Teuflische Romanzen - Oder wie ich beinahe einen Krieg vom Zaun brach und Scotty aus Versehen betrog

von Visitor
Zusammenfassung:

Allrounder Betsy will ihre Angst vor Telepathen bekämpfen. Doch das bleibt nicht ohne Folgen.....


Kategorien: Fanfiction Charaktere: Keine
Genres: Science Fiction
Herausforderung: Keine
Serie: Star Trek 3000
Kapitel: 12 Fertiggestellt: Ja Wörter: 70800 Aufgerufen: 59019 Veröffentlicht: 01.07.10 Aktualisiert: 01.07.10

1. Angst von Visitor

2. Sytanias Schmach von Visitor

3. Der Phobie Kern von Visitor

4. Rettung in letzter Sekunde von Visitor

5. Überraschungen von Visitor

6. Traumhochzeiten und Albtraumerkenntnisse von Visitor

7. Rache von Visitor

8. Schadensbegrenzung von Visitor

9. Hoffnungsschimmer von Visitor

10. Sytanias List von Visitor

11. Prüfungen von Visitor

12. Die letzte Schlacht von Visitor

Angst

von Visitor

Es war früh am Morgen, als ich durch die verschlafenen Sträßchen Little Federations schritt. An sich war ich, wenn ich Heimaturlaub hatte, nie so früh unterwegs, aber heute war es etwas anderes.

Eigentlich hätte ich nur einige Straßen weiter gehen müssen, denn das Haus, welches mein Ziel war und das meinige waren quasi in direkter Nachbarschaft zueinander gelegen. Etwas ließ mich jedoch einen langen Umweg quer durch die ganze Stadt machen. Zwar hatte ich beschlossen, meiner Angst vor Telepathie endlich den Kampf anzusagen, aber Andererseits schämte ich mich auch. Eine ausgebildete Sternenflottenoffizierin sollte, so war in jedem Fall meine Meinung, eigentlich dieses Problem nicht haben. Meine Vorgesetzte, Commander Kissara, hatte mich, wenn immer wir telepathischen Wesen begegnet waren, niemals mit zum Außenteam gehören lassen. Sie hatte dann immer gesagt, dass ich doch besser das Schiff weiter fliegen sollte, denn ich könnte prima dafür sorgen, dass die Granger bei der Rückkehr der anderen Offiziere noch in einem Stück sei. Ich aber wusste, dass dies der Autopilot genau so gut hätte erledigen können. Sie wollte wohl nur vor den anderen Besatzungsmitgliedern meine Angst kaschieren. So war es also eines Tages zu jener Situation gekommen, der ich meinen jetzigen verlängerten Urlaub zu verdanken hatte.

Auf der Basis 817 hatte die Nachtphase längst begonnen. Sie würde noch auf sein, das wusste ich. Kissara würde noch auf sein. Als Thundarianerin war sie, wie es terranische Katzen auch sind, dämmerungsaktiv. Das sie viel mit Katzen gemeinsam hatte und ihre Spezies von Laien daher auch als Katzenmenschen bezeichnet wurde, war mehr als offensichtlich, wenn man ihren Kopf betrachtete. Dieser hatte die Größe eines normalen menschlichen Kopfes, sah aber aus wie der einer Katze. Zwischen den spitzen und weichen haarigen Ohren zierte ihn ein tiefschwarz glänzender seidiger Fellbusch. Unterhalb dieses Kopfes sah Kissara aus wie eine durchschnittliche Humanoide von 170 cm Körpergröße und einer schlanken Statur. Eine weitere Besonderheit an ihr war ihre flexible Wirbelsäule.

Diese mir nur aus Beschreibungen anderer bekannten Äußerlichkeiten waren für mich aber nicht das Wichtigste. Viel wichtiger waren mir bei dem, was ich ihr sagen musste, ihre inneren Werte. Kissara war immer sehr verständnisvoll entgegen ihren Untergebenen gewesen und würde mich sicher auch verstehen. Sie war nicht wie einige andere Sternenflottencaptains vor ihr, die mir eine lange Predigt gehalten hätten und mich mit leeren Phrasen fortgeschickt hätten. Mehr noch, die vielleicht sogar Scham geäußert hätten, da ich mit meinem kleinen Problem nun so gar nicht in das Bild eines Sternenflottenoffiziers passen wollte.

Ich schlich also aus meinem Quartier und benutzte ein Computermikrofon auf dem Flur. „Computer, wo ist Commander Kissara?“, fragte ich hinein. „Commander Kissara ist in ihrem Quartier.“, kam es nüchtern zurück. Ich lächelte: „Danke dir.“ Dann schritt ich mit der neuen Information im Gepäck in Richtung der mir soeben genannten Adresse.

Den Computer immer persönlich anzusprechen und mich bei ihm zu bedanken, war zu einer Marotte geworden. Allerdings nicht erst nach meinem Aufenthalt in der Dimension der Tindaraner. Dort stand Technologie rein juristisch auf der gleichen Stufe wie Lebewesen und daher war es unhöflich, sich nicht bei einer IDUSA-Einheit für deren Dienstleistung zu bedanken. Ich fand, die Föderation war auf einem ähnlichen Weg. Androiden hatten bereits die gleichen Rechte wie wir und es war meinem Empfinden nach nur noch eine Frage der Zeit, wann wir dies einem Schiffscomputer auch zugestehen würden. Wegen dieser Marotte und anderer spezieller Dinge war mein Spitzname unter meinen Kameraden bereits „Allrounder Spetsy“.

Jetzt stand ich also vor Kissaras Tür und suchte nach dem Sprechanlagenknopf. Um so überraschter war ich, als sich die Tür öffnete und Kissara mich mit ihrer weichen schmeichelnden Stimme herein bat. „Na, kommen Sie, Allrounder.“, versuchte sie, mir Mut zu machen. Mir fiel die Kinnlade herunter. Woher wusste sie, wer draußen stand? Die Türen waren doch eigentlich schalldicht. Ich hatte das alles ganz anders geplant. Ursprünglich wollte ich wie immer die Sprechanlage benutzen und ganz förmlich gefragt haben: „Ma’am, Allrounder Betsy bittet um Erlaubnis, zwecks Aussprache Ihr Quartier betreten zu dürfen!“ Dies hatte sie mir jetzt vorweggenommen.

Sie hielt eine Hand in die Lichtschranke, da der Sensor die Tür sonst wieder geschlossen hätte. Ich stand nämlich da wie eine Salzsäule und bewegte mich keinen Millimeter. Nach einer Weile wurde ihr aber auch dies zu viel und so drehte sie sich nach innen und befahl in Richtung des Mikrofons auf ihrer Nachtkonsole: „Computer, Tür blockieren!“ Dann flüsterte sie: „Von der Haltung kriegt man ja ’ne Sehnenscheidenentzündung.“

Sie kam in den Türrahmen zurück und zog mich mit einer ihrer weichen pelzigen Hände in den Innenraum. Dann befahl sie dem Computer die Aufhebung der Türblockade, worauf die Tür leise ins Schloss schnappte.

Im Inneren ihres Quartiers sah es nicht anders aus, als in den anderen Quartieren auch. Zumindest der architektonische Grundriss war überall gleich. Rechts vom Eingang ging es ins Bad und links zweigte ein kurzer Gang ab, in dem sich auf der rechten Seite das Wohn- und auf der linken das Schlafzimmer befand. Geradeaus wäre man in ein Gäste- bzw. Kinderzimmer gekommen.

Kissara hatte sich ihre kleine „Hütte“ - wie wir Anderen auch - nach ihrem Geschmack eingerichtet. Auf dem blauen weichen Teppich hörte man unsere Schritte nicht. Meine freie Hand streifte an einigen ebenfalls weichen und bunten Wandbehängen vorbei. Die Luft im Wohnzimmer, welches wir jetzt betraten, hatte eine leicht minzige Note, was von einer großen Pflanze Katzenminze kam, die - wie bei Anderen vielleicht der Gummibaum - in der rechten Ecke des Zimmers gegenüber dem Replikator stand.

Mit den Worten: „Setzen Sie sich, Betsy.“, zog sie mich auf ein großes geräumiges Sofa, das mit Blumenmustern verziert war und einen weichen aber unempfindlichen gelben Stoffbezug hatte. Es stand vor einem runden Tischchen, dessen Fuß an einen Baumstamm erinnerte. Das Tischchen hatte eine holzbraune Oberfläche, die wie eine Baumscheibe gemasert war.

Kissara drehte sich zum Replikator und machte einige Eingaben. Dann kam sie mit einem Tablett zurück. Sie stellte das ovale silberne Tablett ab und begann, die darauf befindlichen weißen Teller und Tassen zwischen uns aufzuteilen. Dann goss sie aus einer großen Kanne demetanischen Sommerfruchttee in unsere Tassen und schnitt einen großen lecker nach Käse, Zwiebeln, Tomaten und Gewürzen duftenden celsianischen Sattmacher, ja, so hieß dieses Gebäck wirklich, an. Dabei handelte es sich um eine große köstliche goldgelbe Teigkugel, die mit den eben erwähnten Zutaten gefüllt war. Aufgrund seiner Gestalt hatte das Ding sich im Volksmund aber auch den Spitznamen „Fußball mit Schwesternhäubchen“ eingehandelt, denn obendrauf war eine knusprige Käseschicht.

„Ritz-Ratz, Knitz-knatz!“, fraß sich Kissaras Messer genüsslich durch die Teighülle. Als sie mir mein Riesenstück auf den Teller türmte, ging ihr ein bisschen Füllung daneben. „Oh.“, scherzte sie. „Ein Hüllenbruch. Im Normalfall würde ich jetzt das Aufsuchen der Rettungskapsel befehlen.“ Ich schmunzelte. Dann überlegte ich kurz und konterte: „Keine Sorge, Ma’am, bis Magen-Prime ist es ja nicht weit und das schafft das gute Stück wohl noch. Es muss nur heil durch das Mundwurmloch und die Speiseröhrenausdehnung kommen, bevor die kriegerischen Verdauungsklingonen den Rest erledigen.“ Mit einem lauten Seufzer ließ die bis dahin extrem angespannte Thundarianerin die Luft aus ihren Lungen entweichen. „Ich dachte schon, Sie würden niemals auftauen.“ Mit diesen Worten ließ sie sich erleichtert neben mich auf das Sofa sinken.

Immer noch war mir nicht klar, warum sie wusste, dass ich draußen gestanden hatte. Die Thundarianer waren keine Telepathen. Sie hatte mich also nicht spüren können. Aber dann fiel mir ein, dass ja auch Katzen ein extrem gutes Gehör haben. Deshalb fragte ich: „Sagen Sie bitte, Commander, woher wussten Sie, dass ich draußen war?“ Sie tippte meine Hand an, in der ich die Gabel hatte, was zur Folge hatte, dass ich diese ordnungsgemäß auf dem Tellerrand platzierte. Dann führte sie meine Hand an eines ihrer Pinselohren, die mich an einen Luchs erinnerten. „Verstehe.“, sagte ich. „Aber ich dachte, die Türen wären schalldicht.“ „Oh.“, lächelte sie zurück. „Für menschliche Ohren mag das hinkommen, aber nicht für die einer Thundarianerin.“ „Ach so.“, lautete meine Antwort. „Dann sollte Jannings aber dringend was wegen noch größerer Schalldichte unternehmen. Finden Sie nicht?“ Sie nickte.

Techniker George Jannings war unser oberster technischer Offizier. Ihm hatte ich ebenfalls von meiner Telepathenphobie erzählt, denn mit ihm verstand ich mich ebenfalls gut. Zwar war ich Brückenoffizierin und er arbeitete im Maschinenraum, das kratzte unsere Freundschaft aber kein bisschen. In früheren Zeiten wäre es zwar unmöglich gewesen, dass eine Brückenoffizierin und ein Maschinist mal in Ruhe ein „Kühles Blondes“ zusammen zischten und eine Partie Skat spielten, zu der allerdings Jannings seine androide Assistentin, Technical Assistant Elektra, regelmäßig mitbrachte, aber das hatte sich ja Gott sei Dank geändert. Jannings ärgerte sich nur jedes Mal, dass er gegen Elektras und meine geballte Frauenpower kaum eine Chance hatte. Wir lenkten das Spiel durch geschicktes Reizen nämlich immer so, dass er allein gegen uns spielen musste, auch, oder gerade dann, wenn Elektra sich ausrechnen konnte, dass wir die besseren Karten hatten. Viel Simulationskammerzeit hatte er schon verloren. Oh ja, sehr viel.

Kissaras grünäugiger Katzenblick ging ständig zum Display des sich auf dem Tisch befindenden Sprechgerätes. Hier konnte sie die sogenannte Zentrale Allzeit, einen Richtwert für Urzeit und Datum ähnlich der früher verwendeten Sternzeit, ablesen. Daher machte sie mich einige Augenblicke später darauf aufmerksam. „Es ist schon spät, Allrounder.“, stellte sie fest. „Ich weiß genau, dass Sie nicht nur hier sind, um mit mir zu essen. Also, was bedrückt Sie?“ Ich nahm einen großen Schluck aus meiner Tasse, als wollte ich mir Mut antrinken und sagte dann: „Ma’am, ich möchte nicht mehr, dass Sie mich ständig beschützen müssen.“ Ich sprach nicht weiter, sondern wartete zunächst ihre Reaktion ab. „Was meinen Sie damit, Betsy?“, fragte sie zurück. „Nun.“, setzte ich erneut an. „Vor den Anderen kaschieren Sie meine Angst vor Telepathie und allem, was damit zusammenhängt. Dabei wissen es eigentlich schon längst alle. Trotzdem möchte ich diesen Zustand ändern. Nach Möglichkeit sollte das aber nicht in meiner Dienstakte auftauchen, weshalb ich Sie hiermit um so genannten Genesungsurlaub bitte, um mir privat ein Therapiezentrum suchen zu können.“ Kissara legte mir ihre Hand auf die linke Schulter. Dabei berührten ihre Schnurrhaare mich, denn sie saß ja direkt neben mir und war mir auch mit dem Gesicht näher gekommen. „Erst mal.“, begann sie. „Sind wir nicht auf einem Klingonenschiff, Allrounder, wo Sie beim ersten Äußern von Angst gleich umgebracht würden. Zum zweiten haben schon Offiziere mit weit aus stärkeren Ängsten große Heldentaten vollbracht. Denken Sie doch nur mal an Barclay, der mithalf, die Voyager heimzubringen. Der hatte doch quasi vor allem und jedem Angst und das stand sogar in seiner Dienstakte. Sie sehen also, Betsy, Sie wären in guter Gesellschaft.“ Ich wich ihrer zweiten sich nähernden Hand aus. „Nein, Ma’am, bitte nicht. Ich möchte das privat für mich regeln. Kennen Sie Scientist Cupernica? Mit ihr habe ich bereits gesprochen und sie will mir einen Platz in einem zivilen Zentrum besorgen.“ Kissara stand auf und sagte: „Nun gut, wenn das so ist. Trotzdem muss unsere Ärztin Ihren Antrag auf Genesungsurlaub unterschreiben. Aber, wie ich Loridana einschätze, haben wir die Unterschrift eher, als Sie Unterschrift sagen können. Also, Sie essen jetzt auf und gehen dann ins Bett. Das ist ein Befehl. Schließlich sollen Sie ja ausgeschlafen sein, wenn die Flugbereitschaft Sie morgen nach Terra bringt.“ „Vielen Dank, Commander.“, lächelte ich. „Offen gesagt, mit so viel Verständnis hätte ich nicht gerechnet.“ Sie lächelte mir schweigend zu.

So war es also dazu gekommen, dass ich jetzt eine Allee in der Nähe des sogenannten Captainsviertels entlang ging und nicht darauf achtete, dass ich bei meinem Spatziergang die gesamte Stadt einmal von Norden nach Süden durchquert hatte. Längst hätte ich bei meinem Arzttermin sein müssen, damit Cupernica alles mit mir besprechen und die Überweisung ausstellen konnte. Aber irgendwie schämte ich mich schon wieder.

Ich kam an einem Kinderspielplatz vorbei, der zum Stadtpark von Little Federation gehörte. Hier setzte ich mich zwischen die wartenden und Aufsicht führenden Elternteile und Großeltern und beobachtete mit ihnen die Kinder beim Spielen. Mir war jedes Mittel recht, um den Moment der Wahrheit so lange wie möglich herauszuzögern.

Wie ein schwarzer Spiegel schien der Weltraum für Serdan, einen Vendar-Novizen, der neben Telzan, seinem Lehrer und Anführer, in dessen Shuttle saß. Gemeinsam mit allen anderen Vendar, die Sytania dienten, warteten sie in der Deckung eines Planetenpols auf ihre Beute. Ihre Shuttles, die übrigens im Vendarischen Veshels heißen und jedes die Form eines Speeres haben, bildeten gemeinsam die Form eines Zuckerhutes.

Diese Formation fliegen Vendar meistens, wenn sie ein Schiff zur Strecke bringen sollen. Sie hat sich als die effizienteste herausgestellt. Wo sein oder ihr Platz ist, weiß jeder Pilot und jede Pilotin genau, denn das legt sich durch die Rangfolge fest, die wiederum vom Alter und somit vom Ausbildungsstand eines jeden Vendar abhängig ist. Mann und Frau haben bei den Vendar gleichberechtigte Positionen. Den Boden des Zuckerhutes bilden die jüngsten Novizen. Im Kreis darüber fliegen die älteren und darüber die bereits ausgebildeten. Die Kreise werden naturgemäß immer kleiner bis nach oben zum Anführer, der allein die Spitze bildet.

Telzan hatte seinen Schüler das Shuttle allein ins Versteck fliegen lassen. Dass Serdan mit im Veshel seines Anführers sitzen durfte, hatte Sytania Telzan nur erlaubt, weil dieser seiner Gebieterin von den herausragenden Leistungen seines Schützlings beim Kampftraining und auch sonst vorgeschwärmt hatte. Genervt hatte die Prinzessin Telzans Antrag schließlich stattgegeben.

„Du hast mich nicht korrigiert, Anführer.“, stellte Serdan fest. Telzan, ein Vendar mittleren Alters von einer selbst unter seiner Spezies ungewöhnlichen Körpergröße von 2,40 m, muskulöser Statur und einem antrazithfarbenen Fell, grinste süffisant aus seinem großen Mund und entgegnete mit seiner tiefen gemein klingenden Stimme: „Warum soll ich dich korrigieren, wenn du doch alles richtig machst. Wenn wir wieder daheim sind, werde ich unserer Gebieterin berichten, was für ein geschickter Pilot du mittlerweile bist.“ Der für Vendar-Verhältnisse mit seinen 1,90 m eher kleine und im Vergleich zu Telzan eher schmächtige aber drahtige Jugendliche mit weißem kurzem Jugendfell fühlte sich geschmeichelt. „Ich danke dir, Anführer.“, gab er ehrfürchtig zurück.

Das nervös anmutende Piepen eines Sensorenalarms ließ beide aufhorchen. „Frag den Mishar, was er gesehen hat!“, befahl Telzan.

Mishar ist der Ausdruck der Vendar für Maschine oder in diesem Fall für Schiffscomputer.

Serdan drehte sich in Richtung des Computermikrofons und sagte: „Mishar, nenne den Grund für den Sensorenalarm!“ „Ein mit den Suchmerkmalen übereinstimmendes Objekt ist gerade in Sensorenreichweite gekommen.“, meldete eine männliche Computerstimme nüchtern. „Zeig es uns!“, befahl Serdan. Auf dem Bildschirm erschien eine kleine Sonde. „Das ist sie!“, skandierte Telzan und ihm wollte schier das Wasser vor Aufregung aus dem Mund laufen. „Genau so hat unsere Gebieterin die Sonde beschrieben, die sie mit ihren seherischen Fähigkeiten wahrgenommen hat. Sie soll angeblich auf dem Weg zu Logar sein, um ihn mit Informationen aus der Föderation zu versorgen. Aber …“ Die Augen des Teenagers begannen zu leuchten, als Serdan seinen Anführer unterbrach: „Aber dazu wird es nicht kommen, nicht wahr, Anführer?“ „Genau!“, gab Telzan nicht minder erfreut zurück. „Gib das Signal!“ „Möchtest du nicht lieber wieder das Steuer übernehmen, Anführer?“, fragte Serdan respektvoll. „Nein.“, grinste Telzan. „Wir beide wissen, das kannst du viel besser.“

Menach, eine Novizin, die noch dazu Serdans Freundin war, meldete sich nervös über SITCH im Shuttle der beiden. „Laut den Antriebswerten versucht die Sonde, unter uns durchzutauchen.“, teilte Menach mit. „Dann verhindert das.“, war Serdans klare und knappe Antwort. „Die Hälfte deiner Leute fliegt nach rechts, die andere nach links. So bildet ihr einen vermeintlichen Korridor für die Sonde. Dann geht ihr in den Sinkflug, bis ihr unter ihr seid. Dort kommt ihr wieder zusammen und bildet eine nach unten für die Sonde undurchdringliche Wand. Wir sind gleich da!“

Der Boden des Zuckerhutes löste sich scheinbar ab und auch scheinbar auf. Der Rest setzte sich synchron in Bewegung.

„Recht so, Mikel.“, lobte Kissara Mikels letzte Aktion. Er saß vor einer Konsole im Kontrollraum, auf deren Bildschirm „Pilot 1“, das zur Fernsteuerung von Sternenflottenschiffen und Sonden gebräuchliche Autopilotprogramm, geladen war. „Machen Sie aus unserer Sonde einen noch attraktiveren Köder für die Vendar.“ Der Terraner von ca. 160 cm Körpergröße, durchschnittlicher Figur und blonden Haaren nickte und ließ die Sonde ein paar Wendemanöver vollführen.

„Schau, Anführer, wie sie sich windet und versucht, unserem Griff zu entkommen.“, spottete Serdan. „Recht hast du.“, bestätigte Telzan. „Also dann, fangen wir sie endlich ein!“ Serdan ließ die Positionslichter des Veshel eine kurze Abfolge von langen und kurzen sowie dunklen und hellen Sequenzen in den Weltraum malen. Die Anderen, auch Menach und ihre Novizentruppe, verstanden sofort. Alle Shuttles rückten zusammen, sodass sie Bug an Bug flogen. Dann ging der obere Teil des Zuckerhutes in Sinkflug über. Sie stülpten sich sozusagen über die Sonde.

Mit im Kontrollraum der Basis 817 war auch Warrior Kang, unser klingonischer Stratege. Er war für einen Klingonen ebenfalls durchschnittlich gebaut. Seine Besonderheit war jedoch, dass er immer dann, wenn ihm etwas nicht gefiel, mit dem rechten Auge rollte. Dieses Phänomen hatten unsere Mediziner bisher auch noch bei keinem anderen Klingonen entdecken können. Normalerweise rollt man mit beiden Augen.

Kangs Missfallensäußerung war Kissara aufgefallen. Aber nicht nur ihr. Ribanna, meine Vertretung, eine Terranerin indianischer Abstammung, die für die Überwachung der SITCH-Verbindung zur Sonde zuständig war, hatte sie bemerkt. Die dunkelhäutige schwarzhaarige Frau drehte sich zu Kissara um, die darauf nur sagte: „Ich hab’s gesehen, Ribanna.“

Menach hatte gegenüber der Situation ein leichtes Bauchgrummeln verspürt. Deshalb griff sie zum Sprechgerät und gab das Rufzeichen von Serdans und Telzans Schiff ein. „Was gibt es, Telshanach?“, erkundigte sich Serdan bei seiner Freundin. Die Novizin setzte sich aufrecht hin und fragte mit ernstem Blick zurück: „Bist du sicher, Telshan, dass dies keine Falle der Föderation ist? Ich meine, es war sehr leicht, die Sonde einzufangen. Am Ende enthält sie gar nicht die gewünschten Informationen. Falls wir Sytania eine wertlose Sonde bringen, wird sie uns töten. Möchtest du das?“ Serdan wechselte einen kurzen Blick mit seinem Anführer und Lehrer. „Sie hat Recht.“, überlegte Telzan halblaut. „Also gut, Serdan, sag den Anderen, wir lösen die Formation auf und lassen sie frei. Unsere Gebieterin hat nämlich noch eine zweite Sonde gesehen. Vielleicht ist sie die richtige. Leider kann Sytania den Sonden ja nur vor das Gehäuse schauen und nicht hinein, weil die Sonden Technologie sind und somit für Telepathie nicht empfänglich. Sie wusste nur, eine von ihnen muss ein Köder sein, aber nicht welche. Du aber hast die Föderation entlarvt, mein Schüler. Du und Menach, ihr ganz allein. Sag dem Mishar, er soll einen Sammelruf starten. Wir wenden und kümmern uns um die andere Sonde. Telzan, Anführer der Vendar der glorreichen Sytania, lässt sich nicht aufs Glatteis führen.“

„Verdammt!“ Kissaras Ausruf ließ alle Anwesenden kurz erschauern. Sogar Kang verspürte eine leichte Gänsehaut. „Los doch, Agent, machen Sie unseren Köder wieder attraktiver. Täuschen Sie ein Antriebsleck vor oder so etwas. Nur, tun Sie was. Die Vendar dürfen nicht merken, welches die echte Sonde ist!“ Mikel warf einen hilflosen Blick zu Kang herüber, der sich dem Platz seines Vorgesetzten, Mikel war Kissaras erster Offizier, zügigen Schrittes näherte. Dann setzte sich der klingonische Stratege neben Mikel und sah sich die Situation von nahem an. Bevor er dann allerdings seinen Kopf grübelnd in seine großen haarigen Hände fallen ließ, sagte er so zuversichtlich er konnte: „Das werden wir gleich haben, Sir!“

Per Interdimensionsantrieb hatten die Vendar zwischenzeitlich die Stelle erreicht, an der Sytania die zweite Sonde mittels ihrer seherischen Fähigkeiten ausgemacht hatte. Serdan sah sich den Vektor der Sonde an. Etwas störte ihn gewaltig. Diese Sonde schien in Wartestellung zu sein. Sie schien, im Gegensatz zu der Sonde, die sie gerade verlassen hatten, keine Anstalten zu machen, ins Dunkle Imperium zu fliegen. „Ich bin verwirrt, Anführer.“, äußerte der Novize. „Vielleicht ist das der Köder.“ „Nein, Serdan.“, sagte Telzan mit einer Gewissheit, die Serdan das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Die Andere, das war der Köder. Schau mal, diese hier macht keine Versuche, uns zu entkommen. Aber die erste Sonde hat es damit reichlich übertrieben. Also, welche sollte uns wohl in die Falle locken, hm?“ Serdan ließ die Worte seines Anführers eine Weile auf sich wirken und sagte dann: „Du bist sehr weise, Anführer und du hast Recht.“ Dann nahm er das Mikrofon und befahl über die Sammelverbindung, bei der alle vorher festgelegten Rufzeichen angesprochen werden: „In Formation!“

Die Türen des Kontrollraumes glitten auseinander und im Türspalt erschien das symmetrische Androidengesicht Elektras. Sie wurde von Chief-Agent Tamara, einer 170 cm großen Halbklingonin mit rabenschwarzen Locken, begleitet. Kissara warf ihr ein kurzes: „Danke, Elektra, wegtreten!“ zu. Elektra wandte sich auf dem Absatz um und ging. Kissara winkte die Geheimdienstchefin der Sternenflotte zu sich heran. „Kommen Sie, Tamara. Die Musik hat gerade zu spielen begonnen.“ Dieses geflügelte Wort benutzte Kissara oft, wenn es spannend wurde. Es war eines der englischen Sprichworte, die ihrer Meinung nach den Nagel immer auf den Kopf trafen.

Die Veshels hatten die Sonde in der Zwischenzeit eingekreist. Dicht an dicht flogen sie jetzt und machten Anstalten, sie mit in ihr Interdimensionsfeld zu nehmen, um mit ihrer Beute im Schlepp zurück zu Sytanias Schloss zu fliegen. „Unsere Gebieterin wird uns belobigen, nicht wahr, Anführer?“, wollte Serdan wissen. „In der Tat.“, antwortete Telzan zuversichtlich. Allerdings schüttelte es ihn bei dieser Antwort stark, denn es handelte sich dabei ursprünglich um den Lieblingsspruch seines Rivalen, Joran, der gegen Sytania rebelliert hatte, was Telzan zwar mit Genugtuung hingenommen hatte, da er jetzt Jorans Posten besetzte, aber die Tatsache an sich hatte ihn beschämt. Ein Verräter gilt unter den Vendar als vogelfrei.

„Haben Sie mich nur geholt, damit ich zusehe, wie Ihr Plan scheitert, Kissara?“, fragte Tamara erbost, nachdem sie gesehen hatte, dass die Vendar wohl gänzlich das Interesse am Köder verloren hatten. „Bitte geben Sie uns noch einen Moment, Ma’am.“, versuchte Mikel seine direkte Vorgesetzte, Mikel war Agent und Tamara die oberste Agentin, zu beschwichtigen. „Wir finden einen Weg.“ „Davon sehe ich nichts!“, schäumte Tamara, mit der langsam ihr klingonisches Temperament durchzugehen drohte. „Das einzige, was ich hier bereits vor mir sehe, ist das Gesicht unserer größten Feindin, wie sie und diese Vendar-Feiglinge über uns lachen. Wollen Sie uns wirklich diese Blöße geben?“

Kang fluchte leise auf Klingonisch und raufte sich die zu Hauff vorhandenen Haare. Ihm fiel auch nichts ein. In Anwesenheit dreier Frauen, von denen eine sogar ein hoch dekoriertes Mitglied des Oberkommandos war, wollte er sich lieber nicht so sehr danebenbenehmen.

Ribanna war es, die uns wieder ins Spiel brachte. Über Computer-SITCH gab sie dem Köder den Befehl, einen Notruf abzusetzen. Dabei wurde jedes Rufzeichen in Reichweite angesprochen, was ja auch die Natur eines SITCH-Notrufes ausmacht. Dann ließ sie die Sonde so tun, als übersende sie ein riesiges Datenpaket an das Rufzeichen von Logars Palast. Die Vendar, deren Sprechgeräte ebenfalls angesprochen wurden, nahmen an, dass die Sonde Logar jetzt die politisch relevanten Informationen geben würde. „Also war doch diese der Köder.“, zischte Telzan. „Volle Wende, alle Mann. Die Andere holen wir uns jetzt!“

Auf der 817 sah man den Zuckerhut um sich selbst kreisen und eine Sekunde später wieder bei den Koordinaten unseres Köders auftauchen. Dann nahmen die Vendar diesen in Schlepp. Ribanna befahl unserer echten Sonde die Aktivierung des Interdimensionsantriebes, worauf diese im Dunklen Imperium verschwand. Tamara lächelte der jungen Indianerin zu und meinte: „Ausgezeichnet, Reserve-Allrounder Ribanna! Ich werde Sie bei Präsidentin Nugura für die Tapferkeitsmedaille vorschlagen!“ Ribanna lächelte verlegen. Dann wandte sich Tamara an Kissara und Mikel: „Unter sechs Augen!“ Damit verschwanden die drei erwähnten Personen in Kissaras Bereitschaftsraum.

Maron saß in IDUSAs Cockpit und die beiden kreisten um einen Planeten. „Die schwarze Wolke, die wir abgehängt hatten, verfolgt uns wieder.“, meldete die Einheit ihrem Piloten nüchtern. „Kannst du eine Neuralsignatur erkennen?“, fragte der demetanische Spionageoffizier. „Positiv.“, war IDUSAs sachliche Antwort. „Es handelt sich um Sytania. Offensichtlich versucht sie, den Planeten anzugreifen.“ „Das genügt!“, rief Maron aus. „Flieg in die Atmosphäre und aktivier den Rosannium-Strahler!“ „Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass dieser Planet ebenfalls von einer telepathischen Spezies bewohnt wird. Sie würden ebenso ihre Fähigkeiten verlieren, ja sogar unter Umständen sterben. Alternativ schlage ich den Einsatz des Ultraschalls vor, sobald Sytania in der Atmosphäre ist.“ „Nein!“, erwiderte Maron streng. „Du weißt, IDUSA, dass laut der Lex Technologica der Befehl deines Piloten für dich bindend ist. Also, der Strahler, na los!“

Die Umgebung um Maron verschwand und Joran trat an ihn heran. „Herzlichen Glückwunsch, Agent Maron. Du hast gerade an einer ganzen Spezies Körperverletzung begangen.“, sagte der stattliche muskulöse 2,30 m messende Vendar ironisch. „Das hat Mc’Knight mit Absicht so programmiert, stimmt das?“, wollte Maron wissen. „In der Tat.“, antwortete der Vendar genervt. „Aber, wenn du lernen willst, IDUSA nicht immer zu übergehen, sondern ihre Meinung auch mal gelten zu lassen, müssen wir so vorgehen. Die Lex Technologica ist dafür gemacht, wenn Situationen auftreten, die Technologie wie IDUSA nicht verstehen kann, diese von uns entscheiden zu lassen. Ironie zum Beispiel. Aber sie ist nicht dazu da, per Winkelzug unbedingt immer unsere Entscheidungen durchzudrücken. Im Grunde weißt du, dass sie gerade Recht gehabt hat, nicht wahr?“ Maron nickte. „Also, dann läuft es ja hoffentlich in Zukunft anders.“ Maron spürte, dass die Geduld seines Freundes bereits arg überstrapaziert war. Mit beschwichtigendem Gesichtsausdruck drehte er sich zu dem schon innerlich vor Wut schäumenden Vendar und sagte: „Es tut mir Leid, Joran. Ich dachte nur, weil sie doch nur ein Computer ist …“ Joran schnaubte verächtlich durch die Nase, bevor er ansetzte: „Nur ein Computer, nur ein Computer, wenn ich das schon höre. Technologie ist auf Tindara den Lebewesen gleichgestellt. Sie hat die selben Rechte und darf somit auch Einspruch erheben. Wann begreifst du das endlich!“ Joran hatte große Mühe, seine aufkeimende Wut zurückzuhalten. „Heute kapiere ich es bestimmt nicht mehr.“, resignierte Maron. „Lass uns für heute aufhören.“ Joran nickte und beide verließen die Simulationskammer.

„Wie konnten Sie das meinem armen alten kranken Herzen antun, Kissara?“, fragte Tamara vorwurfsvoll. „Sie wissen doch genau, dass ich so viel Spannung in meinem Alter nicht mehr vertrage.“ „Das war nicht unsere Absicht, Chief-Agent.“, beschwichtigte Kissara sie, nachdem sie für Mikel ein Glas Kölsch und für sich einen saurianischen Brandy repliziert hatte. Tamara bekam ein Glas Blutwein, das sie allerdings mit den Worten: „Im Dienst trinke ich nicht!“ von sich schob. Mikel, der die angespannte Situation zwischen den Frauen zu spüren schien, mischte sich ein: „Ladies, es gibt doch eigentlich keinen Grund zur Sorge. Dank Ribanna ist doch alles wieder im Lot. Außerdem wird Sytania bald merken, dass sie die falsche Sonde hat. Diese wird ihr nämlich nur Märchen erzählen und das im Wortsinn. Sie enthält ja nichts als Märchen und Sagen. König Logar hat mich gerade telepathisch kontaktiert und mir gesagt, dass die echte Sonde wohlbehalten bei ihm angekommen ist. Also, es ist alles OK.“ Tamara ließ die Worte des ersten Offiziers eine Weile auf sich wirken. Dann nahm sie sich doch das Glas Blutwein und sagte: „Also gut, Kissara. Auf die gelungene Mission.“ Alle drei stießen miteinander an.

Joran war in Jennas und sein Quartier zurückgekehrt. Die für eine Frau von der Erde überdurchschnittlich große schlanke und brünette Amerikanerin mit schottischen Wurzeln empfing ihn bereits an der Tür. Sie lächelte, aber als sie seinen resignierten Gesichtsausdruck sah, schwenkte ihr Gesicht in Mitleid um. „Du hattest einen miesen Tag, Telshan, he?“, fragte sie mitfühlend. Joran ließ sich auf einen Stuhl sinken und seufzte: „In der Tat, Telshanach. Ich weiß nicht, was ich mit ihm noch machen soll. Dein Programm löst er jedes Mal falsch. Selbst der Tod einer ganzen Spezies schreckt ihn nicht. Was ich eigentlich gern tun würde, darf ich nicht, denn es würde von Schwäche zeugen. Wir Vendar-Krieger lernen von Kindesbeinen an, niemals aufzugeben. Aber ich fürchte …“ „Hey, schschsch.“, unterbrach Jenna ihn und begann, mit ihren ausgestreckten Zeigefingern seine Schläfen zu massieren. Sie wusste, dass es für einen Vendar Schande bedeutete, das Wort Aufgeben überhaupt auszusprechen. Sie wusste auch, dass diese Massagetechnik den Einstieg ins Fütterungsritual begünstigte. Joran trug zwar kein echtes Energiefeld, allerdings sorgte das Medikament der Tindaraner dafür, dass seinem Körper dies glaubhaft dargestellt wurde. Deshalb glitt er bald darauf in diesen Zustand ab. „So ist es recht, mein stolzer Krieger. Manchmal muss man einfach mal loslassen.“, flüsterte Jenna und küsste seine Nase, bevor sie sich beobachtend auf einen zweiten Stuhl setzte.

Zwei Stunden, in denen sie nicht von seiner Seite gewichen war, waren vergangen, als Joran die Augen wieder öffnete. „Mich so zu überfallen, Telshanach.“, lächelte er. „Das war so etwas von unfair. Sag bitte deiner Assistentin nichts hiervon. Sie macht dann sicher wieder einen Spruch bezüglich Major Carter und so.“ „Soll sie doch.“, lächelte Jenna zurück. „Ich halte das aus. Aber, wie das genannte Genie auch habe ich für Marons und dein Problem eine Lösung, die ich bereits ins Programm eingefügt hatte, während du sozusagen beschäftigt warst.“ Dabei verhehlte sie ihre Schadenfreude über ihr geglücktes Überraschungsmanöver nicht. „Ich weiß, dass ich dir körperlich kaum etwas entgegenzusetzen habe. Deshalb muss ich schon so vorgehen, um mein Ziel zu erreichen.“ „Bestimmt werde ich dir dafür einst sehr dankbar sein, du genialstes aller Wesen.“, flüsterte Joran müde, aber zufrieden. Er wusste zwar nicht, was sie hinzugefügt hatte, dachte sich aber, dass es mit Sicherheit etwas Hilfreiches sein würde, mit dem niemand gerechnet hatte. Auch seine Versuche, vom Bildschirm ihrer Arbeitskonsole etwas abzulesen, hatte Jenna vereitelt. Sie hatte IDUSA befohlen, selbigen zu löschen und auf Jorans fragenden Blick nur geantwortet: „Das sind Programmiergleichungen. Davon verstehst du nichts.“

Die Nachricht über den geglückten Coup der Besatzung der 817 hatte in der Zwischenzeit auch Commander Zirell erreicht. „Bravourös!“, hatte sie geantwortet. „Sagen Sie Ihrem Agent Mikel, dass ich mich über seine geniale Idee sehr gefreut habe. Hoffen wir, dass das doppelte Sondchen bei den Vendar und auch bei Sytania noch eine Weile für Verwirrung sorgen kann. Ich freue mich schon auf ihren Gesichtsausdruck, wenn sie Schneewittchen zu Ende gelesen hat.“ Dann lachte sie laut auf, bevor sie die 88-Taste drückte.

„Zirell?“, die Angesprochene hatte das Eintreten ihres demetanischen ersten Offiziers nicht bemerkt. Jetzt warf sie den Kopf herum. „Maron, entschuldige, ich war mit der Tatsache beschäftigt, dass Sytania auf uns hereingefallen ist.“ Sie übergab ihm einen Datenkristall mit der Aufzeichnung des zwischen ihr und Kissara geführten Gespräches. Der vollschlanke Demetaner mit oranger Haut roten Haaren und einer Größe von 1,90 m ließ den Kristall auf seine Arbeitskonsole sinken. „Später, Zirell. Ich muss mit dir über das Problem reden, das IDUSA und ich haben. Joran und ich kommen einfach nicht weiter. Ich werde nie lernen, dass das Schiff mit einem Lebewesen gleich zu behandeln ist, was die Meinungsfreiheit angeht. Ich behandle sie immer noch wie einen Sternenflottencomputer. Nein, sogar noch schlimmer und weißt du, manchmal wünschte ich, ich wäre eine Frau.“ „Warum?“, lachte die tindaranische Telepathin, die sich sein Bild gerade in weiblicher Form vorstellte. „Dann wäre er geduldiger mit mir.“, erklärte Maron. „Mir ist auch schon aufgefallen, dass er unsereinen sehr sanft und seine Geschlechtsgenossen oft sehr hart anfasst.“, entgegnete Zirell. „Aber du wolltest es ja so. Also, dann wundere dich nicht. Gestern hast du noch zu mir gesagt, dass die sanfte Methode, dir das beizubringen, nicht fruchten würde. Also.“ Geknickt setzte sich Maron auf seinen Platz.

Prinzessin Sytania saß auf ihrem Gold verzierten Thron und sah aus dem Fenster ihres Palastes. Die schwarzhaarige und schwarzäugige Königstochter von schlanker ja fast dürrer Statur und ca. 170 cm Größe trug ein wallendes Kleid, welches ebenfalls Gold durchwebt war. Ihren Kopf zierte eine silberne Prinzessinnenkrone mit jeweils einem Diamanten an der Spitze jedes Zackens, von denen es zehn gab. Ihren Hals schmückte eine Perlenkette mit einem Drudenfußanhänger. Dergleichen sah man am Ringfinger ihrer rechten Hand. Außerdem trug sie Schnabelschuhe mit Juwelen besetzter Spitze.

Freudig erregt strich sie bei dem Gedanken an die Beute der Vendar, die ihr Telzan bereits mit Hilfe des Kontaktkelches telepathisch angekündigt hatte, mit den Fingerspitzen über den Brokat an ihrem Thronsessel. Wo blieben sie denn? Längst hatten ihre vier treuesten Soldaten den Platz im Schlosshof mit Fackeln markiert, an dem die Vendar mit ihren Schiffen landen sollten. Sytania beschloss, ihre seherischen Fähigkeiten einzusetzen, um herauszubekommen, was Telzan und seine Leute ihrer Meinung nach so lange aufhielt.

Per Transporter hatte Telzans Lieblingsnovize die Sonde in den kleinen Frachtraum des Veshels geschafft. Etwas nervös war Serdan aber doch. Ehrfürchtig schlich er zu seinem Anführer und Ausbilder, der das Schiff jetzt wieder flog und fragte: „Bist du sicher, Anführer, dass wir die richtige Sonde haben? Ich meine, das war ein ganz schönes Hin und Her. Vielleicht …“ „Das werden meine Frau und ihre Leute herausfinden.“, tröstete Telzan.

Cirnach, Telzans Ehefrau, leitete eine Gruppe von Vendar, die eine technische Ausbildung hatten. Auch Menach war eigentlich Cirnachs Schülerin, hatte aber auch ein sehr großes Talent im Shuttlefliegen, weshalb sie ausnahmsweise Telzan und die Anderen begleiten durfte.

Sinnierend sah der Novize aus dem Fenster, als sie im Dunklen Imperium angekommen waren. Bald würde er sicher Sytanias Palast mit seinem hohen Schlossturm, der Drudenfußfahne und den reich mit Schmucksteinen ausgestatteten Zinnen sehen. Das würde ihn sicher alle Zweifel vergessen machen.

Telzan spürte den Kontaktversuch seiner Gebieterin. „Sie ist ungeduldig.“, stellte er fest. „Ich denke aber, dass sie sich noch mehr freuen wird, wenn sie noch etwas warten muss. Das Schiff hat außerdem viel Energie verloren und wenn wir noch ankommen wollen, muss ich unsere Geschwindigkeit drosseln. So.“ Damit zog er einen Schieberegler auf dem Steuerpult in seine Richtung.

Nach der Landung verließen Telzan und sein Novize das Cockpit. Sie waren die einzigen, die mit ihrem Schiff im Hof gelandet waren. Alle Anderen hatten schon vorher den Weg zu den weit vom Schloss abgelegenen Vendar-Kasernen eingeschlagen. Später würde Telzan das Schiff auch dort hinbringen. Auf Geheiß seines Lehrers berührte Serdan einen Sensor an der Außenluke des Frachtraumes. Der Mishar erkannte seinen biologischen Fingerabdruck und öffnete die Luke. Per Stimme ließ der Novize dann die offene Tür blockieren. „Da liegt sie in ihrer ganzen Pracht.“, stellte Serdan mit Genugtuung fest. Telzan nickte nicht ohne Stolz auf ihrer beider Tat. „Sytania wird sich freuen!“, rief er voller Freude aus. „Fass an!“ Damit wuchteten sie die Sonde aus dem Frachtraum. Diese wog zwar einiges und ein Mensch wäre sicher nicht in der Lage, sie zu heben, aber Vendar-Männer haben das 5-fache der Muskelkraft eines durchschnittlich trainierten Terraners. Das gilt auch schon für jugendliche.

„Komm, Joran, vergiss mal, dass ich dein Vorgesetzter bin.“, begann Agent Maron ein Gespräch, als die Beiden die Simulationskammer betraten. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass du das wirklich willst.“, erwiderte der Vendar-Rebell im Hinblick auf die vergangenen Trainingseinheiten. „Ich denke nämlich, wenn ich dies wirklich vergessen würde, würdest du deinen Satz von eben bitter bereuen.“ Maron musste an Shannon denken, die kurz bevor die beiden zur Simulationskammer gegangen waren, ihnen noch einen Spruch hinterher geworfen hatte. „Passen sie gut auf, was sie tun, Sir.“, hatte sie gesagt. „Sonst schlägt der Grizzly Sie noch zu Brei, so geladen wie der is’.“ Mittlerweile wusste die gesamte Station über Marons Problem Bescheid.

„Bist du bereit, Agent Maron?“, fragte Joran, als beide auf den Sitzen Platz genommen hatten und ihre Köpfe in die da hinter befindlichen Mulden gelegt hatten. „Leg los.“, antwortete der Demetaner fast gelangweilt, denn er ahnte ja von Jennas Änderung nichts. Auch Joran wusste ja nur, dass sie etwas geändert hatte, aber nicht was. „IDUSA, Programm starten!“, befahl Joran, dem alles, was Maron erleben sollte, im sogenannten Zuschauermodus gezeigt wurde. Das bedeutete, er konnte zwar alles sehen, konnte aber nicht aktiv eingreifen, ohne, dass das Programm beendet oder eingefroren wurde. Der tindaranische Stationsrechner kam der Aufforderung nach. Maron wurde wieder das Cockpit simuliert. Aber jetzt sah er nicht die ursprüngliche Simulation des Avatars, sondern eine Androidin, die auf dem Pilotensitz saß und die Uniform eines Sternenflottenallrounders trug. Er selbst saß auf dem Nebensitz und hatte keine Steuerkonsolen vor sich. Die schwarze Wolke, die Sytania darstellte, verfolgte sie immer noch. Maron befahl der einen Rang unter ihm stehenden Androidin ein paar wilde Flugmanöver, um die Wolke abzuschütteln. Das gelang auch. Verwundert war Maron allerdings darüber, dass sich die Fremde als IDUSA vorstellte. Grinsend sah Joran zu, wie gut Maron und die Fremde zusammenarbeiteten. Er hatte insgeheim geahnt, was Jenna schon längst sicher festgestellt hatte. Maron hatte ein Problem mit der Tatsache, dass ihm zwar als Schiffsavatar eine Tindaranerin simuliert wurde, er aber eigentlich niemanden mit zwei Armen und zwei Beinen neben sich sitzen hatte. Die Entscheidungen des Mediziners, Ishan, würde Maron ja auch nicht in Frage stellen. Allerdings wäre das wahrscheinlich anders, wäre auch er eine Simulation des Stationscomputers.

Maron bemerkte nicht, dass sich die Umgebung langsam still und heimlich wieder in die aus der alten Simulation verwandelte, denn das ging für seine Augen zu schnell. Mit Absicht hatte Jenna dafür gesorgt, dass er sich nicht wirklich an ein Bild gewöhnen konnte. Am Ende saß er wieder auf dem Pilotensitz und hatte den Neurokoppler auf. Das schien er aber immer noch nicht bemerkt zu haben, als er IDUSAs Vorschlag bejahte.

„Das ist der Durchbruch, Agent Maron.“, sagte Joran erleichtert, nachdem er das Programm beendet hatte. Maron, der anscheinend immer noch nicht realisiert hatte, was gerade passiert war, fragte verwundert: „Was meinst du damit, Joran? Warum sollte ich Allrounder IDUSAs Vorschlag nicht annehmen?“ Der Vendar grinste breit und entgegnete: „Weil dir Allrounder IDUSA diesen Vorschlag nicht gemacht hat. Es war unsere waschechte IDUSA. Aber du hast ihn trotzdem angenommen. Und? War das jetzt denn so schwer?“ „Nein.“, gab Maron zu. Er wusste schon längst, dass Joran und Jenna sein Problem erkannt hatten. „Ich glaube, ich hab’s kapiert.“, sagte Maron. „Im Prinzip kann es uns doch egal sein, ob sie zwei Arme und zwei Beine hat. Sie ist und bleibt unsere IDUSA.“ “Korrekt.“, gab Joran zurück, bevor sie nebeneinander und stolz auf ihren gemeinsamen Erfolg die Simulationskammer verließen.

Auf dem Korridor begegneten sie Zirell. Die aufgrund ihres kristallinen Ursprungs perlmutthäutige und 1,60 m große Kommandantin der Station lächelte ihnen zu. „Ihr seht aus wie zwei Kater, die gerade einen Sahnetopf ausgeschleckt haben.“, scherzte sie. „Das haben wir zwar nicht, Anführerin.“, begann Joran. „Aber dein Stellvertreter hat endlich verstanden, dass IDUSA auch das Recht auf eine freie Meinung hat und das ihre Vorschläge etwas gelten.“ „Wie hast du das gemacht?“, fragte Zirell fast mit Bewunderung. „Eigentlich war das nicht er, sondern Techniker Mc’Knight. Sie ist ein intelligentes fieses kleines Ding. Weißt du das?“, fragte Maron. Zirell grinste und ging nickend vorbei.

 

Sytanias Schmach

von Visitor

„Telzan, Anführer, Eurer Vendar und sein Schüler, Serdan!“, kündigte Sytanias Herold besagte zwei an, als sie den Thronsaal betraten. Sie setzten vorsichtig die Sonde ab und gingen dann ehrerbietig vor Sytania auf die Knie. Diese musterte zunächst die beiden und dann die Sonde. Die groben fast juteartigen Uniformen der Vendar waren Sytania nicht fremd. Auch die Spitzen an ihren Schuhen, die durchaus beim Nahkampf eingesetzt werden können und den Gegner sogar töten können, waren der imperianischen Thronfolgerin nicht fremd. Mit dem meisten Stolz erfüllte sie allerdings die Zeichnung am Hemdkragen, die beide als eben ihre Diener auswies. Jetzt, wo Joran nicht mehr da war, hatte sich Telzan zu ihrem talentiertesten Telepathenjäger entwickelt. Auch er beherrschte das Fütterungsritual, mit dessen Hilfe er die Energie, die er von anderen telepathischen Wesen erbeutet hatte, verstärken konnte, bevor er sie ihr übertrug.

„Bist du sicher, Telzan, dass ihr die richtige Sonde habt?“, fragte Sytania mit einem bohrenden Tonfall. „Das, Gebieterin.“, setzte Telzan zur Antwort an, „Das wird meine Frau herausfinden.“ „Nun gut.“, gab sich Sytania aufgrund mangelnder eigener Möglichkeiten mit der Situation zufrieden. „Dann schaffe sie zu deinem holden Eheweib und setze sie darauf an.“ Telzan nickte ehrfürchtig und bedeutete seinem Schüler, erneut mit anzufassen. Beide schafften die Sonde in den Schlosskeller, wo der Arbeitsplatz der Vendar-Techniker unter Cirnachs Leitung war. Cirnach und Telzan waren die einzigen, die mit im Schloss wohnen durften. Als Anführer der Vendar und dessen Ehefrau, die durch die Heirat automatisch das Amt der Stellvertreterin erhält, duldete Sytania sie so nah bei sich. Alle Anderen mussten in den Kasernen weit ab oder in abgeschlossenen Vendar-Dörfern wohnen.

„Ah, ihr bringt die Sternenflottensonde.“, grinste Cirnach, eine 2,20 m große Vendar-Frau mit tiefschwarzem Fell und einem Gesicht wie eine Bärin. Diese Gesichtszüge hatten übrigens alle Vendar. „Ja, Telshanach.“, erwiderte Telzan. Dass er sie nach ca. 60 Jahren Ehe immer noch mit Liebling ansprach, verwunderte Serdan nicht. Wenn Vendar einmal lieben, dann lieben sie heiß und innig und lang. Überhaupt sind sie dafür bekannt, alles Schöne in die Länge zu ziehen. Sie sind also in gewisser Weise Lebenskünstler.

Cirnach zeigte auf einen Tisch. „Dort hinüber mit dem Ding. Wir werden schon hinter seine Geheimnisse kommen.“ Vorsichtig setzten die Männer die Sonde ab. Dann gingen sie. Menach näherte sich dem Tisch. „Bitte, Ausbilderin, darf ich es versuchen?“, fragte sie und schmeichelte ihrer Lehrerin mit den Augen. Cirnach nickte ihr wohlwollend zu. Sie wusste genau, mit welchem Feuereifer ihre Schülerin bei der Sache war und dass ein Nein von ihr nur schwer akzeptiert würde. Dafür gab es in Cirnachs Augen aber auch keinen Grund. Menach lernte schnell und war in technischen Dingen bereits sehr bewandert.

Jenna saß in ihrem Quartier und hatte einen Ohrhörer im Ohr. Am anderen Ende der im Display der Sprechanlage angezeigten externen SITCH-Verbindung war Tchiach, Jorans kleine Tochter. Diese nannte die Terranerin bereits jetzt oft Stiefmutter Jenna, obwohl Joran und sie noch gar nicht verheiratet waren. Jenna ließ sie gewähren, denn sie wusste, nach dem tragischen Tod ihrer leiblichen Mutter brauchte Tchiach dringend wieder eine weibliche Leitfigur. Mit ihren 11 Jahren war das Vendar-Mädchen fast in dem Alter, in dem ihre Ausbildung zur Telepathenjägerin beginnen könnte, denn ihre Sifa, der Teil ihres Gehirns, der telepathische Energie aufnehmen kann, war laut den Priesterinnen bereits vor dem ersten Zyklus. Die Ausbildung würde zwar Sianach übernehmen, aber, welches Kind freut sich nicht, wenn beide Eltern es zur Einschulung begleiten?

„Dein Englisch hat sich sehr verbessert, Tchiach.“, stellte Jenna fest. „Ich danke dir, Stiefmutter Jenna.“, antwortete die kleine Vendar mit einem Lächeln. Dann fragte sie weiter: „Wie kommt mein Vater mit Agent Marons Training voran?“ „Mehr schlecht als recht, Süßmaus.“, erwiderte Jenna. „Aber ich denke, dass ich eine Lösung gefunden habe.“ „Jenna Mc’Knight findet einen Weg.“, grinste Tchiach ins Mikrofon ihres Sprechgerätes. Diesen Satz kannte Jenna gut. Er wurde vor allem immer dann verwendet, wenn die Besatzung der Tindaranerbasis oder auch Bewohner eines Planeten oder Schiffsbesatzungen, in deren Leben man eben für kurze Zeit verwickelt wurde, ein Problem hatten. Jenna war es, die diese Probleme in eigentlich allen Fällen gelöst hatte. Vielleicht gab es einige Ausnahmen, aber der Großteil ging auf ihr Konto. Shannons Lästereien bezüglich Major Carter, der genialsten Person aus einem Unterhaltungsschmöker, den diese las, ließen Jenna mittlerweile kalt. Sie ließ sich zum Leitwesen der blonden Irin damit nicht mehr aufziehen. Joran hatte ihr anfangs, da er mit der Begrifflichkeit sich aufziehen lassen etwas ganz Anderes verband, geraten, einfach den Schlüssel wegzuwerfen. Wahrscheinlich hatte er sich aufgrund mangelnder Englischkenntnisse tatsächlich vorgestellt, dass seine Freundin einen Schlüssel am Rücken trug, an welchem Shannon nur zu drehen brauchte und schon würde sie reagieren. In gewisser Hinsicht hatte Jenna jedoch den Schlüssel weggeworfen, indem sie sich gegenüber den Sprüchen ihrer Assistentin ein dickes Fell zugelegt hatte.

„Zisch-klack.“, machte die Tür und Joran betrat das Quartier. „Telshanach!“, rief er. „Bist du hier?“ Jenna legte das Gespräch mit Tchiach in die Warteschleife. Dann gab sie zurück: „Ja, Joran. Ich bin im Wohnzimmer!“ Stürmischen Schrittes betrat Joran das Zimmer und nahm Jenna in seine starken Arme. „Telshanach, oh, meine Telshanach, ich wusste, du würdest einen Weg finden. Er hat es kapiert. Er hat es endlich kapiert!“, flüsterte Joran mit freudiger Erregung in der Stimme. Dabei ließ er jedem Wort einen leidenschaftlichen Kuss auf die Körperregionen seiner Freundin folgen, die er gerade noch so erreichen konnte, ohne ihr die Kleider vom Leib zu reißen. Wo Jenna so wie so schon überall Knutschflecke hatte, durfte sie in der Öffentlichkeit gar nicht aufzählen. „So schwierig war das nicht.“, beschwichtigte sie ihn. Joran hielt inne und sah auf das Display der Sprechanlage. Das Rufzeichen des Rebellenlagers und das Unterrufzeichen von Sianachs Haus kannte er sehr wohl. „Du sprichst mit Sianach?“, fragte er etwas verunsichert. „Nein.“, lächelte Jenna zurück. Dann berührte sie zwei Bilder auf dem Tuchscreen und das Gespräch wurde auf Lautsprecher umgestellt. Außerdem konnten jetzt alle einander sehen. „Vater!“, quietschte Tchiach beim Anblick von Jorans Gesicht. „Du lächelst ja. Hat das mit Maron von Demeta endlich funktioniert?“ „In der Tat, Kleines.“, entgegnete Joran.

Plötzlich zuckte Tchiach mit ihren kleinen Bärenohren. „Ich muss Schluss machen.“, sagte sie. „Ziehmutter Sianach will, dass ich zum Abendbrot erscheine.“ Damit drückte ihr kleiner Zeigefinger die 88-Taste.

Kaum war dieses Gespräch aus der Welt, kündigte sich schon wieder das nächste an. Jenna beantwortete die Türsprechanlage: „Mc’Knight hier.“, „Jenn’, ich bin’s.“, sagte eine der Cheftechnikerin sehr wohl bekannte Stimme. „Was ist denn, Shannon.“, gab Jenna zurück. „Kommen Sie erst mal rein.

Nachdem die blonde Irin von mittlerer Größe und Statur das Zimmer betreten hatte, hielt sie ihrer Vorgesetzten ein Pad unter die Nase. „Ich brauche Ihre Clearence für …“ Ihr Blick fiel auf Jennas zerzaustes Äußeres. „Igitt!“, rief sie aus. „Könnt ihr das nicht nach Dienstschluss machen?“, fragte Shannon mit einem schelmischen Grinsen. „Keine Angst, Assistant.“, feixte Jenna ebenso schelmisch zurück. „Das machen wir brav heute Nacht, wenn keiner mehr was von uns zu wollen hat.“ „Schon wieder.“, brummelte Shannon. „Könnt ihr nicht einmal auf eure direkte Nachbarin Rücksicht nehmen?“ „Ups.“, machte Jenna. „Ich dachte immer, die Wände sind schalldicht. Na ja, morgen lasse ich 200000 Pfund Isolierung von Tindara kommen.“ „Erst morgen.“, flüsterte Shannon unwirsch. „Jetzt zeigen Sie erst mal her.“, damit deutete Jenna auf das Pad in Shannons Hand. Diese hielt ihrer Vorgesetzten selbiges hin, worauf Jenna ihre Clearence eingab. Shannon bedankte sich höflich und ging.

Nachdenklich sah Joran Jenna an. „Das sind 12 Shuttleladungen, Telshanach. Wenn du das alles verbauen willst, hört man auf dieser Station sein eigenes Wort nicht mehr.“ „Keine Sorge, Joran.“, tröstete Jenna ihn. „Das war natürlich reichlich übertrieben und sollte nur ihre ebenfalls sehr übertriebene Reaktion spiegeln.“ Joran nickte verständig.

Über die Ereignisse hatte ich nicht gemerkt, dass es Abend geworden war. Alle Kinder und ihre Eltern waren gegangen. Zumindest dachte ich das. Ich stand von der Bank auf und wollte eben in Richtung meines Hauses gehen, als ich ein leises Kinderschluchzen hörte. Ich ging in Richtung der Sandkästen, denn dort kam es her.

Bei meiner Ankunft fand ich einen kleinen Jungen vor, der mit einem Pad in der Hand am Rand eines der Kästen saß. Ich bückte mich zu ihm herunter. Meiner Schätzung nach war er gerade acht Jahre alt. Er hatte kurze rote Haare und trug eine weiße Hose, die mittlerweile allerdings über und über mit Tränen bekleckert war. „Hey.“, sagte ich. „Wer ist denn da so traurig?“ „Ich bin nicht traurig.“, entgegnete der kleine Junge. „Ich habe Angst. Es ist dunkel und ich muss die Zeit vergessen haben. Ich habe hier meine Hausaufgaben gemacht. Dad sagt, an frischer Luft lernt es sich besser, aber Pustekuchen!“ In diesem Augenblick fiel mir auf, dass er nicht der einzige war, der die Zeit vergessen hatte. „Du lieber Himmel, mein Arzttermin!“, entfuhr es mir. „Aber warum musst du denn zum Arzt. Du siehst doch gar nicht krank aus?“, fragte er. „Es gibt Krankheiten, die sieht man nicht.“, erwiderte ich. Dann nahm ich seine Hand und zog ihn auf die Beine, um mit ihm zu der Bank zu gehen, auf der ich vorher gesessen hatte. Ich dachte mir, ich würde ihm gut bei seinen Hausaufgaben helfen können. Erklären war meine Spezialität. „Wie heißt du eigentlich?“, Fragte ich ihn. „David Handerson.“, sagte er immer noch weinend. „Und wie heißen Sie, Allrounder?“ Erst jetzt fiel mir auf, dass ich aus Gewohnheit meine gesamte Uniform statt lockerer Zivilkleidung angelegt hatte. Mit der Sternenflotte schien David sich auszukennen, wenn er meinen Rang erkannt hatte. Ich wusste, dass ich den Namen Handerson auch schon mal gehört hatte. „Bist du der Sohn von Scientist Diana und Techniker Temm Handerson, die …“, setzte ich an. „Ja!“, quietschte David. „OK, dann weiß ich, wo du wohnst. Pass auf. Wir machen erst zusammen deine Schularbeiten und dann bringe ich dich nach Hause.“ David nickte. „Zeig mal her.“, forderte ich ihn auf. David kam meiner Aufforderung nach und schob mir das Pad hin. „Kannst du dafür sorgen, dass der Computer mir die Fragen oder was auch immer vorliest?“, fragte ich. „Oh, sicher.“, erwiderte der Junge jetzt schon zuversichtlicher und machte einige Eingaben, nach denen die Computerstimme des Pads anhob: „Nenne die berühmtesten Captains der Sternenflotte in Reihenfolge.“ „Mein Problem ist.“, erläuterte David. „Ich habe zwar die Namen drauf, aber mit der Reihenfolge klappt es nicht. Das kann ich mir einfach nicht merken.“ „Hm, wart’ mal.“, überlegte ich. Dann sagte ich: „Pass auf, David. Ich kenne da eine super Eselsbrücke! Jonny, Jimmy, und Jean aus Frankreich eröffnen den Reigen so gleich. Benjamin von Deep Space Nine folgt hinterdrein. Zum Schluss, doch nicht minder, tapfer und schlau, Kathryn Janeway, der Herzen liebste Frau.“ „Cool!“, schrie David begeistert. „Warum haben uns unsere Lehrer das nicht gesagt?“ „Oh.“, antwortete ich. „Die konnten es nicht, weil ich mir das gerade erst ausgedacht hatte.“ „Trotzdem klasse.“, freute sich David. Dann rutschte er näher an mich. „Was haben Sie denn jetzt für eine Krankheit, Allrounder.“, neugierte er. „Erst mal.“, begann ich. „Kannst du mich Betsy nennen und duzen und meine Krankheit, hm tja, also, ich habe Angst vor Telepathen. Aber …“ Er brach in Tränen aus: „Aber dann hast du ja auch Angst vor meinem Daddy.“ Ich nahm ihn in den Arm. „Oh, Knuffi, das wollte ich nicht. Ich weiß, dass du deinen Daddy sehr lieb hast und dass er sicher ein ganz lieber Daddy ist.“ Mr. Handerson war Betazoid, das wusste ich. Seine Frau, deren Nachnamen er angenommen hatte, war Terranerin. „Kannst du mich denn trotzdem nach Hause bringen?“, fragte David leise. „Ach klar. Das schaffe ich schon.“, entgegnete ich zuversichtlich. „Aber erst mal besorge ich dir ein Trostpflaster, wie du noch nie eines gehabt hast.

Ich stand auf und ging zu einem nahen Rasenrondell, auf dem in einer künstlichen Umweltkontrolleinheit ein demetanischer Sommerfruchtbaum stand. Einer der Zweige war über das Kraftfeld, das die dem demetanischen Klima im Sommer entsprechende Atmosphäre in der Einheit hielt, hinausgewachsen und streckte mir nun fast verführerisch eine reife Frucht entgegen. Nachdem ich die etwa handgroße kaffebohnenförmige Frucht abgepflückt hatte, bemerkte ich, wie der Zweig raschelnd in das Kraftfeld zurückschnellte. Das Gewicht der Frucht hatte ihn wohl überhängen lassen.

Auf dem Weg zurück dachte ich daran, was normalerweise mit den Früchten an den zur Stadtbegrünung genutzten teils außerirdischen Pflanzen geschah. Im Zeitalter der Replikatoren hatte man diese zwar gepflückt, sie aber danach der Materierückgewinnung überantwortet, was soviel hieß sie einfach zu entsorgen. In meinem Jahrhundert wusste noch jedes Kind, wo Lebensmittel her kamen. Aber hier beobachtete ich eine obskure Entwicklung. Eine bekannte Familie aus einem Vorort von Little Federation hatte mich doch tatsächlich mal gefragt, ob ich ihren Kindern nicht etwas über die ursprüngliche Herkunft von Lebensmitteln beibringen könnte, denn die Kinder hatten, als der Lehrer in der Schule ihnen Fleisch, Früchte, Getreide und anderes auf Bildern gezeigt hatte, nicht gewusst, wie sie diese Dinge einordnen sollten. Als zweites hatte der Lehrer ihnen das Bild eines Tieres, eines Baumes und eines Feldes gezeigt. Die Kinder sollten die ersten Bilder den letzten jeweils zuordnen und konnten dies nicht. Das erinnerte mich an die Sache mit der gemalten lila Kuh, die viele Kinder nach einem Aufruf an eine Firma geschickt hatten. Das hatte diverse Lehrer und Erzieher damals sehr erschreckt. Diese Entwicklung musste mit einer rasanten Geschwindigkeit weiter fortgeschritten sein. „Szenario X“, eine Rockband aus dem 30. Jahrhundert, die sich kritisch mit manchen Dingen auseinandersetzte, hatte auf ihrem neuen Album ein Stück, in welchem Shalima, die Liedsängerin, eindrücklich vortrug: „Was wollt ihr essen, wenn die Replikatoren nicht mehr funktionieren. Was werdet ihr fühlen, wenn die Kontrollstationen den Regen nicht mehr stoppen? Was wollt ihr erforschen, wenn alle Planeten gleich geterraformt sind und wohin wollt ihr fliegen, wenn eure Schiffe euch nicht mehr tragen wollen? Ich sag’ es euch, ihr werdet alle kläglich untergehen und den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen.“ Natürlich konnte ich David nicht mit so einem Text konfrontieren. Er würde das alles noch nicht verstehen und wahrscheinlich furchtbare Angst bekommen.

