn. Das war ja ein Röhrchen, wie es Agenten zur Spurensicherung benutzten. Wo hatte das Kätzchen es her?

Da fiel es mir siedendheiß ein. Das war Minor, Zoras Sohn. Zora und ich hatten SITCH-Mail-Kontakt und sie hatte mir erzählt, dass ihr Sohn für den Geheimdienst von Terra Gata arbeitete. Was immer in diesem Röhrchen war, konnte vielleicht alles beweisen. „Minor?“, fragte ich, um meine Theorie zu stützen. „Mau.“, entgegnete der kleine graue Kater.

Ich zog mein Sprechgerät aus der Tasche und gab Datas Rufzeichen ein. Als dieser sich meldete, erzählte ich ihm sofort, was ich gerade gesehen hatte. „Trifft sich sehr gut, Allrounder.“, sagte Data. „Kommen Sie bitte her, ich habe etwas für Sie.“ Ich bejahte und machte mich auf den Weg.

Logar saß in seinem Palast vor einem Kontaktkelch und sah hinein. Ihm gefiel sehr, was er sah. Die Schwangerschaft der Bäuerin, die das tote Kind gebären sollte, ging mit der gleichen hohen Geschwindigkeit voran wie der Entwicklungsverlauf des Geistwesens in Simachs Sifa. Zufrieden mit sich lehnte der Herrscher sich zurück. Davon, dass er sich da eigentlich eine große Gefahr für sich und andere heranzüchtete, ahnte er nichts, oder wollte es nicht wissen. Nur der alte treue Nestor, sein Kammerdiener, hatte versucht, ihn auf diese Gefahr hinzuweisen. Logar hatte ihn aber dafür enthaupten lassen, Einen Wesenszug, den man an sich eher Sytania zugetraut hätte.

Zirell wartete in ihrem Bereitschaftsraum, als Maron diesen mit betretenem Gesicht betrat. Begleitet wurde der Demetaner von Joran. Dem Vendar war aufgefallen, dass Maron in letzter Zeit sehr niedergeschlagen wirkte. „Es darf nicht wahr sein.“, seufzte Maron resignierend. „Es darf einfach nicht wahr sein.“ „Wo von redest du?“, fragte Zirell ernst. „Meine Regierung.“, begann der Demetaner. „Sie behaupten, ihnen seien die Hände gebunden. Sie sagen, sie würden wohl gern zur Rettung der Dimensionen beitragen, aber die Lex Föderatio ließe dies nicht zu.“ Zirell lachte verächtlich auf. Dann befahl sie: „Erkläre mir das!“ „Sie sagen, wir müssten ja dann einen Angriffskrieg führen. Das dürfe die Föderation ja nicht. Außerdem führten wir dann Krieg gegen einen politischen Freund.“ Zirell fiel ihm harsch ins Wort: „Angriffskrieg? Wo würdet ihr denn einen Angriffskrieg führen? Logar hat doch angegriffen, indem er durch Sytanias Ermordung ein Ungleichgewicht geschaffen hat, dem alle Dimensionen zum Opfer fallen werden, wenn nichts getan wird. Alle Bewohner aller Dimensionen haben das verdammte Recht, sich dagegen zu wehren. Auch ihr! Und wenn Logar hundertmal euer Freund ist. Eine Freundschaft muss auch einmal einen Sturm aushalten können. Ich habe heute Morgen mit der Zusammenkunft, meiner Regierung, gesprochen. Sie geben uns freie Hand und du bist Verbindungsoffizier. Solltest du dich mir anschließen wollen, begrüße ich das sehr. Solltest du gehen wollen, weil deine Regierung Angst hat, werde ich dich auch nicht aufhalten.“

Maron sah Joran an. Der Vendar nickte langsam mit dem Kopf. Dann sagte er: „Es ist ganz einfach, Agent Maron. Du musst nur entscheiden, ob du nichts tun und untergehen willst, oder mit uns die Fluten eindämmen möchtest.“

Der Demetaner wurde blass: „Ich soll gegen meine Regierung rebellieren?“ „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Ganz genau.“, erwiderte Zirell. Dann sagte sie zu dem breit grinsenden Vendar gewandt: „Joran, zeig ihm, wie es geht!“

In Minors Begleitung hatte ich Datas Bastelschuppen betreten. Der Android sah zunächst mich an und dann den kleinen grauen Kater. Da Androidenaugen wie Erfassersensoren funktionieren, erkannte Data gleich, dass es sich um Carusos und Zoras Sohn handelte. „Na sowas.“, sagte er. „Die Filidea Sapiens mischen sich jetzt also auch ein.“ Ich nickte bestätigend und ließ mich von Data erneut ins Freie führen. Dort blieben wir vor einem großen Gegenstand stehen. Ich legte meine rechte Hand auf den Gegenstand und lief um ihn herum. An den Umrissen erkannte ich ein Shuttle. „Wo haben Sie …?“, wollte ich fragen, aber Data unterbrach mich: „Schönen Gruß von Ihrem Ehemann.“ Datas Satz ließ mich verunsichert fragen: „Ehemann? Welcher Ehemann denn?“ „Ach.“, machte Data. „Haben Sie in der Zwischenzeit etwa noch öfter geheiratet, meines Wissens nach geht das nur auf Genesia und da waren Sie ja wohl nicht.“ „Also wirklich, Sir.“, entgegnete ich leicht wütend. „Überprüfen Sie mal Ihre Datenbank. Ich bin gar nicht verheiratet!“ „Meine Datenbank arbeitet korrekt, Allrounder ehrenhalber Betsy Scott.“ Als der Android, der dem Rang nach mein vorgesetzter Offizier sein konnte, dies sagte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich war ich mit Scotty verheiratet. Die Sache mit seiner Aufenthaltsgenehmigung damals. Da ich ein intertemporaler Flüchtling war, durfte mein Nachname nirgendwo auftauchen, aber das bedeutete nicht, dass es ihn nicht gab. „Scheibenkleister!“ Mein Ausruf ließ Data schmunzeln. „Es gibt keinen Kleister in Scheiben.“, meinte er nüchtern. „Aber vielleicht könnte man das erfinden. Die Konsistenz müsste nur so verändert werden …“ „Ach, Data.“, unterbrach ich ihn. „Das ist nur ein Spruch. Aber jetzt sagen Sie mir doch bitte mal, Sir, wie das Shuttle so schnell von Celsius …“ „Gar nicht.“, sagte Data. „Scotty hat mir lediglich die Dateien für den Replikator geschickt. Das Shuttle habe ich dann aus den replizierten Teilen selbst zusammengebaut.“ Dabei schwang in seiner Stimme fast etwas Stolz mit. „Schließlich kenne ich mich mit Technologie aus als Android.“ „Frankenstein war auch Arzt und hat trotzdem ein Monster erschaffen.“, scherzte ich. „Ihr Vergleich hinkt, Allrounder.“, erwiderte Data. „Sein Vater war …“ „Dann verstehen wir uns ja.“, lächelte ich, rief Minor und stieg mit ihm ins Shuttle. „Taks Software zum Verständigen mit Minor habe ich übrigens auch aufgespielt. Das Gleiche gilt für Ihr Spezialprogramm!“, rief Data mir noch hinterher. „Und hier haben Sie noch eine Sicherheitskopie. Man weiß ja nie.“ Ich lächelte Data noch kurz an, schloss die Luke und startete den Antrieb.

Clelia und Diran ritten an der Grenze zwischen Sytanias und Logars Reich entlang. Clelia hatte beiden bei benachbarten Bauern zwar Pferde leihen müssen, aber das machte ja nichts. Im schnellen Jagdgalopp preschten sie voran. „Ich bewundere deine Reitkunst, Clelia!“, rief Diran ihr zu. „So so, tust du das?“, kam eine freche Antwort zurück. „Du denkst wohl, ein Mädchen kann das nicht.“ „Keinesfalls.“, sagte Diran. „Du bist nur so ein Fliegengewicht und ich dachte, du fällst beim ersten Sprung aus dem Sattel.“ „Ach.“, lachte Clelia. „Mach dir darüber doch keine Sorgen.“ Dann hielt sie plötzlich abrupt ihr Pferd an, stieg ab und zeigte auf einige Kristallmassive, die in der Ferne zu sehen waren. „Da.“, sagte sie. „Das ist der Wald der Steine. Ab hier müssen wir zu Fuß gehen. Die Tiere könnten die Schwingungen der verzweifelten Seelen, die hier eingekerkert sind, spüren und nervös werden. Ich schlage vor, ich pass’ hier auf und du holst deine Herrin, verstanden?“ Diran nickte und stieg ebenfalls vom Pferd. Er wusste, eine Diskussion mit ihr würde er so oder so verlieren.

Stunden war Diran jetzt bereits im Wald der Steine herumgeirrt. Seine Ausrüstung, die er bei sich hatte, konnte ihm leider nicht helfen, denn, wenn immer er ein Energiemuster mit seinem Erfasser scannte, sah es wie Toleas aus. Wahrscheinlich spürten alle, dass hier eine wandelnde Fahrkarte in die Freiheit unterwegs war. Diran war sterblich und er war ein Vendar. Das würde auch ermöglichen, dass sie wieder zu Kräften kämen, denn die Kristalle nahmen ihnen ihre Energie.

Diran hörte unaufhörlich ihre Stimmen in seinem Geist. „Diran, ich bin hier! Ich bin deine Gebieterin. Nein, hör nicht auf sie, ich bin es, die du suchst. Komm hier her, ich bin’s. Nein, ich bin Tolea.“ Das war zu viel. Er hatte versucht, sich zusammenzunehmen und sich erinnert, wie sich die Anwesenheit seiner Gebieterin für ihn anfühlte, aber es war ihm unmöglich geworden, sich zu konzentrieren. Plötzlich spürte der zitternde Diran eine kleine zarte Hand in seiner, die ihn fort zog. „Clelia.“, sagte er erleichtert, als sie ihn zurück zu dem Platz führte, an dem sie die Pferde an einen Baum gebunden hatte. „100 Punkte.“, lächelte die Imperianerin. „Wohl voll überfordert, was? Na ja, morgen ist auch noch ein Tag.“ „Morgen!“, herrschte der verzweifelte Diran sie an. „Morgen ist es zu spät. Zu spät, verstehst du? Meine Sifa …“ „Abwarten.“, fiel sie ihm ins Wort. „Schlaf erst mal.“ Diran wollte widersprechen, aber im gleichen Moment überkam ihn eine bleierne Müdigkeit.

 

Am Wendepunkt

von Visitor

 

Lucius hatte Simach die seltsame Sache mit den Pferden erzählt. Sie hatte ihm interessiert zugehört und dann gemeint: „Vielleicht haben die Tiere gespürt, dass …“ Sie stöhnte auf, denn sie spürte jenen ziehenden Kopfschmerz, der den Abbau der Sifa-Schleimhaut ankündigt, gepaart mit dem Verlangen, das Energiefeld zu übertragen. Im gleichen Moment sahen Lucius und Simach einen weißen Blitz und Logar und einige seiner Soldaten hatten sie umstellt. Einer der Soldaten hatte eine Babyleiche von einem Packpferd geholt und hielt jetzt deren Hände in Simachs Richtung. Lucius erkannte Gordian, seinen Hauptmann. „So sieht man sich wieder, Fahnenflüchtiger.“, sagte Gordian verächtlich. „Simach!“, rief Lucius ihr zu. „Du darfst das Bewusstsein nicht übertragen. Komm, denk an etwas anderes.“ „Ich kann nicht.“, entgegnete die Vendar-Novizin. „Das Verlangen ist zu stark.“ Damit nahm sie die Hände des toten Kindes in ihre und konzentrierte sich auf sein leeres Gehirn. Alsbald wechselte das Bewusstsein hinüber.

Um sich Energie zu holen, berühren die Vendar den Telepathen an dessen Schläfe. Um Energie zu geben, nehmen sie dessen Hände.

Nach der Übertragung war plötzlich alles in Dunkelheit gehüllt. Als der dunkle Schleier sich schließlich wieder hob, sah man nur noch den toten Logar und Soldaten, die verzweifelt versuchten, ihre verschreckten Pferde einzufangen. Außerdem stand plötzlich eine junge Frau vor ihnen, die sehr große Macht zu haben schien. Sobald das Bewusstsein übertragen worden sein musste, musste sie ihre Macht benutzt haben, um in Windeseile vom Baby zur Frau zu werden und Logar getötet haben. Lucius war im allgemeinen Tumult entkommen. „Simach, meine Vendar-Vertraute.“, wandte sich die Mächtige scheinheilig an diese. „Ich habe dir versprochen, wenn ich herrsche, wirst du die Führerin meiner Vendar. Und ihr, ihr wisst doch wohl, wem ihr ab jetzt zu gehorchen habt.“, wandte sie sich an die Soldaten. Diese nickten eingeschüchtert. Auch Simach fügte sich weinend in ihr Schicksal.

Geradeausflüge fand ich schon immer langweilig. Deshalb sang ich auf dem Weg zur Regierungsbasis vor mich hin. Mir war aufgefallen, dass der Computer des Schiffes Scottys Stimme hatte. Das sollte mich wohl daran erinnern, wer Data beim Bau des Shuttles geholfen hatte. Ich war meinem Ehemann dafür sehr dankbar. Also stimmte ich an: „Der Scotty wird’s schon richten, der Scotty macht’s schon gut, der Scotty, der macht alles, was sonst keiner gerne tut. Der Scotty wird’s schon richten, wir haben ja zum Glück, den guten alten Scotty, unser bestes Stück.“ Dann fragte ich: „Computer, wie lange brauchen wir noch zur Regierungsbasis?“ „2,5 Tage.“, erfolgte die prompte Antwort. „Zu lange.“, überlegte ich. „Computer, aktiviere den interdimensionalen Antrieb.“ Von Data wusste ich, dass das Schiff über so einen verfügte. Zwar führte der Rechner meinen Befehl sofort aus, aber, durch den Zustand der interdimensionalen Schicht bedingt, war das Feld instabil und die Spulen fielen eine nach der anderen aus. Ich wusste, würde dies so weiter gehen, würde ich unkontrolliert in irgendeiner Dimension landen und nicht, wie ich es ursprünglich vor hatte, aus dem Universum heraus und an einer anderen Stelle wieder hineinfliegen, was meinen Flug aufgrund der zeitlichen Unabhängigkeit in der Schicht auf eine Sekunde verkürzt hätte. Während ich sämtliche Pilotentricks aus dem Ärmel zog, um das Schiff stabil zu halten, ließ ich den Computer einen interdimensionalen Notruf absetzen. Umso erstaunter war ich, als ich tatsächlich eine Antwort erhielt. „Ich bin Joran, Witwer von Namach. Was ist deine Schwierigkeit, Allrounder Betsy von der Sternenflotte?“ „Ausfall des Interdimensionsantriebes. Die Scherkräfte drohen, die Schiffshülle zu erledigen.“, antwortete ich knapp. „Verharre an deiner Position. Ich bin zu dir unterwegs.“ Sein seltsames Englisch erinnerte mich jetzt an den muskulösen schwarzen außerirdischen Typen mit der Schlange im Bauch und dem Mal auf der Stirn aus Shannons Lieblingsschmöker, dessen Name mir einfach nicht einfallen wollte. Na ja, war ja auch egal.

Joran und IDUSA hatten von Zirell die Starterlaubnis erhalten. „Wir sind weit genug weg von der Station.“, meldete das Beschützerschiff ihrem Piloten. „Nun gut.“, antwortete Joran. Dann gab er über den Neurokoppler den Gedankenbefehl zum Start des Interdimensionalen Antriebes. „Leider kann ich nicht so, wie Sie wollen, Joran.“, sagte das Schiff plötzlich. „Die Oszillation meines interdimensionalen Feldes ist der normalen interdimensionalen Schicht angepasst. Diese ist stark verändert. Ein Phasenwechsel ist unmöglich.“ „Verbinde mich mit Jenna Mc’Knight.“, befahl der Vendar. Nachdem IDUSA ordnungsgemäß seinen Befehl ausgeführt hatte, erschien das Gesicht von Jenna auf dem Bildschirm. „Sag nichts, Telshan.“, sagte die Terranerin. „Ich weiß durch IDUSAs Basesitch schon Bescheid. Hör zu, ich habe die momentane Zerfallsrate der Schicht errechnet und sie als Koeffizienten für eine Anpassungsroutine benutzt. Ich überspiele IDUSA jetzt die neuen Profile. Dann musst du so nah an das andere Schiff heran fliegen, dass sich die Hüllen berühren. Sag Allrounder Betsy, sie darf erst dann die Reste des Interdimensionsantriebes ihres Schiffes deaktivieren, wenn das der Fall ist. Andernfalls stürzt sie in ihre Dimension zurück. Du musst das genau mit ihr timen.“ „Verstanden, Telshanach.“, sagte Joran.

Joran hatte mir alles erklärt. Mit seinem Stolperenglisch kam ich ziemlich gut zurecht. Was mir nur Sorgen machte, war die Tatsache, dass mein Spezialprogramm aufgrund der Situation ebenfalls total überfordert war und mich völlig im Stich gelassen hatte. Wie sollte ich jetzt wissen, wie nah er war?

„Joran.“, meldete IDUSA. „Laut meinen Berechnungen müssen Sie jetzt mit dem Countdown beginnen. „Sie ist genau vor uns.“ „Verbinde mich mit ihr.“, befahl Joran streng. Er wusste, wir hatten nur einen Versuch. „Joran.“, sagte ich ängstlich. „Kann ich etwas tun, um das Ganze zu erleichtern?“ „Du hast dich als kenntnisreiche Pilotin erwiesen.“, schmeichelte er, denn er befürchtete, mich zu verlieren. „Aber jetzt hör mir zu. Ich werde jetzt anfangen zu zählen und du schaltest den Rest deines Antriebes ab, sobald ich bei eins angekommen bin. Sonst kann IDUSA ihr Feld nicht durch die Spulen deines Schiffes leiten.“ „Verstanden.“, sagte ich mit einem mulmigen Gefühl. „Joran.“, flüsterte IDUSA ihm zu. „Beginnen Sie mit dem Zählen von fünf an auf mein Zeichen. Die Geschwindigkeiten und all das habe ich schon berechnet.“ „In Ordnung.“, sagte Joran. „Verbinde mich mit Allrounder Betsy.“ „Ihre SITCH-Verbindung steht noch.“, antwortete der Schiffsrechner freundlich. „Achtung, Joran, jetzt.“

Ich hörte sein Herunterzählen und versuchte, einen Rhythmus zu erkennen. Tatsächlich gelang es mir, in dem Moment, als er „eins“ sagte, den Schalter für den interdimensionalen Antrieb umzulegen, so, dass IDUSAs Feld fassen konnte.

„Wir haben sie.“, freute sich Joran. „Bestätige.“, sagte IDUSA nüchtern. „Bring uns jetzt vorsichtig in unser Universum.“, befahl Joran. IDUSA kam dem befehlsgemäß nach. „Funktioniert der normale Antrieb deines Schiffes, Allrounder Betsy?“, fragte er mich. Ich nickte bei gedrückter Sendetaste mit dem Kopf. „Dann folge uns jetzt bitte zu unserer Basis.“ „Mit dem größten Vergnügen.“, sagte ich erleichtert.

Diran konnte entgegen Clelias Rat nicht schlafen. Er war angestrengt damit beschäftigt, zu überlegen, ob nicht eine der Stimmen doch seiner Gebieterin gehört haben könnte. Sicher, sie hatten sich alle nach ihr angehört. Aber geübte Telepathen waren durchaus in der Lage, andere zu emittieren. Erneut hatte er sich mit seinem Testkristall getestet und herausgefunden, dass es jetzt oder nie passieren musste. Morgen würde seine Sifa nicht mehr zur Aufnahme von Toleas Geist bereit sein. Egal, was geschehen war, er musste es erneut versuchen. Die Reaktion seines Nashach hatte er im Griff. Das war kein Problem. Leise schlich er fort.

Auf halbem Weg musste er plötzlich innehalten. Er hörte etwas, das ihn an Schellen erinnerte. Aber es war weit und breit keine Kutsche eines Gauklers oder etwas Ähnliches zu sehen. Diran sah nur eine große wogende Anzahl Hörner, die sich langsam seiner Position näherte. Bald sah er auch die pferdeartigen Gestalten, die an den Hörnern hingen. Die Einhörner!, dachte er erleichtert, Aber, warum sollten die mir helfen? Ausgerechnet mir?

Die Einhörner des Dunklen Imperiums sind pandimensionale Existenzen, die ihre Gestalt so angepasst haben, dass sie im Dunklen Imperium zurechtkommen. Sie sind sehr mächtige Wesen mit großen potenten Telepathiezentren, die ja in so einem Pferdeschädel irgendwo hin müssen. Deshalb liegen diese Zentren medizinisch ausgedrückt in einer knöchernen Raumforderung, die hornartig ausgebildet ist.

