In Sachen Zeitlinie - Eine Herzensangelegenheit

von Visitor
Zusammenfassung:

 

Während ihres Urlaubs in Zeitland trifft Betsy auf Tchey, eine reptiloide Freundin, mit der sie auch schon einige Abenteuer zusammen erlebt hat. Als sie zusammen einen Wettflug machen wollen, müssen sie mit Entsetzen feststellen, dass die Föderation vor einem halben Jahr von den Genesianern erobert wurde. Weder Betsy noch Tchey können sich an einen Krieg mit ihnen erinnern. Für Betsy steht fest, dass die Zeitlinie von jemandem verändert wurde und entschließt sich, den Dingen auf den Grund zu gehen. Dabei macht sie eine Entdeckung, die weit über ihre Vorstellung hinausgeht...


Kategorien: Fanfiction, Fanfiction > Star Trek Charaktere: Keine
Genres: Science Fiction
Herausforderung: Keine
Serie: Keine
Kapitel: 60 Fertiggestellt: Ja Wörter: 245900 Aufgerufen: 362016 Veröffentlicht: 02.09.12 Aktualisiert: 20.09.12

1. Kapitel 1 - Das Wunder von Sachometh von Visitor

2. Kapitel 2 - Prüfungen von Visitor

3. Kapitel 3 - Folgenreiche Abfuhr von Visitor

4. Kapitel 4 - Die Veränderung von Visitor

5. Kapitel 5 - Ein schwerer Kampf von Visitor

6. Kapitel 6 - Verräterisches Duell von Visitor

7. Kapitel 7 - Auf dem Weg zur Wahrheit von Visitor

8. Kapitel 8 - Unheilvolle Spuren von Visitor

9. Kapitel 9 - Ein Hoffnungsschimmer von Visitor

10. Kapitel 10 - Modellversuche von Visitor

11. Kapitel 11 - Ermittlungen von Visitor

12. Kapitel 12 - Tod einer Zeugin von Visitor

13. Kapitel 13 - Neue Beweise von Visitor

14. Kapitel 14 - Aussage mit Bauchschmerzen von Visitor

15. Kapitel 15 - Vor dem Scherbenhaufen von Visitor

16. Kapitel 16 - "Dunkle Wolken" von Visitor

17. Kapitel 17 - Maskerade von Visitor

18. Kapitel 18 - Das Täuschungsmanöver von Visitor

19. Kapitel 19 - Mysterien von Visitor

20. Kapitel 20 - Die "Beichte" von Visitor

21. Kapitel 21 - Verwegene Pläne von Visitor

22. Kapitel 22 - Clytus’ Reue von Visitor

23. Kapitel 23 - Der trojanische Androide von Visitor

24. Kapitel 24 - Fehler von Visitor

25. Kapitel 25 - Unglaubliche Fakten von Visitor

26. Kapitel 26 - Mit einem blauen Auge davongekommen von Visitor

27. Kapitel 27 - Warnungen von Visitor

28. Kapitel 28 - Nidells Rettung von Visitor

29. Kapitel 29 - Langsam geht es aufwärts von Visitor

30. Kapitel 30 - Teuflische Manipulation von Visitor

31. Kapitel 31 - „Ein heißes Eisen“ von Visitor

32. Kapitel 32 - Erzwungene Anhörung von Visitor

33. Kapitel 33 - Undercover-Vorbereitungen von Visitor

34. Kapitel 34 - Versuchter „Dolchstoß“ von Visitor

35. Kapitel 35 - Unverhoffte Hilfe von Visitor

36. Kapitel 36 - Tricks von Visitor

37. Kapitel 37 - Unterrichtsstunden in trügerischer Sicherheit von Visitor

38. Kapitel 38 - Lyciras Überraschung von Visitor

39. Kapitel 39 - Eingeschleust von Visitor

40. Kapitel 40 - Sharies List von Visitor

41. Kapitel 41 - Revanche von Visitor

42. Kapitel 42 - Teufelswerk? von Visitor

43. Kapitel 43 - Wahrheit im Schatten der Angst von Visitor

44. Kapitel 44 - Marons „Albtraum“ von Visitor

45. Kapitel 45 - Bis an die Grenze und noch weiter von Visitor

46. Kapitel 46 - „Kopfwäsche“ von Visitor

47. Kapitel 47 - Die fast letzte Reise von Visitor

48. Kapitel 48 - Informationen aus dem Jenseits von Visitor

49. Kapitel 49 - Im Vorhof zum Unheil von Visitor

50. Kapitel 50 - Rettende Meuterei von Visitor

51. Kapitel 51 - Motivbestätigung im Lichte der Ereignisse von Visitor

52. Kapitel 52 - Zirell, was nun? von Visitor

53. Kapitel 53 - Ernüchterung von Visitor

54. Kapitel 54 - Agentenpoker von Visitor

55. Kapitel 55 - Clytus’ Selbstmordversuch von Visitor

56. Kapitel 56 - Eine Lösung für Clytus von Visitor

57. Kapitel 57 - Diplomatie auf Celsianisch von Visitor

58. Kapitel 58 - Vom Suchen und Finden von Visitor

59. Kapitel 59 - Rettungmanöver von Visitor

60. Kapitel 60 - Das Unmögliche von Visitor

Kapitel 1 - Das Wunder von Sachometh

von Visitor

 

Auf einer genesianischen Raumstation zu Beginn des Jahres 3335 beobachtete Minerva, eine etwa 14-jährige Kriegerin in Ausbildung, ein merkwürdiges Schauspiel. Die schwarzhaarige junge Kriegerin von hohem Wuchs und muskulösem Körperbau hatte schon in den beiden Nächten, die dieser vorausgegangen waren, jenes merkwürdige Phänomen gesehen, das ihr auch jetzt wieder ein gehöriges Kopfzerbrechen bereitete. Erneut hatte sich der Mond von Genesia Prime derart zwischen den Planeten und die Sonne geschoben, dass es eine Mondfinsternis gab. Das war allerdings für die dritte Nacht in Folge sehr ungewöhnlich. Eine Mondfinsternis, das wusste Minerva, trat nur alle paarhundert Jahre einmal auf. Aber, dass sie es nun schon seit drei Nächten immer wieder getan hatte, fand die junge Kriegerin extrem verwirrend.

Minerva, die auch Erbprätora der Vetash, ihres Clans, war, hatte beschlossen, Ihre Aufsichtsperson über die Vorkommnisse in Kenntnis zu setzen. Sie loggte sich aus dem System und verließ ihren Posten, um einen Turbolift zu besteigen, der sie auf das Wohndeck der Station brachte. Shira, eine ältere Kriegerin, würde sich in ihrem Quartier aufhalten. Vor dessen Tür stand Minerva jetzt und betätigte aufgeregt die Sprechanlage. „Was ist los!“, antwortete eine strenge Stimme von drinnen. Minerva ahnte, dass ihre Aufsicht wohl schon ahnte, dass nur sie die Person am anderen Ende der Verbindung sein konnte. Der sonst so tapferen Jungkriegerin schlug das Herz bis zum Hals. Sie wusste, dass sie mit dem Verlassen ihres Postens sicherlich einen schweren Fehler begangen hatte und dass Shira dies anhand des Rufzeichens im Display längst erkannt haben musste. Es würde sicher ein Donnerwetter folgen. Minerva wusste, dass sie Shira auch über die Sprechanlage von der Brücke der Station aus hätte verständigen können, wie es eigentlich auch ihre Pflicht war. Aber sie war zu aufgeregt gewesen, um sich an diese Vorschrift zu erinnern. Außerdem war Minerva sehr gläubig und ahnte, was eine mehrfache Mondfinsternis unter Umständen bedeuten konnte.

„Jetzt antworte mir gefälligst!“, setzte Shira von drinnen nach, als sie gemerkt hatte, dass von ihrem Gegenüber auch nach mehreren Minuten keine Reaktion gekommen war. Ihr strenger Ton war nicht ungewöhnlich für Minerva. Wie bei den Klingonen auch herrschte bei den Genesianern im Allgemeinen ein sehr lauter Umgang.

Das junge Mädchen versuchte, ihre Aufregung herunterzuschlucken und griff beherzt zum Mikrofon. „Verzeih bitte, dass ich meinen Posten verlassen habe, Shira!“, sagte Minerva fest. „Aber ich habe etwas entdeckt, das uns alle sehr interessieren könnte!“ „Warte!“, befahl die ältere Kriegerin von drinnen und richtete sich aus ihrem Stuhl auf, um zur Tür ihres spartanisch eingerichteten Quartiers zu gehen. Das war bei den Genesianern durchaus normal. Sie hielten nicht viel von Raumschmuck. Ihre Quartiere waren eher zweckmäßig und die Möbel auch eher hart und einfach. Da nahmen sie sich nicht viel mit den Klingonen. Aber wahrscheinlich war dies für kriegerische Völker ohnehin normal.

Minerva beobachtete, wie sich die Tür öffnete. Dann stand eine etwa 1,80 m messende schlanke aber dennoch stark wirkende Frau mit kurzen roten Haaren vor ihr. Die Jugendliche senkte den Kopf. Unter Genesianerinnen galt dies als Bezeugung von Respekt, genau wie das Ablegen ihrer Waffe, eines genesianischen Phasers des Typs drei, den sie gut sichtbar vor den Füßen der Älteren auf dem Boden ablegte. Obwohl Minerva die Tochter der Prätora ihres Clans war und man eigentlich denken musste, dass die Ältere ihr Respekt zollen müsste, hatte sie diese Stufe aber noch lange nicht erreicht. Wie bereits gesagt, war sie ja noch eine Kriegerin in Ausbildung. Prätora Yanista hatte Shira zu Minervas direkter Ausbilderin ernannt. Die Erbprätora sollte durch die Schule der Besten gehen. Shira war als Schleiferin und härteste Lehrerin im Clan bekannt.

Immer noch getraute sich Minerva nicht wirklich, mit der Wahrheit herauszurücken. Sie dachte sich zwar, dass dies in den Augen ihrer Ausbilderin als Zeichen von Schwäche gelten könnte, aber was sie dort gesehen hatte, war so groß und heilig, dass es ihr einen Haufen Respekt einflößte. „Verzeih bitte nochmals, Ausbilderin.“, stammelte Minerva leise. „Aber ich denke, die heilige Zeit von Sachometh ist angebrochen, an deren Ende wir mit Hilfe der Wächterin von Gore selbst eine große Eroberung machen werden, wie es in den heiligen Büchern steht. Du weißt, dass am Tage von Sachometh die übrigen Götter der Wächterin von Gore vergeben werden, dass sie den Mann in die Welt brachte und somit die Schöpfung außer Kontrolle …“ „Schweig!“, befahl Shira. „Ich kenne die Schöpfungsgeschichte wohl! Darin brauchst du mir keine Nachhilfe zu erteilen! Aber sprich! Welche Beweise hast du?!“

Minerva, die zunächst in leicht gebeugter Haltung vor ihrer Ausbilderin gestanden hatte, richtete sich auf und erwiderte fest: „Ich habe schon in der dritten Nacht in Folge eine Mondfinsternis beobachtet, Ausbilderin!“ „Ungewöhnlich!“, erwiderte die ältere Kriegerin mit ihrer heiseren tiefen Stimme. Im Vergleich dazu war Minervas Stimme eher piepsig und kindlich. „Aber wir werden sehen!“, setzte Shira ihre Antwort fort und winkte ihrer Schülerin, ihr in den Turbolift zu folgen.

Auf der Brücke der Station angekommen zog Minerva Shira sofort zum Schirm. „Du hast Recht!“, sagte Shira. „Das sieht aus wie eine Mondfinsternis! Dabei ist doch für dieses Jahr eigentlich gar keine berechnet!“ „Siehst du, Ausbilderin?“, lächelte Minerva. „Daran solltest du sehen, dass hier etwas Ungewöhnliches im Gange ist!“ „Ungewöhnlich ja!“, meinte Shira skeptisch. „Aber ungewöhnlich muss nicht heilig bedeuten! Bedenke, dass wir auch Feinde haben, die durchaus in der Lage wären, ein solches Phänomen hervorzurufen, um uns in eine bestimmte Richtung zu manipulieren! Feinde, die unseren Glauben gut kennen und ihn ausnutzen würden, ohne mit der Wimper zu zucken!“ „Denkst du an die Föderation, Ausbilderin?“, fragte Minerva. „Die Föderation!“, lachte Shira. Es war ein Lachen, bei dem sich Minerva die Haare kräuselten. „Nein! Aber weil du gerade mal einen Monat in Ausbildung bist, sehe ich dir diese Fehleinschätzung noch einmal nach! Oder haben du oder der Computer etwa ein oder mehrere Föderationsschiffe gesehen, die sich an unserem Mond zu schaffen gemacht haben mit ihren großen mächtigen Traktorstrahlen?“ Sie machte eine große übertriebene Geste mit der Hand und verfiel erneut in ihr lautes tiefes Lachen. Ausgelacht zu werden war für Minerva und auch alle anderen Kriegerinnen in Ausbildung normal. Die junge Kriegerin wusste aber, wie sie sich den Respekt ihrer Ausbilderin zurückerobern konnte. Sie stellte sich kerzengerade vor Shira auf und bat ruhig und fest: „Dann sag mir, wer es sein könnte, Ausbilderin!“ „Eine Reaktion, die einer Kriegerin wert ist!“, lobte Shira, was bei ihr sehr selten vorkam. „Ich werde es dir sagen!“, fügte Shira noch hinzu und ging zum Terminal. „Oder besser, ich zeige dir, wie man mit so einer Sache umgeht! Pass auf!“

Minerva beobachtete, wie ihre Ausbilderin ihren Sicherheitscode in die Konsole eingab. Dann folgten diesem einige Befehle. Die junge technisch versierte Kriegerin erkannte, dass es sich um Sensoreneinstellungen handeln musste. Dann hörte sie ihre Ausbilderin sagen: „Computer, gibt es Hinweise auf neurale Energie von Sytania?“ Ein kurzes Signal und dann erwiderte eine freundliche weibliche elektronische Stimme: „Negativ.“ „Gibt es Hinweise auf neurale Energie von anderen bekannten Mächtigen?“, verifizierte Shira weiter. Auch dieses Mal erfolgte eine negative Antwort. „Also hatte ich Recht!“, frohlockte Minerva. „Es waren die Götter!“ „Das wird sich zeigen.“, flüsterte die immer noch hoch skeptische Shira. Die ältere Kriegerin hatte in ihrem Leben schon zu viel gesehen, um einfach so an Wunder zu glauben. „Wie lange beobachtest du das schon?!“, fragte sie in Minervas Richtung. „Das ist jetzt schon die dritte Nacht, Ausbilderin!“, entgegnete die Angesprochene.

Shira kratzte sich nachdenklich am Kopf. Wie alle Kriegerinnen hatte auch sie die genesianische Schöpfungsgeschichte verinnerlicht und war mit dem Glauben an sie und auch ein gutes Ende aufgewachsen. Aber dass sie so wortwörtlich wahr sein könnte, bezweifelte sie sehr. Im Laufe ihres Lebens hatte sie gelernt, dass vieles, das in den alten Geschichten beschrieben wurde, eher bildlich und nicht wörtlich zu nehmen war.