„Soll ich dir sagen, ob die Frucht reif ist?“, fragte David, als ich zu ihm zurückgekehrt war. „Nein, nein.“, lächelte ich. „Das finde ich schon selber raus.“ „Aber du kannst doch nicht sehen.“, entgegnete er. „Das macht nichts.“, erklärte ich. „Dafür kann ich gut hören.“ Damit hielt ich die Frucht einige wenige Zentimeter von meinem Ohr weg und schüttelte sie. „Sie gluckst nicht, also ist ihr Mark fest.“, erklärte ich. „Das bedeutet, sie ist reif.“ „Wow!“, staunte David. „Was du alles kannst. Aber wie willst du sie aufmachen? Hast du ein Messer oder gar deine Waffe?“ „Nein.“, lächelte ich. „Ein Messer habe ich nicht und mein Phaser würde sie zum Explodieren bringen. Aber ich weiß was anderes.“ Damit schlug ich die Frucht gegen den Rand der Bank, als würde ich ein Ei über einer Backschüssel aufschlagen. Dabei drehte ich die Frucht so, dass eine kreisrunde Sollbruchstelle entstand. Dann brach ich sie einfach auseinander. „Willst du die spitze oder die flache Seite?“, fragte ich. „Die spitze Seite bitte.“, antwortete David höflich. Lächelnd gab ich ihm die gewünschte Hälfte. „Du musst den Inhalt mit der Zunge ausschlecken wie eine Katze oder ein Hund aus dem Napf.“, erklärte ich die Weise, auf die solche Früchte auf Demeta gegessen werden. „Aber.“, erwiderte David. „Dann muss ich dir ja die Zunge rausstrecken. Das tut man doch nicht.“ „Ach was.“, schmunzelte ich. „Guck mal, ich mach’s doch auch.“

Wir hatten einen Heidenspaß beim Verzehr der Frucht. Unsere Gesichter sahen aus wie die zweier Dreckspatzen, als wir uns endlich in Richtung seiner Heimat aufmachten. David hielt meine Hand ganz fest, denn er fühlte sich in meiner Gegenwart beschützt und sicher. „Meine Adresse ist 242 Janeway Place.“, informierte er mich. „OK, ich weiß Bescheid.“, erwiderte ich. Welche Rolle das Haus am Janeway Place noch spielen sollte, ahnte ich noch nicht.

Es war schon fast Mitternacht, als wir endlich an seinem Elternhaus ankamen. Wir waren aber nicht allein, denn Caruso, der offensichtlich auch noch die Straßen unsicher machte, war uns begegnet. Auch er erinnerte mich daran, dass ich eigentlich im Haus seines Frauchens und Herrchens noch etwas zu erledigen hatte. Das Kling-Klingeling-Kling-Klang seiner Schelle kannte ich sehr wohl. „Hallo, Kätzchen.“, begrüßte ihn David. „Min-Mang!“, antwortete Caruso in alt gewohnter Weise. „Ach Betsy, übrigens, was ist ein Klingone mit einer Schelle um den Hals?“, wollte David wissen. „Ich weiß es nicht.“, antwortete ich. „Na, das ist doch ganz leicht.“, schmunzelte er zurück. „Ein Klingelgone.“ Ich lachte.

Mr. Handerson, ein Mann von durchschnittlicher Größe und Figur mit schwarzen Haaren und ebensolchem Schnurrbart, öffnete die Tür, nachdem ich die Sprechanlage betätigt und uns so zu sagen ausgewiesen hatte. „Gut, dass Sie meinen Sohn hergebracht haben, Allrounder.“, sagte seine sonore Stimme. „Gern geschehen, Mr. Handerson.“, entgegnete ich. David schob sich zwischen seinen Vater und mich. „Du brauchst keine Angst zu haben.“, flüsterte er und griff fest meine Hand. „Mein Dad ist ein ganz lieber.“ „Warum sagst du so etwas, David.“, wollte Mr. Handerson von seinem Sohn wissen. Dabei sah er ihn streng an. Ich bekam das starke Gefühl, dass ich eingreifen musste, denn es war wohl besser, dass ich die Wahrheit sagte, als wenn der Kleine vielleicht auf Grund eines Missverständnisses Ärger bekam. „Ich habe Angst vor Telepathie, Mr. Handerson. Ihr Sohn meinte Wohl, mich beschützen zu müssen.“ Meine Einlassung entlockte ihm ein mildes Lächeln. „Ach.“, machte er tröstend. „Das geht vielen Nicht-Telepathen so. Sie sind allerdings die erste Sternenflottenoffizierin, bei der mir das untergekommen ist. Aber dafür gibt es ja heute hilfreiche Einrichtungen.“ Musste er mich jetzt daran erinnern?

Er drehte sich wieder in Richtung Innenraum und rief: „Diana, komm mal bitte her, David ist wieder da!“ Die Wohnzimmertür öffnete sich und eine blonde langhaarige Terranerin in meiner Größe kam in den Flur. Sie sah müde aus, denn sie musste die halbe Nacht gewartet haben. „Herr Gott, ihr seht aus wie die Schweine.“, lautete ihr erster Kommentar, als sie David und mir ansichtig wurde. „Wie die Marzipanschweine.“, korrigierte das Kind. „David.“, flüsterte ich peinlich berührt. David war offensichtlich durch den leicht marzipanigen Geschmack der Sommerfrucht darauf gekommen. „Ist doch nicht schlimm, Darling.“, besänftigte Mr. Handerson seine Frau. „Irgendein Schlauberger hat mal Wasser und Seife erfunden.“ Ich musste lachen. „Sind Sie sicher, dass Sie keine Celsianer in der Familie haben, Mr. Handerson?“, fragte ich scherzend. „Na ja, da war mal was zwischen meinem Urgroßvater und ’ner celsianischen Technikerin auf einem Frachtschiff.“, scherzte er zurück.

„Kommen Sie doch herein.“, flötete mir Mrs. Handerson zu. „Sie können sich bei uns frisch machen.“ Dann wandte sie sich an David. „Du, junger Mann, gehst gleich mit und machst dein Gesicht anständig sauber und dann ab ins Bett. Morgen fängt die Schule wieder früh an.“ David witschte ins Haus. „Tut mir Leid, Mrs. Handerson.“, entgegnete ich auf ihren Vorschlag. „Ich denke, ich sollte Ihnen nicht länger zur Last fallen und lieber nach Hause gehen. Trotzdem danke für die Einladung.“ Damit drehte ich mich fort und ging.

Caruso hatte auf einem Mauervorsprung auf mich gewartet. Jetzt schlich er vor mir her, als wollte er mich nach Hause führen. Wenn immer ich hinter ihm zurückblieb, drehte sich der schwarze Kater nach mir um und machte: „Min-Mang.“ „Ja, ja, Caruso.“, beruhigte ich ihn. „Ich komme ja.“

Plötzlich hörte ich uhrwerkgleiche Schritte, die auf der anderen Straßenseite auf mich zu kamen. Am nächsten Fußweg wechselten sie die Seite und ich erkannte Data. „Was machen Sie denn am völlig entgegen gesetzten Ende der Stadt, Allrounder Betsy?“, fragte er. „Ich muss wohl beim Spazierengehen die Zeit vergessen haben.“, redete ich mich raus. „Kann ja mal passieren.“, meinte der Android. „Meine Frau hat den ganzen Nachmittag auf Sie gewartet.“ „Das tut mir Leid.“, entschuldigte ich mich. „Aber was machen Sie denn hier, Data? Hat Cupernica Sie geschickt um mich zu suchen?“ „Nein.“, entgegnete er. „Ursprünglich war ich auf der Suche nach Caruso. Er ist heute auch nicht nach Hause gekommen. Aber so sind Katzen nun mal. Es sieht aber so aus, als hätte Caruso Sie und ich Caruso gefunden.“ „Ihr beide solltet eine Detektei aufmachen, die sich auf das Aufspüren vermisster Personen spezialisiert.“, scherzte ich.

Data gab einen zwitschernden Laut von sich, worauf Caruso auf seine Schulter sprang und sich wie ein Tuch um seinen Nacken legte. Dann hielt er mir seinen Arm hin. „Habe ich Erlaubnis zum Andocken, Sir?“, scherzte ich. „Natürlich.“, antwortete er gewohnt sachlich.

Nachdem wir eine Weile gegangen waren, fragte ich: „Wie haben Sie Caruso das beigebracht, Data. Sagen Sie bitte nicht, Sie seien wochenlang mit Katzenfutter im Hemdkragen herumgelaufen.“ „Das bin ich nicht.“, erwiderte er. „Das wäre ja irgendwann sicher der Gesundheit meiner Mitmenschen und auch der Hygiene in unserem Haus sehr abträglich gewesen. Immerhin ist meine Frau Ärztin und es hätte den guten Ruf ihrer Praxis geschädigt.“ „Oh.“, fiel ich ein. „Das war nicht ganz ernst gemeint. Übrigens, mein Kompliment, dass Sie von Mitmenschen gesprochen haben. Sie müssen einen großen Schritt in Ihrer Menschlichwerdung vorangekommen sein.“ „Danke, Allrounder Betsy Scott.“, sagte Data. „Habe ich wirklich Mitmenschen gesagt?“ Ich nickte. „Das ist mir gar nicht aufgefallen.“, Wunderte er sich. „Aber, um noch einmal auf Ihre Frage zurück zu kommen: Ich habe einfach Carusos Hang zur Schmusigkeit ausgenutzt. Immer, wenn ich sah, dass er im Begriff war, auf meine Schulter zu springen, habe ich dieses Geräusch gemacht. Irgendwann hat er das miteinander verknüpft.“ „Klasse!“, lobte ich. „Ich habe mir Ihre Worte zu Herzen genommen. Erinnern Sie sich noch, als Sie mir mit Spot geholfen haben?“ Ich machte: „Hm.“ „Sie hatten in etwa inhaltlich gesagt, dass man als Katzenhalter ein guter Verkäufer sein muss, wenn man seine Katze zu etwas erziehen will. Man muss es ihr so schmackhaft machen, dass es ihr Spaß macht. Wenn Caruso das Gefühl hat, er kriegt jedes Mal einen Zwitscherer, wenn er mit mir schmust, macht er es noch viel lieber.“ „Genau.“, bestätigte ich lächelnd.

Ich erkannte die Tür meines Hauses, vor der Data mich abgesetzt hatte. „Aber ich muss doch zu Cupernica.“, sagte ich irritiert. „Morgen ist auch noch ein Tag. Cupernica wird Ihnen verzeihen, denke ich. Sie weiß sicher auch, wie schwierig es ist, eine Angst zuzugeben.“ Dann ließen Caruso und Data mich allein.

Joran war an diesem Tag sehr unkonzentriert. Zirell hatte ihn zwar mit IDUSA auf Patrouille geschickt, aber das Schiff erhielt seltsame undefinierbare Signale von ihm. „Soll ich auf Automatik gehen, Joran?“, fragte IDUSA mit einem fast mitfühlenden Ton. „Ist schon gut, IDUSA“, antwortete Joran. „Du musst dir keine Sorgen machen.“ „Dessen bin ich mir nicht sicher.“, widersprach die künstliche Intelligenz. „Sie verhalten sich sehr merkwürdig. Sonst sind Sie so pflichtbewusst und wachsam, dass sich sogar ein klingonischer General da noch eine Scheibe von abschneiden könnte und heute kann ich Ihre Gedankenbefehle kaum verstehen. Ich bezweifle ernsthaft, dass wir in einer Gefahrensituation so bestehen können.“ Natürlich wusste Joran, dass sie ihn ertappt hatte. Er sah ein, dass weiteres Leugnen keinen Zweck hatte. Er drehte sich zum Computermikrofon, das IDUSA für den Fall, dass sich mal jemand mit ihr verständigen müsste, dessen Neurotabelle sie nicht hätte oder der keinen Neurokoppler aufsetzen wollte, immer aktiviert hatte und sagte: „Antrieb aus und Ankerstrahl setzen, IDUSA!“ Das Schiff folgte seinen Befehlen.

Minutenlang hatten sie nun schon dieselbe Stelle im Weltraum umkreist, ohne dass Joran auch nur die geringsten Anstalten gemacht hatte, IDUSA zu berichten, wo ihn denn nun der Schuh drückte. Sicherlich wusste das Schiff, dass es für Vendar-Krieger schwierig war, ein Problem zuzugeben. Aber sie hatte eigentlich immer den Eindruck gehabt, dass Joran eher einer von der Sorte war, die auch mal die Effizienz über den falschen Stolz stellen konnte.

IDUSA ließ ihren Avatar lächeln und sich zu Joran drehen. „Was haben Sie denn nun für ein Problem, Joran?“, fragte sie freundlich. „Es ist die Föderation, IDUSA.“, begann der Vendar. Am Frequenzschema seiner Stimme, das etwas vom Üblichen abwich, konnte IDUSA erkennen, dass er wohl mit dem momentanen Verhalten der Föderation ziemliche moralische Bauchschmerzen haben musste. „Was haben die schon wieder angestellt?“, wollte sie wissen. „Sie haben gegenüber der Zusammenkunft und auch gegenüber Anführerin Zirell gesagt, dass sie einen großen Sieg gegen Sytania errungen hätten. Aber ich kenne meine ehemalige Gebieterin und weiß, dass sie durchaus in der Lage wäre, diesen Sieg in eine Niederlage umzumünzen. Im Moment mag die Föderation durch das Schicken der falschen Sonde eine Kampfpause erreicht haben. Aber es würde mich nicht wundern, wenn dies eines Tages auf uns zurückkommt und uns Sytania mit unseren eigenen Waffen schlägt.“ Joran ahnte nicht, wie Recht er noch haben sollte.

Im Tembraâsh, einer fremden Dimension, schritt ein alter Vendar über eine große Grasebene. Es handelte sich um Tabran, Jorans alten Lehrer. Erst vor kurzem hatte die Wächterin ihn nach Tembraâsh geholt.

Tembraâsh ist im Prinzip eine Art Altersheim für Vendar. Mit ca. 180 bis 200 Jahren werden Vendar praktizierunfähig, das bedeutet, die Sifa bildet sich zurück. Dann können sie keine Energiefelder mehr tragen. Damit sie vor Nachstellungen geschädigter Telepathen oder auch der Feinde ihres ehemaligen Gebieters sicher sind, hat irgendwann vor Millionen von Jahren ein mächtiges Wesen beschlossen, sie alle in eine gemeinsame Dimension zu bringen, in der sie frei und ohne Restriktionen leben können. Hier können sie wieder ein Volk sein und müssen sich nicht mehr feindlich gegenüberstehen, nur weil ihre Gebieter dies tun. Nicht mehr praktizierfähige Vendar wurden vor dem Eingriff dieser Mächtigen, die alle als die Wächterin bezeichnen, einfach von ihren Gebietern getötet. Dies wollte sie auch nicht mehr mit ansehen. Die Wächterin verbirgt ihre Dimension vor Schiffssensoren und interdimensionalen Antrieben. Nur, wenn sie es erlaubt, oder einen Kandidaten abholt, ist die Dimension kurz zu sehen. Tembraâsh bedeutet übrigens: verborgenes Reich.

Tabran war sehr aufgeregt, als er dem Felskessel, in dem er einst von allen begrüßt worden war, immer näher kam. Er war gerade 190 geworden und hatte ein graues schütteres Fell bekommen. Auch seine sonstige Erscheinung war stark vom Alter gezeichnet. Sein Gang war langsam und schlurfend geworden. Sein ehemals muskulöser Körper war dürr und knochig. Auch seinen Rücken hatte das Alter stark gebeugt. Nur sein Gedächtnis hatte den alten Vendar nicht im Stich gelassen. Genau erinnerte er sich an die alte Weisheit, die er auch allen seinen Schülern auf den Weg gegeben hatte. „Merkt euch: Krankheit, Alter und Tod, diese drei, sind die einzigen, denen sich ein Vendar-Krieger geschlagen geben muss.“, hatte er immer gesagt.

Ständig wiederholte Tabran die Worte, die die Anderen auch bei seiner Ankunft gesprochen hatten und die die Wächterin ihm auch noch einmal beigebracht hatte: „Sei gegrüßt, Neuankömmling. Fürchte nichts, denn du bist frei. Hier sind wir ein Volk, hier gibt es keine Feindschaft.“

Tabran erblickte die Anderen, die bereits dicht gedrängt um den Felskessel herumstanden. In seiner Mitte stand die Wächterin. Eigentlich war sie ein Energiewesen, das die Gestalt wählen konnte, die es wollte. Sie bevorzugte es aber, unter den Vendar als ihresgleichen aufzutreten. „Komm zu mir, Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran, Ehemann von Sumach.“, wendete sich die Wächterin an ihn. Tabran folgte der Aufforderung und stellte sich, wie es ihm die Wächterin anzeigte, an deren rechte Seite.

Alle übrigen sahen bald ehrfürchtig auf die weiße Wolke, die näher und näher kam und dann schließlich sanft am Boden des Felskessels landete. Sie gab eine alte runzlige Vendar frei, die Mühe hatte, sich vor den Anderen aufrecht hinzustellen. Tabran reichte ihr die Hand. Dabei spürte er ihre knöchernen Finger, aber für ihn war es das schönste Gefühl, das er je hatte. Ihr Gesicht war faltig und fast nackt, ihr Rücken gekrümmt und ihr Mund lächelte ihm zahnlos entgegen. Für ihn jedoch war sie die schönste Frau, die die Götter je erschaffen hatten.

Tabran spürte, wie sein Herz immer schneller schlug. Er bekam einen trockenen Mund und zittrige Knie. „Worauf wartest du.“, erkundigte sich die Wächterin. „Begrüße Shiranach.“ Tabran holte tief Luft, aber das war auch das einzige, was er zustande brachte, denn seine Stimme zettelte mit seinem Großhirn eine gemeinsame Revolte an und das hatte zum Ergebnis, dass er einfach nur mit offenem Mund da stand. Mit aller Gewalt versuchte er, die zeremoniellen Worte aus seinem Mund zu zwingen, aber vergeblich. Er konnte nur ein verschämtes: „Vergib mir.“ flüstern. „Ich vergebe dir.“, erwiderte die Alte. „Es geht mir ja genau so.“ Bevor Tabran fragen konnte, zog sie ihn an sich. Ihre zahnlosen Münder berührten einander zu einem langen und leidenschaftlichen Kuss. Beide spürten, dass ihre Herzen den Namen des anderen sangen. So nennen die Vendar das, wenn man sich verliebt hat.

Die Wächterin lächelte ihnen mild zu und übernahm die Begrüßung selbst. Dann löste sie mit einem Fingerzeig die Versammlung auf und verschwand in einem weißen Blitz.

Der Computer meines Hauses weckte mich bereits um fünf Uhr. Ich hatte keineswegs vor, den Termin bei Cupernica ein zweites Mal zu vergessen. Ich wusste, jetzt würde definitiv noch niemand in der Praxis sein, aber, wenn ich gleich die erste Patientin wäre, könnte ich vielleicht mein Versäumnis von gestern korrigieren.

Ein kurzes Frühstück und dann aus der Tür. Hier erwartete mich bereits Caruso. „Na, Katerchen.“, flüsterte ich ihm zu, nachdem ich mich zu ihm gebückt und sein weiches schwarzes langes Fell gestreichelt hatte. Schnurrend strich er um meine Beine. „Du willst mich wohl abholen.“, grinste ich, bevor wir beide zum Nebengrundstück liefen.

Wo die Tür zu den Praxisräumen war, wusste ich. Zwar hatte ich das Haus meistens durch die private Tür betreten, da Cupernica, Data und ich uns gut kannten, jetzt aber war mein Belang eher dienstlicher bzw. gesundheitlicher Natur.

Durch die weiße Tür mit den roten Glasscheiben, die eine Vertäfelung wie in einem alten Gutshaus darstellen sollten, kam ich in den Flur. Der lange schmale Flur war sehr orientierungsfreundlich. Ich konnte mich sowohl links als auch rechts an der Tapete mit Tiermotiven, die eine Farm darstellten, entlang tasten. Meine Aufmerksamkeit ging verstärkt auf meine rechte Hand. „Bei den Kühen geradeaus rüber.“, hatte mir Oxilon, Cupernicas Assistent, ein Talaxianer, geraten, damit ich die Anmeldung leichter finden würde. Oxilon war ein Freund einfacher Lösungen und verstand gar nicht, weshalb viele erst dicke Bücher wälzen mussten, um unsereins etwas beizubringen.

Ich hatte seinen Rat beherzigt und stand nun vor dem aus repliziertem weißen Marmor bestehenden Tresen, den eine weiche blaue Filzschicht vor Kratzern und Fingerabdrücken schützte. „Summ-Klick.“, schob die Elektronik die weiße durchsichtige Scheibe, die mich vom Inneren des Anmeldungshäuschens trennte, zurück. „Da sind Sie ja.“, lächelte Oxilon mir zu. „Tut mir Leid, Medical Assistant.“, setzte ich an, aber er fiel mir ins Wort: „Keine Entschuldigungen, Allrounder. Hier wird Ihnen nicht der Kopf abgerissen. Cupernicas Firmenpolitik lässt das ohnehin nicht zu. Sie sagt, dass man gerade bei Angstpatienten nicht gleich mit der schriftlichen Keule kommen darf und eine sonstige Strafe haben Sie auch nicht zu erwarten. So, jetzt setzen Sie sich erst mal ins Wartezimmer und dann hole ich Sie rein, sobald ich meiner Vorgesetzten Bescheid gegeben habe.“ „Danke, Oxilon.“, erwiderte ich erleichtert. Dann scherzte ich: „Wie war das noch? Beim Hofhund gleich links, oder?“ „Richtig.“, sing-sangte er zurück. Dann schloss sich die Scheibe wieder.

Im Wartezimmer, einem großen hellen Raum mit weichen bunten Wandbehängen, ließ ich mich erleichtert in eine der großen knautschigen gelben Sitzmuscheln sinken, die rund um eine Gruppe aus zehn runden kleinen glatten mehrfarbigen Tischchen gruppiert waren. Auf den Tischchen befanden sich Terminals und daneben lagen Datenkristalle. Ich zog meinen privaten Ohrhörer aus der Tasche und steckte ihn in die dafür ausgewiesene Buchse. Dann legte ich einen der Datenkristalle in das Laufwerk. „Computer, Inhalt des sich im Laufwerk befindenden Kristalls vorlesen.“, befahl ich.

An sich war ich keine Freundin der in ärztlichen Wartezimmern herumliegenden Zeitschriften. Zumindest dann nicht, wenn es sich um Arztpraxen aus meinem Heimatjahrhundert handelte. Die völlig übertriebenen Liebesgeschichten prominenter Persönlichkeiten interessierten mich nämlich (entschuldigt bitte) einen feuchten Romulanerfurz. Wenn man es recht betrachtete, fand ich einen solchen sogar noch spannender. Auch über die völlig überdramatisierten Überschriften konnte ich eigentlich nur lachen. Hier, dachte ich, hier würde alles anders sein. Immerhin war die Chefin Androidin und würde schon dafür aufpassen, dass ihre Patienten nicht so einen Schund lesen müssten, der sich allenfalls zum Stopfen von undichten Türen eignete.

„Über das Phänomen: Telepathiephobie und seine soziologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Von Prof. Jennifer Owens.“, las der Computer. „Verdammt.“, flüsterte ich. „Muss ich gerade einen erwischen, der mich genau an mein Problem erinnert?“

Menach hatte eines der besten Hackprogramme auf die Sonde angesetzt. Tatsächlich war ihr damit der Zugriff auf die Daten gelungen. Die Geheimdienstler hatten dies zwar mit Absicht sehr leicht gestaltet, dennoch war sie stolz auf sich.

Cirnach ging an Menachs Arbeitsplatz vorbei. „Ausbilderin.“ Die Ansprache ihrer Novizin ließ Cirnach umkehren. „Was gibt es, Menach?“, fragte sie zwar freundlich, dennoch konnte sie ein gewisses verbrecherisches Grinsen nicht vermeiden. „Ich habe Zugriff auf den Inhalt der Sonde erlangt.“, verkündete Menach. „So so.“, erwiderte Cirnach. „Hast du das. Lass mich sehen!“ Die Novizin nickte und machte den Platz am Monitor für ihre Ausbilderin frei. „Interessant.“, stellte Cirnach fest, nachdem ihr Blick, wie vom Geheimdienst beabsichtigt, auf ein völlig veraltetes Bauschema eines Raumschiffes gefallen war, das aber lediglich ein Lockhäppchen war. „Spiele den Inhalt der Sonde auf ein Pad und gib es mir!“, beorderte Cirnach die Jugendliche. „Die Föderation wird sich noch wundern.“

Eng umschlungen saßen Tabran und Shiranach am Grund des Felskessels. Die Anderen waren lange gegangen. Oh, wie gut es doch tat, einander zu halten, zu herzen und zu küssen. Weder Tabran noch Shiranach fanden die richtigen Worte. Deshalb strichen sie sich auch nur zärtlich durch das nicht mehr ganz so üppige Fell.

Stunden mussten vergangen sein, ohne dass sie auch nur ein Wort gewechselt hatten. Der Mond war längst aufgegangen und Tabran fand, dass er sich lieblich in Shiranachs Augen spiegelte. Er wollte diesen Augenblick mit aller Macht festhalten. Nie wieder sollte er aus seinem Gedächtnis entwischen können.

Er rutschte so nah an sie heran, dass seine Lippen mit ihren Ohrpinseln zu spielen begannen. Shiranach gab einen Laut des Gefallens von sich und kraulte ihm dafür den Nacken.

Plötzlich spürten beide die erneute Anwesenheit der Wächterin.

Auch im hohen Alter können Vendar Telepathen noch spüren.

Sie hatte sich dieses Mal in eine Wildkatze verwandelt und schlich neugierig näher. Erst kurz vor den beiden änderte sie ihre Gestalt wieder in die der jungen kräftigen Vendar, die alle kannten. „Vergib mein Versagen, Wächterin.“, entschuldigte sich Tabran noch einmal. Die Wächterin aber lächelte nur: „Ist schon gut, Tabran. Was passiert ist, ist doch sehr schön.“ „Das stimmt.“, pflichtete er ihr bei. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass mir so etwas noch einmal passiert.“ „Ah so.“, lachte die Wächterin. „Du glaubst also, sich zu verlieben sei das Vorrecht der Jugend. Da irrst du aber, wie du sehr gut am Beispiel von Shiranach und dir sehen kannst. Lass Shiranach am Besten bei dir wohnen. Ihr solltet jetzt auch ins Warme gehen. Die Nacht wird sicher noch sehr frostig.“ Damit verschwand sie erneut.

Tabran nahm Shiranach bei der Hand und beide standen behäbig auf. Der alte Vendar wusste, wenn die Wächterin etwas sagte, trat es auch ein. Das lag nicht zuletzt daran, dass es sich bei ihr ja schließlich um ein omnipotentes Wesen handelte.

Eine Weile lang waren die zwei Frischverliebten im taunassen Gras unterwegs gewesen. Als Orientierung zu seinem Haus benutzte Tabran einen Flusslauf, dessen Wasser ihnen kristallklar schimmernd den Weg wies.

Immer, wenn die beiden eine Pause machten, schaute Shiranach auf die Wasseroberfläche. Tabran gefiel das Spiegelbild ihres Gesichtes, das er, wenn er auch dorthin sah, gut sehen konnte. Je nach Lichteinfall spiegelten sich sogar beide Gesichter nebeneinander. Tabran war eigentlich nicht als romantische Seele bekannt, aber jetzt wünschte er sich, er würde mit Shiranach genau so auf diesem Fluss hinfort ziehen, wie es ihre Spiegelbilder beim Kräuseln des Wassers taten. Jetzt sah er ohnehin alles durch eine rosarote Brille.

Shiranach hatte eine glänzende Muschel erspäht, die auf der Sandbank auf der anderen Flussseite lag. Sie hatte die Form eines Herzens. „Leider kann ich nicht mehr schwimmen. Meine Knie tun schon zu weh.“, sagte sie traurig. Tabran ließ ihre Hand los und sagte: „Warte hier auf mich.“ Dann ging er ins Wasser und holte tatsächlich die Muschel. Shiranach strahlte, als hätte er ihr gerade ein Königreich zu Füßen gelegt. Plötzlich überkamen sie jedoch Schuldgefühle. „Die Strömung ist ziemlich heftig an diesem Ort.“, begann sie. „Was wäre gewesen, wenn du …“ „Sch, ruhig, Telshanach.“, beschwichtigte Tabran sie. „Ich bin sicher, die Wächterin hätte nicht zugelassen, dass mir etwas geschehen wäre.“ „Glaubst du, die Wächterin hat das mit uns …“, flüsterte Shiranach. „Wer weiß.“, mutmaßte Tabran. „Manchmal sind ihre Wege unergründlich.“

Sie gingen weiter und ließen den Fluss hinter sich. In der Ferne konnte Shiranach ein einfaches kleines Haus erkennen. Nach einigen weiteren Schritten überquerten sie die Türschwelle. Nachdem sie auf zwei braunen Sitzkissen Platz genommen hatten, fragte Tabran nachdenklich: „Ich weiß ja eigentlich nichts weiter über dich als deinen Namen, Telshanach. Woher kommst du? Wem hast du gedient?“ Shiranach schluckte. Sie wollte erst nicht raus mit der Sprache, denn sie befürchtete, dann seine Liebe zu verlieren. Sie wusste, dass er Sytania gedient hatte.

Nach einer ganzen verschwiegenen Weile flüsterte sie fast ängstlich: „Ich diente Dill von Zeitland.“

Über Tabrans Reaktion war sie sehr erleichtert aber auch überrascht. Er zog sie zu sich heran und küsste ihre Augen. „Du liebe kleine einfältige Närrin.“, schmeichelte er. „Hast du wirklich geglaubt, die Feindschaft unserer Gebieter hätte hier noch eine Bedeutung? Erinnerst du dich noch an die Worte, die zu deiner Begrüßung gesprochen wurden?“ Shiranach nickte. „Diese Worte sind nicht nur leere Phrasen.“, erklärte Tabran. Sie ließ sich in seine Arme sinken und so verbrachten sie den Rest der Nacht bis zum Morgengrauen.

Jenna und Joran trafen sich nach getaner Arbeit vor ihrem gemeinsamen Quartier. Zwar kannte Jenna seinen Dienstplan, war aber überrascht, dass er schon so früh wieder zurück war. „Die Patrouille war wohl nicht sehr erfolgreich.“, nahm sie an. „In der Tat nicht.“, bestätigte der müde aussehende Vendar. „IDUSA hat Zirell gebeten, uns früher freizustellen. Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren.“

Sie durchschritten die Tür. Jenna ließ seinen letzten Satz noch lang in ihrem Gedächtnis nachhallen, bevor sie nachhakte: „Was ist denn der Grund dafür? Das kennt man ja von dir gar nicht.“ „Es ist die Föderation, Telshanach. Kannst du mir erklären, warum sie so naiv sind?“ Jenna legte den Kopf in beide Hände und machte ein nachdenkliches Gesicht. Dann sagte sie: „Tut mir Leid, Joran, das weiß ich auch nicht. Ich habe noch nicht mal eine Theorie, aber das liegt vielleicht daran, dass ich mit sozialen Problemen nicht so gut bin wie mit Problemen von Computern.“ Sie hatte nicht die geringste Vorstellung davon, wie sehr sie sich noch irren sollte.

Owens Artikel war doch nicht so trocken, wie es seine Überschrift erst vermuten ließ. Im Gegenteil. Ich erfuhr etwas über einen ihrer Probanden, der Betazed als seine Wahlheimat betrachtete, seine Angst vor Telepathie aber erst dort wirklich entdeckt hatte. Ich erfuhr alles über seine Verhaltensweisen, mit denen er sich gegen scheinbare geistige Angriffe zu wehren versuchte. Irgendwie fand ich mich in diesem Mr. X wieder. Immer wieder dachte ich, dass dies auch ich sein könnte.

Jemand tippte mich an. „Kommen Sie, Betsy, Sie sind dran.“ Ich nahm den Ohrhörer heraus und erkannte Oxilons Stimme. „Sehr witzig, Medical Assistant.“, gab ich zurück. „Ich bin die einzige Patientin hier im Wartezimmer. Wer außer mir sollte denn dran sein?“

Bevor Oxilon antworten konnte, hörten wir beide Cupernicas Stimme: „Führen Sie sie in den Wintergarten, Assistant. Hier habe ich selbst bereits alles vorbereitet und bleiben Sie bei uns. Wie Sie wissen, kann ich ja weder trinken noch essen und es wäre Allrounder Betsy sicher nicht recht, wenn sie allein vor Tee und Gebäck säße.“ „Ja, Ma’am.“, flötete Oxilon zurück und nahm meine Hand.

Derartige Dinge waren in Cupernicas Praxis nichts Ungewöhnliches. Sie behandelte jeden Angstpatienten so, vorausgesetzt, der hatte nicht gerade Angst vor Tee und Kuchen. Cupernica fand, dass sie so eine Atmosphäre schaffen könne, in der die Patienten sich wohl fühlten und dann leichter über ihre Probleme reden würden. Oxilon war mit seiner Rolle als Alibi-Esser sicher auch zufrieden.

„So, Betsy, jetzt geht es eine kleine Stufe abwärts und dann stehen Sie schon vor Ihrem Stuhl.“, erklärte Oxilon, als wir den Wintergarten betreten hatten. Dann sagte er: „Computer, verdunkeln.“ Alsbald schoben sich von außen undurchsichtige Scheiben vor die eigentlichen Glasscheiben, die so konzipiert waren, dass man zwar von innen nach außen aber nicht umgekehrt schauen konnte.

Meine Hand glitt an der weichen Lehne des Sessels entlang, zu dem mich Oxilon gebracht hatte. Der Bezug war aus weichem seidigem Stoff mit bunten Blumenmotiven, wie Oxilon mir beschrieb. Als ich auf dem Sitzkissen angekommen war, richtete sich plötzlich etwas darin auf und gab ein erschrecktes „Quietsch!“ von sich. „Oh, Fredy.“, sagte ich beruhigend, nachdem ich mein Herz, das mir vor Schreck in die Hose gerutscht war, wieder gefunden hatte. „Was machst du denn hier? Fast hätte ich mich auf dich gesetzt!“ Damit nahm ich den Tribble, der Cupernicas Haustier war, behutsam hoch und setzte ihn, nachdem ich mich selbst gesetzt hatte, auf meinem Schoß ab. Fredy schnurrte, schmiegte sich an mich und schlief ein.

Wenig später betrat auch Cupernica den Ort des Geschehens. „Ach nein!“, rief sie aus. „Das ist ja wirklich niedlich. Fredy muss gespürt haben, dass es Ihnen nicht gut geht. Jetzt habe ich einen Beweis für die Platonier.“ „Was meinen Sie damit, Cupernica?“, fragte ich irritiert. Wahrscheinlich war Cupernica auf eine bestimmte Art froh darüber, dass sie ein unverfängliches Einstiegsthema gefunden hatte. Sie konnte zwar keine Freude empfinden, aber sicher fand sie es effizienter, dass wir zunächst über etwas Alltägliches plaudern konnten, bevor es ans Eingemachte gehen würde. Meine Zunge wäre dann leichter und ich könnte sicher befreiter über das eigentliche Thema reden. „Nun.“, erklärte sie. „Data und ich wollen Fredy und Caruso zu Therapietieren ausbilden lassen. Die Platonier haben da sehr gute Methoden. Ich habe bereits mit einer Ausbildungsstätte Kontakt aufgenommen. Sie wollten aber einen Beweis für das Talent der zwei Fellknäule, bevor sie ihre Trainerin schicken würden.“ Damit zog sie ihr Sprechgerät aus der Tasche und photographierte die Szene, um sie an das platonische Rufzeichen zu senden. Auch Caruso hatte sich dazugesellt und jetzt hatte ich zwei kuschelige pelzige Tröster, die mir das Gespräch allein durch ihre Anwesenheit sehr erleichtern würden.

Oxilon stellte einen Teller mit Gebäck vor mir ab. Danach folgte eine große Tasse mit demetanischem Sommerfruchttee, den ich so sehr mochte. Nachdenklich betastete ich den Inhalt des Tellers und versuchte, diesen in die Mitte des Tisches zurück zu schieben, nachdem ich mir einen Marzipankeks genommen hatte. „Nein, nein, Betsy, das ist alles für Sie.“, berichtigte mich Oxilon. „Wir haben Ihnen nur einen eigenen Teller gegeben, damit Sie sich nicht immer auf dem großen Ding in der Tischmitte orientieren müssen.“ „Sehr großzügig.“, antwortete ich höflich.

 

Der Phobie Kern

von Visitor

 

Cupernica setzte sich mir gegenüber hin. Die etwas schmächtig anmutende 1,70 m große Androidin zog ein Pad und erklärte: „Nun, Betsy, um Ihre Angst kategorisieren zu können, muss ich Ihnen einige Fragen stellen. Später machen wir noch ein paar Tests. Ich habe vor, Sie ins Therapiezentrum nach Betazed zu überweisen, wenn wir hier durch sind. Also, hören Sie genau zu und geben Sie bitte ehrliche Antworten. Geben Sie die Antwort, die Ihnen zuerst einfällt.“ Ich nickte. „OK, fangen wir an.“, sagte sie und las vor: „Sie sind mit jemandem ins Gespräch gekommen und während Ihrer Plauderei sagt er Ihnen, dass er Telepath sei. Was Ist Ihre erste Reaktion?“ „Ich suche nach dem Hypor mit dem zellaren Peptidsenker.“, rutschte es mir heraus. Gleich darauf gab ich einen verschämten Laut von mir. „Alles in Ordnung.“, beschwichtigte mich Oxilon. „Je ehrlicher Sie sind, desto besser kann man Ihnen helfen.“ Unbeeindruckt fuhr Cupernica fort: „Sie gehen auf einem Planeten voller Telepathen über eine Straße und einer berührt Sie. Sie haben Ihre Waffe mit Rosannium-fähiger Fokussionslinse bei sich. Würden Sie sie benutzen?“ „Ja!“, entflog es mir. Dann schrie ich außer mir: „Oh, Gott, was bin ich für ein Monster!!!“ Als wollten Fredy und Caruso dies mit aller Macht verneinen, schnurrten sie laut auf und kuschelten sich noch stärker an mich. „Sie sind kein Monster.“, tröstete Oxilon. „Sie haben nur Angst. Aber das wollten wir ja auch provozieren.“

Mit einem Wink schickte Cupernica ihren Assistenten zurück in die Praxis. Hier sollte Oxilon nun die Tests vorbereiten. „Bereiten Sie die gesichtslosen Puppen so vor, dass die männliche Puppe eine Vulkanier-Maske und die weibliche eine terranische Maske trägt. Dann holen Sie auch noch das übrige nötige Zeug. Sie wissen schon.“, hatte sie ihm gesagt. „Aber.“, mischte ich mich ein. „Es gibt doch auch noch andere Telepathen außer den Vulkaniern.“ „Das stimmt.“, bestätigte sie. „Aber dann können Sie den Telepathen besser taktil von sich unterscheiden.“

Nachdem sie mich wenig später in die Praxis geführt hatte, forderte sie mich auf, mir die Szenerie zunächst anzusehen. Tastend ging ich um den Tisch, an dem die Puppen saßen. Beide trugen Zivilkleidung. Die Frau ein buntes luftiges Sommerkleid, der Mann, zugeknöpft, wie sich die Vulkanier eben meistens geben, einen schwarzen Anzug. Neben der Frau auf dem Boden stand ein offener Koffer mit allerlei Sachen. „Sehen Sie sich den Inhalt des Koffers an.“, wies Cupernica mich an. „Packen Sie ruhig aus und fragen Sie, wenn Sie etwas nicht einordnen können. Merken Sie sich genau, wo Sie welchen Gegenstand hinlegen, denn Sie werden die Sachen gleich noch brauchen.“

Ich zog eine mit Bleischnüren durchflochtene Haube aus dem Koffer. Dann folgte ein Hypor, in dem sich in unserem Rollenspiel zellarer Peptidsenker befinden sollte. Wirklich war er allerdings leer. Ähnlich verhielt es sich mit dem Phaser. Der hatte auch weder eine echte Fokussionslinse noch eine Energiezelle.

„Sind Sie bereit?“, fragte Cupernica nach einer Weile. Ich nickte. „OK, fangen wir an.“ Über eine Fernsteuerung ließ sie die Puppen in die gewünschte Stellung gehen. „Gehen Sie hin und fühlen Sie.“, erklärte sie weiter. Ich tat, was sie mir soeben aufgetragen hatte. Die Puppen saßen mit den Gesichtern zueinander und der Mann hatte die Hand nach dem Kopf der Frau ausgestreckt. Ich nahm die Bleihaube und zog sie ihr über den Kopf. An meinem Gesicht musste Cupernica gesehen haben, dass ich mich noch sehr beherrschte, denn ich hatte das harmloseste Mittel gewählt. Die Stellung der Puppen änderte sich nicht. „Denken Sie daran, die Frau sind Sie.“, erinnerte mich Cupernica. Ich nahm den Hypor und setzte ihn an der rechten Ellenbeuge der Frau an. Immer noch tat sich nichts. „Ihre Gedanken sind immer noch in Gefahr.“, sagte Cupernica. Ich hob den Phaser auf und wollte ihn in die Hand der Frau legen, hielt mich dann aber zurück, denn ich erkannte, dass ich ihn damit durchaus töten könnte. Eine Rosanniumsalve direkt ins Gehirn tötet jeden Telepathen auf der Stelle. „Ich will aufhören!!“, schrie ich. „Ich kann doch nicht … Ich darf doch nicht … Nein, nein … Bitte, halt!!!“ Ich bekam einen Weinkrampf. Oxilon stürzte hinzu und nahm mich fest in den Arm. So führte er mich aus dem Raum.

Wieder auf dem Sessel im Wintergarten gesellten sich gleich auch wieder die Tiere zu mir. „Maaang.“, jammerte Caruso, als er sich auf meinem Schoß niedergelassen und das Häufchen Elend, das ich jetzt war, in Augenschein genommen hatte. „Quietsch!“, bestätigte Fredy seine Äußerung und man konnte fast meinen, er hätte etwas Empörung in seiner Stimme. „Ja, ihr Süßen.“, schmeichelte Oxilon. „Die Betsy hat Angst.“

Cupernica kam hinzu und setzte sich neben mich. „Es tut mir Leid.“, entschuldigte sie sich. „Aber ich musste wissen, woran ich bei Ihnen wirklich bin. Eine Frage zu beantworten oder etwas wirklich zu tun sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Der Beantwortung der Fragen nach sind Sie Kategorie fünf, das heiß unheilbar und dürften mit Telepathen gar nichts zu tun haben. Die Tatsache, dass Sie ihn aber letztendlich doch nicht getötet haben, macht Sie zu einer so genannten Kat. drei. Das Bedeutet, ihnen kann man helfen. Oxilon, bereiten Sie die Überweisung vor.“

Wütend stapfte Cirnach den Gang zu Sytanias Thronsaal entlang. Ihre Augen waren auf das Pad in ihrer linken Hand gerichtet. Ihre rechte Hand bediente ständig ein Tastenfeld mit Vendar-Symbolen, mit denen sie einen Cursor durch die feinsäuberlich vom Geheimdienst nach Themen geordneten Märchen und Sagen wandern ließ. „Nichts als Geschichten.“, murmelte sie vor sich hin. „Die Föderation hat uns …“

Das Klicken einer Energiewaffe neben sich ließ Cirnach aufhorchen. Fast im gleichen Augenblick hörte sie eine sehr vertraute Stimme von der anderen Seite, die den wohl etwas übereifrigen Wächter zurückpfiff. „Das ist meine Frau, du Narr. Senke sofort deine Waffe, sonst lasse ich persönlich deinen Kopf rollen!“ Der Wächter, ein junger gerade der Ausbildung entsprungener Krieger, ließ die Waffe wieder in seinen Gürtel sinken und machte eine beschwichtigende Geste in Richtung Telzan, dessen Stimme er sehr wohl erkannt hatte. „Na schön.“, sagte Telzan mit hartem Gesicht. „Noch ein einziges Mal vergebe ich dir. Aber schau gefälligst beim nächsten Mal hin, bevor du schießen willst. Sonst …“ Er machte aus seiner linken Hand eine Art Faust, die aber mehr einem Kopf ähnelte und bildete aus Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand eine Art Schwertspitze, die er dann unterhalb der anderen Faust entlang führte. „Kommt nicht mehr vor, Anführer.“, gab der Jugendliche kleinlaut zurück. „Ich dachte nur, dass der Veshan, Joran, sich vielleicht hier …“ „Unsinn!“, schalt ihn Telzan. „Der hat sich doch wie eine feige Ratte im Schoß der Tindaraner verkrochen. Den sehen wir so schnell nicht wieder! Und jetzt marsch zurück in die Reihe mit dir!“ Ein derart rüder Umgangston war bei den Vendar normal. Zumindest wenn Männer unter Männern oder Frauen unter Frauen waren. Zwischengeschlechtlich konnte die Sprache je nach Situation aber auch ganz anders sein.

Telzan drehte sich zu Cirnach, die fast ehrfürchtig vor der Tür des Thronsaales wartete. Sein Gesicht schmolz zu sehr weichen Zügen, als er näher an sie herantrat. „Was hast du herausfinden können, Telshanach?“, fragte er und strich ihr liebevoll über ihr pechschwarzes Fell. „Die Föderation hat es doch tatsächlich geschafft, uns hereinzulegen.“, fauchte Cirnach zurück holte aus und wollte das Pad gegen die Wand werfen. Telzan hielt ruhig, aber bestimmt ihre Hand fest. „Lass los!“, schrie Cirnach. „Ich will diesen Schmutz ein für alle Mal loswerden!“

Telzan griff ihr Handgelenk fester und schnappte mit der anderen Hand ihren Kopf. Dann drehte er diesen zu sich. „Hör mir zu!“, begann er in einem ziemlich bestimmten, aber auf der anderen Seite auch recht ruhigen Befehlston. „Wir sollten das hier erst mal unserer Gebieterin zeigen. Sytania weiß bestimmt, wie wir die vermeintliche Stärke der Föderation wieder in ihre Schwäche umwandeln können.“

Die Tür des Thronsaales wurde von zwei Leibwachen Sytanias geöffnet. „Sagt den beiden Streitlustigen, sie sollen eintreten!“, keifte die Prinzessin ihnen von ihrem Thron aus hinterher. Auf den Wink der Soldaten betraten Cirnach und ihr Mann den Raum. „Dich brauche ich nicht, Telzan.“, schickte Sytania den Genannten fort. „Aber du, Cirnach, du hast da doch etwas in der Hand. Der Inhalt der Sonde. Habe ich Recht?“ Dabei machte Sytania ein Gesicht wie ein Kind, das gerade seine Lieblingssüßigkeit vorgesetzt bekommen hat. Cirnach ging näher an den Thron, kniete sich vor Sytania hin, küsste ihre Schnabelschuhe und sagte mit gesenktem Kopf: „Tut mir Leid, Gebieterin, aber die Föderation hat uns hereingelegt. Dieses Pad enthält nur Märchen und Sagen, aber keine brauchbaren Informationen. Anscheinend sind die Männer auf das Verwirrspiel mit den Sonden reingefallen.“ „Welche Schmach!“, rief die Prinzessin aus und sprang auf.

„Nun gut.“, fuhr sie fort, nachdem sie eine Weile auf und ab getigert war. „Dein Mann und seine Leute mögen versagt haben, aber das bedeutet ja nicht, dass du es auch musst. Suche in diesen Geschichten nach etwas, das wir vielleicht zum Gegenschlag nutzen können. Ich gebe dir einen Kontaktkelch, mit dem du die Geschicke der Föderation und Tindarias beobachten kannst. Vielleicht findest du ja an Hand dieser Informationen einen Weg.“ „Aber Gebieterin?“, fragte Cirnach fast unsicher. „Wie soll ich in Märchen und Sagen einen Weg finden …?“ „Schweig!“, befahl Sytania. Im gleichen Moment gab es einen schwarzen Blitz und vor Cirnach auf dem Boden stand ein Kontaktkelch. „Geh nach Haus, sieh hin und denk nach!“, fügte Sytania ihrem Befehl hinzu. Cirnach hob den Kelch auf, nahm ihn und das Pad an sich, stand auf und ging mit gesenktem Haupt.

Joran hatte Wachdienst im Kontrollraum der Station. Shimar war im Urlaub auf Tindara und aufgrund seiner mangelnden Konzentrationsfähigkeit war auch Joran im Augenblick nicht für Patrouillenflüge zu gebrauchen. Das bedeutete zwar, dass Zirell im Moment keinen Patrouillenpiloten hatte, aber das war im Augenblick auch nicht so wichtig. Die tindaranischen Streitkräfte bestanden aus genug Soldaten und Zirell hatte der Zusammenkunft, also ihrer Regierung, bereits das Problem geschildert. Man hatte auch schon eine Lösung gefunden.

Joran hörte jenes spezifische Geräusch, mit dem die IDUSA-Einheit der Station das Laden seiner Neurotabelle ankündigte. Er setzte den Neurokoppler auf und fragte: „Was gibt es, IDUSA?“ Das Bild der vor seinem geistigen Auge erschienenen Tindaranerin drehte sich zu ihm und IDUSAs Stimme sagte: „Ihren Werten zufolge sorgen Sie sich um etwas, Joran. Darf ich wissen, was es ist?“ Joran atmete erleichtert auf, als er sagte: „Von mir aus, IDUSA. Hast du in letzter Zeit gesehen, wie sich die Föderation verhält? Sie feiern ein Fest nach dem anderen als hätten sie den Sieg bereits in der Tasche. Aber das ist sicher nicht der Fall …“ „Immer noch die gleiche Sorge also, wegen der Sie sich des Nachts in den Laken wälzen und Jenna fast keine Minute Schlaf gönnen, weil Sie ständig mit ihr darüber diskutieren wollen.“, unterbrach der Stationsrechner ihn mit einem fast einem Kriminalisten würdigen Verhörton. „Aber Sie kennen nun mal Sytania fast 90 Jahre und wissen es besser. Sie wissen, im Gegensatz zu Präsidentin Nugura, dass Sytania sicher schon auf Rache sinnt und im weinseligsten Moment, wenn vor lauter Feiern niemand mehr damit rechnet, heimtückisch und niederträchtig zuschlagen wird.“ „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Na mal sehen, was sich da machen lässt.“, grinste IDUSA.

Auf der Sprechkonsole sah Joran das Rufzeichen der Föderationsregierung aufleuchten. „Was machst du?“, fragte er allarmiert. „Wollen Sie Nugura von Fedaria nun die Meinung sagen oder nicht?“, fragte IDUSA zurück.

Fedaria nennen die Vendar das Universum der Föderation. Präsidentin Nugura ist in Jorans Augen die Königin dieser Dimension und wird, wie andere Herrscher es auch werden, mit dem Plurales Majestates angesprochen.

Eine ganze Zeit lang sah Joran den Versuchen des Rechners zu, eine Verbindung aufzubauen. Nuguras Sekretär verleugnete sie aber immer wieder. Zumindest gewann der Vendar zunehmend einen solchen Eindruck, je länger es dauerte.

Joran war gänzlich entgangen, dass sich die Tür des Kontrollraumes geöffnet hatte und sich eine kleine ihm wohl bekannte Gestalt von hinten näherte. „Hey, Grizzly.“, flüsterte sie, als sie ihm ihre langen Finger in die Seiten piekste. „Shannon O’Riley.“, staunte Joran. „Was machst du denn hier.“ „Och.“, meinte die blonde Irin flapsig. „Ich dachte, ich besuch’ dich mal in deinem langweiligen Job. Was macht denn IDUSA da?“ Joran erzählte ihr alles. Dann fragte er: „IDUSA, was macht meine Verbindung?“ „Es tut mir Leid.“, antwortete der Computer. „Sie lässt sich immer noch verleugnen.“

Joran überlegte eine Weile. Dann sagte er: „Shannon O’Riley, geh zum Kommandosessel und setz dich drauf. Vielleicht reagiert Nugura ja auf eine kleine scheinbare Revolte.“ „Von mir aus.“, brummelte Shannon. „Aber was ist, wenn Zirell das sieht?“ „Dann ist gar nichts.“, zischte Joran zurück. „Und jetzt geh!“ Auf ihrem Weg brummelte Shannon in ihren nicht vorhandenen Bart: „Grizzly, Grizzly, Grizzly, ob der Typ aus meinem Schmöker solche Ideen gehabt hätte, nur um ein Staatsoberhaupt aus dem Dornröschenschlaf zu holen?“

Shannon hatte auf dem Kommandosessel Platz genommen. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, dass Joran grinsend an seinem Bart spielte. Das tat er immer dann, das wusste sie, wenn er etwas im Schilde führte. Gespannt zwinkerte sie immer wieder aufmunternd in seine Richtung. „IDUSA, sobald du Nuguras Sekretär wieder dran hast, verbindest du mit Shannon O’Riley.“, sagte Joran, nicht ohne ein gewisses gemeines Lachen in der Stimme. „Das wird ihn total aus der Bahn werfen, Grizzly.“, grinste Shannon. „Die rangniederste Offizierin der Station sitzt plötzlich auf dem großen Stuhl. Das wird er Nugura erst mal schonend …“ „Shannon!“, IDUSAs warnender Tonfall ließ die blonde Irin in Hab-Acht-Stellung gehen. Die grüne Lampe auf der Sprechkonsole zeigte an, dass der Rechner sie mit Mr. Saron verbunden hatte. „Halli-Hallo.“, flapste Shannon ihm entgegen. „Also, Mister, ich muss ganz dringend die Obermatrone der Föderation ans Rohr kriegen, lässt sich das machen?“ Saron, Nuguras demetanischer Sekretär, schaute konsterniert und ließ beinahe das Mikrofon fallen. Dann fasste er sich aber doch wieder und gab zurück: „Technical Assistant, seit wann kommandieren Sie die tindaranische Basis?“ „Geht Sie normalerweise nix an, Sie männliche SITCH-Mamsell. Aber ich will Ihnen heute mal ausnahmsweise auf ihre neugierige Frage antworten, weil heute Sonntag ist. Es gab ein paar nich’ unwesentliche politische Veränderungen und jetzt stellen Sie mich auf der Stelle da durch, Mister!“

Saron musste aus Versehen die Dauersendefunktion seines Mikrofons aktiviert haben, denn das nächste, das Joran und Shannon hörten war, dass sich Nuguras Bürotür öffnete und Saron stammelte: „Madam President, ich habe Technical Assistant Shannon O’Riley für Sie. Sie kommandiert anscheinend gerade die tindaranische Basis. Ich verstehe das nicht. Sie will dringend mit Ihnen reden. Darf ich verbinden?“ Nugura fiel die Kinnlade herunter und dann fiel sie selbst fast vom Stuhl. Saron replizierte ihr eilig ein Glas Wasser, dessen Inhalt er auf dem Weg noch zur Hälfte verschüttete, half ihr, sich wieder einigermaßen zurechtzurücken, und wiederholte dann: „Darf ich verbinden?“ Nugura räusperte sich, setzte sich gerade hin und sagte: „Geben Sie schon her, Saron. Ich werde ihr schon die Meinung sagen.“ „Mit Verlaub, Madam President, es klang eher so, als wollte sie Ihnen die Meinung …“ „Es ist nicht Ihre Aufgabe, Saron, dies zu beurteilen.“, unterbrach Nugura ihn fast tröstend. „Und jetzt stellen Sie durch.“ Saron nickte, ging an seinen Arbeitsplatz zurück und tat, was Nugura ihm aufgetragen hatte.

Nachdem die Verbindung stabil war, wandte sich Nugura mit folgenden Worten an Shannon: „Technical Assistant O’Riley, was …“ „Commander O’Riley, Präsidentin, ja, so viel Zeit muss sein.“, unterbrach Shannon sie mit betont übertrieben empörter Stimme. Wenn sie jetzt nicht merkte, dass man ihr etwas vorspielte, fand Shannon, konnte man ihr auch nicht mehr helfen. „Also gut, Commander O’Riley.“, berichtigte sich Nugura. „Was wollen Sie von mir?“ „Oh.“, machte Shannon. „Ich will gar nichts, aber der Grizzly, der will Ihnen erklären, dass seine Ex-Gebieterin sicher noch ein paar Asse im Ärmel hat und die sicher noch gegen uns benutzen wird, wenn wir nich’ auf der Hut sind. Machen Sie sich bitte nich’ ins Höschen. Es gab keine Meuterei, aber unsere kleine Aktion hat Sie zumindest aufhorchen lassen. Ich geb’ Ihnen jetzt mal den Grizzly, der erklärt Ihnen den Rest.“ Auf Shannons Stichwort stellte IDUSA das Gespräch an Joran zurück. Der setzte einen ehrfürchtigen Blick auf und sagte: „Vergebt uns bitte, Nugura von Fedaria. Es war alles meine Idee. Aber irgendwie mussten wir doch Eure Aufmerksamkeit bekommen.“ „Schon gut, Joran.“, tröstete Nugura. Sie wusste, dass sie ihn duzen musste, denn so war es bei den Vendar und den Tindaranern gleichermaßen Sitte. Deshalb sagte sie: „Sei unbesorgt, Joran, es ist alles in Ordnung. Du magst Sytania noch aus einer Zeit kennen, in der sie mehr Macht hatte und vor allem moralisch besser drauf war. Aber das ist jetzt nicht mehr der Fall. Sie ist demoralisiert durch unsere Aktion. Ich denke nicht, dass sie in der Lage ist, so schnell einen Vergeltungsplan zu schmieden.“ „Hoffen wir, dass Ihr Euch nicht irrt.“, erwiderte Joran und betätigte die 88-Taste. Da die Vendar sehr direkt sind, fiel es auch Joran schwer, diplomatisch zu bleiben. Er wusste es besser. Er wusste, Sytania würde irgendwann eine Gelegenheit nutzen, um sich für die Schmach mit der Sonde an der Föderation zu rächen. Sie würde es gerade dann tun, wenn niemand damit rechnete. Warum verstand Nugura dies nicht? Die Föderation hatte doch auch schon Erfahrungen mit Sytania. Weshalb?

Joran fühlte eine wohl bekannte weibliche Hand auf seiner Schulter. Er drehte langsam den Kopf und erkannte im schwachen Licht des Kontrollraumes Jenna. „Telshanach, was gibt es denn?“, fragte er überrascht. „Ich suche eigentlich meine Assistentin.“, entgegnete Jenna. „IDUSA sagt, sie sei …“ Sie hatte Shannon erspäht. Leichtfüßig tänzelte sie auf den Kommandostuhl zu. „Das ist ja mal was ganz Neues, Shannon.“, kommentierte sie die Situation, die sie dort vorfand. „Sorry, Jenn’.“, flapste Shannon zurück. „Ohne meinen kleinen Schildbürgerstreich mit dem Kommandowechsel hätte Nugura nie mit uns geredet. Aber, war so wie so rausgeworfene heiße Luft. Nugura glaubt kein Wort wegen Sytania und feiert einfach weiter. Aber, wenn se irgendwann besoffen unterm Tisch liecht, wird se hoffentlich noch mal an unser Gespräch denken, wenn Sytania die Föderation hopp nimmt.“ Joran nickte bestätigend, dann sagte er: „Du sprichst mir aus der Seele, Shannon O’Riley.“

Jenna begann, Jorans Schultern zu massieren. „Du tust mir so Leid, Telshan. Du versuchst alles, um Nugura und die Föderation davon zu überzeugen, wie gefährlich Sytania ist, aber niemand glaubt dir.“ „Oh, Jenn’.“, frotzelte Shannon. „Ob Major Carter dem Typen aus meinem Schmöker auch gleich immer ’ne Massage verpasst hat, wenn irgendeine Regierung ihm irgendwas über den fiesen Apophis nich’ glauben …“

Vergeblich hatte IDUSA versucht, alle Anwesenden auf Zirells Betreten des Raumes aufmerksam zu machen. Hinter ihr ging Maron, der sich zunächst über ihr plötzliches Stehen bleiben wunderte. „Na das sind ja ganz neue Methoden.“, staunte Zirell über die Situation. „Die technische Assistentin kommandiert meine Basis und die Cheftechnikerin macht einen Massagesalon auf. Na ja, macht nichts. So ähnliche Befehle haben wir ohnehin.“ Alle sahen Zirell perplex an. Dann sagte Joran: „Ich vermag dir nicht zu folgen, Anführerin.“

Shannon machte den Platz wieder für Zirell frei, die darauf erklärte: „Na, das ist doch ganz einfach, Joran. Die Zusammenkunft will, dass wir die Föderation beim Wort nehmen. Wenn die meinen, es sei alles in Ordnung, dann ist alles in Ordnung. Wir haben alle Befehl, unseren Vergnügungen nach zu gehen und, sollte Sytania die Föderation doch angreifen, wird es eine ganze Weile dauern, bis sie von uns Hilfe erwarten können, denn wir müssen ja dann schließlich erst mal wieder diensttauglich werden. Bis dahin befehle ich Party bis zum Abwinken oder was ihr sonst so machen wollt.“ Alle verließen den Raum.

Mitten in der Nacht war Tabran erwacht. Er hatte gefühlt, dass der Platz neben ihm auf dem Lager leer war. Wo war Shiranach? Ihr würde doch wohl nichts zugestoßen sein. Er stand auf und ging aus dem Haus. Tatsächlich! Da war ihre Spur. Durch ihr leicht krankes linkes Knie war Shiranach sehr im Gang eingeschränkt und zog das linke Bein hinter sich her. Tabran folgte der Spur und fand seine 200-jährige Freundin bald am Fuß eines Wasserfalles am Flussufer, das ein Teil des Flusses war, dem sie zu Tabrans Haus gefolgt waren. In einiger Entfernung blieb der 190-jährige Vendar-Mann stehen und betrachtete seine traurig dreinschauende Freundin. Wenn er doch nur wüsste, warum sie sich so grämte. Eigentlich hatte er vor gehabt, ihr eine Frage zu stellen, die sie sicher erfreuen würde. Aber jetzt, so fand er, passte das gar nicht.

Tabran sah, wie Tränen über Shiranachs Gesicht rollten. Seine Shiranach, seine fröhliche liebe Shiranach, wie sah sie jetzt nur aus? Was konnte so schlimm sein? Er fasste sich ein Herz und ging näher. Vorsichtig nahm er ihren Kopf in die Hände. Shiranach hatte die Augen geschlossen, denn sie hoffte, so ihre Tränen verbergen zu können. Sie hatte ihn nicht angesehen, aber der ihr wohl bekannte Geruch seiner Hände hatte Tabran verraten.

Tabran kniete sich neben sie und drückte vorsichtig ihren Kopf an seine Brust, bevor er mit leiser mitleidiger Stimme fragte: „Telshanach, was ist dir?“ „Es wird Krieg geben.“, schluchzte die alte Vendar. „Ich habe eine Vision von der Wächterin empfangen. Sie warnt uns alle. Eine zarte Freundschaft wird zerbrechen. Eine verheiratete Frau, ein junger Mann, eine unbeabsichtigte Liebe, oh, Tabran!“ Wieder schüttelte sie ein Weinkrampf. Tabran spürte jede von Verzweiflung heiße Träne auf seinen Händen. Er wünschte, sein Fell könne sie alle aufsaugen und er könne irgendwie ihre Trauer wieder in Freude verwandeln. Er fühlte sich so schrecklich hilflos! Dies war ein Gefühl, welches Vendar-Krieger ohnehin nicht gern hatten, aber am Schlimmsten war es immer dann, wenn sie diese Hilflosigkeit gegenüber ihren Lieben verspürten. Das einzige, was Tabran jetzt noch einfiel war, ihr die Frage aller Fragen doch noch zu stellen. Vielleicht würde es sie ja doch erfreuen. „Durch diese und alle schlimmen Zeiten, aber auch durch gute Tage möchte ich mit dir gehen, Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach.“, setzte er mit dem Brustton der Überzeugung an, nachdem er vorsichtig ihren Kopf wieder ins Gras sinken gelassen hatte und aufgestanden war. Shiranach holte einige Male tief Luft. Dann stand auch sie auf und warf ihre Arme um Tabran. Sie küsste sein Brustfell wieder und immer wider. Tabran hatte langsam den Eindruck, sie wollte jedes Haar einzeln küssen. „Durch diese und alle schlimmen Zeiten, aber auch durch gute Tage möchte auch ich mit dir gehen, Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran, Ehemann von Sumach. Jetzt und für immer da.“ Beide fielen ins Gras und schliefen dort ein.

Über meinen Aufenthalt auf Betazed ließ sich nicht viel berichten, weil er nicht wirklich lang dauerte. Schon nach der ersten Therapiesitzung war mir klar, dass aus Professor Lwaxana Sudor und mir im Punkto Arzt-Patientenbeziehung nichts werden würde. Sie war ein Beispiel an Überheblichkeit, von dem sich sogar ihre bekannte Namensvetterin, zumindest, was den Vornamen anging, noch eine Scheibe hätte abschneiden können. Sie führte ihre Gespräche grundsätzlich telepathisch, was wohl ihre absolute Lieblingsmethode war. Anscheinend setzte sie auf Angstbekämpfung durch Konfrontation. Bei mir war das aber eher kontraproduktiv. Also ging ich am nächsten Morgen mit meiner aldanischen Lieblingskrankenschwester zum Sekretariat und ließ mich dort gegen ärztlichen Rat entlassen.

Wohin sollte ich jetzt gehen? Würde ich nach Terra zurückkehren, würde die ganze Tretmühle wieder von vorn beginnen. Eines stand fest: Ich benötigte dringend einen Tapetenwechsel. Mein Weg führte mich mit öffentlichen Transportmitteln zum Raumflughafen. In der Abflughalle mit den unzähligen Schaltern kam ich mir etwas verloren vor. Erst einmal würde ich eine öffentliche Sprechstelle aufsuchen und Cupernica von der Sache berichten müssen. Sie musste als meine behandelnde Ärztin ja schließlich wissen, dass das mit ihrem tollen Zentrum tierisch in die Hose gegangen war.

Data beantwortete den Ruf, was mich zunächst etwas wunderte, denn ich hatte eigentlich das Rufzeichen der Praxis eingegeben. „Bitte wundern Sie sich nicht, Betsy.“, erklärte mir der Android die Situation. „Der SITCH ist umgeleitet. Meine Frau arbeitet mit Fredy und Caruso. Die Platonierin ist hier und …“ „Verstehe.“, gab ich zurück. „Können Sie Cupernica bitte trotzdem holen, Data? Es ist sehr dringend.“ „Einen kurzen Augenblick bitte, Allrounder.“, sagte Data und hängte das Mikrofon ein, ohne die Verbindung zu beenden.

Wenig später hörte ich Cupernicas bekannte Stimme. „Was ist denn passiert, Betsy?“, fragte die Androidin fast mitleidig. „Warum sind Sie nicht mehr in der Klinik? Laut Rufzeichen sprechen Sie von einer öffentlichen …“ Bevor sie weiter reden konnte, platzte es aus mir heraus: „Oh, Scientist, ich habe das Gefühl, meine Ärztin hat ihre Approbation im Lotto gewonnen. Sie hat grundsätzlich mit mir telepathische Gespräche geführt. Dabei ist das genau das, vor dem ich solche Angst habe. Ich habe Angst, dass jemand unbefugt in meinen Geist eindringt und dann …“ „Das kann doch nicht wahr sein!“, rief Cupernica aus und ich hätte fast meinen können, wäre sie keine künstliche Intelligenz, ziemliche Wut in ihrer Stimme zu hören. „Wie gründlich lesen die eigentlich Vorberichte? Ich hatte ausdrücklich geschrieben, dass Sie keine Kandidatin für die Konfrontationstherapie sind.“ „Das K haben die wohl geflissentlich überlesen.“, schluchzte ich ins Mikrofon. „Wir müssen wohl eine andere Möglichkeit finden.“ „Bestätigt.“, antwortete Cupernica. „Aber erst mal sollten Sie sich von dem Schock erholen. Über einen neuen Therapieversuch können wir später noch einmal reden. Jetzt sind Sie zu so etwas nicht in der Lage. Sie machen erst mal medizinisch verordneten Urlaub.“ Damit beendete sie die Verbindung.