Diran musste stehen bleiben, denn er hatte bemerkt, dass die Einhörner ihn eingekreist hatten. Eines näherte sich schließlich und berührte ihn mit der Nase, was ihn zu einer reflexartigen Streichelorgie veranlasste. Das Einhorn nahm telepathischen Kontakt zu ihm auf und sprach in seinen Geist: Ich bin Valora. Mache dir keine Sorgen mehr, Diran. Berühre mein Horn und du wirst den Geist deiner Gebieterin empfangen. Ich trage ihre Seele bei mir! Diran tat, wie die Einhornstute ihm gesagt hatte. Tatsächlich spürte er bald Toleas Eintritt in seine Sifa. „Danke, Valora.“, sagte er überglücklich. „Aber womit habe ich eure Hilfe verdient?“ „Du hast die drei Eigenschaften gezeigt, denen es dazu bedarf.“, antwortete Valora. „Mut, Weitsicht und Vernunft. Du zeigtest Mut, als du ohne zu zögern Clelia halfst und die Grenze überschrittest. Weitsicht hast du bei der Wahl deiner Waffen gegen die Wölfe gezeigt. Und Vernunft zeigtest du gerade jetzt, als du eingesehen hast, dass du Hilfe brauchst, deine Gebieterin zu finden.“ Dann gingen die Einhörner schweigend wieder fort.

Als Diran am morgen alles Clelia berichtete, schien diese wenig beeindruckt. In Diran wurde ein Verdacht zur Gewissheit. „Du hast es die ganze Zeit gewusst, nicht wahr?“ „Klar.“, antwortete das Bauernmädchen mit der gewohnten Frechheit. „Ich zeig’ dir mal was.“ Sie öffnete leicht ihren Blusenkragen, worauf der Anhänger ihrer Kette zum Vorschein kam. Diran erkannte einen Hornsplitter im Inneren des Schmuckstückes. Bevor Diran fragen konnte, berichtete Clelia: „Valora ist die Leitstute der Einhornherde. Eines Nachts kam sie zu mir auf den Hof und wollte unbedingt die Hufe beschnitten bekommen. Sie sagte mir, ich solle einen Splitter davon aufheben und mir daraus ein Schmuckstück machen. Damit könnte ich Kontakt zu ihr aufnehmen, wenn es nötig wäre. Sie hätten mich für etwas auserwählt.“

Jetzt war Diran alles klar, aber er wusste auch, wie schlecht es Tolea ging. Trotz seiner Bemühungen beim Fütterungsritual schien sie immer schwächer zu werden, das spürte er. Clelia schien aber auch dafür eine Lösung zu haben. „Guck mal nach oben.“, grinste sie. „Mein Schiff.“, stellte Diran fest, nahm sein Sprechgerät und sagte: „Mishar, beam’ mich hoch.“ Dann verabschiedete er sich noch von Clelia, bedankte sich höflich für ihre Hilfe und sagte: „Aktivieren!“

Makabererweise war die fremde Mächtige in Logars Wolkenburg, so wurde der Palast genannt, eingezogen. Simach hatte sie zwar begleitet und auch bei der Show mitgemacht, die sie den eigentlich Logar unterstehenden Vendar geboten hatte, um ihnen zu zeigen, dass die Novizin jetzt ihre Führerin sei, sie fühlte sich aber mit der Situation nach wie vor unwohl.

„Worüber bist du so traurig?“ Wollte die Mächtige, die sich zwischenzeitlich selbst Lucilla getauft hatte, wissen. Simach zögerte, denn sie ahnte, dass ihre Antwort Lucilla sehr erbosen könnte. Schließlich sagte sie doch: „Vergebt mir, Gebieterin, aber ich bin doch nur eine junge Novizin, ich kann die Vendar-Truppen nicht führen.“ Lucilla lachte hämisch auf: „Was für ein Unsinn! Wenn ich dich zur Anführerin mache, dann kannst du das auch. Sonst werde ich ein paar Köpfe rollen lassen. Köpfe von denen, die sich gegen dich stellen.“ Simach wurde noch betrübter. Allerdings wollte sie nicht, dass ihre Herrin sie so sehen müsste. Deshalb bat sie darum, sich zurückziehen zu dürfen, was Lucilla auch erlaubte.

Erneut war Diran über sich ins Staunen gekommen. Er hatte sich eigentlich immer für den Typ Pilot gehalten, der sich sagt: „Ich lege einen Schalter um und das Schiff fliegt.“ Eigentlich hatte er sich nie so genau mit der Antriebstechnik befasst. Deshalb konnte er sich auch nicht so ganz erklären, warum er seinem Schiffscomputer plötzlich folgende Befehle gab: „Mishar, beobachte das Tenjaâl. Passe das Profil des Antriebs an dessen Zerfallsrate an und bringe uns ins Universum der Tindaraner.“ Der Computer führte alle Befehle zu Dirans Zufriedenheit aus. Die einzige Erklärung, die der Vendar für seinen plötzlichen technischen Geistesblitz hatte, war, dass eventuell eine gewisse Valora und eine gewisse Clelia da hinter stecken könnten. Dieser Gedanke brachte ihn zum Schmunzeln. Ordnungsgemäß meldete er sich bei Commander Zirell an.

Jenna betrat gerade Jorans und ihr gemeinsames Quartier, als Joran aus dem Badezimmer trat. Seine Gesichtshaare waren aufgestellt, bei Vendar ein Zeichen für Übelkeit. IDUSAs Flug musste ihn trotz starker Stabilisatoren doch ziemlich durchgeschüttelt haben. Verschämt drehte er sich weg, aber Jenna folgte mit ihrem Taschentuch jeder seiner Bewegungen, als sie ihm das Gesicht abwischte. „Kelbesh.“, fluchte Joran leise, denn die Situation war ihm sogar vor der eigenen Freundin unangenehm. Aber, so sind Vendar-Krieger nun mal. „Also.“, begann Jenna mit einem wichtigen Gesicht. „Ich weiß ja nicht, wie das bei Vendar ist, aber an sich nimmt die doch den rückwärtigen unteren Ausgang und nicht den vorderen oberen.“ Joran musste lachen. Jenna kannte dieses laute und durchdringende Lachen sehr gut. Sie mochte es. Sie war wohl die einzige Terranerin, die dies donnernde und laute Gelächter nicht als störend sondern eher als wohltuend empfand. Kein Wunder, sie war ja auch in den Verursacher verliebt. Manchmal legte sie sogar ihren Kopf auf seinen Bauch und wartete, bis er sich mit einem gedanklichen Trick, den er ihr noch nicht verraten hatte, selbst zum Lachen brachte. Sie mochte es, wenn ihr Kopf dann auf und ab hüpfte. Sie nannte diesen Vorgang: „Gehirnzellen ordnen“. Deshalb zog er sie auch jetzt wieder auf das nahe Bett, legte zuerst sich hin, dann ihren Kopf auf seinen Bauch und dann richtig los. Jenna gab einen Laut der Entspannung und des Genusses von sich.

„Sie ist illegal hier.“, erklärte Maron Zirell, nachdem er meine Vernehmung beendet hatte. „Sie hat keinen Befehl für ihre Mission. Wer weiß, wo sie das Schiff her hatte. Es hatte laut IDUSA kein Transpondersignal. Das ist eigentlich die Art und Weise der Vendar-Rebellen, aber ich habe bereits mit Sianach gesprochen und sie hat mir glaubhaft versichert, dass sie und ihre Leute damit nichts zu tun haben.“ Die tindaranische Kommandantin legte ihr Gesicht in Falten und überlegte eine Weile. „Das kann ich mir auch nicht erklären, Maron.“, sagte sie schließlich. „Aber, was ist, wenn diese Frau das geschafft hat, was du noch herauszögerst?“ Der Demetaner warf fragend den Kopf zurück. „Du kannst mir nichts vormachen.“, lächelte Zirell. „Ich bin Telepathin. Ich weiß genau, dass du noch immer mit dir ringst, um endlich eine Entscheidung treffen zu können. Im Prinzip beneidest du diese Frau doch. Sie steht einen Rang unter dir, hat diesen sogar nur ehrenhalber und hat dich übertrumpft.“ „Also gut, Zirell.“, erwiderte Maron. „Du hast gewonnen. Ich bleibe und schließe mich den Beschützern an. Soll doch meine naive Regierung glauben, dass Logar ein Engel ist und nie von seiner Macht korrumpiert wurde, auch, wenn die Wahrheit ganz anders aussieht. Allrounder Betsy und der Filidea-Sapiens-Kater haben es bewiesen. Sie haben einen Pfeil bei sich gehabt, an dem Sytanias Blut war. Stell dir vor, Zirell, ihr Blut. Sytania ist für normale Waffen unverwundbar, aber nicht für Rosannium. Wahrscheinlich hat Logar dies einen armen Soldaten erledigen lassen, um es wie ein Attentat eines Sterblichen aussehen zu lassen. Im Moment traue ich ihm alles zu. Er ist unzurechnungsfähig.“ „Genau das wollte ich hören.“, lächelte die Tindaranerin und lehnte sich in ihrem großen Sessel zurück.

Jenna war wieder in die technische Kapsel gegangen. Von dort führte ein Zugang direkt zu den Shuttlerampen. Shannon und sie hatten Befehl, mein Schiff zu untersuchen. Die beiden Technikerinnen staunten angesichts der Ergebnisse nicht schlecht. „Assistant.“, wandte sich Jenna an ihre Untergebene. „Holen Sie Agent Maron.“ Shannon nickte und betätigte die Sprechanlage.

Mit aufmerksamem Blick betrat der demetanische Agent die Kapsel. „Na, was haben Sie für mich, Mc’Knight.“, fragte er. „Dieses Shuttle ist Marke Eigenbau, Sir.“, begann Jenna. „Wer um alles in der Welt kann normale Shuttles in Heimarbeit fertigen?“, wollte Maron wissen. „Was für Kontakte hat diese Frau?“ „Das fragen Sie sie am Besten selbst, Sir.“, entgegnete Jenna. Hellsehen kann ich nicht. Ich weiß nur, dass keines der verwendeten Teile eine Seriennummer hat. Auch die atomare Struktur weist darauf hin, dass die Teile in einem normalen Haushaltsreplikator gefertigt wurden.“ „Übrigens.“, mischte sich jetzt Shannon ein. „Sie sollten sich beide mal das hier ansehen.“ Damit stellte sie ein ankommendes Sensorenbild von einer Sonde, die die interdimensionale Schicht beobachtete, auf die den beiden am Nächsten liegende Konsole. „Das sind keine normalen Bilder, Sir.“, stellte Jenna fest. „Das wir vor dem Weltuntergang stehen, weiß ich auch, Mc’Knight. Aber was meinen Sie damit?“ „Die Polung hat sich um 180 Grad verlagert.“, erklärte Jenna. „Noch mal für dumme Vorgesetzte, Techniker.“, frotzelte Maron. „Das heißt was?“ „Die schlechte Nachricht zuerst, Sir.“, begann Mc’Knight. „Die Dimensionen stehen immer noch vor dem Aus, Aber, zuvor gab es keinen Minuspol. Jetzt gibt es zwar einen Minus- aber keinen Pluspol mehr. Das heißt, Logar ist tot und irgendeine böse Kreatur beherrscht jetzt das Dunkle Imperium. Wenn diese sich keinen Gegenpool schafft, geht trotzdem alles zu Grunde.“ Maron drohte, in Ohnmacht zu fallen, aber Jenna konnte ihn gerade noch auffangen und gemeinsam mit Shannon auf einen Sitz bugsieren, was Shannon zu dem Lästerspruch veranlasste: „Na, ob wegen Major Carters Theorien die Vertreter von General Hammond auch reihenweise in Ohnmacht gefallen sind?“ „Das ist nicht lustig, Assistant.“, tadelte Jenna sie. Sie wusste genau, was ihnen bevorstand und hatte lange nicht die ganze Wahrheit gesagt.

Simach saß bei Lucilla in deren Thronsaal. Als einzige Bedienstete hatte sie die Erlaubnis dazu. Wahrscheinlich hing es damit zusammen, dass sie den Geist ihrer Herrin getragen hatte. Lucilla hatte Simach aufgetragen, Ihre Truppen im Hof zu versammeln und hatte sie dann telekinetisch zu allen Telepathen geschickt, die sie mittels ihrer Macht nicht selbst schon ausgelöscht hatte. Außer Tolea, die Lucilla allerdings tot wähnte und den Einhörnern, denen sie aber auch nichts tun konnte, weil sie sich mit Hilfe der Vendar zwar mittlerweile die gleiche Stärke angeeignet hatte wie sie, war fast niemand mehr übrig. So musste sie ihre Vendar wohl oder übel zu schwächeren Telepathen ins Föderationsuniversum Schicken. Durch den Kontaktkelch hatte sie beobachtet, dass die Vendar jeder einem Telepathen Energie genommen hatten und sie alle zurückgeholt. Alle mussten ihr nun die mitgebrachte Energie übertragen.

Vendar können übrigens auch Energie nehmen, wenn der Telepath einen geistigen Schild aufbaut. Es gibt eine Technik, mit der sie aus dem Schild selbst Energie saugen können, und zwar indem sie die Hände flach in Richtung des Schildes strecken und sich vorstellen, von diesem direkt die Energie abzuziehen.

Zum Schluss war die Reihe an Dishan, Simachs Stellvertreter. Er hatte einem aldanischen Zivilisten von der Straße all seine Energie genommen, was zu dessen Tod geführt hatte. Nach der Übertragung sah Lucilla ihn enttäuscht an. „Das war alles.“, spottete sie. „Das war so gut wie gar nichts. Das war für’n hohlen Zahn. Hast du nicht noch mehr?“ „Bitte gebt mir noch einmal die Hände, Gebieterin.“, bat Dishan. Missmutig kam Lucilla seiner Bitte nach. Dishan nahm ihre Hände und konzentrierte sich mit all seiner Willenskraft auf ihr Telepathiezentrum, aber nichts geschah. „Ihr seht, es geht nicht.“, sagte er resignierend. „Da ist nichts mehr.“ „Na gut, Dishan.“, meinte Lucilla schließlich. „Dann geht alle in eure Häuser und erholt euch. Morgen werde ich euch wieder ausschicken, mir Energie zu besorgen. Ich muss noch viel stärker werden. Der Neuschöpfungsakt will mir irgendwie einfach nicht gelingen. Mein Vater, diese Bäuerin und du, Simach, ihr habt mich in eine untergehende Welt gesetzt, aber das werde ich ändern.“ „Vergebt mir, Gebieterin.“, mischte sich Dishan noch einmal ein. Aber der Schöpfungsakt gelingt euch nicht, weil ihr nicht stark genug seid, sondern, weil ihr keinen Gegenpol habt. Selbst eure Schwester Sytania, hat ihren Vater als Gegenpol akzeptieren müssen. Also …“ „Gewinsel eines Sterblichen!“, spottete Lucilla. „Meine Schwester war schwach! Deshalb ist sie jetzt auch tot, aber ich, ich, ich werde dieses Schicksal nie teilen, niemals, niemals!“ Bei ihren letzten Worten lachte sie hämisch auf. „Was wollt Ihr denn?“, wollte Simach wissen. „Die Alleinherrschaft, verstehst du.“, war Lucillas knappe Antwort. „Die kann es niemals geben.“, versuchte die Vendar sie zu überzeugen. Lucilla aber lachte nur erneut. Simach schwor sich, dies nicht länger mitzumachen. Unter einem Vorwand gab sie Dishan ihr Amt und verließ noch in der gleichen Nacht das Schloss.

Der Zufall wollte es, dass sie auf dem Hof von Clelia und ihrem Vater zuflucht fand. Glücklich nahm sie zur Kenntnis, dass dieser Hof unter dem Schutz der Einhörner stand. Dies hatte der Bauer ihr nicht ohne Stolz berichtet. Wessen Tochter war schon Auserwählte der Einhörner?

Auch bei meinem zweiten Verhör durch Agent Maron hatte ich bereitwillig Auskunft gegeben. Ich konnte ja von den Beschützern nur Hilfe und nichts Böses erwarten. „So, so.“, sagte der Demetaner mit leicht ungläubigem Unterton. „Sie sind also verheiratet mit Montgomery Scott. Interessante Geschichte. Und, wo ist Ihr Ehering, Allrounder?“ „Ich lüge nicht, Sir.“, erwiderte ich, denn ich ahnte, dass er das Gefühl haben musste, dass ich ihn von vorn bis hinten veralberte, was unter Umständen auch dazu führen konnte, dass er mir alles andere auch nicht glauben würde, also erzählte ich entgegen der Abmachung die ganze Geschichte von Scotty und mir. „Bitte glauben Sie mir, Sir.“, bat ich. „Wir haben doch außerdem viel wichtigere Probleme als meinen Familienstand, nicht wahr?“ „Das ist wohl wahr.“, gab er zu. „Aber, wer bei seinen Personalien nicht die Wahrheit …“ Ich sprang auf. „Verdammt!“ Meine „Explosion“ hatte ihn aufhorchen lassen. Er nahm das Mikrofon und sagte: „IDUSA, verbinde mich mit den Behörden auf Celsius.“

Stunden schienen vergangen zu sein, bis Maron meine Personalien bezüglich der Eheschließung mit Scotty überprüft hatte. Schließlich wandte er sich wieder an mich: „Alles OK.“ „Gut.“, sagte ich. „Dann kann ich Ihnen jetzt ja wohl endlich erzählen, wie ich an das Shuttle gekommen bin. Halten Sie sich besser irgendwo fest, Sir. Es wird noch einmal haarsträubend.“

Diran lag auf der Krankenstation der Beschützerbasis auf einem Biobett. Er trug einen Neurokoppler. Ishan, der androide Arzt der Tindaraner, der eigentlich ein aldanisches Bewusstsein war, das in einem Androidenkörper steckte und einen vendarischen Namen trug, hatte dies angeordnet. Diran sollte das Fütterungsritual nur unter Aufsicht durchführen, denn Ishan und Nidell, seine tindaranische Assistentin, mussten befürchten, dass sich der Vendar sonst überfordern könnte. IDUSA hatte neben seiner neuralen Reaktionstabelle ein Programm geladen, das über den Neurokoppler künstliche Hirnwellen einspeiste, denn so half sie ihm dabei, sich zu konzentrieren. Da Diran Tolea jetzt durch seine mentale Energie ernährte und es ihr sehr schlecht ging, brauchte er aus Ishans Sicht jede nur erdenkliche Hilfe. Nur mit dem Akzeptieren seiner Situation hatte Diran ein Problem.

Minor und ich waren kurzfristig bei Joran und Jenna untergekommen. Voller Optimismus hatte Zirell angeordnet, dass die Gästequartiere für Tolea und Diran bleiben sollten. Die Tindaranerin war sicher, dass Diran Tolea irgendwann wieder stabilisieren würde. Wir wussten alle, dass sie sich an jeden Strohhalm klammerte, aber das musste sie auch, denn die Beschützer selbst, also, Zirell, Nidell und Shimar, waren es, die im Notfall durch eine geistige Mauer, die sie gemeinsam mit allen anderen Tindaranern bilden konnten, ihre eigene Dimension beschützen mussten. Wäre Zirell dann nicht zuversichtlich, würde sie eine Lücke bilden.

Joran hatte unter meiner Anleitung das Übersetzprogramm zur Verständigung mit Minor auf der IDUSA-Konsole in unserem Quartier installiert. Fasziniert hatte Jenna sich am Vortag mit den ganzen Systemdateien beschäftigt und mich gefragt, ob Tak und ich dieses Programm wirklich allein entworfen hatten. Nachdem ich dies bejaht hatte, hatte Jenna den Mund vor Staunen nicht mehr zubekommen können.

Eine ganze Weile lang hatte der Vendar meinem Umgang mit Minor interessiert zugeschaut. Minor war zwar ein Mitglied der Spezies „Filidea Sapiens“, dennoch fühlte er wie eine normale Katze und wir hatten durch IDUSA gerade erfahren, dass sein Universum nicht mehr existierte. Er war also der einzige Überlebende von Terra Gata. Da ich ahnte, dass er, wie es alle Katzen tun, sehr an seiner Heimat hing, versuchte ich, ihn zu trösten. Mein Kraulen entlockte ihm tatsächlich ein Schnurren. Joran, der dieses Geräusch nicht kannte, sagte darauf plötzlich: „Geht es deinem Begleiter gut, Allrounder Betsy?“ „Wie man es unter diesen Umständen eben erwarten kann.“, entgegnete ich. „Warum fragst du?“ „Er macht ein Geräusch.“, stellte Joran fest. Leider hatte er damit etwas angerichtet, was nur schwerlich wieder gut zu machen war. Er musste vergessen haben, dass Minor jetzt jedes Wort, das wir sagten, verstehen konnte. Der Kater sprang von meinem Schoß, setzte einen empörten Blick auf und meinte: „Geräusch, nein, nein, nein. Noch nie hat jemand mein nachtigallen- ach was sage ich, mein engelsgesanggleiches Schnurren als Geräusch bezeichnet. Aus welcher Hinterweltlerprovinz kommst du denn, du Kunstbanause?“ Damit verzog er sich beleidigt unter das Sofa. „Kelbesh.“, fluchte Joran so laut, dass es wohl die gesamte Station mitbekommen hätte, wären die Wände und Türen nicht schalldicht. „Was habe ich jetzt wieder angerichtet? Wie kann ich das wieder gut machen, Allrounder Betsy? Wir Vendar kennen diese Wesen nicht und wissen nicht, wie wir mit ihnen umgehen müssen. Immer muss ich anecken! Kelbesh!“ „Komm mal zu mir runter, du Riese.“, sagte ich. Joran beugte sich zu mir und ich flüsterte ihm den Speichernamen von Minors Lieblingsfutter zu, unter dem es in IDUSAs System zu finden war.

