In Sachen Zeitlinie - Eine Herzensangelegenheit

von Visitor
Zusammenfassung:

 

Während ihres Urlaubs in Zeitland trifft Betsy auf Tchey, eine reptiloide Freundin, mit der sie auch schon einige Abenteuer zusammen erlebt hat. Als sie zusammen einen Wettflug machen wollen, müssen sie mit Entsetzen feststellen, dass die Föderation vor einem halben Jahr von den Genesianern erobert wurde. Weder Betsy noch Tchey können sich an einen Krieg mit ihnen erinnern. Für Betsy steht fest, dass die Zeitlinie von jemandem verändert wurde und entschließt sich, den Dingen auf den Grund zu gehen. Dabei macht sie eine Entdeckung, die weit über ihre Vorstellung hinausgeht...


Kategorien: Fanfiction, Fanfiction > Star Trek Charaktere: Keine
Genres: Science Fiction
Herausforderung: Keine
Serie: Keine
Kapitel: 60 Fertiggestellt: Ja Wörter: 245900 Aufgerufen: 362629 Veröffentlicht: 02.09.12 Aktualisiert: 20.09.12

Kapitel 34 - Versuchter „Dolchstoß“

von Visitor

 

Mikel und Kissara saßen bereits im Konferenzraum, als wir diesen betraten. Sofort beschrieb mir Loridana ihr Gesicht. „Sie schaut sehr niedergeschlagen.“, flüsterte die Ärztin mir zu. „Irgendetwas scheint nicht zu stimmen.“

Wir nahmen unsere Plätze ein und lauschten Kissaras Worten, die sie mit ernstem Ton an uns alle richtete. „Ladies und Gentlemen, ich habe Ihnen eine betrübliche Mitteilung zu machen.“, begann sie. „Aber eigentlich wird es besser sein, wenn Ihnen der Computer den Grund dafür vorliest.“ Damit betätigte sie ein Feld auf dem Touchscreen der Computerkonsole direkt vor sich. „Commander Kissara.“, begann die elektronische Stimme. „Leider bin ich im Parlament überstimmt worden und kann Sie nicht länger schützen. Der einzige Trost, der Ihnen bleiben könnte, ist der, dass Sie wahrscheinlich von Commander Cinia verfolgt werden, die eine Ihrer besten Freundinnen war. Vielleicht hat sie ein Einsehen mit Ihnen. Ich kann Ihnen nicht länger den Rücken freihalten. Unterzeichnet: Nugura.“

Eine bedrohliche Stille war plötzlich im ganzen Raum zu spüren. Eine Stille, in der man eine Stecknadel hätte fallen hören können. „Das ist die Realität, vor der wir jetzt stehen.“, referierte Kissara und zeigte auf die schriftliche Form der Mail, die ebenfalls für alle Sehenden gut sichtbar zu lesen war. Die Sache mit dem Vorlesen durch den Computer hatte sie wohl aus Rücksicht auf Mikel und mich initiiert.

„Wie denken Sie, wird Ihre Freundin reagieren, Kissara?“, fragte Mikel. „Ich meine, Cinia ist nicht gerade dafür bekannt, eine Jasagerin zu sein, die strikt nach den Befehlen der Regierung handelt, nur weil man sie ihr gibt. Ich denke, sie wird uns nicht viel tun, aber wir sollten es dennoch so aussehen lassen.“ „Sie denken an eine Art Scheingefecht, Agent.“, flüsterte Kissara ihrem ersten Offizier ins Ohr. „Sehr clever. Kang, Betsy, von Ihnen wird abhängen, ob die Regierung das wirklich glaubt.“ „Verstehe schon.“, scherzte ich und Kang nickte ebenfalls. „Ich kann sehr gut 'ne lahme Ente fliegen.“