Ich machte die Kabine für jemanden aus der Schlange hinter mir frei, die mittlerweile schon sehr lang geworden war. Immer noch stand ich verloren zwischen den Schaltern. Plötzlich krähte eine Kinderstimme durch die gesamte Abflughalle: „Da ist Betsy! Mum, Dad, guckt mal, da ist Betsy!“ Auch ich hatte jetzt die Stimme des kleinen David Handerson erkannt und ging vorsichtig in die Richtung, aus der sie gekommen war.

Endlich hatte ich die Handersons erreicht. „So schnell sieht man sich wieder, Allrounder.“, lächelte Mrs. Handerson. Überrascht erwiderte ich: „Was tun Sie denn hier auf Betazed? Ich meine, es ist die Heimat Ihres Mannes, aber …“ „Wir besuchen Grandma und Grandpa.“, quietschte David, der offensichtlich sehr erfreut war, mich wiederzusehen. Es schien dem kleinen Jungen nicht das Geringste auszumachen, dass ich jetzt nicht mehr die coole Betsy war, die ihm im Park von Little Federation bei den Hausaufgaben geholfen hatte, sondern ein Häufchen Elend. Jetzt schien er aber doch gemerkt zu haben, dass es mir nicht gut ging. „Du brauchst nicht traurig zu sein, Betsy. Meine Mum und mein Dad sagen, dass wir noch ganz viel Urlaub übrig haben, aber wir wissen nicht, wo wir noch hin sollen. Vielleicht kannst du ja was aussuchen, wo wir alle vier hinfliegen können. Du wirst sehen, das wird bestimmt lustig.“ Irgendwo hatte David Recht. Spontane Urlaube waren immer noch die Besten und wenn man schon mal eingeladen wurde …

Ich ging voran zu einem der Schalter und fragte den dortigen Mitarbeiter, einen Terraner mit Bierbauch und von ca. einem Meter achtzig: „Entschuldigen Sie bitte, Mister, wo haben Sie noch spontan etwas für eine Vierergruppe frei?“ Er ließ seinen Blick über einige Listen schweifen und brummelte schließlich: „Interdimensionsliner nach Tindara, Gate 10. Geht in einer halben Stunde.“ Anscheinend hasste er Last-Minute-Touristen, da diese ihm wohl seinen ganzen wohl geplanten Ablauf durcheinander brachten. Ich bedankte mich höflich und winkte meinen drei Mitreisenden dann, mir zu folgen.

„Ich will bei Betsy sitzen!“, quietschte David dem celsianischen Flugbegleiter entgegen, der uns zu unseren Plätzen brachte. „Aber klar doch, kleiner Mann!“, gab der Celsianer schmissig zurück und verfrachtete David in meine Sitzreihe. Dann schickte der etwas untersetzte schätzungsweise 1,60 m große Witzbold sich an, uns wieder zu verlassen, um sich um andere Passagiere zu kümmern.

Ich war mit einem Unterhaltungsmedium beschäftigt, als David mich vorsichtig in die Seite piekste. „Was ist, wenn wir abstürzen, Betsy?“, fragte er ängstlich. Ich glaubte zunächst, mich verhört zu haben. Er hatte doch auch den Flug von Terra nach Betazed hinter sich gebracht und nun hatte er auf einmal Flugangst? „Da wird schon nichts passieren, David.“, beruhigte ich ihn. „Der Start geht sicher glatt und wenn wir erst mal im Weltraum sind …“ „Wenn es doch nur schon so weit wäre.“, weinte David. Jetzt war es mir klar. Er hatte keine Angst vor dem Flug, sondern vor dem Start. Die Umweltkontrollen in Passagiershuttles des 30. Jahrhunderts konnten zwar die meisten Dinge kompensieren, dennoch waren gerade Kinder für eine so genannte Startängstlichkeit sehr anfällig. Das Phänomen kannte ich. Ich selbst hatte bereits mehrere Kurse gegen dieses Problem geleitet, in denen die Teilnehmer ausschließlich Zivilisten waren. Auch viele Kinder waren darunter. Wegen des komischen Gefühls beim Start glaubten viele dieser Kinder, das Schiff kippe um oder sie würden vom Sitz schweben und nie wieder auf den Boden kommen. Ich tippte auf den Knopf an der linken Seitenlehne von Davids Sitz. „Drück mal drauf.“, lächelte ich. Vertrauensvoll tat David, worum ich ihn gebeten hatte. Mit einem leisen Summen aktivierte sich das Sicherungskraftfeld. „Jetzt lass dich mal ganz schnell nach vorn fallen.“, instruierte ich ihn weiter. David tat dies und spürte, wie das Feld ihn in den Sitz zurück drückte. „Ui, Betsy, das hat Spaß gemacht.“, freute er sich. „Siehst du?“, erklärte ich. „Das Feld macht, dass du nicht aus dem Sitz fällst und das Schiff kippt auch nicht um. Erst geht die Nase hoch, denn sie ist das Leichteste. Deine Nase ist ja auch ganz leicht!“ Dabei griff ich ihm schelmisch an selbige. David musste lachen. „Aber genau wie du auch, merkt auch das Schiff, dass es nicht im Gleichgewicht ist. Da gibt es ein Programm, das heißt elektronische Trimmung. Die macht, dass der Rest bald ganz schnell hinterher kommt.“, erklärte ich weiter. „Danke, Betsy.“, sagte David erleichtert. „Jetzt habe ich keine Angst mehr.“ Techniker Handerson atmete erleichtert auf. „Gut, dass Sie vom Fach sind, Allrounder. Ich hätte nicht gewusst, wie ich es ihm noch erklären sollte und meine Frau hat auch nichts Anderes gewusst, als ihm Medikamente zu geben. Heute morgen haben wir die aber leider vergessen. Aber jetzt haben wir ja Sie, Fliegerin.“ Ich lächelte gewinnend.

Zirell flanierte auf der obersten Ebene ihrer Station entlang. Plötzlich hörte sie hinter sich eine bekannte männliche Stimme. „Zirell, auf ein Wort.“ Sie drehte sich um und erkannte Maron, der sich ihr schnellen Schrittes näherte. „Komm, wir gehen in meinen Bereitschaftsraum.“, wies sie ihren ersten Offizier an.

Sie gingen einige Schritte geradeaus, um dann rechts um die Ecke zu biegen und schließlich in einen hellen Raum mit freundlichen Vorhängen und einem großen Schreibtisch mit zwei weichen Sesseln zu gelangen. „IDUSA, Tür verriegeln und ich bin nicht zu erreichen. Ach ja, Agent Maron auch nicht!“, befahl Zirell dem Stationscomputer. Sie ahnte wohl schon, dass dies eine längere Diskussion werden würde. Mit den Worten: „Setz dich.“, deutete sie auf einen der Sessel, bevor sie sich auf den anderen setzte.

Maron und sie saßen sich jetzt schweigend gegenüber. Schließlich fragte Zirell: „Wo drückt denn nun der Schuh?“ Der Demetaner nahm einen großen Schluck Kaffee aus der vor ihm stehenden Tasse und antwortete dann: „Zirell, es liegt mir fern, über deine Entscheidungen oder die der Zusammenkunft zu urteilen und diese lang mit dir zu diskutieren, aber …“ „Warum?“, unterbrach sie ihn. „Dir als meinem ersten Offizier steht es frei, über meine Entscheidungen mit mir zu diskutieren. So ist das tindaranische Recht. Das mag zwar bei der Föderation anders gewesen sein, irgendwie absolutistischer, aber hier darfst du das.“ Bei ihren letzten Worten konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie hoffte, dass Maron merken würde, dass sie reichlich übertrieben hatte. Er wusste, dass sie auf den Umstand anspielte, dass Maron seit einem hier nicht zu erwähnenden und zu weit führenden Zwischenfall nicht mehr für den Geheimdienst der Föderation, sondern für den der Tindaraner arbeitete.

Maron versuchte krampfhaft, den verlorenen Faden wieder zu finden. Sie hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Sie hatte ihn völlig aus dem Konzept gebracht. Das gelang ihr eigentlich jedes Mal. Als Demetaner hatte sich Maron eigentlich für schlagfertiger gehalten. Aber irgendwie gelang es ihm fast nie, ihr etwas entsprechendes entgegen zu setzen. Maron war die steife und oft unflexible Art der Föderationsführung gewohnt, die Sytania auch schon oft zum eigenen Vorteil und zum Nachteil der Föderation ausgenutzt hatte. Was musste Sytania die Tindaraner hassen! Sie waren nicht nur ebenfalls Telepathen und Telekinetiker, nein, sie waren auch noch flexibel und boten somit für ihren Psycho-Krieg keine Angriffsfläche. Im Stillen bewunderte Maron die Zusammenkunft, also die tindaranische Regierung, dafür.

„Ich zähle bis drei!“, sagte Zirell sehr bestimmt. „Wenn du bis dahin nicht redest, hole ich mir die Informationen, indem ich deinen Geist um und um drehe. Ich habe mir sagen lassen, dass dies nicht sehr angenehm ist, wenn ich das mache!“ „Dieser Befehl.“, unternahm Maron einen zarten Versuch. „Er ist doch irgendwie unklug. Was ist, wenn Sytania Tindara angreift und niemand da ist, der es verteidigen kann. Wenn alle Befehl haben, zu feiern bis die Schwarte kracht, ist doch kein Pilot nüchtern genug um zu …“ Zirell schlug beruhigend die Augen nieder und fasste langsam nach seiner linken Schulter. „Ruhig Blut, Maron. Ach, so seid ihr Demetaner eben. Immer müsst ihr euch um alles sorgen. Aber keine Angst, dafür ist vorgesorgt.“, sagte sie und legte mit der anderen freien Hand einen Datenkristall in IDUSAs Laufwerk. Dann befahl sie dem Rechner etwas auf Tindaranisch, das Maron nicht verstehen konnte. Alsbald erschien das Gesicht der Vorsitzenden der Zusammenkunft auf dem Schirm und deren Stimme sagte ebenfalls tindaranische Worte. Dann verschwand das Gesicht wieder. „Was war das denn, Zirell?“, fragte ein völlig fassungsloser Maron. „Spezialbefehle für die Führungskräfte.“, erklärte Zirell. „Die Zusammenkunft will, dass ich zum Beispiel die Patrouillen mit IDUSA selbst fliege. Damit rechnen wahrscheinlich weder deine Föderation noch Sytania. Bei euch hätten Stationskommandanten so etwas ja nicht nötig, stimmt das?“ Maron pfiff staunend durch die Zähne. So eine Hinterlist hätte er noch nicht einmal seinem eigenen Staatsoberhaupt zugetraut. „Ich habe die Befehle doch auch gelesen.“, wunderte er sich. „Warum bin ich da nicht dran gekommen?“ „Weil du kein Tindaranisch sprichst.“, grinste Zirell.

Jenna hatte in ihrem Quartier den Ohrhörer im Ohr. Sie war über SITCH mit Shimar verbunden, dem sie wohl gerade etwas auseinandersetzte. „Vielleicht kannst du mir erklären, Genie, warum die Zusammenkunft für uns alle den Heimaturlaub verlängert hat.“, forderte der tindaranische Patrouillenpilot mit ziemlichem Nachdruck. „Das kann ich allerdings.“, sagte Jenna mit extrem übertriebener Sachlichkeit in der Stimme. „Wir nehmen die Föderation beim Wort. Wenn die glauben, es sei alles OK, dann ist alles OK. Zumindest lassen wir sie das glauben. Es gibt da ’n paar Heimlichkeiten im Hintergrund, aber das wissen die ja nicht. Gut, ich gebe zu, dass ich oder besser Joran und ich an diesem Plan nicht ganz unschuldig sind. Jetzt sag bitte nicht, dir fällt zu Hause die Decke auf den Kopf.“ „Ne, ne, Jenn’.“, grinste Shimar ins Mikrofon. „Ich habe nur Sehnsucht nach IDUSA.“ „Warte ab, Fliegerass.“, frotzelte Jenna zurück. „Die siehst du schon früh genug wieder.“

„Telshanach?“, fragte eine Stimme hinter Jenna. Sie drehte sich langsam um und erblickte Joran. „Mit wem hast du gesprochen?“ „Mit deinem besten Kumpel Shimar.“, entgegnete Jenna. „Ach so.“, sagte der Vendar und die Terranerin glaubte sogar, etwas Enttäuschung in seiner Stimme wahrnehmen zu können. „Ich dachte, du würdest mit der Zusammenkunft über …“ „Über deren Befehle?“, wollte Jenna wissen. „Dazu habe ich erst mal gar nicht die Berechtigung und zum Zweiten ist der Befehl der Zusammenkunft doch eigentlich Wasser auf deine Mühle. Du wolltest doch schon immer mal, dass wir der Föderation ihre Naivität vor Augen führen, oder?“ „Ja.“, bestätigte Joran. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass wir das wirklich einmal tun.“ „Dann müsstest du ja eigentlich positiv überrascht sein, hm … Oh.“, sagte Jenna und wandte sich IDUSAs Bildschirm zu, auf dem gerade eine SITCH-Mail eingegangen war. Jenna überflog diese flüchtig und sagte dann: „Dein bester Kumpel will, dass wir zu ihm kommen. Bezüglich Unterkunft hat er schon alles arrangiert. Aber, wir kommen auch nicht mit leeren Händen. Ich warte IDUSA und dann bringen wir sie mit. Sie möchte sich bestimmt auch mal wieder mit anderen Einheiten auf einer Werft austauschen. Ich rede mit Zirell und dann hoffe ich, dass wir in drei Tagen abfliegen können.“ „OK, Telshanach.“, stimmte Joran zu.

„So komm doch ins Bett, Cirnach.“, beschwerte sich Telzan. Seit vielen Nächten hatte seine Frau mehr Zeit mit dem Pad verbracht, als sie ihm Zärtlichkeit gegeben hatte. Mittlerweile war Cirnach bei den griechischen Sagen hängen geblieben. Dort hatte ihr es insbesondere die Geschichte von Troja angetan. Sie fühlte, dass hier der Schlüssel liegen musste. Viel war ja auch nicht mehr da. Alles andere hatte Cirnach schon als nicht geeignet aussortiert. „Gib mir noch eine Nacht, Telzan.“, bat sie. „Dann werde ich wissen, ob sich diese Geschichte für einen Vergeltungsplan eignet. Nur noch eine Nacht, eine Nacht.“ Telzan hatte Vertrauen zu seiner Frau. Sytania hatte ihm zwar sein Versagen vorgeworfen, hatte ihm aber gleichzeitig Wiedergutmachung durch Cirnach in Aussicht gestellt. Sie würde seinen Kopf dann nicht rollen lassen, wenn Cirnach eine Möglichkeit finden würde, das wusste der Vendar. Also konnte er auch noch eine Nacht warten, wenn er im Gegenzug dazu sein Leben behalten durfte.

Shiranach und Tabran erwachten wieder auf ihrem Lager in ihrem Haus. Neben ihnen auf einem Schemel saß die Wächterin. Sie lächelte freundlich, als sie sah, dass beide fast gleichzeitig die Augen aufschlugen. „Na, seid ihr wieder bei uns?“, fragte sie mild. Tabran setzte sich auf und fragte irritiert: „Wie kommen wir wieder in unser Haus?“ „Das habt ihr mir zu verdanken.“, antwortete die Wächterin. „Ich fand euch und teleportierte euch her. Hat euch wohl ziemlich umgehauen, die Sache mit dem Heiratsantrag, was?“ „Nicht nur das.“, antwortete Tabran etwas vorwurfsvoll. „Warum hast du meiner armen Shiranach so eine schreckliche Vision gesendet?!“ „Weil es die Wahrheit ist.“, erwiderte die Wächterin ungerührt. „Ich will, dass ihr wisst, was demnächst auf uns alle zukommen wird. Warnt die Betroffenen, denn nur so könnt ihr es verhindern!“ Bei ihren letzten Worten hob die Wächterin warnend die rechte Hand und streckte ihren Zeigefinger aus.

Tabran spürte, dass das Gespräch die immer noch neben ihm liegende Shiranach sehr ängstigte. Deshalb hielt er es für besser, schnell ein erfreulicheres Thema anzuschneiden. „Vergib mir, Wächterin.“, setzte er an. „Shiranach und ich würden gern zwar nach vendarischem Ritus, aber mit tarianischen Elementen und auf der Station von Anführerin Zirell heiraten. Um dort hin zu gelangen, brauchen wir allerdings ein Schiff …“ Bevor er weiter sprechen konnte, gab es einen weißen Blitz und die Wächterin sagte: „Einmal Raumschiff! Kommt sofort!“ Dann verschwand sie. Ungläubig staunend schlich Tabran vor das Haus. Hier stand auf der Wiese tatsächlich ein nagelneues Veshel. Das hatte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemahlt. Auch Shiranach war jetzt langsam hinzugekommen, blieb aber in einiger Entfernung stehen. „Komm ruhig näher, Telshanach.“, ermunterte Tabran sie. „Es ist kein Traum. Es ist echt.“ Er berührte den Türsensor, worauf die Tür zur Seite glitt. Dann warf er einen kurzen fachkundigen Blick über die Steurkonsole. „Sie hat sogar einen Interdimensionsantrieb. Damit kommen wir sicher nach Tindaria. Na komm, lass uns keine Zeit verlieren!“ Zögernd ob der Situation stieg Shiranach zu ihm ins Cockpit. Sie hatte ihm einen Großteil ihrer Vision verschwiegen. Es würde allein an ihr sein, die Betroffenen zu warnen.

„Ach, das ist ja so süß von euch!“, entgegnete Zirell, als Jenna ihr Jorans und ihren Plan mitteilte. „Natürlich kriegt ihr IDUSA dafür! Du hast schon Recht. Sie wird es sicher sehr erholsam finden, mal wieder unter ihresgleichen zu sein. Auch sie hat ja schließlich ein Recht auf Urlaub. Übrigens, wo hast du Joran gelassen?“ Jenna lächelte. „Ah, verstehe.“, sagte Zirell. „Den hast du zum Kofferpacken abkommandiert.“

Ein plötzliches nervöses Blinklicht auf der Konsole ließ Zirell und Jenna ihre Neurokoppler aus der Tasche holen und anschließen. Die IDUSA-Einheit der Basis lud ihre Reaktionstabellen. „Was ist los, IDUSA?“, fragte Zirell. „Das interdimensionale Sensorengitter hat ein kleines Schiff ausgemacht, das kein Transpondersignal sendet. Seiner Bauart nach könnte es Vendar sein. Aber alle Vendar-Rebellen und ihre Schiffe sind auf New-Vendar-Prime. Die Zusammenkunft glaubt, es handelt sich um einen feindlichen Vendar, der so tun soll, als sei er einer unserer Freunde. Sie haben Abfangjäger aufsteigen lassen, die ihn zur Strecke bringen sollen. Wir kennen aber doch noch eine andere Möglichkeit, nicht wahr?“ Der konspirative Ton des Rechners ließ für kurze Zeit ein Lächeln über das Gesicht der Stationskommandantin huschen. Dann wurde Zirell aber sofort wieder ernst und befahl: „Wenn du ein Bild vom Inneren des fremden Schiffes hast, IDUSA, dann zeig es uns!“ IDUSA kam ihrem Befehl nach. „Um Himmels Willen!“, rief Zirell aus. „Tabran!“ Dann wandte sie sich an Jenna: „Unterziehe das Schiff einem Schnellcheck! Ich muss denen unbedingt klar machen, auf wen die da schießen. Notfalls werde ich unseren Freund auch verteidigen!“ Jenna nickte und die Frauen stürzten aus der Tür des Bereitschaftsraumes in Richtung eines Turboliftes, der sie zur Shuttlerampe brachte.

Tabran versuchte alles, um den auf sein Schiff schießenden Shuttles auszuweichen. Noch wollte er die Waffen nicht einsetzen. „Bitte, Telshan.“, bat Shiranach, der es angesichts der Gefahr doch etwas mulmig wurde. „Lass mich ans Waffenpult gehen und uns verteidigen.“ „Nein.“, erwiderte Tabran bestimmt. „Wir müssen ihnen zeigen, dass wir keine Aggressionen gegen sie hegen. Du musst einfach nur Geduld haben. Irgendwann werden sie mich hoffentlich erkennen und aufhören, uns für den Feind zu halten. Vielleicht hätte besser ich am SITCH um Einflugerlaubnis in die Dimension gebeten. Meine Stimme kennen sie, deine nicht. War wohl mein Fehler.“

Jenna hatte ihr Arbeitspad entfernt. „IDUSA geht es gut, Zirell.“, diagnostizierte sie. Dann verließ sie das Cockpit. Jetzt waren Zirell und IDUSA allein. „Starten wir!“, befahl Zirell. Das Schiff kam ihrer Aufforderung nach.

„Sollten wir nicht doch schießen?“, fragte Shiranach ängstlich. „Nein.“, erwiderte Tabran. „Wenn wir schießen, stärken wir nur ihre Vermutung, wir seien ein Feind. Ich hoffe immer noch auf die Vernunft der Tindaraner. Die sind ja sonst nicht so. Halt dich fest, Telshanach!“ Tabran aktivierte die Schubumkehr und drückte das Schiff herunter. Dann schaltete er den Antrieb wieder auf Geradeausflug um. So gelang es ihm gerade noch, unter einem herannahenden Torpedo hindurch zu tauchen. „Der Wächterin sei Dank ist dieser Antrieb extrem reaktionsfreudig.“, stellte er fest.

„Ich sehe eine große Anzahl tindaranischer Jäger, die ein kleines Veshel verfolgen.“, gab IDUSA Zirell einen knappen Bericht. „Verbinde mich mit dem Führungsschiff!“, befahl die tindaranische Kommandantin. IDUSA ließ ein paar kurze Schaltketten durchlaufen und sagte dann: „Sie können sprechen.“ „Commander der Abfangstaffel, hier ist Commander Zirell von Basis Alpha 281. Der Vendar-Pilot ist ein Freund. Ich weiß nicht, wer die Frau ist, die neben ihm sitzt, aber ich kenne Tabran und weiß, dass wir von ihm nichts zu befürchten haben. Lass sofort das Feuer einstellen. Ich wiederhole, lass sofort das Feuer einstellen!“ „Es erfolgt keine Reaktion auf Ihren SITCH.“, analysierte IDUSA. „Na schön.“, schnippte Zirell. „Dann müssen jetzt wohl Taten folgen. Volle Wende und Schilde hoch. Zeigen wir ihnen, dass mit mir nicht gut Kirschenessen ist, wenn man einen Freund von mir bedroht!“ „Habe ich Sie richtig verstanden, Zirell?“, fragte das Schiff. „Sie wollen auf Ihre eigenen Kameraden …“ „Klar!“, bestätigte Zirell. „Wenn die Hornochsen noch nicht mal in der Lage sind, Freund und Feind zu unterscheiden, muss es jemanden geben, der ihnen mal wieder etwas Verstand in die Birne schießt. Oder, was meinst du?“ „Bestätigt.“, antwortete IDUSA und führte die Befehle aus. Dann sagte sie: „Haben Sie bemerkt, dass Sie gerade wie Shannon klangen?“ Ihr Satz entlockte Zirell nur ein müdes: „Ups.“

 

 

Rettung in letzter Sekunde

von Visitor

Eine starke Erschütterung hatte das Schiff von Tabran und Shiranach getroffen. „Geh ans Waffenpult und berichte mir über den Status unserer Schilde.“, sagte Tabran, der bemerkt hatte, dass der Treffer wohl eine der Antriebsspulen lahm gelegt haben musste. Shiranach führte aus, worum er sie gebeten hatte. „Die Schilde sind online.“, stellte sie fest. „Aber die Tindaraner scheinen ihre Phaser unserer Schildharmonik angepasst zu haben.“ Eine weitere Erschütterung erfolgte. „Noch so ein Treffer und wir sind manövrierunfähig.“, erklärte Tabran. „Ich kann sie kaum noch auf Kurs halten, geschweige denn, diesen ändern. Der Mishar sendet ununterbrochen eine Nachricht an die Tindaraner, aber sie reagieren nicht. Vielleicht denken sie, ich sei deine Geisel oder so etwas.“ Shiranach lachte verächtlich. „Kelbesh!“, fluchte Tabran. „Jetzt kriegen die auch noch Verstärkung!“ Er war Zirell und ihres Schiffes ansichtig geworden.

„Verbinde mich mit Tabran!“, befahl Zirell. „Das ist nicht möglich.“, entgegnete IDUSA nüchtern. „Wenn das Schiff kein Transpondersignal aussendet, kann ich auch kein Rufzeichen ermitteln.“ „Stimmt ja.“, erinnerte sich Zirell. „Dann machen wir das eben anders. Flieg so nah an das Veshel, dass wir es mit unseren Schilden schützen können. Vielleicht versteht Tabran dann. Dann wird er uns rufen und du hast sein Rufzeichen.“

Mit viel Erschütterung und Funkenflug war jetzt auch die dritte Spule hinüber. „Jetzt darf ich uns nicht mehr bewegen.“, resignierte Tabran. „Wenn ich das täte, würde sie sich auf die Seite legen und unkontrolliert vor sich hin trudeln.“ „Sie mal!“, rief Shiranach aus und zeigte auf das Fenster. „Das Schiff da draußen unterstützt nicht die anderen Tindaraner, sie unterstützt uns!“ „Was?“, erwiderte Tabran mit ungläubigem Staunen. Im Display des Sprechgerätes erschien im gleichen Moment das Rufzeichen von Zirells IDUSA-Einheit. Tabran drückte die Entertaste, was einen sofortigen Ruf auslöste. Dann sagte er: „Anführerin Zirell, sei gegrüßt. Leider bin ich nicht in der Lage, dir zu folgen.“ „Macht nichts.“, tröstete Zirell. „Das machen wir anders.“

Da Zirell einen Neurokoppler trug, waren dem Schiff ihre Gedanken nicht verborgen geblieben. „Leider kann ich sie nicht herausbeamen.“, sagte IDUSA. „Die durch das Waffenfeuer und ihr Antriebsproblem entstandene Strahlung machen es unmöglich. Auch so einfach in den Traktorstrahl nehmen kann ich sie nicht. Eines der anderen Tindaranerschiffe zielt auf meinen Emitter und sie werden feuern, wenn ich auch nur ein Millyvolt Energie hindurchschicke.“ „Na gut.“, meinte Zirell. „Dann werden wir sie halt ablenken müssen.“ „Ganz Ihrer Ansicht, Commander.“, bestätigte das Schiff und ging in den Steigflug über. „Was hast du vor, IDUSA?“, fragte Zirell ernst. „Vertrauen Sie mir.“, gab die Angesprochene zurück. „Gleich werden die auseinanderspritzen wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner. Dann wird der Kommandant ordentlich zu tun haben, seine Truppe zu sortieren und wir schnappen uns Tabrans Schiff.“ Damit ging sie von jetzt auf gleich mit feuernden Waffen in den Sturzflug. Tatsächlich bewahrheitete sich alles, was IDUSA gesagt hatte. Den allgemeinen Tumult ausnutzend nahm sie das beschädigte Veshel in den Traktorstrahl und verzog sich in Richtung ihrer Heimatbasis. Für Zirell war das eine große Überraschung. „Sag mal, IDUSA, von wem lernst du solche Manöver?“, wollte sie wissen. „Von meinem Stammpiloten Shimar.“, gab das Schiff zu. „Na.“, entgegnete Zirell. „Wenn Shimar wieder da ist, werde ich mit ihm wohl noch ein Hühnchen rupfen müssen.“ Dabei grinste sie über beide Ohren.

Tatsächlich wird das Verhalten von IDUSA-Schiffen durch das ihrer Stammpiloten, also desjenigen, auf den sie eingeschworen sind, nachhaltig geprägt. Das Einschwören erfolgt bei der ersten Aktivierung der Einheit.

„Oh, Zirell.“, sagte IDUSA nach einer Weile. „Wir werden gerufen. Es ist der Commander der Jagdflieger.“ „Na, immer her mit ihm.“, säuselte Zirell. „Ich verbinde.“, sagte IDUSA. „Aber ich muss Sie warnen. Dem Frequenzschema seiner Stimme nach ist er stinksauer.“ „Damit werde ich fertig.“, sagte Zirell. „Jetzt mach schon!“ „Hier ist Tibar, Kommandant der dritten tindaranischen Jägerdivision. Was fällt dir ein, so mit deinen eigenen Leuten umzugehen?“ Zirell setzte einen unschuldigen Blick auf und entgegnete: „Ich habe nur die einzige Sprache gesprochen, die du verstanden hast. Die Terraner haben ein interessantes Sprichwort. Wer nicht hören will, muss fühlen. Du kannst mir nicht vorwerfen, ich hätte es nicht über SITCH versucht.“ Dann drückte sie die 88-Taste, ohne seine Reaktion abzuwarten.

„Das hast du ganz toll gemacht.“, lobte ich David nach dem Start des Shuttles. „Kunststück.“, lächelte er zurück. „So wie du das erklärt hast, kann man ja keine Angst mehr haben. Was passiert jetzt?“ „Wenn wir den offenen Weltraum erreicht haben.“, begann ich. „Werden wir in den Interdimensionsmodus gehen. Das heißt, das Schiff und alles was darauf ist, wechselt vom festen in einen energetischen Zustand und …“ „Aber dann fallen wir doch durch den Boden und werden in den Weltraum gesogen!“, schrie David und klammerte sich an seinem Sitz fest. „Ich will nicht sterben.“ Über sein Gesicht rannen Tränen. Ich machte: „Oh, husch-sh-sh-sh.“ und nahm ihn fest in die Arme. „Du wirst ja auch nicht sterben. Niemand wird bei einem Interdimensionsflug sterben. Guck mal, wir sind doch dann auch aus Energie und Dinge, die aus Energie sind, können nur durch Dinge gehen, die fest sind, aber nicht durch andere Energie, die die gleiche Wellenlänge hat. Du bist doch sicher schon mal gebeamt worden.“ David nickte. Hinter uns regten sich zwei ältere Demetanerinnen über die mangelnde Kompetenz der Flugbegleiter auf. „Wie können die zulassen, dass der arme Junge solche Angst leiden muss?“, meinte die eine und die andere sagte: „Du hast Recht. Lassen die eine andere Passagierin ihren Job machen. Dämliche Saftschupsen!“ Dass ich vom Fach war, hatten die beiden streitbaren Damen noch nicht gemerkt. Ich wusste aber, dass es dem für unser Abteil zuständigen Flugbegleiter nicht entgangen war. Er meinte - und das zu Recht - dass ich die Sache wohl noch viel besser erklären könne als er.

Das Antriebsgeräusch hatte sich kurz verändert. Dann war alles wieder normal. „War das schon alles?“, fragte David enttäuscht. „Ja.“, antwortete ich. „Och.“, schmollte David. „Ich hab’ ja gar nix gemerkt.“ „Natürlich hast du nichts gemerkt.“, erwiderte ich. „Wenn du etwas gemerkt hättest, wäre etwas nicht in Ordnung. Ich habe es dir ja erklärt. Weil alles aus Energie war, war das für uns alle völlig normal und in einer Sekunde merkt man ohnehin nicht viel. So lange dauert nämlich jeder Interdimensionsflug, weil wir in der interdimensionalen Schicht von der Zeit unabhängig sind.“

Per Mikrofon wurden wir darüber informiert, dass wir bald ins tindaranische Sonnensystem einflogen. „Sag mal, Betsy.“, begann David. „Deine Krankheit, die man nich’ sieht, deine Angst vor Telepathie, ist die jetzt weg?“ „Nein.“, gestand ich. „Weißt du, die auf Betazed haben mir falsche Medizin gegeben und deshalb ist es sogar noch schlimmer geworden, glaube ich.“ „Echt?“, fragte er. Dann stand er auf und quietschte so laut, dass man es im ganzen Schiff hören konnte: „Sauerei!!“ „David.“, versuchte ihn sein peinlich berührter Vater wieder zur Vernunft zu bringen. Die anderen Passagiere fanden das aber eher lustig. Außer ein vulkanisches Ehepaar, das die Nase rümpfte.

„Aber, Betsy, wenn du so doll Angst hast, dann darfst du doch nich’ nach Tindara. Ich mein’ da is’ doch alles voll Telepathen.“, stellte David erschreckt fest. „Das stimmt.“, bestätigte ich. „Aber ich nehme Protecin.“ Das Medikament wirkte auf der Basis eines zellaren Peptidsenkers und war in Tablettenform erhältlich. Zwar musste ich bezüglich des Schutzes warten, bis meine Verdauung mit der Tablette fertig war, aber Cupernica hatte mir dies empfohlen, da ich so ihrer Meinung nach leichter umzugewöhnen war. Ich würde wissen, dass ich irgendwann geschützt sei, der Zeitraum biss dahin würde aber immer der Gleiche sein. Ihrer Theorie nach würde mein Unterbewusstsein dadurch lernen, dass nicht immer etwas passieren würde, wenn ich Telepathen begegnen würde, ich hätte aber auch die Aussicht auf Schutz. Das würde mich im Umgang mit Telepathen vielleicht schon etwas mutiger machen.

Tabran rief Zirell nach kurzer Zeit noch einmal über SITCH. „Warum machst du die Patrouille selbst? Sind Shimar und mein Schüler Joran in der Schlacht gefallen?“ „Du kannst ganz beruhigt sein.“, antwortete Zirell. „Es geht beiden gut. Es gab nur ein paar politische Veränderungen, auf die wir reagieren mussten. Ich werde dir alles erklären.“

Zirell und IDUSA hatten mit Tabrans Schiff im Schlepp die Basis erreicht. Jenna hatte dem Andockmanöver von der technischen Kapsel aus zugesehen. Geduldig wartete die Technikerin, bis sich die Shuttletür öffnete und Zirell heraus kam. „Jenn’.“, sagte sie. „Tabrans Schiff ist beschädigt. Kümmere dich bitte darum. Ich werde in der Zwischenzeit herausfinden, was Tabran und seine Freundin, wie ich inzwischen vermutet habe, von uns wollen.“ Die Terranerin nickte und sah zu, wie Zirell mit den beiden Vendar die Shuttlerampe verließ.

Wenig später waren sie in Zirells Bereitschaftsraum angekommen. Die tindaranische Kommandantin hatte auch ihren ersten Offizier hinzugeholt, weil Maron anscheinend wichtige Informationen zu dem Zwischenfall hatte. „Ich habe mich erkundigt.“, erklärte der Demetaner. „Den Angriff auf euer Schiff habt ihr einem übereifrigen Kontrolloffizier zu verdanken, der öfter wegen nichts und wieder nichts die Welle gemacht hat. Jetzt ist er aber zu weit gegangen und gerade 8-kantig geflogen, nur ohne Schiff, ihr versteht?“ Shiranach und Tabran nickten. „Du hast meinen Befehl wohl geahnt.“, mutmaßte Zirell. „Dabei dachte ich, ich sei hier die Telepathin.“ Maron lächelte: „Ich kenne dich eben gut.“

Tabran machte ein förmliches Gesicht und stellte sich mit fast feierlichem Blick vor Zirell hin. „Anführerin Zirell von Tindara, bitte erlaube mir, dir die vorzustellen, die ich zu ehelichen beabsichtige.“ Shiranach stand auf und stellte sich jetzt neben ihn. Tabran fuhr fort: „Bitte begrüße Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach.“ Auch Zirell stand jetzt auf und streckte Shiranach ihre Hand entgegen. „Sei gegrüßt, Shiranach.“, sagte die Tindaranerin ebenso feierlich. Dann fragte sie interessiert: „Was habe ich mit eurer Hochzeit zu tun? OK, ich kann euch eine Passage zum Rebellenplaneten besorgen. Die Priesterinnen werden sicher …“ „Eigentlich wollten wir, dass du uns verheiratest, Anführerin Zirell.“, mischte sich Shiranach ein. „Wir wollten nach vendarischem Ritus aber mit tarianischen Elementen heiraten.“, ergänzte Tabran. „OK.“, entgegnete Zirell. „Dann werde ich wohl noch einiges zu lernen haben. Am Besten, ich lerne gleich von den Priesterinnen direkt.“ Dann befahl sie IDUSA, ihr eine Verbindung zum Rebellenplaneten mit Sianachs Rufzeichen zu arrangieren.

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht war Shimar an diesem Morgen in seinem Haus auf Tindara erwacht. Er hatte, wie er selbst fand, eine traumhafte Nacht hinter sich gebracht. Jetzt kitzelte ihn eine der zwei tindaranischen Sonnen mit einem ihrer Strahlen an der Nase. „Wenn ich rauskriege, welche von euch zweien das war.“, lächelte Shimar. Er dachte, so zärtlich sei er noch nie geweckt worden. Er hatte für das Wohlgefühl, das ihn durchzuckte, nur zwei Erklärungen. Heute würde sein Tag und die Götter mussten allesamt Tindaraner sein.

Noch im Nachtgewand trat der etwa 1,50 m messende Tindaraner ans Fenster und hielt den Kopf hinaus.

Groß werden die Tindaraner im Allgemeinen nicht. Da sie aber telepathische und telekinetische Fähigkeiten haben, die sie auch im Nahkampf einsetzen, ist ein muskulöser und großer Körper auch nicht wichtig. Außerdem ist die humanoide Gestalt, die sie unseretwegen annehmen, nicht ihre echte. Eigentlich sehen sie aus wie große kristallene Schneeflocken. Die Fähigkeiten der Tindaraner reichen zwar nicht an die eines Dill, eines Logar, oder Bewohner des Raum-Zeit-Kontinuums, oder einer Sytania heran und sind eher im Rahmen der das Föderationsuniversum bewohnenden Wesen anzusiedeln. Trotzdem können sie damit schon einiges erreichen.

Ganz am Horizont konnte er kleine Wölkchen erkennen, die wie aufgeschlagene Sahne aussahen. Als gelerntem Patrouillenflieger war ihm dieses Phänomen wohl bekannt und er wusste um seine Bedeutung. Diese Wolken verhießen schönes Wetter. „Nichts wie ab in den Jeep, Junge, und dann ab zum Strand!“, sagte er zu sich selbst. „Wer weiß, wann du wieder so eine Gelegenheit bekommst.“

Wir waren in einer der zahlreichen Bettenburgen für Touristen untergekommen. Die Handersons bewohnten ein Zimmer und ich ein zweites. Zwischen unseren Zimmern gab es eine Verbindungstür. Diese benutzte aber hauptsächlich David, um heimlich des Öfteren zu mir zu schleichen. Ich musste einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

Auch wir wollten an diesem Tag zum Strand an einem der beiden großen klaren Mehre von Tindara gehen. Ich hatte David ein kleines ferngesteuertes Boot repliziert, das er auf dem Wasser fahren lassen wollte. Natürlich wollte er auch mal selbst schwimmen gehen.

Staunend sah ich zu, wie das Schiffchen auf dem Wasser tanzte und eine Pirouette nach der anderen drehte. „Wow.“, machte ich. „Wo hast du gelernt, so mit ferngesteuerten Geräten umzugehen?“ Statt einer Antwort bekam ich aber nur das plötzliche nervöse Tippen Davids auf der Fernsteuerung zu hören. Außerdem bekam ich mit, dass sich der Antrieb immer weiter entfernte. „Was mach’ ich denn jetz’?“, fragte David traurig. „Sie ist außer Reichweite.“, erklärte ich. „Ich höre sie noch. Warte, ich schwimme hinterher und hole sie zurück.“ Damit war ich im Wasser verschwunden, aber das Geräusch wurde leiser und leiser und, obwohl ich so schnell schwamm wie ich konnte, verlor ich es bald. Aber nicht nur das Geräusch hatte ich verloren, nein, auch meine eigene Orientierung war so gut wie weg. Ich versuchte, mich umzudrehen, als ich plötzlich eine Hand spürte, die mich rückwärts zog und eine männliche jüngere Stimme mich auf ruhigem akzentfreiem Englisch ansprach. „Hey, ist ja gut, du Sternenflottenpromi.“, sagte er, während er mich ins flache Wasser zurückzog. „Im Wasser gibt es nun mal kein Spezialprogramm und allein solltest du nie in ein fremdes Gewässer. Außerdem ist das doch gegen die Vorschriften, he, ihr tretet doch sonst immer nur paarweise auf.“ „Kenne ich dich?“, fragte ich in korrekter tindaranischer Anredeweise zurück. „Nein.“, erwiderte er. „Aber ich kenne dich. Du bist die berühmte Allrounder Betsy von der Sternenflotte.“ „Stimmt.“, bestätigte ich. „Und wer bist du?“ „Shimar.“, stellte er sich knapp vor.

Wir hatten den Platz erreicht, an dem ich mich mit den Handersons zum Picknick niedergelassen hatte. Traurig betrachtete David meine leeren Hände. „Du hast sie nicht gefunden?“, fragte er. Ich schüttelte den Kopf. David begann zu weinen. „Mal sehen, was sich da machen lässt.“, sagte Shimar aufmunternd. „Du willst …“, begann ich. „Ja.“, erwiderte er. „Mal probieren. Ein Versuch schadet nicht.“ Damit visualisierte er sich selbst, wie er über dem Meer schwebte. Die Augen des in seinem Geist entstandenen Shimar-Spiegelbildes waren immer auf die Wasseroberfläche gerichtet. „Ich sehe es!“, sagte er nach ein paar Sekunden. Dann stellte er sich seine Hand vor, wie sie das Boot griff und zum Strand zurückbrachte. Es gab einen weißen Lichtblitz und neben David lag sein Spielzeug. „Das war echt voll der granatenmäßige geile Hammer, Mister!“, quietschte der Junge. „Davidchen!“, empörte sich Mrs. Handerson. „Wo lernst du solche Worte? Du bist erst acht Jahre alt!“ „Von allen Erwachsenen, die mir so begegnen.“, antwortete David vorwitzig. Ich machte ein verschämtes Gesicht, denn ich wusste, dass damit eigentlich ich gemeint war. Man hatte mir ein großes Verständnis für Jugendliche nachgesagt und ich kam tatsächlich gut mit ihnen klar. David musste im Jugendtreff von Little Federation, den ich von Zeit zu Zeit betreut hatte, etwas aufgeschnappt haben.

„Was kann ich machen, damit das nich’ noch mal passiert?“, wollte David wissen, nachdem er Shimar kräftig umarmt hatte. „Zeig mir mal die Fernbedienung.“, schlug dieser vor. David zog das Gerät aus der Tasche und gab es ihm. Shimar betrachtete das Display und sagte schließlich: „Schau mal links oben in die Ecke. Der Kreis mit dem Punkt, den du dort siehst, ist ein Reichweitenhorizont. Der Punkt ist das Boot und darf den Kreis nie verlassen.“ Damit gab er die Steuerung zurück. „Danke, Shimar!“, strahlte David. „Du kannst genau so klasse erklären wie Betsy. Geht ihr miteinander?“ „So etwas fragt man nicht!“, wies Mr. Handerson seinen Sohn zurecht, bevor Shimar oder ich antworten konnten.

Shimar war nicht entgangen, dass ich Stein und Bein fror. „Ich bringe dich zu meinem Jeep. Da habe ich Wolldecken und Handtücher. Wird Zeit, dass du wieder trocken wirst.“ Dagegen hatte ich nichts. Im Gegenteil. Bei ihm fühlte ich mich so schrecklich sicher und geborgen, obwohl er Telepath war. Für ihn würde ich sogar das Protezin absetzen. Davids Frage hallte immer wieder in meinem Kopf nach. „Geht ihr miteinander?“

Ich sah ein vielsagendes Bild in meinem Kopf. Eine kleine Frau mit langem buntem Blümchenkleid und bunten Schuhen, die auf meiner Brust saß. Sie saß dort, wo mein Herz ist und hüpfte unentwegt auf und ab, wo bei sie: „Sag ja, sag ja!“, im Takt meines Herzschlages rief. Auf meinem Kopf saß eine weitere kleine Frauengestalt mit einem Dutt in ihren streng zurückgeworfenen langen blonden Haaren. Sie trug einen Faltenrock und hochhackige Schuhe. Wie eine Gouvernante sah sie aus. „Nein, nein!“, rief sie. „Du bist ja schließlich verheiratet!“ Es war die klassische Engelchen-Teufelchen-Situation, nur vermochte ich nicht wirklich zu sagen, wer der Engel und wer der Teufel war.

„Hey, Träumerin.“, flüsterte Shimar mir zu und hielt mir ein Handtuch hin. Als ich dieses nicht aufnahm, sagte er: „Na, ich sehe schon. Alles muss man selber machen.“ Damit begann er, mich abzurubbeln. Ich hätte mich bei jedem anderen Telepathen, der mich berührt hätte, stark gewehrt. Aber nicht bei ihm. Er würde nicht unbefugt in meinen Kopf gehen. Da war auch das Bild wieder, denn ich spürte, dass da auch von seiner Seite mehr war, als nur bloßes Abtrocknen.

Ich zog Miss Blümchenkleid an mich heran und gemeinsam gaben wir Miss Faltenrock einen gepfefferten Tritt in den Hintern, worauf sie mit Karacho aus meinem Geist flog. Pass beim Rausgehen auf, wohin du trittst, Spaßbremse!, schrie ich ihr in Gedanken noch hinterher. Ich sage das nicht deinetwegen, sondern wegen deiner Krankenhausrechnung. Die kann ich mir bestimmt nicht leisten! Ich war bereit, mich Hals über Kopf in diese Sache mit Shimar fallen zu lassen.

Sianach, eine etwa 2,20 m große Vendar mit braunem Fell, hatte Zirell auf deren Bitte mit ihrem eigenen Schiff abgeholt. „Der Lehrer meines Lehrers ist auf deiner Station aufgetaucht und will, dass du ihn und seine Telshanach verheiratest?“, fasste die 35-jährige Vendar die Situation zusammen. Sianach war Jorans letzte Novizin gewesen, bevor er gegen Sytania rebelliert hatte. „Das ist richtig.“, bestätigte die tindaranische Kommandantin. „Ich habe bereits ein Gespräch zwischen dir und Mallach anberaumt.“, erklärte Sianach weiter. „Sie erwartet dich im Tempel. Ich werde dabei bleiben, falls ich übersetzen muss. Mallachs Englisch lässt immer noch zu wünschen übrig.“

Joran hatte einmal einer Hand voll Vendar-Priesterinnen das Leben gerettet. Mallach war ihre Oberste.

„Ich hoffe nur, ich kann mir das alles merken.“, stöhnte Zirell bei der Aussicht, dass sie ein ca. 20 Stunden dauerndes religiöses Ritual einer fremden Kultur auswendig lernen und fehlerfrei ausführen müssen würde. „Das bekommst du schon hin, Anführerin Zirell.“, motivierte Sianach sie.

Das Veshel mit den Frauen ging in den Sinkflug und Zirell sah die Lichtung, die die Vendar-Rebellen als Raumflughafen umfunktioniert hatten. Vier Positionslichter aussendende Bojen markierten den Landeplatz. Sicher und routiniert brachte Sianach das Schiff herunter.

Nach dem Aussteigen sah Zirell plötzlich eine kleine Gestalt, die sich schnell auf sie zu bewegte. Die Gestalt hatte weißes Fell und war etwa 1,60 m groß wie Zirell. Als die kleine Gestalt Zirell ansichtig wurde, breitete sie ihre Arme aus und quietschte freudig: „Anführerin Zirell! Dich habe ich ja lange nicht mehr gesehen!“ „Tchiach!“, freute sich Zirell. Dann umarmte sie das Vendar-Kind fest und rubbelte ihr Fell kräftig. Etwas ließ die Tindaranerin aber plötzlich zurückschrecken und peinlich berührt auf ihre Hände starren. Zirell hatte zwei große weiße Fellbüschel in ihren Händen. „Tut mir Leid, Kleines.“, entschuldigte sie sich. Auch Tchiach machte ein trauriges Gesicht. Zirell sah Sianach an, als wollte sie sagen: „Du weißt doch sicher, was hier los ist.“ „Eine kleine vorpubertäre Krise, Anführerin.“, erklärte Sianach. „Tchiach ist traurig, weil sie ihr schönes weißes Kinderfell verliert. Sie hat Angst, dass sie später nicht mehr so schön weich ist. Eigentlich muss ich sie jeden Abend abbürsten, damit die toten Haare aus ihrem Fell verschwinden. Aber das ist jedes Mal ein einziger Kampf.“

Zirell betrachtete die Stellen, an denen sie Tchiach berührt hatte. Sie sah einige schöne silbergraue Flecken, die sie an das Fell von Namach, Tchiachs leiblicher Mutter, erinnerten. Da diese Stellen sich an Tchiachs Rücken befanden, konnte diese sie selbst nicht sehen. Zirell tat erstaunt und sagte: „Oh, Tchiach, ich glaube, dass du das schöne Fell deiner Mutter geerbt hast. Und …“ Sie strich liebevoll über einen der Flecken. Dann fuhr sie fort: „Ui, wie schön seidig! Wenn ich ein Vendar-Junge wäre, würde ich mich glatt in dich verlieben!“ „Echt?“, fragte Tchiach zurück. Auf ihr Gesicht war das Lächeln zurückgekehrt. „Ganz echt.“, antwortete Zirell kindgerecht. „Ich werde es dir beweisen, indem ich dir zeige, was ich gefühlt habe. Darf ich?“, Tchiach nickte und Zirell übermittelte ihr telepathisch, was sie gefühlt hatte. An sich lernt jeder Telepath von Kindesbeinen an, niemals freiwillig mit einem Vendar Kontakt aufzunehmen, aber Zirell vertraute Tchiach, denn sie war ja schließlich die Tochter des Oberrebellen. Außerdem nahm sie bereits seit geraumer Zeit die Medizin der Beschützer. Also konnte sie keinem Telepathen gefährlich werden.

„Wenn das so ist, Ziehmutter Sianach.“, wendete sich Tchiach an ihre Adoptivmutter. „Dann darfst du mich ruhig jeden Abend bürsten, so lange du willst.“ Sianach schaute Zirell ehrfürchtig an. „Vielen Dank, Anführerin Zirell. Wo wäre ich nur ohne dich?“ Die Tindaranerin lächelte zufrieden, bevor sie Sianach und Tchiach in Richtung Tempel folgte.

Jenna und Shannon hatten Tabrans Schiff repariert und sich jetzt IDUSA zugewandt. Jenna wusste, dass bei dem tindaranischen Schiff nur ein Routinecheck notwendig war. Sie hatte Station und Schiff zu sehr im Griff, wie ihre Assistentin fand, als dass noch etwas hätte passieren können. Deshalb konnte sie Shannon auch mit ruhigem Gewissen die Aufsicht über die Systeme überantworten.

Jenna war aus IDUSAs Cockpit zurückgekehrt und hatte ihr Arbeitspad zur Seite gelegt. „Jenn’.“, wendete sich Shannon an ihre Vorgesetzte. „Kennen Sie schon die neuesten Gerüchte?“ Jenna dachte, was jetzt wohl wieder kommt und sagte: „Nein, Assistant, was meinen Sie denn?“ „Da wollen doch zwei über hundertjährige heiraten, ’ne zauberhafte Geschichte, nich’?“ Natürlich wusste Jenna, worauf sie hinaus wollte. „Für Vendar ist das nichts Ungewöhnliches.“, begann sie, ihre Assistentin aufzuklären. „Wenn Tabran und Shiranach das letzte Drittel ihres Lebens miteinander verbringen wollen, dann bitte.“ „Aber die zehn Jahre Altersunterschied …“, unterbrach Shannon. „Die sind bei denen nicht so schlimm wie bei uns.“, rechnete Jenna vor. „Sie machen nur ein Dreißigstel der gesamten Lebensspanne aus, sind also so gut wie nichts.“ „Wenn sie meinen.“, brummelte Shannon mürrisch. „Ja, das meine ich.“, entgegnete Jenna und verließ die technische Kapsel.

Tindaranische Schiffe und Stationen haben übrigens eine Kugelform.

Joran war in der Zwischenzeit mit dem Kofferpacken fertig geworden. Stolz präsentierte er seine Leistung seiner Freundin, als diese ihr gemeinsames Quartier betrat. „Kannst du noch einmal drüber gucken, Telshanach, damit sicher ist, dass ich auch nichts vergessen habe?“, fragte er. „Sicher.“, antwortete Jenna und ließ ihren prüfenden Blick über die offenen Koffer schweifen. Ungefähr in der Mitte blieb sie aber kurz stehen und verzog kritisch das Gesicht. „Was habe ich falsch gemacht?“, fragte Joran. Dabei machte er ein Gesicht wie ein unartiger Schuljunge, den seine Lehrerin bei einem Streich erwischt hatte. „Gar nichts.“, lächelte Jenna, nachdem sie ihn doch eine Weile schmoren lassen hatte. „Es war nur ein Spaß. Ich weiß ja, wie perfektionistisch und pflichtbewusst du bist. Wollte nur mal deine Reaktion testen.“ Joran atmete erleichtert auf. Dann schloss er die beiden Koffer, einen nach dem anderen. „Lass uns gehen.“, versuchte Jenna, die Abreise zu beschleunigen. „IDUSA wartet.“

Shimar und ich saßen Hand in Hand auf der Rückbank seines Jeeps. Er hatte mir meine Sachen gebracht und ich hatte mich umgezogen. Das Gleiche hatte auch er getan. Seine Hand zu halten machte mir nichts aus. Zwar konnte ich als Nicht-Telepathin nicht wirklich spüren, ob er in meinen Kopf ging oder nicht, ich war aber sicher, er würde mich nicht hintergehen. Die Handersons waren schon lange gegangen und wir waren die einzigen auf dem Parkplatz. „Ich fühle mich bei dir so sicher.“, flüsterte ich ihm zu. „Obwohl du Angst vor Telepathie hast?“, fragte er zurück. „Ich weiß, du würdest den Umstand, dass ich Nicht-Telepathin bin, nie zu meinem Nachteil ausnutzen.“, sagte ich. „Wie könnte ich?“, erwiderte er. „Dafür liebe ich dich doch viel zu sehr.“ Er zog mich an sich und küsste mich.

Allerdings hatte nicht nur Shimar heute einen Glückstag. Auch Cirnach gefiel, was sie durch den Kontaktkelch sah. Sie hatte die Sage von Troja zu Ende gelesen. Shimars und meine Situation passte, wie Cirnach fand, sehr gut dazu. Es wäre ihr sehr willkommen gewesen, wenn wir weiter gingen in unserer Beziehung. „Wenn ihr Ehemann rauskriegt, dass sie mit einem Außerirdischen aus einer Dimension fremdgeht, die erst kürzlich mit der Föderation Freundschaft geschlossen hat, wird er glauben, die Tindaraner seien allesamt Verführer und Vergewaltiger. Er wird Krieg und Pulverfass schreien und die naive Nugura wird das wahrscheinlich sogar bejahen. Falls er ihr doch verzeiht, werden wir nachhelfen.“, erklärte Cirnach ihrem Ehemann den Plan, den sie soeben gefasst hatte. „Es hat sich also gelohnt.“, stellte Telzan fest. „In der Tat.“, antwortete Cirnach. „Weißt du, wo ich Gebieterin Sytania finden kann?“ „So weit ich weiß, wollte sie zur Jagd reiten.“, informierte Telzan sie. „Dann soll mir der Stallbursche auf der Stelle ein Pferd geben!“, erwiderte Cirnach, steckte den Kontaktkelch ein und war aus der Tür.

Jenna und Joran waren mit IDUSA in die Atmosphäre von Tindara eingetreten. IDUSA flog auf Automatik, weil sich Jenna und Joran beim besten Willen nicht einigen konnten, wer sie denn nun fliegen sollte. „Hoffentlich lassen mich die tindaranischen Techniker ganz.“, drückte das Schiff ihre Befürchtungen aus. „Na, na, IDUSA.“, entgegnete Jenna. „Vertraust du deinen eigenen Erbauern nicht mehr?“ „Vertrauen ist eine Empfindung.“, korrigierte IDUSA. „Zu Empfindungen bin ich nicht in der Lage, wie Sie wissen, Jenna. Wenn überhaupt, würde ich sagen, ich vertraue Ihnen allerdings viel mehr.“ Jenna schluckte. „Du solltest, was sie gerade gesagt hat, als Kompliment betrachten, Telshanach.“, wies Joran sie zärtlich aber bestimmt zurecht. „Schon gut.“, zischte Jenna. „Ich weiß nur nicht, wie die Tindaraner das aufnehmen. Nachher sind sie noch gekränkt. IDUSA, SITCH die Werft an und sag ihnen, dass wir kommen.“ Sie bekamen einen Landeplatz auf dem Gelände der Werft, die an den Raumflughafen grenzte, zugewiesen.

„Braver Junge!“, lobte Cirnach den schwarzen Hengst, den ihr der Stallbursche gegeben hatte und der sie nun gehorsam über einige Naturhindernisse hinweg durch die dunklen Wälder des Dunklen Imperiums getragen hatte. Sie war Sytania und ihrer Jagdgesellschaft ansichtig geworden und hatte ihr Pferd jetzt auf einem Hügel angehalten. Dann hatte sie die Beißstange entfernt, so dass einem gepflegten Grasfrühstück nichts im Weg stand.

Den Rest des Weges legte Cirnach nun zu Fuß zurück. Es war nicht weit. Am Fuße des Hügels campierten bereits Sytania und ihre Jägerschaft. Verwundert schauten die Jäger auf die sich ihnen langsam nähernde Vendar. „Was will sie?“, tuschelte man. „Was ist denn passiert?“ „Mein Gott, was kann so wichtig sein?“ Die Jäger waren nur kleine Fische in Sytanias Dienerschaft und deshalb nie oder nur sporadisch über ihre Pläne informiert.

Endlich stand Cirnach vor dem Zelt ihrer Herrin. Die Plane war aus Brokat mit goldenen Beschlägen und das Dach zierte eine Rüsche mit einem Drudenfuß. Vor dem Zelt wurde Cirnach von einem mittelgroßen Vendar mit dunkelbraunem Fell aufgehalten. Der schien sie zunächst nicht zu erkennen, erst, als sie ihre Stimme erhob: „Bitte, lass mich zu ihr. Ich will kein großes Aufsehen.“ Der Wächter, dessen Gesicht auch Cirnach zuerst nicht erkannte, musterte sie genauer. „Cirnach ed Telzan!“, rief er schließlich aus. „Vergib mir, Schwägerin, ich wusste nicht, dass du …“ „Schon gut.“, zischte Cirnach. „Und jetzt lass mich durch.“ Der Vendar-Wächter war Telzans Bruder Shaban. Er winkte ihr, vorbei zu gehen und ging weiter seinem Dienst nach.

Sytania lag in ihrer Sänfte, als Cirnach sich leise näherte. Vorsichtig schob sie den samtenen Vorhang zur Seite. „Gebieterin?“, flüsterte sie. „Seid Ihr wach?“ „Jetzt ja, Cirnach.“, entgegnete Sytania, nachdem sie sich umgedreht hatte. „Was willst du denn? Was kann so wichtig sein, dass du mich bei meinen Vergnügungen aufsuchen und stören musst?“ „Bitte vergebt meine Anmaßung.“, begann Cirnach mit einem untertänigen Knicks. „Aber Ihr werdet mir gleich sehr dankbar für diese Störung sein.“ Sie zog den Kontaktkelch aus der Tasche und Sytania und sie legten die Hände darauf. Dann erläuterte Cirnach Sytania ihren Plan. Die schwarzen Augen der Prinzessin begannen teuflisch zu leuchten. „Was für ein vortrefflicher Plan, Cirnach!“, lobte sie. „Und das Allerschönste ist, wir müssen gar nichts tun. Es passiert alles von allein. Nur das mit dem Nachhelfen habe ich nicht ganz verstanden.“ „Vielleicht müssen wir das ja auch gar nicht, Gebieterin.“, beruhigte Cirnach ihre Herrin. „Wie Ihr gerade schon sagtet, es geschieht alles von allein.“ „Ja, ja.“, bestätigte Sytania. „Diese Vulkanier haben schon Recht. Die Liebe ist das teuflischste aller Gefühle!“ Beide Frauen lachten gemein auf.

Shimar hatte das Sprechgerät des Jeeps auf eine Frequenz eingestellt, auf der einige Unterhaltungsmedien zu hören waren. Ein im Systemcode versteckter Befehl verhinderte, dass man auf diesen Frequenzen mit einem normalen Sprechgerät senden konnte. Die Worte der freundlichen tindaranischen Moderatorin verstand ich nicht.

Plötzlich hörte ich ein wohl bekanntes Stück. „Das ist ja Szenario X!“, rief ich aus. „Die kennt man auch hier auf Tindara?“ „Ja klar.“, bestätigte Shimar locker. Dann sagte er: „Sorry, Kleines, aber wenn das klappen soll, was ich jetzt vor habe, muss ich die Frequenz ändern.“ Bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte er eine neue Frequenz eingetippt und ein Rufzeichen gleich hinterher. Ich hatte keine verdammte Ahnung, was er mit der Moderatorin der Sendung besprach. An Hand der Sprachmelodie konnte ich nur vermuten, dass sie ihm Fragen stellte, die er in einer gewissen Zeit beantworten musste.

Er hängte das Mikrofon wieder ein, schaltete das Gerät auf die vorherige Frequenz zurück und startete den Jeep. Aus dem Sprechgerät erklang ein Jingle, dann wurden tatsächlich unsere Namen vorgelesen. Shimar gab ein zufriedenes: „Yes!“, von sich. „Was hast du gemacht?“, lächelte ich. „Szenario X sind hier.“, erklärte er. „Shalima hat bei ihrem Management durchgesetzt, dass sie ein Konzert nur für Pärchen geben. Die ersten zehn kriegen eine VIP-Einladung mit Treffen. Du kannst ihr sogar die Hand schütteln, du Fan!“ „Und das gerade eben war ein Quiz?“, fragte ich. Er nickte. Ich gab einen Freudenschrei von mir und dann sagte ich: „Bitte fahr rechts ran.“ Er tat, worum ich ihn gebeten hatte, nur um sich von mir eine kräftige Umarmung und einen dicken Knutscher abzuholen.

Je länger die Fahrt dauerte, desto mehr nagte mein schlechtes Gewissen an mir. „Du hast doch nicht, ich meine, du würdest doch nicht …“ „Ob ich meine Fähigkeiten benutzt habe, möchtest du wissen, Kleines?“, vergewisserte er sich ob meiner Stammelei. Verschämt nickte ich. „Nein, habe ich nicht. Du kannst ganz beruhigt sein. Das wäre unfair und die Moderatorin hätte es gespürt. Sie hätte Gegenmaßnahmen eingeleitet.“ Er überlegte eine Weile und meinte dann, „Aber, nachgeholfen, tja.“ Er machte eine Pause und ich erschrak. Schließlich piekte er mich aber in die Seite und fuhr fort: „Wenn du das Drücken beider Daumen als Nachhelfen bezeichnen willst …“ „Du Haarspalter.“, gab ich erleichtert zurück. „Ist jetzt alles wieder gut, meine kleine Gewissensmaus?“, fragte er mit einem Unterton, der mich an einen Arzt erinnerte, der wissen wollte, ob seine Patientin nach abgeschlossener Behandlung noch Schmerzen hatte. „Klärchen!“, grinste ich.

Shimar zauberte an diesem Abend eine Überraschung nach der anderen aus dem Ärmel. Er musste alle Texte von Szenario X auswendig gelernt haben. Es machte mir nichts, wenn er den einen oder anderen Ton versemmelte. Bei der um uns herum herrschenden Lautstärke kriegte das eh kein Schwanz mit.

Plötzlich ließ er meine Hand, die er die ganze Zeit gehalten hatte, los und ein Sicherheitsmann nahm mich mit auf die Bühne. Jetzt stand ich neben Shalima und hörte sie sagen: „Wir zwei machen jetzt zusammen: First Contact of Our Heart's. Bist du so weit?“ Ich nickte. Szenario X waren zwar für ihre politisch kritischen Texte bekannt, sie konnten aber auch ganz seicht. In dem genannten Stück erzählten sich zwei Freundinnen die Geschichte, dass die eine einen tollen Typen kennen gelernt hat und nicht weiß, wie sie ihn ansprechen soll. „Du bist die verliebte Miezekatze, OK?“, fragte Shalima. Als Celsianerin hatte sie halt eine sehr lockere Sprache. Wieder nickte ich und sie rief nach hinten zu ihrer Band: „Haut rein, Jungs!“ Die Band, die aus einem Demetaner und drei Androiden bestand, folgte der Anweisung ihrer Frontfrau. Handgemachte Musik war im Zeitalter von Replikatoren und Konservenunterhaltung etwas Seltenes und daher etwas Besonderes. Während des ganzen Liedes ließ Shimar seine Augen nicht von mir.

Jenna hatte IDUSA an Nurell, eine durchschnittlich gebaute Tindaranerin mit etwas kühlem sprödem Wesen, übergeben. Nurell war die Leiterin der Abteilung, die das Schiff jetzt betreuen und generalüberholen sollte. Dann war sie mit Joran in ihrer beider Unterkunft in der Nähe des Raumflughafens zurückgekehrt.

Sie hatten ein kleines Appartement in einer Urlaubspension gemietet. Jenna saß auf dem Balkon und ließ sich gerade einen replizierten Drink schmecken, als Joran an sie heran trat. „Ich muss mit dir sprechen, Telshanach.“ Jenna setzte ihr Glas ab und drehte sich langsam zu ihm. „Was gibt es denn?“, fragte sie freundlich. „Es geht um Nurell.“, gab der Vendar zurück. „Ich mache mir ernste Sorgen um IDUSA.“ „Was?“, lachte Jenna. „OK, ich glaube, ich weiß schon, worauf du hinaus willst. Aber nur, weil sie etwas zurückhaltend ist, muss sie noch lange keine Verräterin sein. Manchmal glaube ich, du siehst Sytania überall. Was sich die Föderationsregierung an Sorgen zu wenig macht, machst du dir zu viel.“ Joran antwortete nicht auf ihren Vorhalt, sondern setzte sich still neben sie. Er wusste zwar, was er gesehen hatte, konnte aber nichts beweisen.

Zirell saß mit einem Pad in der Hand in einem der Freizeiträume der Station. Vor ihrem Abflug von New-Vendar-Prime hatte Sianach ihr die Passage aus den alten heiligen Schriftrollen der Vendar, die ihr Mallach zur Verfügung gestellt hatte, ins Tindaranische übersetzt. Für Maron sollte das Pad auch eine englische Fassung enthalten, denn leider konnte Sianach kein Wort Demetanisch. Aber mit Tarianisch, wie sie und auch alle anderen Vendar die Amtssprache der Föderation nannten, würde Maron schon zurecht kommen. Zirell hatte die Datei auch in IDUSAs Datenbank geladen. Der Ausdruck Tarianisch kam übrigens daher, weil die Vendar die Erde Taria nannten. Unter Tarianisch fielen also alle Erdensprachen.

Zirell hatte nicht bemerkt, dass sich ihr jemand genähert hatte. Erst, als ihr erster Offizier sie ansprach, wurde sie auch ihm ansichtig. „IDUSA sagt, du säßest hier schon seit Stunden.“, bemerkte Maron, als er sich zu ihr gesetzt hatte. Die Tindaranerin warf einen kurzen Blick auf die Zeitanzeige ihres Sprechgerätes. „Oh, tatsächlich.“, bemerkte sie. Dann legte sie frustriert das Pad beiseite. „Wie soll ich mir das nur alles merken!“, rief sie aus. Maron setzte einen tröstenden Blick auf und fragte: „Geht es um die Vendar-Zeremonie?“ „Um was denn wohl sonst.“, raunzte Zirell zurück, korrigierte sich aber sofort wieder und sagte: „Tut mir Leid. Ich weiß ja, dass du mir nur helfen willst.“ „Geschenkt.“, entgegnete Maron und replizierte zwei große Tassen mit einem irdischen Getränk auf der Basis von Milch und kaltem Kaffee, das er erst kürzlich in IDUSAs Datenbank entdeckt hatte. „Welche Ironie.“, stellte er fest. „Da muss ich erst meinen Dienst in einer fremden Dimension antreten, um ein in der Föderation schon seit Jahren heimisches Getränk kennen zu lernen.“ Er stellte eine der Tassen vor Zirell ab und vor sich selbst die andere. „Sieht aus, als sei deine Mutter Schicksal eine ironische Göttin.“, lächelte Zirell gequält.