Gerade wollte Joran das Futter replizieren, als die Sprechanlage seinem Vorhaben abrupt einen Riegel vorschob. Nachdem er sich gemeldet hatte, sagte die Stimme am anderen Ende: „Hier ist Zirell. Kommt bitte alle in den Konferenzraum. Maron und ich müssen euch etwas mitteilen.“ „Sofort, Zirell.“, sagte Joran, hängte das Mikrofon ein und nahm mich bei der Hand.

Es musste sehr putzig aussehen, wie er versuchte, mich um alle Hindernisse zu manövrieren. Aufgrund unserer unterschiedlichen Körpergrößen – er war zwei Meter dreißig und ich nur einen Meter vierundsechzig – gab es hier einige Probleme, die sich in Form von Beulen an meinem Kopf manifestierten. „Ich weiß, warum das schief geht.“, lachte ich, nachdem ich mal wieder eine Säule geküsst hatte und er vor lauter „Kelbesh“ und „Vergib mir“ immer missmutiger wurde. „Die Leine ist zu lang.“

Jenna kam um die Ecke. „Übernimm sie bitte, Telshanach.“, sagte Joran mit sorgenvollem Unterton. „Ich bekomme das irgendwie nicht hin.“ „Schon gut.“, sagte sie und hielt mir ihren Arm hin.

Simach wollte sich auf dem Hof irgendwie nützlich machen. Deshalb half sie Clelia beim Scheren der Schafe. Plötzlich betrat ein junger Bursche mit russschwarzem Gesicht den Hof. „Seid gegrüßt, ihr guten Bauersleute.“, sagte er. „Bitte, sagt, habt ihr …“ Weiter kam er nicht, denn beim Anblick des Vendar-Mädchens stockte ihm der Atem. Eine Weile lang ging es Simach aber ähnlich. Dann ließ sie plötzlich die Schere fallen und warf sich an seine Brust. „Lucius! Mein geliebter Lucius!“ Dabei küsste sie ihm den Ruß vom Gesicht, mit dem er dieses unkenntlich gemacht hatte. Zitternd flüsterte Lucius zurück: „Meine Simach, meine süße liebe Simach. Ich hatte solche Angst, dich nie wieder zu sehen.“ Dann hielten sie sich einfach nur fest. „Na kommt, ihr Turteltauben.“, grinste Clelia frech. „Wir gehen erst mal zu meinem Vater und sagen ihm, dass es ab heute noch ein Maul mehr zu stopfen gibt. Hier zu bleiben ist das Beste, was ihr erst mal tun könnt, denn unser Hof steht unter dem Schutz der Einhörner.“ Lucius und Simach nickten und folgten ihr.

Jenna hatte mich mit in den Konferenzraum genommen. Als wir uns hingesetzt hatten, begann Zirell: „Wir haben einen SITCH von der Regierung der Föderation der vereinten Planeten bekommen. IDUSA, stelle das Gespräch auf den Hauptlautsprecher.“ Der Stationsrechner führte ihren Befehl aus. Auf dem Schirm erschien laut Joran, der mir das Bild flüsternd beschrieb, das Gesicht von Präsidentin Nugura. Aber einer Beschreibung hätte es gar nicht mehr bedurft, denn ich konnte an ihrer Stimme sehr gut hören, wie verzweifelt sie war. „Bitte, helfen Sie uns.“, begann sie. „Irgendwas ist im Dunklen Imperium gewaltig schief gelaufen. Bisher haben wir die Berichte nicht glauben wollen, denen nach Logar von seiner Macht korrumpiert wurde und das alles verursacht haben soll. Das tun wir auch jetzt nicht wirklich, obwohl die Fakten scheinbar etwas anderes sagen. Techniker Mc’Knight ist doch eine Expertin für Interdimensionalphysik. Wir werden ihr die Ergebnisse unserer Forschungsschiffe schicken. Wir wären ihr sehr verbunden, wenn sie etwas anderes herausfinden würde.“ „IDUSA, Stummschaltung.“, befahl Jenna erregt. Dann riss sie sich aber wieder zusammen und sagte zu Maron: „Ich werde die Ergebnisse nicht schönen, Sir!“ „Habe ich mit irgendeinem Wort gesagt, dass Sie das sollen, Jenna?“, fragte er. Sie schüttelte den Kopf.

Dishan saß vor seinem Haus auf einem Stein, als Nedrach, seine Ehefrau an ihn herantrat. „Du bist betrübt, mein Ehemann.“, stellte sie fest und setzte sich neben ihn. Als auf ihren Versuch, ein Gespräch zu beginnen, keine Antwort erfolgte, bohrte sie weiter: „Was ist heute schief gelaufen? Ich war nicht dabei. Ich war im Tempel mit meinen Schwestern. Der Priesterinnenorden darf ja nie dabei sein, wenn ihr Telepathenjäger ausrückt. Also, was ist geschehen?“ Dishan war ob ihrer Hartnäckigkeit etwas genervt und versuchte so zu tun, als würde er sich in das Fütterungsritual vertiefen, aber Nedrach durchschaute ihn. „Das kannst du mir nicht erzählen, Dishan.“, lächelte sie. „Ohne ein Energiefeld ist das Fütterungsritual sinnlos. Du denkst doch nicht wirklich, dass du eine ausgebildete Priesterin derart narren kannst.“ Er spürte, dass er ihr nicht entkommen würde. Deshalb erwiderte er: „Sie ist nicht zufrieden.“ „Wer ist nicht zufrieden, mein armer gebeutelter Dishan.“, fragte Nedrach mitleidig. „Unsere Gebieterin meint, was wir aus dem Föderationsuniversum mitgebracht haben, sei nur Energie für den hohlen Zahn. Sie brauche etwas Stärkeres, aber sie lässt uns weder Zeit, die Energie durch das Fütterungsritual zu vermehren, noch schickt sie uns an Orte, wo wir stärkere Energie finden könnten.“ „Aber diese Energie könntet ihr doch auch selbst finden. Nehmt eure Schiffe und fliegt in irgendeine verdammte Dimension, wo es Telepathen en mass gibt. Was ist zum Beispiel mit Tindaria?“ So nennen die Vendar die Dimension der Beschützer. „Die Dimension ist abgeriegelt.“, sagte Dishan. „Wir können sie aus dem Tenjaâl nicht anfliegen. Es gibt einen schier undurchdringlichen Schleier und andere Dimensionen mit Telepathen gibt es schon fast nicht mehr, weil unsere Gebieterin entweder die, die sich gegen sie gestellt haben, selbst ausgelöscht hat, oder wir alle durch Aussaugen getötet haben.“ „Nicht alle.“, tröstete Nedrach. „Was ist mit den Einhörnern?“ „Denke auch nicht nur im Traum daran, Frau.“, entrüstete sich Dishan. „Unsere Gebieterin selbst traut sich nicht an die heran. Sie haben ihre Macht vereint und sind dadurch mindestens so stark wie sie. Lucilla will, dass wir auf jeden Fall die Finger von ihnen lassen.“ Nedrach lachte schmutzig. „Wer redet denn auch gleich von der ganzen Herde? Es würde ja schon eins reichen. Du musst wissen, vereinzelt sind sie lange nicht so stark und schon gar nicht die Fohlen. Du weißt, Ehemann, an sich gebe ich nicht viel auf das Geschwätz bäuerlicher Waschweiber am Dorfbrunnen, aber du glaubst gar nicht, was ich heute erfahren habe. Valora, die Führerin der Einhornherde, soll einem hübschen Einhörnlein das Leben geschenkt haben. Wenn es euch gelingt, das Fohlen von seiner Mutter zu trennen und dem schutzlosen Wurm dann seine Energie zu nehmen, könntet ihr sie Lucilla geben. Vielleicht reicht das ja schon.“ Dishan horchte auf. „Wie denkst du dir, sollen wir das anstellen?“ „Geh zu Lucilla und lass dir und deinen Männern von ihr Pferde geben. Dann erweckt ihr bei den Einhörnern nicht so leicht Verdacht. Außerdem könnt ihr euch dann in der gleichen Weise wie sie bewegen und seid flexibler. Die einzige Technologie, die ihr mitnehmen werdet, werden eure Energiewaffen sein. Damit schießt ihr Mündung an Mündung und bildet so eine undurchdringliche Feuerwand, vor der das kleine dumme unerfahrene Wesen sicher Angst haben wird. Dann treibt ihr es in die Enge und du oder einer deiner Männer holt sich seine Energie.“ Dann wandte sie einen bestimmten Fingergriff an Dishans Nacken an, ließ ihre Hand einige Minuten in dieser Stellung und schaute konzentriert auf einen Punkt.

Nach einer Weile sagte sie: „Deine Sifa ist in ihrer Ruhephase zwischen zwei Zyklen. Aber die wird spätestens morgen vorbei sein. Gesundheitlich stünde dem, dass du dir selbst die Energie holst, nichts im Wege.“ „Was tun wir, wenn Lucilla auf den Geschmack kommt und die Energie eines erwachsenen Einhorns haben will?“, fragte Dishan. „Darüber lass mich nachdenken, wenn es so weit ist. Manchmal sind Lucilla und du euch sehr ähnlich. Beide wollt ihr immer alles auf einmal.“

Ishan war mit seinem Latein am Ende. Er hatte sich mit Zirell in deren Bereitschaftsraum getroffen, um Dirans Situation mit ihr zu besprechen. „Er schafft es nicht.“, sagte der Android nüchtern. „Meinen Berechnungen zufolge bräuchte Tolea das Doppelte an Fütterung, das Diran ihr geben kann, nur um wieder stabil zu werden. Diran kann sich aber nur eine begrenzte Zeit voll konzentrieren. Diese Zeitspanne wird immer kürzer, weil er immer erschöpfter wird. Er hat bereits seit acht Stunden ununterbrochen das Ritual durchgeführt. Normal sind dafür höchstens zwei. Wirklich nützen kann es schon lange nicht mehr, aber IDUSA und ich manipulieren die Werte, damit er zumindest das Gefühl hat, etwas zu tun. Seit dem ich in diesem Körper bin, sprechen IDUSA und ich ja die gleiche Sprache und ich kann Dinge mit ihr absprechen, ohne dass jemand anders uns versteht.“ „Das du flunkern kannst, überrascht mich.“, sagte die Tindaranerin. „Ich habe immer geglaubt, Androiden können das nicht.“ „Du darfst nicht vergessen, Zirell, was für eine Art Android ich bin.“, antwortete die künstliche Lebensform. „Wahrscheinlich ist mir diese Fähigkeit noch aus meinem vorherigen Leben geblieben. Außerdem bin ich Arzt und weiß daher, wann eine kleine Flunkerei dem Seelenleben meines Patienten gut tun könnte.“ Zirell lächelte konspirativ.

Joran hatte Diran auf der Krankenstation besucht und war danach zu Jenna, Minor und mir zurückgekehrt. Jenna empfing ihn mit einem verführerischen Blick und versuchte, ihn zu umarmen mit den Worten: „Wenn dies schon eine unserer letzten Nächte ist, dann sollten wir sie nicht nur zum Schlafen nutzen.“ „Oh la la.“, flüsterte Minor mir zu. „Die Dame ist in Paarungsstimmung.“ „Minor!“, tadelte ich ihn peinlich berührt.

Joran schob sie sanft aber bestimmt von sich. „Nein, tut mir Leid, Telshanach. Ich kann nicht.“ „Kannst du wenigstens meine Gehirnzellen ordnen?“, fragte sie. „Tut mir Leid, aber du wirst heute Nacht mit Chaos im Kopf denken müssen.“, war seine Antwort.

Sie sah ihn mit festem Blick an und fragte schließlich: „Was ist los? Was hast du auf der Krankenstation gesehen?“ Dabei bekam ihre Stimme einen richtig strengen Charakter, den ich sonst nicht kannte. „Es ist Diran, stimmt’s.“, verhörte Jenna ihn weiter. „Alle Vendar-Kinder kommen mit diesem Wissen auf die Welt.“, platzte es schließlich aus Joran heraus. „Alle wissen schon von frühester Kindheit, dass Unfähigkeit nicht akzeptiert wird, solange man eigentlich noch im praktizierfähigen Alter ist. Diran hat längst durchschaut, dass Ishan und IDUSA die Werte ändern. Das hat er mir gesagt. Unfähige Vendar werden aus der Gesellschaft ausgestoßen. Ich habe angeboten, ihm zu helfen und ihn abzulösen, aber einen Transport von seiner in meine Sifa würde Tolea nicht überleben. Ihr Geist ist für ein Beaming zu instabil und eine natürliche Übertragung zwischen zwei Vendar ist nicht möglich. Niemand weiß, warum das so ist.“ „Stimmt nicht.“, entgegnete Jenna, die in diesem Moment einen Geistesblitz hatte. „Hol mal deinen Erfasser, dann werde ich dir zeigen, warum das so ist. IDUSA, repliziere mir zwei kleine Magneten.“

Joran atmete auf. Sie würde eine Lösung finden, das spürte er. Er hatte zwar keine Ahnung, was sie ihm zeigen wollte, aber er konnte langsam nachvollziehen, wie sich Agent Maron immer dann fühlte, wenn sie diese ungewöhnlichen Wege beschritt, um eine physikalische Tatsache anschaulich zu machen. Der Vendar hatte den Demetaner dann des Öfteren beobachtet und seinen Gesichtsausdruck nach näherer Kenntnisnahme der terranischen Kultur mit dem eines kleinen Jungen unter dem Weihnachtsbaum gleichgesetzt. Jetzt ertappte er sich dabei, das gleiche Gesicht zu machen.

 

Hoffnung

von Visitor

Jenna kam zurückgewuselt und präsentierte die beiden Magnete. „Achtung, Joran.“, sagte sie. „Sobald ich sage, scannst du das Feld zwischen den Magneten mit dem Erfasser. Dabei hielt sie die Magnete so, dass sich beide Südpole anschauten. Natürlich stießen die Magnete sich ab. Als Jenna sie näher zusammen brachte, fluktuierte das Feld entsprechend, denn ein Wellenberg passt bekanntlich nicht auf einen Wellenberg. Deshalb wird jede Materie, die an so einem Feld hängt, weggedrückt. „Ganz schönes Hin und Her, nicht wahr?“, erkundigte sie sich. „Auch ihr seid im Prinzip wie die gleichen Pole eines Magneten. Die Telepathiezentren eurer Gebieter sind genau gegenläufig zu eurer Sifa gepolt. Deshalb könnt ihr ihnen Energie geben. Meiner Theorie nach könnte telepathische Energie zwischen zwei Vendar-Sifas aber nur genau so …“ Joran ließ den Erfasser sinken, bekam ein Lächeln auf den Lippen und rief: „Oh, Telshanach!“ Damit war er aus der Tür.

Zur Krankenstation!, dachte er. Der Weg kam ihm wie ein stundenlanger Fußmarsch vor. Dabei war die Krankenstation nur um ein paar Ecken.

Ishan erklärte sich nur widerwillig mit dem Experiment einverstanden, denn weder IDUSA noch er hatten entsprechende Daten. Kein Wunder, Jennas Theorie war ja auch ganz frisch. „Diran, höre.“, sagte Joran fest, als er das Krankenzimmer seines langjährigen Kampfgefährten betrat. „Meine Telshanach sagt, es gibt einen Weg, wie wir Tolea gemeinsam füttern können. Du musst tun, als wolltest du sie mir übertragen. Das wird zwar nicht funktionieren, aber sie wird zwischen uns hin und her Pendeln. Jeder von uns hat dann eine Sekunde, um sie zu füttern. Das reicht ja, um sich vorzustellen, dass man ihr einen Löffel der eigenen geistigen Energie gibt.“ Diran kannte seinen Freund gut genug, um zu wissen, dass Widerspruch zwecklos war, wenn dieser sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte und es mit einer solchen Begeisterung vortrug. Deshalb nahm er bereitwillig Jorans Hände und tat, was dieser verlangt hatte.

Beide wurden von einem starken Kribbeln und einem rauschartigen Zustand durchzogen. Sie spürten aber auch, als sie endlich den richtigen Rhythmus für das Fütterungsritual gefunden hatten, dass sich Tolea stabilisierte. „Lass mich bitte nicht los.“, bat Diran. „Ich lasse dich nur dann nicht los, wenn du das auch nicht mit mir machst. Zumindest nicht, bevor wir uns beide nicht mehr konzentrieren können.“, erwiderte Joran. Dann gaben sich beide völlig ihrem Vorhaben hin.

Wie viel Zeit vergangen war, als Diran und Joran völlig verschwitzt und erschöpft einander wieder los ließen, wussten sie nicht. Tolea war wieder in Dirans Sifa, aber sie war jetzt stabil. Ishan staunte angesichts der Ergebnisse seiner Untersuchung. Er hatte aber noch etwas festgestellt. „Dein Sifa-Zyklus.“, begann er an Diran gewandt. „Ist anscheinend zu Ende. Ihr scheint Tolea tatsächlich gesund gemacht zu haben.“ Diran verzog das Gesicht, denn da war er, der Kopfschmerz, der das Ende des Sifa-Zyklus ankündigte und das Verlangen zur Übertragung gesellte sich auch gleich dazu. Joran stützte seinen Freund in Richtung des Biobettes, auf dem Toleas Körper lag. „Lass es mich bitte einmal versuchen.“, wandte sich Diran an Ishan. „Falls es nicht geht, weil meine Konzentration nicht mehr ausreicht, kannst du ja mit deinem Transportgerät eingreifen.“ Ishan nickte.

Entgegen seiner eigenen Befürchtungen fiel Diran die Übertragung sehr leicht. Ob dies an Toleas eigenem Willen lag, ihren Körper wieder in Besitz zu nehmen, konnte er nicht sagen. Dann schlug Tolea die Augen auf. Sofort erkannte sie Diran, der sich vor ihrem Biobett auf die Knie warf. Im gleichen Moment betrat auch Jenna, die unbedingt wissen wollte, was da vor ging, die Krankenstation.

Tolea setzte sich auf und fragte: „Diran, Was ist geschehen?“ „Ihr seid auf einer Basis der Tindaraner, Gebieterin.“, antwortete der Vendar. „Das weiß ich.“, lächelte Tolea. „Ich meine, wer hat mich gesund gemacht?“ „Das, Tolea, haben Sie nur den Beiden hier zu verdanken.“, ergänzte Jenna stolz aus dem Hintergrund. „Sie irrt, Gebieterin.“, sagte Joran. „Jenna Mc’Knight ist eine glorreiche Kriegerin der Wissenschaft, deren Schwert und Schild Naturgesetz heißt. Ohne sie hätten wir …“ „Nicht so bescheiden, du Held.“, meinte Jenna. „Ich hatte keine Ahnung, was du vorhattest.“ „Trotzdem ist dir der entscheidende Streich gelungen, Telshahnach. Als du an unserer Seite in die Schlacht um Toleas Leben getreten bist, musste der Tod sich ergeben.“, sagte Joran fast ehrfürchtig. „Ich habe gar nichts gemacht.“, erwiderte Jenna. „Aber ihr zwei beiden solltet erst mal ein Bad nehmen. Ihr seht nämlich mit eurem zerzausten und klebrigen Fell aus, als hättet ihr in Spaghetti gebadet.“ Joran und Diran folgten ihrer Aufforderung.

„Was soll ich?“, fragte Lucilla aufgebracht, als Dishan den Plan seiner Frau an sie herantrug. „Bedenkt, Gebieterin, dass Ihr so Eure Macht sehr stärken könnt. Ihr könntet dann vielleicht auch endlich den Schöpfungsakt vollziehen.“, antwortete Dishan. Im Gegensatz zu Simach hatte er nicht verstanden, dass es immer eines Plus- und eines Minuspols bedurfte, damit die Dimensionen existieren konnten, beziehungsweise überhaupt erst entstanden. Lucilla aber fühlte sich von der Aussicht, bald die Macht der Einhörner zu besitzen, derart geschmeichelt, dass sie einwilligte.

Nedrach hatte ihrem Mann die Zugroute der Einhörner genau genannt. Als Priesterin der Vendar verfügte sie über dieses Wissen. In einem Versteck auf einer Anhöhe warteten Dishan und seine Männer. Alle hatten ihre Phaser im Anschlag. Der Plan war, das Einhornfohlen zu erschrecken, es von seiner Mutter zu trennen und dann, in einem Talkessel in der Nähe, in den sie es treiben würden, würde Dishan ihm seine Energie nehmen.