So nannten wir Flieger umgangssprachlich ein Manöver, in dem vorgespielt wurde, das Schiff würde massive Antriebsprobleme haben und nur noch durch den Raum humpeln. Im Laufe meiner Ausbildung hatte sich dieses Manöver zu einem meiner heimlichen Lieblinge entwickelt. Einer meiner vielen Spitznamen, die mir meine Fluglehrer oft gaben, war daher auch Lahme-Enten-Betsy, was ich aber nie übel nahm. Die Professoren hatten nämlich immer gleich beigefügt, dass jeder Feind - und sähe er noch so gut hin - mir und dem Schiff das abnehmen würde. Mein damaliger Flugprüfer, ein Celsianer, hatte mich hinterher sogar Hollywood-Betsy genannt, weil ich aus dem Schulschiff richtige schauspielerische Qualitäten herausgeholt hatte, wie er fand. Dass das Fliegen einer lahmen Ente sogar Prüfungsstoff war, hatte ich wohl meinem ebenfalls celsianischen Hauptfluglehrer zu verdanken.

„Sie vergessen dabei nur, Allrounder, dass nicht Sie die lahme Ente fliegen müssen, sondern Ihre Kollegin Sulla.“, bremste Kang meine Freude. „Wenn das Scheingefecht so ausgehen soll, dass wir frei sind, dann müssen wir es ja wohl gewinnen. Das heißt, die Niagara ist das Schiff mit den Problemen.“ „Stimmt ja auch.“, sagte ich und schaute enttäuscht. „Schade drum.“ „Dann werden wir ja sehen.“, begann Kissara scherzhaft. „Ob Sullas lahme Ente mit Ihrer mithalten kann, Betsy.“ Alle lachten, aber den lautesten Lachanfall hatte Jannings. „Falls das nicht der Fall sein sollte, könnt ihr zwei ja mal Rezepte austauschen.“, witzelte Mikel.

Kissara legte den Finger an die Lippen, um uns wieder zur Ernsthaftigkeit zu ermahnen. „Wir dürfen das trotzdem nicht auf die leichte Schulter nehmen, Ladies und Gentlemen.“, sagte sie eindringlich. „Es ist auch möglich, dass Cinia durch die neue Art der Genesianer, mit der sie offensichtlich jetzt kämpfen bedingt einen Schock erlitten hat. Vielleicht macht sie die neue Macht, die sie jetzt haben so in Angst, dass sie sich nicht traut, gegen sie zu arbeiten. Wir alle kennen Cinia als aufrechte Person, die immer für das Gute eingetreten ist. Aber da hatte auch noch niemand den Genesianern verkauft, ihre neue Göttin zu sein und derjenige hatte auch noch nie so eine Macht demonstriert. Cinia ist auch nur ein Lebewesen wie Sie und ich und auch sie könnte Angst haben. Aber dann müssen wir ihr aus dieser Angst heraushelfen. Wir müssen ihr signalisieren, dass sie nicht allein ist und vielleicht bekommen wir sie ja sogar auf unsere Seite.“ „Dass die Genesianer diesem Mächtigen das geglaubt haben, ist schlimm genug.“, sagte Mikel. „Ich wüsste nicht, was ich machen würde, wenn jemand zu mir käme und sagte, er sei Jesus.“ „Du würdest den erst mal auf Herz und Nieren überprüfen, Herr Geheimdienst.“, flapste ich ihm auf Deutsch zu. „Da drauf kannst du wetten, Frau SITCH und flieg!“, gab Mikel fest zurück. „Klingonen würden auf so etwas gar nicht erst hereinfallen!“, sagte Kang und stand auf. Mikel räusperte sich und stand ebenfalls auf, um zu sagen: „Darf ich Sie zart an die Sache mit Kahless erinnern, Warrior?“ „Jetzt ist es aber genug, ihr zwei!“, sagte ich. „Sonst halte ich sofort an, wenn wir wieder auf der Brücke sind und dann dürft ihr aussteigen und laufen!“ Natürlich war das in Anbetracht der Tatsache, dass wir uns im Weltraum befanden, nicht ernst gemeint.

Unsere lockere Unterhaltung wurde allerdings jäh durch das Signal des Computers unterbrochen: „Annäherungsalarm!“ „Das war’s dann wohl mit der Besprechung.“, sagte Kissara. „Alle sofort wieder auf Ihre Posten!“ Mikel, Kang und ich begleiteten sie zur Brücke, während der Rest auch wieder die üblichen Stationen besetzte.