Marons Blick schweifte über das Pad. „Haben Tabran und Shiranach dir irgendeinen Termin genannt, an dem sie heiraten wollen?“, wollte er wissen. „Nein.“, antwortete Zirell. „Also, dann hast du ja genug Zeit.“, referierte Maron. „Und, wenn ich in einer gottverdammten Zeiterweiterungsblase gefangen wäre.“, widersprach Zirell. „Alle Zeit der gesamten Dimensionen zusammen würde nicht ausreichen, um mir das beizubringen.“

Mit leicht provozierendem Blick griff Maron nach dem Pad. „Halt.“, sagte Zirell. „Die aufgerufene Fassung wirst du nicht verstehen, aber es gibt eine englische. Warte.“ Damit nahm sie das Pad wieder an sich und rief die englische Fassung auf. „Mutter Schicksal, das ist ja ein ganzer Wust von Seiten.“, stöhnte Maron. „Aber gut.“ Damit vertiefte er sich in die Literatur.

Zirell schob den Strohhalm, den sie zum Trinken benutzte, von einem Mundwinkel in den anderen. Ihre Zunge spielte mit der Spitze. „Was wollte er damit bezwecken.“, fragte sie sich. Er würde doch genau so wenig Lernerfolg haben wie sie. Das ganze Thema war für sie staubtrocken.

Nach einer Weile löste sich Maron plötzlich aus seiner konzentrierten Haltung. Er legte das Pad langsam auf den Tisch zurück. „Ich weiß jetzt, was dein Fehler ist, Sea Tindarana.“, sagte er mit überzeugtem Gesicht. „So.“, antwortete Zirell schnippisch. „Ich selbst hätte beinahe den selben Fehler begangen. Wir gehen das Thema viel zu theoretisch an. Vertrau mir bitte einfach.“ Er zückte sein Sprechgerät und gab Shannons Rufzeichen ein. Dann sagte er: „O’Riley, ich benötige Ihre Hilfe. Treffen Sie mich in Simulationskammer 2.“ Dann verließ er den Raum und ließ eine fassungslose und ahnungslose Zirell zurück.

Langsam fuhren Shimar und ich durch die tindaranische Nacht. „Du warst unglaublich auf der Bühne.“, stellte er fest. „Findest du?“, fragte ich. „Natürlich finde ich das.“, sagte er. „Sonst würde ich es doch nicht sagen. Und noch etwas war unglaublich. Um dich herum war alles voller fremder Tindaraner, also alles voller Telepathen und du hattest nicht den Hauch einer Spur eines Bisschens einer Angst.“ „Du warst ja da.“, wies ich ihm die Schuld an meinem plötzlichen Mutanfall zu. „Du hättest mich schon beschützt.“

Shimar kam plötzlich etwas in den Sinn. Vielleicht würde es ihm gelingen, meine Angst vor Telepathie zu besiegen. Er war zwar kein ausgebildeter Psychologe, sondern nur Patrouillenpilot, aber das machte nichts. Ein blindes Huhn findet schließlich auch mal ein Korn.

Er hielt den Jeep an und deaktivierte den Antrieb. Dann drehte er sich zu mir und fragte: „Was ist denn genau das Problem?“ „Ich habe Angst, dass jemand unbefugt in meinen Geist eindringt und meine geheimsten Erinnerungen stiehlt.“, antwortete ich ehrlich. „Bin ich befugt?“, fragte er mit fast schmeichlerischer Stimme. Meine Lippen pressten sich zusammen und mir stiegen die Tränen in die Augen. Ich hatte nämlich die ganze Zeit nein gedacht. „Tut mir Leid.“, schluchzte ich. „Tut mir so unendlich Leid.“ Er zog mich an sich und strich mir über mein tränennasses Gesicht. „Hey, scht, mir muss es Leid tun. Da weiß ich genau, dass du Angst hast und verlange den zweiten Schritt vor dem ersten. Ich ungehobelter Klotz!“ „Du bist kein ungehobelter Klotz.“, schluchzte ich zurück. „Ach, stör mich doch nicht in meinen selbsterzieherischen Maßnahmen.“, erwiderte er. Er zog eine Packung mit replizierten Papiertüchern aus dem Handschuhfach. Dann pulte er in übertriebener Weise daran herum. „So ein Fisselkram.“, beschwerte er sich. „Dass man dieses verdammte Programm noch nicht geändert hat.“ „Ich musste lachen. „Was war das denn?“, fragte ich. „Was meinst du?“, meinte Shimar mit einem unschuldigen Blick. „Wo her hast du denn den Ausdruck?“ „Shannon lässt grüßen.“, erklärte er und reichte mir ein Taschentuch.

Das Piepen des Sprechgerätes machte eine weitere Unterhaltung unmöglich. Shimar sah auf das Display. „Was können denn die vom Raumflughafen von mir wollen?“, fragte er halblaut. „Warum haben die das Rufzeichen deines Jeeps?“, wunderte ich mich. „Die Angehörigen der tindaranischen Streitkräfte müssen alle Rufzeichen, unter denen sie erreichbar sein könnten, bei ihrem Oberbefehlshaber hinterlassen.“, erklärte er. „Moment.“, sagte ich. „Das heißt also, irgendeine Abteilung bei der Zusammenkunft hat denen dein Rufzeichen …“ „Genau.“, bestätigte er, während er den Jeep mit Vollgas in Bewegung setzte. „Aber das dürfen die an sich nur im absoluten Gefahrenfall. Wahrscheinlich hat Sytania zugeschlagen. Halt dich fest!“ Er wendete den Jeep so schnell, dass mir schwindelig wurde. Dann ging es in rasender Fahrt in Richtung Raumflughafen.

Stunden hatten Maron und Shannon in der Simulationskammer verbracht. Der Agent hatte der technischen Assistentin die Programmierung einer Simulation befohlen, die das ganze Ritual plastisch darstellte. Nachdem alles zur Zufriedenheit des Demetaners abgeschlossen war, schickte er seine Untergebene mit den Worten: „Danke, O’Riley, wegtreten.“, fort. Dann SITCHte er Zirell an und bat sie, zu ihm in die besagte Kammer zu kommen. Hier sahen sie sich jetzt die Simulation gemeinsam an. Tatsächlich verstand Zirell nun einiges viel besser. „Du scheinst mich wirklich gut zu kennen, Maron.“, lächelte sie.

Jenna und Joran waren auf das Werftgelände gekommen und hatten sich jetzt nahe der Tür, die ins Gebäude des Raumflughafens führte, versteckt. Sie wollten Shimar überraschen und hatten tatsächlich einen Kontrolloffizier zur Ausführung ihres Planes herumgekriegt. Joran kannte als bester Freund von Shimar selbstverständlich auch die einschlägigen Rufzeichen, unter denen er erreichbar war. IDUSA war zum Spionieren abkommandiert worden. Mit Hilfe ihrer Sensoren hatte sie das Innere des Gebäudes auch durch die geschlossene Tür fest im Blick. Sie würde Jenna, die ihr Sprechgerät in Bereitschaft hatte, drei mal rufen, wenn sie Shimar sehen würde.

Shimar und ich waren am Raumflughafen angekommen. Er hechtete aus dem Jeep und zog mich hinter sich her. „Komm schon.“, sagte er hektisch. „Ich bin sicher, wir haben keine Zeit.“ „Wo ist deine Ausrüstung?“, wollte ich wissen, denn mir war aufgefallen, dass wir beide immer noch in Strandkleidung herumliefen. „Die ist zu Hause.“, berichtete Shimar knapp. „Aber, wenn das ein echter Notfall ist, kann ich mir eine neue replizieren inklusive Uniform. Bei dir sieht es ja nicht viel anders aus.“ Während wir durch das Gebäude sprinteten, bekam ich plötzlich das Öffnen einer Seitentür mit. Dann riefen zwei bekannte Stimmen: „Überraschung!!“ Ich löste mich von Shimars Arm und drehte mich in die Richtung. „Jenna, Joran, was macht ihr denn hier?“, fragte ich in Richtung der beiden, die jetzt ruhig auf uns zu gingen. „Was machst du hier, Allrounder Betsy von der Sternenflotte.“, wollte Joran wissen. „Lange Geschichte.“, entgegnete ich. Langsam hatte Shimar einen Verdacht. „Ihr wart das!“, stellte er fest und zeigte auf Jenna und Joran. „Es gibt also gar keinen Notfall?“ Jenna schüttelte den Kopf. „Ihr seid mir vielleicht welche.“, grinste Shimar.

Wir vier setzten uns auf eine nahe Bank. Mir war etwas aufgefallen. Diese Seitentüren durfte man normalerweise nicht ohne Clearence öffnen. Anders war das auch nicht möglich, denn die dazugehörigen Geländeabschnitte gehörten Werften oder dem tindaranischen Militär. Da hatte kein Zivilist Zutritt und eine solche Clearence bekam man nur, wenn man auf diesem Gelände etwas zu tun hatte. „Also.“, wendete ich mich an Jenna. „Das Grundstück, von dem ihr gekommen seid, gehört doch sicher einer Werft. Könnte es also sein, dass ihr IDU …“ Jenna hielt mir den Mund zu und Joran brüllte durch das ganze Gebäude: „Kelbeshh!! Jetzt hast du uns die ganze Überraschung verdorben!!“ Eine Gruppe tindaranischer Jugendlicher, die in Unkenntnis der Tatsache, dass der genannte Vendar-Begriff eigentlich Scheiße bedeutete, davon ausgingen, dass er genießt hatte, wünschte solidarisch im Chor Gesundheit und dann meinte ein Mädchen: „Ist die Nase noch dran, Opa, oder soll ich mal zehn Häuserblöcke weiter im Dachfirst danach suchen?“ Joran stand auf und lächelte großmütig über alle hinweg. So viel Großmut waren die Jugendlichen nicht gewohnt und zogen geplättet ab.

Wieder verging einige Zeit. Dann fragte Shimar, den meine Äußerung nicht in Ruhe gelassen hatte: „Was war das mit IDUSA?“ „Na gut.“, begann Jenna. Joran zog sie am Ärmel und flüsterte: „Telshanach, nicht.“ „Wir müssen es sagen.“, widersprach Jenna. „Jetzt ist doch eh alles zu spät.“ Sie drehte sich Shimar zu. „Es ist richtig. Wir haben IDUSA mitgebracht.“ Dann übergab sie Shimar einen Datenkristall mit einer Clearence, die ihn zum Zutritt auf dem Werftgelände berechtigte.

 

Überraschungen

von Visitor

Zirell und Maron waren jetzt mit den Vorbereitungen für die Vendar-Hochzeit beschäftigt. Vieles musste extra repliziert werden. Plötzlich stockten die Vorbereitungen. „Ich mache Sie darauf aufmerksam.“, begann IDUSA. „Dass ich einen wilden Eber zur Tötung aus reinem Vergnügen oder zu rituellen Zwecken der tindaranischen Rechtsprechung nach nicht replizieren darf. Die Rechtsprechung achtet jedes Leben und das Tier würde, auch, wenn es nur ein Bioreplikat sei, trotzdem jede Voraussetzung erfüllen, eine Lebensform zu sein. Deshalb kann und darf ich einem solchen Befehl nicht Folge leisten. Ich würde mich strafbar machen und das hätte meine sofortige Demontage zufolge, weil ich einen Mord unterstützt hätte.“ Zirell schloss mit sich selbst Wetten ab, ob Maron wohl versuchen würde, IDUSA zu manipulieren oder sie gar durch jemanden mit technischen Kenntnissen manipulieren zu lassen, oder ob er ihren Einwand akzeptieren und eine andere Lösung suchen würde. Erleichtert nahm die Tindaranerin dann folgende Äußerung ihres demetanischen ersten Offiziers zur Kenntnis: „OK, IDUSA. Entschuldige bitte. Das hätte mir bewusst sein müssen. Auch die Föderation achtet Leben. Was machen wir jetzt?“

Während des gemeinsamen angestrengten Überlegens hatten weder Zirell noch Maron bemerkt, dass IDUSA eine Lösung gefunden hatte. Erst die Sprechanlage und eine völlig aufgeregte Shannon rissen sie aus ihren Gedanken. „Agent, Commander, bitte schnell! Ich flipp’ aus! Vor mir steht ein riesiges Tablett mit einem Kuchen, der wie ein Wildschweinmännchen aussieht. Das Tablett bewegt sich mit Antriebsspulen durch den Raum! Oh, Mann, Bitte, kommen Sie schnell her und sehen Sie sich das Schauspiel selbst an!“

Zirell und Maron stürmten zum nächsten Turbolift und fuhren in die technische Kapsel. Bereits als sie durch die Tür gingen, schmetterte Maron: „Bericht, Technical Ass …“ weiter kam er nicht. Denn im selben Moment wurde er von dem fliegenden Kuchenwildschwein überholt. Zirell bekam einen Lachanfall. „Oh, bei allen Göttern, Maron, du solltest mal dein Gesicht sehen!“ Dann räusperte sie sich und schloss ihren persönlichen Neurokoppler an einen der entsprechenden Ports an. „IDUSA, lade meine Reaktionstabelle.“, prustete sie ins Mikrofon. Der Rechner führte den Befehl aus. „Was gibt es denn?“, fragte IDUSA unschuldig. „Ich wollte dir nur sagen, dass du eine optimale Lösung gefunden hast. Ein Kuchen erfüllt keine Voraussetzung, eine Lebensform zu sein. Trotzdem werden unsere Eheanwärter ihre Herausforderung haben.“ „Stimmt.“, scherzte Maron. „Wollten die beiden nicht ohnehin terranische Elemente? Nun, die Voraussetzungen wären jetzt ja erfüllt. Das gemeinsame Anschneiden der Hochzeitstorte meine ich.“ Zirell musste erneut lachen.

Sanft ließ IDUSA das Tablett, dessen Prozessor sie fernsteuerte, auf einem Tisch landen. Jetzt konnten Zirell und Maron sich den riesigen Kuchen, der die Originalgröße eines Keilers hatte, einmal von nahem betrachten. Da stand das riesige Tier in seiner Suhle aus Schlagsahne vor ihnen! „Schokolade und Napfkuchenteig für die Hülle.“, klärte IDUSA die beiden auf. „Über die Füllung verliere ich kein Wort. Das wird eine Überraschung bleiben müssen.“ Da sie in der Zwischenzeit auch eigenständig Marons Tabelle geladen hatte, konnte auch dieser das verschmitzte Grinsen des Avatars sehen. Maron war etwas aufgefallen und er zeigte auf das Wildschwein, wo bei er in die Sahne gefasst und sich den Finger abgeleckt hatte. „Wirklich optimale Lösung.“, schmatzte er. „Nur, warum ist das Schwein schwarz?“ IDUSA wollte antworten, aber Shannon winkte ab und trat vor. „Sir.“, erklärte sie. „Es mag ja sein, dass es auf Demeta keine Wildschweine gibt und Sie das deshalb nich’ wissen können. Aber die Viecher werden in der Jägersprache nich’ umsonst Schwarzkittel genannt.“ „Ach so.“, erwiderte Maron lernwillig. „Und ich habe immer gedacht, alle Schweine wären rosa.“ „Man lernt eben nie aus.“, schmunzelte Zirell. Dann verließen die Beiden die technische Kapsel, allerdings nicht, ohne vorher IDUSA nach dem Grund zu fragen, warum sie das Schwein gerade hier repliziert hatte. „Nun.“, antwortete sie. „Bei den normalen Haushaltsreplikatoren hätte ich Schwierigkeiten mit den Größenverhältnissen bekommen, deshalb musste ich den hiesigen Industriereplikator benutzen.“ „Verstehe.“, entgegnete Maron im Gehen. „Wenn man bedenkt, dass da ganze Antriebsspulen rauskommen können.“

Shimar und ich hatten die Nacht unter freiem Himmel verbracht. Das Wetter war so richtig hochsommerlich und die Luft fühlte sich für mich an wie eine warme weiche Decke, in die man sich prima einkuscheln konnte. Shimars Sprechgerät stand auf dem Gartentisch ganz in der Nähe und war darauf programmiert, uns pünktlich um acht Uhr morgens zu wecken, was für eine Sternenflottenoffizierin und einen tindaranischen Patrouillenflieger schon an Langschläferei grenzte. Hand in Hand waren wir eingeschlafen und genau so wachten wir auch wieder auf. „Hey, klasse, Kleines.“, begrüßte er mich. „Wovon sprichst du?“, erwiderte ich schlaftrunken. „Tu nicht so.“, grinste er. „Du weißt genau, wovon ich rede.“ „Weiß ich nicht.“, widersprach ich. Er setzte sich auf und sagte: „Na, davon, dass du akzeptiert hast, dass ich die ganze Nacht deine Hand gehalten, also dich berührt, hatte. Es hätte ja sein können, dass ...“ „I wo.“, machte ich. „Du hast doch gesagt, das würdest du nie tun und ich vertraue dir.“ Er zog mich auf die Beine und wir gingen ins Haus zum Frühstücken.

Irgendwie musste ich beim Frühstück viel nachdenken. Warum fand er diesen Minischritt, den ich gemacht hatte, so außergewöhnlich? In diesem Tempo würde es sicher Jahrhunderte dauern, bis ich meine Angst vor Telepathie los war. Shimar war mir nie als sehr geduldiges Wesen beschrieben worden. Eigentlich war er sehr impulsiv und wollte am Liebsten immer alles sofort erreichen. Aber anscheinend veränderte die Liebe alles. Gedankenverloren hielt ich mein Brötchen fest und bemerkte nicht, dass der Aufstrich sich langsam aber sicher davon machte.

Shimar musste wohl gemerkt haben, dass ich irgendeinem Thema nachhing. „Ich dachte mir, wir drehen nach dem Frühstück einige Runden mit IDUSA.“, schlug er zu meiner Ablenkung vor. „Was?“, erwiderte ich, denn ich hatte nur mit halbem Ohr zugehört. „IDUSA.“, wiederholte er. „Wie wär’s?“ „OK.“, sagte ich.

Mit dem Jeep fuhren wir zum Werftgelände und stellten ihn auf dem Parkplatz ab. Hektisch fingerte Shimar im Handschuhfach herum. „Ach du Schreck!“, rief er plötzlich aus. „Ich habe Jenn’s Kristall vergessen!“ „Nimm den solange.“, lächelte ich und schob ihm den Datenkristall hin. „An was du alles denkst.“, lobte er mich, bevor wir ausstiegen und in Richtung Werfttor gingen.

IDUSA hatte bereits die Luke zu ihrem Cockpit geöffnet, als wir eintrafen. „Woher wusstest du, dass wir kommen?“, erkundigte sich Shimar. „Der Werftcomputer hat gepetzt.“, scherzte die künstliche Intelligenz. „Ich wusste gar nicht, dass du Witze machen kannst, IDUSA.“, staunte ich. Shimar zog einen zweiten Neurokoppler aus der Tasche und gab ihn mir. „Setz den auf und gib mir das Anschlussmodul.“, instruierte er mich. „Ich weiß, wo der Port ist.“, lehnte ich seine Hilfe freundlich aber bestimmt ab. „Ich habe IDUSA schon mal geflogen.“ „Echt?“, staunte er. „Bestätigt.“, pflichtete das Schiff mir bei. „Wow.“, machte Shimar.

IDUSA lud unsere Reaktionstabellen, denn bisher hatten wir uns mit ihr nur über Mikrofon verständigt und Shimar brachte uns aus dem Dock und in die tindaranische Umlaufbahn. „Wie wär’s, Betsy, wenn du jetzt mal übernimmst und mir zeigst, was du so drauf hast.“, schlug Shimar vor. „Wie du willst.“, sagte ich und fügte in IDUSAs Richtung hinzu: „Zeig mir die Steuerkonsole.“

Wir flogen eine ganze Weile durch das Sonnensystem, als IDUSA sich erneut an mich wandte: „Eines verstehe ich nicht, Allrounder Betsy. Sie fliegen mich gar nicht so schlecht, wenn man bedenkt, dass Sie Angst vor Telepathie haben und ich in gewissem Sinne ja auch Ihre Gedanken lese. Ich interpretiere die Muster ihrer Nervenimpulse und gebe in gleicher Weise auch Signale zurück. Ihren medizinischen Werten zufolge sind Sie aber, abgesehen von einer konzentrierten leichten Anspannung, ziemlich relaxt.“ „Bei dir ist das etwas anderes.“, entgegnete ich. „Du bist ein Stück Technologie und würdest deshalb niemals böswillig etwas ausnutzen.“ „Wenn Sie mir so sehr vertrauen, Allrounder, hätte ich eine Idee für Ihre Therapie.“ Sie schaltete in den Flugschulmodus. „Im Augenblick.“, erklärte sie. „Sind Shimar und Sie über mich miteinander verbunden. Ich bin sozusagen das Relais. Ich werde die Anzeige jetzt trennen, so, dass Shimar die Sensorenbilder und Instrumente sieht und Sie nur die reine Steuereinheit sehen. Dann werde ich die Inputleistung Ihres Neurokopplers langsam senken und Shimar könnte das, was an Verbindung fehlt, telepathisch kompensieren. Vielleicht können wir Sie somit langsam umgewöhnen.“ „Gekauft!“, strahlte ich. Shimar entlockte ihr Vorschlag nur ein begeistertes: „Wow!“

Stunden lang waren wir jetzt schon um Tindara gekreist. IDUSA hatte die Leistung des Neurokopplers langsam immer weiter gesenkt und Shimar seine telepathische Verbindung zu mir in gleicher Weise verstärkt. Ich wusste, würden IDUSAs Sensoren ihr den geringsten Anlass dafür anzeigen, dass es mir damit schlecht geht, würde sie wieder eine Stufe oder auch mehrere zurück schalten.

Plötzlich wurde ich mutig. „IDUSA, schalte meinen Koppler ab.“, befahl ich. „Oh.“, erwiderte sie. „Ich bin auf null.“ „Sie können mich nur noch fliegen, weil Shimar ihnen zeigt, was ich ihm zeige und Sie quasi die Befehle über sein Gehirn eingeben.“ „Oh mein Gott!“, rief ich erfreut aus. „Sie können ruhig IDUSA zu mir sagen.“, erwiderte sie gewohnt nüchtern. Ich nahm den Koppler ab und sie schaltete auf Automatik. Zitternd umarmte ich Shimar und freute mich: „Ich hab’s geschafft! Ich kann dich tatsächlich in meinem Kopf akzeptieren!“ „Langsam.“, bremste er mich. „Das ist nur die halbe Miete. Noch ist IDUSA ja im Hintergrund gewesen. An einer völlig natürlichen Verbindung müssen wir, denke ich, noch arbeiten. Aber das war schon mal ein großer Schritt in die richtige Richtung.“ IDUSA replizierte uns zwei Gläser Sekt, allerdings kriegten wir das in unserem Gefühlsrausch nicht mit. Erst, als sie zu uns sagte: „Drehen Sie sich bitte zum Replikator.“, reagierten wir. „Jetzt weiß ich, warum du auf Automatik geschaltet hast, IDUSA.“, sagte Shimar und gab mir mein Glas. „Korrekt.“, bestätigte IDUSA. „Ich dachte mir, Sie würden Ihren Erfolg gern feiern wollen und Alkohol am Steuerpult ist meines Wissens strafbar. Deshalb fliege ich mich selbst nach Hause und lasse Sie Ihre Lorbeeren genießen.“ „Na, eigentlich hättest du doch allen Grund zum Feiern, IDUSA.“, stellte Shimar fest. „Schließlich war das deine Idee.“ „Wenn Sie mir wirklich etwas Gutes tun wollen, Shimar, dann sagen Sie Jenna Bescheid.“, erwiderte das Schiff. „Nurell und ihre Kollegen sind im Vergleich zu ihr ziemliche Schlächter.“

Auf Zirells Basis hatten Tabran und Shiranach mit ihr und Maron die Einzelheiten für die Hochzeit besprochen. Über die Lösung mit der Torte und der dritten rituellen Prüfung in einem waren die beiden Vendar schwer begeistert. „Du weißt jetzt definitiv über die Zeremonie Bescheid, Anführerin Zirell?“, erkundigte sich Tabran. „Ich denke schon.“, antwortete die tindaranische Kommandantin und gab einiges von ihrem Wissen zum Besten. Shiranach, die selbst Tochter einer Priesterin war, nickte beifällig. „Na, wenn du einverstanden bist, kann ja nichts mehr passieren.“, lächelte Zirell. „Könntest du den Termin für morgen anberaumen?“, fragte Shiranach. „Ihr habt es aber eilig.“, witzelte Zirell. „Aber natürlich geht das. Ich hoffe nur, dass eure Gäste alle so schnell kommen können.“ Den wahren Grund für die Eile hatte sie Zirell wohlweißlich verschwiegen.

„Du hast gerade einen riesigen Schritt in Richtung Angstfreiheit getan.“, stellte Shimar lächelnd fest, als wir wieder in seinem Haus angekommen waren. „IDUSA hätte Psychologin werden sollen.“, sagte ich. „Das stimmt wohl.“, grinste Shimar. „Die Nieten auf Betazed hätten dich nie so weit gekriegt. Müssen die sich von einem Raumschiff die Butter vom Brot nehmen lassen. Ich bin neugierig, wie die reagieren würden, wenn sie das wüssten.“ „Sicher nicht so erfreut.“, meinte ich.

„Du musst schon entschuldigen, aber ich hatte bisher keine sehr guten Erfahrungen mit Telepathie.“, erklärte ich. „Hey, schon OK.“, erwiderte er verständig. „Du sollst angeblich viel Erfahrung mit Sytania haben. Dass die nicht gerade Gutes mit ihren Fähigkeiten tut, dürfte jedem klar sein.“ „Jedem außer Nugura!“, gab ich zurück. „Oh, ja.“, bestätigte er. „Jedem außer deiner Präsidentin. Ich weiß ja, was für’n Stück Arbeit das ist, Nugura von diesem oder jenem Bubenstück Sytanias zu überzeugen und ihr beizubringen, dass dringend dieses oder jenes getan werden muss.“ Ich gab einen Seufzer von mir.

Einige Zeit verging, in der wir stumm da saßen. „Wie siehst du eigentlich wirklich aus?“, fragte ich nach einer Weile. „Was meinst du damit?“, entgegnete er. „Na ja, ich weiß, dass die humanoide Gestalt nicht deine echte ist.“ „Ach das meinst du.“, kapierte Shimar. „Uff, ich bin grottenschlecht im Beschreiben …“ „Zeig es mir einfach.“, schnitt ich ihm das Wort ab. „Ich weiß nicht, ob das schon gut ist.“, sorgte er sich. „Wenn du wieder Angst bekommst, ist alles, was wir bisher erreicht haben, zum Teufel.“ „Ach was.“, tat ich seinen Einwand ab. „Versuchs einfach.“ „Na gut. Schließ die Augen, ich sende ein Bild.“, zitierte er eines der in meinem Jahrhundert momentan aktuellen Musikstücke. Dann sah ich vor meinem geistigen Auge jene schneeflockenartige Struktur, von der ich bereits gehört hatte. Ich visualisierte meine Hand und tastete sie ab. „Wow.“, machte Shimar. „Du arbeitest ja schon mit unserer Verbindung.“ Dann beendete er diese und sagte: „So, Schluss für heute. Ich will dich nicht überfordern, sonst erleidest du noch einen Rückfall. Lass uns schlafen gehen.“ Ich nickte und wir gingen wieder in das Zelt vor dem Haus und krochen in unsere Schlafsäcke.

Egal, was ich versuchte, einschlafen konnte ich in dieser Nacht nicht. Shimar und ich schienen in meiner Seele alles berührt zu haben, was mir je Angst gemacht hatte. Besonders ein Bild bescherte mir einen Alptraum nach dem nächsten. Eine Geschichte meiner Großmutter ging mir nicht aus dem Kopf. Sie hatte mir von einem Schulkameraden berichtet, dessen Vater ihn und seine 12 Geschwister bei jeder Gelegenheit geschlagen hatte. Auch die arme Mutter hatte er nicht verschont. Ich fühlte eine unbändige Wut auf diesen Mann. Das Argument: Das war damals so, zählte für mich nicht. Prügel als Erziehungsmaßnahme waren keine Lösung, sind keine und würden auch nie eine werden.

Shimar musste meine Wut und Trauer mitbekommen haben. Er kroch näher an mich heran, griff meine Hände und sagte: „Wir werden es ihm jetzt so richtig geben!“ Im gleichen Moment glitt ich mit ihm gemeinsam in einen traumähnlichen Zustand ab. Gleichzeitig erschien mir alles, was ich ab jetzt sah, sehr real. Ich fand mich in einem Gebüsch wieder. Es musste weit in der Vergangenheit sein. Neben mir kauerte Shimar. Wir hörten schwere Männerschritte auf uns zu kommen. Shimar warf den großen muskulösen Mann telekinetisch hin und zischte mir zu: „Du bist dran!“ Ich schnellte aus dem Gebüsch hervor, sprang den Mann wie eine Katze an und traktierte ihn mit einem Nudelholz, das mir Shimar im Auftrag der Ehefrau und Mutter, die gemeinsam mit den 13 Kindern mit uns im Gebüsch wartete, zugeworfen hatte. Ich schlug so lange zu, bis das Holz zersplittert war. Das Blut des Mannes spritzte nach allen Seiten, aber das machte mir nichts. „Ich brauche Munition!“, rief ich nach hinten, nachdem ich auch den letzten Rest des Holzes auf seinem Schädel zerdeppert hatte.

Mir flogen nacheinander ein Hammer, ein Kochlöffel, eine Axt, ein gusseisernes Bügeleisen, eine kupferne Milchkanne, eine Bratpfanne, sieben verschiedene Messer und eine Kohlenschaufel zu, für jeden gequälten ein Gegenstand, die ich mehr oder minder auf deren jetzt wehrlosem Vater und Ehemann zerstörte oder zerbeulte. „Du Würstchen!“, schrie ich während jedes Schlages. „Du primitives Würstchen, das seine Wut an Schwächeren abreagieren muss. Wohl noch nie von Diskussionen gehört. Falls du es nicht weißt, das Loch in deinem Gesicht ist ein Mund. Damit kann man reden und nicht nur Bier saufen. Außerdem wird jedes Würstchen irgendwann gegrillt und dann gegessen. Freue dich, heute ist dein Tag.“ Danach fühlte ich mich viel besser. Shimar trennte unsere geistige Verbindung und fragte völlig außer Atem vor Anstrengung: „Hat es dir gefallen?“ Ich nickte genau so erschöpft. Dann schoss es mir durch den Kopf: „Die Zeitlinie! Ist sie intakt?“ „Ist das zu fassen?“, fragte Shimar zurück. „Wir haben gerade jemanden in deinem Geist halb tot geprügelt und das einzige, was Miss Sternenflotte interessiert, ist die Zeitlinie?“ „Ich kann nichts dafür.“, entschuldigte ich mich. „Ich wurde so erzogen. Die Intaktheit der Zeitlinie und anderer Gesellschaften steht ganz oben, da kann man auf Einzelschicksale keine Rücksicht nehmen.“ Bei meinen letzten Worten lächelte ich, um ihm zu zeigen, dass ich einen Scherz gemacht hatte. „Keine Angst, Star Fleet Allrounder.“, scherzte Shimar zurück. „Sie ist intakt. Wir haben nur mit dem Bild gearbeitet, das du in deinem Geist hattest.“ „Es war so real.“, stellte ich fest. „Mach dir keine Sorgen.“, tröstete er. „Um dich wirklich in die Vergangenheit zu bringen müsste ich dich durch die Zeit und auch noch in eine andere Dimension teleportieren und das schafft kein Durchschnitts-Tindaraner, auch wenn er sich noch so anstrengt. Übrigens, zum Thema Anstrengung: Du kannst einen ganz schön fordern. Das mit dem interdimensionalen Teleportieren kriegt nur Dill oder Logar oder Sytania hin. Du weißt außerdem, dass in Gedanken alles erlaubt ist. Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich so gut bin, dass es dir so real vorkommt.“ „Das bist du, da kannst du drauf wetten.“, flüsterte ich zufrieden, bevor ich einschlief.

Am nächsten Morgen wurde ich von einem Signal geweckt, das ich von Shimars Sprechgerät noch nicht kannte. Er selbst schien zu schlafen wie ein Bär, jedenfalls bekam ich diesen Eindruck, denn ich musste ihn mehrmals hart in die Seite knuffen, bevor von ihm überhaupt eine Reaktion erfolgte. „Was ist denn los, Kleines?“, fragte er schlaftrunken. „Hör mal.“, entgegnete ich und hielt ihm das Sprechgerät hin. „SITCH-Mail.“, murmelte er und nahm mir das Gerät ab. Aus seinen halb offenen Augen konnte er nur schwer den Absender ausmachen. „Jenn’.“, stellte er dann doch fest. „Was kann sie denn wollen.“ „Das kriegst du am Besten raus, wenn du die Mail öffnest.“, half ich ihm auf die Sprünge. Irgendwie gewann ich den Eindruck, Shimar ging im Punkto Konzentrationsfähigkeit immer noch auf dem Zahnfleisch. „Oh je.“, seufzte ich. „Eine Tüte Mitleid. Was hab ich bloß letzte Nacht mit dir gemacht?“ „Nichts Schlimmes.“, erwiderte er. „Jetzt weiß ich zumindest, wo ich trainingsmäßig noch mal ran muss.“

Er öffnete die Mail und las vor: „Vendar-Hochzeit heute 15:00 Uhr. Treffen uns bei IDUSA.“ „Jenna und Joran wollen jetzt doch schon heiraten?“, fragte ich. „Ich dachte, das sollte erst passieren, wenn Sytania euch in Ruhe lässt.“ „Was weiß ich.“, brummelte Shimar und richtete sich vergleichsweise schwerfällig auf. Ich verließ ebenfalls meinen Schlafsack und folgte ihm ins Haus. Dort zog ich meine Strandkleidung wieder an, denn etwas Anderes hatte ich gerade nicht. Schließlich war ich ja im Urlaub. Auch, wenn es ein Genesungsurlaub war.

Nachdem ich mit der Morgentoilette fertig war, bemerkte ich, dass Shimar scheinbar nach etwas suchte. Jedenfalls fingerte er hektisch in Schubladen und Schränken herum. „Was suchst du denn?“, wollte ich wissen. „So eine Unordnung herrscht doch gar nicht in deiner Junggesellenbude.“ „Wenn du wüsstest.“, kam es zurück. „Aber wenn du mir unbedingt helfen willst, dann sag mir doch, ob du meine Gala-Uniform gesehen hast.“ Ich überlegte einige Sekunden und meinte dann: „Nur, wenn du mir sagst, ob du meine gesehen hast.“ „Hey, ganz schön schlagfertig!“, lobte er. „Und das gegenüber einem Telepathen.“ „Das macht nur IDUSAs Therapie.“, grinste ich. „Und deine Fortführung derselben. Vielleicht hast du die Uniform ja auf der Station.“ Er warf einen letzten Blick in den Kleiderschrank und sagte dann: „Du wirst sicher Recht haben.“ Danach gingen wir im Urlaubsoutfit in Richtung Jeep um zu IDUSAs Landeplatz zu kommen.

Unsere Stammparklücke wurde von einem gemieteten Jeep versperrt, weshalb Shimar auf eine andere ausweichen musste. „Ich glaube, sie sind schon da.“, erklärte er, während er mich in Richtung des Werfttores führte. Tatsächlich trafen wir dort auf Jenna und Joran. Die Aussicht, sich bald wieder konzentrieren zu müssen, ließ Shimar dem etwas verdutzten Vendar-Krieger den Neurokoppler in die Hand drücken und ihn sagen: „Würdest du bitte fliegen? Ich habe irres Kopfweh.“ Zur Demonstration fasste er sich an die Schläfen. Joran nickte und dann begaben wir uns alle an Bord von IDUSA.

Jenna und ich hatten uns in die Achterkabine zurückgezogen. Hier wollten wir mal ein gepflegtes Gespräch unter Frauen führen. „Also.“, begann ich. „Sie haben aber alle ganz schön hinters Licht geführt, Techniker. Ich habe immer gedacht, Sie und Joran würden erst dann heiraten, wenn Sytania die Tindaraner nicht mehr bedroht. Ich habe mal gehört, dass Sie sich das beide geschworen haben.“ Jenna stand vom Sitz auf und entgegnete: „Na schön, Allrounder, wenn wir schon die Ränge ausspielen. Ich muss Sie schwer enttäuschen. Joran und ich heiraten heute nicht. Jorans alter Lehrer Tabran ist aufgetaucht. Er wird heute seine Verlobte Shiranach heiraten.“ „Von wie alt sprechen wir hier?“, fragte ich. „Nun, er ist 190 und sie ist 200.“, antwortete sie, als sei dies die normalste Sache von der Welt. Mir fiel die Kinnlade herunter. „Aber ich dachte, Tabran sei längst im Tembra’ash.“ „Eigentlich stimmt das auch.“, bestätigte Jenna. „Aber die Wächterin hat für ihn und Shiranach ein Schiff erschaffen, mit dem sie hier aufgeschlagen sind.“ „Verstehe.“, sagte ich. Sie ging zum Replikator und kam mit zwei Gläsern Saft zurück. „Was ich Ihnen schon lange anbieten wollte.“, begann sie. „Nennen Sie mich Jenn’. Das tun auf der Basis fast alle.“ „Ja, ja, Jenn’.“, witzelte ich. „Außer Joran. Der nennt Sie ununterbrochen Telshanach. Ihrer beider Beziehung muss ja der Hammer sein.“ „Ist sie auch.“, bestätigte sie. „Zumal Vendar-Männer dafür bekannt sind, alles Schöne ziemlich in die Länge ziehen zu können.“ „Alles?“, fragte ich mit einem schelmischen Grinsen. „Alles.“, gab sie fast stolz zurück. „Glückliche Jenn’!“, lächelte ich, bevor wir uns zuprosteten.

„Was ist zwischen dir und Allrounder Betsy von der Sternenflotte passiert?“, wollte Joran von Shimar wissen, als er sah, wie sehr dieser in den Seilen hing. „Da es im Vendarischen keine Familiennamen gibt und Joran mit Sternenflottenrängen in englischer Sprache auch nicht wirklich etwas anfangen konnte, umschrieb er vieles in dieser Weise. Für ihn gehörte alles das zum Namen direkt. „Therapiestunde.“, murmelte Shimar müde. „Sie hat Angst vor Telepathie, aber die kriegen wir so langsam in den Griff. Liegt vielleicht daran, weil wir zusammen sind.“ Bei seinem letzten Satz grinste Shimar zufrieden. Joran, der alles nur halb mitbekam, da er sich auch noch auf das Fliegen von IDUSA konzentrieren musste, meinte nur: „Dann hast du es wohl leichter. Bei meinem letzten Versuch, jemandem etwas beizubringen beziehungsweise abzugewöhnen, habe ich mir die Zähne ausgebissen.“ „Vielleicht hätten Agent Maron und du das auch mal versuchen sollen.“, scherzte Shimar und Joran frotzelte zurück: „Ich glaube, ich wäre nicht Agent Marons Typ.“ Beide Männer lachten.

„Achtung, Gentlemen.“, sagte IDUSA plötzlich und stellte ein Sensorenbild auf die Neurokoppler. „Ach du liebes Bisschen!“, kommentierte Shimar das Gesehene. „Ein Veshel-Massenparkplatz.“ Tatsächlich kreisten eine Menge Vendar-Schiffe um die tindaranische Basis. Sicher steuerte Joran das Schiff durch die Reihen. „Hoffentlich ist meine gewohnte Schleuse frei.“, befürchtete IDUSA. „Keine Sorge.“, tröstete Joran. Du wirst heute nicht in zweiter Reihe parken. Schließlich gehörst du ja direkt hierher.“ Er dockte IDUSA an ihrer gewohnten Schleuse an.

Alle vier waren wir ausgestiegen und Jenna führte mich jetzt den langen Gang, von dem rechts und links die Zugänge für die Shuttlerampen abzweigten, entlang. „Alles ist hier bereits auf Hochzeit dekoriert, Ma’am.“, beschrieb sie mir die Szenerie. „Tun Sie mir einen Gefallen.“, entgegnete ich. „Lassen Sie die Ränge und die Tatsache, dass ich Brückenoffizierin bin und Sie Maschinistin sind, bitte an Ihrem Arbeitsplatz. Wir waren doch im Shuttle in der Hinsicht schon weiter.“ „Ich wollte ja nur wissen, wo Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit sind, Betsy.“, berichtigte sich Jenna.

„Stiefmutter Jenna!!“ Ein vor Freude quietschender weicher Wirbelwind kam auf uns zu. „Hi, Tchiach!“, begrüßte Jenna sie mit einem Lächeln. Dann wies sie auf mich und erklärte: „Süße, dass ist Allrounder Betsy von der Sternenflotte. Du kannst aber sicher auch Betsy zu ihr sagen.“ Ich nickte. Etwas verschüchtert gab die kleine Vendar mir die Hand. „Von dir gehört habe ich schon.“, sagte sie. „Du bist ganz berühmt.“ „Nicht übertreiben, Mäuschen.“, versuchte ich das Eis zwischen uns zu brechen. „Ich habe durch meine Freundschaft zu Agent Mikel vielleicht in das eine oder andere Einblick, was mächtige Wesen angeht, aber das ist wirklich nicht viel. Ich bin ein ganz normales Wesen wie du auch.“ „Du bist so bescheiden, Allrounder Betsy von der Sternenflotte.“, raunte Tchiach zurück. Sianach rief ihrem Ziehkind etwas auf Vendarisch zu, was die Kleine veranlasste, sofort wieder in ihre Richtung zu wuseln. „Übrigens!“, rief ich ihr hinterher. „Nenn mich einfach Betsy!“

Jenna, Joran, Shimar und ich hatten gemeinsam in einem Turbolift den Weg zur Offiziersmesse, wo die Hochzeit stattfinden sollte, fortgesetzt. Hier war ebenfalls alles auf Hochzeit geschmückt. Die im Raum befindlichen Gerüche erinnerten mich leicht an eine Kirche oder einen Tempel, was die Kulisse laut Jennas Beschreibung auch hergab. Es war eine Mischung aus Teekräutern, Rosen und Weihrauch, kam aber alles von ein und der selben Pflanze, deren vendarischen Namen ich nicht aussprechen konnte. Ich wusste wohl, dass er in der englischen Übersetzung Ehekraut bedeutete. Rechts und links an den Wänden standen lange Tische, an denen wir alle Platz nahmen. Auf einem Podest in der Mitte vor einer freien Fläche stand ein weiterer kleiner runder Tisch. Davor standen drei Stühle und auf dem Tisch standen 20 Teller mit zehn süßen und zehn bitteren Speisen. In jedem Teller steckte ein Löffel. Ich wusste, dass die Tische repliziert waren. Mir war aber auch bewusst, dass sie die aus einem Baumstamm geschnitzten rituellen Tische in Vendar-Tempeln darstellen sollten. Zumindest war das bei dem Tisch auf dem Podest der Fall.

Wie auf ein geheimes Zeichen setzten wir uns alle. Dann erschienen Zirell und die Brautleute. Zirell war in das traditionelle Gewand einer Vendar-Priesterin gehüllt. Dabei handelte es sich um eine Art von Wickelrock, der mit einer reich verzierten Spange im vorderen Teil geschlossen wurde. Tabran und Shiranach trugen ähnliche Kleidung, nur war ihre etwas schlichter.

Zirell stellte sich mit den beiden auf die freie Fläche und sagte: „Heute ist der Tag, an welchem Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran, Ehemann von Sumach mit Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach, die Ehe schließen möchte. Wenn niemand einen Einwand erhebt, möge die Zeremonie beginnen.“ Sie wartete kurz ab und schaute in die Runde. Dann sagte sie: Shiranach, wähle deine Vertraute!“ Die alte Vendar stellte sich aufrecht hin und rief aus: „Jenna von Taria!“ Jenna stand von unserem Tisch auf und stellte sich neben Shiranach. Zirell wandte sich an Tabran und sagte: „Tabran, wähle auch du deinen Vertrauten!“ „Maron von Demeta!“ Zirells erster Offizier schien nicht damit gerechnet zu haben, dass die Wahl auf ihn fallen könnte. Man konnte fast meinen, er sei etwas aufgeregt, als er zu Tabran hinüberschritt. Shimar, der mir die ganze Situation beschrieb, konnte sich sein Lachen nur schwer verkneifen. „Oh, Backe, Betsy.“, flüsterte er. „Dem ist die Kinnlade gerade bis in den Keller gefallen. Hoffen wir, dass er sie wieder findet.“ „Er muss ja nicht viel tun.“, erklärte Sianach, die sich mit Tchiach zu uns gesetzt hatte. „Es gibt nur eine alte Formel, die er aufsagen muss, wenn Zirell ihn darum bittet. Außerdem muss er während der Einkehrphasen nur mit Tabran in einem Raum sitzen und abwarten, wie er sich nach jeder Prüfung entscheidet. Aber ich glaube nicht, dass etwas schiefgehen wird.“

Maron wendete sich an Jenna, die sich mit den heiligen Zeremonien der Vendar seiner Meinung nach viel besser auskannte. „Bitte helfen Sie mir, Mc’Knight. Ich werde diese Formel nie in meinen Schädel kriegen.“ „Angesichts der Situation, Sir.“, erwiderte die Chefmaschinistin. „Wird, denke ich, niemand ein größeres Problem damit haben, wenn Sie ein Pad benutzen.“

„Schreiten wir nun zur ersten Prüfung!“, schmetterte Zirell feierlich in den Raum. Shiranach und Tabran ließen sich bereitwillig von ihr die Augen verbinden. Dann mussten alle nacheinander an ihnen vorbei gehen und sie von den zehn süßen und zehn bitteren Speisen kosten lassen, indem wir sie fütterten. Shimar übernahm das allerdings für mich, weil ich befürchtete, die Münder nicht zu treffen. Nach der Prüfung gab Zirell Maron und Jenna je eine Sanduhr und schickte sie mit dem jeweiligen Partner in verschiedene Räume. „Die erste Einkehrphase beginnt.“, erklärte mir Sianach, was jetzt vorging. „Was heißt das?“, wollte ich wissen. „Die zehn bitteren und zehn süßen Speisen symbolisieren gute und schlechte Tage.“, begann die Vendar-Frau. „Tabran und Shiranach sollen getrennt voneinander entscheiden, ob die Zeremonie weitergehen soll, oder ob sie nun doch nicht heiraten wollen. Normalerweise dauert die Phase sechs Stunden. Aber man hat sich in diesem Sonderfall geeinigt, dass sie nur eine Stunde dauert. Sonst werden wir nie fertig und so verliebt, wie sich die beiden ansehen, hat ohnehin niemand ernste Zweifel. Während der Einkehrphasen ist es an sich unsere Aufgabe, für sie zu beten, aber es gibt genug unter uns, die keine Vendar-Gebete können. Deshalb warten wir nur.“ „Danke, Sianach.“, flüsterte ich.

Nach einer Stunde öffneten sich die Türen und Jenna und Maron kamen mit Shiranach und Tabran zurück. „Komm zu mir, Jenna.“, forderte Zirell sie auf. Jenna löste sich von Shiranach und ging auf Zirell zu. „Ist Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach einverstanden damit, dass die heiligen Prüfungen weitergeführt werden und sie mit Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran Ehemann von Sumach die Ehe schließen wird?“ „Ja, Priesterin, Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach ist einverstanden, dass die heiligen Prüfungen weitergeführt werden und sie mit Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran, Ehemann von Sumach die Ehe schließen wird.“ Zirell nahm es lächelnd zur Kenntnis und sagte dann: „Komm zu mir, Maron.“ Maron und Jenna tauschten die Plätze. „Ist Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran, und Miran, Ehemann von Sumach einverstanden, dass die heiligen Prüfungen weiter geführt werden und er mit Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach die Ehe schließen wird?“ Maron zog sein Pad und las vor: „Ja, Priesterin, Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran, Ehemann von Sumach ist einverstanden, dass die heiligen Prüfungen weitergeführt werden und er mit Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach die Ehe schließen wird.“ „So lasst uns zur zweiten Prüfung kommen.“, entgegnete Zirell.

An Lederbändern wurden Schwerter von der Decke gelassen. Shiranach behielt die Augenbinde um, während sie bei Tabran gelöst wurde. „Sind die Schwerter wirklich scharf?“, erkundigte ich mich bei Sianach. „Nein.“, lächelte diese. „Es handelt sich nur um zeremonielle Schwerter, die gleich umgangen werden müssen. Das mit dem scharfen Gegenstand kommt noch.“ Ich atmete erleichtert auf. Heute würde kein Blut fließen.

„Tabran.“, forderte Zirell diesen auf. „So nimm denn Shiranachs Hand und führe sie über den Pfad der Schwerter.“ Tabran tat, was Zirell ihm aufgetragen hatte. Im willkürlichen Zickzack mussten die beiden sich um die in Kopfhöhe befindlichen Schwertspitzen manövrieren. Am anderen Ende des Weges wurde Shiranach die Augenbinde abgenommen und Tabran angelegt. „Nun führe du ihn zurück, Shiranach.“, sprach Zirell. Auch Shiranach folgte der Aufforderung.

„Wo für stand das jetzt?“, fragte ich und piekte Sianach in die Seite. „Diese Prüfung steht für das gegenseitige Vertrauen, das man sich in einer Ehe entgegenbringen sollte. Ich habe den Eindruck, du weißt über Vendar-Hochzeiten rein gar nichts, Sternenflottenoffizierin. Dabei rühmt ihr euch doch immer damit, dass die Föderation so gut über andere Kulturen Bescheid weiß.“, erteilte sie mir eine Lektion. „Ich war noch nie bei einer Vendar-Hochzeit dabei. Außerdem habe ich nie gesagt, dass wir Sternenflottenoffiziere allwissend sind.“, rechtfertigte ich mich. „Du nicht.“, erwiderte sie. „Aber es gibt genug deiner Kameraden, die sich wer weiß was drauf einbilden. Deine Präsidentin vorne weg.“ Ich wusste, worauf sie hinauswollte. Ich wusste auch, dass sie Recht hatte.

Jemand legte den Finger an den Mund um uns zu erinnern, dass die zweite Einkehrphase begonnen hatte und wir eigentlich still sein sollten. Nach einer Stunde öffneten sich erneut die Türen. „Komm zu mir, Jenna.“, forderte Zirell sie auf. Jenna löste sich von Shiranach und ging auf Zirell zu. „Ist Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach einverstanden damit, dass die heiligen Prüfungen weitergeführt werden und sie mit Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran Ehemann von Sumach die Ehe schließen wird?“ „Ja, Priesterin, Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach ist einverstanden, dass die heiligen Prüfungen weitergeführt werden und sie mit Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran, Ehemann von Sumach die Ehe schließen wird.“ Zirell nahm es lächelnd zur Kenntnis und sagte dann: „Komm zu mir, Maron.“ Maron und Jenna tauschten die Plätze. „Ist Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran, und Miran, Ehemann von Sumach einverstanden, dass die heiligen Prüfungen weitergeführt werden und er mit Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach die Ehe schließen wird?“ Maron zog sein Pad und las vor: „Ja, Priesterin, Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran, Ehemann von Sumach ist einverstanden, dass die heiligen Prüfungen weitergeführt werden und er mit Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach die Ehe schließen wird.“ „So lasst uns zur dritten Prüfung kommen.“, entgegnete Zirell.

Sie öffnete einen Vorhang hinter ihrem Tisch. Für alle gut sichtbar wurde jetzt das riesige Kuchenwildschwein. Zirell schloss einen Neurokoppler an einen in der Nähe befindlichen Port an. IDUSA, die dies sehr wohl mitbekommen hatte, lud ihre Reaktionstabelle. Nun konnte zwar nur Zirell sie sehen, aber das machte nichts. „Dein Einsatz.“, wies Zirell sie per Gedankenbefehl an. „Mach es ihnen nicht zu leicht, ja?“ „Wie Sie wünschen, Commander.“, gab IDUSA auf dem gleichen Weg zurück.

Das Tablett mit dem Kuchen erhob sich, allerdings nur so weit, dass es einige Zentimeter über dem Boden war. Schließlich konnten normale Wildschweine ja auch nicht bis an die Decke fliegen.

Zirell winkte Maron und Jenna zu sich heran und beide setzten sich auf die Stühle rechts und links von Zirell. Dann gab diese Tabran und Shiranach eine spezielle Lanze, die sie schon allein des Schwerpunktes wegen gemeinsam führen und halten mussten. „Möge die Prüfung beginnen!“, rief Zirell.

IDUSA ließ das Wildschwein über die freie Fläche vor dem Tisch tanzen. Es vollführte wilde Drehungen und Sprünge wie ein echtes Wildschwein, das gejagt wurde. Jetzt kam doch tatsächlich Leben in die bis dahin stocksteife Hochzeitsgesellschaft. Alle standen von ihren Stühlen auf und dann flogen englische, tindaranische und vendarische Tipps und Schlachtrufe durch den Raum. Ausgerechnet Nidell, die medizinische Assistentin, die sonst eigentlich die Schüchternste war, entpuppte sich als Rädelsführerin. Die junge sogar für ihre Rasse mit 140 cm als kleinwüchsig geltende Tindaranerin mit langen schwarzen Haaren, die sie, außer bei der Arbeit, immer offen trug, wuselte von einer Ecke zur nächsten, gestikulierte und war mit klugen Ratschlägen nicht gerade sparsam. “In die Ecke! Los, treibt es in die Ecke.“, piepste ihre hohe Stimme durch den Raum. „Nein! Von hinten anschleichen!“ „Ach was! Den Weg abschneiden und dann zugestochen!“ Alle schienen sich richtig in Rage zu reden. Dann plötzlich hörte man ein typisches Popp-Schlapp-Geräusch. Aus einem Loch, das genau die Größe der Lanzenspitze hatte, lief eine Mischung aus Kirschmarmelade, Marzipan und Vanilleschaum. IDUSA ließ das Tablett sanft auf einen Tisch hinunter gleiten. Ein Jubelschrei ging durch die Hochzeitsgäste. Danach begann die letzte Einkehrphase. „Lass mich raten.“, sprach ich erneut Sianach an. „Das war für Situationen im Leben, in denen man gemeinsam Mut zeigen muss.“ Sianach nickte.

Erneut bat Zirell die Vertrauten zu sich. „Komm zu mir, Jenna.“, forderte Zirell sie auf. Jenna löste sich von Shiranach und ging auf Zirell zu. „Ist Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach einverstanden damit, dass die heiligen Prüfungen weiter geführt werden und sie mit Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran Ehemann von Sumach die Ehe schließen wird?“ „Ja, Priesterin, Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach ist einverstanden, dass die heiligen Prüfungen weitergeführt werden und sie mit Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran, Ehemann von Sumach die Ehe schließen wird.“ Zirell nahm es lächelnd zur Kenntnis und sagte dann: „Komm zu mir, Maron.“ Maron und Jenna tauschten die Plätze. „Ist Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran, und Miran, Ehemann von Sumach einverstanden, dass die heiligen Prüfungen weitergeführt werden und er mit Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach die Ehe schließen wird?“ Maron zog sein Pad und las vor: „Ja, Priesterin, Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran, Ehemann von Sumach ist einverstanden, dass die heiligen Prüfungen weitergeführt werden und er mit Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach die Ehe schließen wird.“

„Ihr habt nun alle Prüfungen bestanden und habt mir durch eure Vertrauten sagen lassen, dass ihr gewillt seid, die Ehe zu schließen.“, sagte Zirell. Dann holte sie vier Tonscherben aus einem Fach unter ihrem Tisch. Außerdem einen Hammer. Jede der Scherben enthielt ein Symbol aus der Vendar-Schrift. Je eines für ja und eines für nein. Zwei der Scherben, eine mit ja und eine mit nein, legte sie auf den Tisch. „Shiranach.“, begann sie. „Zerstöre nun die Scherbe, die nicht deinem Willen entspricht.“ Damit gab sie Shiranach den Hammer, die damit auf die negative Scherbe eindrosch, dass es nur so krachte. Bei Tabran geschah das Gleiche. „Da ihr nun den gemeinsamen Entschluss gefasst habt, gemeinsam in die Ehe einzutreten, gebe ich euch hiermit meinen Segen.“, sagte Zirell und ließ ihre Hand über die Köpfe der Frischvermählten gleiten. „Geht nun hin, Shiranach ed Tabran und Tabran ed Shiranach.“ Alle klatschten Beifall. Dann begann der gemütliche Teil.

Der Tisch des Brautpaares war ganz in der Nähe von unserem, weshalb ich die folgende Situation gut beobachten konnte. Mit gesenktem Kopf kam Tabran an unseren Tisch geschlichen. „Vergib mir, mein Schüler.“, wendete er sich an Joran, der rechts neben Jenna saß. „Bitte vergib, dass ich nicht dich als Vertrauten gewählt habe, aber, die Föderation will doch immer so gern andere Kulturen erforschen. Ich dachte, dann kann Maron von Demeta alles gleich am eigenen Leib erfahren.“ Joran nickte grinsend. Dann sagte er: „Schon vergeben, alter Mann. Obwohl du uns alle mit deiner Heiratsabsicht an sich ziemlich geschockt hast. Die meisten Anwesenden finden dies in deinem Alter wohl etwas seltsam.“ Tabran winkte ab und ging wieder an den Tisch zu Shiranach zurück.

Irritiert tastete ich die Tischplatte vor mir ab. Wo war mein Teller? Gerade hatte ich ihn doch noch … Eine kleine weiche Hand kitzelte mich plötzlich. „Ich habe dir ein Stück Kuchen gebracht, Allrounder Betsy.“, sagte eine Kinderstimme, die ich sehr wohl kannte. „Danke, Tchiach.“, lächelte ich zurück. Dann begutachtete ich das riesige Tortenstück ,das sie mir auf den Teller gepackt hatte. „Ups.“, lachte Shimar. „Da hast du ja morgen noch dran zu tun.“ Seine Schadenfreude in der Stimme konnte er nicht verbergen. „Ich schieb’s dir gleich rüber.“, neckte ich. „Dann werden wir ja sehen, wer damit bis morgen zu tun hat.“ Jenna hatte das Problem jetzt auch erkannt und meinte nur: „Oh je, Joran, deine Tochter meint es halt immer wieder gut. Aber wir sollten das Stück auf zwei Teller aufteilen, damit Betsy überhaupt eine Chance zum unfallfreien essen bekommt. Sonst quillt bei der kleinsten Handbewegung alles über.“ So machten wir es dann auch.

Shannon kam vom Buffet an uns vorbei geschlappt. „Im Schädel ist Apfelmus.“, schmatzte sie uns zu. Dann verschwand sie mit dem halben Schweinekopf in der Menge.

Joran hatte jetzt auch Zirell wieder erspäht, die den Wickelrock wieder gegen ihre Gala-Uniform getauscht hatte und jetzt, genau so wie wir anderen auch, kräftig feierte. Shiranach hatte sie zu sich herangewunken. „Es war eine sehr schöne Zeremonie, Anführerin Zirell.“, sagte die alte Vendar mit Tränen in den Augen. „Die schönste, die ich je erlebt habe.“ „Nun mal langsam, Shiranach.“, gab Zirell bescheiden zurück. „Ich bin keine ausgebildete Priesterin und denke, dass du einer solchen damit sicher Unrecht tätest.“ „Du bist viel zu bescheiden mit deinem Talent.“, pflichtete jetzt auch Tabran seiner Frau bei.

„Möchtest du tanzen?“ Shimars Frage machte mich lächelnd und dann gingen wir gemeinsam auf die Tanzfläche. Ich kannte die meisten der Stücke nicht wirklich und Shimar schien eigentlich auch nur den Vendar, die die alten Weisen natürlich kannten, alles nach zu machen. Jedenfalls hatte ich ständig das Gefühl, dass er den Vendar-Männern auf die Füße starrte, um ihre Schritte zu erlernen. Bei mir war es eher ein unwillkürliches Folgen. Das schien uns aber beiden nicht viel auszumachen. Hauptsache wir waren eng beieinander.

Zirell gab wenig später allen ein Zeichen. „OK, alle unverheirateten Frauen werden gebeten, sich auf der Tanzfläche einzufinden.“, rief sie quer durch den Raum. Alle folgten.

Shimar hatte mich an unseren Tisch zurückgebracht. Ich war total fertig mit der Welt, denn Vendar-Hochzeitsmusik war nicht gerade langsam. „Du siehst aus, Allrounder Betsy, als hättest du noch eine Frage.“, flüsterte mir eine bekannte Frauenstimme zu. „Das ist wahr, Sianach.“, gab ich zu. „Ich frage mich, warum sich die zeremonielle Formel nach dem dritten Mal nicht geändert hat. Ich meine, die Prüfungen waren dann doch vorbei.“ „Wir glauben.“, setzte sie an. „Dass das Leben an sich eine heilige Prüfung ist und das Zusammenleben in der Ehe im Besonderen.“ „Verstehe.“, erwiderte ich.

Alle unverheirateten Frauen der tindaranischen Basis und auch der eingeladenen Vendar-Truppe hatten sich auf der Tanzfläche versammelt. Sie standen um Shiranach herum, die etwas in der Hand hielt und jetzt weit ausholte. Sianach beschrieb mir eine Art Eistüte, aus der Blumen schauten. „Das ist ein terranischer Brautstrauß.“, belehrte ich sie. „Haltet euch bereit!“, befahl die alte Vendar und zählte: „Eins, zwei, drei!“ Dann warf sie den Strauß mit voller Wucht über alle unverheirateten Frauen hinweg in Richtung unseres Tisches. Ich konnte es kaum glauben und dieser Moment verging für mich wie in Zeitlupe. War ich etwa in einem verlangsamten Zeitfragment gefangen wie Picard und seine Leute damals auf der Enterprise, oder kam es mir nur so vor? Jedenfalls versuchte ich noch, den ankommenden Strauß irgendwie abzufälschen, aber das war nicht möglich. Auf einmal hatte ich ihn in der Hand und ertappte meine Finger dabei, wie sie ihn fest umschlossen hielten. Ich wurde leichenblass und fiel schließlich ohnmächtig vom Stuhl. Ein Teil meines Unterbewusstseins schien bereits zu ahnen, was noch auf uns zu kommen sollte. “Tabby.“, lästerte Shannon. Sie hatte die Angewohnheit, jedem einen lockeren irischen Spitznamen zu verpassen. „Ich glaub’ deine Braut hat da irgendwas falsch verstanden.“ Tabran sah Shiranach fragend an. Diese gab aber keinen Kommentar ab.

„Mc’Knight!“, brüllte Maron durch den Saal. Wahrscheinlich war er es derart gewohnt, dass Jenna für alles eine Lösung fand, dass er dies jetzt auch vermutete. Jenna wusste längst, dass Shiranach mit Absicht in meine Richtung gezielt hatte und dass es auf der Station kein technisches Problem gab, das so etwas hätte verursachen können. Um ihrem Vorgesetzten durch die Blume klarzumachen, dass er ganz umsonst Alarm geschlagen hatte, sagte sie schließlich: „Ich weiß noch nicht, was hier geschehen ist, Sir, aber vielleicht haben wir ein Problem mit der künstlichen Gravitation.“ Dabei lachte sie sich halb schief. „Sie lassen die Situation von IDUSA durchsimulieren, verstanden? Ich vernehme Shiranach und Tabran. Ich will verdammt noch mal wissen, was hier passiert ist!“, befahl Maron mit hochrotem Kopf. „Am Ende steckt Sytania da hinter.“ Die Technikerin nickte. Sie kannte das Ergebnis bereits im Voraus. Shiranach war zwar alt aber das Talent zum genauen Zielen würde eine Vendar-Kriegerin auch im hohen Alter nicht verlieren. Sie wusste zwar nicht warum, aber sie dachte sich, dass Shiranach den Strauß nur mit Absicht in meine Richtung geworfen haben konnte.

Ich erwachte auf einem Bett auf der Krankenstation. Neben mir saß Nidell. „Es kommt alles wieder in Ordnung.“, tröstete sie mich. „Shimar weiß, dass du umgekippt bist. Er kommt gleich und besucht dich. Du hattest ein Bisschen Kreislaufprobleme, aber das ist kein Wunder, wenn du so schnell tanzt. Ishan denkt, wir können dich morgen schon wieder entlassen.“ Dann ging sie. Ich gab einen erleichterten Seufzer von mir. Shimar! Niemanden wollte ich jetzt lieber sehen, als Shimar!

Die Tür öffnete sich. „Hey, Kleines.“ Shimar kam näher und setzte sich vorsichtig auf die Kante des Biobettes. „Geht’s wieder?“, ich nickte langsam. „Ist schon wieder fast alles vorbei.“, überspielte ich meine Unsicherheit. „Nur, euer Doktor Fürsorglich und seine Krankenschwester lassen mich hier erst morgen wieder raus.“ „Das kenne ich von Ishan nicht anders.“, entgegnete Shimar.

 

Traumhochzeiten und Albtraumerkenntnisse

von Visitor

 

Mit den Ermittlungen zu seinem Fall wollte es für Maron nicht recht vorangehen. Tabran wusste natürlich nichts und Shiranach redete sich damit heraus, dass sie die Betroffenen ja jetzt gewarnt habe und die Situation sich jetzt so oder so entwickeln könne. Sie würde, würde sie etwas mehr sagen, die Entwicklung in eine Richtung beeinflussen und das wäre nicht gut. Dass sie in telepathischem Kontakt mit der Wächterin stand, wusste Maron.

„Du machst ein Gesicht wie mindestens 14 Monate demetanischer Monsun.“, stellte Zirell an diesem Morgen fest, als ihr erster Offizier mit ihr die Kommandozentrale der Basis betrat. „Du kannst aber auch maßlos übertreiben.“, antwortete Maron. „Ich übertreibe nicht.“, setzte Zirell sich zur Wehr. „Was ist los mit dir?“ Maron setzte sich auf seinen Platz, sah sie an und sagte: „Finds raus, Telepathin.“ „Na schön.“, erwiderte Zirell und nahm geistigen Kontakt zu Maron auf. Jetzt sah sie seine ganze Frustration über die Tatsache, dass er bezüglich der Brautstrauß-Sache nicht weitergekommen war. Tief in seinem Gehirn jedoch fand sie auch die leise Theorie, dass es Absicht gewesen sein könnte.

„Jenn’s Simulationen haben auch ergeben, dass Shiranach den Strauß mit Absicht in Betsys Richtung geworfen hat. Eine andere Möglichkeit ist einfach physikalisch unter den gegebenen Umständen nicht drin.“, sagte Zirell, als sie die Verbindung mit Maron wieder beendet hatte. „Aber warum?“, wollte der Demetaner wissen. „Was sollte sie für ein Motiv haben?“ Zirell zuckte mit den Schultern und lächelte: „Find's raus, Kriminalist.“

An diesem Morgen wurde ich tatsächlich von der Krankenstation entlassen. Shimar erwartete mich bereits an der Tür. „Hi, Betsy.“, sagte er und drückte mir einen Kuss auf den Mund. „Bin ich froh, dass du wieder von den Toten auferstanden bist.“ „Hör auf.“, neckte ich zurück und küsste auch ihn. „Gilt der Party-Befehl für euch immer noch?“, wollte ich wissen. Shimar grinste und sagte nur: „Komm mit.“

Wir gingen in eine der Simulationskammern. Die tindaranischen Befehle, die Shimar IDUSA gab, konnte ich nicht verstehen, vertraute ihm aber. Erst, als das Programm bereits lief, erkannte ich es. „Das Wasserski-Programm!“, rief ich aus. „Woher hast du …“ „Das kriegt man über jedes einschlägige Terminal, das sich mit dem Föderationsnetzwerk verbinden lässt.“, grinste er.

Ich wollte in die Bindungen der Ski schlüpfen, aber er hielt mich zurück und zog mich in Richtung Boot. Dann half er mir hinein und gab mir den Schlüssel. Das war unmissverständlich. „Ich sehe doch nicht, wo ich hinfahre.“, erklärte ich. Mir rutschte das Herz in die Hose. „Hier gibt es kein Spezialprogramm, geschweige denn einen Bordcomputer. Wie soll ich …“ Ich dirigiere dich., hörte ich seine Stimme in meinem Geist. Wir wollen doch erreichen, dass du positive Ereignisse mit Telepathie verbinden lernst. OK., gab ich ebenfalls in Gedanken zurück und ließ den Motor des Bootes an. Es kann losgehen., gab mir Shimar über unsere Verbindung sein OK. Zaghaft gab ich ein bisschen Gas. „Mehr.“, motivierte er mich. „Oder willst du, dass ich unter gehe.“ „Wir müssen ja erst mal nur geradeaus vom Steg weg.“

Shimar zeigte mir simultan, was er sah. Ich musste damit zunächst lernen, klarzukommen, denn ich hatte ja nie gesehen und wusste daher nicht, wie sich das anfühlte. Aber langsam traute ich mich sogar, mitten auf dem See eine Schleife zu fahren. Am anderen Ufer standen einige Simulationen von Touristen, die Beifall klatschten und eine Zugabe verlangten. Ich wusste aber, dass Shimar das ebenso gut programmiert haben konnte.