Lange Zeit geschah nichts. Dishan befürchtete schon, seine Frau habe ihm falsche Informationen gegeben, als ein junger Novize ihn plötzlich anstieß. „Anführer.“, flüsterte er. „Ich höre Schellen, aber sehe noch nichts.“ „Welche Richtung?“, fragte Dishan fast geifernd. Der Novize zeigte nach Süden. Dishan drehte sich dort hin und sah bald die Hörner, das hervor stechenste Merkmal der Einhörner, in der Ferne. „Sie kommen.“, stellte er fest und befahl: „Auf die Pferde!“

In wilder Jagd preschten sie auf die Einhörner zu. Kaum in Sichtweite befahl Dishan: „Alle Mann Feuer!“ Gleichzeitig schossen alle in die Luft. Außer sich vor Angst sprang Valoras Fohlen aus der Herde und rannte weg. Es wollte einfach nur weg, dabei gelangte es aber leider, wie von Dishan beabsichtigt, in die Falle der Vendar. Der im Talkessel wartende Dishan war bereits hoch konzentriert und konnte aufgrund der bekannten Tatsachen trotz des instinktiv von dem armen Einhornfohlen aufgebauten mentalen Schildes sich dessen Energie bemächtigen. Er saugte das arme Wesen so sehr aus, dass es ohnmächtig zu Boden sank. „Das hätten wir.“, sagte er danach. „Zurück zum Palast. Das Vieh lassen wir hier liegen, stirbt ja eh bald.“

Von den dramatischen Vorgängen im Dunklen Imperium hatten wir nichts mitbekommen. Wir waren zu sehr damit beschäftigt, Jorans und Dirans neu entdeckte Fähigkeit zu feiern. „Sytania hatte uns nie wissen lassen, dass wir das können.“, erklärte mir Joran. „Klar.“, erwiderte ich. „Je dümmer sie euch hielt, desto bereiter wart ihr, ihre Befehle zu befolgen.“ „In der Tat.“, bestätigte Joran. Allerdings konnte ich beobachten, dass er irgendwas ziemlich konzentriert zu tun schien. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass er aus einem Teller Müsli alle Rosinen herauspulte. „Für wen machst du das?“, wollte ich wissen. „Für Jenna Mc’Knight.“, antwortete er. „Sie mag keine Rosinen.“, „Ist das zu fassen.“, lächelte ich. „Ich auch nicht.“

Maron setzte sich zu uns an den Tisch. „Was für ein Umstand.“, sagte er mit oberlehrerhaftem Ton. „Warum bestellst du nicht einfach eins ohne Rosinen. Warte, ich mache es dir vor. IDU’SA, repliziere eine Schale Müsli ohne Rosinen.“ IDUSAs Replikator führte den Befehl aus. Verächtlich sah Joran an der ihm von Maron präsentierten Schale vorbei. „So etwas tun nur Waschlappen, Agent Maron!“ Seine direkte Art war der Demetaner, der seiner Stellung nach Jorans Vorgesetzter war, von ihm gewohnt. Wie alle Vendar war eben auch Joran, Witwer von Namach, sehr direkt.

Nach Luft jappend wandte sich Maron schließlich mir zu. „Allrounder Betsy.“, begann er und zückte ein Pad. „Commander Zirell hat mich beauftragt, in der Sache mit dem Geniestreich zu ermitteln. Ich soll herausfinden, ob Joran da allein drauf gekommen ist, oder, ob Jenna nachgeholfen hat, wie Joran behauptet. Also, was haben Sie gesehen?“ „Tja, ich, ääähm.“, stammelte ich. „Sprich die Wahrheit ruhig ohne Furcht aus, Allrounder Betsy.“, sagte Joran. „Egal, wem sie nützt.“ „Na gut.“, sagte ich. „Jenna hat Joran zwar die Sache mit dem Magnetismus erklärt, aber dann hat er ganz aufgeregt unser Quartier verlassen. Sie hat mit keinem Wort erwähnt, dass er etwas so oder so machen soll. Sie hat die Polung seiner Sifa lediglich mit der eines Magneten verglichen.“

Maron ging zu Zirells Tisch hinüber. „Die Aussage der Zeugin stützt eindeutig Mc’Knights Version, Zirell.“, sagte er. „Darauf gekommen scheint Joran ganz allein zu sein. Sie hat vielleicht den Anstoß geliefert, aber zu Ende gedacht hat Joran das ganz allein.“ „Interessant.“, sagte die Tindaranerin zufrieden.

Dishan und seine Leute waren wieder im Palast angekommen. „Schläft unsere Herrin bereits.“, wollte Dishan vom Torwächter wissen. „Ja, sie schläft.“, antwortete dieser. „Dann lass sie wecken.“, erwiderte Dishan. Ich habe etwas, das sie bestimmt für ein paar Minuten verlorenen Schlafs entschädigen wird.“ Der Wächter hatte von der Sache mit den Einhörnern gerüchteweise gehört. „Hat es etwa funktioniert?“, fragte er. Dishan nickte mit stolz geschwellter Brust. „Dann wecke ich sie sofort persönlich.“, sagte der Torwächter, winkte einem anderen Soldaten, seinen Posten einzunehmen und verschwand im Schloss.

Wenige Minuten später wurde Dishan zu seiner Gebieterin vorgelassen. „Ist das wirklich wahr, was ich von dir spüre?“, fragte Lucilla mit einem giftigen Leuchten in den Augen. Dishan nickte. „Dann gib mir die Energie.“, geiferte Lucilla. Dishan nahm ihre Hände und konzentrierte sich auf ihr telepathisches Zentrum.

Nach der Übertragung sah Lucilla mehr als zufrieden aus und Dishan erfreut an. „Das war unglaublich, Dishan.“, sagte sie langsam, aber erfreut. „Ach, davon muss ich mehr haben, viel mehr. Du musst unbedingt versuchen, mir die Energie eines erwachsenen Einhorns zu besorgen.“ „Wie das, Gebieterin?“, fragte Dishan. „Da fällt dir oder deiner kleinen Frau doch sicher etwas ein, nicht wahr? Ich habe gehört, das mit dem Fohlen war auch Nedrachs Idee. Ich überlege, ob ich sie nicht zu meiner Vertrauten mache, jetzt, wo mich Simach so schändlich im Stich gelassen hat.“, sagte Lucilla.

Dishan überlegte. Seine Frau in der Stellung der Vertrauten ihrer gemeinsamen Gebieterin würde auch seine Stellung bei Hofe verbessern. Deshalb sagte er: „Ich werde gleich morgen mit Nedrach darüber sprechen.“

Das Einhornfohlen hatte sich wieder aufgerappelt und verzweifelt versucht, seine Mutter zu finden, was ihm aber leider nicht gelungen war. Stunden war es jetzt allein und hilflos herumgeirrt. Endlich hörte es eine vertraute menschliche Stimme. Sie gehörte Clelia, deren Stimme es ja schon öfter gehört hatte. Clelia hatte nämlich die Angewohnheit, bei der Arbeit zu singen. Von alten imperianischen Volksweisen über gängige Minnelieder bis zu einigen Tanzstücken, wie sie in den Wirtshäusern rund um das Dorf gespielt wurden, hatte sie alles Mögliche drauf.

Durch das nervöse Scharren der Hufe ihres Ackergauls wurde sie schließlich auf das Fohlen aufmerksam, das entkräftet am Rande ihres Feldes zusammengebrochen war. Vorsichtig schritt sie hinüber. „Um Himmels Willen!“, rief sie. „Ein Einhornfohlen! Bei allen Göttern, du armes Kleines! Was ist denn mit dir passiert?“ Durch ihr lautes Rufen waren jetzt auch Simach und Lucius aufmerksam geworden und hinzugetreten. Simach beugte sich ebenfalls zu dem jungen Einhorn herunter und betrachtete es. Dann stellte sie sich wieder auf und sagte mit hasserfülltem Blick: „Ich weiß, wer das war. Das waren Vendar. Sie haben ihm all seine Energie genommen und es ist fraglich, ob es sich je wieder erholt. Clelia, bitte hol’ deinen Vater. Wir sollten es zunächst in euren Stall bringen und dort versorgen. Vielleicht kann ihm ja noch einmal geholfen werden.“ Clelia nickte und rannte davon.

„Sie will die Energie eines erwachsenen Einhorns.“, erklärte Dishan seiner Frau. „Du hast gesagt, du würdest darüber nachdenken, wenn es so weit ist. Jetzt ist es so weit.“ Nedrach lächelte verbrecherisch. „Ruhig Blut, mein eiliger Ehemann.“, sagte sie listig. „Es gibt hier in der Nähe einen Bauernhof. Der steht unter dem Schutz der Einhörner. Deshalb wird die kleine Tochter des Bauern sicher vorschlagen, dass sie, Simach und Lucius sich in den Wald der Einhörner begeben. Lucius ist Rekrut in Logars Armee gewesen. Er weiß, dass normalerweise kein Sterblicher den Wald betreten kann, ohne des Todes zu sein, es sei denn, die Einhörner erlauben es. Bei ihm hätte man die größte Chance, Angst und Zweifel zu sähen. Das müsste allerdings unsere Gebieterin telepathisch tun. Aber, das kriegst du ihr schon beigebracht. Wenn sie von euch verlangt, ihr die Energie von so mächtigen Wesen zu besorgen, muss sie sich schon selbst ein wenig nach der Decke strecken. Wenn der Junge nicht folgt, wird Valora ihn holen wollen und schon entfernt sie sich von ihrer Herde. Dann ist sie vereinzelt und ihr habt jede Chance.“ Dishan nickte und lächelte ihr zu. Dann berichtete er Lucilla, die sich einverstanden erklärte.

Zirell hatte uns alle in die Kommandozentrale gerufen. Jenna hatte zwischenzeitlich die Berichte von der Föderation durchgeackert. Sie war aber zu keinem besseren Ergebnis gekommen, als die Regierungswissenschaftler selbst. Bei einem Bericht von Commander Peter Time war sie allerdings hängen geblieben. Die Electronica war anscheinend einer neuen Mächtigen begegnet und die hatte sich mit Times Leuten angelegt. Die Rosannium-Waffen hatten allerdings bei ihr nur leichte temporäre Kopfschmerzen ausgelöst. Den Berechnungen von Techniker Cenda Nia und Warrior Shorna sowie Scientist Ketna zufolge bräuchte man, um sie zu besiegen, so viel Rosannium, wie kein Schiff tragen konnte und man auch nicht so schnell im gesamten Universum zusammenkratzen könne. Diese Tatsache hatte Jenna sehr besorgt.

Wir warteten noch auf Shannon, die mal wieder dabei war, kräftig zu spät zu kommen. „Wir sollten nicht ohne sie anfangen.“, beschloss Zirell. „Sonst muss ich alles doppelt und dreifach erzählen.“ Ich beschloss, die Zeit zu nutzen, um zwischen Maron und Joran zu vermitteln. Die beiden würden wohl noch eine ganze Weile zusammenarbeiten müssen und deshalb hatte ich das Gefühl, wegen der Sache mit dem Waschlappen zwischen ihnen vermitteln zu müssen. „Sir.“, wandte ich mich dem demetanischen Agenten zu. „Sie wissen, wie direkt Vendar sind. Joran ist halt sehr wahrheitstreu. Ich bin sicher, er hat es nicht persönlich gemeint und Ihre Autorität wollte er sicher auch nicht untergraben. Außerdem mag ich Waschlappen. Besonders im Gesicht und besonders den von Mausi.“ Meinen letzten Satz hatte ich eher als Scherz gemeint. „Ach, Allrounder.“, erwiderte Maron. „Es ist doch schon wieder in Ordnung. Genau die Dinge, die Sie gerade angesprochen haben, weiß ich doch längst und Joran weiß, dass wir Demetaner eher pragmatisch den einfacheren Weg nehmen würden, wo hingegen ein Vendar-Krieger sich lieber an der Rosinenfront beweist und gegebenenfalls auch heimischen Ärger in Kauf nimmt. Aber die Versöhnung ist doch immer am Schönsten, selbst, wenn man mal eine Rosine vergessen hat. Nicht wahr, Joran?“ Der Vendar nickte und meinte dann leise: „Du bringst mich vielleicht auf Ideen, Agent Maron.“

Shannon betrat den Raum und hatte eine (entschuldigt den Ausdruck) Scheißlaune. Während des Durchsehens der Berichte hatte sie ihrer Vorgesetzten über die Schulter geschaut und ebenfalls die furchtbaren Dinge gesehen. Missmutig setzte sie sich in unsere Mitte. Minor, der mich begleitet hatte, ging zu ihr und versuchte, sie aufzuheitern. „Na, Shannon, kann ich nicht toll schnurren?“, fagte er. „Ja, ja.“, meinte Shannon genervt. „Ich finde, dein Schnurren klingt wie eine Symphonie.“ „Wirklich?“, entgegnete Minor. „Ja.“, sagte die Irin. „Wie Beethovens Unvollendete.“ Traurig sagte Minor: „Entschuldigt mich.“ Dann verließ er den Raum. „Sagen Sie mal, was war denn das, Assistant.“, sagte Jenna streng. „Er versucht, Sie zu erfreuen und was machen Sie? Na ja, wenn diese Konferenz vorbei ist, müssen wir zwei ja sicher IDUSA warten. Arbeit hat bisher jede schlechte Laune kuriert.“ Shannon nuschelte eine Entschuldigung. Jetzt betraten auch Diran und Tolea den Raum. „Nee.“, stöhnte Shannon. „Hey, Diran, hättest du deine Herrin nicht zu Hause lassen können?“ Shannons Verhältnis zu Mächtigen war seit ihrer ersten Erfahrung mit Sytania sehr gestört.

„OK.“, jetzt mal alle Mann zugehört.“, begann Zirell. „Ihr wisst, dass die Dimensionen vor dem Aus stehen. Tolea hat uns noch etwas zu sagen.“ Dann trat sie demonstrativ ein paar Schritte zurück, um für die Bewohnerin des Raum-Zeit-Kontinuums Platz zu machen. Tolea ging an den Platz, an dem Zirell vorher gestanden hatte und sagte: „Was los ist, wisst ihr ja bereits. Die neue Mächtige, mit der wir es hier zu tun haben, heißt Lucilla und ist ein Geschöpf Logars. Sie ist abgrundtief böse. Viel böser, als es Sytania je war. Sie hat Logar getötet, weil sie neben sich niemanden akzeptiert. Auch alle anderen Mächtigen hat sie entweder selbst getötet, oder sie sind gestorben, als ihre Vendar ihnen all ihre Energie ausgesaugt hatten. Das hat sie viel stärker gemacht, als ihr es euch vorstellen könnt. Ich selbst werde nicht so verrückt sein und mich mit ihr anlegen. Aber ihr könntet es schon.“ Sprach's und war einen weißen Blitz später mit samt Diran und dessen Schiff wieder in ihre Dimension, oder besser in das, was davon noch übrig war, verschwunden.

„Oh, ich hasse Rätsel! Ihr könnt euch gar nich’ vorstellen, wie sehr ich Rätsel hasse!“ Shannons Reaktion ließ uns alle aufhorchen. „Die Welt geht diesen Mittwoch unter und sie macht daraus ’n Spielchen. Typisch. Aber was will man erwarten. Sie is’ ’ne Mächtige. Wo denen unser Leben vorbei geht, möchte ich jetzt gar nicht sagen, weil ich dann sofort wieder einen drauf kriege. Aber, ich hab’s ja schon immer gewusst. Denen kann man nicht trauen. Tolea is’ genau so. Hinten rum tut s’e scheißfreundlich, aber dann …“ „Sind sie fertig, Assistant.“, schnippte Jenna zurück. „Eigentlich nich’, Jenn’.“, antwortete Shannon. „Aber bitte.“

Jenna räusperte sich und ging festen Schrittes in die Mitte des Raumes. „Ist euch aufgefallen, dass sich der ganze Untergangsprozess verlangsamt hat.“, wendete sie sich an uns alle. Geschlossen nickten wir. „OK.“, sagte Jenna weiter. „Das liegt daran, dass Lucilla wahrscheinlich eine Neuschöpfung aller Dimensionen versucht. Aber das kann ihr nicht gelingen, so lange sie keinen Gegenpol hat, der ihre Heimatdimension, mit der sie verbunden ist, mit ihr stabilisiert. Das begreift sie nur nicht. Deshalb hat sie sich so viel Energie geholt. Sie glaubt, sie sei nicht stark genug für den Schöpfungsakt, aber da irrt sie. Ihr bleiben nur zwei Möglichkeiten. Entweder, sie schafft sich einen Gegenpol, oder sie löscht ihre eigene Existenz aus, und zwar so, dass sie nie geboren würde. Andernfalls kriegt sie das hier nie in den Griff.“ „Schwachsinn!“, quietschte Shannon dazwischen. „Die Frau müsste doch allmächtig sein.“ „Wieso schafft sie dass nicht?“ „OK.“, seufzte Jenna. Aufgepasst.“ Damit kramte sie in ihren Taschen. Joran, der ahnte, was jetzt kam, stieß Maron vorsichtig den Ellenbogen in die Seite. „Hab Acht, Agent Maron.“, flüsterte er. Gleich tut sie es wieder.“ Beide machten ein Gesicht wie zwei Jungen kurz vor der Bescherung an Weihnachten.

Nach einigen Sekunden, die Maron und Joran wie eine Qual vorgekommen sein mussten, hatte Jenna anscheinend endlich gefunden, was sie suchte. Cool sagte sie: „Ganz ruhig, Jungs, jetzt kommt die Bescherung. Sir, würden Sie bitte mal zu mir nach vorn kommen?“ Tänzelnd kam der Demetaner der Bitte seiner terranischen Untergebenen nach. Jenna gab Maron einen der beiden Magnete in die Hand. Dann sagte sie: „So, Agent. Sie halten jetzt den stabilen Minuspol. Ich lege den anderen Magneten jetzt hier auf den Tisch. So, jetzt gehen Sie mal mit Ihrem drüber.“ Jenna hatte die Plus- und Minuspole der Magneten gut sichtbar beschriftet. Ich hörte ein metallisches Klicken, das mich sofort schließen ließ, dass der Minuspol von Marons Magneten den Pluspol des anderen angezogen haben musste. „Also, Agent.“, fragte Jenna. „Was will ein Minuspol?“ „Einen Pluspol.“, antwortete der Demetaner. „Richtig.“, bestätigte Jenna. Sie wollte noch weiter reden, aber Maron schnitt ihr das Wort ab: „Sagen Sie nichts, Mc’Knight. Ich glaube, ich verstehe schon. Deshalb ist Lucilla auch böse. Zum Zeitpunkt ihrer Schöpfung ging es ihrem Schöpfer, Logar, noch gut. Er stellte einen stabilen Pluspol dar. Es gab aber keinen Minuspol mehr, weil Sytania zu diesem Zeitpunkt schon tot war. Deshalb wurde Lucilla zu einem Minuspol. Dann tötete sie Logar, also den Pluspol, weil sie allein herrschen wollte. Sie muss noch viel böser sein, als Sytania es je war. Sytania hat aus Notwendigkeit ihren Vater neben sich akzeptiert und was er anfasste, war stabil, weil er selbst stabil war, aber Lucilla …“ „Chapeau, Sir.“, sagte Jenna und klatschte in die Hände. „Das liegt nur an Ihrer guten Illustration, Mc’Knight.“, lobte Maron. Shannon machte einen Witz bezüglich Major Carter aus ihrem Unterhaltungsschmöker.

„Na dann.“, sagte Zirell. „Jemand sollte ihr das mal beibringen und im Dunklen Imperium nach dem Rechten sehen. Jenna, Shannon, ihr bereitet IDUSA vor. Joran, du und Agent Maron nebst unserer zweiten Sternenflottenoffizierin hier, ihr trefft die beiden später an der Shuttlerampe. Von uns kann euch leider niemand begleiten, weil wir Tindaraner unsere eigene Dimension schützen müssen. Allrounder Betsy, Sie lassen Minor am Besten hier. Hier ist er am sichersten.“ Wir nickten alle bestätigend und Jenna und ihre Assistentin verließen den Raum.

Lucilla hatte Dishan noch einmal zu sich in den Palast bestellt. „Bevor du aufbrichst.“, begann sie mit einem süffisanten Lächeln. „Will ich dir noch ein paar Informationen geben, die mir durch den Kontaktkelch gerade zugeflossen sind. Auf dem erwähnten Bauernhof wird gerade kräftig diskutiert. Simach und Clelia wollen in den Wald der Einhörner, aber Lucius will nicht.“ „Daran seid Ihr doch nicht ganz unschuldig, Gebieterin, nicht wahr?“, fragte der Vendar schelmisch. „Nein, das bin ich nicht.“, antwortete Lucilla.