Ich hatte meinen Platz eingenommen und meinem Hilfsmittelprogramm befohlen, mir den genauen Kurs und den Namen des Schiffes mitzuteilen. „Es handelt sich tatsächlich um die Niagara, Commander.“, meldete ich. „Sie befindet sich auf einem genauen Schnittkurs zu uns.“ „Rufen Sie sie, Betsy!“, befahl Kissara. „Und stellen Sie sofort an mich durch. Ich möchte mit Cinia reden. Setzen Sie den Ankerstrahl und deaktivieren Sie unseren Antrieb.“

Ich bestätigte das Rufzeichen im Display, was mir durch den Computer gemeldet worden war und führte auch ihre anderen Befehle aus. Die Signale des Sprechgerätes verrieten mir aber bald, dass wir keine Antwort erhielten. „Sie antworten nicht, Commander.“, meldete ich. „Die Niagara bewegt sich außerdem weiter auf uns zu.“ „Mit welcher Geschwindigkeit, Allrounder?“, fragte Kissara. „Warp sieben laut Computer, Ma’am.“, antwortete ich. „Anscheinend hat sie es recht eilig, uns den Garaus zu machen.“, sagte Kissara leise. „Mr. Kang, was ist mit den Schilden und Waffen der Niagara?“ „Ihre Schilde sind online, ihre Waffen auch.“, meldete Kang knapp.

Er versuchte, die Schilde unseres Schiffes zu aktivieren, aber Kissara hob bedrohlich eine ihrer beiden tatzenartigen mit Krallen bewehrten Hände und sagte: „Die Schilde bleiben unten, Warrior, ist das klar?!“ Dabei zeigte sie ihre Krallenspitzen. „Wir werden nicht die Ersten sein, die das Feuer auf die eigenen Kameraden eröffnen. Cinia muss verstehen, dass sie in einem Irrglauben handelt. Betsy, sagen Sie dem Computer, er soll ihnen weiter auf die Nerven gehen!“ Was hinter ihrem doch sehr salopp formulierten Befehl stand, wusste ich und programmierte eine Rufwiederholung, die so lange andauern sollte, bis wir eine Antwort bekämen.

Die Niagara verlangsamte plötzlich und stoppte am äußersten Rand der eigenen Waffenreichweite gegenüber uns. Dann hörte ich ein Signal, das endlich eine Antwort auf unsere Rufe versprach. Wie befohlen stellte ich sofort durch, ohne den Ruf zunächst selbst zu beantworten. „Cinia, warum willst du auf uns schießen?“, fragte Kissara. „Weil ihr Abtrünnige seit.“, kam es zurück. Allerdings musste man kein sonderlich gutes Gehör haben, um merken zu können, dass sie wohl selbst mit der Situation nicht ganz einverstanden war. „Warum hebt ihr nicht einfach eure Schilde, damit wir dem Ganzen hier ein Ende machen können? Trotz aller Befehle werde ich nicht auf ein wehrloses Schiff schießen.“ „Interessant.“, versuchte Kissara, sie wachzurütteln. „Der Befehl der Regierung ist dir also doch nicht Rechtfertigung genug. Du erinnerst dich also tatsächlich noch an unsere Freundschaft. Wenn du das nicht tätest, dann hättest du uns jetzt ohne zu zögern abknallen können. Cinia, die Regierung ist im Irrglauben genau wie du und die armen Genesianer, die von irgendeinem Mächtigen für ein perfides Spiel missbraucht werden. Willst du das? Willst du eine Marionette für Sytania werden? Du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass die große Göttin der Genesianer zurückgekehrt ist. Aber wenn ich dich gerade richtig verstanden habe, dann wirst du uns ziehen lassen, wenn wir uns nicht wehren. Also dann fliegen wir eben um euch herum. Groß genug ist das Universum ja. Betsy, bringen Sie uns auf Kurs. Schön langsam!“