Jetzt parken wir wieder ein und tauschen., schlug er vor. Also, wenn ich dir sage, fährst du langsam rückwärts. Achtung, jetzt den Antrieb dros-seln! Ja, weiter dros-seln, OK, und zurück! Supi! Und stopp. Damit die Schraube nicht in den Ufersand geriet, musste ich die Maschine so abrupt gestoppt haben, dass Shimar bedingt durch den Ruck auf dem Hosenboden gelandet war. „Entschuldige!“, sagte ich peinlich berührt. „Macht nichts.“, gab er jetzt verbal zurück. „Dafür hat irgendein Schlauberger mal die Reinigungsfunktion des Replikators erfunden. Außerdem war es meine Schuld. Ich hätte dir genauere Angaben geben müssen.“

Er half mir aus dem Boot und wir setzten uns auf den Strand. Mir ging der kleine Unfall nicht aus dem Kopf. „Ist doch nichts passiert.“, tröstete Shimar. „Ich wollte halt einfach mal testen, wie weich der Sand wirklich ist.“ Ich lächelte. „Na siehst du.“, lobte er. „Übrigens haben uns Jenn’ und Joran heute Abend zu sich eingeladen. Es gibt terranisch. Joran steht zur Zeit auf die italienische Küche. Er sagt, das hinge mit dem Sifa-Zyklus zusammen, den das Medikament ihm vorspielt. Es ist jedes Mal anders.“ „Solange er nicht plötzlich auf klingonische Sachen abfährt.“, grinste ich. „Aber sicher, ich komme mit. Machen wir also einen Pärchenabend.“

Cirnach sah durch den Kontaktkelch genau, was sich auf der tindaranischen Station abspielte. Sie teilte den Kelch mit Sytania, in deren Thronsaal sie waren. „Bald, Milady, bald werden wir wissen, ob wir eingreifen müssen.“, freute sie sich diebisch. „Wie bald wird das sein, Cirnach?“, fragte Sytania ungeduldig. „Wie ich das sehe, wird es schon morgen so weit sein.“, lautete Cirnachs knappe Antwort. „Morgen werden wir es wissen.“ Dann lachte sie gemein.

Am Abend fanden wir uns in Jennas und Jorans Quartier ein. Jenna kam mit einem riesigen Tablett ins Zimmer, auf dem sie italienische Vorspeisen und die verschiedensten Nudelgerichte hatte. „Der Replikator hat heute Sonderschicht geschoben.“, scherzte sie. „Bedient euch.“

Shimar schob mir einen Teller Spaghetti hin und nahm sich selbst einen. Dann bekam ich mit, wie er die Meeresfrüchte aus seinem Teller pulte und auf meinem verteilte. „Was wird denn das?“, fragte ich. „Ich pule halt gern.“, witzelte er zurück. „Und das beherrscht er gut.“, bestätigte Joran. „Neulich hat er IDUSA aus einer Magmatasche in einer Planetenkruste gepult und saß dabei in ihrem Cockpit.“

Während des Essens wurde mir klar, dass Shimar wohl irgendwelche Schwierigkeiten hatte. Jedenfalls tippte er mich plötzlich an und fragte: „Wie komme ich mit diesen verrückten Nudeln klar?“ „Stell eine telepathische Verbindung zwischen uns her.“, entgegnete ich. „Dann zeige ich es dir.“ Shimar stand von seinem Platz auf, wuselte um den Tisch und umarmte mich mit den Worten: „Komm her, mutiges kleines Etwas, das du geworden bist.“ „Glückwunsch, Kumpel.“, gratulierte Joran und Jenna meinte: „So schnell hätte ich nicht damit gerechnet.“

Shimar hatte sich wieder hingesetzt und ausgeführt, worum ich ihn gebeten hatte. Unentwegt hatte ich mir jetzt vorgestellt, wie ich die Nudeln auf dem Löffel mit der Gabel aufdrehte. „Jetzt weiß ich es.“, hatte er nach einer Weile gesagt. „Hast du es gesehen?“, vergewisserte ich mich. „Ja, habe ich.“, bestätigte er. „Es war sehr schön deutlich.“

„Na.“, setzte Joran an. „Auf den Erfolg sollten wir …“ Im Laufschritt verließ er den Tisch und das Esszimmer, um in den gekachelten Räumlichkeiten zuerst laut zu rülpsen und dann einen fahren zu lassen, dass die Wände wackelten.

„Ich hasse Paprika!“, brummelte er nach seiner Rückkehr. „Jemand verletzt oder gestorben?“ „Wir leben alle noch.“, witzelte Shimar zurück. „Jemand sollte mal deine Idee zu Ende führen.“, meinte Jenna und replizierte uns allen ein Glas Champagner. Dann prosteten wir uns zu.

Mir war aufgefallen, dass Joran immer noch mit seinem Teller Miesmuscheln beschäftigt war. Vermutlich war aber das einzige, was er an diesen Muscheln mies fand, die Tatsache, dass er sie nicht krieger-like mit der Handkante öffnen konnte, da sie dann immer über den ganzen Tisch hüpften, auf diversen Tellern landeten, wieder eingefangen werden mussten und ihn zu wahren Fluchorgien brachten. „Aufgrund ihrer Konsistenz nehmen die Muscheln die Energie des Schlages in sich auf.“, erklärte mir Jenna die physikalischen Fakten. Dann lächelte sie ihm zu: „Lass mich dir helfen.“

Hilfe konnte ich jetzt auch ganz gut gebrauchen. „Oh je.“, stöhnte ich. „Reste und ich, Thema für sich. Shimar, kannst du mir bitte helfen, damit die ganzen Reste nicht …“ Weiter kam ich nicht, denn in diesem Moment befanden sich die Reste schon in meinem Mund. Er musste sie telekinetisch dort hin befördert haben. „So haben wir nicht gewettet.“, kaute ich mit einem Lächeln in der Stimme. „Warum nicht?“, entgegnete er. „Du hast nicht gesagt, welcher Art die Hilfe sein soll. Außerdem war das ein Test. Mit den speziellen Fähigkeiten meines Volkes ist das nämlich so. Wenn wir jemandem damit helfen wollen und derjenige will unsere Hilfe auf diese Art perdu nicht, funktioniert es nicht.“ „Heißt das etwa, wenn ich Angst gehabt hätte, hättest du dich auf den Kopf stellen können und es hätte nicht …“ „Genau.“, erwiderte er. „Das gilt übrigens im Prinzip für alles Telepathische. Wenn man dich zu etwas bringen will, was du definitiv nicht willst und dafür Gewalt anwenden muss, bleibt das keinem Erfasser verborgen.“ „Ich habe dir vertraut!“, freute ich mich. „Heißt das, ich bin geheilt?“ „Das kann nur deine Ärztin beurteilen, Allrounder Betsy.“, mischte sich Joran, pflichtbewusst wie er war, ein.

Shimar und ich gingen an diesem Abend schon zeitig. Wir hatten uns vorgenommen, den Erfolg auf unsere Art zu feiern. Da die Quartiere ohnehin alle für zwei Personen ausgelegt waren, war das alles kein Problem. Jetzt lagen wir nebeneinander. Um uns herum war gar nichts, außer die Matratze unter uns. Er hatte erneut eine Verbindung zwischen uns aufgebaut und zeigte mir jetzt alle schönen Bilder, die wir erlebt hatten. Ich fühlte mich unglaublich wohl. „Das hast du wirklich gut hingekriegt.“, sagte ich mit einem genießerischen Seufzer. „Was meinst du im Speziellen“, fragte er. „Mir die Angst vor Telepathie zu nehmen.“, antwortete ich. „Wie sagt ihr Terraner doch gleich? Die Liebe besiegt alles.“, entgegnete er. Dann grinste er und meinte scherzhaft: „Vielleicht hätten es echte Therapeuten dann auch leichter.“ „Wie schön, dass du keiner bist.“, flüsterte ich und kuschelte mich an ihn. „Den Göttern sei Dank. Deshalb dürfen wir ja auch.“, flüsterte er zurück und kraulte meinen Bauch, was mir einen Laut entlockte, der an das Schnurren einer Katze erinnerte. Durch seinen Körper ging ein starkes Vibrieren. Er schob mich zärtlich aber bestimmt von sich und sah Minuten lang konzentriert auf einen Punkt. „Habe ich etwas falsch gemacht?“, fragte ich unsicher. „Nein, hast du nicht.“, tröstete er. „Im Gegenteil, nur, ich weiß nicht, ob du schon so weit bist und ob das überhaupt zwischen uns geht.“ „Was meinst du?“, wollte ich wissen. Er setzte sich auf und erklärte: „Wir können unsere Molekularstruktur so stark verändern, dass wir zu Energie werden. Über eine telepathische Verbindung können das zwei Tindaraner gegenseitig. Aber du bist keine Tindaranerin.“ „Das macht nichts.“, sagte ich zuversichtlich. „Du bist doch Telekinetiker. Kannst du nicht, wenn wir verbunden sind, meine Struktur auch verändern und dann sind wir beide …“ „Bist du schräg!“, lächelte er. „Aber gut, wenn du es unbedingt willst, versuche ich es.“ „Ich will es.“, säuselte ich zurück. „Von ganzem Herzen.“

Wir setzten uns gegenüber auf den Fußboden und ich fühlte etwas wie eine Decke aus Energie, die uns umschloss. Leider funktionierte das nicht ganz. „Soll ich dir meine Hände geben?“, fragte ich. „Wäre sicher besser.“, erwiderte Shimar leicht angestrengt. Ich streckte ihm meine Hände hin. Leider änderte dies auch nicht viel. Nach einigen fruchtlosen Sekunden sagte er: „Tut mir Leid.“ Das Vibrieren, das ich gespürt hatte, hatte plötzlich aufgehört.

„Mir muss es Leid tun.“, sagte ich traurig. „Sicher habe ich etwas falsch gemacht.“ „Aber nein, Kleines.“, tröstete Shimar. Ich habe das noch nie mit einer Nicht-Tindaranerin gemacht. Vielleicht muss ich bei dir etwas anders machen, auf das ich noch nicht gekommen bin.“ „Was ist das überhaupt für ein Schild.“, wollte ich wissen. „Möchtest du etwa, dass deine Moleküle auf nimmer Wiedersehen im Zimmer verteilt werden?“, fragte er mit einem Lächeln. „Das ist also eine Art Schutzschild auf Biobasis.“, lächelte ich zurück. „Genau, Miss Intelligenzbolzen.“, lächelte er zurück und kitzelte mich erneut am Bauch. „Schnurr!“, machte ich. Dabei bemerkte ich, dass ein Teil seines Körpers die Sache wohl anders sah, als er selbst, was das mit dem Aufgeben anging. „Können wir es noch mal versuchen?“, flüsterte ich fast bettelnd. Shimar spürte tief in sich hinein und sagte dann: „Fühlt sich ganz danach an.“

Dieses Mal klappte es mit dem Schließen des Schildes auf Anhieb, obwohl ich ihm nicht die Hände gegeben hatte. „Es ist viel leichter.“, flüsterte Shimar. „Bleib genau so, ja, bleib entspannt. Denk an gar nichts, bis ich den Schild geschlossen habe. Gleich, so, jetzt.“ Anscheinend hatte mich doch irritiert, dass ich zuerst nicht gewusst hatte, welche Aufgabe der Schild hat. „Jetzt passiert es wirklich!“, freute ich mich für ihn gut telepathisch hörbar. Dann spürte ich jenes Vibrieren auch in mir. Ich wollte zerfließen. Oh, ja, nichts wollte ich in diesem Moment mehr. Ich stellte mir vor, wie es wäre, nur noch aus Energie zu bestehen. Den Zustand konnte ich kaum erwarten! „Ja, Shimar!“, ermutigte mein Geist ihn. „Mach weiter! Mehr! Stärker! Du kannst es! Du ka …“ Dann spürte ich die Veränderung. Es war wie in einem pulsierenden Transitfeld, nur um ein Vielfaches schöner. Alles pulsierte und vibrierte um mich herum und in mir.

Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als wir wieder einen festen Zustand erreicht hatten. „Das war einsame Spitze!“, urteilte ich. „Danke, Kleines.“, erwiderte er. „Aber ohne dein Zutun hätte es sicher nicht geklappt.“ „Was meinst du damit.“, fragte ich. „Das du dir vorgestellt hast, was wir erreichen wollen, war gut. Es hat mir sehr geholfen.“, sagte Shimar mit einem Gesichtsausdruck wie ein Kater, der gerade einen Sahnetopf ausgeschleckt hatte. „Können wir das noch öfter machen?“, fragte ich. „Verlang bitte keinen Rekordversuch von mir.“, bat Shimar. „Keine Angst.“, tröstete ich. „Ich meinte ja auch nicht heute Nacht.“ Arm in Arm schliefen wir ein.

Am nächsten Tag begegnete mir Joran auf dem Flur. „Du siehst heute Morgen so erfreut aus, Allrounder Betsy.“, stellte er fest. „Dazu habe ich auch allen Grund.“, erwiderte ich und schluckte genießerisch. „Shimar und ich haben letzte Nacht was echt Heißes gemacht. Er hat unsere Molekularstruktur …“ Bevor ich weiterreden konnte, hatte er mich im Nacken gepackt und huckepack genommen. „Fühle keine Furcht, Allrounder Betsy.“, sagte er, während er mit mir über der Schulter in Richtung des nächsten Turboliftes raste. Ich lag ganz still, denn ich war jetzt gute zwei Meter über dem Boden und definitiv nicht lebensmüde. Wenn ich mich gewehrt hätte, hätte ich riskiert zu fallen und das wäre sicher nicht gut ausgegangen. „IDUSA, Schicke Shimar auf die Krankenstation!“, befahl Joran dem Stationsrechner. Ich konnte eine leichte aufkommende Wut in seiner Stimme hören. Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum auf die Krankenstation? Warum war Joran so wütend? Was hatte Shimar denn schon Schlimmes mit mir gemacht?

Joran legte mich vorsichtig auf einem Behandlungstisch ab und bedeutete Ishan, dem androiden Arzt, zu mir zu gehen. Er selbst stellte sich wie ein Wachposten an die Tür.

„Nidell, einen Erfasser bitte.“, sprach Ishan seine tindaranische Assistentin an. Sie reichte ihm das gewünschte Gerät. „Wo tut es denn weh?“, fragte Ishan mich freundlich. „Ich bin völlig gesund.“, entgegnete ich. „Frag mal diesen Übervater da.“ Ich wies in Richtung Tür, die sich in diesem Moment öffnete. Joran überschüttete den jetzt auf die Krankenstation eilenden Shimar mit vendarischen Flüchen, von denen ich sogar einige verstand. Es stimmte schon, was im Allgemeinen über das Erlernen von Fremdsprachen gesagt wurde. Als Erstes lernt man die Flüche und Schimpfwörter. „Du schwerenöterischer Sohn eines räudigen Ebers und einer dauerranzigen Füchsin!“, schrie Joran seinen besten Freund an. Dann zog er einen Datenkristall aus der Tasche und knallte ihn auf den nächstbesten Tisch. „Das hier hättest du dir vorher gemeinsam mit ihr holen müssen, bevor ihr …“ „Moment, Jungs.“, sagte ich und stand vom Tisch auf. „Shimar und ich hatten also …“ „Ja, das ist richtig.“, bestätigte Ishan. „Das, was ihr getan habt, ist die allgemein übliche tindaranische Paarungspraxis.“ „Oh.“, erwiderte ich. „Tut mir Leid, Kleines.“, entschuldigte sich Shimar. „Dir braucht gar nichts Leid zu tun.“, nahm ich ihn in Schutz. „Als Sternenflottenoffizierin hätte ich das wissen müssen.“ „Na nun mal langsam.“, nahm Nidell Shimar und mich in Schutz. „Das kann man schon mal vergessen, wenn der Himmel voller Geigen hängt.“

Ishan räusperte sich und sagte: „Für Allrounder Betsy blieb das hier allerdings ohne medizinische Folgen, weil ihre Zellen und deine, Shimar, zu verschieden sind. Aber die gewisse Genehmigung kann ich euch gern noch rückwirkend ausstellen. Shimar, begib dich bitte auf den zweiten Tisch. Wenn ich mit der Untersuchung deiner Freundin fertig bin, bist du sofort dran. Joran, geh bitte. Das hier ist nur zwischen Arzt, medizinischer Assistentin und Patienten.“

Ich fühlte mich schuldig. Ich saß in Shimars und meinem Quartier und fühlte mich unheimlich schuldig. Trotz des Versuches der Mediziner, die Wogen zu glätten, waren Shimar und Joran nicht dazu zu bewegen, auch nur einen Schritt aufeinander zu zu machen. Joran akzeptierte nicht, dass ich wirklich aus freien Stücken mit Shimar geschlafen hatte und Shimar fühlte sich durch Jorans Drohungen provoziert. Zirell würde bald einen ihrer besten Flieger verlieren und das nur, weil sich der Eine in eine fremde Offizierin verliebt hatte und der andere ihn für seinen moralischen Verstoß umbringen wollte. Aus diesem Kampf konnte ja nur einer lebend hervorgehen. Ich hatte mich bei Maron deshalb angezeigt. Der Geheimdienstler hatte mich aber nur mit den Worten: „Nein, nein, Allrounder, so fangen wir gar nicht erst an. Dass die beiden nicht zuhören können, ist nicht Ihre Schuld. Sie sind nicht deren Kindermädchen.“, abgekanzelt. Jetzt konnte nur noch eine helfen. Ich drehte mich zum Mikrofon und fragte: „IDUSA, wo ist Techniker Mc’Knight?“ „Techniker Mc’Knight ist auf dem Weg zu Ihrer Position.“, antwortete der Rechner. „Was?“, gab ich verwirrt zurück. In diesem Moment piepte bereits die Türsprechanlage. „Kommen Sie rein, Jenn’.“, forderte ich sie auf. Jenna betrat den Flur und fragte mich: „Woher wussten Sie, dass ich es bin?“ „IDUSA.“, entgegnete ich und führte sie ins Wohnzimmer. „Ich wollte Sie lokalisieren und dann … Oh, Jenn’, wenn wir nicht aufpassen, haben wir bald meinetwegen eine große Prügelei. Natürlich könnte Shimar Joran telekinetisch leicht an die Wand spielen, aber wenn es vorher Joran gelänge, ihn so im Nacken zu packen, dass er ihm die Blutzufuhr zum Gehirn abschneidet, dann kann Shimar sich nicht konzentrieren und …“ Jenna griff in ihre Tasche und zog zwei Phaser hervor. Der eine hatte eine Rosannium-fähige Linse und der andere eine normale. Beide Waffen standen auf Betäubung. Sie gab mir die mit der Rosannium-Linse. „Mir scheint, das einzige, auf das die beiden Streithähne noch hören, ist ein auf Betäubung stehender Phaser.“, sagte sie kühl. „Den Rest erledigen IDUSA und die Ärzte. Vertrauen Sie mir. Wäre doch gelacht, wenn wir die Kerle nicht wieder abkühlen könnten.“

Ich folgte Jenna zur Andockrampe. Hier würden sich Shimar und Joran zwangsläufig treffen, denn Zirell hatte entgegen dem Befehl der Zusammenkunft Patrouillenflüge erlaubt, damit sich die beiden aus dem Weg gehen konnten. Abwechselnd waren sie jetzt mit dem Schiff unterwegs. Wir versteckten uns hinter einer Säule.

„Schichtwechsel.“, zischte mir Jenna plötzlich zu. Wie zwei Katzen auf Beutefang schnellten wir hervor und Jenna schoss auf Joran und ich auf Shimar. Die beiden fielen vor uns hin. Dann zog Jenna ihr Sprechgerät und befahl: „Los, IDUSA, beam die beiden Gentlemen auf die Krankenstation zum Ausnüchtern.“ Der Rechner folgte ihrem Befehl.

Shimar und Joran erwachten mit einem riesigen Brummschädel. Neben ihnen an der Kante eines jeden Biobettes standen jeweils Nidell und Ishan, die ganz genau hörten, was sie sich zu sagen hatten. Die Mediziner hatten Hyporen mit einem Gegenmittel gegen die Kopfschmerzen in der Hand, die sie aber nur einsetzen würden, wenn die beiden sich beieinander entschuldigen würden und ihren Streit begruben. „Hast du auch solche Kopfschmerzen wie ich?“, fragte Shimar. „Ich weiß zwar nicht, wie sich deine anfühlen, aber ich habe in der Tat auch große Kopfschmerzen.“, erwiderte Joran. „Jennas Volltreffer.“ „Dann geht es dir ja ähnlich wie mir.“, sagte Shimar mit Leidensmiene. „Betsys Volltreffer.“ „Warum glaubst du, haben die beiden das gemacht?“, wollte Shimar wissen. „Weil ich ein Volltrottel war und du dich provozieren lassen hast.“, antwortete Joran. „Ich hätte Allrounder Betsy von der Sternenflotte einfach nur glauben müssen. Sie ist zwar als sehr moralisch aufrecht bekannt, aber auch ihr kann mal ein unfreiwilliger Ausrutscher passieren. Jeder Lebensform kann mal so etwas passieren. Entschuldige bitte.“ „Und ich hätte mich nicht so idiotisch benehmen dürfen und mich provozieren lassen dürfen. Sorry.“, gab Shimar zu. „Geht doch.“, sagte Ishan in seiner für einen Androiden doch sehr warmen freundlichen Art. Dann ordnete er an: „Nidell, wir behandeln!“

Die beiden Streithähne waren verarztet, aber wie würde Scotty reagieren? Ich hatte ihn betrogen! Daran ging kein Weg vorbei. „Wenn ich schon mal beim Problemelösen bin, kann ich ja auch gleich weitermachen.“, schlug Jenna vor. „Genau genommen haben Sie Ihren Mann ja gar nicht betrogen, weil Ihnen kein Vorsatz nachzuweisen ist. Sie wussten ja gar nicht, was Sie da gemacht haben, oder, es war Ihnen zumindest nicht bewusst. Wir sind halt alle nur Lebensformen und somit nicht unfehlbar. Außerdem steckt im Wort Lebensform das Wort Leben und das stellt uns halt manchmal vor Herausforderungen, die wir nicht kontrollieren können. Die Illusion, ich hätte mein Leben jeder Zeit unter Kontrolle, habe ich mir längst abgewöhnt. Moralische Leidfäden haben sicher ihren Sinn, sind aber nicht immer erfüllbar. Wie war noch mal Ihre Adresse auf Celsius?“ Zirell und Maron waren auch bei dem Gespräch zugegen, denn Jenna würde IDUSA brauchen und somit mussten die beiden auch Bescheid wissen. „Ich gehe völlig mit Ihnen konform, Mc’Knight.“, meinte der erste Offizier. „Manchmal wirft uns das Leben ins eiskalte Wasser und wir können uns für drei Möglichkeiten entscheiden: Ertrinken, hilflos mit den Armen nach irgendwelchen Leitfäden rudern, oder ruhig ans Ufer schwimmen. Wie mir scheint, hat sich unser Allrounder für das Schwimmen entschieden. Sie bekommt von Mc’Knight zwar etwas Orientierungshilfe, Aber dagegen hat ja niemand etwas.“ Zirell nickte und unterzeichnete Jennas Gesuch mit ihrem biologischen Fingerabdruck. „Bleiben Sie hier, Betsy.“, sagte Jenna noch zu mir. „Das wird eine Problemlösung auf schottisch. Ich berichte Ihnen, wenn ich zurück bin.“ „Gott, Jenn’.“, antwortete ich beeindruckt. „Sie hätten Anwältin werden sollen.“ Dann gab ich ihr noch die verlangte Adresse.

„Wann werden wir endlich eingreifen?“, wollte Sytania wissen. „Wir müssen abwarten, Gebieterin, wie der gehörnte Ehemann reagiert.“, antwortete Cirnach. „Aber Ihr solltet für alle Fälle schon mal üben.“ „Was meinst du?“, fragte die Prinzessin und ihr lief schier der Speichel vor Aufregung aus dem Mund. „Falls wir eingreifen müssen.“, erklärte die Vendar ihren Plan. „Solltet Ihr Euch in eine harmlose Betazoide verwandeln. Dann zieht Ihr in Scottys Nähe und, sagen wir, überzeugt ihn, dass die Tindaraner Verführer und Vergewaltiger sind.“ „Nichts leichter als das!“, rief Sytania aus und verwandelte sich vor Cirnachs Augen in eine Betazoide. „Verzeiht, Herrin, aber das reicht noch nicht.“, sagte Cirnach und zog einen Erfasser, mit dem sie Sytania scannte. „Das Gerät erkennt immer noch Euer Muster. Ihr müsst trainieren, ein Neuralmuster einer Betazoiden zu imitieren.“ Sytania verwandelte sich zurück und sagte: „Verstehe. Dann fangen wir mal gleich an. Bleib bei mir und scanne mich ab und zu. Wollen doch mal sehen, ob wir nicht auch Technologie narren können.“ Cirnach nickte.

Jenna und IDUSA hatten Scotty abgeholt und waren mit ihm auf dem Weg zur Erde. Hier, auf neutralem Boden, wie Jenna fand, wollte sie ihm alles erklären. „Sie sind also die berühmte Techniker Jenna Mc’Knight.“, setzte Scotty an. Dabei ließ er ihren Familiennamen einige Male in seinem Kopf nachhallen. „Sie sind die Frau aus dem 21. Jahrhundert, die durch einen interdimensionalen Wirbel Raum und Zeit durchquert hat und jetzt für die Tindaraner arbeitet.“ „Und Sie sind der ehemalige oberste technische Offizier der Enterprise, der 1000 Jahre in einem interdimensionswirbel verbracht hat und im 30. Jahrhundert wieder aufgewacht ist. Da haben wir ja einiges gemeinsam.“, stellte Jenna fest. „Nicht nur das, Miss Mc’Knight.“, meinte Scotty. „Sie sind wohl auch noch Schottin, wie?“ „Nicht ganz.“, gestand sie. „Mein Vater war Amerikaner.“ „Hat es doch tatsächlich so’n Burger fressender Bastard gewagt, Ihr schönes schottisches Blut zu verwässern. Wie hieß der Taugenichts!“, scherzte Scotty. „Joseph Carlson.“, entgegnete sie. „Aber nach der Heirat mit meiner Mutter, Catelyn Mc’Knight, nahm er ihren Namen an.“ „Dann hat Ihre Mutter es ja zumindest geschafft, ihm einen gescheiten schottischen Nachnamen zu verpassen.“, witzelte Scotty. Das ließ sich ja schon mal gut an. Jenna war mit dem bisherigen Verlauf ihrer Mission sehr zufrieden.

In Marons Auftrag war ich zu Shiranach und Tabran gegangen. Der Demetaner wusste nicht genau, warum er gerade mich geschickt hatte, aber ich kam mir im Augenblick ohnehin etwas nutzlos vor. Wahrscheinlich dachte er auch, dass ich eventuell herausbekommen konnte, warum Shiranach das mit dem Brautstrauß so und nicht anders gemacht hatte. Sie wusste, dass ich verheiratet war. Schließlich war ich nicht aufgestanden, als Zirell alle unverheirateten Frauen dazu aufgefordert hatte und das konnte man sicher nicht nur dem schnellen Tanz zuschreiben. Einer Betroffenen, so fand Maron, würde Shiranach vielleicht sogar noch eher etwas erzählen als einem fremden Ermittler, den der Kontakt zwischen ihr und der Wächterin ihrer Meinung nach ohnehin nichts anging.

Tabran erwartete mich an der Tür zu seinem und Shiranachs Quartier und führte mich hinein. „Sei gegrüßt, Allrounder Betsy.“, sagte er. „Was führt dich zu uns?“ Ich zog es vor, nicht zu sagen, dass ich in Marons Auftrag gekommen war. Würde ich den Eindruck erwecken, meinetwegen gekommen zu sein, würde Shiranach vielleicht reden. „Warum hat deine Frau den Brautstrauß in meine Richtung geworfen?“, fragte ich. Shiranach erwiderte etwas auf Vendarisch, dass ich nicht verstand. „Du bist zwar eine verheiratete Frau.“, übersetzte Tabran. „Aber du hast dich nicht wie eine verhalten. Wir haben gesehen, wie vertraut du mit Shimar von Tindara bist.“ Shiranachs plötzliche Sprachprobleme waren mir ein Rätsel. Weshalb tat sie das? Bei der Hochzeitszeremonie hatte sie noch sehr gut Englisch verstanden und gesprochen. Mit einem Seufzer drückte sie ihr Missfallen über Tabrans Übersetzertätigkeit aus. „Bei Agent Maron von Demeta funktioniert deine Nix-Verstehen-Masche vielleicht.“, fuhr Tabran sie an. „Aber Allrounder Betsy von Taria hat ein Recht darauf, zu erfahren, was du mir gesagt hast.“ Ich erkannte, dass ich vielleicht bei Tabran an der besseren Adresse wäre, etwas für Agent Maron und auch für mich herausfinden zu können. Deshalb wandte ich mich an ihn: „Was hat sie dir denn gesagt?“ „Sie hat dein und Shimars Gesicht in der Vision gesehen, die sie von der Wächterin empfangen hat.“ „Was ist mit der zarten Freundschaft, die zerbrechen wird?“, fragte ich weiter. „Weißt du da auch etwas?“ „In der Tat.“, entgegnete Tabran. „Es geht nicht, wie du vielleicht denken magst, um die Männerfreundschaft zwischen Joran und Shimar, sondern um die politische Freundschaft zwischen der Föderation und Tindara.“ „Warum sollte die in Gefahr sein?“, fragte ich. Tabran sah Shiranach an, die aber eisern schwieg.

IDUSA hatte Jenna und Scotty direkt in mein Haus auf der Erde gebeamt. Ich hatte Jenna noch ein Versteck verraten, in dem ich eine alte Flasche Whisky, die schon seit Generationen in Scottys Familie war, aufbewahrte. Der Legende nach sollte sie nur zu einem ganz besonderen Anlass geöffnet und getrunken werden. Sie war ohnehin eine ganz besondere Flasche. Schließlich hatte sie auch eine 1000-jährige Gefangenschaft in einem Interdimensionswirbel überstanden. Jenna fand auf jeden Fall, dass es heute so weit wäre. Wann rettete sie schon mal eine Ehe und das auch noch auf Schottisch?

Sie holte zwei Gläser aus dem Schrank. Dann setzten sich Scotty und sie an den Tisch. Nachdem sie beiden aus der besonderen Flasche eingeschenkt hatte, stand sie auf und begann die gleiche flammende Rede, die sie auch vor Maron und Zirell zu meiner Verteidigung gehalten hatte.

Als sie damit fast fertig war, legte Scotty plötzlich den Finger an den Mund und sagte ruhig: „Stopp mal, Kollegin. Mach mal halblang. Hier gibt es nur das Eine zu verzeihen. Nämlich die Tatsache, dass du so einen guten Tropfen so einem feindlichen Element wie Sauerstoff aussetzt. Wenn du den Drink schal werden lässt, beleidigst du Generationen von Scotts, in deren Besitz diese Flasche vor mir war. Also, setz dich gefälligst hin, trink und hör mir jetzt mal zu.“ „Das tue ich dann mal besser.“, sagte Jenna. „Schließlich will ich ja keine altschottische Clanfehde zwischen den Scotts und den Mc’Knights heraufbeschwören. Dann wollen wir mal.“ Damit leerte sie ihr Glas in einem Zug.

Er erzählte ihr zu Dudelsackmusik aus dem Rechner die ganze Geschichte, warum wir geheiratet hatten. „Sie hat dich also nur geheiratet, um dir den weiteren Aufenthalt auf Celsius zu ermöglichen?“, suchte Jenna nach einer Bestätigung für ihre Theorie. „Genau.“, entgegnete Scotty. „Sie wollte mir damit nur einen Gefallen tun, meine kleine liebe unschuldige Betsy. Manchmal ist sie viel zu lieb für das große böse Universum da draußen. Warum, glaubst du, leben wir auf verschiedenen Planeten, he? Dass sie sich mal was fürs Herz suchen würde, ist doch ganz normal unter diesen Umständen. Außerdem, Jenn’, wenn ich dich richtig verstanden habe, wusste sie ja noch nicht mal, dass sie fremdgegangen ist. Also kann man auch nicht von Vorsatz ausgehen. Sagen wir mal, es war ein Versehen. Sie ist aus Versehen fremdgegangen.“ Dabei musste er über seine eigene typisch schottische Bauernschläue lachen. Jenna ließ sich von seinem Gelächter ruhig anstecken. Beide hatten schon ziemlich einen im Tee und es war ihnen alles ziemlich egal. „Wie sagt doch ein altes schottisches Sprichwort: Ein Versehen ist ein Versehen und kann ruhig mal geschehen.“, lallte Scotty. „Oh, Das kenne ich ja noch gar nicht.“, gab Jenna ähnlich undeutlich zurück. „Aber ich werde IDUSA mal fragen. Vielleicht hat sie es in ihrer Datenbank.“ „Lass bloß dein Fisch ääähh, Schief, ääähh deine IDUSA eben. Lass sie da raus.“, entgegnete Scotty. „Die kann es nicht kennen, weil ich es eben erst erfunden habe.“ Er schenkte beiden nach. Dann sagte Jenna: „Du verzeihst deiner Betsy also?“ „Klar doch.“, entgegnete Scotty, hob sein Glas und meinte, als er ihr zuprostete: „Auf die Schotten.“ Jenna stieß mit ihm an und fügte hinzu: „Und ihr Talent, Probleme zu lösen.“

Sie hatten die ganze Flasche geleert, aber das machte nichts. „Weißt du was, Jenn’.“, setzte Scotty nach einer Weile an. „Ne, weiß ich nicht.“, gab sie zurück. „Was soll ich denn wissen?“ „Du sollst wissen, dass du mich hier lassen solltest. Sobald ich wieder nüchtern bin, werde ich meinem leeren Versprechen, Betsy zu verzeihen, obwohl es da nichts zu verzeihen gibt, Taten folgen lassen. Ich werde hier alles reparieren, was zu reparieren ist und so. Du weißt schon. Also, jetzt zisch, ne, ich mein’, schiss, ne, ach siff, oh, Gott, noch nicht mal auf die eigene Stimme kann man sich noch verlassen. Ich mein’ quatsch’ mit deiner IDUSA und sag ihr, dass ihr heute solo nach Hause fliegt. Ich bleibe hier.“ „Geht klar.“, gab Jenna zurück. „Deine Betsy wird sich riesig freuen.“

IDUSA hatte Jenna wieder zu sich an Bord gebeamt. „Sie werden morgen einen ziemlichen Kater haben, wenn ich nicht eingreife.“, stellte die künstliche Intelligenz fest. „Ich werde die Umweltbedingungen so verändern, dass die Beschaffenheit der Atmosphäre ihren Leberstoffwechsel stimuliert. Dadurch kann ich sicher erreichen, dass die Auswirkungen Ihrer kleinen Problemlösung auf Schottisch abgefedert werden.“ „Du bist wie eine Mutter zu mir, IDUSA.“, säuselte Jenna, bevor sie einschlief. IDUSA schaltete auf Automatik und flog in die tindaranische Dimension und zu ihrer Basis zurück.

„Mc’Knight!“, erboste sich Sytania. „Natürlich, wenn die sich einmischt, dann kann unser Plan ja nicht funktionieren. Ach, sie ist so eine Landplage! Sie ist schlimmer als Kirk, Time und alle anderen zusammen!“ „Ruhig Blut, Gebieterin.“, entgegnete Cirnach, die immer noch mit dem Erfasser bei Sytania saß. „Ihr macht große Fortschritte. Das Gerät hält euch nur noch zu 0,1 % für euch selbst. Es sagt, Ihr wärt bereits zu 99,9 % eine Betazoide.“ „Das muss reichen!“, schrie Sytania. „Ich begebe mich jetzt nach Terra und werde Betsys neue Nachbarin!“ Es gab einen schwarzen Blitz und sie war verschwunden. Cirnach blieb sprachlos zurück. Es hätte doch nicht mehr viel gebraucht. Nur noch 0,1 %. Warum war ihre Herrin nur so ungeduldig? Sie befürchtete, dass dieses eine kleine Zehntel vielleicht ihren ganzen Plan zerstören könnte. Dagegen musste sie vorgehen. Sie hatte durch die Priesterinnen von einer alten Legende erfahren, wie sie sogar die Einhörner auf Sytanias Seite bringen könnten, aber das würde sie mit Telzan besprechen müssen. Hoffentlich würde er einverstanden sein. Die Hilfe ihres Mannes und seiner Truppe würde sie gut gebrauchen können. Außerdem würde sie Menach informieren, die einen Seiler in einem Dorf kannte, der keine unbequemen Fragen stellen würde, wenn man ihm sagen würde, dass er ein Seil machen soll, das mit Rosannium versetzt werden müsse. Für ein paar Goldstücke würde dieser korrupte Handwerker alles tun.

In der Zwischenzeit hatte ich, wohl auch um mich zu beschäftigen, Kontakt mit Cupernica aufgenommen. Ich hatte ihr berichtet, was mir geschehen war. Sie hatte darauf nach Ishans direktem Rufzeichen gefragt. Nun saß ich auf der Krankenstation in Ishans Sprechzimmer. Über eine Onlineverbindung konnte sie mich nun quasi fernuntersuchen. Sie stellte mir die gleichen Fragen wie vor meiner Therapie und Ishan machte mit mir die Tests, die sie beobachtete.

„Nach eingehender Analyse der Testergebnisse.“, begann Cupernica. „Komme ich zu der Ansicht, dass Sie von Ihrer Telepathiephobie gesundet sind. Das hat Ihr Freund Shimar wirklich gut hinbekommen. Hätte ich einem Laien nicht zugetraut.“ Ishan nickte das Ergebnis seiner Kollegin ab. „Und Sie finden die Art, wie es zu meiner Heilung gekommen ist, nicht etwa moralisch fragwürdig, Cupernica?“, wollte ich wissen. „Warum sollte ich aus medizinischer Sicht etwas fragwürdig finden, das Ihre Heilung so gut unterstützt, ja, sogar erst möglich gemacht hat. Ohne Ihre Liebe zu Shimar wäre das sicher in Ihrem speziellen Fall nicht möglich gewesen. Außerdem steht mir ein moralisches Urteil nicht zu, sondern allerhöchstens ein medizinisches. Ich bin Ärztin, keine Nanny.“ Ich sah jetzt Ishan fragend an. „Ich bin Arzt und kein Pfarrer.“, entgegnete er nur.

„Na, da haben wir ja noch einen Grund zum Feiern.“, kommentierte Zirell Ishans Bericht. Jenna war inzwischen auch wieder heimgekehrt und von ihrem Kater genesen. So konnte auch sie an der Konferenz teilnehmen. Erleichtert hatte ich zur Kenntnis genommen, dass Scotty mir verziehen hatte. Jenna hatte aber Order, mich noch nicht über sein Vorhaben zu informieren. „Dann ist mein Genesungsurlaub wohl vorbei.“, sagte ich mit einem traurigen Blick. „Oh, das glaube ich nicht.“, erwiderte Zirell. „Commander Kissara, mit der ich gesprochen habe, meinte, dass du ruhig noch bei uns bleiben kannst. Du würdest dir ja auf der Sternenflottenbasis auch nur die Beine in den Bauch warten und das wäre optisch sicher nicht sehr vorteilhaft. Außerdem hörte ich, dass bei dir zu Hause gerade irgendwelche Dinge laufen, die ein gewisser Sternenflottenallrounder noch nicht zu sehen bekommen soll.“ „Na gut.“, sagte ich. „Wenn ihr mich noch ’ne Weile toleriert.“ Zirell lachte. Dass mich alle duzten, war für mich kein Problem. Auf Tindara war das ja so üblich und was wäre ich für eine Sternenflottenoffizierin, wenn ich die Gepflogenheiten anderer Kulturen nicht akzeptieren würde. Zumal dann nicht, wenn ich mich sogar in deren Hoheitsgebiet befand.

Fast alle Vendar waren wieder abgereist. Nur Sianach, Tchiach, Shiranach und Tabran waren noch da. Shiranach und ihr Mann wollten ihre Flitterwochen auf der tindaranischen Basis verbringen und Tchiach wollte noch eine Weile bei ihrer Stiefmutter in Spee und ihrem Vater sein. Sianach musste, als Tchiachs Erziehungsberechtigte, natürlich dabei bleiben. Auch der Kleinen war die Sache mit Scotty, Shimar und mir zu Ohren gekommen. „Dein Mann hat dir verziehen, Allrounder Betsy?“, fragte mich Tchiach, als wir uns auf dem Flur begegneten. „Ja, das stimmt, Maus.“, erwiderte ich. „Scotty von Taria muss ein großes Herz haben.“, stellte das Vendar-Kind weiter fest. „In der Tat.“, lächelte ich.

„Da muss der Seiler aber eine Menge Rosannium verbrauchen, wenn dein Plan klappen soll.“, kommentierte Telzan die Idee seiner Frau. „In der Tat.“, antwortete Cirnach. „Aber das ist ja kein Problem, solange du und deine Männer brav strahlungsdichte Handschuhe tragt.“ „Natürlich.“, grinste Telzan und fügte hinzu: „Die Einhörner werden also wirklich auf unserer Seite sein?“ „Wirklich und wahrhaftig.“, bestätigte Cirnach. „Wenn Valora tot ist und Sytanias Schöpfung die Einhörner anführt, werden sie wirklich und wahrhaftig auf unserer Seite sein. Logar wird sich wundern.“ Telzan umarmte sie und flüsterte ihr zu: „Tochter einer mehrzüngigen Schlange und eines Fuchses. Ich weiß schon, was ich an dir habe.“

Alte schottische Volksweisen pfeifend ging Scotty durch meinen Garten. Er hatte alles wieder in Ordnung gebracht, was in Ordnung zu bringen war. Sogar den Replikator, an dem sich der demetanische Notdienst neulich die Zähne ausgebissen hatte, hatte er wieder hinbekommen. „Alle reden immer von deutscher Wertarbeit.“, sagte er zu sich. „Dabei sind wir Schotten die wahren Meister der Flickarbeit.“ Wahrscheinlich spielte er auf die Sache mit Jenna und unserer Ehe an.

Caruso war auf die fremde Stimme im Nachbargarten aufmerksam geworden und war, neugierig wie Katzen nun mal sind, herüber geschlichen. Er setzte sich auf einen Pfeiler, von dem aus er Scotty gut beobachten konnte. Wie ein König von seinem Thron schaute der schwarze Kater jetzt auf ihn herunter. „Hi, Mieze!“, rief Scotty aus, als er ihm ansichtig wurde. „Kannst mir gern zugucken. Aber nichts der Petsy betzen, ach quatsch, ich mein’, der Betsy petzen. Ich sag’ dir was. Das erste Stück, was ich mit dem neu reparierten Replikator fabriziere, ist deins. Dafür sagst du ihr nix. Deal?“ Caruso sah ihn an, als ob er sagen wollte: „Ist ja nett von dir, Mensch, aber ich kann für nichts garantieren.

Scotty hatte nicht bemerkt, wie plötzlich auf einem leeren noch zu bebauenden Grundstück ein Haus aufgetaucht war. Sonst hätte er sicher Verdacht geschöpft, als eine ca. 1,80 m große Frau mit langen blonden Haaren, die sie zu einem Zopf gebunden hatte, von eben diesem Grundstück aus eben diesem Haus zu ihm herüber kam. Der einzige, der Verdacht schöpfte, war Caruso. Er fauchte, machte einen Buckel und einen dicken Schwanz und sträubte die Nackenhaare. Dann gab er noch ein bedrohliches Knurren von sich. Sytania mochte sich zwar verstellt haben, aber er spürte trotzdem, wer sie war. Vielleicht konnte sie seiner Katzengroßmutter erzählen, dass sie eine harmlose Betazoide war. Aber ihm nicht. „Na na, Mieze.“, sagte Scotty. „Reg dich doch nicht auf. Ist das überhaupt eine Art, Gäste zu begrüßen?“

Die Fremde ging zu Scotty und begrüßte ihn: „Hallo, Mr. Scott. Ich bin Deanna, Allrounder Betsys neue Nachbarin. Ich finde es ja so rührend, was Sie hier für Ihre Frau tun.“ Während sie mit ihm sprach, zapfte sie sein Unterbewusstsein an und implantierte folgende telepathische Botschaft: „Heute Nacht, wenn alles schläft, gehst du zum Sprechgerät und rufst das Sternenflottenhauptquartier. Du sagst ihnen, dass die Tindaraner nur Verführer und Vergewaltiger eurer Frauen sind und dass sie nur deshalb eine politische Freundschaft vorgaukeln. In Wahrheit wollen sie irgendwann alle Frauen entführen und unfruchtbar machen, damit eure Rasse ausstirbt und sie euren Planeten erobern können. Schicke ihnen auch diesen Beweis mit.“ Damit erschuf sie telekinetisch einen Datenkristall mit falschen Beweisen, den sie ebenso in Scottys Tasche teleportierte. Dann instruierte sie ihn weiter hypnotisch: „Du wirst, wenn du das getan hast, 24 Stunden schlafen und dann erst erwachen und dich an nichts erinnern.“ Dann verschwand sie wieder samt der Kulisse, die sie geschaffen hatte.

Der einzige, der dieses Schauspiel außer Caruso noch beobachtet hatte, war Data. Über Carusos Halsband, das einen Mechanismus zum Aufspüren und Beobachten seines Trägers hatte, war der Android über den heimatlichen Rechner immer auf dem Laufenden, was seine Katze gerade tat. Data war Caruso insgeheim sehr dankbar. Er würde Scotty vielleicht retten können und das nur, weil Caruso zur rechten Zeit am rechten Ort war. „Mr. Scott wird nicht der einzige sein, der dir eine Freude macht, Caruso.“, sprach Data in das Mikrofon seines Sprechgerätes. Damit konnte er nämlich auch dafür sorgen, dass Caruso ihn hören konnte. Data replizierte einen dicken Fisch, den er in Carusos Futternapf platzierte.

Auch Scotty hatte sein Versprechen gegenüber dem Kater jetzt eingelöst. Caruso alberte mit der Spielzeugmaus, die Scotty ihm repliziert hatte, im Wohnzimmer herum. Immer wieder beschmeichelte und beschmuste er Scotty, und versuchte, ihn zum Mitspielen zu bringen. Wahrscheinlich hatte Caruso das Gefühl, ihn unbedingt wach halten zu müssen. „Sorry, Mieze.“, meinte Scotty nach einigen Stunden. „Jetzt solltest du aber wirklich nach Hause gehen. Ich bin hundemüde und du solltest auch nach Hause gehen. Zu wem auch immer du gehörst. Vergiss deine Maus nicht.“ Caruso warf Scotty einen letzten traurigen Blick zu und schlich dann mit hängendem Schwanz und der Maus im Maul von dannen.

Zirell und Maron hatten sich im Besprechungsraum der Station getroffen. „Du siehst nicht sehr fröhlich aus.“, bemerkte der erste Offizier gegenüber seiner Vorgesetzten. „Ich habe auch keinen Grund, fröhlich zu sein.“, gab Zirell zurück. „Die Zusammenkunft hält das, was Joran sagt, mittlerweile auch für Unkenrufe. Sie sagen, wenn sich Sytania bis jetzt nicht gerührt hat, wird sie das auch nicht mehr tun.“ Maron stand auf und meinte erstaunt: „Für so naiv hätte ich deine Regierung nicht gehalten. Zumal ihr ja eigentlich alle spüren müsstet, wenn sie euch beobachtet. Schließlich seid ihr alle Telepathen.“ „Dass Sytania uns beobachtet, spüren wir auch.“, beschwichtigte ihn Zirell. „Die Zusammenkunft ist nur der Meinung, dass wir uns dieses Mal alle geirrt haben. Sytania wird nicht …“ Maron bekam einen wütenden Gesichtsausdruck. „Ich werde dir sagen, was sie tut!“, rief er außer sich. „Sie führt einen Psychokrieg! Sie wartet ab, bis wir den Fehler machen, nicht mehr mit ihrem Angriff zu rechnen und dann schlägt sie zu! Dass deine Zusammenkunft das nicht kapiert hat, hätte ich nicht gedacht!“ „Es dauert ihnen nur schon zu lange.“, versuchte die Tindaranerin ihn zu beschwichtigen. „Schon zu lange, schon zu lange, dass ich nicht lache!“, entgegnete Maron wütend. „Wie ich gerade sagte, Sytania wartet darauf, dass wir einen Fehler machen. Aber das werden wir nicht zulassen. Eher werden wir dafür sorgen, dass sie einen macht, indem wir jemanden als Beobachtungsteam schicken, dem sie diese Tätigkeit nicht zutraut. Dadurch wird sie noch überheblicher und dann irgendwann nachlässig. Mutter Schicksal sei Dank ist das ja ihr Schwachpunkt. Derjenige sollte zwar von jemandem begleitet werden, der kompetent ist, aber …“ „An wen speziell hast du gedacht?“, fragte Zirell, die mittlerweile für jeden Vorschlag offen war. Sie glaubte nämlich nicht, was die Zusammenkunft ihr weismachen wollte. Sie unterstützte eher Marons Meinung. „Joran und O’Riley.“, antwortete Maron. „Shannon?!“, erwiderte Zirell. „Ach du liebe Zeit! Sie ist im Punkto Spionage die ungeschickteste Person auf dieser Basis. Dafür ist sie viel zu gerade heraus.“ „Eben.“, gab der Demetaner grinsend zurück und schob ihr ein Pad mit dem Missionsplan zur Unterzeichnung hin.

Telzan hatte darauf gedrängt, dass Cirnach ihm noch mehr über ihren Plan verraten würde. „Sytania ist bereits dabei, das Geistwesen zu erschaffen, welches Valoras Platz einnehmen soll. Dann werden wir irgendein Pferd von einem dahergelaufenen Viehhändler kaufen und dem wirst du das Wesen dann übertragen, nachdem du es zur vollen Entwicklung in deiner Sifa gebracht hast. Das Wesen wird dem Pferd ein Telepathiezentrum verpassen und somit ein Horn. Wenn die Legende stimmt, wird das dafür sorgen, dass die Einhörner auf uns hören, wenn schon ihre Anführerin das tut.“

Entgegen landläufiger Meinungen haben neueste Forschungsergebnisse belegt, dass nicht der einzige Hengst in Pferdeherden die Führungsrolle inne hat. Er ist lediglich Samenspender und Beschützer in Gefahrensituationen. Die Dinge des täglichen Lebens, Also, wo gibt es was Gutes zu fressen oder zu trinken bzw. einen guten Platz zum Ausruhen für die Nacht werden von der ältesten und erfahrensten Stute bestimmt. Diese Gepflogenheiten hatten sich auch die Einhörner angewöhnt, als sie die Pferdeartige Gestalt angenommen hatten, um in der Dimension Dunkles Imperium zu leben.

Jenna und Shannon hatten IDUSA gewartet. „Was war das, Jenn’.“, wollte die technische Assistentin, die ihren Ohren nicht traute, wissen. „Ich soll mit dem Grizzly ins Dunkle Imperium fliegen und Sytania herausfordern?“ „So ähnlich, Assistant.“, erwiderte Jenna. „Agent Maron und Zirell hoffen, dass Sytania durch Ihre burschikose Art denkt, dass wir einen schlimmen Anfängerfehler gemacht haben, nämlich unsere schlechteste Spionin zu schicken. Sie wird denken, dass Joran mit Ihnen ordentlich zu tun haben wird und dann keine Aufmerksamkeit mehr für das hat, was sie tut. Eine solche Gelegenheit wird sie sich doch nicht entgehen lassen und uns hoffentlich die Zähne zeigen. Dürfte ja ganz in Ihrem Interesse sein. Sie halten sich ja immer für dumm.“ „Schuldig im Sinne der Anklage.“, grinste Shannon. „Wo ist der Grizzly?“

Joran kam in diesem Augenblick durch die Tür. „Bist du bereit, Shannon O’Riley?“, fragte er. „Bereiter geht’s nich’, Grizzly.“, schnodderte die blonde Irin zurück. Joran schaute Jenna an. „Ist IDUSA bereit, Telshanach?“, erkundigte er sich. Jenna nickte und dann gingen Joran und Shannon in Richtung des Schiffes.

 

Rache

von Visitor

Cupernica und Data saßen auf ihrer Terrasse, als Caruso nach Hause kam. Data hatte etwas ziemlich gewurmt, von dem er seiner Frau erzählt hatte. Da die Augen von Androiden eine höhere Auflösung haben und die Kamera an Carusos Halsband genau so, konnte er genau sehen, dass das Haus und alles drum herum verschwunden, wahrscheinlich durch telekinetische Einwirkung, war. Er hatte Energiereste wahrgenommen, die von Sytanias Energie stammen könnten. Sie waren zwar nur zu 0,1 % von ihr, aber Data hatte in der Zwischenzeit und seinem nun schon mehr als 1000 Jahre andauernden Leben gelernt, dass es nichts gab, was es nicht gab. Deshalb schickte er Caruso auch wieder zurück. „Du wirst heute nicht daheim schlafen, mein kleiner Spion.“, flüsterte Data ihm zu. „Du schläfst heute bei Onkel Scotty.“ Freudig hob der Kater den Schwanz, als Data ihn auf den Arm nahm, um ihn zu meinem Haus zurückzutragen. An der Hofeinfahrt stellte sich jedoch Cupernica in seinen Weg. „Wo willst du mit ihm hin?“, fragte sie. „An sich ist jetzt doch seine Schlafenszeit. Ich mache dich darauf aufmerksam, dass du damit seinen gesamten körperlichen Rhythmus durcheinander bringen kannst.“ „Geschäfte.“, erwiderte Data. „Dringende Geschäfte, bei denen ich Carusos Hilfe brauche.“ „Was sind das für merkwürdige Geschäfte, bei denen du seine Hilfe brauchst?“, wollte Cupernica wissen. Data stellte sein internes Kommunikationssystem auf ihre Frequenz ein und übermittelte ihr, was er über Carusos Halsband gesehen hatte. „Du denkst also, dass Sytania gelernt haben könnte, das telepathische Muster einer Betazoiden zu imitieren?“, fragte sie. „Das ist korrekt.“, antwortete Data. „Eine andere logische Erklärung für die Vorgänge, die ich gesehen habe, habe ich nicht.“ „Also schön.“, sagte Cupernica und ging ins Haus. Im Eingang rief sie Data noch zu: „Gib mir doch bitte deine Codes für das Programm, damit ich unserem Rechner sagen kann, er soll alles aufzeichnen, was Carusos Kamera sieht.“ Data übermittelte ihr die Codes und brachte Caruso dann zu seinem Spionagearbeitsplatz.

Shannon, IDUSA und Joran waren in der Zwischenzeit im Dunklen Imperium angekommen. „Hast de nich’ auch das Gefühl, dass das zu leicht war, Grizzly?“, sorgte sich die blonde Irin. „In der Tat.“, antwortete Joran. „Wir sollten auf jeden Fall auf der Hut sein.“ „Bestätigt.“, meinte IDUSA und stellte ihnen ein Sensorenbild auf die Neurokoppler. Shannon, die dieses nicht einordnen konnte, fragte alarmiert: „Was sind das für Dinger, Grizzly?“

Bevor Joran antworten konnte, hatte einer der seltsamen Energiekegel bereits eine von IDUSAs Antriebsspulen beschädigt. Dann ein zweiter eine zweite. „Sytania will uns hier eindeutig nich’ haben.“, stellte Shannon fest. „In der Tat, Shannon O’Riley.“, antwortete Joran, der jetzt sehr gestresst war. In einer Dimension wie dem Universum waren zwei zerstörte Spulen nicht schlimm, aber in einer Dimension mit Gravitation und Atmosphäre wie dem Dunklen Imperium verlangte die Situation ihm alle fliegerischen Kenntnisse ab. Auf Automatik schalten konnte IDUSA nicht, denn kein Computer, auch nicht ein tindaranischer, konnte das Bauchgefühl eines guten Piloten ersetzen, auf das sie jetzt angewiesen war.

Shannon hatte sich von IDUSA die Waffenkonsole zeigen lassen. Sie versuchte alles, um die drei zu verteidigen, aber, wenn immer sie auf einen Kegel geschossen hatte, bildeten sich aus ihm mindestens zehn neue.

Krach, schmor, Funken sprüh, das war die vorletzte Antriebsspule. „Jetzt wird es total unangenehm, Shannon O’Riley.“, sagte Joran. „Ich halte sie nur noch mit der Buckspule und kann nicht garantieren, dass wir nicht doch noch abstürzen. Eine falsche Steuerbewegung und es passiert.“ „Dann machst de eben alles richtig, Grizzly.“, ulkte Shannon. „Ich denke eher, Sie sollten jetzt etwas tun, Shannon.“, erwiderte IDUSA. „Erlauben Sie mir, die Rosannium-Waffe einzusetzen.“ „Bist du wahnsinnig, IDUSA!“, rief Shannon aus. „Wenn ich das in dieser Atmosphäre tue, verseuche ich die ganze Dimension und eine Menge Wesen werden Schaden nehmen.“

Eine Erschütterung traf IDUSA und legte sie fast auf die Seite. Nur unter größter Konzentration gelang es Joran, sie zu stabilisieren. „Sie hat Recht, Shannon O’Riley.“, sagte Joran. Ohne die Waffe werden wir das hier nicht überleben. „Na gut, IDUSA.“, sagte Shannon. „Du darfst.“ „Gut.“, entgegnete IDUSA. „Setze Rosannium-Waffe unter Energie.“ Es gab ein kurzes Aufflackern der Waffe aber nicht mehr. „Was ist los, IDUSA.“, fragte Joran. „Der Energiekristall für den Generator der Waffe ist chemisch instabil.“, analysierte IDUSA ihre Situation. „Um die Waffe aktivieren zu können, benötige ich Energie aus anderen Systemen. Ich müsste die Energie fast aller Systeme umleiten. Das betrifft leider auch die Lebenserhaltung.“ „Schon gut.“, sagte Joran, nahm seinen Neurokoppler ab und sagte in IDUSAs Mikrofon: „Beame Shannon O’Riley und mich herunter. Dann hast du genug Energie, um dich zu verteidigen. Dann versuchst du, mit Hilfe des Interdimensionsantriebes nach Hause zu kommen.“ „Ich danke Ihnen.“, sagte IDUSA und führte den Befehl, zumindest zur Hälfte, aus. Sie würde Joran und Shannon nicht aus den Augen lassen, solange sie irgendwo eine stabile Umlaufbahn halten konnte. In einer Luftströmung mit Aufwind würde ihr das schon gelingen.

„Ich muss dir etwas gestehen.“, sagte Joran zu Shannon, nachdem sie eine Weile in Richtung von Logars Palast, zu dem sie wollten, gegangen waren. „Ich habe seit einigen Tagen vor lauter Aufregung meine Medizin vergessen und befinde mich bereits wieder am Anfang eines neuen Sifa-Zyklus.“ „Heißt das, du könntest auch zu ’ner Gefahr für Logar werden?“, fragte Shannon.

Bevor er antworten konnte, wurden beide einer seltsamen Szene ansichtig. Überall in den Gebüschen hatten sich Vendar-Krieger auf Pferden versteckt. „Das sind Telzans Leute, Shannon O’Riley.“, erklärte Joran. „Versteck dich. Ich sehe auch die Einhörner. Wenn das zutrifft, was ich vermute, kann ich gleich nicht mehr auf dich aufpassen und ich würde mich besser fühlen, wenn ich dich in Sicherheit wüsste.“ Shannon nickte und drückte sich in eine Felsnische.

Valora und ihre Herde zogen weiter gen Sytanias Palast, denn sie konnten nicht zulassen, was diese beabsichtigte. Aber genau das hatten Telzan und seine Leute einkalkuliert. Telzan hatte das Rosannium-Seil in der Hand. Er trug wie alle anderen auch strahlungsdichte Handschuhe. Jetzt zogen die Einhörner an seinem Versteck vorbei. „Angriff!!“, befahl Telzan. Schon preschten einige Reiter mitten in die Herde. Valora wurde von ihren Freunden getrennt. Telzan warf ihr die Schlinge um den Hals. Sofort brach sie, durch die große Menge Rosannium geschwächt, zusammen.

Joran hatte alles gesehen. Er sprang hinzu und fasste Valoras Kopf, um ihren Geist in seine Sifa aufnehmen zu können und sie somit zu retten. Ihr Körper war verloren, das wusste der Vendar. Aber ihren Geist würde sein Geist nähren und heilen. Dann würde man versuchen, für sie einen neuen Körper zu finden.

Telzan wusste, dass er dies nicht zulassen konnte. Wenn er gemäß dem Befehl seiner Herrin handeln sollte, durfte er nicht erlauben, dass Joran sie rettete. Auch er warf seine Handschuhe von sich und legte ebenfalls seine Hände auf Valoras Stirn. Er würde, würde er Valoras Geist in seiner Sifa haben, diesen mit Hilfe eines Rosannium-Kristalls vernichten, sobald er wieder in Sytanias Schloss wäre. Das würde für ihn zwar Kopfschmerzen bedeuten, aber die würde er gern in Kauf nehmen. So kämpften beide nun um Valoras Bewusstsein.

„Gib auf, Verräter.“, zischte Telzan. „Nein.“, erwiderte Joran. „Gib du auf. Ich werde nicht zulassen, dass du Valora tötest.“

Shannon hatte mittlerweile einiges begriffen. „Vorwärts, Grizzly!“, schrie sie aus ihrem Versteck. „Du schaffst das!! Lass diesen Hurensohn auf keinen Fall gewinnen, hörst du, auf keinen Fall!!“ Sie überlegte, was sie tun konnte, um Joran zu helfen. In ihrer Tasche fand sie ihren Phaser und eine Rosannium-Linse. Eilig steckte sie beides zusammen und begann, mit der Waffe auf Telzan zu zielen. Leider war er zu nah an Joran. „So genau kann ich nie zielen.“, sagte sie leise. „Wenn Telzan sich drehen würde …“ „Shannon.“, hörte sie plötzlich eine künstliche weibliche Stimme im Ohrhörer ihres Sprechgerätes. „IDUSA.“, antwortete sie. „Wir hatten dir doch befohlen …“ „Ich weiß.“, fiel ihr das Schiff ins Wort. „Aber ich bin ein Beschützerschiff und als solches programmiert, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, meine Crew und die Ihrigen zu beschützen. Sie brauchen Hilfe beim Zielen, so weit ich das sehe, nicht wahr? Halten Sie Ihre Waffe genau so. Versuchen Sie, Telzan in Ihre Richtung zu lenken. Den Rest mache ich. Ihr Phaser und ich sprechen die gleiche Sprache. Über den Diagnoseport habe ich bereits Zugang.“

Shannon hatte registriert, dass, wenn immer sie Joran anfeuerte, Telzan sich empfindlich gestört fühlte. Deshalb schrie sie jetzt aus Leibes Kräften: „Los, Grizzly, mach schon! Immer feste konzentrieren!“ Telzan drehte sich wütend um und gab zurück: „Halt den Mund! Wirst du endlich schweigen, du Hexe!“ „Das war sein Fehler, Shannon.“, analysierte IDUSA. „Bewegen Sie sich nicht. Nicht-be-we-gen.“ Dann ließ sie Shannons Phaser eine Rosannium-Salve abfeuern. Telzan hielt sich den Kopf. Dadurch gelang es Joran endlich, Valora in seine Sifa zu ziehen. Gebeutelt zog Telzan ab. Auch IDUSA aktivierte nun ihren Interdimensionsantrieb, um die zweite Hälfte des Befehls auszuführen.

Erschöpft aber zufrieden kehrte Joran zu Shannon zurück. „Ich danke dir, Shannon O’Riley.“, sagte er und fiel geschwächt neben ihr nieder. „Wenn du nicht gewesen wärst, wäre Valora jetzt tot.“ „Ach was.“, wischte die Irin sein Lob weg. „Das war eigentlich IDUSA. Bevor du fragst, sie hat meinen Phaser ferngesteuert. Aber erklär’ mir mal, Grizzly, wie die Valora zu Fall bringen konnten. Erklär’ mir das, Grizzly.“ „Mit demselben Stoff, den auch du benutzt hast. Mit Rosannium.“ „So ’ne Gemeinheit.“, erwiderte Shannon. „Aber wir müssen weiter. Komm schon.“ „Ich muss eine Weile ruhen.“, sagte Joran. „Mir geht es zwar gut, aber das Rosannium und der Kampf haben Valora ziemliche Schmerzen bereitet.“ „Oh.“, antwortete Shannon. „Das is’ schlecht. Aber versuch doch diese Fütterungsgeschichte.“ „Das werde ich.“, entgegnete Joran. „Aber ich glaube nicht, dass ich sie allein stabilisieren kann. Wenn ein zweiter Vendar hier wäre, dann könnten wir sie gemeinsam füttern, aber du bist keine …“ „Warte mal, Grizzly.“, sagte Shannon plötzlich und zog zwei Neurokoppler aus ihrer Tasche. Dann nahm sie Joran sein Sprechgerät ab und schloss einen Koppler an. Den zweiten steckte sie in ihr eigenes Gerät. Dann aktivierte sie auf beiden Geräten das entsprechende Programm, das sich automatisch auf tindaranischen Sprechgeräten befindet und gab Joran sein Gerät zurück. „Was wird das?“, fragte der etwas verwirrte Vendar. „Wir brauchen doch für das gemeinsame Fütterungsritual nur eine Verbindung zwischen unseren beiden Gehirnen.“, erklärte sie. „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Also.“, gab Shannon zurück. „Halt die Klappe und ruf mich.“

Zögernd gab Joran ihr Rufzeichen ein. Als die Verbindung stand, stellten sich beide vor, wie sie mit Valora in einem Raum waren und sie aus einer Raufe, die ihre geistige Energie enthielt, mit den Händen fütterten. Das Bild musste natürlich auf Valora angeglichen werden. Joran verspürte nach einer Weile tatsächlich einen Erfolg.

Sie beendeten das Ritual wenig später. Dann sagte Joran zufrieden: „Wenn du noch einmal behauptest, Shannon O’Riley, dass du dumm bist, lege ich dich persönlich übers Knie.“ „War’n Glückstreffer, Grizzly.“, stapelte sie gewohnt tief. „Das glaube ich nicht.“, negierte Joran. „Du bist intelligent. Du musst es nur zugeben.“

Joran und Shannon wussten, dass sie nicht ewig in diesem Gebüsch bleiben konnten. Aber wo sollten sie hingehen? Jeder auf Sytanias Seite würde nach einem Vendar und einer Terranerin suchen. Im Dunklen Imperium würden sie auffallen. Hier waren sie ja zwei ziemlich schräge Vögel. Da wurde Shannon plötzlich durch Wagenlärm aufgeschreckt. Ein Zug Gaukler kam vorbei. Sie erkannte ihre Gelegenheit. „Los, komm, Grizzly.“, versuchte sie Joran zum Aufstehen zu bewegen. „Der Agent sagt immer, eine Erbse versteckt man am Besten in einer Erbsensuppe oder so ähnlich. Unter den schrägen Vögeln da fallen wir nicht weiter auf. Vielleicht können wir dazustoßen.“

Joran hatte erfolglos versucht, ihr zu folgen. „Lass mich hier.“, sagte er schließlich. „Ohne mich kannst du sie sicher schneller einholen.“ „OK.“, meinte Shannon und rannte los. „Bei ja kommen wir zurück und holen dich!“, rief sie ihm noch von fern zu. „Bei nein komme ich allein.“

Tatsächlich gelang es ihr nach einer ganzen Zeit, den vergleichsweise langsam fahrenden Zug der Gaukler einzuholen. „Halt!“, rief sie dem Mann auf dem Kutschbock des vordersten Wagens zu. „Mein Freund und ich brauchen Hilfe!“ Er winkte nach hinten und zog die Zügel sanft an, worauf die beiden zottigen Pferdchen vor der Kutsche sofort still standen. „Brav!“, lobte er sie. Dann zog er Shannon neben sich. „Erzähl mal, Mädchen.“

Shannon berichtete ihm alles. Sie war sicher, dass sie ihm vertrauen konnte und er vertraute auch ihr. Wie eine Räuberin, die unschuldige Gaukler überfiel, sah sie bei Leibe nicht aus. Das sah auch der Mann, den Shannon zwischenzeitlich als den Theaterdirektor Namens Ticione identifiziert hatte. So kamen Shannon und Joran tatsächlich bei den Gauklern unter, was sie nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken hatten, dass Shannon einen irischen Gassenhauer nach dem anderen herausgeschmettert hatte und Ticione damit auf künstlerische Art sehr imponiert hatte. Durch Joran fühlten sich die Gaukler sehr beschützt, was bei seiner Statur kein Wunder war. Besonders Piccolina, die 4-jährige Tochter Ticiones, sah zu ihm auf.