„Lass uns mal sehen, ob es dieses Phänomen wirklich genau so in den beiden Nächten vor dieser gegeben hat!“, erklärte Shira dann, um die ihrer Meinung nach extrem festgefahrene Situation zu lösen. Sie drehte sich erneut zum Computermikrofon: „Computer, wurde dieses Phänomen in den beiden vorherigen Nächten ebenfalls beobachtet?“ „Affirmativ.“, kam es nüchtern und freundlich zurück. „Gab es dort einen Hinweis auf bekannte Neuralsignaturen von Mächtigen?“, fragte Shira. „Negativ.“, erfolgte die sachliche Antwort. Minervas Augen begannen zu leuchten. „Jetzt hast du dir selbst einen Fallstrick gebaut, Ausbilderin!“, stellte sie fest. „Der Computer hat bestätigt, dass uns niemand von unseren Feinden hereinlegen will. Also, dann bleibt nur Sachometh!“ Shira, die sich keinesfalls geschlagen geben wollte, zog die Stirn kraus. „Mag sein, mag sein.“, brummelte sie. „Aber du weckst jetzt erst mal deine Mutter. Soll Prätora Yanista entscheiden!“ Minerva nickte und verließ die Brücke. Weder sie noch Shira ahnten allerdings, wie berechtigt die Skepsis der älteren erfahrenen Kriegerin noch sein würde.

Yanista schlief tief und fest, als ihre Tochter ihr gemeinsames Quartier betrat. Am Eingang zum Schlafzimmer blieb Minerva stehen und betrachtete die vor ihr auf dem Bett, das wir wohl eher als Pritsche bezeichnen würden, liegende Kriegerin. Sie maß ca. 1,90 m und war wie alle Genesianerinnen von muskulösem Körperbau und stattlichem Wuchs. Genesianische Männer wirkten dagegen eher unscheinbar. Die Prätora hatte ihren Brustpanzer und den Rest ihrer Kleidung neben dem Bett aufgeschichtet. Nachts trug sie nur ein leichtes wollenes Nachtgewand. Ihre langen schwarzen Haare waren rechts und links ihres selbst im Schlaf streng dreinschauenden Gesichtes am Kopfende des Bettes drapiert.

Minerva zögerte eine Weile, bevor sie langsam und mit feierlichem Gesicht näher schritt. Was sie ihrer Mutter zu sagen hätte, würde die tief gläubige Clanführerin sicher erfreuen. Außerdem würde sich Prätora Yanista denken können, dass ihre Tochter von den Göttern geliebt sein musste, wenn es ihr vergönnt war, die Vorboten des Tages von Sachometh zu sehen. Von keiner anderen Station hatte man derartige Beobachtungen gehört. Während des Tages hatte sich Minerva heimlich mit den anderen Kriegerinnen in ihrem Alter per SITCH über das Phänomen ausgetauscht, aber von keiner eine Antwort bekommen, die sie glauben ließ, dass auch nur eine das Gleiche wie sie gesehen hatte.

Die Prätora war erwacht und ihrer Tochter im matten Schein des durch den Computer gedimmten Lichts ansichtig geworden. „Was gibt es, Kind?“, fragte sie erstaunt. „Shira sagte mir, dass du eigentlich jetzt Wache hättest und sie dich beaufsichtigen würde. Was ist geschehen, dass du deinen Posten verlassen hast?“ Über Minervas Gesicht breitete sich ein Lächeln. „Ich muss dir etwas sagen, Mutter.“, entgegnete Minerva in leisem fast feierlichen Ton. „Ich habe die Vorboten von Sachometh gesehen. Es war genau so, wie es in den alten Büchern steht. Bisher konnte ich drei der genannten sieben Mondfinsternisse beobachten. Wie es weiter geht, wissen nur die Götter.“

Blitzschnell war Yanista in ihrem Bett herumgefahren, hatte sich aufgesetzt und war dann in Windeseile in ihre Kleidung geschlüpft, soweit dies bei der starren und steifen gepanzerten Kleidung einer Genesianerin überhaupt möglich war. „Wo ist Shira?“, fragte sie hektisch in Richtung ihrer Tochter. „Sie erwartet uns auf der Brücke, Mutter.“, erwiderte die Erbprätora. „Dann lass uns keine Zeit verlieren!“, befahl Yanista und preschte voran.

Auf der Brücke hatte sich Shira inzwischen noch einmal alles angesehen. Sie wollte, wenn ihre Schülerin und die Prätora zurückkehrten, auf keinen Fall wie ein stammelndes Schulmädchen wirken, das die Illustrationen für einen schlecht vorbereiteten Vortrag erst mühsam hervorkramen musste. Sie wusste, dass ihre Prätora und auch die Erbprätora so ein Verhalten keineswegs schätzen würden. Yanista war sehr streng und verlangte ihren Kriegerinnen ebenfalls eine ziemliche Disziplin ab. Auch Minerva würde den Clan sicher später in gleicher Weise weiterführen. Das ahnte Shira und wollte auf keinen Fall durch eine Unachtsamkeit ihren Posten verlieren. Vor Minerva in Begleitung ihrer Mutter hatte Shira doch einen gehörigen Respekt. Zwar war diese noch immer ihre Schülerin, aber dies bezog sich nur auf Jagen, den Umgang mit der Waffe und das Wissen über die genesianische Kultur. Führungsstärke und alles, was damit zusammenhing, würde sie von ihrer Mutter lernen. In Yanistas Begleitung war Minerva als Erbprätora der Vetash anzusehen und nicht als normale Jungkriegerin.

Gerade noch rechtzeitig hatte Shira die letzten Tabellen auf den Bildschirm gebracht, als Yanista und ihre Tochter die Brücke betraten. „Was ist hier geschehen, Shira und was bedeutet das?!“, fragte Yanista streng und zeigte auf den Monitor. „Wie Ihr seht, Prätora!“, begann Shira und drehte sich ihrer Clanführerin zu. „Sind dies Tabellen von Sternenbeobachtungen der letzten drei Nächte. Der Text daneben ist eine Übersetzung aus den alten Schriften.“

Wieder und wieder wanderte Yanistas Blick über die Tabellen und Sternenkarten. Auch das Protokoll von Shiras Verifizierungsaktion war zu sehen. Schließlich sank die tief gläubige Clanführerin auf die Knie. „Das ist unfassbar.“, begann sie mit leiser Stimme. „Es scheint alles so einzutreten, wie es in den alten Schriften steht. In den sieben Nächten des Sachometh wird der Mond sich verfinstern. Am achten Tage wird der Wächterin von Gore durch die anderen Götter vergeben sein und sie wird eine Sterbliche als ihr Werkzeug wählen, um uns eine große Eroberung zu bescheren.“, zitierte sie fast ehrfürchtig aus den alten heiligen genesianischen Schriften. „Da habt ihr es, meine Kriegerinnen. Da habt ihr es.“ Sie stand auf. „Morgen will ich, dass ein Fest auf unserer Station gefeiert wird!“, ordnete sie an. „Ein so prächtiges Fest, wie diese Basis noch nie eines gesehen hat. Ja, wie ganz Genesia Prime noch nie eines gesehen hat. Gebt die Nachricht an alle Stationen weiter. Auch dort soll gefeiert werden!“ Shira und Minerva nickten.

Etwa ein halbes Jahr nach diesem Ereignis waren wir mit der Granger gerade von der Raumwerft auf Celsius gekommen, wo man dem Schiff einen interdimensionalen Antrieb verpasst hatte. Von hier aus waren wir nach Khitomer geflogen, um dort Präsidentin Nugura und ihren Stab an Bord zu nehmen. Wir hatten Befehl, sie nach Zeitland zu bringen, wo das alljährliche Gipfeltreffen zwischen ihr und Dill stattfinden würde. Nugura hätte zwar wie jedes Jahr davor auch mit ihrer Raumjacht fliegen können, aber sie fand, dass dieses Mal uns die Ehre zuteil werden sollte, da wir einen großen Beitrag zur Lösung des Miray-Konfliktes geleistet hätten. Kissara hatte sich angesichts der Begründung von Nuguras Befehl sehr geschmeichelt gefühlt. Für uns würde der Aufenthalt in Zeitland Oberflächenurlaub bedeuten, auf den wir uns alle sehr freuten.

Vor dem Frühstück hatte ich schon einmal die Brücke aufgesucht und mir von Kang, der die Nachtschicht geführt hatte, einen Abriss geben lassen. Per Computer hatte ich den Kurs überprüft und festgestellt, dass sich unser Schiff auch während meiner Abwesenheit nicht verflogen hatte. „Es gab keine besonderen Vorkommnisse, Allrounder.“, informierte mich der Klingone knapp. „Um so besser.“, antwortete ich. „Dann können wir ja gleich in die Offiziersmesse zum Frühstück gehen.“ Kang nickte und hakte mich unter.

Kissara und Mikel erwarteten uns bereits, als ich neben Kang die Messe betrat. Ihre grünen Katzenaugen hatten uns schnell erspäht und sie winkte uns an ihren Tisch. „Wo waren Sie so lange, Betsy?“, fragte sie. „Sonst sehe ich Sie doch auch zum Frühstück gehen, wenn ich mein Quartier verlasse.“ „Oh.“, antwortete ich, während ich mir ein Frühstück aus Müsli und einem Früchtetee replizierte. „Ich war noch kurz auf der Brücke und habe nachgesehen, ob alles OK ist. Außerdem habe ich den Warrior mitgebracht.“ „Den Warrior. Schon klar.“, frotzelte mir Mikel auf Deutsch zu. „Der würde glatt das Essen vergessen, wenn du ihn nicht erinnern würdest.“ Ich grinste.

Kissara schien genau mein Tablett zu inspizieren, als ich mich damit zwischen sie und Mikel setzte. „Ist alles in Ordnung, Allrounder?“, fragte sie mit ihrer leicht schmeichelnden Stimme, die mich leicht an die deutsche Stimme von Captain Janeway erinnerte, zumindest dann, wenn sie diesen Tonfall hatte. Nur hatte Janeway nicht Kissaras einzigartigen katzenartigen schmeichelnden Schmelz. Diese Tatsache war aber für die Stimme einer Thundarianerin völlig normal. „Es ist alles OK, Ma’am.“, versicherte ich. „Warum fragen Sie?“ „Ich frage, weil jemand an diesem Tisch ganz extrem ihre Essgewohnheiten verändert hat.“, erwiderte Kissara mit dem gleichen schmeichelnden Ton. „Ach das.“, entgegnete ich und versuchte zu überlächeln, dass ich ein ganz mieses Bauchgefühl hatte, das ich mir aber nicht erklären konnte. „Mir war einfach mal nach etwas Gesundem.“ „So, war Ihnen danach.“, schmeichelte Kissara. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie längst wusste, dass ich gerade eine Ausrede benutzt hatte.

„Warum warst du auf der Brücke.“, lenkte Mikel mit vollen Backen ab, nachdem er in ein Wurstbrötchen gebissen hatte. „Ich habe nachgesehen, ob unser Schiff noch auf Kurs ist.“, antwortete ich. „Du denkst wohl, dass ohne dich am Steuerpult gar nichts geht.“, lachte Mikel. „Aber da kann ich dich beruhigen. Die Ingenieure auf der Werft haben Jannings ein super Zeugnis ausgestellt, was die Computersysteme angeht. Der Autopilot schafft das schon. Aber sei ehrlich. Du wolltest doch nur dafür sorgen, dass unser Klingone nicht vom Fleisch fällt, Allrounder Fürsorglich.“ Ich lächelte erleichtert, denn ich war froh, dass Mikel ein anderes Thema angeschnitten hatte.

„Wo wir schon einmal beim Thema Beschäftigungen sind.“, mischte sich Kissara ins Gespräch. „Was werden Sie beide denn so tun, wenn wir in Zeitland sind?“ „Ich werde auf jeden Fall viel in den um Dills Schloss gelegenen Seen und Flüssen schwimmen gehen!“, rief Mikel freudig. Kissara wartete eine Weile ab, ob von mir etwas käme. Dann fragte sie, um das Gespräch anzustoßen: „Und Sie, Betsy?“ „Ach.“, sagte ich hektisch, während ich versuchte, mein wieder aufkeimendes Bauchgefühl zu unterdrücken. „Ich bin mit Prinzessin Eldisa verabredet. Sie benötigt meine Hilfe. Aber wenn ich die Zeit finden sollte, lege ich mich vielleicht auch noch kurz an den Strand.“ „Ständig willst du irgendjemandem helfen.“, lachte Mikel. „Denk dran, das ist Oberflächenurlaub und keine humanitäre Mission.“ „Lassen Sie sie doch, Agent.“, lächelte Kissara. „Sie scheint sich in der Rolle der helfenden Hand sehr wohl zu fühlen und ich schließe nicht aus, dass das Gefühl, wenn sie jemandem erfolgreich helfen konnte, für Ihre Freundin genau so schön ist wie Urlaub.“ „Ich werde an Bord bleiben.“, erklärte Kang. „Man kann nie wachsam genug sein.“ „Als Commander muss ich beim Gipfeltreffen anwesend sein. Nugura wollte das unbedingt.“, stöhnte Kissara. „Ich soll wohl als Vorzeigekommandantin dienen.“ „Um den Job beneide ich sie nicht.“, flüsterte mir Mikel auf Deutsch zu, worauf ich ihn nur angrinste.

Die Mittagssonne stand hoch am Himmel, als ein Jeep eine von großen Bäumen gesäumte Allee auf dem Planeten Celsius entlang fuhr. Der Jeep hatte eine grüne Lackierung und erinnerte in seiner Form eher an einen Leib Brot als an ein Fahrzeug, was der demetanische Hersteller aber durchaus beabsichtigt hatte. Die runden Formen schmeichelten sowohl der Hand, als auch dem Auge. In jenem Jeep, der sich langsam einem Grundstück näherte, saßen ein etwas korpulenter jüngerer Terraner von ca. 1,70 m Größe mit roten kurzen Haaren und eine mit 1,60 m kleinere ältere rothaarige verheiratete Celsianerin, deren Ohrenform vermuten ließ, dass vor etlichen Generationen in ihrer Familie einmal ein Vulkanier mitgemischt haben musste. Es handelte sich um Professor Teva Saren, die ausgewiesene Androidenexpertin der Sternenflotte und ihren Assistenten, Technical Assistant Derek Reeves. Beide waren direkte Angehörige des Stabes von Chief-Techniker Ayora, der Stabschefin der Chefingenieure.

Reeves, der auf dem Beifahrersitz saß, drückte einen Knopf in der Seitentür, worauf das Fenster mit fast freundlich anmutendem Summen nach unten glitt. Dann sog er die Luft ein. „Es riecht fast wie Jasmin, Professor.“, stellte er gegenüber seiner Vorgesetzten fest. Die Professorin wendete noch nicht einmal den Kopf. Sie schien völlig unbeeindruckt von seiner Äußerung. „Ich hoffe nur.“, erwiderte sie ausweichend, „Dass Novus wirklich das hält, was er versprochen hat, beziehungsweise was aus den Berichten seiner Betreuer hervorgeht. Ayora wäre höchst unwohl dabei, wenn sie ihn auf die Gesellschaft losließe, obwohl er nicht weiß, wie er sich verhalten soll. Viele Dinge könnten …“ Sie hatte bemerkt, dass ihr Assistent ihr nicht zuzuhören schien. „Das hier ist kein Luftkurort, Derek!“, wies sie ihn zurecht. „Wir sind zum Arbeiten hier!“ „Verzeihen Sie bitte, Professor.“, sagte der Terraner mit dem britischen Akzent kleinlaut.

Eine junge zierliche Celsianerin winkte ihnen zu, als sie das Tor zum Grundstück passierten. Jetzt tat sich vor ihnen eine große parkartige Landschaft auf, an deren komplett anderem Ende zwei Gebäude zu sehen waren, die in ihrem Aussehen an großzügige Wohnhäuser erinnerten und in roter Backsteinoptik gehalten waren. Auf mit runden Steinen abgesetzten kleinen Flächen fanden sich Blumentöpfe mit allerlei exotisch anmutenden Pflanzen.