Ich aktivierte den Impulsantrieb und schob uns langsam an der Niagara vorbei. „Halt, Kissara!“, sagte die Stimme der Platonierin im Sprechgerät fest. „Ich habe Befehl, dich zu stoppen und das werde ich auch!“ „Dann bin ich mal gespannt, wie du das anstellen willst, wo du doch nicht auf ein wehrloses Schiff schießen kannst.“, antwortete Kissara im Gegensatz zu der immer nervöser werdenden Cinia ruhig. „Bitte flieg nicht weiter, Kissara!“, ermahnte sie uns eindringlich. „Wenn ich euch nicht stoppe, dann werden das andere tun, die weitaus gröber mit euch umgehen werden. Bitte kehrt um!“ „Kurs halten, Allrounder!“, befahl Kissara, die erst nachdem sie mir diesen Befehl erteilt hatte, den Sendeknopf losließ. „Na gut.“, sagte Cinia. „Du hast mit offenen Karten gespielt und deshalb werde ich das jetzt auch tun. Serena, feuern Sie auf …“

Das Nächste, das wir hörten, da auch Cinia den Sendeknopf während ihres letzten Befehls gedrückt hielt, war ein Geräusch, als würden sämtliche Schaltungen des Waffenpultes durchgebrannt sein. Dann sagte eine ziemlich bediente Cinia: „Also gut. Wie es aussieht, muss ich euch wohl ziehen lassen. Cenda muss erst mal unsere Waffen reparieren. Weiß der Himmel, was dafür gesorgt hat, dass sie plötzlich ausgefallen sind. Fliegt eurer Wege, aber seit vorsichtig.“ Sie beendete die Verbindung und die Niagara drehte ab. „Hat sie Cenda gesagt, Betsy?“, fragte mich Kissara. Ich nickte. „Dann war das kein Zufall.“, erwiderte sie. „Mikel, vernehmen Sie auf der Stelle Jannings zu eventuellen Möglichkeiten, die Systeme eines Schiffes entsprechend zu manipulieren. Ich habe ein ganz merkwürdiges Gefühl.“ „Aye, Commander.“, sagte Mikel und stand von seinem Platz auf.

Ginalla und Kamurus hatten die Partikelfontäne durchquert, die sie in Kamurus’ Heimat geführt hatte. „So sieht also dein Zuhause aus.“, stellte die Celsianerin fest, die noch nie eine Dimension ohne Planeten gesehen hatte. „Genau.“, sagte Kamurus. „Das ist meine Heimat.“

Er sendete ein Signal aus, auf das sich ihnen bald ein kleines schnittiges Shuttle näherte, von dem sie auch gleich gerufen wurden. „Warum hast du deine biologische Pilotin hierher gebracht?“, wollte das für Ginalla völlig fremde Schiff wissen. Kamurus hatte möglich gemacht, dass auch sie das Gespräch der beiden Schiffe hören konnte und sich, wenn sie wollte, hätte beteiligen können. „Sie ist bei uns am sichersten.“, erklärte Kamurus. „Sie trägt eine Information, die für Sytania sehr gefährlich werden könnte, aber genau so für den anderen Mächtigen, der hier noch seine Finger im Spiel hat. Deshalb möchte ich, dass du auf sie aufpasst. Ich überspiele dir jetzt alle Daten, die ich über die momentane Situation habe.“ Er initiierte die Datenverbindung.