Dishan wollte schon gehen, aber Lucilla hielt ihn auf. „Warte.“, sagte sie. „Ich will ja nicht, dass sie euch sehen. Zumindest noch nicht.“ Dann sah sie konzentriert auf einen Punkt. Alsbald fuhr ein schwarzer Blitz durch den Raum und Dishan war nicht mehr zu sehen. „Ich habe dich und deine Männer jetzt unsichtbar gemacht. Erst, wenn die armen Einhörner in der Falle sitzen, mache ich das wieder rückgängig. Valora soll ja schließlich sehen, wer ihr ans Leder will.“, sagte Lucilla.

Wir waren an IDUSAs Einstiegsluke angekommen. Joran hatte mir einen Neurokoppler in die Hand gedrückt. „Ich finde, dir sollte die Ehre gebühren, uns ins Dunkle Imperium zu bringen.“, sagte er. „Wie stellst du dir das vor, Joran?“, fragte ich verunsichert. „IDUSA hat kein Spezialprogramm.“ „Macht nichts, Allrounder Betsy.“, sagte der Vendar und befahl dem Schiff, eine Reaktionstabelle von mir zu erstellen und zu laden.

Ich staunte nicht schlecht, als ich vor meinem geistigen Auge eine Frauengestalt sah, die vor einer Steuerkonsole saß. Sogar die Sensorenbilder zeigte IDUSA mir. „Flugschulmodus, IDUSA.“, befahl Joran. „Du wirst es doch bestimmt besser finden, Allrounder Betsy, wenn ich im Notfall eingreifen kann, nicht wahr.“, erklärte er sein Handeln. „In der Tat.“, erwiderte ich lächelnd. „Das ist mein Spruch.“, lächelte er freundlich zurück.

„Festhalten, Ladies and Gentlemen.“, sagte ich und dachte daran, IDUSAs Antrieb zu aktivieren. Die virtuelle Frau vor der virtuellen Steuerkonsole drehte einen virtuellen Schaltschlüssel um, worauf IDUSAs realer Antrieb zu surren begann. Auf ähnlichem Weg brachte ich uns auch von der Station fort. „Da werde ich mich wohl nie dran gewöhnen.“, stellte ich fest. „Das Problem haben viele Sternenflottenoffiziere, Allrounder Betsy.“, erwiderte Joran. „Agent Maron hat noch nie.“, „Musst du das jetzt erwähnen, Joran?“, fragte Maron von hinten.

„Sie kommen ja prima mit mir zurecht, Allrounder Betsy.“, hörte ich bald IDUSAs etwas blecherne Stimme. „Kann sein.“, gab ich zurück. „Aber ich bin heilfroh, dass Joran bei mir ist und wir im Flugschulmodus fliegen. So kann er dich abfangen, falls ich uns vielleicht vor einen Kometen setze.“ „Das wird nicht geschehen.“, erklärte sie. „Sie sehen mich ja auch vor sich, weil ich den direkten Nervenknoten in Ihrem Gehirn entsprechend stimuliere. Mit ihren Augen hat das hier ja nichts zu tun. Was meinen Sie, wollen wir jetzt mal interdimensional durchstarten, oder haben Sie dazu nicht den Mumm?“ „Das werde ich dir gleich zeigen, wo zu ich Mumm habe.“, erwiderte ich und dachte: IDUSA, interdimensionalen Antrieb aktivieren! Meinen Gedankenbefehl führte sie sofort aus. Ich sah eine Karte der interdimensionalen Schicht. Sogar die Beschriftungen an den schon kartographierten Falten konnte ich lesen. Eine kurze virtuelle Berührung auf dem virtuellen Touchscreen und wir waren dort.“ „Klasse.“, kommentierte Shannon meine Leistung. „Klasse in der Tat.“, bestätigte Joran.

„Also dann.“, begann Agent Maron, der dem Rang nach der kommandierende Offizier unseres Teams war. „Wir sollten schauen, dass wir Informationen bekommen, was hier genau passiert ist. Wir sollten alle runter gehen und …“ „Ne ne, Sir.“, sagte Shannon. „Ich gehe nicht in diese Geisterbahn von Dimension. Vor all diesen komischen Wesen hab’ ich tierisches Muffensausen. Außerdem traue ich keinem Telepathen, wie Sie wissen. Ich bleibe lieber hier an Bord von IDUSA. Ich mein’, mein Misstrauen würden die Telepathen eh spüren und Ihnen dann auch keine Infos geben. Ich wäre nur hinderlich.“ „Na gut, Shannon.“, sagte Maron, ohne zu ahnen, dass sie in Wahrheit etwas im Schilde führte.

In der Nähe von Logars Wolkenburg hieß Maron mich, IDUSA in eine höhere Umlaufbahn zu bringen, damit man sie auch in mondklaren Nächten vom Boden aus nicht sehen konnte. Dann beamten wir alle hinunter, bis auf Shannon.

Gespenstisch und nachtschwarz lag das Schloss da. Auf Marons Geheiß versteckten wir uns alle hinter einem Busch. Dann flüsterte Maron Joran zu: „Kannst du etwas erkennen?“ „In der Tat.“, flüsterte der Vendar zurück. Aufgrund seiner Körpergröße und der um etwa 40 % höheren Schärfe seiner Augen konnte Joran prima sehen, was im Schlosshof geschah. „Ich sehe eine Frau in Herrschergewändern.“, beschrieb er die Szenerie. „Sie trägt Logars Krone und Zepter.“ Maron hatte genug gehört. „Anscheinend.“, kombinierte er. „Hat tatsächlich die Schöpfung den Schöpfer getötet.“ „Was tun wir jetzt?“, fragte ich leise. „Wir sollten zu irgendeinem Bauern gehen und dort fragen, ob jemand etwas weiß.“, schlug Jenna vor. „Von den Adeligen werden wir keine Informationen bekommen. Die haben alle Angst vor Lucilla und davor, dass deren Vendar ihnen ihre Kräfte nehmen könnten, wenn sie etwas Falsches sagen. Die Bauern haben in der Hinsicht nichts zu verlieren.“ „Geht klar, Techniker.“, sagte Maron. Dann setzten wir uns leise in Bewegung.

„Sind sie weg, IDUSA?“, wollte Shannon von dem Schiff wissen. „Positiv, Shannon.“, lautete IDUSAs knappe Antwort. „Um so besser.“, sagte Shannon. „Such’ mir das nächste Wirtshaus und beam’ mich vor der Tür runter, aber nur, wenn keiner guckt.“ „Shannon.“, entfuhr es IDUSA. „Denken Sie bitte daran, dass Sie dienstlich hier sind. Sie können sich doch nicht einfach betrinken.“ „Oh doch.“, antwortete Shannon. „Das muss ich sogar, wenn ich zur Wahrheitsfindung beitragen will.“ „Also schön.“, meinte IDUSA. „Aber achten Sie darauf, dass Sie nicht zu viel trinken.“ „Ich bin Irin.“, antwortete Shannon zuversichtlich. „Weißt du, für was mein Volk bekannt ist?“ IDUSA konsultierte ihre Datenbank. „Die Iren, ein terranischer Volksstamm, sind für ihre Trinkfestigkeit bekannt. Also, Shannon, Sie vertragen schon einen Stiefel, nicht wahr?“ „Ich wusste, wir verstehen uns.“, lächelte Shannon. Dann drehte sie sich in Richtung Transporterplattform. „Halt.“, hielt IDUSA sie auf. „Wie wollen Sie irgendeinem Bauern die Informationen aus dem Kreuz leiern, wenn Sie ihm keinen ausgeben können. Ich habe bereits einiges an gängigen Zahlungsmitteln für Sie repliziert.“ Shannon hörte es im Auswurffach des Replikators kräftig klimpern. „Nun mal langsam, IDUSA.“, sagte sie. „Zur Millionärin machen musst du mich ja nicht gleich. Vielleicht habe ich ja Glück und es redet sogar einer gratis.“ „Sie setzen auf das sprichwörtliche Glück der Iren, habe ich Recht?“, fragte IDUSA. „Genau.“, meinte Shannon, während sie sich die Taschen füllte. „Warum wollen Sie das überhaupt tun?“, fragte IDUSA. „Ach.“, antwortete Shannon. „Ich will wider gut machen, was ich für’n Bockmist wegen Minor gebaut habe. Jenn’ hat mich ziemlich zusammengeschissen. Na ja, da hatte sie auch allen Grund zu. Habe mich echt fies benommen gegenüber dem armen Kätzchen. Was glaubst du wohl, was Jenn’ sagt, wenn ich ihr ’ne Info auf dem Silbertablett serviere.“ „Verstehe, Shannon.“, sagte IDUSA, suchte nach dem passenden Etablissement und beamte Shannon mit den Worten: „Guten Durst und gute Jagd!“ hinunter.

Von Shannons Vorhaben ahnte weder Jenna, noch Maron oder Joran etwas. Die Einzige, die ein komisches Gefühl hatte, war ich. Ich kannte Shannon zwar noch nicht lange, wusste aber, dass sie sich eigentlich nie darum riss, stinklangweilig an Bord eines Schiffes herumzusitzen. Auch, wenn dieses Schiff IDUSA hieß und ein Stück Beschützertechnologie war. Meine Versuche, die Anderen von meiner Theorie zu überzeugen, waren allerdings recht fruchtlos.

Shannon hatte das Wirtshaus betreten und stand nun in der Mitte zwischen einigen Tischen, an denen Dorfbewohner teils nur tranken, aber auch Karten spielten oder Verhandlungen mit angehörigen eines hier nicht näher zu beschreibenden Gewerbes nachgingen. Sie klatschte in die Hände. Dann sagte sie: „Alle mal hergehört. Ich heiße Shannon und verkaufe Informationen jeder Art an Gaukler und Minnesänger. Wer mir was Aufregendes zu sagen hat, kann es jetzt tun. Für denjenigen schmeiße ich sogar eins, zwei Runden, wenn’s genehm is’.“ Einige Bauern kratzten sich die Köpfe und schienen sich etwas überlegen zu wollen, denn die Aussicht auf einige spendierte Drinks und eine fette Belohnung ließ sie versuchen, sich etwas aus den Fingern zu saugen. Shannon aber bemerkte schnell, dass man sie veralbern wollte. „Ne ne, so nich’. Nich’ mit Tante Shannon. Verarschen lassen sich weder meine Auftraggeber noch ich. Man hat ja schließlich ’n Ruf zu verlieren. Was glaubt ihr wohl, was passiert, wenn die Lieder meiner Auftraggeber in der Luft zerrissen werden, weil irgend so ’n Schlauberger merkt, dass alles vorn und hinten nicht stimmt.“

Trochus, der Wirt, schaute jetzt auch hinter der Theke hervor und meinte: „Bevor du hier große Töne spuckst, Fremde, möchte ich erst wissen, ob du deine Versprechen auch einhalten kannst.“ „Willst wohl was vom Kuchen abhaben.“, grinste Shannon. „Von mir aus gern, hier bitte.“ Damit griff sie in ihre Taschen und holte Händeweise Taler heraus, die sie genüsslich auf die Theke klimpern ließ. Sie machte sich sogar die Mühe, sie einzeln nach ihrer Größe geordnet aufzustapeln. Dabei fühlte sie sich wie der Protagonist in dem alten irischen Volkslied vom wilden Herumtreiber, der so auch seine Vermieterin schockt. Geschockt, allerdings eher positiv, war auch Trochus. Rechnete er sich jetzt doch eine Chance aus, wenn er die Bauern dazu kriegen würde, die Wahrheit zu sagen. Zumal Shannon ihm ja in gewisser Weise dies in Aussicht gestellt hatte. „Hört mal, Männer.“, sagte er. „Wer ihr hilft, soll auch von meiner Seite belohnt werden. Ich werde den besten Met aus meiner Speisekammer holen und ihr sollt die besten Stücke Braten, Schinken, Wurst und Käse bekommen, die sonst nur den adeligen Herrschaften und den reichen Kaufleuten vorbehalten sind. Außerdem das beste Brot und das beste Obst und Gemüse. Esst euch satt und trinkt, so viel ihr könnt.“

„Ha.“, meinte einer der Bauern zu Shanon gewandt und auf einen Tisch zeigend, an dem ein einsamer Mann saß. „Das wird unseren feinen Herrn Obstbauern freuen. Der bildet sich schon was drauf ein, dass er sich die Finger lange nicht so schmutzig machen muss wie wir. Stell dir vor, Fremde, er meint sogar, seine Tochter, Clelia, wäre Auserwählte der Einhörner. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.“ Shannon ging hinüber. Bingo!, hatte sie bei sich gedacht. Wenn die Einhörner sich einmischen, dann ist bestimmt der meine einzige und verlässlichste Quelle. Die anderen haben gelogen, dass es eine Freude war! Sie setzte sich mit einer mitgebrachten Kanne Met, die Trochus ihr gegeben hatte, zu dem Bauern an den Tisch. „Also.“, begann sie, nachdem sie ihren Stuhl zurechtgerückt hatte. „Ich finde, wir sollten uns erst mal vorstellen. Ich bin Shannon.“ „Ich heiße Vorenus.“, erwiderte der Bauer. „Fein, Vorenus.“, entgegnete Shannon. „Was ist das mit deiner Tochter und den Einhörnern. Wissen die echt Bescheid und ist deine Tochter wirklich ihre Auserwählte, oder bist du ein Prahlhans wie alle anderen.“ Ob ihrer forschen Art musste Vorenus erst mal einen großen Schluck Met nehmen. „Nein“, sagte er. Ich kann und werde es dir beweisen. „Wenn du wirklich Interesse daran hast, zu erfahren, was das mit Clelia und den Einhörnern ist, dann feiere mit mir. Dann werde ich dir alle Informationen geben. Wenn es dich nicht interessiert und du mich für einen Prahlhans hältst, dann geh. Wenn du bleibst und mir beweist, dass es dir wirklich ernst ist, dann nehme ich dich sogar mit auf meinen Hof und beweise dir alles, was ich dir jetzt erzählen werde.“

Diese Prüfung kam nicht von ungefähr. Vorenus hatte von Clelia den Auftrag hierzu bekommen. Die Einhörner konnten, weil sie mächtige Wesen waren, natürlich in die Zukunft sehen, das wusste Vorenus. Valora hatte Clelia instruiert, jeden, der genaues zu ihrer Beziehung wissen wollte, auf seine Beharrlichkeit zu testen, damit auch ja nur die Richtigen die entsprechenden Informationen bekämen, auch, wenn dies bedeuten würde, dass sie nachher mit einem dicken Kater aufwachen würden.

Wir kampierten in dieser Nacht im Schutz eines Wäldchens. Immer noch versuchte ich, die anderen von meiner Theorie bezüglich Shannon zu überzeugen. „Schlagen Sie sich das aus dem Kopf, Allrounder.“, sagte Agent Maron. „Sie ist zwar schlauer, als sie zugibt, aber ich glaube nicht, dass sie sich allein in eine Dimension begibt, in der ihr jederzeit ein Telepath entgegen kommen könnte.“

Bevor ich antworten konnte, fühlte ich plötzlich Jorans riesige weiche Fellhand, die meine umschloss. „Allrounder Betsy, würdest du mir bitte folgen?“ Seine Frage war für mich zunächst sehr merkwürdig, aber dennoch vertraute ich ihm. Hier würde es ja keine Hindernisse geben, vor die er mich aus Versehen laufen lassen könnte. Die Bäume waren weit genug weg.

Ich bejahte und wir gingen ein ganzes Stück, bevor er mich auf einen Baumstumpf dirigierte. Er selbst setzte sich vor mir auf den weichen Waldboden. Dann begann er: „Ich beginne, dir zu glauben, Allrounder Betsy. Aber wir müssen es beweisen.“ „Was hat deinen plötzlichen Sinneswandel verursacht?“, wollte ich wissen. „Einzig und allein die Tatsache, dass Shannon O’Riley, wenn man sie lässt, sehr gute Pläne schmieden kann. Sie behauptet zwar immer, das seien alles Glückstreffer, aber das stimmt nicht. Wenn ich die Zeilen aus dem Unterhaltungsroman richtig deute, dann war sogar dieser O’Neill, an dem sie sich orientiert, schlauer, als er zugegeben hat. Shannon O’Riley und er sind …“ Er überlegte eine Weile angestrengt. Dann sagte er: „Heimlich schlau. Ja, sie sind heimlich schlau.“ Ob seiner Wortschöpfung musste ich schmunzeln. Ohnehin hatte ich sein Stolperenglisch echt niedlich gefunden. Auch die Diskussionen zwischen Agent Maron und ihm bezüglich der Benutzung eines Universalübersetzers hatte ich verfolgt. Joran hatte sich aber standhaft geweigert, das zu tun, denn er war der Ansicht, Sytania hätte die technologische Abhängigkeit der Sternenflottenoffiziere irgendwann eiskalt ausnutzen können. Deshalb wollte er lieber aus eigener Kraft die Amtssprache der Föderation lernen.

„IDUSA.“, sagte ich plötzlich und sprang auf. „Sie wird wissen, ob Shannon noch bei ihr ist und wenn nicht, wo sie ist und was sie tut!“ Dann fingerte ich an mir herum und entdeckte, dass ich mein Sprechgerät nicht bei mir hatte. „Joran.“, fragte ich hektisch. „Hast du deinen Transceaver?“ Auch er begann, sämtliche Taschen zu durchsuchen. „Tut mir Leid, Allrounder Betsy. Auch ich habe kein Sprechgerät dabei. Aber ich werde zurückgehen und eines holen. Auch wenn Agent Maron und Jenna Mc’Knight mich ertappen sollten. Bleib du bitte hier. Das ist sicherer für dich.“ Ich nickte und beobachtete, wie er von dannen schlich.

Vorenus und Shannon hatten es irgendwie geschafft, so betrunken, wie sie waren, auf Vorenuses Hof zu gelangen. Shannon hatte es trotz alkoholschwangerer Stimme dennoch geschafft, dem Schiff deutlich zu machen, dass es ihr Signal verfolgen sollte und die Koordinaten mit einem schönen Gruß an Jenna auf deren Sprechgerät überspielen sollte. IDUSA hatte das getan, obwohl sie wusste, dass sie Shannon damit verraten würde, aber irgendwann würde sie ohnehin damit herausrücken, wie es auch ihr Plan war. Unter einem Vorwand hatte Shannon, nachdem sie sich von der Richtigkeit der Worte des Bauern überzeugt hatte, IDUSA befohlen, sie wieder an Bord zu holen.

 

Shannons Volltreffer

von Visitor

Uff.“, machte Shannon, als sie wohlbehalten wieder in ihrem Sitz saß. „Das wird ’ne Nacht werden. Wenn ich morgen mit einem dicken Kater aufwache, IDUSA, dann weiß ich mindestens, wo für ich das gemacht habe. Brrr, igitt, stell dir vor, die haben Met. Das Zeug ist tierisch süß und schmeckt für mich wie Jauche. Aber ich musste ja, sonst hätte der Bauer ja was gemerkt.“ „Oh, Sie Ärmste.“, erwiderte IDUSA mit ironischem Unterton. „Na, da wäre Ihnen ein richtiger irischer Single Malt lieber gewesen, was?“ „Hör auf zu lästern.“, murmelte Shannon noch, bevor sie einschlief.

Joran hatte sich wieder zu unserem Schlafplatz geschlichen und war dabei, seine Tasche bei völliger Dunkelheit nach seinem Sprechgerät zu durchsuchen. Leider blieb der Erfolg aus, denn er hatte das Gerät nach der letzten Benutzung ganz nach unten gepackt und deshalb konnte er es bei der sehr oberflächlichen und schnellen Suche, die er jetzt begonnen hatte, nicht finden. „Kelbesh.“, fluchte er. „Gerade, wenn man es braucht! Gerade, wenn man es braucht!“

Plötzlich bemerkte er, wie ihn jemand neckisch am Rückenfell zog. Er drehte sich um und erkannte Jenna, die, eigentlich zum Wacheschieben eingeteilt, jetzt zu ihm gekommen war. „Telshanach.“, sagte Joran. „Ich hätte nicht gedacht, dass du wach bist.“ „Ach.“, entgegnete Jenna. „Ich soll eigentlich Wache halten, dann versteht sich dieser Umstand doch von selbst.“ „Was meinst du mit eigentlich.“, fragte Joran nach. „Ich zeige dir mal was.“ Damit holte sie ihren Transceaver. Dann hielt sie ihn Joran vor die Augen und sagte: „Schau mal. Das hat IDUSA mir gerade per SITCH-Mail gesendet. Die Mail enthält die Koordinaten eines Bauernhofes hier in der Nähe. Shannon hat herausbekommen, dass der Bauer dort über einige Informationen verfügt. Ganz schön hinterlistig. Hätte ich Shannon nicht zugetraut.“ „Vielleicht, Telshanach.“, begann der Vendar. „Vielleicht sieht sie jetzt ja ein, dass sie intelligent ist.“ „Glaubst du an Wunder?“ Jennas Frage wurde von einem ungläubigen Grinsen begleitet.