Die ältere Professorin, eine routinierte Fahrerin, brachte den Jeep mit einer sanften Bremsung neben der jungen Frau mit den verspielten kessen schwarzen Locken und der schlanken Statur, die einen langen roten und luftigen Sommerrock mit einer weißen Bluse und braunen Sandalen trug, zum Stehen und deutete auf die Rückbank: „Steigen Sie ein, Tila.“

Reeves öffnete die Beifahrertür, um selbst dem Jeep zu entsteigen und der Fremden die Tür zum hinteren Bereich zu öffnen. „Sehr liebenswürdig.“, lächelte die junge Celsianerin. „Aber ich komme schon zurecht.“ Damit öffnete sie sich selbst die Tür und bestieg das Fahrzeug. Reeves stieg wieder vorn ein. „Es ist nicht weit.“, versicherte die junge Celsianerin. „Wie ich Novus kenne, wird er uns auch schon vom Balkon seines Zimmers aus erwarten. Meine Kollegen und ich haben ihn über Ihr Kommen unterrichtet. Sehen Sie? Da oben ist er.“ Sie deutete auf ein Gesicht, das sich hinter einer der Balkonbrüstungen verbarg.

Professor Saren stellte den Jeep in einer Parkbucht in der Nähe ab und dann folgten sie und Reeves Tila, die sie ins Gebäude führte. Die Eingangshalle des Hauses war mit freundlichen hellen Wandbehängen geschmückt. Gegenüber der Eingangstür gab es eine Sitzecke mit einem runden weißen Tisch und dazu passenden weichen Polstersesseln. Eine reich verzierte Säule in der Hallenmitte verbarg einen doch eigentlich sehr unansehnlichen Liftschacht.

Tila hatte ein Feld an der Wand dieses Schachtes berührt. Bald darauf öffnete sich eine Tür und die Celsianerin bat ihren Besuch in den Turbolift, mit dem sie eine Etage höher fuhren. Von hier aus kamen sie auf einen großen offenen Flur, von dem rechts und links Gänge zu kleinen Wohneinheiten abgingen. In einen dieser Gänge bog Tila jetzt ab und Saren und ihr Assistent folgten ihr. Vor der Wohnungstür blieb sie stehen und betätigte eine Sprechanlage. Kurze Zeit darauf erfolgte die Antwort einer fast jugendlich anmutenden männlichen Stimme von drinnen: „Wer ist dort?“ „Hier ist Tila.“, gab sich die Betreuerin mit ihrer freundlichen hellen Stimme ihrem Gegenüber zu erkennen. „Ich habe Professor Teva Saren und ihren Assistenten mitgebracht. Heute ist dein großer Tag, Novus. Dürfen wir hereinkommen?“ „Aber natürlich, Tila.“, erfolgte seine freundliche Antwort. Dann öffnete sich die Tür.

Saren und ihr Assistent folgten Tila in die Wohnung, deren Einrichtung sich nicht sehr vom Durchschnitt unterschied. Nur fiel Reeves plötzlich auf, dass ihm von zweien der in die Wand eingelassenen Displays die Bilder von Commander Data und Scientist Cupernica entgegenstrahlten. Diese Module hatten auch einen eigenen kleinen Datenkristall, auf den man ebensolche Fotos laden konnte. Der Inhalt konnte bei Bedarf jederzeit geändert werden.

Professor Saren war vor den Bildern stehen geblieben und hatte sie mit Faszination betrachtet. „Sie haben mit keinem Wort erwähnt, dass er Bilder von seinen Eltern hat, Tila.“, bemerkte die Professorin. „Für mich ist das auch neu.“, lächelte die Betreuerin. „Aber ich würde es schon mal als gutes Zeichen werten.“ „Sie meinen, weil auch wir Normalsterblichen gern Bilder von unseren Angehörigen um uns haben.“, scherzte Reeves. Teva Saren und Tila nickten.

Kapitel 2 - Prüfungen

von Visitor

 

Jemand kam aus dem Wohnzimmer auf sie zu. Jemand, der Tila gleich mit den Worten: „Hi, Tila!“, begrüßte. „Hi, Novus!“, gab sie zurück und gab ihm die Hand. Reeves und Saren musterten den jungen Mann genau. Sie sahen sich einem ca. 1,80 m messenden Androiden gegenüber, der lockere Kleidung trug. „Novus, das sind Professor Teva Saren und ihr Assistent Derek Reeves.“, stellte Tila ihrem Schützling den Besuch vor. „Sehr erfreut.“, begrüßte Novus die Beiden förmlich und gab zuerst Saren und dann ihrem Assistenten die Hand. „Darf ich den Grund erfahren, aus dem Sie hier sind, Professor?“, fragte er dann freundlich. „Sicher.“, erwiderte Saren. „Du weißt, dass du aufgrund deiner Entstehungsgeschichte etwas Besonderes bist, Novus. Deshalb wollen wir gern die alten Fehler, die bei deiner Schwester Lal gemacht wurden, vermeiden und deshalb wurdest du hierher gebracht, um dich auf ein Leben unter Organischen vorzubereiten. Mein Assistent und ich sind von Chief-Techniker Ayora geschickt worden, um zu beurteilen, ob du schon so weit bist. Weißt du, wer das ist?“ „Ja.“, antwortete Novus kurz. Er konnte natürlich Ayoras gesamten Lebenslauf aufsagen, wenn er wollte, wusste jedoch, dass dies von seinem Gegenüber unter Umständen als langweilig, ja vielleicht sogar ungehörig, aufgefasst werden konnte, wenn er die Daten einfach so herausposaunen würde. „Möchte der Chief-Techniker, dass ich eine Prüfung ablege?“, erkundigte sich Novus. „So ähnlich.“, antwortete Saren. „Wir sollten aber zunächst in dein Schlafzimmer gehen, weil der Test auch eine körperliche Untersuchung beinhaltet.“ „Wie Sie wünschen, Professor.“, sagte Novus freundlich und winkte ihnen zum Folgen. Saren gab ihrem Assistenten ein Zeichen, auf das dieser in Richtung Lift verschwand, bevor sie Novus mit Tila folgte.

Der 4-jährige Androide führte sie in ein für unsere Begriffe vielleicht etwas karg eingerichtetes Zimmer, in dem ein braunes Bett und eine ebensolche Nachtkonsole standen. Auch ein Schreibtisch mit zwei Stühlen in gleicher Farbe war zu sehen.

Saren flüsterte Tila etwas zu, worauf diese eine schnelle Bewegung mit ihrer rechten Hand in Richtung ihrer Schuhe machte, bevor sie sagte: „Leg dich doch bitte schon einmal auf dein Bett, Novus. Ich bin sicher, Professor Saren möchte bald mit deiner Untersuchung beginnen.“ „Das werde ich gleich tun, Tila.“, entgegnete Novus. „Aber vorher muss ich dich darauf aufmerksam machen, dass dein rechter Schuh offen ist. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass du stolperst. Um Schaden von dir abzuwenden, würde ich dir gern helfen. Darf ich?“ „Sicher.“, lächelte Tila und sie und Saren sahen aufmerksam zu, wie sich Novus bückte und sich am Verschluss des Schuhs zu schaffen machte. Vorsichtig zog er den Riemen zu. „Ist es so nicht zu fest?“, fragte er und schaute sie mit sanftem Blick an. Lächelnd schüttelte Tila den Kopf und Novus verriegelte den Verschluss. „Höflich, nicht übergriffig, sprachlich für einen Androiden typisch.“, notierte Saren in ein mitgebrachtes und verstecktes Pad.

Reeves war zurückgekehrt und hatte einen schwarzen Koffer bei sich, den er vor aller Augen öffnete. Zum Vorschein kam ein selbst für die von Natur aus technisch versierte Tila merkwürdig anmutendes Gerät, an dessen Seite Saren eine Klappe öffnete, aus der ein Modul zum Vorschein kam. Novus hatte sich inzwischen aufs Bett gelegt. „Ich werde dir das Modul jetzt auf die Stirn setzen.“, erklärte die Professorin. „Es könnte sein, dass ich dich zu bestimmten Handlungen auffordere. Dies dient dem Zweck, die Signalübertragung an deine Gliedmaßen und überhaupt an deine physischen Systeme zu kontrollieren.“ „Ich verstehe.“, sagte Novus. „Sie möchten vermeiden, dass ich aufgrund einer körperlichen Fehlfunktion eventuell einem anderen Wesen schade. Wenn ein Sensor nicht korrekt funktionieren sollte, kann dies zu falschen Eindrücken bei mir führen und unter Umständen meine Handlungen …“ „Richtig.“, unterbrach Saren ihn.

Tila beobachtete die Untersuchung genau. Sie überlegte, ob sie eine kürzliche Begebenheit ansprechen sollte, die sie sehr fasziniert hatte, oder ob sie damit besser noch warten sollte. „Bitte kommen Sie kurz näher, Tila!“, forderte Saren sie nach einer Weile auf. Die Betreuerin folgte der Aufforderung. Saren deutete auf den Bildschirm des Gerätes. „Seine Systemdateien enthalten interessante Pfade, die mich schließen lassen, dass er das Emotionsprogramm seines Vaters geerbt haben könnte.“ „Das würde einiges erklären.“, antwortete Tila. „Wovon reden Sie?“, fragte Saren interessiert. „Einer meiner Kollegen war neulich mit Novus im Park am anderen Ende der Stadt.“, berichtete Tila. „Sie hatten einigen Kindern beim Spielen zugesehen. Einem kleinen bajoranischen Jungen war sein Ball in den Teich gefallen und Novus hat ihn zuerst dort herausgeholt und dann auch noch das weinende Kind getröstet. Meinem Kollegen war Novus’ Mimik aufgefallen. Sie schien zu echt, um gespielt oder gelernt zu sein. Auch die Tatsache, dass er spontan erkannt hat, dass das Kind traurig war, hat uns zuerst sehr irritiert, aber hier haben wir ja die Erklärung.“ Sie lächelte Novus zu.

Saren entfernte das Modul. „Körperlich ist bei dir alles in bester Ordnung, Novus.“, sagte sie. „Dann können wir ja wohl endlich eine Pause machen.“, mischte sich Reeves ins Gespräch. „Ich habe einen Bärenhunger! Weiß jemand, wo es hier etwas zu Essen gibt?“ „Gewiss.“, antwortete Novus und stand vom Bett auf. „Es gibt hier in der Nähe ein Restaurant. Es befindet sich nur zwei Straßen weiter in nördlicher Richtung.“ „Dann lasst uns gehen.“, meinte Reeves. „Möchtest du uns begleiten, Novus?“, fragte Saren freundlich. „Wenn ich darf, würde ich dies gern.“, erwiderte der Androide. „Aber was hättest du denn davon, Novus?“, fragte Reeves zurück, nachdem Saren ihm ein verstecktes Handzeichen gegeben hatte. „Du kannst doch nicht essen oder trinken.“ „Das ist korrekt.“, antwortete Novus. „Aber ich kann bei Ihnen sitzen und an meiner sozialen Kompetenz arbeiten, indem ich Ihre Interaktionen studiere.“ „OK.“, meinte Saren und dann verließen alle gemeinsam das Haus.

Der Fußweg zum Restaurant war tatsächlich nur kurz. Sowohl Saren, als auch ihrem Assistenten war aufgefallen, dass Novus keine androidentypischen metergenauen Angaben gemacht hatte, als er den Weg beschrieben hatte. Dies hatten beide als sehr positiv gewertet, was Saren auch in das versteckte Pad geschrieben hatte.

Man setzte sich an einen gemeinsamen Tisch. Das Grüppchen war fast allein hier. Nur am Nebentisch saß ein Klingone, der auf jemanden zu warten schien und in einer Ecke an einem weiteren kleinen Tisch eine terranische ältere Touristin.

„Was haben wir denn hier?“, meinte Reeves und begann mit dem Studium des Tischreplikators. Dabei achtete er genau darauf, dass Novus jede seiner Eingaben genau sehen konnte. Er bestellte sich einen fettigen Burger, noch fettigere Kartoffelchips und eine Cola. Zum Nachtisch, um es auf die Spitze zu treiben, einen dicken sahnigen Schokoladenkuchen. „Sie sollten sich wirklich gesünder ernähren, Derek.“, tadelte Saren. „Lassen Sie mich doch, Ma’am.“, entgegnete Reeves mit vollen Backen. „Ist doch meine Gesundheit, die ich zu Grunde richte.“ „Das ist korrekt.“, erklärte Novus. „Auch ich weiß, dass große Mengen Zucker und Fett einem biologischen Organismus schaden können. Aufgrund dieses Wissens wäre die logische Konsequenz, dass ich versuchen würde, ihm den Teller wegzunehmen. Aber ich weiß auch, dass Organische nicht immer vernünftig handeln. Dies ist ein Umstand, den ich zu tolerieren habe, wenn ich unter Organischen leben möchte.“ „Akzeptiert menschliche Schwächen.“, notierte Saren.

Novus hatte allen lange beim Essen zugesehen. „Professor.“, wendete er sich dann an dieselbe. „Mir ist aufgefallen, dass Sie als Professor Saren angesprochen werden möchten. Dies ist aber im Allgemeinen auf Ihrem Heimatplaneten nicht üblich. Die korrekte celsianische Anredeweise wäre Professor Teva. Wie kam es dazu?“ „Nun, Novus.“, begann Saren. „Ich bin verheiratet und auf dem Heimatplaneten meines Ehemannes gibt es Familiennamen. Das habe ich übernommen.“ Sie notierte: „Beherrscht Smalltalk.“ „Welcher Planet ist das?“, fragte Novus. Bevor Saren allerdings antworten konnte, wurde die kleine Gesellschaft von einem gellenden Schrei aufgeschreckt: „Um Gottes Willen! Die Sicherheit! Ruft jemand die Sicherheit!“ Der Schrei war vom Tisch der alten Frau gekommen. Novus sah sich um und schien die Situation schnell erfasst zu haben. Er stand auf und ging hinüber. „Was hat er vor?“, fragte Reeves. „Das werden wir bald erfahren.“, antwortete Saren. „Schauen wir mal, was er macht.“

Der Androide war zwischen den Tischen stehen geblieben und war dem Finger der alten Frau mit den Augen gefolgt. Am Ende der daraus entstandenen gedachten Linie hatte er den Klingonen erspäht, der eine gerade ins Restaurant gekommene Klingonin leidenschaftlich gebissen hatte, dass das Blut spritzte. „Ich bin gespannt, wem er helfen will.“, zischte Saren. Für Novus war die Situation Dank seiner hoch auflösenden Augen längst klar. Er streifte das klingonische Liebespaar nur kurz und ging zielstrebig auf die alte Frau zu, die angstvoll ihren Kopf in beide Hände gestützt hatte. Er setzte sich so hin, dass sein Körper der Frau einen weiteren Blick auf das Paar versperrte. Dann legte er ihr beruhigend seine rechte Hand auf die Schulter. Endlich sah sie ihn an. An der gemessenen Feuchtigkeit in ihren Augen konnte Novus gut sehen, dass sie geweint hatte. „Sie müssen jetzt keine Angst mehr haben.“, versicherte der Androide ruhig. „Es ist alles gut.“ „Aber er hat die Frau verletzt.“, stieß die Alte noch immer unter Tränen hervor. „Das ist zwar korrekt.“, erwiderte Novus. „Aber wie Sie sehen können, handelt es sich bei beiden Beteiligten um Klingonen. Bei denen gehört das zum normalen Liebesspiel. Ich versichere Ihnen, die Frau war zu keiner Zeit in Gefahr. Wäre es so, hätte ich dies sehen können. Ich habe sehr hoch auflösende Augen. Ich bin Androide. Mein Name ist Novus.“ „Lisa Miller.“, stellte sich die Alte vor. „Vielen Dank, Novus. Das wusste ich nicht. Sie haben mir sehr geholfen.“ „Gern geschehen.“, antwortete Novus. „Ihre medizinischen Werte haben mir jedoch angezeigt, dass Sie große Angst hatten. Soll ich jemanden für Sie kontaktieren, der sich weiter um Sie kümmert?“ „Nicht nötig.“, meinte Miss Miller.