Eine ganze Weile verging, in der sich das fremde Schiff offensichtlich die Daten ansah, die sie von ihm bekommen hatte und sie mit den eigenen Sensorenaufzeichnungen verglich. „Das würde einiges erklären.“, sagte sie. „Aber ich muss dich enttäuschen. Ich kann nicht auf deine biologische Pilotin achten, weil ich selber einen großen Teil dazu beitragen werde, dass alles wieder in Ordnung kommt. Weißt du, was im Raum-Zeit-Kontinuum los ist?“ „Nein, Sharie.“, sagte Kamurus. „Aber ich gehe davon aus, dass du es mir erklären wirst.“ „Du weißt, dass sich die Gegebenheiten aller Dimensionen verändern, wenn dort etwas nicht stimmt.“, setzte Sharie an. „Mir waren Veränderungen auch bei uns aufgefallen und ich habe mich mit einer interdimensionalen Sensorenplattform in Verbindung gesetzt, die du auch kennen solltest. Zumindest erinnert sie sich an einen gewissen Hackerangriff.“ „Erinnere mich bloß nicht.“, seufzte Kamurus. „Und mich bitte auch nich’.“, flapste Ginalla. „Das war die alte Ginalla, die es jetzt nich’ mehr gibt. Wenn das also der Grund is’, warum du nich’ auf mich aufpassen willst, dann sage ich dir, dass du von der keine Gefahr zu erwarten hast, Sharie. Kamurus liebt dich. Er würde dich nie in Gefahr bringen.“ „Du bist nicht der Grund, Ginalla.“, versicherte Sharie. „Der Grund ist, dass ich nur mit meinem biologischen Piloten zusammen die Bewohner des Kontinuums aus ihrer momentanen Lage befreien kann. Ich brauche jemanden mit ihrem Schneid, um meinen Plan durchführen zu können.“ „Welchen deiner biologischen Piloten meinst du, Sharie?“, fragte Kamurus. „Du hattest mehrere.“ „Das stimmt.“, antwortete das kleine Shuttle. „Aber unter ihnen war eine wie keine. Sie ist die Einzige, die ich für mutig genug halte.“ „Sprichst du von Tchey Neran?“, fragte Kamurus. „Ja, ich spreche von Tchey Neran.“, sagte Sharie. „Sie hat den gleichen Schneid wie Tom Paris. Ach, Alice hätte mit ihm ebenfalls sehr stark zum Gelingen der Voyager-Mission beitragen können, wenn du mich fragst. Aber sie hat ihre Chancen durch ihren Egoismus verspielt. Selber schuld! Den Fehler mache ich nicht!“ „Wow!“, machte Kamurus. „Das ist das erste Mal, dass du die, die dich bisher so voller Schuldgefühle geladen hat, mental angreifst. Sonst warst du immer sehr traurig und ängstlich, sobald die Sprache auf Alice kam.“ „Das ist vorbei!“, sagte Sharie überzeugt. „Alice soll mich nicht länger lähmen. Ich habe gezeigt, dass ich ganz anders als sie bin und das werde ich jetzt auch beweisen. Aber dazu brauche ich Tchey und sie braucht mich. Deshalb kann ich nicht auf Ginalla achten. Aber ich weiß, wer das übernehmen kann.“

Sie signalisierte einem weiteren kleinen Schiff, das wie ein Sportshuttle für Rennflüge aussah und das hinter ihr gewartet hatte. „Das ist Conus.“, stellte Sharie das fremde kleine Schiff vor. „Er ist eigentlich von seinen Programmen her noch nicht in der Lage, die Dimension zu verlassen, um sich einen biologischen Piloten zu suchen. Er kann die damit verbundenen komplexen Prozesse der Datenverarbeitung noch nicht wirklich steuern. Er will es aber unbedingt. Ich dachte, in geschützter Umgebung damit zu beginnen, sei zunächst ein guter Anfang. Wenn er hier auf Ginalla aufpassen könnte, dann …“ „Verstehe schon.“, sagte Kamurus. „Dann kann er sich im Zweifel an unsere Freunde wenden.“ „Genau.“, sagte Sharie. „Überspiel ihm bitte Ginallas Tabelle. Dann muss er sie nicht selbst erstellen.“ „OK.“, sagte Kamurus und tat, worum seine Freundin ihn gerade gebeten hatte.