Shannon war wieder einigermaßen nüchtern, als IDUSA ihr am nächsten Tag die Ausführung des von ihr erteilten Auftrags meldete. „In Ordnung.“, meinte Shannon dazu. Dann fragte sie: „Ach, IDUSA, warum konnte Logar Tolea überhaupt besiegen? Ich mein’ die hätte doch alles vorhersehen können.“ „Nun.“, begann das Beschützerschiff. „Wahrscheinlich hatte Logar das Element der Überraschung auf seiner Seite.“ „Oh, Gott.“, stöhnte Shannon. „Sie können mich ruhig IDUSA nennen.“, unterbrach IDUSA sie, aber Shannon fuhr unbeeindruckt fort: „Erklär’ das gefälligst so, dass ich damit auch klar komme. Du weißt doch, O’Neill und ich haben eines gemeinsam, wir sind beide einfach gestrickt. Also, was ist das mit diesem Überraschungsei?“ „Na gut, Shannon.“, entgegnete IDUSA, wobei sie ihren Avatar vor Shannons geistigem Auge ein genervtes Gesicht machen ließ. „Tolea is’ total schnarchnasig zu Logar geschlufft. Die hatte wohl nich’ im Traum geblickt, dass er volle Kanne von seiner Macht eingedunstet war. Völlig Naivchen am Leben vorbei mäßig hat s’e ihn versucht, einzulullen, hatte sich aber was damit. Statt die Lauscher mal aufzusperren, hat er ihr eins reingewürgt und jetzt ist die Kacke am dampfen, und zwar meterhoch.“ „IDUSA!“ Shannons Ausruf beeindruckte die künstliche Intelligenz nicht sonderlich. „Ich sollte Ihnen doch alles so erklären, dass auch Sie es verstehen können.“ „Stimmt schon.“, gab Shannon zu. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass du so …“ IDUSA räusperte sich. „Shannon, Ihre Vorgesetzte möchte Sie sprechen.“ „Oh hä.“, machte Shannon. Dann wischte sie sich den restlichen Schlaf aus den Augen. „OK, IDUSA. verbinde schon.“

Auf dem virtuellen Schirm erschien Jennas Gesicht. „Morgen Jenn’.“, flachste Shannon. „Was gibt’s denn?“ „Sie haben Nerven, Assistant.“, kam es zurück. „Erst spielen Sie uns den Angsthasen vor und dann machen Sie so etwas. Mein Gott, Sie sehen ja furchtbar aus. Haben sie etwa einen Kater?“ „Einen.“, begann Shannon. „Ich habe das Gefühl, in meinem Kopf feiert ’ne ganze Stadt voller Kater eine wilde Party und ihre Freunde von weit weg haben sie auch noch mitgebracht.“ Jennas Ton wurde wieder etwas mitleidiger. „Ist ja schon gut, Shannon. Gut, dass Sie uns die Informationen besorgt haben. Wir waren nämlich echt in der Sackgasse. Aber über Ihre Methoden reden wir noch!“ Damit drückte sie die 88-Taste, um das Gespräch zu beenden.

Devan, der Novize, der Dishan auch auf die Einhörner aufmerksam gemacht hatte, sprach ihn erneut an, als sich die Vendar auf einem Berggipfel zur Nacht niedergelassen hatten. „Bitte sag mir, Anführer.“, begann er respektvoll. „Wenn wir alle unsichtbar sind, warum können wir uns dann gegenseitig sehen?“ „Du Narr!“, rief Dishan aus. „Natürlich hat unsere Gebieterin uns nur für andere unsichtbar gemacht. Einander können wir uns sehen. Das wäre ja sonst ein großes Problem. Unsere Widersacher werden weder uns, noch die Pferde sehen, aber die Tiere sehen uns, sich und alles, was mit uns zusammenhängt. Sonst gebe es doch schon längst ein Riesenchaos.“ „Lucilla ist sehr weise, Anführer, nicht wahr?“, wollte der Novize wissen. Dishan nickte und sagte: „Zieh dich jetzt mit den anderen zurück. Morgen müssen wir auf der Hut sein.“ Der Novize ging.

Dishan zog einen Kristall aus seiner Tasche und legte die Hände darauf. Dann stellte er sich vor, mit Lucilla in einem Raum zu sein und mit ihr ein Gespräch zu führen. Wenige Sekunden darauf erschien Lucillas Gesicht vor seinem geistigen Auge und er hörte sie in seinen Geist fragen: Was gibt es, Dishan, dass du um diese Zeit noch den Kontaktkelch benutzt?

Ein Kontaktkelch muss nicht die Form eines Weinkelches haben. Genauer handelt es sich um jeden Gegenstand, der die telepathische Prägung, also ein wenig neurale Energie eines Telepathen, enthält. Diese Dinge ermöglichen einem Nichttelepathen dann den Kontakt.

Vergebt mir, Gebieterin!, dachte Dishan. Aber es sieht so aus, als würde die Besatzung des Beschützerschiffes sich anschicken, auf den Bauernhof zu gehen, wo auch die Kinder sind, die Valora ködern sollen. Bitte lockert Euren Einfluss auf Lucius etwas, damit es so aussehen kann, als würden sie ihn überzeugen, damit sie überhaupt mal in Richtung des Waldes der Einhörner ziehen. Im richtigen Moment könnt ihr dann ja wieder vollen Einfluss nehmen! Dishan, mein kluger Diener!, antwortete Lucilla. Du hast Recht. Genau so werden wir es machen! Dann lachte sie spöttisch und fügte hinzu: Bald, bald wird die Energie der Leitstute der Einhörner mein sein und dann werde ich mächtiger als jedes Wesen vor mir, als jedes Wesen, ja wohl, als jedes!

Jenna, Maron, Joran und ich hatten den Bauernhof betreten und waren auf Vorenus getroffen. „Wer seid ihr?“, wollte der Bauer wissen. „Wir sind Reisende, die durch einen Minnesänger von deinem berühmten Hof erfahren haben.“, begann Maron, der auf keinen Fall durchblicken lassen wollte, dass es sich bei uns um Bewohner einer anderen Dimension handelte. Zwar war jedem Sternenflottenoffizier bekannt, dass die Imperianer wussten, dass es jenseits ihrer Dimension noch etwas gab, aber Maron hatte uns eingeimpft, nichts zu sagen, damit wir gegebenenfalls Vorenus nicht gefährden würden. Er dachte sich, dass unter Umständen vielleicht Lucillas Leute aufmerksam werden und ihn vielleicht foltern könnten, wenn er zu viel wüsste. Da hat mir diese Shannon doch keinen Bären aufgebunden!, dachte Vorenus und führte uns ins Haus.

In der Küche saßen Simach, Lucius und Clelia am Tisch und besprachen offenbar etwas. Glücklich, einen Landsmann zu sehen, stand die junge Vendar auf und näherte sich langsam Joran. Respektvoll, denn an seiner Kleidung konnte sie sehen, dass er berechtigt war, Novizen auszubilden, senkte sie den Kopf. „Vergib mir, Ausbilder.“, fragte sie. „Bist du Joran, Witwer von Namach?“ Joran nickte. „Wie lautet dein Name, Novizin.“, fragte Joran zurück. „Simach, Tochter von Milach, Ehefrau von Dashan und Dashan, Ehemann von Milach.“ Joran nahm dies zur Kenntnis und fragte dann: „Warum willst du das wissen, Simach.“ „Ich möchte nur sicher sein, ob du Freund oder Feind bist.“ „Ich verstehe.“, antwortete Joran.

„Also.“, mischte sich jetzt Vorenus ein. „Wer seid ihr eigentlich alle?“ „Ich bin Maron.“, stellte sich der demetanische Agent vor. „Das sind Betsy, Jenna und Joran, den kennst du jetzt ja schon.“ Vorenus nickte.

Clelia stand vom Stuhl auf und fragte: „Versteht einer von euch was von Einhörnern?“ „Warum fragst du?“, erwiderte Jenna. „Was ist passiert?“ Ohne ein Wort winkte Clelia uns, ihr zu folgen.

Wir betraten den Stall des Bauern. Neben ein paar Milchschafen stand in einer Box der alte treue Ackergaul. Hinter dieser Box gab es ein freistehendes Strohlager, auf dem das Einhornfohlen stand. Maron zückte seinen Erfasser und scannte es. Dann ließ er das Gerät so sinken, dass Joran aus dem Augenwinkel das Display wahrnehmen konnte. Zwischen den beiden Männern gab es einen kurzen Blickwechsel. Dann sagte Joran zu Jenna: „Telshanach, du und Allrounder Betsy, ihr solltet dafür sorgen, dass die Kinder das hier nicht sehen müssen. Auch deine Hilfe, Agent Maron, werde ich brauchen. Du musst dafür sorgen, dass das Einhorn, wenn es fällt, nicht mit dem Horn zuerst aufkommt, denn sonst wäre das Brechen seines Hornes das Letzte, was es beim Sterben hört. Versuche, es auf die Seite zu ziehen, wenn ich geschossen habe. Dadurch, dass es all seine Macht verloren hat, ist es jetzt für normale Phaser verwundbar.“ „Sein telepathisches Zentrum ist stark geschädigt.“, fügte Maron hinzu. „Es hätte sich nie mehr erholt und leidet so nur noch.“

Jenna und ich begaben uns mit den Kindern in eine andere Ecke des Stalles, aber leider war das Gebäude so klein, dass trotzdem die Gefahr bestand, dass sie alles mitbekommen könnten. Maron stellte sich an den Kopf des Fohlens und strich ihm ein letztes Mal über die Stirn. „Ist ja gut, mein Kleines.“, sagte er mitleidig. „Gleich hast du es hinter dir.“ Joran stellte sich gegenüber an die Wand, weil er von hier aus das Herz des Tieres besser ins Fadenkreuz seines Phasers nehmen konnte. Dann rief er: „Hab Acht, Agent Maron! Fang auf!“ „Kinder.“, flüsterte ich ernst. „Seht auf die Schafe. Seht auf die Schafe.“ Dann hörten wir alle das typische Geräusch eines Vendar-Phasers, gefolgt von einem Rascheln, das daher kam, dass Maron das Fohlen aufgefangen und sanft ins Stroh gleiten lassen hatte. Maron scannte es erneut und sagte dann traurig: „Volltreffer. Es war aber besser so.“

Wieder im Haus zog sich Jenna mit Maron zurück. „Sir.“, begann sie. „Meinen Theorien zufolge könnte Lucilla sich die Energie dieses armen Fohlens geholt haben. Das bedeutet, sie könnte noch mehr wollen, wenn wir ihr keinen Einhalt gebieten. Zuerst sollten wir die Kinder in den Wald der Einhörner bringen. Dort sind sie am sichersten. Dann sollten wir Lucilla aufsuchen und vor die Wahl stellen, die Tolea uns genannt hat.“ „Kühne Worte, Techniker Mc’Knight.“, antwortete Agent Maron. „Aber wie kommen Sie darauf, dass sich Lucilla von ein paar Sterblichen etwas sagen lässt?“ „Ganz einfach.“, erwiderte Jenna. „Die meisten Mächtigen ihres Schlages sind sehr eitel. Wenn sie vor Augen geführt bekäme, dass sogar die Toten im Jenseits über sie lachen und sie als die ach so tolle Mächtige bezeichnen, die den Neuschöpfungsakt nicht zu Stande gekriegt hat, dann wird sie das nicht so gut finden und mit aller Macht nach einer Lösung suchen. Zum zweiten, Sir, warum denken Sie wohl, braucht sie ständig und ständig neue Energie?“ Maron überlegte eine ganze Weile – für Jenna wohl zu lang, denn sie fügte hinzu: „Na, weil sie durch die vielen Fehlversuche extrem geschwächt ist und immer wieder nachladen muss. Das stelle ich mir als kein sonderlich gutes Gefühl vor.“ Maron schaute ob ihrer Erklärung etwas skeptisch und meinte dann: „Hoffentlich haben Sie Recht, Mc’Knight.“

Lucilla saß in ihrem Palast und hatte gespürt, dass Dishan mit ihr Kontakt aufnehmen wollte. Was weißt du Neues?, fragte sie in strengem Befehlston telepathisch. „Ich habe Devan auf Spionagetour geschickt.“, antwortete der Anführer von Lucillas Vendar. „Er ist mit viel versprechenden Ergebnissen zurückgekommen.“ „Wovon redest du?“ Lucillas Stimme ließ eine ziemliche Erregung vermuten. „Lass dir gefälligst nicht alles aus der Nase ziehen!“ „Bitte wartet doch ab, Gebieterin.“, beschwichtigte Dishan sie. „Eines könntet Ihr von mir und meinem Volk lernen, wenn es Euch beliebt. Wir versuchen, alles Schöne in die Länge zu ziehen, weil wir es dann am Ende umso mehr genießen.“ „Na gut.“, erwiderte Lucilla. „Probieren wir es aus. Da du in so etwas ja Erfahrung zu haben scheinst, will ich dich nicht weiter drängen und werde dir zuhören, egal wie lang es dauert.“

Dishan visualisierte seinen Körper und lehnte sich, auch vor dem geistigen Auge seiner Herrin, langsam zurück, lächelte und begann dann leise: „Es scheint, dass die Gruppe aus Tindaria mit den Kindern in Dialog getreten ist. Der Veshan, Joran, Witwer von Namach, ist auch unter ihnen. Er hat das Einhornfohlen getötet und jetzt beratschlagen sie, ob sie in den Wald der Einhörner gehen oder nicht. Lucius wird sehr starke Bedenken haben, was die Gruppe sehr verlangsamen wird. Wir werden ihnen folgen und im richtigen Moment zuschlagen. Die Auserwählte wird den Einhörnern sicherlich Bescheid sagen und Valora wird versuchen, die Kinder unter allen Umständen zu sich zu holen. Auch Lucius, der aber mit Sicherheit nicht freiwillig gehen wird, weil er Angst hat. Dann wird sie ihn holen wollen und vereinzelt sich. Schon schnappt die Falle zu!“

Lucilla machte ein freudiges Gesicht. „Sehr gut.“, entgegnete sie. „Und wegen der anderen Sache hast du auch Recht. Die Vendar-Technik, eine Sache anzugehen, ist sehr aufregend. Ich werde in Zukunft versuchen, genau so vor zu gehen. Vorfreude ist doch immer noch die schönste Freude. Wenn ich erst mal die Macht eines erwachsenen Einhorns in mir spüre, ach, dann werde ich wirklich unbesiegbar sein und dann wird mir auch der Neuschöpfungsakt gelingen.“

Clelia schluchzte leise, als Joran, Lucius, Simach und ich gemeinsam mit ihr den Weg zu einem brachliegenden Feld einschlugen. Joran hatte das tote Einhornfohlen geschultert, was ihm aufgrund seiner großen Muskelkraft, die durchaus mit der eines Bären vergleichbar war, ohne großartige Anstrengungen möglich war. In der Mitte des Feldes legte er es vorsichtig ab und begann, unweit dieser Stelle mit seinen riesigen Händen ein Loch auszuheben. Vorenus hatte uns zwar eine Schaufel mitgegeben, aber die hatte Joran dankend abgelehnt und mir demonstriert, dass sie ihm ohnehin nur aus seinen großen Händen gleiten würde, weil der Stiel zu dünn war.

Ich drehte mich zu Clelia und strich ihr langsam über ihr mit Tränen durchnässtes Gesicht. „Na komm, Maus.“, versuchte ich, sie zu trösten. „Hör auf zu weinen. Weißt du, dein kleiner Freund hätte doch nur Schmerzen gehabt und das wäre sicher nicht gut gewesen.“ „Aber.“, entgegnete Clelia traurig. „Aber jetzt mögen uns die Einhörner sicher nicht mehr. Lucius hat Recht. Wir sind jetzt sicher nicht mehr eingeladen, bei ihnen Schutz zu finden.“ „Ist sicher richtig.“, mischte sich jetzt Lucius ein. „Jetzt, wo einer von euch ihren Sohn getötet hat, wird Valora uns bestimmt hassen.“ Clelia wurde noch trauriger.

Bei einem meiner weiteren Handstriche war mir aufgefallen, dass sie ihre Kette nicht trug. Gleichzeitig witterte ich eine Chance, sie wieder aufzuheitern, denn ich ahnte, würde Valora telepathisch mit ihrem Sohn in Kontakt gewesen sein, dann würde sie gewusst haben, wie schlecht es ihm ging und die Tötung sicher verzeihen. Deshalb sagte ich: „Clelia, wie wäre es denn, wenn du ins Haus gingst und deine Kette holst. Dann könntest du mit Valora Kontakt aufnehmen und sie fragen, wie sie zu der Sache mit ihrem Sohn steht. Dann müsstest du dir nicht länger ein schlechtes Gewissen machen und wir alle wüssten, woran wir sind. Ich könnte deine Hand nehmen und versuchen, Valora im Notfall alles zu erklären.“ Clelia wurde langsam fröhlicher und lief ins Haus. Ich bat Joran, mit dem weiteren Ausheben des Grabes zu warten, denn ich vermutete, dass es besser wäre, wenn wir eine Art kleine Beerdigungszeremonie durchführen würden, bei der sich Clelia, Lucius und Simach noch von dem Fohlen verabschieden könnten. Dies würde ihnen sicherlich helfen, das alles leichter zu verarbeiten.

Jenna und Maron waren jetzt auch hinzugekommen. In ein paar kurzen Sätzen hatte ich meinem vorgesetzten Offizier erklärt, was wir hier taten. „Ich wäre sicher ähnlich vorgegangen, Allrounder.“, meinte Maron. „Die Kinder haben Angst, Sir. Deshalb habe ich Clelia ins Haus geschickt. Sie soll versuchen, mit ihrer Freundin, Valora, Kontakt aufzunehmen. Sie und Lucius glauben, dass die Einhörner sie nicht mehr mögen, aber ich glaube, dass…“ „Nicht weiter sprechen, Allrounder, das ist ein Befehl.“, fuhr Maron mir über den Mund. Dann zog er mich mit einem strengen: „Mitkommen!“ hinter sich her.

Hinter einer Scheune kamen wir zum Stehen und ich begann förmlich: „Sir, bitte um Erlaubnis, den Grund für Ihr Verhalten erfahren zu dürfen.“ „Natürlich.“, kam es typisch demetanisch verständnisvoll zurück. „Also, hätten Sie laut ausgesprochen, dass Sie glauben, dass Lucius unter Lucillas Einfluss steht und hätte ich ihn mit dem Erfasser gescannt und es hätte sich bewahrheitet, dann hätte Lucilla ihn bestimmt auf der Stelle getötet, um die Beweise zu vernichten.“ „Ui.“, machte ich und fügte hinzu: „Außerdem hätte sie damit einen Mitwisser aus dem Weg geräumt, denn wenn Lucius bewusst gewesen wäre, dass er unter ihrem Einfluss steht, dann hätte er sich vielleicht sogar wehren können und das mag Lucilla sicher überhaupt nicht.“ „Das haben Sie richtig erkannt.“, stellte der Kriminalist fest.

Als wir zu den anderen zurückgekehrt waren, bemerkte ich, dass Jenna gerade versuchte, Lucius und Simach davon zu überzeugen, mit uns in den Wald der Einhörner zu gehen, allerdings ohne Erfolg. Simach allerdings hätte schon gewollt und sah auch ein, dass sie und Lucius, aber auch Clelia, bei den Einhörnern sicher wären. Nur Lucius wand sich wie ein Aal und wiederholte immer nur, dass kein Sterblicher den Wald betreten dürfe. Jenna war mit ihrem Latein am Ende, da machte Joran den entscheidenden Vorschlag: „Würdest du mit uns gehen, Lucius, wenn wir Erwachsenen euch bis zum Waldrand begleiten würden?“ „Also gut.“, lenkte Lucius dann doch ein. In Jorans Anwesenheit würde er sich sicher fühlen. Da war er aber nicht allein.

Clelia besorgte uns allen Pferde und dann machten wir uns auf den Weg. Als Sternenflottenoffiziere hatten Maron und ich gelernt, dass es manchmal höflicher und besser sein konnte, sich an die einheimischen Gesetze zu halten. Deshalb wollten wir auch nicht mit der Tür ins Haus fallen und uns per Transporter an unser Ziel begeben, was zwar schneller gegangen wäre, aber sicher von den Einhörnern als diplomatischer Fehler gewertet werden konnte. Auf die Hilfe von Shannon und IDUSA wollten wir nur im allergrößten Notfall zurückgreifen.