Tila winkte Novus an ihren Tisch zurück. „Professor Saren möchte dir etwas sagen, bevor sie geht, Novus.“, erklärte sie. „Müssen Sie mir nicht noch eine Prüfung abnehmen, Professor?“, fragte Novus. „Die.“, lächelte Saren. „Die hast du meines Erachtens mit Bravur bestanden. Ich muss dir etwas gestehen. Alle Situationen, in denen du deine Sozialverträglichkeit unter Beweis gestellt hast, waren von uns arrangiert. Wir mussten sicher gehen, dass du in der Lage bist, dich spontan richtig zu verhalten und nicht nur, weil eine gelernte Prüfungssituation es verlangt.“ „Verstanden.“, erwiderte Novus nüchtern.

Saren schulterte ihre Tasche und winkte ihrem Assistenten. „Essen Sie auf, Derek! Wir gehen! Jetzt muss nur noch Ayora ihren Friedrich-Willhelm unter meinen Bericht setzen und dann kannst du nach Hause, junger Mann.“ Höflich gab Novus beiden zum Abschied die Hand, bevor er mit Tila ins Institut zurückkehrte.

Sedrin saß auf einem Stein im Garten der Huxleys, als sich Cupernica von der Straße näherte. In ihrer rechten Hand hielt die Androidin ein Pad, welches sie der demetanischen Agentin nach Betreten des Gartens sofort unter die Nase hielt. „Sehr geehrte Scientist Cupernica, sehr geehrter Commander Data.“, las Sedrin halblaut ab. „Ich freue mich, Ihnen in dieser Mail die baldige Heimkehr Ihres Sohnes Novus ankündigen zu können. Die letzte notwendige Prüfung zur Ermittlung seiner erlernten Sozialkompetenz hat er mit der Note eins plus bestanden. Der Bericht von Chief-Techniker Ayora und Professor Teva Saren, aus dem Sie dies auch ersehen können, ist dieser Mail angehängt. Bitte teilen Sie mir doch auf diesem Wege mit, wann Sie Novus in Empfang nehmen können. Mit freundlichen Grüßen Kybernetisches Forschungsinstitut Celsius, Techniker Tila.“

Sie wandte den Blick vom Pad und Cupernicas Gesicht zu. „Haben Sie schon geantwortet, Scientist?“, fragte die demetanische Spionageoffizierin. „Ja.“, gab die androide Ärztin zurück. „Ich schrieb zurück, dass wir Novus morgen vom celsianischen Raumflughafen abholen werden. Das bedeutet, dass wir noch heute den nächsten Liner nehmen werden, der nach Celsius geht.“ „Dann müssen Sie und Data aber schnell packen.“, erwiderte Sedrin. „Ich habe Data mit keinem Wort erwähnt.“, berichtigte Cupernica. „Der ist nämlich gerade auf Celsius, hat aber mit dieser Sache nichts zu tun und davon auch keine Ahnung. Dass Tila sich an Data und mich wendet, ist nur logisch. Wir sind Novus’ Eltern. Sie weiß ja nicht, dass ich geplant habe, meinen Mann nach seiner Rückkehr mit Novus’ Anwesenheit zu überraschen. Dies ist möglich, weil Data einen Emotionschip besitzt.“ Sedrin war verwirrt. „Aber Sie haben von wir gesprochen, Scientist.“, rief sie Cupernica das gemeinsame Gespräch in Erinnerung. „Wen meinen Sie mit mindestens noch einer Person, die Sie begleiten wird?“ „Ich sprach von Ihnen.“, erklärte Cupernica. „Von mir?“, fragte Sedrin und machte ein fast peinlich berührtes Gesicht. „Ich fühle mich geehrt. Aber ist dies nicht eher eine Familienangelegenheit, Cupernica?“ „Wir, verehrter Agent.“, erwiderte Cupernica. „Haben so viel zusammen erlebt, dass ich Sie durchaus zu meiner Familie im weiteren Sinne zählen würde. Wir haben gemeinsam gegen Sytania gekämpft und …“ „Schon gut.“, sagte Sedrin und warf ihrer ehemaligen Untergebenen einen konspirativen Blick zu. „Dann gehe ich mal packen. Wie ich Sie kenne, haben Sie ihren gepackten Koffer bereits im Jeep.“ „Und der steht abfahrbereit vor der Haustür.“, ergänzte Cupernica. „Ich komme dann herumgefahren und hole Sie ab. Ich hoffe, Sie können Commander Huxley Ihr übereiltes Kofferpacken erklären.“ „Schöne Verschwörung.“, grinste Sedrin. „Aber es ist ja für einen guten Zweck. Mein Mann wird sich gegenüber dem Ihren schon nicht verplappern.“ „Davon gehe ich auch aus.“, entgegnete Cupernica. „Zumal er ja das Rufzeichen gar nicht kennt, unter dem Data auf Celsius erreichbar ist.“ „Was tut Data überhaupt dort?“, fragte Sedrin neugierig. „Er ist einer Einladung von Techniker Scott gefolgt.“, antwortete Cupernica wahrheitsgemäß. „Sie wissen, dass die Beiden eine tiefe Freundschaft verbindet.“ Sedrin nickte grinsend und ging ins Haus, um ihren Koffer zu packen.

Ich hatte die Granger über Dills Palast in eine fixe Umlaufbahn gelenkt und war danach zum Transporterraum gegangen, wo alle schon Schlange standen. Die gute Elektra hatte alle Hände voll damit zu tun, jeden zu dem gewünschten Urlaubsdomizil zu beamen. Sie selbst würde an Bord des Schiffes bleiben. Als Androidin hatte sie eh nichts von Urlauben und fand es effizienter, die Maschinen des Schiffes zu warten, als irgendwo faul herumzuliegen. „Sie haben gleich sturmfreie Bude.“, scherzte Mikel. „Ihr Vorgesetzter wird uns nämlich begleiten, Technical Assistant.“ „Das ist mir bekannt.“, gab Elektra zurück. „Aber ich muss Sie auch in einem korrigieren, Sir. Mr. Kang, der Brückenoffizier ist, bleibt ebenfalls mit mir an Bord. Ich kann mir also keine Eskapaden leisten, selbst wenn ich es wollte.“ „Ich habe einen Scherz gemacht, Elektra.“, sagte Mikel. „Verzeihen Sie, Agent.“, entschuldigte sich die Androidin. „Das Konzept des Humors scheint mir noch immer nicht geläufig.“ „Macht nichts.“, nahm Mikel ihre Entschuldigung an.

Nugura und ihr Sekretär hatten nebst Kissara die Transporterplattform betreten und Elektra stellte die Koordinaten ein, während sie sagte: „Ich verstehe allerdings nicht, warum Mr. Kang an Bord bleiben möchte. Als Klingone ist er doch ebenfalls eine biologische Lebensform wie Sie auch. Mit Ausnahme der Vulkanier finden meines Wissens alle biologischen Lebensformen einen Urlaub sehr vergnüglich und erholsam.“ „Kang sorgt sich, dass wir von einem Feind angegriffen werden könnten.“, erklärte ich. „Sie wissen, Elektra, wie pflichtbewusst er ist.“ „Das ist mir bekannt, Allrounder.“, entgegnete Elektra. „Aber ich dachte, …“ Die Sprechanlage hatte uns unterbrochen. „Was gibt es?“, antwortete Elektra. „Ist Allrounder Betsy bei Ihnen, Technical Assistant?“, fragte Kangs Stimme aus dem Gerät und ich hatte fast das Gefühl, dass er etwas verunsichert war. „Das ist sie.“, antwortete Elektra und zog mich näher zur Konsole, wo sie mir das Mikrofon in die Hand gab. „Was gibt es, Warrior?“, fragte ich. „Jemand Namens Lycira möchte Sie sprechen, Ma’am.“, sagte Kang. „Außerdem ist ein fremdes merkwürdiges Schiff neben uns aufgetaucht. Der Ruf von dieser Lycira kommt eindeutig von Bord des Schiffes, aber dort ist niemand. Die Sensoren können keine Biozeichen ausmachen.“ „Kein Grund zur Besorgnis, Warrior.“, versicherte ich. „Lycira ist harmlos. Geben Sie schon her.“

Er verband und ich hörte bald Lyciras sanfte hohe Stimme. „Hallo, Betsy.“, begrüßte sie mich. „Hallo, Lycira.“, entgegnete ich. „Was machst du hier? Unter uns, du hast den armen Kang ganz schön aus dem Konzept gebracht. Ich hatte dir doch gesagt, dass du in Little Federation bleiben solltest.“ „Tut mir leid.“, schmeichelte Lycira. „Aber das konnte ich nicht. Ich habe eine unheilvolle Vorahnung. Außerdem wolltest du mich jemandem vorstellen.“ „Warte!“, sagte ich alarmiert. „Ich komme an Bord und Mikel bringe ich auch gleich mit.“ Ich beendete die Verbindung. „Was macht dein Schiff hier?“, fragte Mikel mich. „Das hat sie uns doch gerade selbst gesagt.“, erwiderte ich. „Aber komm mit. Du wolltest sie doch eh kennen lernen.“

Ich wies Elektra an, uns an Bord von Lycira zu beamen. „Was meinte sie mit der Sache mit der unheilvollen Vorahnung?“, fragte Mikel. „Soweit ich weiß, können künstliche Intelligenzen nicht in die Zukunft sehen.“ „Normalerweise nicht.“, entgegnete ich. „Aber Lycira hat eine biologische Komponente, die ihr die reine telepathische Kommunikation ohne Neurokoppler mit mir ermöglicht. Wer weiß, was sie durch dieses Ding noch kann. Alles über mein Schiff weiß ich auch noch nicht.“ „Interessant.“, sagte Mikel und tastete die Konsole vor sich ab. „Wie fliegst du sie?“, fragte er, nachdem er festgestellt hatte, dass es hier keine Knöpfe und Hebel, noch nicht mal einen Anschluss für einen Neurokoppler, gab. „Na komm.“, scherzte ich. „Gib Pfötchen.“ „Wuff, fiep. Aber das mit dem Wedeln verkneife ich mir.“, scherzte Mikel und gab mir seine linke Hand. „Nachher will ich aber auch einen dicken Kauknochen.“ Ich musste lachen. Seine Hand landete durch meine Einwirkung in einer weichen Vertiefung auf der Konsole. „Und jetzt das gleiche Spiel mit rechts?“, fragte Mikel. „Jops!“, grinste ich cool. Er legte seine rechte Hand in die dazugehörende Vertiefung, die er jetzt allein gefunden hatte.

Im nächsten Augenblick erschien vor unser beider geistigen Augen das Bild der Frau, die ich bereits als eine Art von Lyciras Avatar kannte. Hallo, Agent Mikel., begrüßte sie ihn. Betsy hat mir schon viel von Ihnen erzählt.

Mikel stieß mich an: „Wie antworte ich ihr?“ „Oh, Mann!“, stöhnte ich. „Du bist doch sonst im Punkto Telepathie nicht so’n Einfaltspinsel. Denk einfach, was du sagen willst.“ „Stimmt schon.“, gab Mikel zu. „Aber ich hatte noch nie wirkliche telepathische Kommunikation mit einem Raumschiff.“ „Dann sieh sie doch einfach als Wesen.“, schlug ich vor. „Na ja.“, sagte Mikel. „Immerhin hat sie eine biologische Komponente. Also wird das schon gehen.“

Ich gab Lycira die Gedankenbefehle zum Start und zum Einschlagen eines Kurses, der uns direkt in Dills Schlosspark führte. Hier landete ich sie. Bleib in deinem Versteck!, befahl ich mit Nachdruck. Ich werde Kissara über deine Anwesenheit informieren. Wie du wünschst, Betsy., gab sie zurück. Mikel und ich stiegen aus und ich beschloss, meinem Commander in einer stillen Stunde Lyciras Anwesenheit zu beichten. Außerdem würde ich mich noch mit ihr und ihrer Vorahnung beschäftigen. Aber jetzt war erst mal Eldisa dran.

Kapitel 3 - Folgenreiche Abfuhr

von Visitor

 

Mikel und ich waren durch das Tor ins Schloss gegangen. An den Wachen kamen wir ohne Federlesen vorbei. Immerhin war Mikel Dills Nennsohn und ich war dessen gute Freundin. In der großen Eingangshalle erwartete uns bereits Eldisa. „Hallo, Bruder.“, begrüßte sie Mikel und umarmte ihn. Dann gab sie mir durchaus förmlicher die Hand. „Hallo, Allrounder Betsy.“, sagte sie. „Ich grüße Euch, Hoheit.“, erwiderte ich. „Ihr habt in der SITCH-Mail, die Ihr mir geschickt habt, erwähnt, dass Ihr Hilfe braucht und nur ich Euch helfen kann. Nun, hier bin ich.“

Die Prinzessin zog mich zu einer Seitentür, durch die wir in einen abgelegenen Teil des Schlossparks kamen. Hier erwartete uns der Stallbursche mit zwei Pferden. Lucinda, die Logar Eldisa geschenkt hatte und Merlin, einem gutmütigen nervenstarken kleinen stämmigen Rappen, dessen Mutter eine von Dills Stuten und dessen Vater wohl der Hengst eines Bauern gewesen sein musste, jedenfalls, wenn man nach Merlins Statur ging. Dill hatte den armen Merlin bei Zeiten kastrieren lassen, damit der Seitensprung seiner Lieblingsstute auf keinen Fall weitere Kreise ziehen würde. Sein Fell war so weich, dass ihm der Stallbursche den Spitznamen Wollschaf verpasst hatte.

Wir ritten also los und bald waren wir durch die Wälder zu einem kleinen versteckten Bach gekommen, den Eldisa zu ihrem Lieblingsplatz erkoren hatte. Hier stiegen wir ab und ließen die Pferde aus unseren hohlen Händen trinken, was ich Eldisa angeraten hatte, damit sie sich keine eventuellen Kälte bedingten Krankheiten holten. Obwohl es Sommer war, schien mir das Wasser noch sehr kalt. „Hast du einen weichen Nasenspiegel.“, flüsterte ich Merlin zu. Er grunzte wohlig und leckte mir den Rest Wasser von den Fingern. „Er ist eins vierundsechzig pure Weichheit und so lieb!“, lächelte Eldisa. „Ich kann gar nicht verstehen, warum er keine Fohlen zeugen soll.“ „Euer Vater sorgt sich um die vornehme Herkunft seiner Pferde.“, scherzte ich. „Ach so.“, lachte Eldisa.