„Du scheinst sehr viel über ihn zu wissen.“, stellte er fest. „Aber ist ein Proto-Schiff nicht viel zu jung für dich?“ „Ach du heiliger Antriebsschaden!“, rief Sharie aus. „Nein, so ist es nicht, Kamurus. Ich habe den Kleinen sozusagen adoptiert. Ich wollte dich vorher informieren, aber du warst nicht zu erreichen und er benötigte eine Einheit, von der er lernen konnte. Seine Elterneinheiten sind beide tragischerweise mit ihren biologischen Piloten abgestürzt. Die anderen werden sich kümmern, sobald ich weg bin. Ich habe schon alles mit ihnen besprochen und jetzt beam’ Ginalla bitte zu Conus. Wir haben keine Zeit!“ „Na schön, du Organisationstalent.“, scherzte Kamurus und aktivierte die Transportererfassung. „Sekunde!“, sagte Ginalla. „Gestatte deiner neugierigen Pilotin bitte noch eine Frage. Ihr habt von Eltern geredet. Ich meine, wie machen Raumschiffe es? Du weißt schon.“ Sie errötete im gleichen Moment. „Die Frage muss dir nicht peinlich sein.“, tröstete Kamurus. „Es gibt eine spezielle Technik von Datenaustausch zwischen uns, bei der das männliche Schiff dem weiblichen Schiff die Hälfte seines Betriebssystems nebst einem Unterprogramm zur Replikation von Hardware überspielt. Die Lücken werden von der Hälfte ausgefüllt, die sich bereits in dem speziellen Speicher des weiblichen Schiffes befindet und aus ihrem Betriebssystem besteht. Ist das neue Programm fertig, überspielt es die notwendigen Daten zunächst an den Replikator, der die Hardware erkennt und ihre Muster an den Transporter weiter leitet. Der Rest ist reines Beamen.“ „Dann repliziert sich also ein vollständiges Raumschiff vor den anderen im Weltraum?“, fragte Ginalla staunend. Kamurus’ Avatar nickte ihr freundlich zu. „Cool!“, meinte Ginalla und fügte hinzu: „Dann beam’ mich mal hin zu dem Kleinen.“ „OK.“, sagte er und führte ihren Befehl aus. „Ich begleite Conus noch bis zu den anderen.“, sagte Sharie. „Aber dann werde ich Tchey aufsuchen.“

Amidala und eine ihrer Kolleginnen hatten Scotty zum Austreten abgeholt. Jetzt war Shimar mit Clytus allein. Dem Tindaraner war aufgefallen, dass sein genesianischer Zellengenosse einen medizinischen Zugang im Arm hatte. „Warum hängst du am Tropf?“, fragte Shimar und schaute den Jungen interessiert an. Clytus aber schwieg nur. „Ich glaube nicht, dass sie eine Krankheit bei dir behandeln.“, fuhr Shimar fort. „Wenn sie das tun würden, dann hätten sie sicher auch schon was gegen die fiese Entzündung meiner Stirnhöhle gemacht. Wenn ich mir die Nase putze, habe ich das Gefühl … na ja. Reden wir lieber wieder über dich. Also, warum wirst du künstlich ernährt? Bist du etwa im Hungerstreik?“ „Du wirst mir das nicht glauben, wenn ich es dir sage, Shimar.“, sagte Clytus traurig. „Das weißt du doch gar nicht.“, ermutigte Shimar ihn, es einfach einmal auszuprobieren. „Ich habe dir doch auch wegen deiner Arbeit geholfen. Wenn man es genau nimmt, habe ich sogar dein Leben gerettet. Im Prinzip schuldest du mir was. Also, warum …“ „Weil ich nicht essen kann!“, rief Clytus verzweifelt. „Ich habe es versucht, aber ich weiß noch nicht einmal mehr, wie ich kauen oder schlucken soll. Ich weiß, dass ich es mal konnte, aber die Information ist weg, verstehst du, sie ist weg. Ich glaube, das war ein Teil von Tante Toleas Strafe.“ „Könnte ich mir vorstellen.“, sagte Shimar und signalisierte damit, dass er Clytus zunächst Glauben schenkte. Er hatte sich vorgenommen, möglichst neutral an die Sache zu gehen und sich nicht von vorgefertigten Meinungen in eine falsche Richtung lenken zu lassen. „Deine Tante will wohl, dass du zum Gespött wirst. Nach dem Motto: Der hält sich für einen Mächtigen, aber kann noch nicht mal essen. Aber das werden wir ändern, sobald Scotty wieder da ist und die Wärterinnen für ihn und mich das Frühstück gebracht haben.“ „Wie willst du das denn ändern?“, fragte Clytus. „Warte ab.“, grinste Shimar. „Das mit der Arbeit habe ich doch auch hingekriegt, oder?“