„Shannon.“, wandte sich IDUSA an die technische Assistentin. „Könnten Sie bitte einmal meine Sensoren warten? Irgendetwas stimmt nicht.“ Shannon setzte den Neurokoppler auf und meinte: „Zeig mal her.“ Das Schiff stellte ihr durch, was es sah. „Das sind Vendar-Biozeichen.“, äußerte sich Shannon. „Aber wo sind die Körper dazu?“ „Darüber habe ich keine Daten. Das ist es ja.“, antwortete IDUSA. „Jedenfalls folgen die Biozeichen unseren Leuten.“ „Na, ich schau mal eben, guck.“, flachste Shannon. „Entsichere bitte Wartungsluke J25.“

Man hörte ein kurzes „Klick-Zisch-Klack“ und dann sagte IDUSA: „Luke entsichert. Sicherheitskraftfeld intakt.“ „Schon OK.“, antwortete Shannon. „Aber wir sind hier in einer Atmosphäre und nicht im Weltraum. Du musst keine physikalischen Bedingungen draußen oder drinnen halten. Ich hätt’ nix gegen ’n bisschen frische Luft.“

Ihr müsst wissen, dass sowohl die Schiffe der Tindaraner, als auch die der Sternenflotte und der Vendar keine Kabel mehr in den Wänden haben. Die Leitungen bestehen aus leitfähigen Modulen, die wie Legosteine aussehen. Sie werden auch genau so benutzt, aber, sie werden natürlich durch kleine drehbare Würfel und eine dazugehörige Verriegelungsmechanik so gesichert, dass sie nicht bei einer Erschütterung herausfallen können. Dadurch können alle Wartungsarbeiten von innen erledigt werden. Man zieht einfach das entsprechende Teil heraus, nachdem man die Verriegelung gelöst hat. Sollten einmal Reparaturen im Weltraum notwendig sein, schützt ein Sicherheitskraftfeld die Techniker vor dessen lebensfeindlichen Bedingungen. Ausstiege in den Weltraum und Reparaturen von außen entfallen also.

Shannon zückte ihren technischen Erfasser und begab sich zu der im Schiffsheck befindlichen Luke. Dann sagte sie: „Den Schacht ausleuchten, IDUSA, ich seh’ nix.“ IDUSA folgte dem Befehl und vor Shannons Augen begannen einige kleine Lämpchen zu leuchten. Shannon scannte zuerst die Sensorenleitungen aktiv mit dem Erfasser. Dann schloss sie das Gerät direkt an und überprüfte die Sensoren mit einer dafür ausgelegten Software. „Sorry, IDUSA.“, sagte sie danach. „Du hast keinen Sehfehler. Du brauchst keine Brille.“ Den letzten Satz hatte sie natürlich, wie so vieles, was sie sagte, nicht ernst gemeint. „Das muss ja bedeuten, dass die Vendar sich unsichtbar machen können.“, schloss IDUSA. „Von dieser Fähigkeit habe ich aber noch nie gehört.“ „Ich auch nich’.“, sagte Shannon. „Ich mein’, der Grizzly hat uns schon viel vorgeführt, was die wegen ihrer Spezialphysiologie so drauf haben. Aber das gehört mit Sicherheit nich’ dazu. Darauf würde ich sogar wetten. Dann gib mir mal den Grizzly.“

IDUSA wusste natürlich, was Shannon mit dieser flapsigen Bemerkung sagen wollte und führte ihren Befehl aus. Bald erschien Jorans Gesicht auf dem virtuellen Schirm vor Shannons geistigem Auge. „Was gibt es, Shannon O’Riley?“, ließ sich die leise tiefe Stimme des Vendar aus IDUSAs Sprechgerät vernehmen. „Hey, Grizzly.“, begrüßte Shannon ihren Mitstreiter. „Sag mal, können deine Leute sich unsichtbar machen?“ „Negativ, Shannon O’Riley. Warum fragst du?“ „Weil IDUSA und ich Vendar-Biozeichen sehen, aber keine Körper dazu.“ Joran verharrte einige Minuten, ohne zu antworten. Er hatte einen Verdacht, wollte ihn aber noch nicht offen aussprechen, um die Kinder nicht zu beunruhigen. Dann sagte er: „Mein Volk verfügt nicht über diese Fähigkeit, aber unsere Gebieter machen das von Zeit zu Zeit mit uns, wenn unsere Feinde uns nicht sehen sollen.“ „Ach du Scheiße, Grizzly.“, meinte Shannon. „Na ja, IDUSA und ich werden jetzt in der oberen Atmosphäre über euch bleiben und nach euch gucken. Alles andere is’ mir zu kitzlig.“ Damit drückte sie die 88-Taste. „Shannon.“, meinte IDUSA. „Sollten Sie solche Aktionen nicht vorher mindestens mit Ihrer Vorgesetzten …“ Shannon fiel ihr ins Wort: „Meine Vorgesetzte kann mich im Moment mal am Sonntag in die Kirche begleiten.“ „Ja, ja.“, entgegnete das Schiff. „Und am Besten kreuzweise und schön langsam, damit Sie es auch richtig genießen. Vergessen Sie bitte nicht, Shannon, Sie tragen einen Neurokoppler. Ich weiß also, was Sie denken.“ Shannon machte gelangweilt: „Hm.“ Dann sagte sie: „Je weniger meine Vorgesetzte davon weiß, desto weniger anfällig is’ s’e für Telepathen wie Lucilla und jetz’ setz’ den verdammten Verfolgungskurs.“ IDUSA ließ ihren Avatar mit dem Kopf nicken und führte den Befehl aus.

Auch mir waren Dinge seltsam vorgekommen. Ich hatte das Gefühl gehabt, den Hufschlag fremder Pferde hinter uns zu hören, aber Agent Maron, der unmittelbar neben mir ritt, um ein Auge auf mich zu haben, hatte sich umgesehen und mir gesagt, dass kein Grund zur Beunruhigung bestand. Dann hatte er – ganz Gentleman – mein Pferd an den Führzügel genommen, damit ich mich sicherer fühlte. Von dem Gespräch zwischen Shannon und Joran hatte er nichts mitbekommen.

Joran war in dieser Nacht zur Wache eingeteilt. Gewissenhaft marschierte er alle zwei Stunden unseren Lagerplatz ab. Vor meinem Schlafsack blieb er plötzlich stehen. Er musste gemerkt haben, dass ich nicht schlief, denn die Geräusche vom Tag hatten mich nicht losgelassen. Ich wusste, da war etwas, aber keiner meiner sehenden Mitstreiter schien mir zu glauben.

Joran schlug vorsichtig eine Ecke meines Schlafsackes zurück. Dann setzte er sich neben mich und fragte: „Warum schläfst du nicht, Allrounder Betsy?“ „Ach nichts.“, antwortete ich. Ich wusste, er würde mir nicht glauben, denn ich hatte ja keine Ahnung von dem Gespräch.

Um ein Gespräch zu beginnen, fragte er nach einer Weile: „Als wir mit den Bauern zu Abend gegessen hatten, hast du sehr genau wissen wollen, was wir essen. Warum?“ Ich berichtete von einer Begebenheit, die in meiner Kindheit geschehen war. Damals hatten Erzieherinnen mir Suppe mit Wabbelfleisch vorgesetzt, die ich im Wortsinn bis zum Erbrechen essen musste. Wütend über das Gehörte zertrat Joran eine leere Vorratsdose. Dann fluchte er laut: „Kelbesh! Wären diese Frauen Vendar gewesen, dann hätten sie mit dieser Folter das Recht verwirkt, dich weiter zu erziehen!“ Er setzte sich wieder hin und nahm mich fest in den Arm. „Meine arme Kampfgefährtin.“, sagte er mit fast zitternder Stimme. „Was musste deine arme kleine Kinderseele schon damals erdulden?“

Durch den Krach war Jenna erwacht und zu uns gekommen. Nachdem sie sich erkundigt hatte, was geschehen war, erklärte Joran: „Stell dir vor, Telshanach, Allrounder Betsy wurde mit Nahrung gefoltert. Jetzt kann sie Essen, eines der schönsten Dinge im Leben, nicht mehr ohne Vorbehalt genießen.“ Wenn Joran sich aufregte, war sein Englisch noch schlechter, deshalb erklärte er den Rest in Vendarisch, das Jenna ja teilweise verstehen konnte. Er sprach extra langsam und deutlich, damit sie gut folgen konnte. Shannons Humor schien bereits auf mich abzufärben, denn ich fragte mich, ob Major Carter, wäre sie mit dem Außerirdischen aus ihrem Team zusammengekommen, auch dessen Muttersprache gelernt hätte. Das Letzte, was ich hörte, war irgendwas von „meeshach“, also die weibliche Form des Wortes für „schmusen“ und dann spürte ich nur noch, wie mein Kopf auf Jorans Bauch sank, wo ich dann auch – halb zog er mich, halb sank ich hin -endlich einschlief.

Am nächsten Morgen waren wir schon recht früh unterwegs. Rechts neben mir ritt Jenna und auf der anderen Seite Joran. Ich glaubte, dass die beiden das Gefühl hatten, mich nach den Erlebnissen in der letzten Nacht beschützen zu müssen. Maron war mit den Kindern ein paar Meter voraus, denn die Mädchen, Simach und Clelia, konnten es wohl kaum erwarten, endlich zu den Einhörnern zu kommen. Lucius hatte sich von den Worten seiner Freundin dann doch überreden lassen, blieb aber immer in Marons Nähe, als würde er sich ohne die Gegenwart eines Erwachsenen doch vor den Einhörnern fürchten.

„Techniker Mc’Knight.“, wendete ich mich nach einer Weile an Jenna. „Oh, sagen Sie Jenna zu mir.“, erwiderte diese. „Na gut.“, sagte ich. „Dann nennen Sie mich aber auch Betsy.“ „OK, Betsy.“, erklärte sich Jenna einverstanden. „Was gibt es denn?“ „Wie sind Sie auf die Sache mit dem gemeinsamen Fütterungsritual und der Polung der Dimensionen gekommen?“ „Ganz einfach.“, entgegnete Jenna, für die wohl alles ganz einfach war. In dieser Hinsicht hatte Shannon irgendwo Recht. Manchmal ähnelte sie wirklich Major Carter. Auch Jenna wurde als das Genie der Truppe gehandelt, was ihr von ihrer Assistentin den pseudo-französischen Spitznamen: „La Genie de Kompanie“ eingebracht hatte. „Wir sprechen über Energie, nicht wahr?“, fuhr Jenna fort. „Und Energie ist Energie ist Energie. Egal in welcher Form, ob nun geistige oder elektrische. Beide Formen wollen immer dort hin, wo keine ist. Das heißt, die ganz normale Physik kann auch auf Toleas Geist angewendet werden, wenn sie nicht in der Lage ist, das alles selbst zu steuern. Für die Dimensionen gilt ähnliches.“ Ich nickte verständig.

„Shannon.“, wendete sich IDUSA an Jennas Assistentin. „Ich muss Ihnen eine betrübliche Mitteilung machen.“ „Was is’.“, fragte Shannon zurück. „Wir hatten doch gemeinsam einen Satteliten in der interdimensionalen Schicht ausgesetzt. Dieser hat gesehen, dass die Dimension der Föderation und auch die der Beschützer soeben zusammengebrochen sind.“ „Augenblick.“, empörte sich Shannon und setzte sich kerzengrade hin. „Heißt das, ich werde die grünen Wiesen Irrlands nie wieder sehen?“ „Exakt.“, antwortete das Schiff nüchtern. „Jetzt reicht’s!“, rief Shannon. „Jetzt soll Lucilla mich und dich mal kennen lernen. Ich bin überzeugt, die verdammten Biozeichen ohne Körper haben was mit ihr zu tun. Die is’ sicher nich’ weit. Am Ende stellt sie unser’n Leuten und den armen Einhörnern noch ’ne Falle. Also, pass auf, IDUSA. Sobald die Hexe sich blicken lässt, feuerst du einen Torpedo mit Rosannium-Sprengkopf ab. Den lässt du am Besten genau über ihrem Kopf detonieren. Das macht ihr zwar nur ein bisschen Kopfweh, aber dann haben wir dieses Überraschungsding und unsere Leute können tun, was zu tun ist. Ach ja, den Ultraschall solltest du auch aktivieren. Doppelt hält besser. Das müsste ja eigentlich gehen, oder?“ „Sicher.“, antwortete IDUSA. „Zufälligerweise habe ich einen großen Außenlautsprecher, über den der Ton übertragen werden kann. Schließlich sind wir in einer Atmosphäre. „Genau.“, bestätigte Shannon. „Und mach’ ’n bisschen Krach. Ich erschreck’ so wahnsinnig gern Armeepferde. ’n paar Soldaten wird s’e ja wohl auch mitgeschickt haben. Die müssen wir ja auch noch ablenken. Also, auf mein Zeichen Sturzflug und Feuer! Verpassen wir Lucilla ’nen echt original irischen Arschtritt!“ „Wenn schon einen irisch-tindaranischen bitteschön und bitte mit Anlauf.“, korrigierte IDUSA. Schließlich wurde ich auf einer Raumwerft auf Tindara gebaut.“ „Sei nich’ so empfindlich.“, grinste Shannon.

„Wir müssen anhalten, Betsy.“, informierte mich Jenna. Ich nahm vorsichtig die Zügel auf und sagte: „Halt, Dickerchen.“ Ruhig folgte mein Pferd meinem Befehl. Dann stieg ich ab. Jenna, die das Gleiche getan hatte, nahm mich bei der Hand und wir gingen in Richtung Agent Maron, der uns schon winkte. „Die Einhörner sind am Waldrand aufgetaucht.“, informierte der Demetaner uns. „Clelia und Simach sind zu ihnen unterwegs, aber Lucius traut sich nicht.“ Jennas schweifender Blick traf auf die sich langsam entfernenden Gestalten der Mädchen. „Ich höre Schellen.“, flüsterte ich ihr zu. „Das ist typisch, wenn die Einhörner in der Nähe sind.“

Jenna drehte plötzlich den Kopf weg, denn ihr war aufgefallen, dass Simach stehen geblieben war und sich nach Lucius umgedreht hatte. Im selben Augenblick durchzuckte ein schwarzer Blitz die Luft und wir erkannten, dass wir von Vendar umstellt waren. In der Ferne sah Jenna auch Lucilla, die auf einem Pferd herangesprengt kam. „Geh weiter, Simach!“, schrie ich. „Sie hat Recht!“, mischte sich jetzt auch Clelia von fern ein. „Wer nicht will, der hat schon.“

„Shannon.“, sagte IDUSA und stellte der Angesprochenen die Bilder durch. „Alles klar.“, sagte Shannon. „Auf geht’s! Sturzflug, IDUSA, nun mach schon!“

Valora löste sich aus ihrer Herde, um Lucius, der immer noch stocksteif da stand, entgegenzugehen. „Nein!“, schrie Jenna. „Valora, nicht, das ist eine Falle!“ Den Befehl ihres Vorgesetzten vorausahnend, drehte sie sich zu Maron und erklärte: „Sir, wenn sie sich vereinzelt…“ Weiter kam sie nicht, denn im nächsten Moment hörte man IDUSAs Atmosphärentriebwerke aufheulen und einen lauten Knall, der die Detonation des Torpedos ankündigte. Dann sah man das Schiff, das wie ein Falke auf seine Beute, in Richtung Lucilla herunter stieß. Ihr Pferd, das sich vor dem Ultraschall erschreckt haben musste, scheute und Lucilla fiel herunter. Sich den Kopf haltend, wurde sie von ihren Vendar in ein Versteck gezogen. Aber auch Joran hatte geschaltet und den sich verzweifelt aber erfolglos wehrenden Lucius geschnappt und ihn mit den Worten: „Valora, fang!“ in Richtung der sich noch im Schutz ihrer Herde befindlichen Einhornstute geworfen, die ihn mit ihrem Horn aus der Luft auf ihren Kopf gabelte, um ihn dann auf ihren Rücken zu schupfen und danach mit dem sich verzweifelt jammernd in ihrer langen Mähne festkrallenden Teenager im Schutz ihrer Herde in Richtung Waldmitte zu galoppieren.

„Nein, oh, Schreck, Bericht.“, forderte der total blasse Maron. „Nicht nein, Oh, Schreck, sondern Shannon O’Riley.“, erklärte Joran, der als Erster seine Fassung wieder gefunden hatte. „Erkläre mir das gefälligst!“, forderte der Demetaner streng. Joran machte ein gelangweiltes Gesicht und sagte dann: „Das ist ganz einfach, Agent Maron. Shannon und IDUSA haben ein original irisch-tindaranisches Überraschungsei gelegt und Valora und ich haben ihnen dabei geholfen.“ Angesichts der etwas unglücklichen Ausdrucksweise Jorans musste ich grinsen. Joran hatte gesehen, dass Jenna mit sorgenvollem Gesicht da stand. Er ging mit beschwichtigend gesenktem Kopf zu ihr und sagte: „Natürlich weiß ich, Telshanach, dass Kinder keine Wurfgeschosse sind. Aber Lucius wäre nichts passiert. Der Waldboden ist weich und Valora beherrscht die Telekinese.“ Jenna atmete erleichtert auf.

„Wie war ich?“, wollte IDUSA wissen, nachdem Shannon sie wieder abgefangen hatte und die beiden auf eine akzeptable Höhe zurückgekehrt waren. „Eins mit mindestens fünf Sternchen und acht Schleifen, IDUSA.“, sagte Shannon, die angesichts der Situation ein wenig außer Atem gekommen war. „Komm, zeig’s mir noch mal in Zeitlupe.“ „Wie Sie wollen, Shannon.“, sagte IDUSA. „Jawoll!!“, freute sich Shannon. „Das kann man sich immer wieder und wieder ansehen. Ist besser als … Du weißt schon.“

 

Lucillas letzte List

von Visitor

Die Vendar waren mit der arg gebeutelten Lucilla in deren Palast zurückgekehrt. Lucilla hatte den Wachen befohlen, sie und Nedrach, ihre neue Vendar-Vertraute, allein zu lassen. Lucilla lag auf ihrem Bett und Nedrach kniete in Demutspose daneben. „Bitte vergebt meinem Mann, Gebieterin. Er konnte nicht ahnen, dass der Veshan …“, begann sie, aber Lucilla fiel ihr ins Wort: „Joran hat daran sicher keine Schuld. Das stümperhafte Verhalten deines Mannes ist nicht zu entschuldigen. Genau wie Joran eure Strategien vorausahnen kann, weil er das gleiche Wissen in seinen Genen hat, hätte das dein Mann genau so können müssen. Aber mir wurde auch zugetragen, dass diese Mc’Knight bei ihnen sein soll. Sie soll außerordentliche kognitive Fähigkeiten haben. Vielleicht kann sie mir sagen, was ich falsch mache. Bringt sie mir!“ „Aber, Gebieterin.“, widersprach Nedrach. „Ihr dürft euch nicht die Blöße geben, von einer Sterblichen …“ „Genug!“, rief Lucilla außer sich. „Bringt sie mir!“ „Soll ich den Männern sagen, sie sollen sie foltern?“, fragte Nedrach. „Nein.“, antwortete Lucilla lachend. „Einem Genie wie Mc’Knight muss man anders beikommen. Mit Psychospielchen. Sie und einer ihrer Begleiter, den sie selbst wählen darf, werden hier im Palast im wahren Luxus schwelgen, während der Rest in meinem Kerker versauert. Ich werde ihr sagen, dass ihre Leute erst dann freikommen, wenn sie mir das Geheimnis der Schöpfung verrät. Allerdings wird sie jeden Tag mit dem Leid ihrer Gefährten konfrontiert. Ich hoffe, dass der moralische Druck auf sie irgendwann groß genug ist. Erklär’ das den Männern.“ Nedrach nickte und ging.

Ich hatte Joran einen Zettel gegeben, den Clelia mir noch zugesteckt hatte. Er war in Vendar-Symbolschrift verfasst und an Joran adressiert. Deshalb gab ich ihn diesem auch, als wir eine Pause machten. „Was schreibt sie?“, wollte ich wissen, als der Vendar hörbar lächelnd den Zettel wieder zusammengefaltet hatte. „Sie schreibt, dass Valora mir den Tod ihres Sohnes verzeihen würde. Meine Entscheidung sei richtig gewesen. Valora habe dass Leid ihres Sohnes immer gespürt und es sei auch für sie eine Erlösung gewesen.“ „Da fällt dir doch sicher ein Stein vom Herzen, nicht wahr?“ „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Übrigens.“, sagte ich nach einem kurzen Augenblick. „Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich habe deinen Bauch als Kopfkissen benutzt.“ „Dann muss auch ich mich bei dir entschuldigen, Allrounder Betsy.“, antwortete Joran. „Ich habe dein Gesicht als Handschmeichler benutzt.“ „Das macht nichts.“, meinte ich. „Ich habe es sogar gemocht.“ „Mir macht es auch nichts.“, erwiderte Joran. „Ich habe es auch gemocht.“

Shannon und IDUSA hatten uns jetzt unter ständiger Beobachtung. IDUSA hatte über eine Art ständige Verbindung Shannon genau gezeigt, was wir taten und wo hin wir uns bewegten. Plötzlich sagte sie: „Shannon, was ich hier sehe, gefällt mir gar nicht.“ „Na, stell schon durch.“, sagte Shannon. „Oh Mann, was machen die denn da.“, entfuhr es Shannon angesichts der Bilder. „Gib mir sofort den Demetaner.“

Shannon hatte fast allen Mitgliedern der Besatzung der Beschützerstation Spitznahmen verpasst. Sie selbst hielt sich für die dumme Schraubenschlüsselanreicherin, aber, das sollte sich, so hofften zumindest alle anderen, spätestens nach dieser Mission ändern.