Ich führte Merlin zu einem Baum und band ihn an, wonach ich Eldisa auch Lucinda abnahm. Dann setzten wir uns ans Ufer des Baches. „Was ist nun Euer Problem, Hoheit.“, fragte ich. „Ich habe das Thema Liebesdinge nicht umsonst erwähnt, Allrounder.“, entgegnete die Königstochter. „Es ging also gar nicht um die Pferde.“, schlussfolgerte ich. „Nein.“, sagte Eldisa. „Obwohl ich dem Stallburschen mit Absicht befohlen habe, gerade Merlin für Sie zu satteln, um im weitesten Sinne einen Anfang für dieses Thema zu haben. Also, seine Mutter hat offensichtlich nicht nein gesagt, als sein Vater was von ihr wollte, obwohl er nicht von ihrem Stande, also nur ein Ackergaul, war. Aber …“ „Pferden ist das egal.“, lachte ich. „Die pfeifen auf Adel oder nicht. Ihr habt Euch doch nicht etwa in einen Sterblichen …“ „Nein.“, beruhigte mich Eldisa. „Aber es geht eher um das Neinsagen. Seit einiger Zeit steigt mir ein Junge aus dem Raum-Zeit-Kontinuum hinterher, aber ich will nichts von ihm.“ „Na da habt Ihr ja auch noch alle Zeit der Welt.“, erwiderte ich. „Ihr seid ja gerade erst 13 Jahre alt.“ „Das ist es nicht nur.“, sagte Eldisa. „Clytus nervt! Er rafft einfach nicht, dass ich nichts von ihm will. Sagen Sie, Allrounder, sind Jungs so doof, oder tun sie nur so?“ Ich musste schallend lachen und auch die Pferde fielen mit lautem Wiehern in mein Gelächter ein. So einen Ausspruch hatten wir wohl alle drei Eldisa nicht zugetraut. Von einer Prinzessin war man auch im Allgemeinen diplomatischere Töne gewohnt. Aber sie war eben auch ein 13-jähriges Mädchen. Jetzt musste auch Eldisa lachen.

Ich räusperte mich. „Also.“, begann ich. „Manchmal brauchen Jungs es sehr deutlich, Hoheit. Was habt Ihr denn bisher versucht, um ihn loszuwerden, wenn Ihr nichts von ihm wollt?“ „Ich habe ihm all seine Geschenke zurückgeschickt.“, entgegnete Eldisa. „Außerdem habe ich ihn nie empfangen, wenn er zu mir wollte.“ „Mindestens einmal solltet Ihr ihn aber empfangen.“, riet ich. „Und sei es nur, um ihm zu sagen, dass er bei Euch keine Chance hat.“ „Also gut.“, sagte Eldisa erleichtert und stand auf. „Vielen Dank, Allrounder. Aber da ist noch eine Frage, die mir auf den Nägeln brennt. Es geht um Sie. Ich möchte Sie aber nicht kompromittieren.“ „Nur raus damit, Hoheit.“, ermutigte ich sie. „So schlimm kann es ja nicht sein. Jedenfalls erinnere ich mich nicht, etwas Schlimmes getan zu haben.“ „Sie sind mit Techniker Scott verheiratet.“, begann Eldisa. „Aber Sie lieben auch Shimar. Es wäre doch sicher gut, wenn Sie mit beiden zusammen sein könnten. Warum geht das nicht?“ „Ihr seid erst 13 Jahre alt.“, setzte ich an. „In Eurer romantischen Vorstellungswelt besiegt die Liebe alles. Aber in der Welt der Erwachsenen gibt es moralische Konventionen, die das verbieten würden. Zumindest in der Föderation. Bei den Genesianern wäre das anders. DA dürfte ich so viele Männer haben, wie ich wollte. Die Männer dürften aber nur mir treu sein. Ich hätte dort sogar das Recht, einen untreuen Ehemann mit den eigenen Händen zu töten. Das würde die Rechtsprechung sogar verlangen.“ Eldisa schauderte. „Dann doch lieber die Moral der Föderation. Ich möchte nicht morden müssen wegen eines Seitensprungs.“

Mir war aufgefallen, dass die Pferde unruhig geworden waren. „Ich gehe mal nachsehen.“, sagte ich. „Nicht nötig.“, erwiderte Eldisa, die längst telepathisch gespürt hatte, was hier los war. Bald darauf gab es einen Wush und ein weißer Blitz zerriss die Luft. Dann stand Clytus vor uns. „Kümmern Sie sich bitte um die Pferde, Allrounder.“, sagte Eldisa selbstbewusst. „Ich mache den Rest!“ „Wie Ihr wünscht, Hoheit.“, sagte ich und ging in Richtung der Stelle, an der ich die Pferde angebunden hatte, um eine Krauloffensive zu starten, wie sie die Welt noch nie gesehen hatte.

Eldisa trat mit aufrechter Haltung und ernstem Gesicht vor Clytus hin. „Lass mich in Ruhe!“, sagte sie laut und deutlich und selbst ein Tauber hätte gehört, dass es ihr ernst war. „Aber warum denn, Eldisa?“, fragte Clytus, der nicht viel älter war als sie. „Warum?!“, erwiderte Eldisa empört. „Weil ich dich nicht liebe! Ich habe dich nie geliebt und ich will tot umfallen, sollte ich dies je tun! Du bist ein nerviges lästiges Anhängsel und mehr nicht! Sogar die Jagdhunde meines Vaters erfreuen mich mehr, wenn sie hinter mir her wuseln und nun zisch ab!“ „Wir werden ja sehen.“, sagte Clytus kleinlaut und war in einem weiteren weißen Blitz verschwunden.

Schmatzend, leckend, kauend und sabbernd standen die Pferde vor mir, als Eldisa mit stolz geschwellter Brust zu mir zurückkehrte. Tatsächlich hatte ich die Beiden beruhigen können, obwohl ihnen Clytus’ Auftauchen ziemliche Angst gemacht haben musste. Dass Tiere Telepathie spüren könnten, sagte man ihnen im Allgemeinen nach. Eldisa und Dill waren sie gewohnt. Aber Clytus kannten sie nicht. Ihre Angst war also durchaus verständlich. „Dem habe ich es gegeben, Allrounder, was?“, sagte Eldisa. „Der ist mit eingezogenem Schwanz ab durch die Mitte. Danke für Ihren Rat. Jetzt weiß ich, wie ich mich unerwünschten Verehrern gegenüber verhalten muss.“ „Gern geschehen.“, entgegnete ich. Dann machte ich die Pferde los, wir saßen auf und ritten zurück. Hätte ich allerdings geahnt, was das alles noch für Konsequenzen haben würde, dann hätte ich mir den Rat an Eldisa noch einmal überlegt und ihr sicher ein vorsichtigeres Vorgehen nahe gelegt.

Sedrin stand vor ihrem Kleiderschrank im Haus der Huxleys. Auf dem mit einer weißen Tagesdecke überzogenen Bett lag ein bunt geblümter Koffer, der offen stand. Darin hatte sie schon allerlei Nützliches verstaut. Nur ein Oberteil fehlte noch. Dieses würde sie sich jetzt aus den Sachen suchen, die sich unaufhörlich auf Bügeln, die an einem Rondell hingen, das vom Hausrechner gesteuert wurde, drehten. „Computer, Stopp!“, befahl sie in Richtung des Mikrofons und nahm nach Ausführung des Befehls das Kleidungsstück vom Bügel, das ihr am nächsten war. Es handelte sich um eine gelbe Bluse mit Stickereien. Diese legte sie zusammen und dann in den Koffer zu dem bunt und fröhlich gefärbten Rock und den braunen Sandalen. Über das Netzwerk hatte sie sich den Wetterbericht für die Region von Celsius, in der das kybernetische Forschungsinstitut lag, geben lassen, wusste also genau, was sie einpacken musste. Obwohl Cupernica und sie nur eine Nacht bleiben würden, wollte Sedrin auf keinen Fall einen ungepflegten Eindruck hinterlassen. Sie hatte nur so selten Zivilkleidung eingepackt, dass ihr dies extrem ungewohnt vorkam.

„Jinya?“ Jemand hatte durch die geschlossene Schlafzimmertür gefragt. Sedrin drehte sich um und betätigte von innen den Türsensor. „Komm rein, Jaden.“, sagte sie freundlich zu dem vor der Tür stehenden Terraner. „Ich tue hier drin nichts, was du nicht schon einmal gesehen haben solltest.“ „Demetanischer Scherzkeks.“, lachte der mit seiner breiten Statur an einen Cowboy erinnernde Amerikaner, der an ihr vorbei blickte und dann fürsorglich meinte: „Ein Nachthemd fehlt noch.“ „Wie gut, dass du mich erinnerst, Jineron.“, lächelte Sedrin und packte sogleich eines ein. „Wäre ja höchst peinlich, wenn Cupernica mir eins borgen müsste.“ „Wenn du deine Uniform packst, denkst du doch auch an die für die Nacht.“, stellte Huxley fest. „Das stimmt schon.“, gab Sedrin zu. „Nur, ich habe bisher so selten meine Zivilkleidung benutzt, dass …“ „Dann sollten wir öfter in den Urlaub fahren.“, schlug Jaden vor.

Er sah ihr genauer ins Gesicht. „Du bist ja total aufgeregt, Jinya Demetana.“ „Ich weiß.“, sagte Sedrin mit leicht nervösem Unterton. „Fühl mal.“ Sie legte sich seine rechte Hand aufs Knie, nachdem sich beide neben den Koffer auf das Bett gesetzt hatten. „Ui!“, machte Huxley. „Man könnte ja glatt meinen, es sei unser Kind, was Cupernica und du dort abholen. Jetzt atme mal tief durch oder trink einen Whisky.“ „Wenn ich das tue, Jineron Terraneron, dann gibt es einen durchschlagenden Erfolg und Cupernica kann Novus allein holen, während ich die Toilette des Raumflughafens blockiere.“, erwiderte Sedrin grinsend. „Na also.“, meinte Huxley zufrieden. „Du lachst ja schon wieder. Aber warum bist du denn so nervös?“ „Frag mich was Leichteres.“, antwortete Sedrin, die sich das merkwürdige Bauchgefühl, das sie hatte, selbst nicht erklären konnte. „Jedenfalls hat meine Nervosität nichts mit Novus zu tun.“ „Womit dann?“, bohrte Huxley nach.

Ein Hupsignal rettete sie, bevor sie antworten konnte. „Sie wartet.“, sagte Sedrin deutlich und langsam, was ihrem Ehemann klar machte, dass sie jetzt gehen würde, egal, ob die Frage nun abschließend geklärt war oder nicht. „Du kommst ja wieder.“, sagte Jaden. „Als ich zuerst sah, dass du deine Sachen packst, hatte ich richtige Angst bekommen.“ „Wenn ich dich wirklich hätte verlassen wollen.“, setzte Sedrin aufstehend an. „Dann hätte ich dir vorher gehörig den Marsch geblasen und es erst dann wahr gemacht. Du kennst mich ja.“ „Oh, ja.“, sagte Jaden und gab ihr mit seinem großen amerikanischen Mund einen dicken Kuss zum Abschied. Sie lächelte ihn an und ging.

Vor dem Haus erwartete Cupernica sie bereits in ihrem und Datas gemeinsamen Jeep. Die Androidin stieg aus und half ihrer demetanischen Mitfahrerin, deren Koffer neben dem Ihren vorschriftgemäß im Kofferraum des roten Jeeps zu verstauen. „Wir wollen ja keinen Ärger während einer Verkehrskontrolle riskieren, nicht wahr, Agent?“, meinte Cupernica. Dabei versuchte sie, ihre Stimme extrem ironisch klingen zu lassen. „Sicher nicht.“, antwortete Sedrin.

Die Frauen gingen nach Schließen der Kofferraumklappe um den Jeep herum und Cupernica setzte sich wieder auf den Fahrersitz, während Sedrin auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Dann ging es los. „Wir werden uns nicht sehr beeilen müssen.“, stellte die Androidin fest, nachdem sie ihr Gegenüber etwas länger durch die Peripherie ihrer Augen beobachtet hatte. Als multi-tasking-fähiges Wesen konnte sie dabei durchaus noch sicher am Straßenverkehr teilnehmen. „Warum glauben Sie, dass ich denke, dass wir uns beeilen müssen, Cupernica?“, fragte Sedrin. „Ihren medizinischen Werten nach sind Sie extrem nervös und hektisch, Agent.“, antwortete Cupernica. „Ich ging davon aus, dass Ihre Nervosität das eventuelle Verpassen des Liners zur Ursache haben könnte.“ „Nein.“, versicherte Sedrin. „Aber was genau mit mir los ist, weiß ich selber nicht.“

Cupernica machte Anstalten, den Jeep am rechten Fahrbahnrand abzustellen. „Bitte fahren Sie weiter, Scientist.“, bat Sedrin. „Es wird schon nicht so schlimm sein.“ „Genau das möchte ich verifizieren.“, erwiderte Cupernica und stellte den Antrieb des Jeeps ab. „Wenn wir einen interstellaren Flug hinter uns bringen, möchte ich sicher gehen, dass mir meine Begleiterin nicht unterwegs kollabiert.“ „Sind meine Werte denn so schlimm?“, fragte Sedrin, während sie sich zur offenen Beifahrertür drehte. „Wenn mich Ihre Werte nicht alarmieren würden, dann würde ich Sie jetzt nicht untersuchen.“, antwortete Cupernica in ihrer für eine Androidin typischen Gleichmut. „Sitzen Sie bitte ganz still.“ Sie musterte ihre Patientin von Kopf bis Fuß, um dann festzustellen: „Es wird, denke ich, gehen, ohne dass ich Ihnen ein Beruhigungsmittel verpassen muss.“ Dann stieg sie wieder in den Jeep und sie fuhren weiter.

Tila hatte Novus inzwischen eine SITCH-Mail von Cupernica gezeigt. „Findest du es ungewöhnlich, dass dein Vater nicht mitkommt, um dich abzuholen, Novus.“, fragte die technische Betreuerin. „Durchaus nicht.“, antwortete der Androide. „Wenn mein Vater mit Techniker Scott unterwegs ist, dann kann er mich logischerweise nicht abholen. Aber Agent Sedrin Taleris-Huxley halte ich ebenfalls für kompetent genug dazu. Zumal aus dieser Mail eindeutig hervorgeht, dass meine Mutter meinen Vater später mit meiner Anwesenheit überraschen möchte. Würde mein Vater dabei sein, wäre es ja keine Überraschung mehr. Soweit ich verstanden habe, ist der Sinn einer Überraschung der, dass der Überraschte nicht weiß, dass er überrascht wird. Ist meine Annahme korrekt?“ „Das ist sie.“, lächelte Tila.