Die Tür wurde entsichert und Scotty hineingeführt. Hinter ihm und den beiden Wärterinnen kam eine Dritte in die Zelle, die zwei Tabletts mit Blechnäpfen am Boden abstellte. Dann gingen die Genesianerinnen wieder. „Das war der Zimmerservice.“, flapste Scotty. „Das kenne ich schon.“ „Das ist gut.“, sagte Shimar und öffnete einen der Deckel, die sich auf den Näpfen befanden. In dem Napf, der etwas höher als der andere war, befand sich klares Wasser. „Das weiß ich, dass das gut is’.“, sagte Scotty, ohne zu ahnen, was Shimar vorhatte. „Nach der Arbeit habe ich immer einen Bärenhunger. Echt schade, dass man hier nur 'ne Scheibe Brot und 'n Glas Wasser kriegt, aber … Hey, was machst du denn da?“

Er hatte gesehen, dass Shimar mit dem Wassernapf auf dem Weg zu Clytus war. „Halt keine Maulaffen feil, sondern hilf mir lieber!“, sagte Shimar fest. Langsam schlappte Scotty hinüber. Er war doch neugierig, was sein Freund tun wollte. Die Art, wie Shimar Clytus das Leben gerettet hatte, musste ihn schon ziemlich beeindruckt haben. „Kommt jetzt wieder so 'n Fliegerding?“, fragte Scotty. „Nein.“, lächelte Shimar. „Eigentlich möchte ich es eher als Urlaubsding bezeichnen. Magst du Longdrinks?“ „Du meinst die Sache mit dem Strohhalm und dem Schirmchen.“, sagte Scotty. „Aber ich glaube, das wird nix. Er kann ja noch nich’ mal schlucken.“ „Das bezweifle ich.“, sagte Shimar. „Er kontrolliert ja auch seinen Speichelfluss. Oder siehst du, dass wir ihn absaugen müssen, oder er hier alles voll gesabbert hat?“ „Ne, ne.“, meinte Scotty. „Aber das macht er doch unbewusst. Wie willst du ihm ermöglichen, dass er bewusst schlucken lernt?“ „Deshalb brauche ich deine Hilfe.“, sagte Shimar. „Ich kann ihm nicht gleichzeitig tropfenweise Wasser einflößen und seinen Hals überstrecken. Außerdem muss ich seinen Kehlkopf berühren, um zu sehen, ob es wirklich funktioniert. Das kann man nämlich besser fühlen als sehen.“ „Na gut.“, sagte Scotty und fasste Clytus’ Kopf mit seinen großen Händen. Dann zog er ihn vorsichtig nach hinten. Shimar kniete sich neben Clytus’ Kopf. „Hör mir jetzt genau zu.“, sagte er mit viel Geduld in der Stimme. „Ich möchte, dass du gleich genau beobachtest, was dein Kehlkopf macht, wenn Wasser in deine Speiseröhre läuft. Sobald du das merkst, möchte ich, dass du den Vorgang bewusst unterstützt. Scotty überstreckt deinen Hals, damit ich deine Kehldeckel sehen kann. Damit verhindern wir, dass du dich verschluckst.“

Er knotete eines der Tücher zusammen, die in der Ecke lagen und tauchte es in den Napf, um dann den heraustropfenden Inhalt mit der rechten Hand in Clytus’ offenen Mund fließen zu lassen. Mit der linken Hand, die er frei hatte, tastete er jede Bewegung seines Kehlkopfes ab. „Hast du gemerkt, was dein Kehlkopf macht?“, fragte er. „Ja.“, sagte Clytus, nachdem Scotty auf Shimars Wink seinen Kopf losgelassen und ihm somit das Antworten ermöglicht hatte. „Er ist so zusammengegangen.“ Im gleichen Augenblick schluckte Clytus demonstrativ bewusst, was Shimar ein Lächeln entlockte und ihn selbst in pures Erstaunen versetzte. „Ups.“, machte Clytus. „Ich würde das eher als Wow bezeichnen.“, sagte Shimar stolz und steckte einen Strohhalm, von denen es ja in der Zelle genug gab, in das Wasser im Napf. „Mach mal so.“, sagte er zu Clytus und spitzte die Lippen. Clytus tat es ihm gleich und Shimar steckte ihm den Strohhalm dazwischen. „Jetzt musst du ganz fest herunterschlucken.“, sagte er. „Ich taste deinen Kehlkopf ab. Dann sehen wir, ob … Ja! Das war gut! Weiter so!“