„Ihre Verbindung, Shannon.“, sagte IDUSA und stellte Marons Bild durch. „Agent.“, sprach Shannon ihren Vorgesetzten an. „Was machen Sie denn da. Wenn Sie die Richtung beibehalten, laufen Sie direkt in die Arme von Lucilla, der alten Hexe!“ „Sie dürfen sich wieder beruhigen, Technical Assistant.“, antwortete der Demetaner ruhig. „Nichts anderes habe ich vor. Genauer hat Ihre Vorgesetzte nichts anderes vor.“ „Jenn’.“, fragte Shannon mit aufgeregter Stimme. „Was hat die denn … Ich mein’, die kann doch nich’.“ Maron drückte die Breake-Taste. „Doch, sie kann.“, sagte er. Dann beendete er das Gespräch.

Shannon musste das Geschehene erst mal sacken lassen. Nach einer weiteren Weile fragte sie: „IDUSA, wie kann man nur so blauäugig sein? Ich hätt’ unsern Demetaner nie so eingeschätzt. Und unser Jenn’-nie, die erst recht nich’. Erzähl’ mir bitte nich’, das hätt’ alles ’n tieferen Sinn.“

IDUSA beobachtete Shannons Puls, wie er in die Höhe schnellte. „Ich kann nicht verantworten, dass Sie hier noch hyperventilieren.“, sagte sie. „Deshalb werde ich ab jetzt keine Verbindungen mit dem Außenteam für Sie schalten beziehungsweise entgegennehmen, bis Sie sich beruhigt haben. Ich bin ein Beschützerschiff und muss auch auf die Gesundheit meiner Crew achten und alles tun, um diese zu gewährleisten.“ Schmollend nahm Shannon den Neurokoppler ab.

Jenna hatte uns ihre genauen Pläne erläutert und wir waren alle damit einverstanden. Kurz vor den Toren des Palastes wurden wir allerdings durch eine Gruppe Vendar aufgehalten. „Welche der Frauen ist Jenna Mc’Knight.“, fragte Dishan, ihr Anführer. „Ich.“, sagte Jenna entschlossen und trat vor. „Höre mir dann genau zu, Jenna Mc’Knight. Unsere Gebieterin, Lucilla, will, dass du ihr das Geheimnis der Schöpfung verrätst.“ „Ach.“, lachte Jenna. „Wie kommt sie darauf, dass ich es kenne?“ „Du sollst außergewöhnlich klug sein, wurde uns zugetragen.“, antwortete Dishan. „Du und einer deiner Begleiter, den du selbst wählen darfst, werden uns in den Palast begleiten. Der Rest wandert in den Kerker. Solltest du dich weigern, ihr das Geheimnis zu nennen, wird Lucilla dafür sorgen, dass es den Gefangenen schlecht geht. Also, wen wählst du?“ Jenna überlegte kurz und sagte dann: „Ich wähle sie!“ Damit zog sie mich an ihre Seite. „Gut.“, lachte Dishan dreckig. „Dann soll es so sein. Das Letzte, was wir von Joran und Maron sahen, war, wie sie ins Gefängnis geführt wurden. Jenna und ich wurden in reich ausgestattete Gemächer begleitet.

Shannons Versuche, sich zu beruhigen, hatten endlich Erfolg. Sie setzte den Neurokoppler wieder auf und sagte: „Geht schon wieder, IDUSA. Sorry, dass ich mich so aufgeregt hab’. War alles ’n bisschen viel für mich.“ „Schon gut, Shannon.“, sagte IDUSA ruhig. „Dennoch muss ich anmerken, dass eine Untergebene von Major Carter dieser sicherlich mehr vertraut hätte, als Sie es gegenüber Jenna soeben gezeigt haben.“ „Witzig, witzig, witzig.“, brummelte Shannon. „Was machen unsere Leute eigentlich, IDUSA?“ IDUSA ließ ihren Avatar peinlich berührt schauen und sagte dann: „Ich glaube kaum, dass Sie das sehen wollen, Shannon.“ „Ach was, Schnickschnack.“, erwiderte Shannon trocken. „Eine Shannon O’Riley haut so schnell nichts um. Da muss Lucilla schon früher aufstehen. Also, zeig schon.“ „Na gut.“, meinte das Schiff. „Aber nicht wieder aufregen, sonst …“ „Ich weiß.“, sagte Shannon. Dann stellte IDUSA ihr abwechselnd die Bilder von Joran und Maron sowie von Jenna und mir durch. „Wie jetz’.“, fragte Shannon. „Der Grizzly und der Demetaner sitzen und Jenn’ und Betsy haben Spaß? Wie soll ich denn das verstehen und was soll das fürn bescheuerter Plan sein. Ne, echt, IDUSA, so was Fieses hätte ich von Jenn’ nich’ gedacht. Ich mein’, der arme Grizzly. Die liebt den doch. Wie kann s’e nur.“ IDUSA ging sich räuspernd dazwischen: „Schauen Sie doch mal weiter, Shannon.“ IDUSA schaltete ihr ein Bild auf den Neurokoppler, auf dem ich gerade den Mundschenk wegen einer Rosine im Müsli ziemlich zur Schnecke machte. „Jetzt raff’ ich das.“, rief Shannon begeistert aus. „Die zwei empfinden den Luxus nich’ als Luxus und versuchen, Lucilla dadurch zu verwirren. Die hatte wahrscheinlich geplant, sie im Luxus schwelgen zu lassen und ihnen das Leid von Joran und Maron vor Augen zu führen, aber das klappt nich’. Zumindest nich’ von Betsys und Jennas Seite. Fehlt nur noch, dass Joran und Maron ihr Leid nich’ als Leid sehen. Dann schnallt Lucilla völlig ab. Komm, fliegen wir über dem Palast ein paar Runden. Du brauchst Bewegung und ich mal was anderes vor den Augen. Außerdem können wir Lucilla somit auch einschüchtern, wenn wir ihr zeigen, dass wir auch noch da sind. Schmeißfliegen können ganz schön nerven, weißt du das? Nimm das aber bitte nicht persönlich.“ „Summ, summ.“, antwortete IDUSA. „OK, kleben wir also am Palast wie die Schmeißfliege am Kuhmist.“

„Genau so habe ich mir das vorgestellt.“, lobte Jenna mich, als wir wieder allein in unseren Gemächern waren. „Habe ich mir gedacht, Jenna.“, antwortete ich. „Ich hoffe nur, dass die Männer Ihren Plan genau so gut verstanden haben.“ „Das denke ich schon, meine Prinzessin auf der Rosine.“, entgegnete sie. „Wer hätte gedacht, dass Ihnen Ihr Lebensmittel-Trauma mal zum Vorteil gereichen würde?“ „Ich sicher nicht.“, lautete meine Antwort.

Maron und Joran hingen unter der Decke des Palastkerkers in einer Art Netz, das aus Pflanzenphasern bestand. Die dazugehörige Pflanze war ein Geschöpf Lucillas. Joran beobachtete, dass Maron seine Augen geschlossen hatte und offensichtlich irgendeiner Tätigkeit nachging. Allerdings dachte er sich schon, dass, was immer Maron versuchte, sicher gegen Jennas Plan sein würde. Der Vendar hatte den Plan durchaus verstanden. Er ahnte, dass sie auf keinen Fall versuchen dürften, sich zu befreien, denn sie mussten Lucilla verdeutlichen, dass sie ihr Leid keinesfalls als solches empfanden. Jeder Befreiungsversuch würde also Jennas Plan sabotieren. Joran verstand außerdem genau, worüber sich die Vendar-Wachen unterhielten, wenn sie vorbei gingen. Da war von zwei Tarianach, also, Terranerinnen, die Rede, die ihrer armen Gebieterin ja so gar nicht nach der Nase tanzen wollten. Dieser Umstand erfüllte Joran mit Stolz. Er durfte die, die sich diesen Plan ausgedacht hatte, seine Gefährtin nennen. Sie, die eine schier unverwundbare Mächtige an deren einzigem verwundbaren Punkt zu fassen hatte und sie sicherlich nie wieder loslassen würde. „Sei standhaft, Telshanach.“, hatte er ihr zugeflüstert, wenn immer die Wachen Jenna und mich zu den beiden Gefangenen geführt hatten. „Hab keine Angst, Telshan.“, hatte Jenna jedes Mal erwidert. „Die Wahrheit ist auf unserer Seite.“ Dieses Ritual hatte sich immer und immer wieder wiederholt.

Joran hatte solche Bilder von Maron schon des Öfteren dann gesehen, wenn dieser sich auf eine Discrapula vorbereitete. In ihm stieg die Wut auf, denn er wusste, das durfte nicht passieren. Er konnte sich denken, dass Maron seine Biochemie auf die der Pflanze abstimmen wollte und sie dann dazu bringen würde, sie los zu lassen, aber das durfte ja aus bekannten Gründen nicht passieren. Deshalb tat er alles, um Marons Vorbereitungen zu stören. Er rezitierte laut Vendar-Gebete, sang vor sich hin – manchmal ziemlich falsch und das mit voller Absicht – und lachte sich laut über die Kommentare seiner ehemaligen Kampfgefährten schlapp.

„Wenn du nicht auf der Stelle damit aufhörst, meine Versuche, uns zu befreien, zu stören.“, begann Maron. „Dann bringe ich dich bei nächster Gelegenheit um!“ Joran, der gerade wieder einen Lachkrampf hinter sich hatte, sagte ernst: „Dann gehe ich mit Freuden in den Tod, Vertreter meiner Anführerin.“ Maron stutzte. So hatte er das doch nicht gemeint. „Na.“, sagte Joran zufrieden mit sich und der Reaktion seines Gegenübers. „Jetzt hörst du mir wenigstens zu. Also, wir dürfen auf keinen Fall zeigen, dass wir befreit werden wollen. Meine Telshanach hat ihre Begleitung nicht ohne Grund gewählt. Allrounder Betsy findet aufgrund ihres Traumas sicher jedes Haar in der Suppe. Also tun sie nicht das, was Lucilla will, verstehst du. Sie empfinden den Luxus nicht als Luxus. Wir dürfen unser Leid auch nicht als Leid empfinden und ich werde alles dafür tun. Wenn du nicht mitmachst, werde ich alle deine Befreiungsversuche sabotieren.“ „Das klingt ja wie eine Kampfansage.“, sagte Maron. Joran machte das entschlossenste Gesicht, das er je gemacht hatte und schmetterte heraus: „In der Tat.“

Lucilla hatte zu unseren Ehren ein Fest gegeben. Auch auf diesem hatten wir uns über diverse Dinge, waren sie nun wirklich schlimm oder hatten wir maßlos übertrieben, beschwert. Der Met war Schal, die Lammkeule zäh genug, dass man damit jemanden hätte verprügeln können usw.

„Gebieterin.“, hatte sich Dishan verzweifelt an Lucilla gewandt. „Ich fürchte, unser Plan funktioniert nicht. Die Frauen empfinden ihr Leben nicht als Luxus. Sie beschweren sich dauernd. Die Moral des Mundschenks und auch die aller anderen ist am Ende. Nichts kann man denen recht machen. Sogar das Turnier feinster Kampfkunst, das Ihr veranstaltet habt, finden sie langweilig. Jenna Mc’Knight bezeichnete es sogar als einschläfernd und die Ritter als lahm. „Hör auf zu winseln!“, empörte sich Lucilla, die ob der Situation mittlerweile sehr angespannt war. Sie spürte nämlich auch langsam, dass ihr Plan ihr langsam aber sicher von uns aus der Hand genommen würde.

Im nächsten Augenblick hörte man Jenna und mich laut auflachen. Einer der Ritter hatte seine Rüstung sozusagen verloren, allerdings war ich daran nicht unschuldig gewesen. Unter einem Vorwand hatte ich mich genähert und einige Bolzen, die die einzelnen Teile zusammenhielten, gelöst. Das hatte dazu geführt, dass die Rüstung auseinander gefallen war und er jetzt splitterfasernackt da stand. „Oh, Sie gemeines kleines Ding.“, flüsterte Jenna. „Super aufgepasst, wenn Ihnen Ihr Großvater etwas über Technik beigebracht hat, wirklich.“ Dann schrie sie: „Ach wie süß, guckt mal, man kann den kleinen Ritter sehen. Jetzt klärt sich zumindest die Frage, was der Ritter unter der Rüstung trägt. Gar nichts!“ Natürlich wussten wir, dass dies einer der höchsten Lords in Lucillas Reich gewesen war, aber das machte es nur noch lustiger. Wir ahnten, dass Lucilla nie ihre Macht gebrauchen würde, um uns zu gefährden, denn sie wollte ja noch was von Jenna und das würde die ihr dann bestimmt nicht geben.

„Na schön.“, sagte Maron nach einer Weile resignierend. „Hilf mir!“ „Was war das.“, grinste Joran ob seines moralischen Sieges zurück. „Ich gebe auf, ich streiche die Segel. Ich hau’ in den Sack.“, verdeutlichte Maron seine Absichten. „Endlich.“, antwortete Joran. „Aber wobei soll ich dir helfen?“ „Das weißt du ganz genau.“, erwiderte Maron genervt. „Du scheinst unsere Gefangenschaft als Wahnsinn in Tüten zu empfinden. Jetzt sag mir doch bitte, was deine Landsmänner und du so lustig finden. Ich glaube nämlich, mein Vendarisch ist etwas eingerostet.“ „Du hast meine Muttersprache nie gesprochen, Agent Maron.“, entgegnete Joran. „Aber ich will dir gern alles übersetzen. Dann verstehst du sicher auch Jenna Mc’Knights Plan besser. Die beiden haben es fast …“ „Halt, halt, halt, nicht alles auf einmal.“, bremste Maron ihn. „Wenn ich eins von euch Vendar gelernt habe, dann ist das, alles Schöne zu genießen und in die Länge zu ziehen. Du willst doch jetzt nicht etwa von einer eurer größten Tugenden abweichen, oder?“ „In der Tat nicht.“, grinste Joran. „Aber jetzt rede endlich, damit ich mich auch so herrlich wegschmeißen kann.“, forderte Maron. „Für das Wegschmeißen von Leuten bin eigentlich ich zuständig.“, entgegnete Joran.

In dieser Nacht wurden Jenna und ich zu Lucilla bestellt. „Sie sieht nicht gut aus.“, beschrieb mir Jenna die Szenerie. „Jetzt gebe ich ihr gleich den Rest. Halten Sie sich fest.“

„Bist du nun endlich bereit, mir das Geheimnis der Schöpfung zu nennen, Jenna Mc’Knight?“, fragte Lucilla, die aufgrund ihrer Schwäche bereits von zwei Vendar gestützt werden musste. „Ich werde Euch nichts anderes sagen, als ich Euch gestern schon gesagt habe und davor auch. Es hat sich nichts an den Tatsachen geändert. Aber, wenn Ihr mir nicht glaubt, dann macht nur weitere Fehlversuche, die Euch auspowern werden. Es ist immer noch das Gleiche. Entweder, Ihr schafft Euch einen Gegenpol, oder ihr löscht Eure Existenz aus, und zwar so, dass Ihr nie geboren wurdet oder noch besser, dass Sytania nie getötet wurde. Dann könnt ihr …“ Lucilla erwiderte wütend: „Einen Gegenpol werde ich nie akzeptieren. Eher lösche ich mich …“

Alles schien stark zu schwanken. Dann spürte ich etwas wie eine Art Wirbel, in den wir gezogen wurden. „Jenna!“, rief ich panisch. „Was ist los?“ „Vertrauen Sie dem Wirbel, Betsy.“, kam es zurück. „Wehren Sie sich nicht. Lucilla muss das mit dem Auslöschen so intensiv gedacht haben, dass es passiert ist. Ihre Kräfte sind ihr außer Kontrolle geraten. Nichts anderes wollten wir erreichen!“ „Soll das bedeuten, sie hat sich gerade selbst besiegt?“, fragte ich zurück. „Richtig! Man muss eben aufpassen, was man sich wünscht!“, antwortete Jenna, bevor der Wirbel uns völlig verschlang.

Ich fand mich auf Datas Terrasse in Little Föderation wieder. Die heiße Schokolade, die ich bei unserem ersten Gespräch getrunken hatte, stand vor mir. Es war nie passiert! Alles war nie passiert! Sytania musste noch leben. Data würde mich auch nicht nach der politischen Situation, sondern nach irgendetwas anderem fragen, wenn überhaupt. Er würde sich an nichts erinnern, aber ich, als unmittelbare Beteiligte schon.

Data kam aus dem Haus und setzte sich mir gegenüber hin. Dann fragte er: „Stehen Sie noch in SITCH-Mail-Kontakt mit Zora?“ Ich atmete erleichtert auf. Die Geschichte war tatsächlich verändert. Ob meiner Reaktion schien Data etwas verwirrt. Ich wusste, ich musste dringend ein paar Gespräche führen. „Oh, Data.“, sagte ich. „Dürfte ich mal Ihr Sprechgerät benutzen?“ Der Android nahm meine Hand und führte mich ins Haus. Hier gab ich das Rufzeichen des interdimensionären SITCH-Relais über Platonien ein und beorderte dieses, mich der Reihe nach mit Zora und mit der Beschützerbasis zu verbinden. Zora hatte wenig Zeit und sagte mir nur kurz, dass es ihr und ihren Kindern gut ging. Auch Zirell reagierte auf mein: „Gott sei Dank lebt ihr alle noch.“ Sehr seltsam. Dann aber sagte sie: „Joran hat mir alles erzählt. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Shannon hat darüber sogar ein irisches Volkslied gedichtet. Es handelt von einem König, der wahnsinnig geworden ist, von den daraus resultierenden Konsequenzen und vier glorreichen Helden, die sich ihm gemeinsam mit ihrem tapferen Raumschiff namens IDUSA entgegengestellt haben. Sie wird es Ihnen sicherlich gern schicken.“ „Raumschiff.“, echote ich lächelnd. „Eigentlich nicht der Stoff, aus dem irische Volkslieder sind.“ Zirell erwiderte: „Na, ja, es ist eben eine Shannon-Komposition. Da ist alles möglich. Joran liebt dieses Stück. Er findet es extrem tanzbar. Er sagt, neulich hätten Jenna und er so wild dazu getanzt, dass das Fußbad, in das sie wegen ihrer qualmenden Socken gestiegen wären, so laut gezischt hätte, dass sie ihr eigenes Wort nicht mehr verstanden hätten.“ Dann drückte sie lächelnd die 88-Taste.

Auch Time bestätigte mir gegenüber, dass Sytania noch lebte, denn Agent Yetron hatte geheimdienstliche Kontakte zur Leiterin eines demetanischen Spionageprojektes, dass das Dunkle Imperium beobachtete. Als Letztes sprach ich mit Nugura und sandte ihr meinen Missionsbericht zu. Sie aber empörte sich: „Allrounder! So etwas von Logar zu behaupten, nein wirklich. Das ist unvorstellbar. So etwas würde er nie tun.“ Schweigend drückte ich die 88-Taste. Die Klügere gab eben nach. Aber was sollte ich denn auch erwarten, sie war Politikerin und die tun sich manchmal sehr schwer damit, Dinge dazuzulernen.

ENDE

 

Vokabular - Vendarisch - Deutsch

von Visitor

 

Vendarisch

Deutsch

Veshell

Raumschiff (Shuttle)

Sifa

Gefäß (Organ zum Aufbewahren telepathischer Energie)

Nashach

Verteidigerin (biologisches Rosannium produzierendes Organ)

Sifa-Zyklus

Dauer der Tragzeit für ein Energiefeld

Tenjaâl

interdimensionale Schicht

tshê

Hör zu, Achtung, konzentriere dich (löst temporären unbedingten Gehorsam aus)

menal

heute

shem

(Zeit anzeigende Vorsilbe – zweite Vergangenheit )

Madan

habe ich getötet. (männliche Form – Lucius spricht über sich)

Tumaishan

Sorge dich nicht (ebenfalls männliche Form – Simach wendet sich an Lucius.)

Saâdenach

ich vergebe dir (weibliche Form – Simach spricht in erster Linie über ihre eigenen Empfindungen.)

Mishar

Maschine (umgangssprachlich auch Computer)

Mekash

ritueller Teppich oft mit vielen Verzierungen.

Telshanach

Liebling (weibliche Form)

Telshan

Liebling (männliche Form)

Veshan

Verräter

Veshanach

Verräterin

Tchalback

Getreidebrei (Nationalgericht der Vendar)

ed

gehört zu

Meesh

Sanfte Berührung (umgangssprachlich auch schmusen oder weich)

Meeshach

schmusen (weibliche form also: mit ihr schmusen)

Meeshan

schmusen (männliche Form also: mit ihm schmusen)

Kelbesh

Scheiße

Tindaria

Name der Vendar für Tindara, die Heimatwelt der Beschützer nebst zugehöriger Dimension.

Tarianach

Terranerin

Tarian

Terraner

Taria

Erde (aber auch langweilig, uninteressant, weil keine Telepathen beheimatet)

 

 

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