Die Celsianerin sah sich im Zimmer um. „Hast du schon gepackt?“, fragte sie. Novus nickte. „Das dachte ich mir. Du willst doch sicher auch schnell nach Hause.“ „Ich habe gelernt.“, entgegnete Novus, dass es keinen Einfluss auf die Geschwindigkeit hat, mit der die Zeit vergeht, ob ich nun meinen Koffer schon heute oder erst, wie Sie sagen würden, auf den letzten Drücker, packe. Die verbleibende Zeit, bis wir zum Raumflughafen abfahren werden, beträgt immer noch 12 Stunden, 30 Minuten und jetzt noch 15 Sekunden.“ „Oh.“, meinte Tila und sah ihn irritiert an. Was er jetzt gezeigt hatte, war jenes androidentypische Verhalten, das manche Leute extrem irritieren könnte. In der Prüfung war dies nicht passiert! Hier hatte Novus doch alles richtig gemacht! Der einzige Grund, der Tila einfiel, aus dem so etwas passieren konnte, war, dass jetzt etwas mit Novus nicht stimmte. „Bist du OK?“, fragte Tila mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Schreck. „Ich funktioniere innerhalb normaler Parameter.“, antwortete Novus, was Tila noch mehr verwirrte. „Bleib hier sitzen!“, sagte sie mit bestimmtem Ton. „Ich hole …“ „Reingefallen!“, rief Novus aus, sprang vom Bett, auf dem er und Tila gesessen hatten, auf und schlang seine Arme um sie, um sie am Gehen zu hindern. Der Blick der jungen Celsianerin wandelte sich von Verwirrtheit über Erstaunen zu Stolz. „Das kannst du auch?!“, fragte sie erfreut und begann zu lächeln. „Wie du siehst.“, antwortete Novus und half ihr wieder auf ihren Platz zurück. „Aber dass ich dich hereingelegt habe, hat einen Anlass. Laut dem terranischen Kalender ist in der Gegend, in der ich leben werde, heute der erste April. Ein Brauch besagt, dass man sich gegenseitig hereinlegt, wenn dieser Tag gekommen ist. Ich glaube sogar, ich muss jetzt noch sagen: April, April!“ „Uff.“, machte Tila. „Und ich dachte schon, jetzt fängt bei dir genau das Gleiche an wie bei deiner Schwester Lal.“ „Du hättest leicht darauf kommen können, dass dies nicht sein kann.“, erinnerte er sie. „Die Symptome, die ich vorgespielt habe und die, denen Lal zum Opfer gefallen ist, waren komplett unterschiedlich. Du musst also nicht mit meinem baldigen Tod rechnen.“ „Allerdings war das was komplett anderes.“, gab Tila zu. „Aber wenn das deine Art von Humor ist, dann ist der schwärzer als meine Füße!“ Novus vermied es, darauf noch etwas zu sagen. Er ahnte, dass er seine arme Betreuerin ziemlich durcheinander gebracht hatte. „Ich hole dich morgen früh um neun Uhr ab.“, sagte Tila im Gehen. „OK.“, erwiderte Novus.

Vier weitere Nächte hatten die Genesianerinnen Mondfinsternisse beobachtet. Allerdings hatte der Großteil von ihnen nicht viel davon mitbekommen. Das lag vor allem an den großen Mengen hochprozentiger Getränke, welche die Kriegerinnen während der jetzt schon vier Tage andauernden Feierlichkeiten zu sich genommen hatten. Die Gerüchte über Sachometh hatten schnell die Runde gemacht und so hatte sich jede Station und jede Welt an der Feier beteiligt. Minerva war schlagartig im Respekt der Anderen aufgestiegen, weil sie alles zuerst gesehen hatte.

Der Annäherungsalarm des Computers wurde von Yanistas weinseligen Ohren nur nebenbei registriert. Allerdings gab es gleich darauf einen weißen Blitz und alle waren auf einen Schlag wieder nüchtern. Jedenfalls nüchtern genug, um des großen waffenstarrenden genesianischen Schlachtkreuzers ansichtig zu werden, der sich ihrer Station näherte. „Welches Schiff ist das?“, wollte Yanista wissen. „Shira, sieh nach!“

Die Angesprochene ging zur Konsole und gab einige Befehle ein, nach deren Ausführung allen das Rufzeichen des Schiffes und sein Name auf dem großen Schirm gezeigt wurden. „Es ist die Rapach.“, stellte Yanista fest. „Shashanas Schiff?“, fragte Minerva. „Warum sollte sie ihren Schlachtkreuzer vorbereiten lassen und was ist da mit uns passiert?“ „Fragen wir sie doch.“, erwiderte Yanista. „Shira, ruf sie!“

Nachdem Shira die SITCH-Verbindung hergestellt hatte, sahen alle das Gesicht der obersten Prätora auf dem Schirm. Allerdings war sie von einem merkwürdigen Lichtschein umgeben. „Meine Kriegerinnen.“, wendete sich Shashana für ihre sonstigen Begriffe doch sehr pathetisch an alle. „Die Zeit von Sachometh ist gekommen. Die anderen Götter haben mir endlich vergeben und ich durfte ein Werkzeug wählen, mit dessen Hilfe ich auch euch alle an meiner Freude teilhaben lassen will. Ihr seht Shashanas Körper vor euch. Aber ich bin nicht sie. Ich bin die Wächterin von Gore. Zum Beweis habe ich euch alle von den Nachwirkungen eurer Feier verschont. Schließlich brauche ich euch, wenn wir noch heute gegen das Universum der Föderation und das der Tindaraner ins Feld ziehen. Präpariert eure Schiffe und folgt mir!“ Zum Beweis ließ die Fremde einen Kometen in der Flugbahn des Schiffes durch reine Willenskraft explodieren. „Ihr habt sie gehört!“, befahl die sichtlich nach Fassung angesichts des gerade Gesehenen ringende Yanista. „Präpariert das Schiff und dann los!“

Shira war skeptisch. Zu viel hatte sie in ihrem Leben schon gesehen, um einfach so zu glauben, dass es sich bei diesem Wesen, das vom Körper ihrer obersten Prätora Besitz ergriffen hatte, wirklich um die oberste Göttin handelte, der die anderen Götter einfach so vergeben hatten. Sie war nie jemand gewesen, die jene Geschichten, die in den alten Schriften standen, immer wörtlich genommen hatte und sie war auch der Ansicht, dass man sie nicht wörtlich zu nehmen hatte, sondern dass sie viel eher als Sinnbilder zu verstehen waren. Würde man sie wörtlich nehmen, so liefe man Gefahr, irgendeinem Mächtigen, der feindliche Absichten hatte und diesen Umstand jetzt ausnutzte, anheim zu fallen. Genau davon ging Shira jetzt aus. Warum sonst hatte diese Göttin unbedingt mit Nachdruck beweisen wollen, dass sie eine war. Eine Göttin hätte doch so eine alberne Show wie das mit der Kometenexplosion sicher nicht nötig. Aber diesem Wesen musste ja das Wasser bis zum Hals stehen, wenn es sich unbedingt der Loyalität der Genesianerinnen versichern musste. Mehr war die Fremde für Shira auch nicht. Sie war nur ein feindlicher Geist, der den Körper der armen obersten Prätora auf eine unehrenhafte Weise besetzt hielt und der sie alle ins Unglück führen wollte. Sie hatten zwar schnelle und waffenstarrende Schiffe, aber mit zwei Gegnern gleichzeitig, von denen einer sogar eine schier undurchdringliche geistige Mauer um seine Dimension bauen konnte, konnten sie nicht fertig werden. Sytania fiel ihr ein! Sie hätte ein Motiv, sowohl die Tindaraner, als auch die Föderation aus dem Weg räumen zu wollen. Aber Sytania war ohne Ehre und ihre eigene Prätora stand kurz davor, von ihr eingewickelt zu werden. Die oberste Prätora hatte sie schon in ihrem unehrenhaften Griff. Aber Shira würde sie jetzt befreien und dann hätte dieser Spuk ein Ende!

Sie ging zur Waffenkonsole der Station und befahl: „Computer, Rosannium-Waffe laden und auf die Rapach zielen. Feuern wenn bereit!“ „Alle Befehle, die diese Waffe betreffen, können nur mit Genehmigung der Prätora ausgeführt werden.“, kam es nüchtern zurück. „Na gut.“, sagte Shira ruhig. „Dann werde ich sie eben überzeugen.“

Sie ging den Anderen hinterher, fing Yanista und ihre Tochter aber kurz vor der Schleuse ab. „Prätora, wartet!“, rief sie ihrer Clanführerin zu. „Was wir im Begriff sind zu tun, ist nicht rechtens und schon gar nicht ehrenvoll!“ „Was meinst du, Shira?“, fragte Yanista kurz aber machte keine Anstalten stehen zu bleiben. „Ich meine, dass die arme Shashana offensichtlich von einem feindlichen mächtigen Wesen besessen ist, das uns alle in unser Verderben führt, wenn wir ihr folgen. Wir können nicht gegen zwei Gegner gleichzeitig bestehen! Bitte, Prätora, bitte denkt nach! Ihr könnt nicht so naiv sein und Sytania in die Falle gehen wollen!“ „Sytania!!!“, lachte Yanista schallend auf. „Dass sie hieran unschuldig ist, hast du doch selbst bewiesen.“ „Aber Sie könnte ein Geistwesen geschaffen haben, das diesen feigen Akt für sie erledigt. Dessen Signatur würden wir nicht kennen und die Computer der Stationen und Schiffe auch nicht. Bitte, Prätora. Wenn sie eine echte Göttin wäre, dann müsste sie das doch nicht so krampfhaft beweisen. Niemand hat sie aufgefordert und so eine Explosion schafft man auch mit einem anständigen Photonentorpedo. Bitte, Yanista, hört mir zu!“ Sie hatte ihre Clanführerin mit Absicht mit Namen und nicht als Prätora angesprochen, da sie hoffte, dass dies sie zumindest kurz dazu bringen würde, sich umzudrehen. Aber Yanista ging stur ihren Weg zur Brücke des Schiffes, auf dem sie inzwischen angekommen waren, weiter. „Ich habe einen Befehl im Computer der Station in Wartestellung.“, redete Shira weiter auf Yanista ein. „Eure Stimmgenehmigung genügt und wir sind für immer durch die Rosannium-Waffe von diesem unehrenhaften Wesen befreit, das Shashana in seine Gewalt gebracht hat.“

Endlich wurde Yanista doch hellhörig. Allerdings schreckte sie der Gedanke sehr, dass Shira alles vorbereitet hatte, um das in ihren Augen göttliche Wunder zu sabotieren. „Was hast du da vorbereitet?!“, schrie sie ihre Untergebene an. „Du hast doch das Wunder von Sachometh gesehen!“ „Warum hast du Angst, Mutter?“, mischte sich jetzt auch Minerva ein. „Wenn sie eine wirkliche Göttin ist, dann kann sie doch auch durch die Rosannium-Waffe nicht getötet werden. Also können wir sie doch ruhig abfeuern.“ „Das werden wir nicht tun!“, befahl Yanista. „Und diese Ketzerin wird auch nicht weiter deinen Geist vergiften, mein armes Kind. Ab heute werde ich dich selbst unterrichten. Nur wenn wir fest im Glauben stehen, können wir diese Herausforderung bestehen. Und du, Shira, du wirst jetzt auf die Station zurückgehen und dem Computer sagen, dass der Befehl gelöscht wird. Anderenfalls werde ich dich die Warpgondeln schrubben lassen bis an dein Lebensende!“ „Ja, Prätora.“, erwiderte Shira kleinlaut und ging. Vorher flüsterte sie Minerva jedoch noch zu: „Beobachte gut, Kind. Beobachte gut.“

Kapitel 4 - Die Veränderung

von Visitor

 

Zurück in der Gegenwart des Sommers 3035 hatten Sedrin und Cupernica nach einer erholsamen Nacht wieder den Raumflughafen aufgesucht. Jetzt standen sie vor der Abflughalle, wo sie Tila und Novus treffen würden. „Sind Sie nervös, Cupernica?“, scherzte Sedrin. „Sie wissen, dass ich keine Nervosität empfinden kann.“, entgegnete die Androidin. „Sicher.“, antwortete Sedrin. „So ernst habe ich es ja auch nicht gemeint. Ich bin nur auf die Reaktion Ihres Mannes gespannt, wenn er nach Hause kommt und Novus sieht.“ „Dem steht nichts im Wege.“, flüsterte Cupernica Sedrin konspirativ ins Ohr. „Ich habe arrangieren können, dass Data noch eine Weile länger bei Techniker Scott bleibt.“ „Um so besser.“, erwiderte die Agentin leise.

Tila und Novus waren mit dem gut klimatisierten roten Jeep des Institutes auf dem Weg zum gleichen Ort. „Gleich wirst du deine Mutter und Agent Sedrin sehen, Novus.“, versuchte Tila, auf der doch sehr stillen Fahrt ein Gespräch zu beginnen. „Das ist mir bekannt.“, erwiderte der Androidenjunge. „Entschuldige.“, sagte Tila mit etwas Verwirrung in der Stimme. „Aber ich hatte gehofft, bei dir eine Reaktion hervorrufen zu können. Du weißt, dass Professor Saren festgestellt hat, dass du das Emotionsprogramm deines Vaters geerbt hast.“ „Ich scheine es aber nicht wirklich kontrollieren zu können.“, rechtfertigte sich Novus. „Manchmal denke ich, es kommt wie es kommt. Manchmal empfinde ich etwas und manchmal nicht. Das ist wie bei euch auch.“ „Erstaunlich!“, rief Tila aus. „Das macht dich noch mehr zu einer Lebensform!“

Mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht hielt sie den Jeep auf einem Parkplatz an und verließ ihn gemeinsam mit Novus, der seine Tasche geschultert hatte. „Wo werden der Agent und meine Mutter uns treffen, Tila?“, fragte Novus. „Ich denke, sie werden uns bereits in der Abflughalle erwarten. Komm!“, erwiderte die technische Betreuerin und fasste Novus’ Hand.

„Ich muss dich noch etwas fragen.“, setzte Novus an, als die Beiden die große Schwingtür ins Gebäude passierten. „Nur zu.“, lächelte Tila. „Warum lebe ich und meine Schwester ist gestorben? Ich meine, auch sie sollte von den Admirälen in eine Einrichtung gebracht werden wie die, in der ich auch für mein Leben unter Organischen vorbereitet wurde.“ „Ich könnte mir vorstellen.“, überlegte Tila. „Dass du überlebt hast, weil wir eher die Lebensform als das Künstliche in dir gesehen haben. Außerdem war das Ganze bei dir weniger abrupt und ein weniger starkes Gezerre. Ich kenne die Geschichte deiner Schwester sehr gut. Wir wollten bei dir ja die entsprechenden Fehler vermeiden, die zu ihrem Tod, zumindest Ayoras Meinung nach, geführt haben.“ „Bitte definiere das mit der Lebensform genauer.“, bat Novus. „OK.“, antwortete Tila und blieb stehen, um ihm besser ins Gesicht sehen zu können. „Wir haben dich als Lebensform gesehen, wie es die Rechtsprechung auch verlangt. Laut ihr seid ihr Androiden ja genau so Lebensformen wie wir. Dein Vater hatte daran ja den Löwenanteil. Knapp gesagt hat man Lal Ayoras Meinung nach auf eine reine Rechenmaschine reduzieren wollen und der Teil von ihr, der eine Lebensform war, kam zu kurz. Ayora denkt, dass dies zu den entsprechenden Konsequenzen geführt hat.“ „Und was denkst du, Tila?“, fragte Novus. „Ich denke das Gleiche.“, antwortete Tila und replizierte sich an einem öffentlichen Replikator einen Kaffee. Sie wusste, dass Novus sie dabei ertappt hatte, einfach nur Ayoras Meinung nachzuplappern. „Nun.“, stellte Novus fest. „Ich lebe. Das ist Fakt. Also müssen Ayora und du richtig gedacht haben.“ Tila lächelte.

Sedrin hatte Novus und seine Betreuerin gesehen und war auf die Beiden zugegangen. „Hi, Novus.“, begrüßte sie ihn. Dann sagte sie weitaus förmlicher zu der ihr fremden Frau, die sie nur anhand ihres Rangabzeichens identifizieren konnte: „Hallo, Techniker.“ Tila war eine aufgrund eines Unfalls früh pensionierte Sternenflotteningenieurin. Da sie wusste, dass zwei Sternenflottenoffizierinnen Novus abholen würden, von denen eine sogar Brückenoffizierin war, hatte sie es zur Feier des Tages angesteckt. Tila salutierte. „Haben Sie oder Scientist Cupernica noch Fragen, Agent?“, fragte sie. „Nein.“, erwiderte Sedrin. „Ich bin nur der Begleitservice und Scientist Cupernica hatte einen regen Briefwechsel mit ihrem Sohn. Aber trotzdem vielen Dank, Techniker.“ Sie wandte sich Novus zu: „Gehen wir. Wir müssen noch einchecken und deine Mutter wartet auch.“ Novus nickte und drehte sich noch einmal Tila zu: „Vielen Dank für alles, was ich lernen durfte und auf Wiedersehen.“ Dann gingen er und Sedrin in die andere Richtung davon.