Plötzlich ließ Clytus den Strohhalm los. „Ich kann dir doch nicht dein ganzes Wasser wegtrinken.“, sagte er. „Mach ruhig.“, sagte Shimar. „Wir müssen den Wärterinnen ja irgendwie beweisen, dass du trinken kannst und was ist da besser, als ein leerer Napf? Sie werden mir dann zwar einen Neuen bringen müssen, aber das macht nichts. Morgen erhöhen wir dann den Schwierigkeitsgrad. Dann trinkst du ohne Halm.“

Clytus hatte tatsächlich bald den ganzen Napf geleert. „Ich kann trinken!“, quietschte er und umarmte Shimar fest, soweit sein geschwächter Körper dies zuließ. „Oh, ja, das kannst du.“, bestätigte dieser. „Und wie du das kannst. Aber zu einem gepflegten Frühstück gehört noch mehr. Willst du heute oder morgen lernen, wie man isst?“ „Am liebsten noch heute!“, rief Clytus aus. „OK.“, sagte Shimar und öffnete auch den zweiten Napf, um dem Jungen die Scheibe Brot zu geben. „Steck sie zwischen deine Zähne.“, wies Shimar ihn an. „Und jetzt drück deine Kiefer zusammen, bis sich deine Zähne begegnen.“ „Jetzt habe ich ein Stück abgebissen.“, sagte Clytus undeutlich. „Sehr gut.“, sagte Shimar. „Du merkst ja, dass dein Mund auf und zu geht, wenn du sprichst. Die gleiche Bewegung musst du jetzt auch machen, nur ganz fest. Deine Kaumuskeln werden noch trainieren müssen. Wenn du denkst, dass alles klein genug ist, schluckst du einfach. Keine Angst, Scotty und ich sind hier, falls du dich verschlucken solltest.“

Ohne Zwischenfälle war es Clytus bald tatsächlich gelungen, die gesamte Scheibe Brot aufzuessen. „Herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten Frühstück!“, freute sich Shimar und tanzte zu Scottys und Clytus’ Unterhaltung einmal quer durch die gesamte Zelle. „Ohne deine Anleitung hätte ich das nicht geschafft.“, meinte der Kleine. „Mag sein.“, sagte Shimar. „Aber du hast es umgesetzt. Du hattest den weitaus schwierigeren Teil. Aber du hast es hingekriegt.“ Eine weitere Tanzeinlage folgte. „Machen die Ausbilder beim tindaranischen Militär das auch so, wenn jemand was kapiert hat?“, fragte Scotty. „Klar.“, scherzte Shimar. „Was glaubst du, warum die alle so rank und schlank sind. Meine Professoren haben alle mindestens 30 Kilo abgenommen, während ich auf der Akademie war.“ „Streber.“, scherzte Clytus leise. „OK, du Tanzbär.“, scherzte Scotty. „Jemand sollte jetzt aber mal ein drittes Frühstück ordern.“ „Tu dir keinen Zwang an.“, meinte Shimar. „Du weißt ja, wo der Knopf ist.“

„Machen wir das heute Mittag wieder?“, fragte Clytus. „Sicher.“, sagte Shimar. „Obwohl ich glaube, dass ich dir nichts mehr erklären muss. Die Grundbegriffe hast du verinnerlicht.“ „Hoffentlich müssen wir ihm die Gegenrichtung nicht auch noch erklären.“, scherzte Scotty, erntete von Shimar aber nur ein abfälliges: „Ach.“

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