Sytanias Gesichtsausdruck verfinsterte sich, als Telzan ihren Audienzsaal betrat. Die Prinzessin ahnte wohl schon, dass der Plan, Valora zu töten, in die Hose gegangen war. „Es tut mir Leid, Milady.“, begann der immer noch arg gebeutelte Vendar. „Valora lebt. Der Verräter hat ihren Geist. Wenn Ihr mir das Geistwesen jetzt schon geben könntet, könnte ich aber dafür sorgen, dass es trotzdem ein Einhorn gibt, das auf unserer Seite ist. Valora ist verletzt. Außerdem müssen sie einen neuen Körper für sie finden. Den eigentlichen habe ich einem Schlachter in einem Dorf verkauft. Der macht daraus Pferdefleisch. Wird kein dummer Bauer merken, den Unterschied.“ Er lachte gemein auf. „Ich sehe, Telzan.“, setzte Sytania an. „Du hast unsere Niederlage abgefedert. Deshalb sollst du auch haben, wonach du verlangt hast. Berühre meine Schläfen.“ Das tat Telzan auch und holte sich somit Sytanias Schöpfung. „Wenn es sein muss.“, begann er. „Werde ich das Fütterungsritual mehrmals am Tag durchführen.“, sagte er, nachdem die Übertragung abgeschlossen war. „Das musst du nicht. Ich sorge schon für alles.“, entgegnete Sytania. Dann nahm sie den Kontaktkelch zur Hand. „Wollen doch mal sehen, was mein anderer Plan macht.“, grinste sie. Durch den Kelch sah Sytania, dass Caruso Scotty auf Schritt und Tritt folgte. Sie sah auch sein Halsband. „Oh, nein!“, rief sie aus. „Ich hasse Mitwisser. Aber der Katze werde ich nichts tun. Eher ihrem Besitzer. Ich kann zwar direkt auf Androiden keinen Einfluss ausüben, aber ein Keshmek schon. Telzan, hole deines und gib es mir.“

Ein Keshmek ist eine Mikrosonde, die einen Kristall enthält, in den Mächtige telekinetische Befehle einspeisen können. Trifft das Keshmek auf sein Opfer, wird der Befehl ausgelöst. Der Kristall bleibt im Opfer und die Sonde entkoppelt sich. Dann fliegt sie in die Heimat zurück. Das Wort Keshmek bedeutet im Vendarischen übrigens: verwunschenes Schwert.

Ich verstand in der Zwischenzeit die Welt nicht mehr. IDUSA, der Stationsrechner, hatte mir ein Gespräch von der Sternenflotte durchgestellt. Am anderen Ende der Verbindung waren Agent Hilda Schrodinger und ihr Kollege, Agent Pedro Hernandes. „Wir müssen Sie vernehmen.“, begann Schrodinger. „Es geht um das, was dieser Tindaraner Ihnen angetan hat.“ Ihre Stimme war sehr mütterlich. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.“, sagte ich. „Meine Partnerin meint, dass Sie von Shimar vergewaltigt worden seien. Aber ich glaube das nicht. Ein Opfer verhält sich ganz anders als Sie, Allrounder. Ich habe ja die Vermutung, dass Sytania irgendwas hiermit zu tun hat. Diese Amante del diablo versucht wahrscheinlich, Ihnen das einzureden oder dafür zu sorgen, dass alle Welt glaubt, dass unsere neuen Freunde …“ „Pedro.“, fiel ihm seine Kollegin ins Wort. „Das ist mal wieder typisch Mann …“ „Allrounder Betsy, Oiga, ich meine, hören Sie mir zu. Ich bin auf Ihrer …“

Mir reichte es. Mir reichte es definitiv. „Sie wollte mich aus irgendeinem Grund unbedingt zum Opfer machen. Aber ich war kein Opfer und das würde sie jetzt lernen. Listig sagte ich: „Na schön, Agent Schrodinger. Ich gebe es zu. Ich weiß, dass alle Opfer zunächst bei sich die Schuld suchen und es gibt Dinge, die eine Frau lieber mit einer Frau allein bespricht. Also, würden Sie, Agent Hernandes, bitte den Hörer aus dem Ohr nehmen?“ Ihn wollte ich mit dem, was ich zu tun beabsichtigte, ja nicht treffen. Er war ja auf meiner Seite.

„Gut.“, sagte ich nach einer Weile. „Jetzt sage ich Ihnen, wie es war.“ Schrodinger lauschte erwartungsvoll. Statt einer Aussage kam aber nur eine heftige Rückkopplung, die ich mit Hilfe des Mikrofons und des Lautsprechers verursachte. Als gelernte Kommunikationsoffizierin wusste ich ja, wie so etwas geht. Zwar hatten wir das eigentlich gelernt, um eben so etwas zu vermeiden, aber, jeden Prozess kann man umkehren.

Schreiend riss sie sich den Ohrhörer heraus. „Ich wünsche einen angenehmen Hörsturz, Ma’am!“, schrie ich ins Mikrofon. „Wer mich jetzt noch für ein Opfer hält, bitte vortreten. Ja, es stimmt, ich, Allrounder Betsy, ging fremd mit Shimar vom Planeten Tindara und hatte noch Spaß dabei.“ Dann drückte ich wütend die 88-Taste. Was war da bloß passiert? Warum wollte man mich unbedingt zum Opfer stempeln?

IDUSA war inzwischen auch wieder in der heimatlichen Dimension angekommen und schleppte sich mühsam durch das Universum der Tindaraner. Zu nah an der Basis durfte sie aus physikalischen Gründen nicht aus dem Interdimensionsmodus gehen. Das wusste das Schiff. Aber mit einer Spule zu fliegen, das war unmöglich. IDUSA vermied Sonnensysteme. Sie wusste, dass sie dort leicht ins Trudeln kommen konnte und ohne einen biologischen Piloten mit Bauchgefühl abstürzen würde.

Tibar und seine Truppe waren in der Nähe auf Patrouille, als IDUSA dann doch einen Notruf absetzte. Sie dachte zwar, dass er ihr nicht helfen würde, denn sie vermutete, er würde die Schlappe von neulich noch nicht weg gesteckt haben, aber weit gefehlt. IDUSA bemerkte den Traktorstrahl seines Schiffes und SITCHte ihn an. „Warum helfen Sie mir, Commander Tibar?“, fragte sie irritiert. „Weil ich dir und deinem Commander längst vergeben habe, IDUSA-Einheit.“, kam es freundlich zurück. „Man sollte eben nicht auf 18-jährige Rotzlöffel hören, die sich zu wichtig nehmen. War mein Fehler. Zirells kalte Dusche war da ganz richtig am Platz. Sag ihr das. Ich schleppe dich jetzt zu deiner Basis. Wie heißt dein betreuender Techniker? Was ist dir überhaupt passiert? Wo ist deine Crew?“ IDUSA berichtete ihm alles.

Scotty war erwacht und hatte Caruso gesehen, der neben ihm auf dem Kissen saß. „Mieze.“, erschrak er, denn er hatte jetzt auch das Datum auf dem Display der Sprechanlage gesehen. „Was machst du hier? Wo ist der gestrige Tag? Oh, Gott.“ Sein Blick war auf die Zeitung gefallen, die immer automatisch vom Rechner herunter geladen wurde. Darin war auf Seite eins deutlich zu lesen: „Montgomery Scott entlarvt wahre tindaranische Absicht!“ Flüchtig las Scotty den Artikel und wurde leichenblass. Auch in den Nachrichten strahlte ihm sein eigenes Bild entgegen, wie er fröhlich lügend ein Interview nach dem anderen gab. Und sogar im Sternenflottenhauptquartier gab es einen SITCH mit den gleichen Lügen. Scotty nahm Caruso verzweifelt auf den Arm. „Oh, Mann, Mieze, was habe ich da gemacht? Warum erinnere ich mich an kein verdammtes Wort? Hilf mir!“ Caruso versuchte, ihn durch Schnurren zu trösten. Aber ohne Erfolg. Scotty ließ ihn wieder herunter und Caruso ging in Richtung Tür. „Das ist eine gute Idee, Mieze.“, sagte Scotty. „Erst mal frische Luft. Frische Luft.“

Für Ticione, seine Frau Rumbanella und die gesamte Schauspieltruppe waren Joran und Shannon ein großer Gewinn. Joran machte sich hier und da nützlich und Shannon wurde als Sängerin beschäftigt. Aber auch bezüglich Valoras Geist in Jorans Sifa gab es gute Nachrichten. Durch das gemeinsame Fütterungsritual ging es ihr besser und besser und Joran brauchte bald Shannons Hilfe nicht mehr.

Eines Tages holte Ticione alle zusammen. „Hört mal her.“, begann er. „Demnächst werden wir in Logars Schloss auftreten. Rumbanella und ich haben ein Stück ersonnen, das auf einem Witz gründet, den neulich ein Bauer am Stammtisch in einer Dorfkneipe gemacht hat. Er hat gesagt, dass sich Sytanias oberster Vendar neuerdings mit griechischen Dichtern im Ehebett messen muss. Daraus haben wir ein satirisches Stück gemacht und wollen nun die Rollen verteilen. Shannon, du singst die Erzählerrolle. Joran, du könntest deinen eigenen Widersacher spielen, wenn du Lust hast. Du würdest ihn sicher gern einmal verulken.“ „In der Tat.“, nahm Joran an und lachte sich halb scheckig. Piccolina trat vor. „Darf ich Sytania sein?“, fragte sie mit einem wichtigen Gesicht. Rumbanella und Ticione sahen sich an. „Warum nicht?“, fragte die rothaarige und eher figürlich einer typischen Rubens-Dame ähnelnde Schaustellerin ihren Mann. „Schließlich ist es eine Satire und da kann man die große Sytania auch mal von einem Kleinkind spielen lassen. Es wäre zwar ihre erste Erfahrung auf der Bühne, aber irgendwann muss sie ja mal anfangen.“ „Wie Recht du hast, meine Rumbanella.“, zwitscherte Ticione.

Sytania und Telzan hatten ihren Plan, der Einhornherde eine Führung zu geben, die auf ihrer Seite war, inzwischen vollständig umgesetzt. Sytania hatte die Entwicklung des Geistwesens in Telzans Sifa so stark beschleunigt, dass es bereits nach einigen Tagen ins Gehirn eines armen Pferdes gepflanzt wurde. Dann verpasste es mittels seiner Fähigkeiten dem armen Tier ein Telepathiezentrum und machte sich zu seiner Herde auf. „Ich hätte einen Vorschlag, wie wir herausbekommen können, ob die Einhörner jetzt wirklich auf unserer Seite sind.“, sagte Telzan zufrieden. „Schieß los.“, antwortete Sytania. „Überfallt den Palast Eures Vaters. Wenn er dann, unwissend wie er ist, die Einhörner zur Hilfe ruft, wird er sich schwer wundern. Außerdem schlagen wir so zwei Fliegen mit einer Klappe. Euer Vater ist demoralisiert und die Sternenflotte oder die Tindaraner hätten keine funktionsfähige Etappenbasis, falls sie ein Team schicken, das nach dem Rechten sehen soll. Übrigens war es mir eine große Freude, Eure Schöpfung zu tragen. Ihre und meine geistige Energie haben so gut harmoniert, dass mir das Fütterungsritual leicht wie nie von der Hand ging.“ „Das freut mich.“, grinste Sytania und schickte nach ihrem General, um mit ihm den Überfall auf Logar zu besprechen.

Auf Piccolinas Wunsch hatte Joran begonnen, ihr das Kutschieren beizubringen. Mit den beiden lammfrommen Pferdchen, die den Wagen ihrer Familie zogen, war das ja kein Problem. Plötzlich spürte er, wie die Kleine sich angstvoll an ihn kuschelte. „Was ist dir, Piccolina?“, fragte Joran und übernahm die Zügel selbst wieder, denn er hatte die Befürchtung, dass sich die Angst des Mädchens auf die Pferde übertragen könnte. So weit, sie selbst beruhigen zu können, war Piccolina noch nicht. „Wird Logar nicht böse, wenn wir seine Tochter verhöhnen?“, fragte Piccolina. „In der Tat nicht.“, tröstete Joran. „Weißt du, das ist nicht so wie bei deinem Vater und dir. Logar und Sytania sind Feinde. Sie sind zwar Vater und Tochter, aber sie sind beide schon erwachsen. Manchmal kommt es vor, dass aus Vater und Tochter dann Feinde werden können.“ Piccolina atmete erleichtert auf.

Caruso hatte Scotty jetzt schon fast durch die ganze Stadt geführt. „Wo willst du denn mit mir hin, Mieze?“, fragte Scotty. Sie waren schon im Captainsviertel am Janeway Place angekommen und standen jetzt vor dem Haus der Handersons. Auch Data hatte sich von seinem Haus aus aufgemacht. Erleichtert nahm Scotty zur Kenntnis, dass er auf ihn zu kam. „Hallo, Mr. Scott.“, begrüßte der Android ihn. „Data, alter Knabe.“, gab Scotty zurück und beobachtete, wie Caruso vertrauensvoll auf Datas Arm Platz nahm. „Die Mieze gehört also Ihnen.“, stellte Scotty fest. „Er heißt Caruso und wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie ihn nicht ständig Mieze nennen würden.“, erwiderte Data. Scotty kraulte Carusos Kinn und sagte: „Dann entschuldige, Mi … ääähh Caruso.“

Scotty war auf ein Geräusch aufmerksam geworden und schaute nach oben. Er sah etwas, das wie ein großes Insekt aussah und sich schnell Data näherte. „Deckung, alter Knabe!“, rief er, aber es war zu spät. Das Ding hatte Data erreicht und gestochen. Scotty musste Caruso auffangen, denn Data hatte jegliche Kontrolle über seine Motorik verloren. Mit einem lauten Krach fiel er vor Scotty hin.

Scotty wusste nicht, wem er zuerst helfen sollte. Er setzte den zitternden und laut jammernden Caruso vorsichtig ab. „Ist ja gut, Caruso.“, versuchte er, ihn zu beruhigen. „Wenn ich mit deinem Herrchen fertig bin, kommt alles wieder in Ordnung.“

Er beugte sich über Data und sah ihn sich genau an. Dabei bemerkte er die Sonde, die sich gerade von ihrem Stachel löste. Mit festem Griff packte er sie und schlug sie so fest auf die Straße, dass ihr Antriebsmodul zerbrach. „So, Freundchen, dir habe ich erst mal die Flügel gestutzt.“, sagte Scotty. „Und was du mit Data gemacht hast, kriege ich auch noch raus. Insekt, pah, du magst zwar so aussehen, aber, der Blitz soll mich beim Scheißen treffen, wenn du wirklich eines bist.“

Klein David war durch den Krach aufmerksam geworden und vor das Haus getreten. Als der Junge Data sah, rollten ihm dicke Tränen über die Wangen. „Kriegen Sie ihn wieder Hin, Mr.?“, weinte David. „Bitte, Sie müssen ihn wieder hinkriegen, er ist mein Freund.“

Auch Davids Eltern kamen jetzt aus der Tür. Scotty erbat sich Techniker Handersons Hilfe und die beiden brachten Data ins Haus. Mrs. Handerson kümmerte sich um den völlig geschockten Caruso.

„Ist deine Frau nicht auch Ärztin, Kollege.“, wendete sich Scotty an Mr. Handerson. „Ja.“, erwiderte dieser. „Warum?“ „Die sollte mich mal untersuchen. Ich hab’ wohl im umnachteten Kopf ziemlichen Mist gebaut.“, gab Scotty zu. „Dann sage ich ihr am Besten gleich Bescheid.“, sagte Mr. Handerson und meinte angesichts der chaotischen Bilder auf seinem technischen Erfasser: „Das ist wohl das einzige, was wir tun können. Mit Data kommen wir nicht weiter.“ „Ich wüsste jemanden, die uns helfen könnte.“, entgegnete Scotty. „Kann ich dein Sprechgerät benutzen?“ Techniker Handerson nickte.

Ich hatte Shimar beim mentalen Training zugesehen. Seine Aufgabe war es, ein Bild in seinem Geist aufzubauen. IDUSA sendete dann ein Störsignal über den Neurokoppler, das ihn irgendwann zwang, das Bild zusammen brechen zu lassen, weil er sich nicht mehr konzentrieren konnte. IDUSA nahm die Zeit bis dahin. „Sie haben sich schon enorm gesteigert, Shimar.“, stellte der Rechner fest. „Gestern waren es noch durchschnittlich 10 Minuten, heute sind es schon 20. Den Rekord hält zwar immer noch Nidell mit 30 Minuten, Aber das heißt ja nichts.“ Da IDUSA auch meine Reaktionstabelle geladen hatte, konnte auch ich hören, was sie sagte. „Nidell.“, staunte ich. „Hätte ich ihr nicht zugetraut.“

Plötzlich löschte IDUSA Shimars Tabelle und sagte zu mir: „Ich habe eine Verbindung für Sie, Allrounder.“ „Wer ist es?“, wollte ich wissen, denn ich hatte keine Lust, schon wieder von irgendeinem Geheimdienstler belästigt zu werden, der mir eine Opferrolle in den Mund legen wollte. „Unbekanntes Rufzeichen.“, entgegnete der Rechner. „Aber ich kann die Stimme identifizieren. Sie gehört Ihrem Mann. Außerdem muss ich Sie warnen. Laut Frequenzschema seiner Stimme ist er panisch.“ Mir lief es eiskalt den Rücken herunter. „Verbinde, IDUSA!“, befahl ich alarmiert. „Sofort!“ „Betsy, Oh, Gott, es ist alles meine Schuld! Hilf mir!“, hörte ich Scotty sagen. „Ganz ruhig.“, versuchte ich seine Wortflut einzudämmen. „Was ist los?“ „Krieg!“, entgegnete er. „Es gibt bald Krieg! Ich hab’ wohl im umnachteten Kopf ’ne Menge Scheiße über die Tindaraner erzählt und jeder Schwanz von der Regierung hat mir geglaubt! Oh, Gott, Betsy! Data ist von irgendwas getroffen worden! Wahrscheinlich, weil er alles gesehen hat! Hol’ mir Techniker Mc’Knight! Nein, besser, hol’ uns irgendwie ab! Auf der Tindaranerbasis habt ihr doch ganz andere Möglichkeiten! Rede mit Zirell! Bitte, schnell!“

Ich fiel Shimar zitternd um den Hals. Meine Gedanken waren für ihn jetzt ein offenes Buch, aber das machte mir nichts. „Oh, je, Kleines. Dein armer Mann. Komm, wir gehen zu Zirell.“

Auf Lancelot, ihrem schwarzen Hengst, ritt Sytania selbst ihren Truppen voran. Im Gegensatz zu ihren Soldaten trug sie keine Rüstung, da sie für normale Pfeile, Schwerter und Speere als Mächtige ja unverwundbar war. „Vorwärts, Männer!“, keifte sie ihren Soldaten zu. „Der Sieg wird unser sein!“

Leider hatte sie damit nun ganz und gar nicht Unrecht. Durch den Führungswechsel bei den Einhörnern hatten sich auch alle Machtverhältnisse im Dunklen Imperium zu Sytanias Gunsten umgekehrt. Das schien aber König Logar noch nicht begriffen zu haben, als er seiner Tochter auf Kipana, seiner Lieblingsstute mit schwarzem Fell und einer weißen Blässe entgegenkam. Kipana war das Intelligenteste unter Logars Pferden. Sie lernte am Schnellsten, wenn man ihr etwas beibringen wollte, spürte aber auch als erste, wenn etwas nicht stimmte. Das war auch heute der Fall. Vergeblich hatte sie versucht, ihre Menschen auf den Missstand aufmerksam zu machen. Jetzt stand sie mit weit aufgerissenen Augen da. Sytania kam immer näher und Kipanas Angst wurde schließlich so groß, dass sie Logar abwarf. Dann flüchtete sie zu dem einzigen Menschen, von dem sie noch Schutz erwarten konnte. Das war der kleine Argus, Logars Stallbursche. Auch der 10-jährige Junge mit zerschlissenen Hosen und ebensolchem Hemd und Schuhen hatte auch das Gefühl, dass hier etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Sonst hatten Logars Soldaten immer in jeder Schlacht gegen Sytania gesiegt. Jetzt war alles anders.

„Na, Vater.“, spottete Sytania. „Seid Ihr von Eurem eigenen treuen Ross verraten worden?“ „Schweig still, Tochter.“, gab der erboste König zurück. „Ich weiß nicht, was du getan hast, aber …“ „Ich?“, sagte Sytania mit unschuldigem Blick. „Was soll ich schon getan haben? Aber, wenn ihr wollt, dann ruft doch die Einhörner zu Eurem Schutze.“ „Wohlan, das werde ich!“, rief er aus und konzentrierte sich auf das Bild der Einhornherde.

Argus hatte Kipana auf eine Koppel weit vom Kampfplatz geführt. Er nahm ihr Sattelzeug und Rossharnisch ab. An ihrer schnellen Atmung, den schnorchelnden Lauten, die sie von sich gab, der angespannten Körperhaltung und dem Beben ihrer Nüstern konnte er gut sehen, was für eine große Angst sie haben musste. „Ich weiß doch auch nicht, was los ist.“, verzweifelte Argus. „Beruhige dich doch, meine Große. Ach, wäre doch nur Betsy oder jemand anderes von der Sternenflotte hier. Die könnten uns das sicher erklären.“

Die Einhörner waren inzwischen auf dem Schlachtfeld eingetroffen. Zum Schrecken von Logars Soldaten kämpften sie aber für Sytania. „Seht, Vater, der Sieg ist mein.“, krähte Sytania voller Verachtung. „Wenn ich Ihr wäre, würde ich mich ergeben, bevor ich Euch aus dem Schloss jage.“ „Nun gut, Tochter.“, lenkte Logar ein. „Ich weiß zwar nicht, was du getan hast, aber es ist wohl besser so. Zumindest, bis ich es herausgefunden habe.“ Dann rief er seinen Hornbläser. „Gib das Signal zum Rückzug!“, befahl er ihm. „Wie Ihr wünscht, Milord.“, erwiderte dieser ergeben.

Cupernica war im Haus der Handersons eingetroffen. Scientist Handerson hatte ihre Kollegin zur Verstärkung gerufen, da sie wusste, dass sie sich mit dem, was Scotty passiert war, am Besten auskannte. Die beiden Frauen Doktor hatten ihn jetzt quasi auf den Kopf gestellt, hatten aber leider kein Ergebnis. „So ein verdammter Scheiß!“, fluchte Scotty. „Aus mir können Sie wohl keine Beweise herausquetschen und der einzige Zeuge liegt in Techniker Handersons Werkstatt im Sterben …“ Er sprang auf, aber Cupernica verfrachtete ihn auf das Bett zurück. Als Androidin hatte sie ja durchaus die Reflexe und die Stärke dazu. „Sie sind unfair, Lady.“, kommentierte Scotty seine Situation. „Die Meinung werden Sie ganz schnell ändern, wenn wir durch die letzte Untersuchungsmethode, die uns noch bleibt, Energiereste gefunden haben, die nicht Ihre sind. Das Pikante an der Situation ist, dass Sie 24 Stunden geschlafen haben und somit die Halbwertzeit von telepathischer Energie längst überschritten ist. Aber mit einem Resonanzscan könnte es sein, dass wir noch etwas finden. Dafür brauchen wir aber Ihre aktive Mithilfe.“, referierte Cupernica. „Wie denn?“, fragte Scotty genervt. „Wir werden Ihnen jetzt einen Gegenstand vor die Augen halten. Dann möchten wir, dass Sie sich so stark darauf konzentrieren wie Sie können. Dadurch sammeln Sie all Ihre geistige Energie in Ihrem visuellen Zentrum. Alles, was sich dann in den übrigen Zentren befindet, kann also nicht von Ihnen sein. Das tun wir umschichtig mit allen Zentren. Zusätzlich werde ich eine Nasalsonde benutzen, damit wir näher an Ihrem Gehirn scannen können und nicht erst durch den Schädelknochen müssen. Diana, würdest du?“

Scientist Handerson reichte ihrer Kollegin ein längliches Teil aus deren Arztkoffer, das diese an ihren Erfasser anschloss. Dann schob sie Scotty den Gegenstand in die Nase bis zur Stirnhöhle. „Ich bin drin.“, sagte sie nüchtern. Handerson schnappte sich jetzt eine Tasse aus ihrem Schrank. „Schauen Sie auf die Tasse, Mr. Scott.“, forderte sie. „Ganz fest auf das Bild konzentrieren. Ganz fest.“ Scotty tat, was sie ihm gesagt hatte. Nach einer knappen Minute ordnete Cupernica an: „Stimulation des Audio-Kortex. Nehmen Sie irgendeine Tonquelle.“ „Himmel Arsch und Warbkernbruch!“, äußerte sich Scotty extrem unwillig. „Glauben Sie echt, dass das noch was bringt? Diese Resonanzsache ist verdammt anstrengend und am Ende kommt doch nichts dabei heraus!“ Cupernica und ihre Kollegin sahen ihn streng an. „Ich weiß.“, resignierte er. „Nicht lamentieren, konzentrieren.“

Viele Minuten verstrichen ohne Ergebnis. Cupernica befreite Scotty schließlich von der Nasalsonde und gab zu: „Sie hatten Recht, Scotty. Es ist einfach zu lange her.“ „Dann muss ich jetzt schnell zu meinem Kollegen und unserem einzigen Zeugen zurück.“ Sagte Scotty. „Vielleicht können wir ihn zumindest noch retten.“ Handerson und Cupernica nickten.

Shimar und ich hatten Zirell und Maron alles berichtet. Der Demetaner war blass geworden. „Was ist los, Maron?“, erkundigte sich Zirell. „Troja.“, stammelte Maron. „Ich spreche kein Demetanisch.“, gab Zirell scherzend zurück. „Sir.“, wandte ich mich an den Agent. „Bitte um Erlaubnis, es selbst erklären zu dürfen.“ „Erteilt, Allrounder.“, gab Maron zurück. „Also, Zirell.“, begann ich. „Ein Mann begehrt eines anderen Mannes Frau. Der gehörnte Ehemann kriegt es raus und es gibt Krieg. Das ist der Inhalt der Sage von Troja. Die Sage war auf der Sonde, die die Sternenflotte als Köder an Sytania geschickt hat. Und …“ „Ach du liebe Zeit!“, rief Zirell aus. „Aber Scotty hat dir doch verziehen.“ „Ja.“, erwiderte ich. „Aber was ist, wenn Sytania, inspiriert durch die Sage, nachgeholfen hat.“ Zirell verzog erschrocken das Gesicht. „Joran hatte Recht. Sytania hat unsere vermeintliche Stärke, den Köder, auf den wir dachten, dass sie hereingefallen wäre, gegen uns benutzt.“, erklärte Maron.

Jenna betrat die Kommandozentrale und legte einen Energiekristall auf Marons Schreibtisch ab. „Was ist das, Mc’Knight?“, erkundigte sich der erste Offizier und Geheimagent. „Der Kristall aus IDUSAs Generator für die Rosannium-Waffe, Sir. Sie hatten mir doch befohlen, heraus zu bekommen, warum sie die Waffe nicht aktivieren konnte. Hier ist mein Ergebnis.“ Sie zog ihren technischen Erfasser und legte ihn neben den Kristall. „Ich kann Ihr Fachchinesisch nicht interpretieren, Jenna.“, muffelte Maron. „Na schön.“, sagte sie und nahm das Gerät wieder an sich. „Der Kristall ist chemisch instabil. Der hätte kein einziges Millyvolt an Energie abgegeben, wenn ihr mich fragt. So etwas hätte ich aber nie eingebaut. Das kann höchstens auf der Werft passiert sein.“ „Nurell.“, stöhnte Maron. „Joran hatte schon wieder Recht.“

„Ich höre schon wieder diese Vulkanier.“, machte Zirell einen Scherz, um die gedrückte Stimmung ein Bisschen aufzulockern. „Die glauben doch ohnehin, dass die Liebe das teuflischste aller Gefühle sei. Sie werden jetzt darauf drängen, dass sie per Gesetz abgeschafft wird.“ „Soweit ich weiß, gab es dazu einen Vorstoß von den Xylianern.“, schlug ich in Zirells Kerbe. „Die wollten vorschlagen, dass die Nervenbahnen bei den Spitzohren schon gleich nach der Geburt mittels eines chirurgischen Phasers getrennt werden. Allerdings hätte das auch zur Folge, dass bestimmte Gefühlsgesteuerte Dinge, auch alle sieben Jahre, nicht mehr funktionieren würden und die Rasse dann ausstürbe. Ich meine damit, dass die Vulkan-Männer auch alle sieben Jahre keinen mehr hoch …“ „Allrounder!“, entgegnete Maron ob meines Witzes. „Sie ist eben nicht nur Miss superbrav.“, stellte sich Zirell auf meine Seite.

„Wie helfen wir denn jetzt Mr. Scott?“, fragte Maron schließlich. „Tindara wird bei der Föderation bereits als Feind eingestuft. IDUSA würden sie erkennen.“ „Aber Tabrans Schiff nicht.“, erwiderte ich. „Und mich würden sie auch nicht erkennen, wenn ich wie eine Vendar-Novizin aussehe.“ Damit ging ich wortlos aus der Tür.

Mein Weg hatte mich zu Shiranachs und Tabrans Quartier geführt. Ich hatte den Vendar auseinandergesetzt, was ich plante. „Ich bin einverstanden.“, erwiderte Tabran. „Aber du müsstest wie eine extrem junge Novizin aussehen, beinahe wie ein Kind.“, überlegte Shiranach, als sie mich genauer gemustert hatte. „Für eine Vendar bist du nämlich wirklich klein.“ „Macht nix.“, erwiderte ich mit kindlich verstellter Stimme. Da ich auch Laienschauspielerin war, war dies für mich kein Problem. “Meine alten Ohren mögen mich täuschen.“, staunte Tabran. „Aber das klang verdammt echt.“ „Tja.“, machte ich. „Wer kann, die kann.“

„Jetzt werden wir an deinem Aussehen arbeiten.“, übernahm Shiranach das Heft. „Bitte begleite mich ins Schlafzimmer.“ Ich folgte ihr und ihrer Anweisung. Shiranach ging zum Replikator und sagte nur zu mir: „Zieh dich schon mal aus.“ Vertrauensvoll tat ich auch das.

Sie kam mit einem Anzug zurück, der ganz aus künstlichem Vendar-Fell bestand. Aber es war nicht nur ein Anzug. Er war dehnbar wie eine zweite Haut. Außerdem gab es einen Chip, der falsche vendarische Biozeichen aussandte. In die Mütze war eine Gesichtsmaske integriert. Ich zog den Anzug an. Obwohl er hauteng anlag, hatte ich nicht das Gefühl, eingeschnürt zu sein. Darüber zog ich noch die traditionelle Kleidung einer Vendar-Novizin. So gingen wir in die Zentrale zurück.

„Ach, wie siehst du denn aus?!“, rief Zirell aus. Maron nahm seinen Erfasser und scannte mich. Dann schlug er sich vor Begeisterung auf die Schenkel. „Nein so was. Ich ziehe mich gleich aus und tanze auf dem Tisch vor Begeisterung! Ich kann einstellen, was ich will, der Erfasser hält Sie tatsächlich für eine Vendar-Jugendliche, Allrounder. Das hätte unser Geheimdienst nicht besser hingekriegt!“ „Welches Stück soll ich denn zu Ihrer Begleitung singen, Sir.“, witzelte ich. „Auswendig kann ich einiges.“ „Wie wäre es mit: Ich gehe auf Mission, nach der Melodie: Sytanias Sieg wird verhindert. Mc’Knight, machen Sie Tabrans Schiff startklar!“ Jenna nickte und begleitete Tabran und mich zur Shuttlerampe.

 

Schadensbegrenzung

von Visitor

Sytania feierte inzwischen ihren Sieg über Logar. Neben ihrem Weinkelch hatte sie aber jeder Zeit den Kontaktkelch stehen, über den sie die Geschicke in den anderen Dimensionen sehr gut beobachten konnte. Hier sah sie jetzt auch uns, entschied sich aber für folgende Strategie: „Ich will sie gern nach Terra lassen, aber, ob ich sie wieder weg lasse, das ist die zweite Frage. Schließlich darf der Mitwisser Data niemals die tindaranische Basis erreichen.“ Sie schickte nach Telzan und diesen mit einem Schlachtkreuzer hinter uns her.

„Nenn mich Lynnach.“, bot ich Tabran an. „Warum hast du dir gerade diesen Namen ausgesucht, Allrounder Betsy.“, wollte der Vendar wissen. „Sytania hat ihn meines Wissens einmal verwendet, um Joran hinters Licht zu führen. Es ist doch nur recht und billig, wenn ich ihn jetzt verwende, um …“ „Ich verstehe.“, lachte er.

„Ihr geltet als neutral.“, stellte ich fest. „In der Tat.“, erwiderte Tabran. „Weil wir nicht nur den Tindaranern, sondern auch föderationsnahen Mächtigen wie Dill oder Logar dienen können, Lynnach.“ Ich grinste.

Den Interdimensionsflug hatten wir hinter uns gebracht. „Du hast wirklich ein Talent, alles zu fliegen, das einen Antrieb hat.“, lobte mich Tabran, weil er nicht gedacht hatte, dass ich so gut mit einem fremden Schiff zurecht kommen würde. „Geschenkt.“, entgegnete ich. „Die terranische Atmosphäre wird voller Transporterscrambler sein.“, erklärte ich. „Schließlich sind wir in einer Art Vorkriegszustand.“ „Dann werden wir eben landen.“, sagte er. „Aber ich werde übernehmen. Im Sinkflug ist sie etwas temperamentvoll.“ „Gut.“, sagte ich und ließ die Steuerelemente los. „Ach, Tabran, sag mir doch noch ein paar Vendar-Begriffe. Ich will Scotty etwas veralbern.“ „Welche Begriffe willst du wissen?“, fragte er. „Nur den für Terraner und für Android.“, erwiderte ich. Dann lokalisierten wir Scotty und landeten im Vorgarten.

Techniker Handerson und Scotty standen neben Data, der vor ihnen auf der Werkbank lag. Er war an Handersons Pad angeschlossen. „Er wird sterben, Scotty.“, sagte der betazoide Techniker leise. „Davon will ich nichts hören!“, blaffte Scotty zurück. „Verdammt noch mal, Tem, reiß dich zusammen! Uns muss etwas einfallen! Mach doch mal …“ Er schrak zusammen, denn eine kleine Fellhand hatte ihn im Nacken gepackt. Eine zweite, weitaus größere, drehte seinen Kopf herum. Dann sagte eine weibliche Stimme: „Halt still, Tarian. Gib uns nur den Misharan heraus. Dann geschieht dir nichts.“ Scotty stand da wie versteinert. Meine Stimme hatte ich dieses Mal mit Absicht nicht verstellt, denn ich wollte ihn zwar mit den fremden Begriffen narren, ihm aber gleichzeitig die Chance geben, mich zu erkennen. „Schweig still, Novizin.“, stieg Tabran in mein Spiel ein. „Siehst du nicht, dass du ihn ängstigst?“ „Ich machte ein respektvolles Gesicht und erwiderte: „Vergib mir, Ausbilder.“

Nach einer ganzen Weile, die mir wie eine Ewigkeit erschien, erkannte Scotty mich endlich. „Betsy, Darling, wie siehst du denn aus? Und wer ist der Großvater da an deiner Seite? Shimar hatte ich mir ganz anders vorgestellt.“ Ich musste lachen. „Mein Name ist Tabran.“, stellte dieser sich vor. „Noch einer?!“, scherzte Scotty. „Du treibst es aber wild!“ „Da kann man mal sehen, nich’?“, scherzte ich zurück. „Wir sind nicht …“, wollte Tabran erklären, aber Scotty wiegelte ab: „Ein Spaß. Nur ein Scherz. Aber jetzt sollten wir uns um Data kümmern. Los, Großvater, fassen Sie mit an.“ Tabran gab mir den Schaltschlüssel und sagte: „Geh vor und starte den Antrieb, Allrounder Betsy.“ „OK.“, sagte ich und war aus der Schuppentür.

Data hatten wir hinten im Shuttle verstaut. Scotty war es gelungen, ihn zumindest auf dem Level aufrecht zu halten, auf dem er jetzt war. Er würde ihn so Jenna übergeben. Sie würde sicher wissen, was zu tun wäre.

Plötzlich wurde das Schiff von Erschütterungen getroffen. „Was war das?“, erkundigte ich mich. „Laut Sensoren werden wir von einem Vendar-Schlachtkreuzer verfolgt, der auf uns …“ Tabran konnte nicht weiter reden, denn im nächsten Augenblick traf uns eine weitere Erschütterung. Am brutzelnden Geräusch hörte ich, dass einige Leitungen getroffen worden sein mussten.

Serdan, der mit Telzan auf der Brücke des Schlachtkreuzers war und diesen auch flog, lachte hämisch auf. „Gleich haben wir sie, Anführer. Das kann ja auch nicht gut gehen. Eine blinde Frau und ein alter Mann. Wie wollen die uns entkommen?“ „Recht hast du.“, erwiderte Telzan. „Bleib dran an ihnen.“ „Kein Kunststück.“, erwiderte der Jugendliche und fügte noch hinzu: „Die verliert sogar meine 3-jährige Schwester nicht.“

Tabran tippte nervös auf dem Waffenpult herum. „Ich kann uns nicht verteidigen.“, gestand er mir. „Ich weiß nicht, worauf ich schieße.“ „Was meinst du damit?“, wollte ich wissen. „Werde mal etwas konkreter.“ „Die Sensoren sind offline. Ich sehe auf dem Schirm nichts.“ Ich betätigte die Bordsprechanlage: „Scotty, hilf uns!“ „Bin schon dabei, Kleines. Mal sehen, was ich basteln kann.“, kam es zurück. „Kann ich dir irgendwie …“ Er drückte die Break-Taste und sagte: „Ich komme klar, Darling. Hilf du weiter Tabran!“ Der hatte gut Reden! Wie sollte ich das machen?

Tabran hatte auf Sicht auf das Schiff geschossen, es aber nicht getroffen. „Ich verstehe das nicht.“, sagte er. „Ich habe auf das Bild geschossen, was ich gesehen habe, aber das Schiff ist immer noch unversehrt. „Wo war das Schiff, auf das du geschossen hast?“, fragte ich. „Dirigiere mich bitte hin.“ „Wozu ist das wichtig?“, fragte er. „Vertrau mir.“, sagte ich ruhig. „Und, dreh die Trägheitsdämpfer auf null.“ Er wusste zwar nicht, was ich wollte, aber er vertraute mir.

Wir waren an der Stelle angekommen. Ich achtete auf jede Bewegung unseres kleinen Shuttles. „Hier kann kein Schiff gewesen sein.“, stellte ich fest. „Du hast auf eine Lichtprojektion geschossen. Aber ich weiß, wie wir das echte Schiff auch ohne Sensoren finden.“ Damit drehte ich uns langsam herum. Dabei achtete ich erneut auf jede Schiffsbewegung. Plötzlich spürte ich, dass unser Shuttle auf und ab hüpfte. Ich schaltete auf Geradeausflug um und die Sprünge wurden stärker. „Wenn ich sage, Tabran, feuerst du aus allen Rohren einfach geradeaus.“, sagte ich respektvoll aber bestimmt. „Jetzt! Jetzt! Jetzt!“

Es gab eine letzte große Erschütterung und dann sah Tabran nur noch einige Punkte, die sich von dem Wrack des Schlachtkreuzers entfernten. „Rettungskapseln.“, erklärte er. „Aber jetzt sag mir, wie hast du …“ „Ganz einfach.“, erklärte ich. „Was hinterlässt denn ein Schiff im Weltraum beim Fliegen, he?“, dozierte ich. „Energiesignaturen.“, antwortete er. „Und, ist der Weltraum dort glatt, wo die sind?“, fragte ich weiter in einem Verhörton, bei dem sogar ein Geheimagent neidisch werden konnte. „Nein.“, sagte er. „Aber …“ „Kein Aber.“, schnitt ich ihm das Wort ab. „Hör zu. Wenn ein Schiff über diese Signaturen fliegt, hüpft es wie ein Hase. Davon merken wir an sich nichts, wegen der Trägheitsdämpfer. Aber, wenn die auf null sind …“ „Verstehe.“, lachte Tabran stolz. „Darauf wäre ich nie gekommen.“, gab er zu. „Ich verlasse mich eben zu sehr auf meine Augen.“

„Ist alles klar da vorn?“, meldete sich Scotty über die Bordsprechanlage. „Alles gut, Scotty von Taria.“, antwortete Tabran. „Das haben wir nur Betsy zu verdanken. Deine Frau ist eine listenreiche Kriegerin. Ich sage nur so viel. In der Dunkelheit ist der Blinde König.“ „Wäre interessant herauszufinden, was du damit meinst.“, entgegnete Scotty. „Sie wird es dir sicher erzählen.“, versuchte Tabran, seine Neugier zu lindern.

Maron hatte die geheimdienstliche Stilllegung IDUSAs aufgehoben, nachdem Jenna den Kristall ausgetauscht hatte und man den beschädigten nach Tindara geschickt hatte. Dort hatte man auf dem sabotierten Kristall Nurells persönliche DNS gefunden, was zu ihrer Verhaftung wegen Sabotage geführt hatte. Im geheimdienstlichen Gefängnis sang sie dann wie ein Vögelchen, und zwar das wunderschöne Lied von der Zusammenarbeit mit Sytania, was ihr auch noch gleich Lebenslänglich wegen Hochverrat einbrachte. Zirell hatte Shimar nun trotz aller Risiken hinter Tabran und mir hergeschickt, da sie sich langsam Sorgen um uns machte.

Telzan und seine Leute waren zwischenzeitlich auch wieder in ihrer Kaserne eingetroffen und hatten das Schiff reparieren lassen. Arg gebeutelt war Telzan zu seiner Herrin gekrochen und hatte ihr von der Niederlage berichtet. „Was war das?!“, fragte Sytania wütend. „Ihr habt euch von einem alten Mann und einer blinden Frau besiegen lassen?! Was für Krieger seid ihr eigentlich, he?!“ Telzan wollte antworten, aber Sytania fuhr weiter fort: „Wage es nicht, dich zu rechtfertigen!“ Dann sah sie in den Kontaktkelch. „Vielleicht schafft ja die Föderation, was euch nicht vergönnt war.“, kommentierte sie die Bilder, die der Kelch ihr lieferte. „Was meint Ihr damit, Milady?“, fragte Telzan. „Nimm meine Hand, du Narr und schaue mit mir durch den Kelch.“, entgegnete die Prinzessin und griff mit ihren langen Spinnenfingern nach den seinen. „Ich sehe das Tindaranerschiff, Milady.“, stellte Telzan fest. „Genau.“, bestätigte Sytania. „Dieses Schiff ist im Begriff, ins Föderationsuniversum zu fliegen. Die Tindaraner sind aber mittlerweile, Dank dem lieben, lieben Scotty, die Feinde der Föderation. Betsy und Tabran werden nicht mehr sehr weit kommen und Shimar wird ihnen zur Hilfe eilen wollen. Die Föderation wird aber denken, er will sie entführen und dann werden sie das Feuer eröffnen. So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Tindaraner und sein Schiff werden in Rauch aufgehen und Betsy, Tabran, Scotty und Data gleich mit. Es gibt ja auch noch Querschläger.“ Sie kicherte wie eine Hexe.

„Wie haben Sie sich gedacht, dass wir Allrounder Betsy, Tabran und den Rest retten sollen, Shimar?“, erbat sich IDUSA Informationen. „Ganz einfach.“, gab Shimar zurück. „Wir lokalisieren sie aus dem Interdimensionalflug heraus, fliegen dann kurz in die Dimension und du aktivierst deinen Traktorstrahl. Du ziehst sie nahe genug an deine Hülle, dass sie mit uns auf unserem Interdimensionsfeld reiten können. Dann gehen wir in den Interdimensionsmodus zurück und fliegen nach Hause. Ich weiß, worauf du hinaus willst. Aber die Föderationskriegsschiffe werden uns erst bemerken, wenn es zu spät ist.“ „Hoffentlich haben Sie Recht.“, zweifelte IDUSA. „Warum sollte ich nicht Recht haben?“, fragte Shimar. „Die Föderation frisst, wenn auch nicht wissentlich, Sytania im Augenblick aus der Hand. Was ist, wenn sie nachhilft?“, erklärte IDUSA. „Oh, stimmt.“, räumte der tindaranische Pilot ein. „Daran habe ich nicht gedacht. Wahrscheinlich habe ich immer noch zu sehr das Gefühl, dass sie unsere Freunde sind.“ Er ermahnte sich auf Tindaranisch, besser auf der Hut zu sein. Dann befahl er IDUSA den Interdimensionsflug und nach uns zu suchen.

Bis kurz hinter die Grenze des terranischen Sonnensystems hielt die Sensorkonstruktion, die Scotty gebastelt hatte. Dann gab auch sie den Geist auf. „So kommen wir nicht nach Hause.“, stellte Tabran fest. „Ich kann uns zwar auf Sicht durch dieses Universum fliegen, aber ein Interdimensionsflug ist so unmöglich.“ „Was können wir denn jetzt nur tun?“, resignierte ich.

Ohne Vorwarnung tauchten plötzlich rund um uns Föderationskriegsschiffe auf. Aber Tabran bemerkte auch IDUSA. Dann wurden wir von Shimar gerufen. „Macht euch keine Sorgen. IDUSA und ich haben euch in null Komma nichts da …“ Seine Stimme verstummte. Das letzte Geräusch, das ich wahrnehmen konnte, erinnerte mich an das seltsame Knistern eines Sprechgerätes, wenn auf die Sendeantenne geschossen wird.“ „Warum verhindern die, dass Shimar mit uns redet?“, wollte Tabran von mir wissen. „Du kennst doch deine Kameraden.“ „Ja, die kenne ich.“, sagte ich. „Ich kenne sie sogar so gut, dass ich dir sagen kann, dass sie Shimar vielleicht sogar töten werden. Sie gehen davon aus, dass er uns entführen will. Für die ist er der Feind.“

Kaum hatte ich ausgesprochen, bemerkte ich, dass Tabran das Rufzeichen des Sternenflottenführungsschiffes mit dem Cursor angeklickt hatte. „Hier ist Commander Doris Smith von der USS-Amazone. Der Tindaraner wird Sie nicht mehr belästigen, Vendar-Schiff. Fliegen Sie weg, solange Sie das noch können. Wir kümmern uns schon um ihn.“, sagte eine weibliche Stimme. „Vergib mir, Commander Doris Smith, aber da liegt ein Missverständnis vor.“, begann Tabran. „Der Tindaraner ist unser …“ Meine Hand schnellte nach vorn zur 88-Taste und betätigte sie. „Warum hast du das gemacht, Allrounder Betsy?“, fragte Tabran völlig unbedarft. „Wenn du sagst, dass Shimar unser Freund ist, dann werden die auch auf uns schießen. In deren Augen arbeiten wir ja dann mit dem Feind zusammen. Hast du das Kapiert?“, zischte ich ihm zu. „Wie umsichtig du doch bist, Allrounder Betsy.“, lenkte Tabran ein, nachdem er eine Weile überlegt hatte. „Du kennst deine Kameraden doch besser.“ „Sicher.“, gab ich zurück. „Und vor allem kenne ich die gegenwärtige Regierung.“

Ein Querschläger hatte unseren Hauptverteiler für die Antriebsenergie getroffen. Erneut rief uns Smith: „Ich hatte Ihnen gesagt, Sie sollen sich verziehen. Hätten Sie das getan, wäre Ihr Schiff jetzt sicher noch heil.“ Tabran sah mich an. „Ignorieren.“, sagte ich knapp. „Nichts irritiert die mehr.“

„Wir können ihnen nicht sagen, was wir vorhaben, Shimar.“, meldete IDUSA. „Mein Sprechgerät ist beschädigt. Die haben wahrscheinlich nur deshalb auf mich geschossen, weil sie dachten, ich wolle dem Vendar-Schiff ein Computervirus übertragen oder sonst was Unanständiges.“ „Möglich.“, überlegte Shimar. Er fühlte sich ziemlich unter Druck. Jetzt oder nie musste ihm etwas einfallen, wenn er uns noch retten wollte.

IDUSA war es schließlich, die den rettenden Einfall hatte: „Drücken Sie mich herunter, so dass wir unter den Sensoren der Föderationsschiffe sind. Dann schleichen wir uns so nahe an Tabrans Schiff, dass sich die Hüllen berühren. Sobald es so weit ist, übernehme ich kurz und baue das Interdimensionsfeld auf. Danach müssen Sie sofort wieder die Kontrolle übernehmen, denn in instabilen Fluglagen brauche ich einen Piloten mit Bauchgefühl.“ „Einverstanden.“, erwiderte Shimar konzentriert. „Dann geht’s jetzt erst mal abwärts, komm.“ Etwas mulmig war ihm bei der Sache schon, aber das war das einzige, was sie jetzt tun konnten.

Tatsächlich gelang es IDUSA und Shimar, uns so auf IDUSAs Interdimensionsfeld zu löffeln. „Wir haben sie.“, meldete IDUSA. „Das merke ich.“, gab Shimar etwas angestrengt zurück. „An deiner Reaktion merk’ ich das. Es fühlt sich an, als müsse ich ein Straußenei auf einem Teelöffel über eine Buckelpiste balancieren. Aber, da muss ich jetzt wohl durch.“ „Ihre Kunstflugausbildung dürfte sich jetzt bezahlt machen.“, analysierte IDUSA. „Das hoffe ich.“, antwortete Shimar. „Das hoffe ich wirklich.“

„So etwas bringt auch nur Shimar.“, stellte Zirell fest, als der Stationsrechner ihr die Bilder von der interdimensionalen Sensorenplattform auf den Neurokoppler stellte. „IDUSA, sobald sie in unserer Dimension sind, nimmst du Shimar und der Shuttleeinheit Tabrans Schiff mit dem Traktorstrahl der Station ab.“, befahl sie.

Shimar war erleichtert, als ihm IDUSA meldete, dass die Station Tabrans Schiff im Traktorstrahl hätte. Er brachte IDUSA zu ihrem Stammplatz, blieb aber noch eine Weile im Cockpit sitzen. „Es ist alles in Ordnung.“, meldete IDUSA. „Sie können aussteigen.“ „Gib mir noch ’ne Minute.“, kam es völlig abgekämpft von Shimar zurück. „Ich frage mich, wovon Sie so müde sind. Auch, wenn es allen, die involviert sind, länger vorkommt, so dauert ein Interdimensionsflug faktisch doch nur eine Sekunde, weil man während dessen von der Zeit unabhängig ist.“, erklärte IDUSA. „Wenn das stimmt, IDUSA.“, setzte Shimar an. „Dann war das hier die längste, konzentrationsintensivste und anstrengenste Sekunde meines ganzen bisherigen Lebens.“

Shannon, Joran und die Gaukler waren an Logars Schloss angekommen. Die Wolkenburg, so nannte sich der Palast mit seinen vier Türmen, den kleinen Zinnen mit den spitzen Dächern und dem reich mit Pflanzen bewachsenen Innenhof, bot ein Bild der Trauer. Alles war mit schwarzen Tüchern verhüllt und die Flagge mit den zwei geflügelten Löwen, Logars Herrschaftssymbol, wehte auf Halbmast. „Was ist hier passiert?“, fragte Piccolina, die sich diesen Anblick nicht erklären konnte. „Ich kann nur vermuten.“, sagte der Vendar. „Dass Sytania hier eingefallen ist und Logar sich ergeben hat.“ „Aber wie kann das sein?“, fragte das aufgeweckte Kind zurück. „Normalerweise ist Logar doch immer stärker als sie.“ „Ich weiß es nicht.“, log Joran. Er konnte und wollte ihr die Zusammenhänge zwischen Valoras Beinahetod, dem Führungswechsel bei den Einhörnern und der Änderung der Machtverhältnisse nicht erklären. Er befürchtete, dass sie dann nicht mehr schlafen könne vor Angst und das wollte er auf keinen Fall. Sie sollte von ihrer unbekümmerten Kindheit ja schließlich noch etwas haben.

Sytania saß in ihrem Palast und sah sich an, wie weit ihr Plan gediehen war. „Sei’s wie’s sei.“, sagte sie zu sich selbst. „Scotty und Betsy mögen verheiratet bleiben und Shimar wird auch nicht auf die schottische Art seines Lebens beraubt, aber trotzdem habe ich, was ich wollte. Einen Krieg zwischen der Föderation und Tindara. Ach, wenn man nicht alles selber macht.“

Telzan betrat den Thronsaal. „Ihr seht sehr zufrieden aus, Milady.“, stellte er fest. „Das bin ich auch.“, erwiderte die Königstochter. „Mein Vater musste sich zum allerersten Mal in seinem Leben mir ergeben und bald ist die Föderation dran. Ihre einzigen Verbündeten, die mir noch gefährlich werden könnten, haben sie gerade zum Teufel geschickt. Mehr noch, sie führen Krieg gegen sie. Wenn ich jetzt in ihr Universum einfallen würde, oh, ja, das würde ein Spaß!“ Telzan machte ein beschwichtigendes Gesicht und sagte: „Bitte vergesst nicht, Milady, dass auch die Föderation und ihre Verbündeten mächtige Telepathen in ihren Reihen und unter ihren Freunden hat. Denkt nur mal an die Vulkanier, die Betazoiden, die Aldaner, die …“ Sytania lachte schallend auf. „Was, die? Pah! Oh, Telzan, du bist eben nur ein Vendar, ein Diener, der von den großen Geheimnissen der Macht nichts weiß. Deshalb vergebe ich dir deinen törichten Einwand. Aber, in meiner unermesslichen Gnade werde ich dich jetzt informieren. Jetzt, da sich die Machtverhältnisse zu meinen Gunsten gedreht haben, bin ich so stark, wie mein Vater es einst war. Mehr noch, ich habe die Einhörner auf meiner Seite. Sie stehen in ihrer Macht noch weit über Dill oder einem Föderations-Telepathen. Selbst alle zusammen hätten sie jetzt gegen mich keine Chance mehr. Keine, verstehst du, keine!“ „Bitte, Herrin.“, setzte Telzan an, nachdem er vor ihr auf die Knie gefallen war. „Bitte vergebt meine Einfalt. Wahrlich, da ist Euch ein wahrhaft großer Schachzug gelungen.“ „Da ist dein Volk ja nicht ganz unschuldig dran.“, erwiderte Sytania. „Schließlich war das mit Valora ja eine eurer Legenden. Ich hätte nie gedacht, dass sie wahr wäre.“ „Aber sie ist es, Milady. „Sie ist es!“, freute sich Telzan.

Scotty hatte Data an Jenna übergeben. Er dachte, dass nur sie ihm jetzt noch helfen könne. Er selbst war mit seinem Latein schon lange am Ende. „Ich will dir gern assistieren, Jenn’.“, hatte er gesagt. „Aber diese Aliens, die ihn nach der Geschichte auf der Enterprise gefunden haben, haben seine Technik so arg verändert, dass ich nicht mehr klarkomme.“ „OK.“, meinte sie. „Dann lassen Sie uns mal beginnen, Technical Assistant Montgomery Scott.“ Dabei lächelte sie. Natürlich wusste sie, dass er aufgrund einer vollständigen technischen Ausbildung bereits den Rang eines Techniker inne hatte, aber einen Scherz in Ehren konnte schließlich keiner verwehren.

Ich war heimlich in Shimars Quartier geschlichen. IDUSA hatte Befehl, mich nicht zu melden und da Shimar im Moment ohnehin nicht in der Lage war, telepathisch auch nur ein Fünkchen wahrzunehmen, hatte ich gute Karten. Ich schlich mich an sein Bett heran und legte vorsichtig meine Finger an seine Schläfen. Dann begann ich eine leichte Massage.

Plötzlich drehte er den Kopf. „Hey, Kleines.“, war seine leise Begrüßung. „Na, wie geht es meinem Lebensretter.“, erwiderte ich stolz. Er gab einen Laut von sich, der mich sofort verstehen ließ. „Ich bin völlig im Eimer, Kleines. Aber wie soll es einem schon gehen, wenn man die ganze Zeit versuchen muss, einen Felsen durch ein Gebirge zu …“ „Am SITCH war es noch ein Straußenei über eine Buckelpiste.“, korrigierte ich. „Wir wollen ja nicht übertreiben.“ „Ich wollte mir am SITCH nichts anmerken lassen.“, scherzte Shimar und brachte tatsächlich ein gequältes Lächeln heraus. „Kann ich dir irgendwas Gutes tun?“, fragte ich.

Bevor Shimar antworten konnte, hatte IDUSA meine Reaktionstabelle in den Simulator im Raum geladen. „Allrounder, bitte setzen Sie Shimar den Neurokoppler auf.“, bat sie. „Wenn ich seine Tabelle über diesen Simulator lade, schlafen Sie mir beide ein und das wäre nicht sehr vorteilhaft.“ Ich nickte und holte den Neurokoppler aus der Schublade. Gott sei Dank kannte ich mich in Shimars Quartier schon fast so gut aus wie in meinem auf der 817. „Oh, nein, Kleines.“, sagte Shimar, als ich mit dem Koppler in seine Nähe kam. „Ich kann jetzt nichts Konzentrationsintensives …“ „Warte ab und vertrau mir.“, entgegnete ich und setzte ihm das Gerät auf. Nachdem ich es mit dem richtigen Port verbunden hatte und IDUSA dies registrierte, schickte sie Alpha-Wellen in Shimars Gehirn. „Du weißt was gut tut.“, stellte mein tindaranischer Freund fest. „Übrigens, dein Scotty ist ein total dufter Typ. Er hat nichts gegen das, was uns passiert ist. Das hat er mir an der Shuttlerampe gesagt. Er muss schwer von der Tatsache beeindruckt gewesen sein, wie ich euer Leben gerettet habe. Er meinte, wenn du ihn mit jemandem betrügen dürftest, dann nur mit mir, weil ich wie du das Herz am rechten Fleck hätte.“ Ich lächelte ihm zu und ging.

Ich hatte einen der Aufenthaltsräume aufgesucht. Wenig Später kamen auch Jenna und Scotty herein. Sie hatten ein Pad mit Datas Programmschemen bei sich. Wahrscheinlich dachten sie sich, hier besser fachsimpeln zu können.

Scotty hatte mich erblickt. „Komm, Jenn’.“, sagte er. „Wir setzen uns zu ihr. Ich wollte ihr ohnehin noch etwas sagen.“ Scotty nahm gegenüber mir Platz und Jenna setzte sich neben mich. Dabei legte sie mir ihre Hand auf die Schulter, als wollte sie mich bei irgendwas moralisch unterstützen. „Ist schon gut, Jenn’.“, bemerkte Scotty. „Du kannst sie damit ruhig allein lassen. Das wird keine Standpauke. Im Gegenteil.“ Jenna ließ ihre Hand von meiner Schulter gleiten. Scotty wandte sich jetzt an mich: „Hör mal, Darling, dein Shimar ist ein echt dufter Typ. Wenn ich dich schon teilen muss, dann nur mit ihm.“ Irgendwo hatte ich solche Worte schon mal gehört. Ich atmete erleichtert auf.

„Warst du eigentlich schon bei Agent Maron?“, fragte ich Scotty nach einer Weile. „Da war ich.“, gab dieser fast enttäuscht zurück. „Aber euer Demetaner weigert sich, meine Selbstanzeige aufzunehmen. Er sagt, ich war geistig umnachtet und nicht schuldfähig. Außerdem erinnere ich mich nur noch daran, dass sich deine neue Nachbarin bei mir vorgestellt hat. Sie hieß Deanna. Ab dann ist alles schwarz. Ich habe alles versucht, aber der geht einfach nicht von seinem Standpunkt ab, dass ich nichts getan habe. Und ich dachte immer, Spock und seine Vulkanier wären stur. Aber diese Demetaner übertreffen sie noch um Längen.“ „Aber er hat doch auch Recht.“, entgegnete ich. „Wenn wir deine Selbstanzeige zuließen und die Ermittlungsakte würde geschlossen, hätte die Regierung ein Argument, Sytania als unschuldig darzustellen. Du würdest ins Gefängnis wandern und sie hätte gewonnen. Überleg mal.“ „Deine Frau hat Recht.“, pflichtete mir Jenna bei. Dann bemerkte sie: „Echt makaber von Sytania, den Vornahmen von Picards Psychologin zu benutzen. Aber so ist sie halt.“

Scotty replizierte für Jenna, sich und mich eine Tasse Kaffee und setzte sich wieder zu uns. „Was habe ich gehört, Betsy, ’n Raumschiff hat dich von deiner Angst vor Telepathie kuriert?“, fragte er ungläubig. „Ja.“, antwortete ich. „IDUSA benutzte das Argument, dass sie ja im Prinzip auch meine Gedanken lese, indem sie meine Neurofrequenzen interpretiere und …“

Er sprang auf, als hätte ihn etwas gestochen und gestikulierte aufgeregt in Richtung Jenna. „Was ist los?“, fragte diese irritiert. „Jenn’!“, begann Scotty. Dabei hatte er nicht bemerkt, dass er noch einen großen Schluck Kaffee im Mund hatte, der jetzt quer durch den Raum geschossen war. „Jenn’!“, wiederholte Scotty. „Das ist die Lösung für Data. Du weißt doch, dass wir ein merkwürdiges Energieschema gefunden haben, das wir nicht einordnen können, das aber seine Funktionen stört. Deshalb können seine Systeme nicht hochfahren. Wir müssten das Schema mit genau dem gegenteiligen Frequenzmuster beschießen, um es zu zerstören. Das Schema ist die Manifestation von Sytanias Gedankenbefehl, das Data nicht funktionieren soll. Sie ist eine Mächtige. Sie kann durch pure Willenskraft die Gesetze der Physik aus den Angeln heben, aber Energie ist Energie, ist Energie, wie du immer so schön sagst. Zeig mir noch mal das Bild aus deinem Erfasser und dann bauen wir eine Transformatorenanlage, an die wir ihn anschließen.“ Sprach's und zog sie aus der Tür. Zwei tindaranischen Crewmen, die die Sache mit dem Kaffee wohl etwas irritiert hatte, rief er noch hinterher: „Was glotzt ihr so? Noch nie ’nen Terraner gesehen, der ’ne Idee hat?“

Ticione und seine Truppe überlegten, ob es angesichts der geänderten politischen Situation gut wäre, das Stück aufzuführen, für das sie jetzt schon eine ganze Weile geprobt hatten. Joran galt für Ticione als Fachmann für Sytanias Verhalten. Er hatte ihm mittlerweile gestanden, ihr etwa 90 Jahre seines Lebens gedient zu haben. Das reichte Ticione als Referenz. „Meine ehemalige Gebieterin wird es als nicht sehr löblich empfinden, wenn wir das Stück jetzt aufführen.“, erklärte Joran. Dabei legte er eine besondere Betonung auf das Wort jetzt. „Wann meinst du denn, wäre es klüger?“, fragte Rumbanella, die seinen Wink durchaus verstanden hatte. „Wenn meine Freunde da sind.“, antwortete Joran zuversichtlich. Shannon stellte sich neben ihn und zupfte ihn am Ärmel. „Grizzly.“, flüsterte sie. „Unter vier Augen.“ Joran nickte und folgte ihr etwas weiter vom Zeltplatz der Gaukler weg. „Glaubst du ernsthaft, dass IDUSA ihnen Bescheid sagen konnte?“, wollte Shannon wissen. „Warum nicht?“, entgegnete Joran. „Ihr Interdimensionsantrieb hat funktioniert. Außerdem kann sie SITCHen. Sie wird allen berichtet haben, was hier geschehen ist und Zirell von Tindara und Maron von Demeta werden schon die richtige Entscheidung treffen.“ „Wenn de dich da mal nich’ täuschst, Grizzly.“, brummelte Shannon. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die lädierte IDUSA es nach Hause geschafft hatte.

„Guckt mal!“, rief ihnen plötzlich eine wohl bekannte Kinderstimme zu. Es war Piccolina. Sie hatte das Kleid angezogen, das die Schauspielerin, die normalerweise für die Rolle Sytanias vorgesehen war, immer trug. Das war ihr natürlich einige Nummern zu groß, genau wie die dazu gehörigen Schnabelschuhe. Außerdem trug sie eine viel zu große schwarze Perücke. Ihre Augen hatte sie sich mit Kohle geschwärzt. „In den Staub, ihr Würmer.“, grinste sie. „Kniet vor der Furcht erregenden Prinzessin Sytania!“ Joran konnte sich das Lachen nicht verkneifen. „Bei allen Göttern.“, lachte er. „Du bist aber eine niedliche Furcht erregende Prinzessin Sytania. Nur mit deiner Verkleidung, hm, da sollten wir noch mal mit deiner Mutter sprechen, bevor du dir mit den zu großen Sachen noch was tust.“ „OK, Joran.“, quietschte Piccolina. Sie vertraute Joran und Shannon und wusste, sie würden das schon zum Besten regeln.

Über das merkwürdige Verhalten planender Terraner zur Kaffeezeit hatte ich versucht, die beiden Tindaraner aufzuklären, die den Raum immer noch nicht verlassen hatten. Ihr Englisch war allerdings dürftig, genau wie mein Tindaranisch und ein Universalübersetzer war nirgends zu finden. Also endete das Ganze in einer Reihe aus Zeichen mit Händen und Füßen und endlosem Gestammel. Schließlich schaffte ich es aber irgendwie doch, ihnen Scottys Regung zu erklären. „Ah, OK, OK.“, sagten sie und gingen. Das tat ich dann auch. Ich war nämlich noch mit Agent Maron verabredet.

Maron erwartete mich bereits in Zirells Bereitschaftsraum. „Was gibt es, Allrounder.“, fragte er gewohnt demetanisch verständig, als ich mich ihm gegenüber an den Schreibtisch gesetzt hatte. „Nun, Sir.“, begann ich. „Langsam frage ich mich, wenn zwischen Tindara und der Föderation Krieg herrscht, warum sie kein Rollkommando schicken, das mich hier rausholt.“ Er goss Sommerfruchttee in zwei Gläser, schob mir eines hin und sagte: „Sie schweben, Allrounder.“ „Das wüsste ich aber, Agent.“, erwiderte ich. „Meines Wissens stehe ich fest auf dem Boden.“ „Ich meinte ja auch juristisch.“, erklärte er. „Nach Ihrer Aktion mit der Rückkopplung weiß der Geheimdienst der Föderation nicht, wie er Sie einordnen soll. Man ist sich uneins darüber, ob Sie eine Verräterin oder eine Kriegsgefangene sind. Die Verräterin passt nicht zu Ihrer bisherigen weißen Weste und die Kriegsgefangene passt auch nicht, weil Sie diese Station noch in Friedenszeiten betreten haben.“ „Die wissen also nicht, ob sie einen Henker oder ein Rettungsteam schicken sollen.“, überspitzte ich. „Sehr richtig.“, antwortete er. Dann hob er sein Glas, um mit mir anzustoßen. „Auf die Unflexibilität der Föderationsregierung.“, brachte er einen Toast aus. „Mögen sie noch lange grübeln.“, fügte ich hinzu, während die Gläser klingend aufeinandertrafen.