Auf der tindaranischen Basis, die Commander Zirell unterstand, gingen Joran und Shimar einen Flur entlang. Die beiden Männer, die auch noch beste Freunde waren, hatten gerade eine Simulationskammer verlassen, in der sie eine gemeinsame Simulation besucht hatten. Der Vendar hatte dem Tindaraner jetzt mit stolzem Ausdruck in den Augen seine rechte Hand auf die Schulter gelegt. „Du machst große Fortschritte, Shimar El Tindara.“, stellte er fest. „Ich glaube, beim nächsten Mal können wir die Longe weglassen. Außerdem habe ich noch nie so viel ...“, er überlegte: „Nennen wir es bestimmte Verständigkeit für ein anderes Wesen bei jemandem gesehen. Du weißt schon, was du willst, aber würdest dem Pferd gegenüber nie ungerecht.“ „Bestimmte Verständigkeit.“, wiederholte Shimar. „Den Begriff muss ich mir merken. Vielleicht übernehmen sie ihn ja sogar ins normale Wörterbuch. Du solltest an die linguistische Abteilung der Föderation und an unsere schreiben.“ „Ich bezweifle, dass sie meinen Vorschlag ernst nehmen werden, Shimar.“, sagte Joran. „Dazu mache ich an anderer Stelle zu viele Fehler. Shannon O’Riley hat Recht. Ich ähnele wohl wirklich sehr dem Mann mit der Schlange im Bauch aus ihrem Buch.“ „Mit der Ausnahme, dass dein Mitbewohner, wenn du einen trägst, aus Energie besteht und in deinem Nacken sitzt.“, scherzte der tindaranische Patrouillenflieger und tippte sanft auf jene Erhebung in Jorans Nacken. „In der Tat.“, erwiderte dieser. „Bei mir sitzt im wahrsten Sinne des Wortes der Schalk im Nacken.“ Er lachte. „Eure Muttersprachen.“, verglich Shimar weiter. „Klingen ähnlich und sind auch von der Struktur ähnlich. Deshalb macht ihr wohl auch die gleichen Fehler, oder zumindest ähnliche. Aber der Typ aus Shannons Schmöker hat kein Fell.“

„Jungs!“ Eine weibliche Stimme hatte ihnen dies zugerufen. Mit seinem 40 % schärferen Gehör hatte Joran sie längst zugeordnet und wusste auch, woher sie kam. „Ich komme gleich zu dir, Telshanach!“, rief er der Stimme zu, deren Besitzerin er hinter einer Säule ausgemacht hatte. „Geh ruhig.“, sagte Shimar. „Sonst läst sie vor Ärger noch das Essen anbrennen und setzt es dir dann trotzdem vor. Hier müssen sich unsere Wege eh trennen.“ Der Vendar nickte und wechselte die Richtung.

Joran betrat Jennas und sein Quartier. Die Chefingenieurin der Station erwartete ihn bereits an der Tür. Schnell war sie aus ihrem Versteck dort hin gehuscht. „Warum hast du uns aufgelauert, Telshanach.“, fragte er sie zärtlich. „Weil ich wissen wollte, was du und Shimar immer noch für merkwürdige Überstunden macht.“, antwortete Jenna. „Du hast dich doch nicht etwa im Maschinenraum an unsere Simulation gehängt, Telshanach.“, meinte Joran und Jenna wurde das Gefühl nicht los, dass er sich ertappt fühlte. „Keine Angst.“, versicherte sie. „Eure Privatsphäre ist gewahrt. Aber mal ernsthaft. Was macht ihr da. Shannon streut die wildesten Gerüchte.“ „Ich gebe Shimar Unterricht.“, gab Joran zu. „So.“, antwortete Jenna. „Und was für eine Art von Unterricht ist das?“ „Reitunterricht.“, erwiderte der Vendar gleichmütig. „Reitunterricht?“, wunderte sich Jenna. „Ich dachte, unser Fliegerass würde sich außer mit den eigenen Beinen mit nichts fortbewegen wollen, das unter Warpgeschwindigkeit liegt. Was ist der Grund dafür?“ „Stehst du in Kontakt mit Allrounder Betsy?“, fragte Joran eindrücklich, bevor er ihr eine Antwort gab. „Ab und zu mailen wir.“, gab Jenna zu. „Aber keine Angst. Dein Geheimnis, falls es eines gibt, wird bei mir sicher sein.“ „Betsy El Taria ist der Grund, Telshanach.“, erwiderte er. „Shimar will sie eines Tages damit überraschen.“ „Wie süß!“, rief Jenna aus. „Ich hätte nicht gedacht, dass er in seinem geringen Alter so romantisch sein kann.“ „Ich denke, Telshanach, dass Shimar uns noch mit vielem überraschen wird.“, antwortete Joran.

Das Schrillen eines Alarms ließ Jenna und ihren Freund aufhorchen. Gleichzeitig erklang Marons Stimme aus dem Lautsprecher aller Sprechanlagen: „Alarm rot! Alle auf ihre Posten!“ Sofort schulterten beide ihre mobile Ausrüstung und verließen ihr Quartier.

Novus, Cupernica und Sedrin hatten das Einchecken hinter sich gebracht und setzten sich jetzt nebeneinander in warm gefärbte Sitze in einer Sitzreihe des Passagierabteils eines Liners, der sie wieder zurück nach Terra bringen sollte. Die Frauen hatten Novus in die Mitte genommen. „Wird mein Vater bereits wieder auf Terra sein, wenn wir ankommen?“, fragte Novus. „Soweit ich das verstanden habe.“, erwiderte Sedrin. „Wird er das noch nicht. Deine Mutter hat ihm schließlich irgendwie noch einige Tage mehr mit seinem besten Freund verschafft und die wird er sich nicht nehmen lassen. Dafür wird allein schon Techniker Scott sorgen.“ „Ah.“, machte Novus.

Das Shuttle startete. Die Sicherheitskraftfelder, zu deren Aktivierung alle per Display und Computerstimme aufgefordert worden waren, wurden wieder abgeschaltet. Sedrin ging zum öffentlichen Replikator und replizierte sich erst mal einen Kaffee. „Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Sie raumkrank werden könnten, Agent?“, fragte Novus. „Ach was.“, antwortete die Demetanerin. „Wenn ich dieses Problem hätte, dann hätte ich auch keine Sternenflottenoffizierin werden können.“

Sie hatten das celsianische Sonnensystem verlassen und waren jetzt im offenen Weltraum. Das Shuttle ging auf Warp. Novus sah die ganze Zeit aus dem Fenster. Was er dort aber bald zu sehen bekam, wäre jemandem mit normalen Augen nicht aufgefallen. Aber Novus’ hoch auflösende Augen verrieten ihm durchaus, dass hier etwas nicht stimmte. „Wir werden seit 20 Minuten von einem interdimensionalen Phänomen verfolgt, das seinen Ursprung in der Zeit zu haben scheint.“, flüsterte er Sedrin zu. „Wenn ich mich korrekt erinnere, haben Zivilisten nicht unbedingt die Ausbildung, mit so etwas umzugehen. Die Piloten dieses Schiffes werden nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Da das Phänomen seinen Ursprung in der Zeit hat, gehe ich davon aus, dass es sich um die Manifestation einer Veränderung der Zeitlinie handelt. Wenn wir dieser ausgesetzt werden, wird sich niemand von uns mehr an die ursprüngliche Geschichte erinnern. Außerdem erkenne ich Frequenzen aus dem Neurobandbereich im Schema dieses Phänomens.“ „Was!“, flüsterte Sedrin alarmiert zurück. Ihr war durchaus klar, was Novus’ Fund bedeutete. Wenn eine feindliche Einwirkung auf ein ziviles Schiff zu befürchten war, dann waren anwesende Sternenflottenoffiziere berechtigt, ja sogar verpflichtet, dort das Kommando zu übernehmen, um Schaden von allen Zivilisten an Bord abzuhalten. Sedrin war die ranghöchste Offizierin an Bord dieses Schiffes, zumindest soweit sie sehen konnte. Von einem Commander der Sternenflotte, der noch über ihr gestanden hätte, war hier weit und breit nichts zu sehen. „Scientist.“, wendete sich die Agentin leise an Cupernica. „Sie wissen, was Sie zu tun haben. Novus, unterstütze deine Mutter. Ich gehe nach vorn.“ Novus und Cupernica nickten und Sedrin griff in ihre Handtasche, aus der sie ihren Dienstausweis hervorholte. Da hat meine Marotte, das Ding jedes Mal mitzunehmen, ja doch mal was Gutes. dachte sie, während sie sich auf den Weg zu der Tür machte, die das Cockpit von der Passagierkabine trennte.

Von jener Zuspitzung der Situation ahnten Kissara und Nugura nichts, die jetzt gemeinsam mit Saron Dills Thronsaal betraten. Der Herrscher stand sofort von seinem Thron auf, als er den dreien ansichtig wurde. Er gesellte sich zu ihnen und sie gelangten gemeinsam in den hinteren Teil des Saales, der mit Stuck an der Decke und mit in Gold gerahmten Bildern und Teppichen geschmückt war und keinen Zweifel daran aufkommen ließ, dass es sich um ein hochherrschaftliches Zimmer handelte. In der Mitte des Raumes stand der mit Gold und Silber besetzte Thron, der in diesem Fall auch gut die Funktion eines Raumteilers ausführte. In dem Teil des Raumes, in dem sie jetzt angekommen waren, stand ein runder Tisch mit vier schweren weichen großen verschnörkelten Sesseln, deren Polster mit feinsten Daunen gefüllt und mit zeitländischer Singraupenseide bezogen waren. Der Spinnfaden dieses sehr musikalischen Insekts, das durch Vergrößerung und Verkleinerung seines Brustkorbes und durch das Reiben seiner Beine daran tatsächlich eine Art Gesang produzierte, war höchst selten, weil seine Erzeuger auch höchst selten und damit sehr wertvoll und kostbar waren. Nur der König durfte die etwa handgroßen Raupen halten und züchten. Das war schon von Alters her so gewesen.

Alle setzten sich und Dill winkte einem Diener, der ein großes Tablett mit Gläsern, Kannen, Tellern und Schalen herein trug. Jeder Teil des Geschirrs hatte einen silbernen Rand mit Rankenmuster. „Stell die bestimmte Schale gleich vor Kissara hin, Nestor!“, befahl Dill. „Wie Majestät befehlen.“, sagte der Diener unterwürfig und leistete dem Befehl Folge. Dann verteilte er alles Andere auf dem Tisch und ging.

Kissara sah die Schüssel lange an. „Heben Sie die Haube ruhig auf, Commander.“, ermutigte Dill sie lächelnd. Kissara, die von Natur aus sehr neugierig war, tat dies und gab einen Laut des Erstaunens von sich, als sie den Inhalt sah. Vor ihr zeigten sich diverse zeitländische Salz- und Süßwasserfische, die in fast liebevoll zu nennender Art zubereitet waren. Sie machte ein fast verschämtes Gesicht, als sie schließlich fragte: „Wie komme ich zu dieser Ehre, Milord?“ „Nun, Commander.“, lächelte Dill. „Das dürfte doch für Sie wohl mehr als offensichtlich sein. Sie haben einen großen Teil dazu beigetragen, die Krise auf Miray zu lösen. Wäre Ihnen das nicht gelungen, dann hätten wir heute einen interdimensionalen Krieg.“ „Ich befürchte, Ihr ehrt die Falsche.“, schob Kissara das Lob von sich. „Eigentlich gebührt die Ehre zweien meiner Offiziere und einem tindaranischen Flieger, der zur Zeit nicht bei uns ist. Euer Nennsohn und Allrounder Betsy haben …“ „Ich weiß.“, unterbrach Dill sie ruhig. „Die Beiden haben Brakos List durchschaut und Shimar hat auch sein Übriges zu der Sache getan. Dennoch muss ich meinem verstorbenen Amtsbruder Brako meinen Glückwunsch zu dieser List aussprechen. Ich weiß nicht, ob ich auf so etwas gekommen wäre, wenn Mikel und Eldisa sich derart um den Thron gestritten hätten.“ „Ohne die Hilfe Toleas wäre dies Brako aber auch nicht möglich gewesen.“, fügte Nugura bei. „Sicher, verehrte Freundin.“, erwiderte Dill. „Und hätte sich Sytania nicht eingemischt, wäre alles nicht so schlimm gekommen. Aber wir haben die Situation ja gemeistert. Wenn Mikel, Shimar und Betsy nicht getan hätten, was sie getan haben und Sie nicht …“

Er gab plötzlich einen Laut von sich, als hätte er große Schmerzen und brach krampfend zusammen. Sofort sprang Kissara auf und nahm ihm den kurzen zeitländischen Säbel ab, den zeitländische Herrscher noch heute als Schmuck um die Hüfte gegürtet trugen. Sie befürchtete, dass er sich in dieser Situation daran schwer verletzen konnte. Sie war keiner der typischen Sternenflottenkommandanten, die sich nie die Finger schmutzig machen würden. Wenn es die Situation verlangte, konnte Kissara auch mal anpacken. „Die Zeit.“, stammelte Dill. „Die Zeit. Ihr Götter, helft …“

Er rutschte vom Stuhl und fiel in Kissaras Arme, die sogleich seinen Kopf mit ihren Händen schützte, während sie nicht verhindern konnte, dass er zu Boden fiel. Die Kommandantin wusste, wie ernst die Situation war. Phaser und Photonentorpedos beziehungsweise Hieb- und Stichwaffen konnten im Normalfall einem Mächtigen nichts anhaben. Aber wenn die Zeit, jene Dimension, mit der Dill verbunden war, durch was auch immer geschädigt wurde, musste er seine gesamte Kraft dafür aufbringen, sie zu schützen. Dies würde auch ihn verwundbar machen, ja, er konnte sogar daran sterben.

Ein Hauptmann der Wache, die im ganzen Raum verteilt war, schrie einen seiner Soldaten an: „Scher dich zu Dills Leibarzt und hole ihn!“ „Ja, Hauptmann!“, erwiderte der Soldat schmissig und marschierte davon. „Ich denke, meine Medizinerin ist schneller vor Ort.“, sagte Kissara, die bisher über den krampfenden Dill gebeugt gestanden hatte, richtete sich auf und zog ihr Sprechgerät, in das sie das Rufzeichen der Granger eingab. „Kang.“, begann sie. „Verbinden Sie mich mit Scientist Loridana! Ihr Rufzeichen wird von meinem Sprechgerät als außer Reichweite angezeigt. Ich muss das Gerät des Schiffes als Relais benutzen. Dann lokalisieren Sie sie und lassen sie von Elektra hierher beamen.“ „Aye, Ma’am.“, erwiderte der Klingone und führte ihre Befehle aus. Jetzt erwies sich doch tatsächlich als gut, dass Kang und Elektra an Bord des Schiffes zurückgeblieben waren.