Auf der Basis war es Abend geworden. Jenna und Scotty hatten das Experiment mit Data durchgeführt. Es war ihnen gelungen, die fremde Energie durch den Beschuss mit einem gegenteiligen Feld zu zerstören, dennoch gab Data kein Lebenszeichen von sich. „Lass uns für heute ein Ende machen, Scotty.“, schlug Jenna vor. „IDUSA überwacht ihn und wird uns sagen, wenn etwas nicht stimmt. Morgen sind wir viel frischer und ausgeruhter. Auf Krampf eine Lösung aus unseren Gehirnwindungen pressen zu wollen, halte ich für unmöglich.“ „Wirst Recht haben.“, murmelte Scotty und wandte sich mit ihr zur Tür. Aus einem Augenwinkel sah er ihren Schatten um eine Ecke verschwinden.

Er selbst hatte nur getan, als wolle er gehen. Er war sehr ehrgeizig und wollte auf jeden Fall den Fehler finden. Er galt schon unter Captain Kirk als technischer Wunderknabe und wollte diesen Ruf jetzt nicht durch Sytania verlieren. Auch, wenn er Jenna als gleichwertig betrachtete, so war es für ihn doch ein kleiner Wettbewerb zweier technischer Genies.

„OK, Fehlerteufel.“, sagte Scotty herausfordernd. „Ich finde dich und zerre dich an den Haaren ans Tageslicht. Darauf kannst du einen lassen.“

„Sagt man denn so was, Scotty von Taria?“ Eine Kinderstimme hatte ihn zum Umschauen bewegt. „Hey, Tchiach!“, rief Scotty aus. „Du gehörst ins Bett, Missy.“ „Ach.“, bat Tchiach. „Lass mich dir doch eine Weile zusehen. Ziehmutter Sianach schläft. Ich habe mich heraus geschlichen. Ich kann nicht schlafen und …“ Ihr Blick fiel auf Data. „Kriegst du ihn wieder hin?“, fragte sie sorgenvoll. „Ich denke schon.“, meinte Scotty mit übertriebener Zuversicht, die Tchiach, zumindest, wenn man ihren viel sagenden Blick richtig interpretierte, ihm nicht ganz abnahm.

Scotty deutete auf einen Sitz und sagte: „Wenn du zusehen willst, dann setz dich da rüber. Fass aber nichts an.“ Tchiach nickte und schlich hinüber. Die Situation Datas ließ ihr aber keine Ruhe. Wenn er nicht hinsah, würde sie hinüber gehen. Sie hatte das starke Gefühl, dass sie heute hier noch etwas drehen konnte.

Tatsächlich schlich sie sich in einem unbeaufsichtigten Moment zu dem Tisch, auf dem Data lag und flüsterte ihm zu: „Du musst wieder gesund werden, Data von Taria. Wir brauchen deine Hilfe.“

Datas ganzer Körper begann zu zucken. Tchiach wurde das so unheimlich, dass sie jetzt doch nach Scotty rief. „Was hast du gemacht?“, fragte Scotty ernst. „Ich hab nur mit ihm geredet.“, flüsterte sie kleinlaut. „Bitte, hol Stiefmutter Jenna.“

Scotty ging zum Computermikrofon. „IDUSA, wo ist Techniker Mc’Knight?“, fragte er. IDUSA entgegnete: „Techniker Mc’Knight ist in ihrem Quartier. Laut ihren medizinischen Werten schläft sie aber bereits.“ „Dann wecke sie!“, befahl Scotty. „Ich habe hier ’n panisches Vendar-Kind am Hals und ’n Androiden, der gerade von den Toten aufersteht! Sag ihr das!“

Mürrisch antwortete Jenna auf die Sprechanlage: „Was ist denn los, IDUSA? Es ist zwei Uhr in der Nacht.“ „Ihr Kollege braucht Sie.“, erwiderte der Stationsrechner nüchtern. „Es gibt wohl einen Notfall. Tchiach ist bei ihm.“ „Tchiach?!“, fragte sie alarmiert. „Beame mich hin.“ Per Ort-Zu-Ort-Transporter brachte IDUSA Jenna in die technische Kapsel. Es war ihr egal, dass sie noch im Nachthemd war. Tchiach war sehr erfreut, sie zu sehen. „Da bist du ja, Stiefmutter Jenna.“, atmete sie auf. „Bitte, hilf Data.“ Jennas Blick fiel auf den Androiden, dessen Bewegungen immer koordinierter wurden. Siedend heiß fiel es ihr plötzlich wieder ein. „Hast du seinen Namen gesagt, als du nah an seinem Ohr warst, Scotty?“, fragte sie. „Nein.“, antwortete der Angesprochene. „Aber ich.“, mischte sich Tchiach ein. „Bitte, Stiefmutter Jenna, sag mir, was das für Zuckungen sind.“, schluchzte Tchiach, die das Gefühl hatte, etwas falsch gemacht zu haben. „Das sind nur Reflexe, nur Reflexe, Tchiach, scht.“, sagte Jenna und nahm die kleine Vendar in den Arm. „Und falsch gemacht hast du schon mal gar nichts. Nein, du hast alles richtig gemacht. Sein Gehirn testet jetzt, ob sein Körper funktioniert.“

Datas Gesichtsausdruck wurde plötzlich ganz klar und er sprach alle an: „Techniker Scott, Techniker Mc’Knight, Tchiach, danke, dass Sie mich zurück geholt haben. Bitte geben Sie mir ein Haftmodul, ich muss IDUSA mein Wissen überspielen, damit geklärt werden kann, was Sytania mit Ihnen, Mr. Scott, gemacht hat.“

Joran saß in einer stillen Ecke des Schlossparks und führte das Fütterungsritual durch. Er wusste, dass manche Geistwesen, besonders, wenn sie mit dem Vendar, in dessen Sifa sie sich befanden, eine freundschaftliche Beziehung hatten, mit ihm oder ihr kommunizierten. Auch Valora tat das. Sie hatte ihm immer und immer wieder dieselbe Vision geschickt. Joran sah ein altes krankes Pferd und sie, die in seinen Körper fuhr, um ihm ein Telepathiezentrum zu geben. Danach erstarkte das Pferd wieder und galoppierte frohen Mutes zur Einhornherde. Dort wurde es als Führerin aufgenommen. Die Einhörner schienen sogar dankbar.

Leise hatte sich Argus Joran genähert. Geduldig wartete der Junge, bis Joran die Augen wieder aufschlug. „Du hast Valoras Geist gefüttert.“, stellte der Stallbursche fest. „In der Tat.“, antwortete der zufriedene Vendar ruhig. Joran hatte gespürt, dass es Valora bald wieder so gut ging, dass sie seine Sifa auch vor dem eigentlichen Ende des Zyklus verlassen könne. Sie hatte ihm in einer Vision erklärt, dass sie selbst den Zyklus beschleunigte, weil es notwendig wäre. Ihre Kameraden wären durch Sytania zu Opfern einer bösen Macht geworden und nur sie könne dies wieder rückgängig machen.

Joran stand auf und fragte: „Sag mir, Argus, gibt es hier ein altes krankes Pferd, das Logar noch nicht getötet hat?“ „Ja.“, erwiderte Argus. „Warum willst du das wissen?“ Joran überlegte, wie er es ihm am Besten erklären sollte. Dann sagte er schließlich: „Ich muss zuerst mit deinem Herren darüber sprechen, bitte bring mich zu ihm.“ Argus nickte und winkte Joran, ihm zu folgen.

Wir hatten uns alle im großen Konferenzraum der Basis versammelt. Data hatte wie versprochen sein Wissen in IDUSAs Datenbank überspielt. Jenna und er waren die einzigen, die noch nicht anwesend waren. Jenna hatte Data noch einmal untersuchen wollen. Ausnahmsweise durfte auch Tchiach an der Versammlung teilnehmen. Schließlich war sie es gewesen, die Data zurückgeholt hatte.

Lange brauchten wir aber auch nicht zu warten. Kurze Zeit nachdem wir alle unsere Plätze eingenommen hatten, betraten auch Jenna und Data den Raum. Um dem Anlass eine fröhlichere Note zu geben, stand ich auf und sang: „Auferstanden von den Toten und dem Leben zugewandt …“ Dabei versuchte ich, einen völlig übertriebenen ostdeutschen Dialekt in meine Stimme zu legen. „War das, was Sie da eben getan haben, eine Persiflage auf eine rund 40 Jahre dauernde Periode der Geschichte Ihres Planeten, Allrounder Betsy?“, fragte Data. „Sehr richtig, Genosse Android.“, witzelte ich weiter. Zirell nahm meine Steilvorlage auf und witzelte ebenfalls: „Dann wird Staatsratsvorsitzende Zirell diese Versammlung mal eröffnen.“ Ich war tief beeindruckt. Sie als Außerirdische, mehr noch als Extradimensionäre, wusste so gut über die Geschichte der Erde Bescheid und Maron, dem ich dieses Wissen als einem ehemaligen Sternenflottenoffizier eher zugetraut hätte, hatte noch nicht mal vorgesagt.

Zirell stellte sich an ein Pult und sagte: „Nach dieser sehr erfrischenden und humorigen Einlage Allrounder Betsys müssen wir uns jetzt leider einem ernsteren Thema widmen. IDUSA, Die Daten von Data abspielen.“ Jetzt sahen wir alle, auch Scotty, was dieser unter Sytanias Hypnose angestellt hatte. Von Tabran und Data gestützt wankte der total blasse Scotty schließlich nach vorn und sagte: „Commander Zirell, ich muss mich in aller Form bei Ihnen und vor allem bei Ihrer Regierung entschuldigen …“ Sie winkte ab und sagte nur: „Das müssen Sie nicht, Scotty. Sie können nichts dafür.“ „Trotzdem müssen wir da was machen.“, widersprach Scotty. „So was macht Satania nicht ungestraft mit dem alten Montgomery Scott!“ „Ich muss Sie korrigieren.“, entgegnete Data. „Die korrekte Aussprache ist Sytania.“ „Ich meine, was ich sage, alter Knabe. Die Teufelsbraut hat keinen anderen Spottnamen verdient.“, antwortete Scotty leicht erbost. Ich lachte, denn ich musste an die Äußerung von Agent Hernandes denken. Er hatte, zumindest laut einem Universalübersetzer, den ich diesbezüglich kontaktiert hatte, Sytania als Geliebte des Teufels bezeichnet. Allerdings hielt ich das für unmöglich, denn Sternenflottentheoretiker waren sich einig, dass Sytania niemals in der Lage wäre, Liebe zu empfinden. Auch nicht für den Herren der Finsternis, sofern man an ihn oder den Lieben Gott glaubte. Hernandes war katholisch erzogen worden, was zwar in der heutigen Zeit ungewöhnlich war, trotz Warbfähigkeit aber dennoch manchmal Usus. Eine bekannte demetanische Agentin hatte einmal gesagt, dass sich Warbfähigkeit und Religion ja nicht ausschließen würden.

Scotty ging wieder etwas weiter in die Mitte des Raumes und zog plötzlich Tchiach an sich heran. „Data hätte uns das alles nicht sagen können.“, begann er eine Laudatio. „Wenn diese kleine Maus nicht gewesen wäre.“ Damit drückte er Tchiach an sich so fest er konnte. Gleicht darauf musste er sich aber wieder abwenden und niesen. „Du fusselst, junge Dame.“, bemerkte er. „Ja, Scotty von Taria.“, erklärte Tchiach stolz. „Ich bin ja auch im Fellwechsel.“ Sianach schmunzelte Zirell zu. Deren kleine Erziehungshilfe schien tatsächlich gefruchtet zu haben.

Zirell hatte auch bemerkt, was Scotty und Shimar für ein Abkommen getroffen hatten. „Ich würde sagen.“, schlug sie vor. „Maron und ich reden mit der Zusammenkunft und planen alles Weitere, und ihr drei dreht ein paar Runden mit IDUSA um die Station und testet euer Abkommen. In der Abwesenheit des Nebenbuhlers ist es immer leicht, über Freundschaft zu reden, aber wie sieht es aus, wenn beide zusammentreffen?“

Jenna bereitete das Schiff vor und wir machten uns auf den Weg. Ich flog IDUSA und Scotty und Shimar waren in der Achterkabine. Die Tür zum Cockpit hatte IDUSA auf meinen Befehl einen Spalt offen gelassen, so dass ich hören konnte, was die beiden sagten. „Über Betsys Einlage hätte ich mich ja bald weggeschmissen.“, begann Scotty. „Ich auch.“, stimmte Shimar zu. „Ich habe zwar kein Wort verstanden, aber, wenn es auf deinem Planeten wirklich Leute gibt, die so sprechen, dann müssen die ein massives Gaumen und Kehlkopfproblem haben. Wenn wir zurück sind, werde ich Ishan mal danach fragen. Der muss die medizinischen Fakten ja kennen.“

„Wir sollten uns besser ganz gut benehmen.“, flüsterte Shimar nach einer Weile. „Sonst lässt sie uns gleich aussteigen und wir dürfen nach Hause laufen.“ „Hey.“, sagte Scotty. „Ich dachte, Sprüche klopfen sei mein Job. Ich hoffte, mindestens darin bliebe ich ohne Konkurrenz.“ Ich räusperte mich und sagte: „IDUSA, Antrieb …“ „Nein, bitte nicht, Kleines.“, beschwichtigte Shimar. „Wir sind ja ganz lieb. Schnurr, schmeichel.“ „Ja, das sind wir.“, bestätigte Scotty. „Schleck, wedel.“

Ich bekam einen fiesen Lachanfall. Die Gedanken an Schnurr, schmeichel und schleck gingen ja noch. Nur bei wedel hörte es auf. IDUSA, die über den Neurokoppler und meine geladene Tabelle alles mitbekam, sagte nur: „Allrounder, wie unanständig.“ „Da siehst du mal, IDUSA.“, lachte ich. „Ich bin eben nicht nur das kleine unschuldige Lämmchen, für das mich alle halten. Und jetzt bring uns zurück.“ Sie schaltete auf Automatik und flog zur Station zurück.

„Was bedeutet eigentlich dein Name?“, wollte Piccolina von Shannon wissen. Die beiden spazierten über den Schlosshof. „Hm.“, machte Shannon. „Weiß ich nich’. Wie kommst de denn drauf?“ „Joran hat mir gesagt.“, erwiderte Piccolina, „Dass Joran der moralisch Aufrechte heißt. Piccolina heißt die Kleine und was heißt Shannon?“ Die blonde Irin überlegte eine Weile angestrengt. Vor einem 4-jährigen Kind wollte sie sich nicht die Blöße geben, gar nichts über ihren eigenen Namen zu wissen. Schließlich sagte sie: „So weit ich weiß, Süße, bin ich nach dem Fluss benannt, auf dem ich bei einer wildromantischen Bootstour gezeugt wurde. Kann wahrscheinlich froh sein, dass es nicht der Mississippi war. Das würde jede Unterschriftenzeile sprengen. Komm, wir gehen noch ein Bisschen Text lernen. Wird deinen Vater sicher freuen.“ Damit verzogen sich beide in ein ruhiges Eckchen.

Zirell und Maron hatten sowohl der Zusammenkunft als auch der Regierung der Föderation die neuen Beweise vorgelegt. Nur den ultimativen Beweis, den Datenkristall mit den falschen Bildern, den hatten sie nicht. Sytania hatte ihn wohlweislich vernichtet. Er hätte nämlich alle auf ihre Spur bringen können. Da die Situation sich jetzt grundlegend geändert hatte, kam man überein, dass es zunächst einen Waffenstillstand geben sollte, in welchem alle Beweise noch einmal gesichtet und neu beleuchtet werden sollten. Data sollte sich für den tindaranischen Geheimdienst zur Verfügung halten und Scotty durfte, obwohl er Terraner war, sich in einer tindaranischen Klinik von seinem Schock erholen.

Nachdem Zirell und Maron ihr Gespräch mit den Regierungen beendet hatten, fragte der demetanische Agent plötzlich seine Vorgesetzte: „Warum haben die Einhörner nicht eingegriffen? Ich meine, in einer fremden Dimension einen Krieg vom Zaun zu brechen, kann doch nicht im Sinne des Gleichgewichtes der Kräfte sein. Warum erlauben die Sytania so etwas?“ „Ich weiß es nicht.“, antwortete Zirell. Dann wandte sie sich an IDUSA: „IDUSA, wo sind Tabran und Shiranach?“, Im gleichen Moment öffnete sich die Tür der Kommandozentrale und die Gesuchten betraten diese. „IDUSA, Befehl löschen.“, sagte Zirell. „Wir wollten uns nur für eure Gastfreundlichkeit bedanken und uns verabschieden.“, sagte Shiranach. „Wartet bitte noch einen Moment.“, hielt Maron sie auf. „Wir hätten da noch eine Frage.“ „Dann sprich, Maron von Demeta.“, forderte Tabran den Agenten auf. „Was kann es für einen Grund geben, aus dem die Einhörner Sytania erlauben würden, Krieg zwischen zwei Völkern aus verschiedenen Dimensionen zu schüren?“ „Es kann sein.“, begann Shiranach, dass sie die Einhörner auf ihre Seite gebracht hat.“ „Wie soll so etwas möglich sein?“, fragte Zirell. „Es gibt eine alte Legende in unserem Volk.“, entgegnete Tabran. „Wenn Sytania Valora tötet und sie durch eine ihrer Schöpfungen ersetzt, kann es sein, dass die Einhörner auf ihre Seite wechseln.“ Maron erschrak: „So einfach ist das?“ „In der Tat.“, erwiderte Tabran ungerührt. „Leider.“, fügte Shiranach hinzu. „Aber, wie kann Sytania denn ein noch viel mächtigeres Einhorn töten?“, fragte Zirell. Tabran wollte antworten, aber Maron winkte ab und antwortete selbst: „Mit der gleichen Waffe, die wir auch gegen Mächtige benutzen. Mit Rosannium. In der richtigen Dosis kriegt das Zeug sogar ein Einhorn klein.“ „Maron!“, tadelte Zirell ihn ob seiner Sprechweise. Dann wendete sie sich wieder an die beiden Vendar: „Danke für eure Hilfe. Ich wünsche euch ein langes und friedliches gemeinsames Leben.“

Scotty, Data, Shimar und ich saßen im Aufenthaltsraum in unserem Lieblingseckchen zusammen. „Bevor sie mich gleich abholen.“, sagte Scotty. „Muss ich unbedingt noch was los werden. Die Art, wie du die Vendar fertig gemacht hast, Darling, nein, dieses Physikverständnis, musst du von mir haben.“ „Das wäre nur möglich.“, begann Data, „Wenn Sie beide tindaranisch geheiratet hätten. Während der tindaranischen Hochzeitszeremonie entsteht zwischen den Ehepartnern eine telepathische Verbindung, bei der …“ „Data.“, ermahnte ihn Scotty. „Es war ein Witz. Ich dachte, mittlerweile hätten Sie das gerafft. Oh, ich muss los. Mein Krankentransport kommt gleich. Oh, Darling.“, wendete er sich an mich. „Falls die Tindaraner dich zum Außenteam gehören lassen, grüß bitte Sytania von mir. Wenn’s geht, mitten zwischen die Augen, du verstehst?“ Damit stand er auf und ging. Auch Data verließ uns. Er war noch mit Agent Maron zu einer Vernehmung verabredet.

Shimar und ich saßen jetzt allein da. „Ich habe mal eine Fachfrage an dich, Kleines.“, begann er. „Wie du weißt, müssen wir jetzt, da die Föderation und wir politisch befreundet sind, zumindest es bisher waren, auch lernen, Sternenflottenschiffe zu fliegen. Ich tue mich aber wahnsinnig schwer mit dem celsianischen und dem platonischen Antriebskonzept. Bei dem einen will das Schiff nicht runter und bei dem anderen nicht rauf. Es ist immer der reinste Krampf und dadurch auch der reinste Kampf, bis ich das Shuttle mit dem platonischen Antrieb auf Höhe habe beziehungsweise das celsianische an die Schleuse andocken kann. Der Kontrolloffizier in der Simulation hat mir neulich erzählt, er schließe mit seinen Kollegen schon Wetten ab, bei welchem Versuch ich die Landung schaffe.“ „Das ist ganz einfach.“, lächelte ich. „Der celsianische Antrieb mag es gemütlich und der platonische braucht einen Tritt in den Hintern. Also, wenn du mit dem platonischen Antrieb startest, musst du gleich etwas mehr Stoff geben. Dann kommst du auch schneller und leichter auf Höhe. Bei der Landung mit dem celsianischen Konzept musst du schon früh das Tempo raus nehmen. Ratsam ist das gleich schon, wenn du die Einweisung zur Landung bekommst. Langsam und ständig in kleinen Schritten.“ „Hey, danke, Star Fleet Allrounder.“, lächelte Shimar. „Die Kontrollettis haben mich schon als Sonntagsflieger bezeichnet und das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Aber jetzt werde ich es ihnen zeigen.“ „Ganz ruhig.“, lächelte ich. „Das ist doch nicht real.“ „Trotzdem.“, widersprach er. „Auch, wenn es nur eine Simulation ist. Für mich war das schon ’n ganz schöner Stich in die Magengegend.“ „Schon klar.“, grinste ich. „Auf Tindara bezeichnet man dich als Topp-Flieger und dann so etwas.“

 

Hoffnungsschimmer

von Visitor

Argus hatte Joran inzwischen zu Logar geführt. Der Vendar hatte dem imperianischen König alles erklärt. „Das ist ein ungeheurer Hoffnungsschimmer, Joran.“, hatte der Herrscher erleichtert geantwortet. „Kannst du sagen, wann es so weit ist und ob Valora dir gesagt hat, ob das Pferd auch damit einverstanden ist?“ „Eure erste Frage kann ich Euch leider nicht beantworten, Milord.“, sagte Joran ehrfürchtig. „Die zweite schon. Valora hat mit dem Geist des Pferdes Kontakt aufgenommen und ihm beziehungsweise ihr alles erklärt. Sie sagt, dass sie einverstanden ist, sich ihren Körper ab jetzt mit Valora zu teilen.“ „Dessen bist du wirklich sicher?“, versicherte sich Logar. „In der Tat, mein König.“, antwortete Joran. Dann ging er wieder zu den Gauklern zurück, um mit ihnen für das Stück zu proben. Trotz der politischen Situation hatte Logar die Aufführung nicht verboten. Auf keinen Fall wollte er sich seiner Tochter mental geschlagen geben, was auch bedeutete, dass er weiterhin Meinungsfreiheit an seinem Hof gelten ließ.

Telzan hatte den Kontaktkelch allein benutzt. Deshalb war er über das, was er jetzt sah, auch nicht wirklich sicher. „Bitte schaut mit mir durch den Kelch, Milady.“, bat er Sytania. Diese legte wie er ebenfalls eine Hand auf den Fuß des Kelches, gab ihm die andere und konzentrierte sich darauf. Plötzlich erschauerte sie. „Was muss ich sehen!“, rief sie aus. „Ein Waffenstillstand! Das kann doch nicht wahr sein! Ein Waffenstillstand! Jetzt werden sie alles genau unter die Lupe nehmen und am Ende kommen sie mir noch drauf! Das darf nicht passieren! Nein, das darf nicht passieren!“ Sie raufte sich ihr langes schwarzes Haar. „Das wird auch nicht passieren, Milady. Grämt Euch nicht.“, tröstete Telzan. „Was meinst du damit!“, fragte Sytania wütend. Dann schickte sie nach einer ihrer Hofdamen, die ihr ein Tablett mit Gläsern bringen musste. Diese warf sie eines nach dem anderen gegen die Wand. Telzan wartete geduldig den Wutausbruch seiner Herrin ab. Als sie sich wieder gefangen hatte, sagte er: „Ich werde als erstes morgen Valoras Körper von dem Metzger zurückkaufen. Dann werde ich mit meinen Leuten nachsehen, ob die Sternenflotte oder gar die Tindaraner ein Schiff schicken. Falls ja, solltet ihr Eurem Vater eine kleine Handreichung darbieten. Sagt, Ihr wollt Euch mit ihm versöhnen und zu seinen Ehren ein Gelage feiern, zu dem natürlich auch die Fremden herzlich eingeladen sind. Es gebe einen trefflichen Rehbock, den Eure Jäger zu diesem Anlass extra geschossen hätten. Wenn man Valora das Fell abzieht, kann rein visuell niemand ihr Fleisch von dem eines Rehs unterscheiden. So haben wir Euren Vater und die Fremden gleichermaßen demoralisiert, denn erst am Ende des Mahles werden sie erfahren, was sie wirklich gegessen haben.“ „Oh, Telzan.“, keifte die Prinzessin, stieg von ihrem Thron und warf ihre Arme um ihn. Dann flüsterte sie in hoch erregtem Zustand: „Ich habe dich nicht ohne Grund zum Anführer meiner Vendar ernannt! Nicht ohne Grund!“

Shimar und ich waren in die Simulationskammer gegangen, um dort gleich das praktisch auszuführen, über das wir gerade theoretisch gesprochen hatten. Ich ließ uns ein Sternenflottenshuttle simulieren. „In der ersten Runde tastest du nur mit.“, instruierte ich ihn. „Dann fliegst du. Bitte nicht wundern. Ich lasse IDUSA für den Start einen platonischen Antrieb und für die Landung einen celsianischen benutzen. Hat man zwar noch nie gesehen, dass sich während des Fluges der Antrieb verwandelt, aber, in der Simu-Kammer ist alles möglich.“ „Mein schräges Kleines!“, rief er erfreut aus. „Das hätte ich sicher nie programmiert. Dafür bin ich zu konventionell. Aber noch mal was anderes. Wie hast du dir vorgestellt, soll ich mittasten. Es gibt in heutigen Shuttles keine altertümlichen Steuerknüppel mehr, die sich mit bewegen. Also, wie …“ „Aber du hast einen telepathischen Geist.“, erinnerte ich ihn. „Du kannst fühlen, was ich fühle, wenn du willst.“ „Bist du sicher, Kleines, dass du eine derart enge Verbindung zwischen uns zulassen kannst?“, fragte er besorgt. „Versuch es einfach.“, lächelte ich.

Seine Versuche waren erfolgreich. Nicht nur in der Hinsicht, dass ich zulassen konnte, dass er permanent in meinem Geist war, auch bezüglich der Fliegerei half ihm die Verbindung mit mir sehr weiter. Er wusste jetzt, was er erreichen musste.

Ich hatte das Shuttle heil auf den Boden gebracht. „Jetzt bin ich dran.“, sagte Shimar energisch. „Setze bitte das Pult unter Energie. Dann müssen wir nicht erst die Plätze tauschen.“ „Wie du willst.“, lächelte ich. Dann wendete ich mich an den Shuttle-Computer: „Computer, Kontrolle auf das rechte Steuerpult überschreiben.“ „Befehl wird ausgeführt.“, kam es sachlich zurück.

Schon beim Start war Shimar von sich selbst überrascht. „Das kann doch nicht wahr sein.“, bemerkte er. „Wow, sie macht ja gleich, was ich von ihr will und das ohne Krampf, Kampf und gutes Zureden.“ „Sage ich doch.“, erwiderte ich zufrieden.

Die Landung nach einer Platzrunde fühlte sich an, als würden wir in ein weiches Kissen fallen. „Klasse!“, sagte ich erfreut. „Mit einem Wort, klasse!“ „Das habe ich nur dir zu verdanken.“, schob Shimar den verbalen Lorbeerkranz von sich. „Du bist eine super Fluglehrerin!“ Er nahm mich fest in den Arm. Dann flüsterte er: „Hätte nicht gedacht, dass man sogar mir noch was beibringen kann.“ Wir beendeten das Programm und verließen die Simulationskammer.

Shannon und Joran saßen in dem Zelt, das Ticione ihnen gegeben hatte. Joran grinste über beide Ohren. „Was ist so witzig, Grizzly?“, wollte Shannon wissen. „Es ist nichts Witziges.“, erklärte Joran. „Eher etwas Niedliches. Piccolina hat mich gefragt, wozu der Buckel in meinem Nacken gut ist. Ich habe ihr erklärt, dass da Valora drin ist.“ „Klar.“, erwiderte die blonde Irin. „Weitere Zusammenhänge sind für ’ne 4-jährige auch noch zu schwer.“ „Das ist nicht der Punkt!“, entgegnete Joran etwas energischer. Er hasste es, wenn man ihn einfach unterbrach. „Was ist dann das Entscheidende.“, drängte Shannon auf eine rasche Antwort. „Sie hat ihre kleine Hand auf meine Sifa gelegt.“, berichtete Joran. „Dann hat sie ganz enttäuscht geschaut und gemeint, man fühlt ja nichts. Darauf habe ich ihr gesagt, dass sie ja auch keine Telepathin ist.“ „Knuffig!“, rief Shannon aus. „Das ist typisch Kindermund!“ „In der Tat.“, bestätigte Joran.

Shannon tippelte nervös von einem Bein auf das andere. „Bitte setz dich, Shannon O’Riley.“, bat Joran. „Du machst mich ganz nervös und es mir somit unmöglich, das Fütterungsritual zu beginnen.“ „Sorry.“, flappste Shannon zurück und ließ sich neben ihn auf den Boden fallen. „Zufrieden?“ Joran nickte. „Du kannst nicht zufällig genau sagen, wann es so weit ist?“, fragte sie. „Nein.“, antwortete Joran schon ziemlich weit weg. „Ich meine nur, es wäre vielleicht gut, den Zeitpunkt zu kennen wegen Ticiones Stück und der politischen Situation.“ „Keine Sorge.“, tröstete Joran. „Ich kann versuchen, Valora zu fragen.“ „Dann mach’ das.“, antwortete Shannon. „Mir wär’ echt wohler dabei, weest de?“

Shimar und ich befanden uns in unserem gemeinsamen Quartier. Ich lag auf dem Bett neben ihm und genoss das Kopfkino, das er mir vorführte. Plötzlich brach er die Verbindung ab und fragte mich: „Mache ich etwas falsch?“ „Was meinst du?“, fragte ich zurück. „Du scheinst mit irgendwas nicht einverstanden zu sein.“ Ich wurde knallrot. „Hey, ist ja gut.“, tröstete er mich. „Du musst dich doch nicht schämen. Sag mir doch einfach, was los ist. Ich werde dir schon nicht den Kopf abreißen.“ Ich drehte mich um. „Da ist eine Information, mit der ich nichts anfangen kann.“, druckste ich herum. „Welche ist das?“, forschte er nach. Dann änderte er plötzlich seine Körperhaltung als wolle er sich selbst zwingen, sich am Riemen zu reißen und sagte: „Oh, nein, ich dummer Tropf! Du kannst ja mit Farben nichts anfangen. Ich muss ein größeres Augenmerk auf taktile Dinge legen und farbliche Eindrücke ganz weglassen.“ „Kannst du Geschmäcker und Gerüche übermitteln?“, neugierte ich. „Habe ich noch nie versucht.“, gab er zu. „Unter Telepathen gilt das aber als sehr schwierig, weil oft gleichzeitig die eigenen Empfindungen eine große Rolle spielen und oft mit rüber kommen. Aber bisher habe ich ja alles hingekriegt, um das du mich gebeten hast. Also gut, ich versuche es.“ Er stellte sich vor, wie wir Hand in Hand durch einen Rosengarten spazierten. Dabei hielt er mir die eine oder andere Rose unter die Nase. Tatsächlich nahm ich nur den Duft wahr, ohne seine eigenen Empfindungen mit zu bekommen. „Geht doch.“, lächelte ich.

Er hatte mir etwas gezeigt, das wie Waldmeister roch. Gleichzeitig hatte er an das Wort Glibber gedacht. Ich musste lachen. „Ups.“, lächelte ich. „Was ist dir denn da passiert?“ „Oh.“, erwiderte er. „Da habe ich wohl an die Pleite mit der Götterspeise von neulich gedacht. Die habe ich in IDUSAs Datenbank entdeckt und habe gedacht, es wäre was Besonderes, was Fluffiges, das du auch mögen könntest. Ich hatte ihr befohlen, das ganze Sortiment zu replizieren, damit du dir was Gutes aussuchen könntest. Aber dann kamen Schüsseln mit rotem Glibber, grünem Glibber, gelbem Glibber und so weiter aus dem Replikator. Ich habe Jenna die Fehlfunktion sofort gemeldet, aber sie hat gelacht und gesagt, es sei alles OK.“ Ich lachte: „Oh, Backe, Shimar. Gut, dass du mir das gesagt hast. Ich mag nämlich auch keinen Glibber, beziehungsweise keine Götterspeise.“ Shimar musste ebenfalls lachen. „Da wäre ich ja total im Fettnäpfchen gelandet. Aber, eure Götter müssen echt komisch drauf sein, wenn sie auf Glibber stehen.“

Zirell hatte gerade einen SITCH mit der Zusammenkunft hinter sich gebracht. „Sie wollen endlich Resultate.“, fasste sie das Gespräch gegenüber Maron zusammen. „Wahrscheinlich wird es meinem ehemaligen Arbeitgeber ähnlich gehen.“, pflichtete der Demetaner bei. Maron arbeitete seit einem hier nicht näher auszuführenden Zwischenfall nicht länger für die Föderationsregierung, sondern für den tindaranischen Geheimdienst. „Wissen die Regierungen, dass wir den Kontakt zu unserem Außenteam verloren haben, seit IDUSA sie zurücklassen musste?“, fragte Maron. „Ja, das wissen sie.“, antwortete Zirell. „Sie wollen sogar, dass wir ein zweites Team schicken, das noch einmal nach dem Rechten sieht und Sytania stoppt. Shannon und Joran kann sonst etwas geschehen sein. Am Ende sind sie sogar Gefangene Sytanias.“ „Das schließe ich aus!“, erwiderte Maron energisch. „Joran kennt Sytania zu gut und Shannon wird sich nicht von seiner Seite wagen, wie ich sie einschätze.“ „Ihr demetanischen Seelentröster.“, entgegnete Zirell. „Wie macht ihr das nur immer, dass ihr die richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt findet?“ Maron grinste: „Das wird für immer unser süßes Geheimnis bleiben. Wir sollten jetzt aber über einen Schlachtplan nachdenken, den wir den Regierungen vorlegen können.“

In einer einzelnen Box stand das alte kranke Pferd. Argus hatte es immer allein gefüttert, da es im großen Laufstall keine Chance mehr hatte, überhaupt an Futter zu kommen. Die anderen Pferde, die viel schneller und stärker waren, hatten ihm immer alles weggefressen. Außer dann, wenn Kipana sich eingemischt hatte, die alte kranke Stute war nämlich Kipanas beste Freundin.

Nachdem er die letzte Schaufel Heu in die Raufe gehäuft hatte, wurde der Junge plötzlich auf einen Schatten aufmerksam. Verschreckt drehte Argus sich um. „Keine Angst, Argus.“, gab sich Joran zu erkennen. „Was machst du hier?“, fragte Argus erstaunt. „Valora wünscht es so.“, antwortete der Vendar ehrerbietig. „Sie will, dass ich das Fütterungsritual in der Nähe ihres neuen Körpers durchführe. Ich kann es nicht sicher sagen, aber ich denke, dass sie bereits in Kontakt mit dem Geist des Pferdes steht und versuchen will, dass sie sich leichter an ihre Anwesenheit gewöhnen kann. So wird es ihr leichter fallen, nachher mit ihr zu leben.“ „Verstehe.“, sagte Argus. „Dann wird es bei Valora und ihr wohl anders laufen, als bei dem Einhorn, das aus Sytanias Geschöpf und einem Ackergaul besteht, den Sytanias Diener irgendwo auf einem Viehmarkt erstanden haben.“ Joran hörte aufmerksam zu. Er witterte anscheinend eine Chance. Jedenfalls stand er aus der Haltung, die er immer für das Fütterungsritual einnahm, auf und sagte: „Erkläre mir auf der Stelle, was du weißt. Jede Information kann wichtig sein.“ „Wie du möchtest.“, sagte Argus und setzte sich auf einen Heuballen. Joran tat es ihm gleich. Dann begann Argus: „Ich habe die jetzige Führerin der Einhornherde in der Schlacht gesehen. Ihre Bewegungen waren irgendwie zögerlich, ja sogar abrupt, als wäre sie sich mit sich selbst uneins. Vielleicht ist der Geist des Ackergauls nicht mit Sytanias Schöpfung in seinem Körper einverstanden und versucht, sie zu bekämpfen. Das könnte heißen, dass …“ Weiter kam Argus nicht, denn Joran umarmte ihn kräftig und freute sich: „Bei allen Göttern, Argus, das ist die beste Information, die ich seit langem bekommen habe. Lass uns zu Logar gehen und ihm berichten. Ich kann das Fütterungsritual auch noch um ein paar Minuten verschieben.“

Shimar und ich gingen über die Station. „Nicht gerade ein romantischer Ort, Kleines, was?“, fragte er und strich über meine Hand. „Das stimmt schon.“, bestätigte ich. „Aber als Sternenflottenoffizierin bin ich es gewohnt, mich mein halbes Leben auf Stationen aufzuhalten. Auch dort kann man es sich gemütlich machen.“ „Stimmt.“, pflichtete mir Shimar bei.

Wieder verging eine ganze Zeit, in der wir uns nur gegenseitig die Hände massierten und verträumt über die Flure streiften. „Es kribbelt.“, flüsterte mir Shimar nach einer Weile zu. „Oh, sorry.“, meinte ich peinlich berührt. „Habe ich dich irgendwo angefasst, wo es jetzt unpassend wäre?“ Er lachte: „Nein. Es ist nur wegen deines Status.“ „Oh, ich mag meinen Status.“, erwiderte ich. „Er ermöglicht mir, mit dir zusammen zu sein.“ „Aus dem gleichen Grund mag ich deinen Status auch.“, entgegnete Shimar und küsste mich.

Weder Shimar noch ich hatten bemerkt, dass wir uns genau vor der Tür des Bereitschaftsraumes befanden. Jedenfalls öffnete sich diese plötzlich und Maron empfing uns mit den Worten: „Genau die zwei, die ich noch gesucht habe.“ Dann warf er mir eine Tasche mit einer replizierten Ausrüstung zu. „Shimar, pack deine Sachen. Dann komm mit Allrounder Betsy zu IDUSAs Andockplatz. Jenna ist schon dort und wartet das Schiff. Auch sie wird uns begleiten. Unser Ziel ist das Dunkle Imperium. Shimar, du wirst an Bord von IDUSA bleiben, und die Mission von oben überwachen. Jenna, Betsy und ich werden runtergehen.“ Shimar hatte sichtlich Mühe, die ganzen Informationen in seinem Kopf zu ordnen. Dann sagte er aber doch: „OK.“, und zog mich mit sich.

Telzan und Sytania hatten das Treiben auf der Tindaranerbasis durch den Kontaktkelch mitbekommen. „Bis jetzt läuft alles nach Plan!“, freute sich Sytania. „Sie schicken ein zweites Team, das ich mit dem größten Vergnügen mit Hilfe deines Plans demoralisieren werde. Davon werden sie aber nichts ahnen, denn ich lasse sie während ihres Weges hier her völlig unbehelligt.“ „Das wäre nicht gut.“, widersprach Telzan. „Wie kommst du dazu, an meinen Ideen zu zweifeln?!“, erboste sich Sytania. Ihr Diener machte ein beschwichtigendes Gesicht und meinte: „So habe ich das nicht gemeint, Herrin. Ich wollte Euch nur warnen. Unter ihnen ist auch Mc’Knight. Sie wird sofort Lunte riechen, wenn etwas zu leicht von der Hand geht. Dann wird sie hellhörig und steckt alle anderen damit an. Der Demetaner vertraut ihr und er leitet die Mission. Wenn also …“ „Verstehe.“, entgegnete Sytania. „Du denkst also, wir können ihnen ruhig ein paar Steine in den Weg legen, damit sie nicht sofort wissen, woran sie sind. Also gut. Ich habe ja auch die Kontrolle über das Wetter. Mal sehen, wie das tindaranische Schiff mit Fallwinden klar kommt.“

Shimar und ich saßen in IDUSAs Cockpit. Jenna und Maron waren in der Achterkabine. „Willst du, oder soll ich.“, flüsterte Shimar mir zu. „Mach du ruhig.“, entgegnete ich. „IDUSA ist schließlich euer Schiff.“ „Sie hätte aber bestimmt nichts dagegen, wenn du sie fliegen würdest.“, warf Shimar mir den Ball im übertragenen Sinne wieder zurück. „Wenn wir hier noch lange diskutieren, hat ’ne alte Oma den Bahnhof bevölkert.“, sagte ich schließlich und wendete mich an IDUSA: „IDUSA, lade unsere Reaktionstabellen und sag uns, wer dich ins Dunkle Imperium fliegen soll.“ IDUSA führte meinen Befehl aus und sagte dann: „Wenn Sie beide sich nicht einigen können, ist es wohl besser, wenn ich uns auf Automatik in die Dimension bringe.“ Damit startete sie selbstständig. „Sie ist eben eine Freundin effizienter Lösungen.“, erklärte mir Shimar das Verhalten der Einheit. „Kann ich mir denken.“, erwiderte ich. „Die Xylianer und die Borg hätten sicher ihre Freude an ihr.“ Bei meinen letzten Worten bemühte ich mich, ein gut hörbares Grinsen in meine Stimme zu legen. „Ich weiß nicht.“, sagte IDUSA skeptisch. „Der Gedanke, langsam aber sicher in einen Borg-Kubus verwandelt zu werden, behagt mir gar nicht. Wenn ich wählen dürfte, dann würde ich lieber das Forschungsobjekt einer Xylianischen Sonde. Die untersuchen einen zwar bis zur Vergasung, aber sie lassen einen zumindest sein, was man ist.“ „Mach dir keine Sorgen, IDUSA.“, tröstete Shimar. „So weit ich weiß, gibt es die Borg, einer gewissen Captain Janeway sei dank, nicht mehr.“ „Was für eine Erleichterung.“, atmete IDUSA auf. „Wir gehen in Kürze in den Interdimensionsmodus.“, informierte sie uns. Ich wusste, dass in Kürze bei IDUSA eigentlich sofort bedeutete.

Nach dem Interdimensionsflug meldete sich Jenna über die Bordsprechanlage. Shimar nahm das Mikrofon und fragte: „Was gibt es, Jenn’?“ „Hast du nicht auch das Gefühl, dass das zu leicht war?“, fragte Jenna zurück. „Merkwürdig ist das schon.“, pflichtete Shimar ihr bei. „Sytania kann es doch nicht gefallen, dass wir einfach so …“ Wir verloren rapide an Höhe. „Bitte werden Sie sich einig!“, redete IDUSA uns ins Gewissen. „Ich brauche in unberechenbaren Situationen die Hilfe von Piloten mit Instinkt und Bauchgefühl. Solche Fallwinde fallen in keine mathematische Kategorie.“ „Schon gut.“, beruhigte ich sie. „Zeig mir die Steuerkonsole.“ IDUSA tat, was ich ihr gesagt hatte und ich lenkte sie seitwärts. Shimar kriegte vor Staunen den Mund nicht mehr zu. „Wow, Kleines.“, sagte er nur. „Anders geht es doch auch nicht.“, sagte ich cool. „Da hast du schon Recht.“, meinte er. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass du so die Nerven bewahrst.“ „Es war keine Wolke am Himmel und dann plötzlich so etwas.“, referierte ich. „Das kann ja nur Sytania gewesen sein. Jenn’ hat mich im Prinzip längst vorgewarnt gehabt. Um uns zu narren, muss Sytania schon früher aufstehen.“

„Tut mir Leid, dass ich das Gespräch zwischen Ihnen zwei Turteltäubchen unterbrechen muss.“, meldete sich IDUSA. „Aber wir sind bei den Koordinaten, an denen sich Allrounder Betsy dem Rest anschließen wird.“ „Ist schon gut, IDUSA.“, sagte ich und griff meine Ausrüstung. „Beame mich zu Maron und Jenna.“ Während des Transportes hörte ich Shimar in meinen Geist sprechen: IDUSA und Ich werden gut auf euch achten. Sag das den anderen.

In der Nähe des Schlosses auf einem Hügel traf ich auf den Rest des Außenteams. Maron und Jenna waren gerade in eine richtig schöne Diskussion vertieft und bemerkten mich zuerst nicht. Erst, als ich Maron auf die Schulter klopfte, drehte er sich um. „Da sind Sie ja, Allrounder.“, sagte er. „Lassen Sie uns jetzt zum Schloss hinuntergehen. Logar wird sich bestimmt freuen. Mc’Knight interpretiert die Situation als nicht sehr rosig, in der sich Logar zu befinden scheint, oder was meinen Sie dazu?“ „Ich kann dazu nichts sagen, solange ich keine Informationen habe, Sir.“, entgegnete ich. „Also gut.“, meinte Maron. „Ich werde Ihnen beschreiben, was ich sehe.“ Er beschrieb mir, wie es rund um Logars Palast aussah. „Klingt ja nicht sehr rosig.“, analysierte ich.

Die tindaranischen Agenten hatten Datas Vernehmung beendet und er durfte sich jetzt frei auf Tindara bewegen. Sein erster Weg führte ihn in die Klinik, wo man Scotty psychotherapeutisch behandelte.

Shimell, seine Therapeutin, hatte gerade die Sitzung beendet. „Für heute soll es reichen, Scotty.“, lächelte die etwa 1,40 m große vollschlanke Tindaranerin mit schwarzem Pferdeschwanz. „Ich habe gerade vom Empfang erfahren, dass Sie Besuch bekommen haben. Gehen Sie ruhig.“ Für Shimell musste es extrem ungewohnt sein, jemanden zu siezen. Die tindaranische Sprache kennt diesen Ausdruck nämlich nur im Zusammenhang der Interaktion zwischen den IDUSA-Einheiten und den Tindaranern selbst.

Data schritt den Gang zu Scottys Zimmer entlang. Hier wollten sie sich treffen. „Hey.“, flapste der Schotte, als er seinem androiden Freund ansichtig wurde. „Haben die Damen und Herren Polypen Sie endlich entlassen?“ „Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie mit dem Ausdruck Polypen die Agenten des tindaranischen Geheimdienstes meinen?“, versicherte sich Data. Ihm war der Ausdruck durchaus bekannt. Laut seinem Wörterbuchgedächtnis handelte es sich um eine sehr saloppe Bezeichnung für jede Art von Polizisten. „Genaustens, alter Knabe.“, entgegnete Scotty. „Von den Dingern in der Nase rede ich nicht.“ „Ich wollte nur sicher gehen, dass wir beide das Gleiche meinen.“, antwortete Data. „In meinem Leben gab es schon Missverständnisse genug.“

Sie setzten sich in eine Sitzecke im Flur. „In mein Krankenzimmer will ich nich’.“, schnodderte Scotty. „Den ganzen Tag Wände ansehen kann ich noch lange genug. Ich brauch’ frische Luft.“ „Wie Sie möchten.“, erwiderte Data sachlich. Dann schnappte er sich eine Magnetfeld gestützte Gehhilfe, die auf dem Flur stand, schnallte sie Scotty um und betätigte die Fernsteuerung. „Im Umgang mit Patienten habe ich bereits viel von meiner Frau gelernt.“, erklärte Data sein Verhalten. „Ihr Kreislauf ist sicher etwas instabil.“ „Reden Sie keinen Quatsch.“, erwiderte Scotty. „’nen echten Schotten haut so schnell nichts um.“ „Na gut.“, meinte Data und deaktivierte die Gehhilfe, worauf es Scotty schwindelig wurde. Blitzschnell hatte Data mit ein paar kurzen Befehlen an das Gerät Scottys Gleichgewicht wieder hergestellt. „Mein lieber Schwan.“, staunte Scotty. „Das Ding haben Sie aber im Griff.“ „Ich sehe keinen Schwan.“, entgegnete Data irritiert. „Außerdem wäre ein Vogel sicher nicht in der Lage, ein solch komplexes Gerät zu bedienen.“ In Datas letzte Worte mischte sich ein extremer Lachanfall Scottys. „Ich schmeiß’ mich weg, alter Knabe. Oh, Mann, ich mach’ gleich ’n Salto rückwärts und ’n anständigen Flickflack noch dazu. Oh du liebe Güte, ha, ha, ha, hören Sie auf! Sie machen ja immer noch die gleichen Fehler wie am Anfang, dabei sollte man meinen, Sie hätten in diesen fast 1000 Jahren kräftig dazugelernt!“ „Aber das habe ich doch.“, widersprach Data. „Ich habe gelernt, dass es viele Wesen als lustig erachten, wenn ich mit meinem Androidenverhalten kokettiere. Auf diese Weise ist es mir endlich gelungen, das Konzept des Humors zu …“ „Ach so!“, grölte Scotty durch den gesamten Park, in welchem sie mittlerweile angekommen waren. „Hilfe! Ich platze!“, lachte er danach. „Vielleicht sollte ich dann mal die Luft aus Ihnen herauslassen.“, schlug Data vor und beäugte Scotty von oben bis unten. „Ich finde nur leider kein Ventil.“ „Ventil!“, schrie Scotty zwischen zwei Lachsalven. „Das wird ja immer schöner! Du heilige Scheiße sind Sie komisch geworden.“ „Ich nehme an.“, vermutete Data. „Dass der einzige Grund, aus dem Sie noch nicht geplatzt sind, der ist, dass Sie noch keinen Dummen gefunden haben, der hinterher die Schweinerei entfernt.“ „Aufhören, bitte, ich kann nich’ mehr.“, bettelte Scotty.

Beide setzten sich auf eine Bank. „Ich möchte ja nicht wissen, was bei Ihnen zu Hause manchmal abgeht.“, erklärte Scotty, nachdem er mit Lachen aufgehört hatte. „Hoffentlich lassen die mich bald gehen. Während des Waffenstillstandes kann ich ja vielleicht wieder nach Celsius und Sie nach Terra. Wird jetzt ja noch mal aufgerollt, die ganze Geschichte. Hoffentlich kriegen meine Frau und ihr Team Sytania zum Singen. Ich drück’ meiner Betsy und den Tindaranern auf jeden Fall die Daumen.“ „Ich glaube nicht, dass die Stellung Ihrer Finger über den Ausgang der tindaranischen Mission entscheiden kann.“, erklärte Data. „Ich hatte doch gesagt, Sie sollen aufhören.“, ermahnte ihn Scotty. „Dieses Mal meine ich es ernst.“, verteidigte sich Data. „Ich habe nie verstanden, warum die Terraner diesen alten Brauch noch praktizieren, obwohl sie eigentlich längst verstanden haben müssten, dass ihre Fingerstellung völlig egal ist. Ich habe Simulationen von Missionen der bekannten Sternenflottenschiffe durchlaufen lassen. Dabei hatten die Besatzungsmitglieder in der einen Simulation gekreuzte Finger und in der anderen nicht. Die Mission ging aber immer gleich aus.“ „Ach, Data.“, schmollte Scotty. „Lassen Sie uns doch unseren kleinen Aberglauben.“

Am Fuß des Hügels, auf dem Sytanias Schloss stand, machte sich ein Gespann, begleitet von einem jungen Reiter, an den Aufstieg. Der große Wagen wurde von vier prächtigen Rappen gezogen, die goldenes Geschirr und Zaumzeug trugen. Die Ladung unter der Plane war nicht so ohne Weiteres sichtbar, aber das war auch Absicht. Sytania und ihre Verbündeten wären schlecht beraten gewesen, wenn die Bauern in den Dörfern auch nur ein Fitzelchen von ihrem Plan mitbekommen hätten. Zwar hätten sie Sytania nicht wirklich gefährlich werden können, aber sie hätten uns informieren können, was dem Plan der Prinzessin sehr abträglich gewesen wäre.

Menach, die auf dem Kutschbock des Wagens saß, brachte durch sanfte Aufnahme der Zügel ihre Pferde zum Stehen, als sie sich dem Tor näherten. Auch Serdan, der auf einem großen muskulösen Schimmel nebenher geritten war, tat es ihr gleich. Die Pferde schnaubten wohlig und kauten auf ihren Beißstangen, ein Zeichen, dass sie sehr entspannt waren und keine Angst vor dem Wächter hatten, der in klirrender Rüstung auf sie zu kam. „Fein so.“, flüsterten die Vendar-Jugendlichen ihnen zu. Natürlich wussten Menach und Serdan, dass den Pferden die Abläufe und Geräusche an Sytanias Hof bekannter waren als ihnen selbst. Dennoch wollten sie, wie es auch richtig ist, ihr korrektes Verhalten bestätigen.

Der Wächter hatte sein Schwert gezogen. „Parole!“, rief er. „Heil Sytania, Herrin aller Welten!“, gaben Serdan und Menach aus einem Mund zurück. Der Wächter steckte seine Waffe wieder ein und winkte einigen Mannschaftsgraden der Wache, die sich sofort daran machten, die schwere Zugbrücke herunterzulassen. „Passiert!“, rief er den Jugendlichen zu. Menach und Serdan ließen die Zügel locker und schnalzten ihren Pferden zu, worauf diese sich freudig in Trab setzten. Sie wussten genau, dass es heimwärts ging.

Zirell hatte sich mit Ishan verabredet. Die beiden wollten über Scottys Situation sprechen. Ishan sollte ihr sagen, ob es bald medizinisch in Ordnung sei, Scotty zu entlassen. Zirell war sehr an seinem Schicksal interessiert. Das war sie eigentlich immer, wenn man ein Opfer Sytanias gerettet hatte. Jetzt saßen die beiden in Ishans Sprechzimmer auf der Krankenstation. „Wie ich hörte.“, begann der Arzt. „Wollen meine Kollegen Techniker Scott bald entlassen. Er wird nach Celsius zurückkehren.“ „Wird er dort weiterhin therapeutisch betreut?“, fragte die tindaranische Kommandantin mit einem fast mitleidigen Blick. „Sie sagen, dass dies eigentlich nicht mehr nötig sei.“, erwiderte Ishan. „Oh.“, machte Zirell überrascht. „Der scheint ja wirklich eine Menge wegstecken zu können. Ich hatte erst geglaubt, sein Raubein wäre nur Fassade, aber jetzt bin ich eines Besseren belehrt.“ „Ich vermute.“, begann Ishan, nachdem er Zirell dabei zugesehen hatte, wie sie sich einen Drink repliziert hatte. „Seine Wut auf Sytania wird ihren Teil zu seiner Genesung beigetragen haben. Aber mach dir keine Sorgen, Zirell. Allein wird er zunächst nicht sein. Datas Vernehmungen sind auch beendet und er wird Techniker Scott nach Celsius begleiten und dort eine Weile auf ihn achten. Er wird außerdem Kontakt mit Scientist Cupernica halten, die Ärztin ist. Außerdem ist sie Datas Ehefrau.“ Zirell atmete auf: „Dann ist ja zunächst alles im grünen Bereich.“

 

Sytanias List

von Visitor

Cirnach und Telzan hatten das Mitbringsel ihrer Schüler in Augenschein genommen. „Es ist gut, dass der Metzger den Körper bereits zerlegt hat.“, grinste Telzan. „Dann weiß der einfältige Küchenchef zumindest auch nicht, was er da zubereitet. Der hat ja einen Schiss, das glaubt ihr gar nicht.“ „Vielleicht hat er einfach keine Ahnung, Ausbilder, wann Einhornfleisch seinen Garpunkt hat.“, lästerte Serdan. „Recht wirst du haben.“, pflichtete ihm Telzan bei.

Cirnach griff Menach bei der Hand. „Komm, Menach.“, begann sie. „Wir holen jetzt Sytania. Mal sehen, was sie hiervon hält.“

Shimar saß schlafend in IDUSAs Pilotensitz. Er hatte den Neurokoppler nicht abgelegt. Auch das Schiff hielt seine Tabelle in ihrem Arbeitsspeicher. IDUSA wusste, dass sie ihn so leichter wecken konnte, falls es nötig sein sollte. Von ihrer geostationären Umlaufbahn aus hatte sie mit ihren Kurz- und Langstreckensensoren einen guten Überblick über das Geschehen. Das Bild, welches sie wahrnahm, ließ sie plötzlich einen leichten Stimulatorstoß über den Neurokoppler schicken. Sofort war Shimar wach. Er ahnte, sie würde ihn nicht ohne Grund geweckt haben, denn er wusste auch, dass sie unter Umständen eine Entscheidung nicht allein treffen konnte. Zu viel war passiert. Es hatte ja sogar Tindaraner gegeben, die auf Sytanias Seite waren. Einige von denen waren sogar hochrangige technische Offiziere gewesen und die wussten genau, in welchen Rahmen eine IDUSA-Einheit entscheidungsfähig war. Sytania könnte unter Umständen ihre Pläne entsprechend angepasst haben.

Eilig hatte sich Shimar den Schlaf aus den Augen gerieben. „Ich bin da, IDUSA.“, sagte er ruhig. „Was gibt es denn?“ „Ich habe einen von vier Pferden gezogenen Wagen gesehen, der sich auf Sytanias Schloss zubewegt hat.“, antwortete die Angesprochene. „Das Gespann wurde von einem Vendar-Mädchen kutschiert und ein Junge gleicher Spezies begleitete es auf einem weiteren Pferd. Die Ladung des Wagens konnte ich leider nicht scannen. Die Vendar müssen ein Gerät unter der Plane versteckt haben, das eine Strahlung erzeugt, die meine Sensoren blendet. Ich hätte tiefer gehen müssen, um ein Bild zu bekommen, aber dann hätte ich riskiert, dass man uns sieht.“ „Auf keinen Fall.“, erwiderte Shimar ruhig, aber bestimmt. „Agent Marons Befehle waren eindeutig. Du hast dich schon richtig verhalten, indem du mir erst mal Bescheid gegeben hast. Die Vendar können mit Technologie umgehen. Sie könnten uns sehr gefährlich werden. Die Kinder hatten sicher Erwachsene hinter sich, die dir mit ihren Waffen zu Leibe gerückt wären, hättest du dich gezeigt. Wir werden schon noch rauskriegen, was in dem Wagen war. Vorausgesetzt, das wird überhaupt wichtig. Nicht jede Lieferung an Sytania muss Gefahr für uns oder das Außenteam bedeuten. Aber wir sollten versuchen, von hier einen Einblick zu erhalten. Sag mir Bescheid, wenn du wieder etwas Verdächtiges siehst. Dann setzen wir einen Begleitkurs. Halte aber diese Höhe, damit dich niemand sieht.“ „Einverstanden.“, erwiderte IDUSA.

Sytania hatte den zerlegten und ausgebeinten Körper Valoras kritisch in Augenschein genommen. „Gar trefflich.“, wandte sie sich an Telzan. „Dieser Metzger hat ganze Arbeit geleistet. Niemand wird bemerken, dass es sich nicht wirklich um einen Rehbock handelt. Bringt das Fleisch in die Palastküche. Der Koch soll es gut würzen. So bringen wir es dann zu meinem Vater. Drei mal dürft ihr raten, wer das beste Stück bekommen wird.“ Sie ließ erneut ihr hexenartiges Lachen erklingen.

Wir waren in Logars Schloss angekommen. Agent Maron hatte sich von Logar selbst die strategische Situation schildern lassen. Ich war im Hof geblieben. Etwas hatte mich zu den Stallungen gezogen. Jenna, die mich begleitet hatte, musste von dem gleichen Gefühl angezogen worden sein. Bald fanden wir auch den Grund, oder mindestens einen der Gründe dafür. Argus saß nämlich weinend auf einem der Zaunpflöcke der Koppel, auf die er Kipana gebracht hatte. Etwas musste die extrem liebe und kluge Stute derart traumatisiert haben, dass sie sogar ihre eigene Herde nicht mehr erkannt hatte und deshalb allein gehalten werden musste.

Als Argus mich sah, rannte er mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. „Betsy!!!“, rief er. „Du bist wieder da!!! Jetzt wird sicher alles gut.“ „Und mich begrüßt du gar nicht?“, fragte Jenna und machte einen übertriebenen Schmollmund. „Sorry.“, quietschte Argus eilig. „Hi, Jenn’.“ Er gab ihr flüchtig die Hand.

Kipana hatte mich gesehen. Sie kam zum Zaun getrabt und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Dabei atmete sie tief und sog meinen Geruch ein, als sei es das Süßeste, das sie je gerochen hatte. Sie öffnete dabei leicht ihr Maul, woraus ihre Zungenspitze hervortrat. Damit kitzelte sie mich am Ohrläppchen. Ich gab einen zwar unartikulierten, aber auf sie beruhigend wirkenden Laut von mir: „Mooz.“ Jenna musste lachen. „Es ist nicht wichtig, was man sagt.“, erklärte ich. „Wichtig ist nur, dass es beruhigend klingt. Pferde mögen O-Laute.“ Kipana begann zu schmatzen.

Jenna beobachtete uns eine Weile. Dann sagte sie: „Kipana scheint mit Ihrer Anwesenheit etwas Positives zu verbinden. Anscheinend haben Sie das Dunkle Imperium schon öfter gerettet, als wir wissen.“ Ich nickte. „Das stimmt, Jenn’.“, erwiderte ich dann. „Ich war schon oft mit Time und seiner Crew hier. Wir haben …“

Maron und Logar erschienen auf der Bildfläche. Auf dem traurigen Gesicht des Herrschers machte sich ein Lächeln breit, als er Kipana und mich in trauter Zweisamkeit erblickte. „Du scheinst ihr wieder Freude und Mut gegeben zu haben.“, sagte Logar anerkennend. „Das war nicht schwer, Majestät.“, erwiderte ich bescheiden. „Aber wir sollten wahrmachen, was sie sich von uns erhofft. Sie weiß, wenn wir da sind, wird alles wieder gut.“ „Das stellen Sie sich einfacher vor, als es ist, Allrounder.“, meinte Maron. Auch Kipana wich zurück und stellte die Ohren auf. „Hör nicht auf ihn, Dicke.“, flüsterte ich. „Er ist der geborene Pessimist.“ „Das will ich nicht gehört haben, Allrounder!“, ermahnte mich Maron energisch. Für einen Demetaner war er wirklich sehr pessimistisch. Aber es gab eben in jeder Rasse auch mal jemanden, der aus der Art schlug. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er ziemlich ins kalte Wasser gestoßen worden war, was seine Tätigkeit als Verbindungsoffizier anging. Viele Aspekte der tindaranischen Rechtsprechung hatten ihm Kopfschmerzen bereitet. Und dann gab es da noch die Tatsache, dass Joran ihm bei jeder Gelegenheit selbige Thematik aufs Brot schmierte. Das führte wiederum dazu, dass er sich selbst tierisch unter Druck setzte. Zirell hatte da weitaus mehr Geduld mit ihrem ersten Offizier. Sie fand, dass er, obwohl er ein ausgebildeter Sternenflottenoffizier war, auch das Recht auf Eingewöhnung und sogar auf Schwierigkeiten mit fremden Sitten hatte.

Argus hatte das Gespräch mitbekommen und mischte sich jetzt auch noch ein. „Das wirst du aber hören müssen, weil es so ist.“, sagte er frech. „Und komm mir jetzt nicht mit Strafe. Ich bin Zivilist, ich darf das sagen.“ „Ich werde sie ja auch nicht bestrafen.“, erklärte Maron. „Es ist nur … Ach, vielleicht hat sie ja Recht.“

„Bei ein bisschen Zerstreuung wird es uns allen bald besser gehen.“, schlug Logar vor. „Kürzlich sind ein paar Gaukler an meinen Hof gekommen, die ein lustiges Stück aufführen wollen. Der Theaterdirektor meint, sie seien jetzt mit den Proben so weit, dass sie es spielen könnten. Heute ist der große Tag. Kommt.“ Damit schritt er uns voran in den von Säulen gesäumten Innenhof.

Data war noch eine Weile bei Scotty geblieben. Er stand in ständiger Verbindung mit Cupernica, die er über alles, was medizinisch wichtig war, informierte. „Ich denke, du kannst ihn allein lassen, Data.“, diagnostizierte Cupernica nach Datas letztem SITCH. „Er ist stabil und hat Sytanias Angriff besser verwunden, als wir alle angenommen haben.“ „In Ordnung.“, antwortete Data. „Ich werde den nächsten Liner nehmen und zurückkehren.“

Er hatte das Sprechgerät im Wohnzimmer benutzt. Scotty hatte durch die offene Terrassentür alles mitbekommen. Er kam jetzt ins Haus zurück. „Sie wollen mich alten armen Strohwitwer einfach hier allein lassen, alter Knabe?“, kokettierte Scotty mit seiner Situation. „Sie sind sowohl von den tindaranischen Psychologen als auch von meiner Frau gesund geschrieben und bedürfen meiner Aufsicht nicht mehr.“ Stellte der Android korrekterweise fest. „Ich meinte ja nur, wir könnten vielleicht noch ein paar mal um die Häuser ziehen.“, schlug Scotty vor. „Ich könnt’ Ihnen da ’n paar schöne Ecken zeigen.“ „Die Ecken celsianischer Häuser sind mir bekannt.“, flachste Data. „Es gibt davon meistens vier und sie bilden die Schnittstelle zwischen zwei Wänden von 8,5 m Höhe, von denen eine durchschnittlich 9,00 m breit und die andere durchschnittlich 10,00 m lang ist. Ihre Winkelung beträgt fast immer 90 Grad und sie sind alle gleich. Also kann eine nicht schöner oder hässlicher sein als die andere. Ich bezweifle allerdings auch, dass um Häuser herum zu laufen wirklich einen Spaßfaktor beinhaltet. Die meisten Spezies, die ich kenne, würden dieses eher als langweilig empfinden. Aber vielleicht sind die Schotten da ja anders.“ „Hey.“, erwiderte Scotty, der schon wieder mit einem Lachanfall kämpfte. „Ich bin hier für den Humor zuständig. Nein, wissen Sie, immer, wenn man nich’ damit rechnet. Immer, wenn man nich’ damit rechnet.“ Dann brach er in schallendes Gelächter aus.

Logar sollte Recht behalten, was das Theaterstück anging. Jenna beschrieb mir alles. Auch die Tatsache, dass Sytania von einer 4-Jährigen gespielt wurde. „Man beachte die Ironie, Techniker, nicht wahr?“, flüsterte ich ihr zu. „Sie haben Recht.“, erwiderte Mc’Knight. „Sie benimmt sich ja oft genug wie ein kleines Kind. Ich meine, so verantwortungslos, als wären das Universum und alle Dimensionen ihre Spielwiese.“ „Mit dem Stück könnten die Gaukler aber unter Umständen auch dafür sorgen, dass sie herkommt.“, mischte sich jetzt Maron ein. „Richtig, Sir.“, bestätigten Jenna und ich wie aus einem Mund. „Man beachte die Macht der Medien. Sytania wird das hier als Pamphlet bezeichnen und wird wissen wollen, wie sich ihr Vater erdreisten kann, so ein Stück zuzulassen.“

Maron zerrte mich plötzlich näher zur Bühne, die durch einen abgesteckten Teil des Innenhofes gebildet wurde. „Ich benötige Ihre Hilfe, Allrounder.“, erklärte mir mein momentaner Vorgesetzter sein Verhalten. „Ich kann mich irren. In ihrer Verkleidung sehen alle so fremd aus, aber ich glaube, die erzählende Sängerin ist O’Riley und Telzan wird von Joran verkörpert.“ Ich lauschte eine ganze Zeit intensiv. Als gelernte Kommunikationsoffizierin war ich das genaue Hinhören ja gewohnt. Maron wusste auch, dass man mir durch meine Behinderung bedingt im Punkto Hören so leicht nichts vormachen konnte. Nachdem ich sicher war, drehte ich den Kopf in seine Richtung und nickte drei mal zur Bestätigung. „Das dachte ich mir.“, sagte der demetanische Agent. „Die finden eine Möglichkeit zum Überleben.“

Das Stück war kaum beendet, da stürmte Joran von der Bühne. Auch Shannon folgte ihm. Sie mussten auch uns irgendwie ausgemacht haben. Joran schlug seine Arme um Jenna. „Telshanach!“, rief er überglücklich. Dann küsste er sie. „Jetzt, wo du da bist, können wir einen gemeinsamen Schlachtplan ersinnen.“ „Seh’ ich genau so, Grizzly.“, bestätigte Shannon, die uns auch ausgelassen begrüßt hatte.

Data hatte mit den Mitarbeitern des celsianischen Raumflughafens gesprochen. Es war wie verhext. Heute würde kein Shuttle mehr nach Terra fliegen. Nachdem er Scotty sein Problem geschildert hatte, meinte dieser nur: „Na um so besser, alter Knabe. Dann können wir ja doch noch einen Zug durch die Gemeinde machen.“ Data vermied es, genauer nachzufragen. „Also schön, Mr. Scott.“, sagte er nur. „Sie werden sich nur damit abfinden müssen, dass ich so zu sagen als Ihre Anstandsdame fungieren werde. Jemand muss ja auf Sie aufpassen, wenn Sie total betrunken unter dem Tisch liegen und zu nichts mehr in der Lage sind.“ „Dass Sie nicht betrunken werden können, stimmt einfach nicht.“, lachte Scotty. „Zumindest kann man bei Ihnen etwas Ähnliches erreichen, wenn man Sie der Strahlung einer etwas beschädigten genesianischen oder zadorianischen Energiezelle aussetzt. Zumindest geht das bei Ihrer Frau und wenn diese Aliens Sie in weiser Voraussicht ihr ähnlich gemacht haben, dann dürfte es bei Ihnen auch klappen.“ „Also gut.“, sagte Data. „Ich wäre bereit, mich auf ein solches Experiment einzulassen.“ Scotty replizierte die benötigte Zelle und die beiden machten sich in die nächste Kneipe auf. Data würde die Zelle berühren, wenn Scotty ihm zuprosten würde.

Sytania formierte ihren Tross im Schlosshof. Sie selbst würde allen mit einer weißen Fahne voranreiten. Dann würden ihre persönlichen Leibwachen folgen. In der Mitte sollte sich der Wagen mit dem Fleisch befinden. Da hinter folgten wieder einige von Sytanias zugetansten Rittern. Die Vendar würde sie nicht mitnehmen. Zwischen ihren und den Vendar ihres Vaters könnte naturgemäß ein Streit entbrennen und das wäre das Letzte, was sie gebrauchen könnte. Deshalb kutschierte auch ein imperianischer Soldat den Wagen. „Wohlan denn.“, sagte Sytania. „Lasst uns also gen Westen ziehen, um meinem Vater das Geschenk zu bringen.“ Sie schnalzte Lancelot zu und der gesamte Tross setzte sich in Bewegung.

Shimar und IDUSA waren die Vorgänge nicht verborgen geblieben. Das Schiff konnte die Bilder, die sich ihren Sensoren boten, nur schlecht einordnen. „Was halten Sie davon, Shimar?“, fragte IDUSA und stellte ihrem Piloten die Bilder auf den Neurokoppler. „Wie soll ich das denn finden?“, meinte Shimar zynisch. „Sytania macht ihrem Vater ein Friedensangebot. Ich glaube nicht, dass sie ehrliche Absichten hat. Wir sollten ihnen folgen. Ich übernehme aber besser, IDUSA. Falls Sytania etwas vor hat, habe ich das telepathisch vielleicht eher wahrgenommen. Du kannst ja erst reagieren, wenn die Waffen der Vendar dich erfassen und dann kann es zu spät sein.“ „Es befinden sich keine Vendar unter Sytanias Begleitern.“, informierte IDUSA ihn. „Aber ich fühle mich wirklich sicherer, wenn Sie mich steuern, zumal wir es hier mit einer starken Telekinetikerin und Telepathin zu tun haben.“ „Dachte ich mirs doch.“, sagte Shimar. „Na komm, zeig mir die Steuerkonsole.“

Scotty und Data waren in der Kneipe auf Cenda und Tressa getroffen. Tressa lebte ursprünglich in Little Federation auf Terra. Sie war aber nach Celsius gekommen, um dort mal wieder Urlaub in der Heimat zu machen und ihre langjährige Schulfreundin zu besuchen. Cenda und sie kannten sich bereits von Kindesbeinen an. „Guck mal, wer da kömmt.“, frotzelte Cenda, als sie Scotty und Data durch die Tür kommen sah. „Scotty mit Anstandswauwau.“, antwortete Tressa. „Da kommt sicher keine richtige Freude auf.“ „Sie irren sich, Techniker Tressa.“, erwiderte Data, nachdem er sich ruhig an ihren Tisch gesetzt hatte. „Heute werde ich mich auch mal so richtig betrinken.“ Die beiden Frauen rissen die Münder auf und begannen herzhaft zu lachen. „Wie soll das denn gehen?“, wollte Cenda wissen. „Ich dachte immer, Androiden könnten nich’ ...“ Tressa flüsterte ihr etwas auf Celsianisch zu, das Data aufgrund der Raumakustik und ihrer geringen Lautstärke nicht verstehen konnte. Das Celsianische hatte er seiner linguistischen Datenbank zwar hinzugefügt, aber, wenn die Grundbedingungen derart schlecht waren, konnte er auch nichts verstehen. „Echt?“, fragte Cenda erstaunt, allerdings auf Englisch. Sie war es gewohnt, sich in der Amtssprache der Föderation zu unterhalten, zumal sie die einzige Celsianerin an Bord von Times Schiff war. „Oh, Mann! Wenn das auch bei Data klappt, fress’ ich ’n Besen quer.“ „Dann mach schon mal ’n paar Dehnübungen für deine Futterluke.“, entgegnete Tressa herausfordernd. Sie hatte Cenda von jenem Zwischenfall erzählt, bei dem sich Cupernica ebenfalls wie eine Betrunkene benommen hatte.

Data wurde tatsächlich an diesem Abend richtig lustig, was sich durch die Strahlung der Energiezelle bedingte. Er ließ sich sogar zu folgendem Trinkspruch hinreißen: „Mögen Allrounder Betsy und die Tindaraner Sytania derart in den Arsch treten, dass sie nicht mehr weiß, wie sie heißt und ob sie Männlein oder Weiblein ist!“ „Sehr richtig.“, bestätigten alle am Tisch. „Na denn dann prost!“

Am nächsten Tag hatte Scotty einen gewaltigen Kater. Der Whisky, gemischt mit celsianischer so genannter Süßmilch, war ihm nicht bekommen. „Ich beneide Sie, Data.“, jammerte Scotty. „Sobald Sie der Strahlung nicht mehr ausgesetzt sind, ist bei Ihnen alles vorbei.“ „Ich beneide Sie keineswegs.“, erwiderte der Android fast mitfühlend. „Aber bei mir ist auch nicht alles eitel Sonnenschein. Meine moralischen Unterprogramme müssen auch erst mal mit so einigem fertig werden, was ich mir gestern so geleistet habe.“ Dann replizierte er Scotty noch alles, was dieser für ein anständiges Katerfrühstück brauchte und verließ ihn mit den Worten: „Leider muss ich gehen, sonst verpasse ich den Liner. Ich werde mich nach Ihrem Befinden erkundigen, sobald ich wieder auf Terra bin.“ Scotty nickte gequält.

An einer aus mehreren Kutschzügeln von Argus provisorisch zusammen geschnallten Longe ließ ich Kipana um mich herum laufen. Ich wusste zwar noch nicht, was sie genau erlebt hatte, dachte mir aber, dass es etwas mit Logar zu tun haben musste. Wenn immer Kipana nämlich an ihm vorbei ging, blieb sie eine ganze Weile mit weit aufgerissenen Augen, angespannter Körperhaltung und nervös zuckenden Ohren stehen und spulte die gesamte Palette von Beschwichtigungsverhalten ab. Was war hier nur geschehen? Was hatte dafür gesorgt, dass so ein großes Tier solch eine furchtbare Angst vor dem Menschen empfand, mit dem es sich doch eigentlich immer sehr gut verstanden hatte. Argus, der mich bei dieser Aktion unterstützte, konnte, wollte oder durfte mir nichts sagen. Agent Maron, dem auch einige Unstimmigkeiten aufgefallen waren, hatte bei seiner Befragung der Höflinge genau so wenig Glück. Mir gegenüber hatte er gescherzt: „Wenn auch hier keiner redet, Allrounder, so bin ich doch sicher, dass Sie es aus dem Pferd herauskriegen.“ Ich hatte mit den Schultern gezuckt. Kipanas Verhalten würde dazu führen, dass ich Logar vielleicht auf etwas ansprechen müsste, was ihm sicher unangenehm sein könnte. Das könnte diplomatische Konsequenzen haben, denn das Leiden meines Lieblingspferdes und der Umgang damit könnten bei mir zu einer ziemlich drastischen Wortwahl führen. Argus schien zu bemerken, dass es mir mit der Situation immer schlechter ging. „Oh, Mann, ob diese deinen Pferdeverstand gehabt hätte?“, versuchte er mich aufzuheitern. „Weiß ich nicht.“, antwortete ich knapp.

Kipana stellte sich plötzlich hin und begann zu zittern. Ihre Ohren waren spitz gen Osten gerichtet. Sie gab jenen schnorchelnden Laut von sich, den ich von Pferden nur dann kannte, wenn sie große Angst hatten. Ihre Angst musste so groß sein, dass sie es noch nicht mal mehr schaffte zu flüchten. „Um Gottes Willen, Argus, rede endlich!“, zischte ich dem Stallburschen zu. „Oder kannst du zulassen, dass ein Wesen wegen des Geltungsbedürfnisses deines Herren leidet?“ „Ich bin es, der leiden würde, wenn ich reden würde.“, erklärte Argus. „Logar würde mich bei lebendigem Leibe vierteilen lassen.“ Kipana sah uns beide Hilfe suchend an. „Kannst du wirklich in diese treuen Pferdeaugen blicken, ohne auch nur die geringste Spur von Mitleid?“, setzte ich ihn weiter unter Druck. Argus begann zu weinen. Kipana drehte sich um und kam zu uns. Rasch wickelte ich die jetzt immer lockerer werdende Longe auf. Kipana leckte Argus die Tränen vom Gesicht. „Oh, du Liebe.“, schluchzte Argus. „Du tröstest mich und wie bin ich zu dir? Aber OK, ich werde euch jetzt sagen, was hier passiert ist. Auch, wenn es Logar nicht passt.“ Dann erzählte er die ganze Geschichte.

Ich trennte die Longe von Kipanas Halfter, legte sie aufgewickelt auf einen Pflock und begann, Kipanas Ohren mit leichtem Druck durch meine Hände gleiten zu lassen. “Das sieht aus, als wolltest du ihr die Ohren abreißen.“, scherzte Argus. „Aber nein.“, erklärte ich. „Das ist nur so etwas wie den Stress abmelken. Habe ich von einer Freundin gelernt. Die hat damit schon viel Erfolg gehabt.“ Kipana holte auf einmal tief Luft, öffnete ihr Maul und gab einen lauten kräftigen langen Schnauber von sich. Dann senkte sie schmatzend den Kopf in meine Richtung. „Hast du aber kluge Freundinnen.“, staunte Argus.

Maron war hinüber gekommen. „Das Sie offensichtlich einen Erfolg zu vermelden haben, Allrounder, war ja nicht zu überhören.“, stellte mein vorgesetzter Offizier fest. „Wie man’s nimmt, Sir.“, erwiderte ich. „Ich weiß jetzt, dass Logar sich wie ein eingebildeter Affe verhalten hat. Er hat uns doch glatt verheimlichen wollen, dass Sytania ihm den Hintern versohlt hat.“ Argus räusperte sich. „Dann stimmt das alles tatsächlich nicht, was er mir erzählt hat.“, stellte Maron fest. „Logar hat gemeint, es wäre zu einer Pattsituation zwischen seiner Tochter und ihm gekommen. Aber die Dimensionalphysik und das Bild hier sprechen eindeutig eine andere Sprache. Das wollte ich nur bestätigt wissen. Ich habe getan, als fräße ich Logar aus der Hand, aber, wie gesagt, nur so getan. Mir kam nämlich einiges spanisch vor. Wir sind doch Logars Freunde und trotzdem belügt er uns. Wahrscheinlich ist das bei Königen so. Aber jetzt zu Ihnen, Allrounder. Was haben Sie herausgefunden?“

Ich hatte ihm gerade zu Ende berichtet, da piekte mich Argus in die Seite. „Da kommt ein riesiger Tross.“, staunte er. Maron sah hinüber. „Tatsache.“, meinte er mit leicht frustriertem Tonfall. Das hatte dem Ermittler gerade noch gefehlt! „Sytania allen voran mit weißer Flagge.“, beschrieb er weiter. „Die und Frieden wollen. Das ist ja lachhaft. Ich glaube ihr kein Wort, noch bevor sie den Mund aufmacht.“ „Sollten wir nicht zunächst ihr Spiel mitmachen, Sir?“, flüsterte ich ihm zu. „Nur bis wir wissen, was sie tatsächlich will?“ „Guter Vorschlag.“, flüsterte Maron zurück und klopfte mir auf die Schulter.

Logar hatte durch seinen Herold ebenfalls von Sytanias Ankunft erfahren. Er hatte seine Tochter zu sich in den Thronsaal bringen lassen. Da Sytania sich als trainierte Telepathin ebenfalls gegen ihren Vater abschirmen konnte, wusste Logar genau, dass er auf mentalem Wege die Wahrheit nie finden würde. „Was führt dich zu mir, Tochter?“, fragte er. „Mein Vater.“, begann Sytania. „Ich will Euch endlich meine Hand zum Friedensschluss darreichen. Deshalb haben meine Jäger in meinen Wäldern den trefflichsten Rehbock geschossen, den sie finden konnten. Ich hege wirklich lautere Absichten. Lasst uns diesen neuen Frieden feiern. Euch soll das beste Stück gehören. Auch will ich Euch Euren Thron so zu sagen zurückgeben. Nach dem Fest bin ich bereit, mich in mein Gebiet zurückzuziehen.“ „Nun gut.“, antwortete Logar. „Dann soll es so sein.“

„Logar gibt ein Fest.“, informierte IDUSA Shimar. „Anscheinend will Sytania ihm weiß machen, dass sie Frieden will. Aus irgendeinem Grund ist er drauf eingegangen. Es hat wohl auch mit dem geheimnisvollen Wagen zu tun, dessen Inhalt ich immer noch nicht zu scannen vermag. Das Vendar-Gerät ist immer noch aktiv und ich müsste, wollte ich etwas sehen, schon im Raum sein, damit meinen Sensoren die Strahlung nichts ausmachen kann. Ich bezweifle aber, dass selbst Sie so ein großes Schiff wie mich heil durch einen zum Bersten gefüllten Festsaal fliegen könnten.“ „Käme auf einen Versuch an.“, scherzte Shimar. „Nein, das kann ich nicht glauben.“, erwiderte IDUSA und ließ ihren Avatar die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. „Keine Sorge.“, beschwichtigte der tindaranische Pilot sie. „Ich werde schon keine Kollision zwischen dir und einem von Logars Kronleuchtern riskieren.“ „Darum möchte ich auch gebeten haben.“, entgegnete IDUSA. „Verbinde mich mit Agent Maron!“, befahl Shimar dann. „Vielleicht kann uns jemand im Festsaal sagen, was in dem Wagen war und was Sytanias plötzliches Friedensgesäusel soll. Ich traue ihr nicht über den Weg und glaube, dass sie etwas ziemlich Fieses vor hat.“ „Versuchen Sie bitte nicht, telepathisch etwas heraus zu bekommen.“, bat das Schiff sorgenvoll. „Sie wissen, Sytania kann auch Ihnen sehr …“ „Ich bin zwar mutig, aber nicht lebensmüde.“, tröstete Shimar. „Und jetzt mach mir meine Verbindung.“

Wir hatten uns unter den Feiernden verteilt. Maron tanzte mit Jenna, die ihm aufgeregt zuflüsterte: „Sir, warum haben Sie allen befohlen, ihre Waffen offen zu tragen. Sytania könnte uns leicht telekinetisch entwaffnen.“ „Stellen Sie sich nicht so an wegen eines lächerlichen Phasers, Mc’Knight. Solange sie Ihnen Ihre schärfste Waffe nicht nimmt, bin ich guter Dinge.“ „Welche Waffe meinen Sie, Sir?“, fragte sie. Maron machte ein enttäuschtes Gesicht. „Sie enttäuschen mich, Mc’Knight. Welche Waffe könnte ich wohl meinen, hm?“ Sie schaute immer noch unverständig. „Na Ihren Verstand.“, löste Maron das Rätsel auf. „Der hat uns schon aus mehr Situationen gerettet, als stumpfe Ballerei.“

Auch Joran befand sich in weiblicher Gesellschaft. Allerdings war diese vierbeinig, klein, wuselig, weiß und hörte auf den Namen Slick. Das Hündchen wurde an Logars Hof eigentlich nur geduldet. Slick war nämlich seine schlechteste Jagdhündin. Sie wollte lieber mit den Tieren spielen, als sie zur Strecke zu bringen. Nichts anderes verlangte der Wirbelwind jetzt auch von Joran. Der Vendar zog ein Stofftaschentuch aus der Tasche, machte einen dicken Knoten hinein und warf es ihr hin. Überglücklich mit dem Schwänzchen wedelnd wuselte Slick damit durch den Raum, setzte sich schwungvoll hin und warf den Kopf zurück, so, dass das Tuch quer durch den Saal flog, sprang freudig bellend hinterher, drehte sich in der Luft um sich selbst, versuchte vor Übermut den eigenen Schwanz zu fangen und rannte hinter Joran her, der das Tuch auch mal, wenn er es denn zu fassen kriegte, hinten in seinen Hosenbund steckte und dann auf allen Vieren vor ihr her kroch. Dabei animierte er sie ständig mit den Worten: „Das ist ja mein Fetzen!“ Oder: „Wo ist der Fetzen? Hol ihn dir!“ Dazwischen wurde er immer von heftigen Lachanfällen geschüttelt, die in Verbindung mit Slicks hoher Quietsch-Bellen ein niedliches Klangbild abgaben. Bei Slick machte es nicht Wuff, sondern Wiff. Sie musste aus einem mir unbekannten Grund ihr Welpenstimmchen behalten haben.

Nach Stunden langem Spiel war es Joran tatsächlich gelungen, den kleinen Hund derart zu ermüden, dass Slick sich nur noch in eine Ecke legte. An ihrem Schmatzen und dem Lecken ihrer Pfoten konnte Joran erkennen, dass sie sichtlich zufrieden war. Den „Fetzen“ durfte sie behalten. Joran würde sich ein neues Taschentuch replizieren lassen.

Auch ich hatte ein merkwürdiges Schauspiel beobachtet. Logars Mundschenk füllte seine Ritter richtig gehend ab. Jenna saß mit an meinem Tisch. Immer, wenn der Mundschenk zu mir kam, und im Begriff war, mein Trinkhorn nachzufüllen, sagte sie: „Sie haben da was.“ Das war für mich das Zeichen, selbiges zu verstecken. Ich wollte an diesem Abend definitiv nüchtern bleiben. Schließlich hatten wir es hier mit Sytania zu tun und ihr gegenüber konnte eine Portion gesundes Misstrauen nicht schaden, auch, wenn sie jetzt vorn herum Honig versprach. Servieren würde sie bestimmt hinten herum nur bittere Kräuter.

Dann wurde das Mahl aufgetragen. „Vergiss nicht.“, impfte Sytania dem Mundschenk ein. „Mein Vater erhält das beste Stück.“ „Sehr wohl, Milady.“, antwortete der Mundschenk mit einer unterwürfigen Geste.

Misstrauisch hielt ich meinen Erfasser in Bereitschaft. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Das spürte ich wie Liebeskummer im kleinen Zeh. Als die Reihe an mir war, Fleisch zu bekommen, scannte ich den Inhalt meines Tellers. Das Gerät erkannte Valoras DNS. Sofort hatte ich geschaltet. Sytania wollte, dass keiner merkte, dass sie alle Valoras Körper aßen und es ihr somit unmöglich machten, dort hin zurückzukehren. Das würde allen verdeutlichen, dass sie tot war. Ich schnappte mein Stück Fleisch und warf es mit aller Gewalt in Richtung Tanzfläche, denn dort würde es jeder sehen können. Dann grapschte ich mir jedes Stück, an das ich noch kommen konnte - auch Logars - und verfuhr ebenso damit. Es war mir egal, dass ich die Party sprengte. Wichtig war mir nur, dass Sytania auf keinen Fall mit ihrem Plan durchkommen durfte. Entgeistert sahen alle ihrem Fleisch hinterher. „Guckt nicht so buttig!“, schrie ich. „Versoffenes Ritterpack! Fressen und saufen ohne Nachdenken, das könnt ihr. Aber rafft ihr denn nicht, dass ihr Sytania damit in die Hand spielt? Morgen habt ihr dann ein schlechtes Gewissen und seid völlig demoralisiert. Wollt ihr das?“

Zuerst ging mein Kreislauf in die Knie und dann ich selbst. „Sie hat einen Schock!“, rief Maron. „Joran, hilf uns mal!“ Dann fiel sein Blick auf meinen Erfasser, der mir auch heruntergefallen war. „Aber sie hat Recht.“

Joran war hinzu gekommen. „Fass an!“, befahl Maron. „Bringen wir sie an die Luft!“ „Die Daten müssen zu IDUSA.“, flüsterte ich benommen. „Shimar muss wissen …“ „Sei ohne Sorge, Allrounder Betsy.“, tröstete Joran, der mich lässig über seine Schulter gelegt hatte. „Wir machen das schon.“

 

Prüfungen

von Visitor

„Sieht aus, als hätte Ihr Kleines Sytania anständig die Suppe versalzen.“, meldete IDUSA. „Wo hast du denn den Spruch her?“, staunte Shimar, der so etwas von ihr nie gedacht hatte. „Kommt eben davon, wenn die technische Betreuerin eine Assistentin hat, die einer Celsianerin im Punkto Sprücheklopfen in nichts nachstehen würde. Shannon hat neulich meine Sprachroutinen aufgefrischt. Wie finden Sie das?“ „Ungewohnt.“, gab Shimar zu. „Aber erfrischend. Und jetzt zeig mal her.“

Vorsichtig hatte Joran mich auf einer Wiese abgelegt. Dort hielt mir Maron jetzt eine Schüssel vor den Mund, in die ich – zumindest fühlte es sich so an – meine gesamte Tagesration entließ. Nur eben im Rückwärtsgang. „Lass mich raten.“, versuchte Joran mich aufzuheitern. „Du hattest Gemüse und Salat zum Mittag und ein Brötchen mit Schokolade zwischendurch.“ „Ihr Vendar habt echt einen schrägen Humor.“, erwiderte ich. Dann krampfte sich mein Magen erneut zusammen. „Oh, Backe.“, sagte Maron mitfühlend. „Ihnen ist sicher nicht nur schweineübel, sondern auch sauschlecht.“ „Ja.“, antwortete ich leise. Dabei bemerkte ich, dass sich der nächste Schwall genau über seinen Uniformärmel ergoss. „Und ein Ferkel bin ich noch obendrein.“, schämte ich mich. Er aber sagte nur ruhig: „Volltreffer. Sie können ja nichts dafür, wenn ich es nicht gebacken kriege, Ihnen rechtzeitig die Schüssel vorzuhalten.“

Logar kam im Stechschritt auf uns zu. „Ich verlange, dass du mir das Verhalten deiner Untergebenen erklärst.“, wandte er sich an Maron. Der musste sehr aufpassen, dass ihn die Wut nicht übermannte. Logar war ein trainierter Telepath. Er hätte spüren müssen, dass hier etwas nicht stimmte. Statt dessen hatte er sich – wie seine Ritter und Gefolgsleute auch – der Völlerei und somit Sytanias Plan hingegeben. Sicher konnte meine Aktion Valoras Körper nicht wieder herstellen, ich hatte aber alle vor einem schlechten Gewissen bewahrt. An sich waren die Einhörner den Imperianern nämlich heilig und durften nie angetastet, geschweige denn getötet und gegessen werden. Eigentlich war das ja auch nicht möglich, aber …

Maron stand auf und sagte bestimmt: „Das will ich gern tun, Milord. Sie hat uns alle vor einem schweren Fehler bewahrt. Anders war es Euch in Eurem betrunkenen Zustand sicher nicht mehr beizubringen. Aber das alles war Sytanias Plan. Erst füllt sie Euch ab bis Oberkante Unterlippe und dann geht der Rest von allein. Von wegen Rehbock. Da lachen ja die Hühner!“

Ich war meinem Vorgesetzten sehr dankbar. Mir war kein Beispiel geläufig, bei dem sich ein erster Offizier als Leiter eines Außenteams derart für eine seiner Untergebenen eingesetzt hatte. Vor allem nicht gegenüber einem König oder mehr noch gegenüber einem Herrscher mit Logars Fähigkeiten. Diese hatten im Dunklen Imperium ohnehin nur die Herrscherfamilie und der höhere Adel. Das hatte mit den Genen zu tun. Ich konnte nur vermuten, dass es daran lag, dass Maron Demetaner war. Aufgrund ihrer Geschichte hatten die noch nie wirklich Angst vor Königen gehabt.

Maron hielt Logar meinen Erfasser unter die Nase. „Wenn Eure Fähigkeiten schon dem Met zum Opfer gefallen sind, Milord.“, begann er und tippte rhythmisch auf das Display. „Dann seht Euch mindestens das an!“ Über das Menü hatte Maron das Interpretationsprogramm aktiviert, denn er wusste, mit Zahlen oder einer graphischen Darstellung eines DNS-Stranges konnte Logar nichts anfangen. „Oh, diese Frevlerin!“, rief Logar aus. „Die soll mich kennen lernen!“ „Sie wird uns alle kennen lernen.“, tröstete Maron.

In der Zwischenzeit hatte Joran von mir lassen müssen. „Was ist los?“, hatte ich unsicher gefragt. „Es ist Zeit.“, erwiderte Joran. Ich wollte aufstehen, um nach Argus zu suchen. Er musste entweder das alte Pferd zu uns oder uns zu ihm bringen. „Bleib liegen, Allrounder Betsy.“, sagte Joran. „Dein Kreislauf könnte erneut versagen und dann …“

Ich wollte etwas erwidern, aber ein jähes Geräusch hielt mich davon ab. Ich erkannte einen unregelmäßigen Hufschlag, der sich auf uns zu bewegte. Dann bemerkte ich das alte Pferd, das seinen Kopf zu Joran hinunter beugte und mit den Nüstern seine Stirn berührte. „So geht es auch.“, sagte Joran und konzentrierte sich auf die Übertragung. Wenige Sekunden später bemerkte ich, dass das alte Pferd nicht mehr so schwach schien. Fröhlich galoppierte es von dannen. Sein Hufschlag wurde von jenem Schellenklang begleitet, den ich von den Einhörnern gewohnt war. Jetzt wusste ich, dass es funktioniert hatte.

„Sir!“, rief ich Maron erfreut zu. „Es hat geklappt! Er hat …“ Maron drehte sich mit strengem Blick zu Joran um. „Du hättest Bescheid sagen müssen.“, ermahnte er ihn. „Ich hätte dich mit dem Erfasser überwachen müssen. Das Interpretationsprogramm …“ „Ich glaube, dass ich davon eine ganze Menge mehr verstehe als du, Agent Maron.“, widersprach Joran. „Schließlich mache ich das schon 90 Jahre länger als du.“ „Sehr witzig.“, antwortete Maron. „Als ob ich je …“ „Eben.“, erwiderte Joran triumphierend.

Argus kam angewetzt. „Hey, habt ihr das alte kranke Pferd gesehen?“, fragte er völlig außer Atem. „In der Tat.“, antwortete Joran. „Sie ist jetzt an ihrem neuen Bestimmungsort um …“ „Dann wird ja jetzt alles gut!“, freute sich der Junge. „Nicht so schnell.“, sagte ich. „Wir müssen Sytania noch dazu kriegen, dass sie alles zugibt. Außerdem wird ihre Schöpfung die Führung der Herde sicher nicht kampflos aufgeben.“

Wir konfrontierten Sytania mit meinen Erfasserbildern und den Vorwürfen bezüglich ihrer Kriegstreiberei. „Das mit Valora gebe ich unumwunden zu, Vater.“, gestand sie gegenüber Logar. „Aber das Andere, nun ja, wie wäre es mit einem Urteil des Schicksals. In drei Prüfungen wird jeweils einer von euch gegen einen meiner Leute antreten. Gewinnt ihr mindestens zwei der Prüfungen, will ich auch dies gestehen. Gewinne aber ich, so lasst ihr alle Vorwürfe fahren.“ „Nun gut, Tochter, so soll es sein.“, sagte Logar zuversichtlich und rief seinen Hofschreiber, damit dieser den Vertrag zu Papier brachte. Sytania und Logar verpflichteten sich, Ihre Fähigkeiten nicht zur Einmischung zu benutzen.

Abseits allen Trubels arbeiteten Argus und ich weiter mit Kipana. Logar hatte uns gegenüber zwar widerwillig zugegeben, was wirklich los war, ich konnte mir aber gut vorstellen, dass Kipana vielleicht wegen ihres „Fehlers“ Angst hatte, getadelt zu werden oder gar sein Vertrauen ganz zu verlieren. Solche Pferde, die derart auf ihre Reiter achteten, kannte ich gut. Neben Kipana, der ich sogar mein eigenes Leben anvertrauen würde, hatte ich dies schon bei einem Pferd in meinem privaten Umkreis erlebt. Der arme dicke Knopf und ich wurden auch durch die Fliegkraft voneinander getrennt und er wollte danach nur unter viel gutem Zureden schneller laufen als Schritt. Allerdings hatte sich das schlagartig wieder geändert, nachdem er bemerkt hatte, dass ich mich, wenn ich wusste, worum es ging, doch sehr gut halten konnte. Von meinem Schock hatte ich mich schnell erholt. „Ich verstehe nicht, was sie hat.“, resignierte Argus. „Logar hat ihr doch längst verziehen.“ „Aber sie sich nicht.“, erwiderte ich. „Wir müssen etwas finden, wie wir ihr beibringen können, dass sie in so einer Situation die sein kann, die mit dem richtigen Verhalten dafür sorgen kann, dass das nicht wieder passiert. Aber erst mal müssen wir das Geschehen weiter eingrenzen. Hol doch bitte den Rossharnisch und stell ihn auf.“ Argus folgte meinem Vorschlag, obwohl er noch nicht genau wusste, was ich wollte. Im aufgebauten Zustand sah der Harnisch ja auch wie ein Pferd aus und wir würden damit herausbekommen, ob Kipana Angst vor dem Kampfplatz an sich entwickelt hatte und vor allem was damit zusammenhing.

Ich hielt sie an einem Führstrick, den wir an ihrem Halfter befestigt hatten, bis Argus mit dem Aufbau fertig war. „Mach sie los, Betsy.“, sagte er. „OK.“, entgegnete ich und löste langsam den Verschluss. „Geh aber besser in Deckung. Ich kann dir nicht genau sagen, wie sie reagieren wird.“, schlug ich ihm vor. Argus kam zu mir hinter den Zaun. Ich lockerte meinen Griff. Kipana ging neugierig um den „Blechkameraden“ herum, beschnupperte ihn kurz und drehte sich dann genau so ruhig, wie sie gekommen war, um und nahm sich ein Maul voll Klee. „Sie hat keine Angst.“, stellte Argus fest. „Gott sei Dank nicht.“, bestätigte ich. Sonst müssten wir ganz anders anfangen.“

Shannon kam herüber und fragte: „Hey, wisst ihr, was Logar vorhat?“ „Nein, Technical Assistant.“, erwiderte ich. „Da müssen Sie schon konkreter werden.“ „Logar hat sich von Sytania zu einem Turnier überreden lassen.“, begann die blonde Irin. „Sie will, dass ihr größter Kämpfer gegen unseren größten Kämpfer antritt. Das soll auch schon eine der Prüfungen sein. Sie hat ’n Riesen Namens Monostatos auflaufen lassen. Der Typ is’ drei Meter groß. Um die Taille herum ist er eher schmal, aber einen Brustkorb hat der, oh, Backe. Da passt unser Vendar drei mal rein.“ Sie schaute – zumindest laut Argus – sehr ernst. Ich wusste, jetzt machte sie ausnahmsweise keine Scherze.

Jenna musste alles mitbekommen haben. Jedenfalls stand sie plötzlich neben uns und erklärte: „Das der so einen hohen Schwerpunkt hat, ist doch eigentlich gut für uns. Um so leichter wird er aus dem Sattel fallen. Und zwar durch seinen eigenen Schlag.“ Shannon sah ihre Vorgesetzte fragend an. „Das ist doch ganz einfach, Assistant.“, antwortete Jenna. „Alles, was oben dicker oder breiter ist als unten, verliert schneller das Gleichgewicht. Betsy, könnte Kipana lernen, in dem Moment, wo der Riese zuschlägt, rückwärts zu gehen?“ Ich hatte verstanden. Joran würde somit die Energie des Schlages auspendeln und Kipana würde ihm durch ihre Tendenz in die gleiche Richtung dabei helfen. So würden, wie Jenna es ausdrückte, Reiter und Pferd nicht durch die Fliegkraft getrennt. Das Kipana auch Joran vertraute, wusste ich schon.

Auf dem Kampfplatz gab es eine Art Drehkreuz, von dem eine Kugel an einer schweren Kette herunterhing. Damit konnte man den Schlag eines Gegners simulieren. Kipana und Joran waren bald mit Rossharnisch und Rüstung vorbereitet. Ich wollte, dass die Situation für Kipana so echt wie nur möglich war.

Aufmerksam folgte Kipana jedem Kommando. Sie wusste zwar noch nicht genau, was wir von ihr wollten, aber Lernen hatte ihr schon immer Spaß gemacht. Mit einem Seilzug konnte Argus den künstlichen Ritter, so wurde das Drehkreuz genannt, in Gang setzen.

Joran ritt auf das Drehkreuz zu. „Zieh!“, rief ich Argus zu. Joran sah die Kugel auf sich zu kommen. Er hielt den Schild in ihre Richtung, nahm mit der anderen Hand Kipanas Zügel auf und sagte ruhig aber bestimmt: „Zurück!“ Genau so ruhig folgte sie seinem Befehl und war ziemlich erstaunt, dass er nach dem Anhalten nicht von ihrem Rücken gefallen war. Ich ging hin und gab Kipana ein Leckerchen. Joran patschte ihr mit seiner großen Hand über den Hals und sagte mit dem Brustton der Überzeugung: „Fein, ganz fein gemacht!“ Diese Übung wiederholten wir jetzt einige Male. Am Ende hatte sich auch bei mir ein seltsames Verhalten etabliert. Immer, wenn das Wort fein fiel, griff ich in meine Tasche. Ich fragte mich, wer hier außer Kipana noch dressiert worden war. Kipana benötigte inzwischen auch Jorans Kommando nicht mehr. Sie verband bereits mit der Andeutung des Schwertschlages, wann sie rückwärts zu gehen hatte. „Sie ist so weit.“, strahlte Argus. Ich nickte und Joran bestätigte: „In der Tat.“ „Man könnte eine Strohpuppe in die Rüstung stecken und auf sie setzen.“, freute ich mich. „Sie würde alles ganz allein machen, unser schlaues dickes Mädchen. Aber, wir wollen ja fair bleiben.“

Am nächsten Tag sollte das Turnier beginnen. Mit großer Spannung sahen wir alle zu, wie die beiden Kontrahenten in die Bahn kamen. Maron, der von unserer Arbeit mit Kipana noch nichts wusste, flüsterte Jenna aufgeregt zu: „Oh, Gott, Mc’Knight, Joran hat gegen den doch keine Chance. Der macht Vendar-Brei aus ihm.“ „Abwarten.“, flüsterte die Technikerin zurück. „Ich hoffe nur, Mc’Knight, die benutzen keine unlauteren Mittel.“, ermahnte er sie jetzt für uns alle gut hörbar. „Wo denken Sie hin, Sir.“, sagte sie. „Nur die Gesetze der Physik.“

Sytania hatte das Taschentuch fallen lassen, ein allgemein übliches Zeichen für den Beginn eines Kampfes. Joran und der Riese ritten aufeinander zu. Der Riese hatte sein Schwert gezückt, Joran aber ließ seine Waffe wo sie war. „Zieh endlich deine Waffe, du Hänfling!“, verhöhnte Monostatos Joran. Dieser tat unverständig und meinte nur: „Warum sollte ich? Das hast du doch schon erledigt.“

Kipanas Ohren wackelten aufmerksam nach Vorn und nach hinten. Sie versuchte offensichtlich an Hand der Geräusche herauszubekommen, wann es so weit wäre. „So ist fein.“, ermunterte Joran sie. „Immer schön aufpassen.“

Der Riese holte aus und Kipana blieb kurz aus vollem Galopp stehen, womit Joran gerechnet hatte, weshalb er trotz ihrer Vollbremsung sicher im Sattel blieb. In Bruchteilen von Sekunden später machte sie vier bestimmte Schritte Rückwärts. Der Schlag des Riesen ging ins Leere. Das hatte zur Folge, dass dieser, durch seinen hohen Schwerpunkt bedingt, sofort das Gleichgewicht verlor und mit lautem Geschepper vom Pferd fiel.

„Plong!“, kommentierte ich das Geschehen ziemlich schadenfroh. „Ein Punkt für uns.“ Kipana hatte das laute Geräusch nichts ausgemacht. Sie vertraute uns und wusste, wenn wir in ihrer Nähe waren, konnte nichts passieren. Auch der Kampfrichter erklärte Joran zum Sieger, was Sytanias Laune nicht gerade hob.

Für die zweite Prüfung bedurfte es einiger Vorbereitungen. Argus musste den so genannten „Sack“, ein Hasenfell, das an drei Seiten zusammengenäht war, mit Rindfleisch füllen. Dann sollte Horatio, Logars treuester Diener, den Sack im Wald verstecken.

Wir hatten ausgelost, wer diese Prüfung ablegen sollte und das Los hatte entschieden, dass ich es sein sollte. Jenna würde mich begleiten. Sytania hatte dies zur Kenntnis genommen. „Um so besser.“, sagte sie mit einem zynischen Tonfall. „Dann werden wir uns in einem Sport messen, der zweier Ladies würdig ist. Last meinen Jagdfalken herbringen!“ Ihre Dienerschaft, die sie mitgebracht hatte, stob auseinander. Bald kam einer mit einem großen schweren Käfig zurück, in dem ein großer weißer Falke saß. Arrogant sah Sytania mich an. „Nun wähle auch du deinen tierischen Begleiter. Ich bin sicher, du wirst hinter ihm her reiten wollen, weil du keine seherischen Fähigkeiten hast. Das brauche ich nicht. Es reicht mir, wenn ich von Zeit zu Zeit mal mit meinem Geist nachsehe, wo sich der Falke befindet.“ Ich stellte mich aufrecht vor sie und sagte: „Euer Habitus schreckt mich nicht. Ich wähle Slick!“ Logar wurde angesichts meiner Worte leichenblass. „Aber sie ist meine schlechteste Fährtensucherin. Glaubst du wirklich, dass sie dir helfen wird?“ Argus piekte mich in die Seite. Er wusste sehr wohl, was ich einmal über Slicks Verhalten bei der Jagd herausgefunden hatte. Er wusste, dass ich damals erklärt hatte, dass Slick mit den anderen Hunden, den Jagdhörnern und den Waffen das Töten ihrer wilden Freunde verband. Wenn sie allein mit einem Menschen, dessen Pferd und vor allem mit einem von uns unterwegs war, wusste sie dass dies nicht passieren würde. Außerdem war: „Such den Sack!“, ihr liebstes Spiel. „Also gut.“, erklärte sich Logar schließlich doch einverstanden. „Ich gebe dir Kipana.“, informierte mich Argus. „Ihr versteht euch ja so toll und Slick und Kipana verstehen sich auch.“

Ich musste an eine Szene denken, die ich schon des Öfteren zwischen den beiden beobachtet hatte. Argus hatte Kipana ein Halfter mit einem Strick angelegt. Dann wurde Slick auf die Koppel gelassen. „Slick, bring Kipana in den Stall!“, hatte Argus dem Hündchen dann zugerufen. Slick hatte das Ende des Strickes in die Schnauze genommen und war einige Schrittchen getippelt. Dadurch hatte sich der Strick gespannt. Kipana war ihr vorsichtig gefolgt. Wenn immer Slick stehen blieb und sich setzte, blieb auch Kipana stehen. Argus hatte mir verraten, dass er dies den Tieren nicht hatte beibringen müssen. Irgendwann sei es von selbst dazu gekommen. Slick hätte sich schon immer für alles interessiert, was herunterbaumelte. Allerdings war Kipana das einzige Pferd, das für dieses Spiel geduldig und ruhig genug war.

Maron hatte sich mit Logar getroffen. Etwas schien den Demetaner gewaltig an dessen Verhalten zu stören. Maron ahnte wohl bereits etwas von dem, was noch auf uns warten würde. „Ich hoffe, Majestät, Ihr vertraut meinen Untergebenen und Slick.“, begann der demetanische Agent mit strengem Blick ein Gespräch. „Ich versichere dir, dass nichts geschehen wird, Maron.“, tröstete Logar. Maron ließ es zunächst dabei bewenden, aber sein Misstrauen war noch nicht verflogen. Er sorgte sich, dass Logar seiner Tochter die Sache mit den Einhörnern noch heimzahlen wollte und wenig Vertrauen in Sterbliche hatte. Seine Rachegelüste könnten ihn zu Dingen verleiten, die Logar später bitter bereuen könnte.

Shimar war in IDUSAs Cockpit eingedöst. Mit Hilfe eines sanften Stimulatorstoßes über den Neurokoppler weckte das Schiff ihn. „Was gibt es denn, IDUSA.“, fragte Shimar an. „Ich habe gerade so schön geträumt.“ „Agent Maron möchte Sie sprechen.“, erfolgte IDUSAs nüchterne Antwort. Shimar setzte sich aufrecht hin und erwiderte: „Na verbinde schon.“ IDUSA führte den Befehl aus. Bald sah Shimar das Gesicht seines demetanischen Vorgesetzten vor seinem geistigen Auge. „Shimar, ich möchte, dass du und IDUSA ein Auge auf Techniker Mc’Knight und Allrounder Betsy haltet. Logar hat die Sache mit Valora nicht verdaut, fürchte ich und er wird vielleicht doch seine Fähigkeiten einsetzen. Den Vertrag zwischen Sytania und uns habt ihr ja auch.“ Maron hatte den Vertrag mit seinem Erfasser abgescannt und die Datei dann an IDUSA überspielt. „Warte bitte kurz, Maron.“, sagte Shimar. „IDUSA, Stummschaltung und zeig mir die Passage über Vertragsstrafen.“ Ohne zu antworten folgte sie seinem Befehl. Jetzt sah Shimar die gesuchte Passage vor sich. Er schrak zusammen. „Oh, Mann, wenn Logar sich wirklich herablässt und seine Fähigkeiten benutzt und das nachgewiesen werden kann, gewinnt Sytania die entsprechende Prüfung automatisch.“, stellte Shimar fest. „Einen eventuellen Beweis unter den Tisch fallen lassen können wir auch nicht. Das wäre auch unfair und hätte das Gleiche zur Folge.“, Maron staunte über Shimars Weitsicht. Der Tindaraner war in dem Alter, in dem in früheren Zeiten Sternenflottenfähnrichs gerade die Akademie verlassen hatten. Da hatte er eigentlich etwas anderes erwartet. Dem demetanischen Agenten fiel vor Begeisterung die Kinnlade herunter. „Ich wusste, wir verstehen uns.“, sagte Maron, nachdem er sich wieder gefangen hatte. „Verlass dich auf IDUSA und mich.“, Tröstete Shimar. Er beendete das Gespräch und wandte sich an die soeben Erwähnte: „Du hast den Gentleman gehört. Halte also deine Sensoren ja online, klar?!“ „Sonnenklar.“, erwiderte IDUSA.

Jenna und ich waren abreisebereit. „Ich muss meinem Vater leider zustimmen.“, versuchte Sytania uns zu demotivieren. „Slick wird euch kein bisschen bei der Suche helfen können. Außerdem fliegt mein Falke viel schneller und kann aus der Luft einen viel größeren Raum übersehen.“ „Das muss gar nichts heißen.“, erwiderte ich ruhig gegenüber Sytania. Dann sagte ich zu Slick: „Slick, such den Sack!“ und zu Kipana: „Komm!“ Auch Jenna schnalzte ihrem Pferd zu.

„Sie sind unterwegs.“, meldete IDUSA. „OK.“, antwortete Shimar. „Beobachten wir sie. Bleib in dieser Höhe und setze Kurs hinter ihnen her.“ „Glauben Sie ernsthaft, dass Logar sich einmischen wird?“, wollte IDUSA wissen. „Ich weiß es nicht.“, erwiderte ihr Pilot. „Was sagt denn deine Datenbank darüber aus?“ „Bisher hat Logar sich in 99,99999 % der Fälle immer herausgehalten.“, erklärte das Schiff nach Konsultation ihrer Datenbank. „Aber, Maron wird uns den Befehl nicht umsonst gegeben haben. Im Schloss muss irgendwas geschehen sein, das ihn denken lässt, dass Logar von seinem bisherigen Verhalten abweichen würde.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Shimar. „Lass mich übernehmen, mir ist langweilig.“ Das Schiff zeigte ihm die Steuerkonsole.

Jenna und ich folgten Slick, die mit am Boden schleifender Nase vor uns her lief. „Kipana scheint sehr auf Slick zu achten.“, stellte Jenna fest. „Das stimmt.“, bestätigte ich. „Slick ist Kipanas kleine Freundin und sie ist Slicks große. Ich glaube, dass …“ Wir spürten beide einen einzelnen Windstoß, den wir uns nicht erklären konnten. „Haben Sie irgendetwas gesehen, dass Sie schließen lässt, dass ein Sturm aufkommt, Jenn’?“, fragte ich unsicher. „Nein.“, erwiderte sie ruhig aber doch etwas verwundert. „Merkwürdig, jetzt ist keine Wolke am Himmel.“ „Wie könnte ein einzelner so starker Windstoß zustande kommen?“, wollte ich wissen. „Ich weiß es nicht.“, antwortete sie Schulter zuckend. „Ich bin Dimensionalphysikerin, aber keine Wetterexpertin.“

Kipana war plötzlich stehengeblieben und hatte ihren Kopf in eine bestimmte Richtung gedreht. Ihre Ohren wackelten hin und her, als wolle sie ein Geräusch orten. Jenna hatte ihr Pferd neben uns angehalten. Dass Kipana sehr empfindlich war, was Geräusche anging, hatte ich Jenna längst erklärt. „Ihre Dickmaus ist alarmiert.“, beschrieb mir Jenna Kipanas Gesichtsausdruck. Ich hielt den Atem an und lauschte ebenfalls. In der Ferne konnte ich ein hohes Bellen wahrnehmen. Wenn es das war, das Kipana gehört hatte, dann hatte Slick etwas entdeckt. Ich ließ die Zügel locker und Kipana drehte sich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. „Bitte folgen Sie mir, Techniker!“, rief ich Jenna zu.

In der Nähe einer Baumgruppe hielten wir an, stiegen ab und banden die Pferde an zwei Stämme. Dann führte mich Jenna zum Ort des Geschehens. Slick wuselte aufgeregt um etwas herum, das am Boden lag. Immer wieder machte sie: „Wiff, wiff.“ und sprang in die Luft. Das Etwas bewegte sich und stieß Schreie aus. Slick beschnupperte es immer wieder und stupste es mit der Nase an, als wollte sie es zu einer Handlung animieren. Als sie mich sah, wuselte sie auf mich zu und sprang mit noch einmal: „Wiff, wiff.“, an mir hoch, als wollte sie sagen: „Guck mal, was hier passiert ist!“

Jenna fasste das strampelnde panische Etwas und hob es hoch. „Das ist ja Sytanias Jagdfalke!“, rief sie aus. Dann beäugte sie ihn von oben bis unten und sagte: „Er hat sich all seine Schwungfedern gebrochen. Der Windstoß muss ihn voll erfasst haben. Er hat ihn wohl aus dem Gleichgewicht gebracht, dadurch ist er ins Trudeln gekommen und abgestürzt. Kein Wunder, dass er Angst hat. Vor der nächsten Mauser wird das nichts mehr mit dem Fliegen.“ Sie hielt den Vogel in meine Richtung. Vorsichtig betastete ich ihn. „Sie haben Recht, Jenn’.“, bestätigte ich. „Könnte es sein, dass Maron uns hiervor warnen wollte?“ Ich hatte eins und eins zusammengezählt. Ein einzelner Windstoß konnte nur bedeuten, dass ein Mächtiger am Werk war, der auch das Wetter kontrollieren konnte und wer hätte da wohl im Moment das stärkste Motiv? Außerdem arbeitete ein Windstoß, der natürlichen Ursprungs war, nie so gezielt. Ich zückte meinen Erfasser und scannte die Umgebung. „Das wird nichts nützen, Betsy.“, erklärte Jenna. „Logars Energie ist hier überall. Wir sind schließlich in seinem Machtbereich. Das hat er wirklich geschickt eingefädelt. Mit dem Erfasser können wir ihm nichts beweisen. Wir können nur den armen Vogel hier einpacken und ein paar von seinen Schwungfederresten noch dazu. Den Sack lassen wir sein, wo der Pfeffer wächst.“ Wir polsterten die Satteltasche hinter meinem Sattel mit Laub aus und legten den armen Vogel und einige Federstücke hinein. Dann ging es in Richtung Palast zurück.

Shimar hatte nicht auf die Daten geachtet, die sein Schiff ihm übermittelt hatte. Er war mit einer anderen Sache beschäftigt gewesen. Telepathisch hatte er gespürt, dass Logar sich eingemischt hatte. Mit aller Konzentration hatte er dies zu verhindern versucht. IDUSA musste Störwellen auf den Neurokoppler schicken, um zu verhindern, dass er sich überforderte. „Sie wissen doch, dass Sie gegen Logar nicht ankommen.“, erklärte sie. „Eigentlich ja.“, meinte Shimar total außer Atem. „Aber einen Versuch war es wert. Ich hoffe, du konntest aufzeichnen.“ „Daher weht also der Wind.“, erkannte das Schiff. „Sie wollten, dass ich alles aufzeichne, damit wir Logars Einmischung nachweisen können.“ „Richtig.“, bestätigte Shimar. „Der mentale Kampf zwischen Logar und mir hat ja auch einen Neuralabdruck von ihm und von dem, was er vor hatte, in meiner Hirnrinde hinterlassen und das konntest du über meine Tabelle und den Neurokoppler sehen und aufzeichnen. Das war alles, was ich erreichen wollte. Natürlich wusste ich, dass ich gegen Logar keine Chance habe und seine Aktion mit dem Windstoß nicht verhindern konnte. Gib Jenna und Betsy den Beweis und überspiele ihn auch an unsere Heimatbasis. Sicher kann Ishan ihn auch interpretieren und unserem Kriminalisten sein Gutachten schicken. Dann kann Maron Logar festnageln.“ „Habe ich alles schon in die Wege geleitet.“, beschwichtigte IDUSA seinen Tatendrang. „Du kleines umsichtiges Schiff du.“, lächelte Shimar.

Das Gutachten war schnell geschrieben und der androide Mediziner hatte es Shimar und IDUSA gesendet. Diese hatten es an Maron weiter gegeben, der inzwischen auch im Besitz unserer Beweise war. „Ausgezeichnete Arbeit von Ihnen allen.“, lobte Maron. „Hätten wir diese unfaire Handlung unter den Teppich gekehrt, wären wir keinen Deut besser als Sytania gewesen. So haben wir zwar diese Prüfung verloren, aber das macht nichts. Es gibt ja noch eine und wenn es eins zu eins steht, wird das Ganze nur noch spannender. Allerdings werde ich Logar mit seinem Fehlverhalten konfrontieren müssen.“

 

Die letzte Schlacht

von Visitor

Der König leugnete die Tat keineswegs, der Maron ihn beschuldigte. Im Gegenteil, er brüstete sich noch vor seiner gesamten Dienerschaft und uns allen damit. „Du demetanischer Narr!“, griff er Maron an. „Helfen wollte ich euch damit, sonst nichts!“ „Die einzige, der Ihr geholfen habt, Vater.“, lachte Sytania schadenfroh. „Bin ich. Jetzt steht es, wie Maron schon richtig gesagt hat, eins zu eins und die dritte Prüfung …“ „Die dritte Prüfung wird keiner von euch bestreiten.“, hörten wir alle plötzlich Valoras Stimme in unserem Geist. „Aufgrund von Querelen und Rachegelüsten könnt ihr anscheinend das hier nicht allein lösen. Weder ihr Sterblichen noch du, Logar.“ Da Valora mächtiger war als selbst Logar, durfte sie ihn auch so behandeln und duzen. „Die letzte Prüfung werden Sytanias Schöpfung und ich bestreiten, indem wir miteinander kämpfen. Noch ein Sonnenlauf und wir werden uns in der Dämmerung vor dem Schlosse einfinden.“, erklärte Valora.

Wir waren alle damit einverstanden. Nur Logar schien sich irgendwie gekränkt zu fühlen. „Wer glaubt sie denn, die sie ist?“, fragte er vor Wut schäumend. „Vermutlich ein Quellenwesen.“, erklärte Maron mit leicht zynischem Tonfall. „Sternenflottentheoretiker glauben, dass die Einhörner Quellenwesen sind, oder zumindest von ihnen abstammen.“ „Und denen vertraut ihr mehr als eurem politischen Freund?“, fragte Logar weiter und dieses Mal konnte man richtig hören, dass er beleidigt war, auch, wenn man kein Empath war. Ein mittelmäßiges Gehör reichte da aus. „Mit jemandem, der aufgrund seiner Wut so unberechenbar ist und sogar einen Verrat begeht, werden meine Truppe und ich auch nicht mehr unter einem Dach leben.“, gab Maron seine Meinung zum Besten. „Alle fertig machen zur Quartierverlegung!“

Wir campierten bald weit außerhalb der Schlossmauern auf einer wilden Wiese. Shimar hatte uns Schlafsäcke hinuntergebeamt. Spät in der Nacht wachte ich dadurch auf, dass etwas an meinem Schlafsack zog. Ich drehte mich um und erkannte Slick. Am anderen Ende ihrer Leine befand sich Argus. „Was machst du denn hier?“, flüsterte ich. „Und, wie hasst du uns gefunden?“ „Slick hat euch gefunden.“, antwortete der Junge. „Ich hab Angst. Darf ich zu dir?“ Ich rückte ein Stück in meinem Schlafsack bei Seite. Sternenflottenschlafsäcke waren groß genug für zwei, zumal dann, wenn einer noch ein Kind war. „Krabbel’ rein.“, forderte ich ihn leise auf. Slick setzte sich neben uns und spitzte die Ohren, als wolle sie auf uns aufpassen. „Was ist denn?“, fragte ich den kleinen zitternden Argus schließlich. „Ich hab was gesehen.“, begann er. „Diese Uhurah hat die Sprache der Pferde sicher nicht drauf gehabt, aber du …“ „Was sollen deine Andeutungen.“, flüsterte ich zurück. „Dein König hört uns nicht. Ich trage eine Rosannium-Halskette, also ist alles OK.“ „Ich muss es dir zeigen.“, erwiderte Argus. „Aber nimm deinen Erfasser mit.“

Hinten herum schlichen wir zum Schloss zurück. Argus führte mich zu den Koppeln und beschrieb mir eine eigenartige Szene. In mitten der Pferde stand das böse Einhorn. Aber es verhielt sich, wie ich bald herausfand, nun so gar nicht wie ein höheres Wesen, sondern wie ein ganz normales Pferd. Jetzt hatte ich begriffen, worauf mein kleiner Freund hinaus wollte. Ich hielt meinen Erfasser in die Richtung und befahl ihm: „Erfasser, Interpretationsprogramm laden! Befindet sich im vorderen Gehirnteil das Neuralmuster eines Pferdes? Akustische Meldung!“ Ich hatte einen Ohrhörer angeschlossen. „Positiv.“, kam es nüchtern zurück. „Befindet sich im hinteren Gehirnteil das Muster eines mächtigen Wesens?“, fragte ich zur Verifizierung. „Positiv.“, antwortete der Erfasser auch dieses Mal. Das konnte nur eines bedeuten. In der Nacht, wenn das mächtige Wesen schlief, hatte der Geist des Ackergauls wieder die Kontrolle über seinen eigenen Körper. Tiere lernten durch Erfahrung. Sicher war er nicht in der Lage, die gesamte Tragweite zu verstehen, wusste jedoch, dass er, wenn ein bestimmter Zustand vorherrschte, fast frei war. Ich speicherte die Daten ab. „Wir müssen Agent Maron wecken!“, schlug ich vor. „OK, komm!“, sagte Argus und nahm mich bei der Hand.

Mein Vorgesetzter war nicht sehr erbaut darüber, dass ich ihn aus dem Schlaf holte. Als ich ihm aber meinen Erfasser vor die Nase hielt, änderte sich das schlagartig. „Mutter Schicksal!“, rief Maron aus. „Jetzt weiß ich, warum sich Valora mit dem bösen Einhorn in der Dämmerung duellieren will. Ihre Chancen, das Duell zu gewinnen, sind dann viel größer, weil der Geist des armen Pferdes, in dessen Körper das böse Einhorn ist, noch ein Wörtchen mit zu reden hat. Der ist ja mit dem Tun des Einhorns nicht gerade einverstanden und hätte sicher gern seinen Körper wieder für sich. Ich muss Ihnen noch etwas sagen, Betsy. Mc’Knight hat Berechnungen angestellt, was den Kampf und seine Folgen angeht. Laut ihr müsste das ganze Schloss evakuiert werden. Der Energieaufbau zwischen den beiden könnte alles zum Einsturz bringen. Falls Logar sich jemals wieder beruhigt, müssen alle in die Wälder gebracht werden. Dort wären sie weit genug weg. Am Schnellsten ginge das natürlich mit IDUSAs Transporter. Joran hat den Gauklern bereits nahe gelegt zu verschwinden. Ich will so wenig Zivilisten wie möglich hier haben, wenn die Musik los geht.“ Ich wusste genau, was er mit der „Musik“ meinte. Das Wort war unter Sternenflottenvorgesetzten zu einem geflügelten Begriff für heftige Ereignisse geworden. „Werden Sie Logar entsprechend informieren, Sir?“, fragte ich. „Woher denn?“, erwiderte mein kommandierender Offizier abschätzig. „Der ist doch angeblich so mächtig und weiß über alles Bescheid. Wenn Sie aushalten können, dass ich ihn seinem Schicksal überlasse, tue ich gar nichts. Diplomatisch tätig würde ich allenfalls für Sie oder sonst einen von Ihnen oder für einen von Logars Dienern. Die können ja alle nichts dafür. Aber auf keinen Fall für ihn. Das kann er sich abschminken.“ „Ich schaffe das schon, Sir.“, entgegnete ich und versuchte, so zuversichtlich wie möglich zu klingen.

Ein Unwetter war aufgezogen. Shimar hatte ziemlich zu tun, IDUSA stabil zu halten. „Laut meiner Datenbank.“, begann das Schiff. „Geschieht das immer dann, wenn sich zwei Einhörner duellieren. Zumindest glauben das die Imperianer.“ „Interessant.“, brummelte Shimar. „Trotzdem sollten wir einen Landeplatz suchen. Jenna hat gesagt, dass während des Kampfes eine Energiewolke die Dimension einhüllen wird, die deine Sensoren blendet. Und ich soll telepathisch den Kampf beobachten, damit du aufzeichnen kannst. Dann kann ich dich nicht fliegen und du dich auch nicht. Also.“ IDUSA scannte die Umgebung. „Es gibt einen Hügel ganz in der Nähe.“, sagte sie. „OK.“, erwiderte Shimar. „Dann nehmen wir den.“

Logar hatte sich, der fortschreitenden Zeit wegen, doch mit unserer Hilfe einverstanden erklärt. Mit Hilfe von IDUSAs Transporter hatten wir seinen gesamten Hofstaat in die umliegenden Wälder verteilt. Nur er war geblieben.

„Pfui Teufel, was ’ne Suppe.“, kommentierte Shannon das Wetter. „Na ja.“, meinte ich. „Wenn zwei Einhörner miteinander kämpfen, ist das schließlich ein Großereignis.“ „Ach so.“, meinte sie platt. „Sie denken, dazu hat der Himmel auch noch was zu sagen.“ Ich lachte ob ihres Scherzes.

Wenige Momente danach sahen wir die Einhörner. Valora und ihr böser Gegner kamen aus zwei verschiedenen Richtungen. Die eine aus Süden, der andere von Norden. Sie stellten sich einander gegenüber auf. „Es geht los.“, flüsterte Maron. „In der Tat.“, bestätigte Joran. Jenna hatte uns allen verboten, Erfasser zu benutzen. Die Geräte könnten durch die hohe Menge an Energie Schaden nehmen, ja sogar explodieren und uns verletzen.

Auch IDUSA hatte das Geschehen beobachtet. Sie schaltete auf Shimars Befehl ihre Sensoren offline, denn ihr würde eventuell das gleiche Schicksal blühen. „OK, die einzigen Informationen kriegst du jetzt nur noch von mir.“, sagte Shimar. Dann schüttelte ihn bereits die erste telepathische Wahrnehmung einer hasserfüllten Energiewelle des bösen Einhorns. „Starte die Aufzeichnung!“, befahl Shimar mit verzerrtem Gesicht. „Starte die verdammte Aufzeichnung.“ IDUSA ließ ihren Avatar nicken und führte den Befehl aus.

Unter uns bebte die Erde. Die Mauern des Palastes begannen bedenklich zu schwanken. Die Luft war von zuckenden Blitzen erfüllt. Außerdem gab es ein lautes immer mehr anschwellendes Geräusch, das mich an Stromschläge erinnerte. Im Prinzip war es ja auch so. Wir hatten uns alle auf den Boden gekauert. Laut Jenna war dies die sicherste Stellung im Bezug auf Querschläger. Nur Shannon schien das nicht kapiert zu haben. Sie stellte sich plötzlich aufrecht hin und schrie: „Los, Valora! Zeig’s dieser Satansbrut!“ „Zurück auf den Boden mit dir, Shannon O’Riley!“, rief Joran und warf sie nieder. „Oder wollen Sie als Grillwürstchen enden, Assistant.“, pflichtete ihm Jenna bei.

Schlag um Schlag hatte Shimar die Energiesalven und Emotionen der Einhörner jetzt ausgehalten um dem Schiff die Aufzeichnung zu ermöglichen. Er war am Ende. „Erlauben Sie mir, einige leichte Störwellen zu senden.“, schlug IDUSA vor. „Auf keinen Fall!“, erwiderte Shimar. „Für unsere oberen 10000 und die der Föderation brauchen wir es ganz genau. Wenn du an der Sache drehst, dann denken die, wir hätten geschummelt. Also muss ich da wohl durch.“

„Ohne Erfasser ist es verdammt schwer, etwas über den Kampf zu sagen.“, meinte Maron nervös. „Ich glaube an Valora, Maron von Demeta.“, äußerte sich Joran. „Valora hat von mir während der Zeit in meiner Sifa alles Wissen, das ich über Sytania und ihre Schöpfungen hatte, bekommen. Du weißt, dass wir dann kommunizieren konnten.“ „Gut, dass du das sagst, Joran.“, atmete Maron auf. „Jetzt ist mir wohler.“

Aufgrund eines unbestimmten Gefühls war ich zu IDUSA gerobbt. Da ich sie wegen der Störungen nicht anSITCHen konnte, klopfte ich mit dem Finger an ihre Hülle. Sie verstand und ließ mich einsteigen. „Gut, dass Sie da sind.“, sagte sie. „Bitte helfen Sie Shimar. Er hat sich hoffnungslos übernommen.“ „Red’ keinen Quatsch, IDUSA.“, meldete sich der Angesprochene zu Wort. „Ohne mich geht es nicht. Ich bin der einzige mit telepathischer Wahrnehmung. Ohne mich kriegst du keine Daten und … Oh, Gott!!!“ Wieder war er von einer Welle erschüttert worden. „Ich bin bei dir, Shimar.“, flüsterte ich. „Zusammen schaffen wir das. Hier, nimm meine Hand.“ Er stieß mich weg. „Kleines, wenn ich das mache, dann kriegst du alles ab. Das wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht. Nicht schon wieder!!!“ „Du kannst nicht mehr.“, stellte ich fest. Dann sagte ich: „IDUSA, Aufzeichnung beenden. Dann kann auch Shimar sein Wahrnehmungszentrum wieder schließen.“ „IDUSA, nein!!!“, entgegnete er. „Du zeichnest weiter auf. Wir wollen doch den Regierungen das Ende nicht vorenthalten, nicht wahr? Betsy, es hilft mir schon sehr, dass du bei mir bist. Aber berühre mich bitte nicht. Das muss ich allein … Es geht wieder los! Oh, Gott, den überlebe ich nicht!!!“

Dieser Energiestoß dauerte länger als die bisherigen. Ich fühlte seinen Puls, um nachzusehen, ob sich seine Vermutung bestätigte. „Nicht anfassen.“, ermahnte er mich.

Plötzlich öffnete IDUSA ihre Luke. Wir sahen in das schönste Sommerwetter. „Es ist vorbei.“, schloss ich. „Shimar, es ist gut. Du hast es geschafft.“ „Allrounder Betsy hat Recht.“, bestätigte IDUSA. „Ich habe alle Daten des Kampfes.“ Shimar machte nur: „Uff.“ Dann sagte er: „Das kriege ich kein zweites Mal hin.“ „Müssen Sie ja auch nicht.“, tröstete das Schiff.

Das Horn auf der Stirn des Ackergauls hatte sich zurückgebildet. Offensichtlich hatte Valora Sytanias Schöpfung getötet. Ruhig und erleichtert stand das Pferd nun da und graste.

Valora jedoch ging auf Sytania zu und berührte sie mit ihrem Horn. „Bitte, lass Gnade walten.“, bat Sytania, aber umsonst. Ohnmächtig sank sie zu Boden. Dann wurden wir alle Zeugen ihres Angriffes auf Scotty, da Valora zu uns allen eine telepathische Verbindung mit Sytanias Geist aufgebaut hatte. Geistesgegenwärtig griff ich Shimars Neurokoppler, zog ihn ihm vom Kopf und setzte ihn mir selbst auf. Dann befahl ich ihr, meine Neurotabelle zu laden. Dadurch konnte sie Sytanias Quasi-Geständnis auch für die Nachwelt aufzeichnen und Shimar war entlastet. „Danke, Kleines.“, flüsterte Shimar mir zu.

Auf dem Rückweg wurde es zwar etwas eng, aber wir sechs schafften es doch nach Hause. Ich wurde sogar auf Terra abgesetzt.

Wenige Tage danach traf ich mich mit Data, Cupernica und den Handersons am nahen Strand. „Jetzt, da alles bewiesen ist, wird der Krieg nicht fortgesetzt.“, erklärte Data die Nachrichten. „Darüber bin ich sehr froh.“, erwiderte ich. „Wo ist eigentlich Ihre Frau?“

Cupernica kam mit einem Tablett voller eingepackter Eistüten auf uns zu. „Wer möchte ein Eis?“, fragte sie fröhlich in die Runde und warf einige Tüten in unsere Richtungen. Eine davon traf meinen nur mit einem dünnen Badeanzug bekleideten Bauch. „Igitt!“, quietschte ich. „Cupernica, das war kalt!“ „Natürlich.“, kam es nüchtern zurück. „-18° um genau zu sein.“ Ich verzieh ihr und grinste.

Am nächsten Tag redete ich auch mit Commander Kissara über alles. Auch über mein Fremdgehen. „Wenn es der Liebe bedurfte, um Ihre Angst zu besiegen, habe ich nichts dagegen.“, sagte Kissara ruhig. „Aber, Sytania hat doch …“, wollte ich ansetzen, aber sie schnitt mir das Wort ab: „Wollen Sie etwa Ihre Handlungen durch Sytania bestimmen lassen? Ich sage Ihnen was. Sytania hasst es, wenn man sie nicht als Bedrohung ernst nimmt. Das kratzt gewaltig an ihrem Ego und das ist effizienter als jede Waffe. Meiner Meinung nach hätte man so mit jeder Art von Terroristen verfahren sollen. Sie haben nichts Unrechtes getan.“ Höflich bedankte ich mich und beendete die Verbindung. Manche Dinge im Leben geschahen halt einfach und durch unsere Reaktion hatten wir alles doch noch zu einem guten Ende gebracht. Mit diesem Gefühl trat ich am nächsten Tag beruhigt meinen Dienst wieder an.

ENDE

 

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