Joran hatte die Brücke der Station betreten. Ihm war sofort aufgefallen, dass Zirell nicht hier war. „Wo ist Anführerin Zirell, Agent Maron?“, fragte der höchst alarmierte Vendar den auf seinem Platz sitzenden demetanischen ersten Offizier. „Sie verteidigt die Dimension mit den anderen Tindaranern auf mentale Weise.“, erklärte dieser. Joran wusste, was dies bedeutete. Die Tindaraner konnten ihre mentalen Kräfte zu einer Mauer um die gesamte Dimension herum vereinen, die sich dann in der interdimensionalen Schicht manifestierte. Die Sensoren der Station nahmen diese Mauer bereits wahr, was Joran Maron sofort auf den Schirm stellte, nachdem er seinen Arbeitsplatz an der Sensoren- und Kommunikationskonsole der Station aufgesucht hatte. Marons Antwort hatte dem intelligenten Vendar genügt, um auch den Aufenthaltsort der anderen beiden Tindaraner zu erahnen. Alle drei würden jetzt in ihren Quartieren sein. Dort wäre der ruhigste Ort, was die beste Konzentration ermöglichte.

„Joran, was ist das für ein merkwürdiges Ding, das sich in der interdimensionalen Schicht befindet und sich von außen der Mauer nähert?!“, fragte Maron nervös. Er hoffte inständig, dass der Vendar, der ja schon sehr viel mit allerlei Merkwürdigkeiten zu tun gehabt hatte, ihm hierauf eine Antwort geben konnte. „Ich weiß es nicht, Maron El Demeta.“, gab Joran zu. „Das Phänomen scheint keine Koordinaten zu haben. Es ist gleichzeitig überall und nirgends.“ „Das ist für Dinge, die sich in der interdimensionalen Schicht befinden, völlig normal.“, entgegnete Maron. „Bevor sie gegangen ist, hat Zirell noch gesagt, dass es sehr gefährlich ist. Sie spüre, dass ein Mächtiger, der feindliche Absichten hat, involviert ist. IDUSA, Phaser klar machen und auf das Phänomen feuern!“

Der Stationsrechner führte den Befehl zwar aus, Maron und Joran sahen aber bald, dass die Waffen keine Wirkung hatten. „Verdammt.“, sagte Maron. „Was tun wir jetzt nur. Das Ding hat die Mauer fast erreicht und könnte sie zum Einsturz bringen. Diesen Werten zur Folge gewinnt es immer mehr an Energie. Jetzt kann uns wohl nur noch der geniale Verstand deiner Freundin helfen.“

Sedrin war inzwischen vor der Tür zum Cockpit des Passagiershuttles angekommen. Hier wurde sie aber von einer Flugbegleiterin aufgehalten. „Für Passagiere ist der Aufenthalt in der Nähe des Cockpits verboten.“, zitierte die kleine zierliche Terranerin aus den Vorschriften der Fluggesellschaft. „Ich bin keine gewöhnliche Passagierin.“, sagte die demetanische Agentin ruhig und zeigte ihr ihren Dienstausweis. Dann fixierte sie die junge schwarzhaarige Frau mit strengem Blick und flüsterte ihr zu: „Sie werden jetzt arrangieren, dass ich ins Cockpit komme. Sonst sind wir alle am Ende.“ „Aber was gibt es denn, Agent?“, wollte sie wissen. „Dass muss Sie nicht wirklich interessieren!“, sagte Sedrin leise aber bestimmt. „Wenn Sie nichts wissen, kann Ihnen auch gegenüber den Passagieren keine unbedachte Äußerung herausrutschen und jetzt tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe, Lady! Das Letzte, was wir hier gebrauchen können, ist eine Massenpanik!“

Sie betätigte einen Türsensor, der nur auf die biologischen Fingerabdrücke des Personals geeicht war und schob Sedrin durch die sich öffnende Tür, die sich sofort wieder hinter der Demetanerin schloss. Jetzt sah sich Sedrin zwei Männern in typischen zivilen Fliegerjacken gegenüber. Sie blickte kurz an ihnen vorbei auf die Konsolen und sah, dass auch sie sahen, wovon Novus sie in Kenntnis gesetzt hatte. Die Sensoren des Schiffes hatten das Phänomen auch gesehen und es auf den Schirm projiziert. Sedrin sah aber auch, dass die Beiden offensichtlich versuchten, dem Phänomen auszuweichen oder es zu umfliegen. Da es sich aber durch seinen Ursprung bedingt überall und nirgends befand, war dies quasi unmöglich, außer sie würde die Piloten dazu bringen können, das Schiff in den Interdimensionalmodus zu bringen.

Sie stellte sich neben den Mann im Pilotensitz und hielt ihm ihren Dienstausweis unter die Nase, während sie sich vorstellte: „Ich bin Agent Sedrin Taleris-Huxley vom Sternenflottengeheimdienst. Ihnen dürfte bekannt sein, dass anwesende Sternenflottenoffiziere auf Zivilschiffen das Kommando übernehmen dürfen, wenn sich das Schiff in Gefahr durch feindliche Mächte befindet. Dies ist hier der Fall.“ „Aber was sollen wir denn jetzt tun, Agent?“, fragte der Pilot, ein älterer Mann mit schwarzem Schnauzbart, zurück. „Wir haben das Ding auch gesehen und versuchen die ganze Zeit auszuweichen. Aber das geht nicht und wir haben auch keine Waffen. Woher wissen Sie überhaupt, dass dies kein Naturereignis ist, sondern ein Feind …“ „Ich habe meine Quellen!“, unterbrach Sedrin ihn. „Aber ich weiß auch, wie wir das Baby hier raus kriegen, Mr. … Wie heißen Sie eigentlich?“ „Thomas Jackson.“, antwortete er. „OK, Mr. Jackson.“, sagte Sedrin ruhig. „Regel Nummer eins: „Wenn man weder kämpfen noch flüchten kann, muss man sich wegducken und still warten, bis alles vorbei ist. Genau das werden Sie jetzt mit unserem Schiff tun. Aktivieren Sie den Interdimensionsantrieb ohne Zielkoordinaten. Wir drehen ein paar hübsche Warteschleifen in der interdimensionalen Schicht, bis sich das Ding verzogen hat! Sie!“, wendete sich Sedrin jetzt an den Copiloten. „Sie nehmen sich das Mikrofon und machen eine kleine Ansage, um den Passagieren zu erklären, dass wir noch einmal in den Interdimensionsmodus gehen. Aber denken Sie sich ’ne schöne Geschichte aus. Sollten Sie auch nur mit einem Wort erwähnen, dass da draußen eine Gefahr ist, bringe ich Sie um! Das schwöre ich Ihnen! Das ist verdammt noch mal sehr wichtig!“ Sie machte ein sehr ernstes Gesicht.

Blass nahm der jüngere der beiden Männer das Mikrofon in die Hand und begann: „Ladies und Gentlemen, wir werden aufgrund eines technischen Tests noch einmal in den Interdimensionsmodus gehen. Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen und behalten Sie Ruhe. Diese Belastungstests für den Antrieb sind reine Routine.“ Er hängte das Mikrofon ein und sah sie an. „Sie behalten Ihr Leben.“, lächelte Sedrin. „Ich hätte Sie ja auch nicht wirklich umgebracht. Ich musste Ihnen nur etwas Angst einjagen, damit Sie auf keinen Fall einen Fehler machen und verstehen, wie wichtig es ist, dass die Passagiere nichts davon erfahren.“ Dann wandte sie sich um: „Los, Jackson!“

Im Maschinenraum der Station hatte IDUSA Jenna und Shannon auch gezeigt, was sie den Brückenoffizieren im Kontrollraum zeigte. „Wenn Sie mich fragen, Jenna, dann sieht es für mich aus, als hätte das Phänomen seinen Scheitelpunkt irgendwo in der Vergangenheit und strahlt von dort aus.“, erklärte der tindaranische Avatar. „Da pflichte ich dir bei, IDUSA.“, erwiderte Jenna. „Aber das bedeutet auch, dass es tatsächlich die Manifestation einer Änderung der Zeitlinie sein könnte.“ „Und was heißt das für uns?“, fragte Shannon aus dem Hintergrund. Jenna machte ein gelangweiltes Gesicht. Ihr war längst klar, was das bedeutete und sie wusste auch, dass ihre Assistentin es eigentlich auch wusste und nur wieder so tat, als würde sie kein Wort verstehen. Dass Shannon sich für dümmer hielt als sie war, war allen auf der Basis hinreichend bekannt. „Na gut, Assistant.“, ließ sich Jenna dann doch breitschlagen, alles noch einmal zu erklären. „Wenn uns dieses Ding trifft, dann werden wir ein Teil der veränderten Zeitlinie und erinnern uns nicht mehr an die ursprüngliche Geschichte.“ „Und was ist daran schlimm?“, fragte Shannon. „Vielleicht ist die neue Zeitlinie ja viel besser.“ „Das wage ich zu bezweifeln!“, nahm IDUSA Jenna die Antwort ab. „Ich registriere Frequenzen aus dem Neurobandbereich, die auf die Einmischung eines oder einer Mächtigen hinweisen. Sie wissen beide, dass die Mächtigen normalerweise nicht zulassen würden, dass sich die Zeitlinie ändert. Unter den Mächtigen fällt mir nur eine Person ein, die dazu skrupellos genug wäre, diese Regel zum eigenen Vorteil zu brechen. Wir Anderen wären Sytania egal.“ „Kannst du das Neuralmuster eindeutig Sytania zuordnen, IDUSA?!“, fragte Jenna alarmiert. „Jein.“, gab der Stationsrechner zur Antwort. „Das Phänomen hat eine sehr hohe Eigenstrahlung, die meine Sensoren beeinträchtigt. Aber ich bin mir zu 80 % sicher.“ „Die 80 nehme ich.“, sagte Jenna und betätigte die Sprechanlage. Am anderen Ende der Verbindung meldete sich ein sichtlich nervöser werdender Maron: „Was gibt es, McKnight?“ „Ich habe neue Erkenntnisse, Sir.“, antwortete Jenna. „IDUSA sagt, das Phänomen sei die Manifestation einer Änderung der Zeitlinie. Zumindest bestätigen dies alle Sensorenbilder.“ „So weit waren wir hier oben auch schon, Techniker!“, sagte Maron energisch. „Das ist aber nicht alles, Agent.“, fügte Jenna hinzu. „Laut IDUSA ist Sytania zu 80 % in die Sache involviert. Wer für die anderen 20 % zuständig ist, kann sie nicht sagen wegen der Strahlung. Aber wenn das stimmt, dann haben wir es hier mit einer feindlichen Einwirkung zu tun.“

Ihre letzten Worte hatten Maron extrem erschreckt. „Nein.“, sagte er zu Joran. „Dass kann doch wohl nicht wahr sein.“ „Wie du siehst, ist es aber wahr, Maron El Demeta.“, antwortete der Vendar. „Ich hoffte eigentlich, dir wäre längst klar, dass meine ehemalige Gebieterin vor nichts zurückschrecken wird, um ihre Ziele durchzusetzen.“ „Ich weiß!“, sagte Maron unwirsch. „Hoffentlich findet deine Freundin bald eine Lösung.“

Hinten im Shuttle war alles soweit ruhig und Cupernica und Novus hatten fast nichts zu tun, als das Schiff in den Interdimensionsmodus ging. Die Passagiere hatten die Ansage über den Antriebstest tatsächlich geschluckt. Novus hatte sich zu einer Gruppe Kinder gesellt, die mit ihrem Betreuer wohl auf einer Art Klassenfahrt waren und lenkte sie mit allerlei Spielen ab, was Cupernica aus dem Augenwinkel beobachtete. Du hast wirklich einen hohen Grad an sozialer Kompetenz auf Celsius erreicht., gab sie ihrem Sohn in F-14-Code zu verstehen, während sie selbst einen alten Mann behandelte, der es wohl bei der ganzen Aufregung etwas mit dem Herzen bekommen hatte. „Ich gebe Ihnen jetzt eine kleine Spritze.“, sagte sie ruhig und harmlos. „Danach wird es Ihnen schnell besser gehen. Was hier passiert, ist nichts, vor dem man Angst haben muss. Diese Tests werden ab und zu auf Shuttleflügen durchgeführt. Das erfolgt stichprobenartig. Sie sehen also, dass alles in Ordnung ist.“ Während sie das sagte, steckte sie eine Patrone mit der entsprechenden Medizin auf einen Hypor, den sie dann über die rechte Ellenbeuge des Mannes hielt. Cupernica war durchaus bewusst, dass sie gelogen hatte, was für Androiden eigentlich unmöglich war, aber wie Data auch hatte sie gelernt, dass es manchmal von Vorteil sein konnte, nicht ganz so ehrlich zu sein. Die Wahrheit hätte für eine Massenpanik unter den Passagieren gesorgt und die Flugbegleiter wären damit sicher auch überfordert gewesen. Als Zivilisten hatten sie bestimmt auch keine Ahnung von Zeitlinien verändernden Phänomenen und dergleichen. Dies war ein Risiko, das sie auf keinen Fall eingehen durfte.

Kapitel 5 - Ein schwerer Kampf

von Visitor

 

Wie Kissara es vorausgesagt hatte, war Loridana wirklich lange vor Dills Leibarzt eingetroffen und hatte sich bereits an die Untersuchung gemacht. „Laut meinem Erfasser sieht es aus, als würde Dill etwas bekämpfen, das zum Teil von Sytania ausgeht.“, interpretierte sie. „Sie sagen zum Teil, Loridana.“, sagte Kissara. „Wer ist der andere Teil?“ „Das kann ich Ihnen nicht beantworten, Commander.“, erwiderte die zeonide Ärztin. „Der Erfasser kennt das Muster nicht.“

Niemand hatte Eldisa bemerkt, die plötzlich in den Raum gekommen war. Als sie Dill sah, brach sie in Tränen aus. „Oh, nein!“, schluchzte sie. „Mein Vater! Mein armer Vater!“ „Mein Gott, wer hat die Kleine hier rein gelassen!“, rief Nugura aus, die alles von ihrem Platz aus beobachtet hatte. Dass sie gerade die Fassung verloren hatte und ziemlich flapsig über ein späteres Staatsoberhaupt gesprochen hatte, war der Präsidentin herzlich egal. Formalitäten würden jetzt ohnehin nicht sehr hilfreich sein. Jetzt war eher das gefragt, was im Allgemeinen als Menschlichkeit bezeichnet wurde. Aber da dies auch bei anderen Wesen im Weltraum sehr ausgeprägt war, hatte die Föderation schon lange über die Änderung dieses Begriffes nachgedacht.

Nach einem kurzen Blickwechsel mit Loridana war Kissara klar, dass die Medizinerin sie wohl nicht brauchen würde, zumal jetzt auch der Leibarzt des Königs eingetroffen war. Sie ging auf Eldisa zu und nahm sie fest in den Arm, um gleich darauf so mit ihr den Thronsaal zu verlassen. „Sie werden Euren Vater bestimmt retten können, Hoheit.“, flüsterte sie Eldisa zu. „Danke, Commander.“, erwiderte die Prinzessin traurig. „Ich spüre auch, dass etwas nicht stimmt. Aber ich kann nichts machen. Ich fühle mich so schrecklich hilflos!“

Sie verließen das Schloss und setzten sich auf eine Bank im Schlosspark, wo Kissara Eldisa fest an ihr Brustfell zog und zu schnurren begann. „Ich wusste gar nicht, dass Sie das können, Commander.“, staunte Eldisa, nachdem sie sich wieder etwas gefangen hatte. „Dass ich was kann?“, tat Kissara unschuldig. „Traurige Prinzessinnen trösten?“ „Nein.“, entgegnete Eldisa. „Ich rede vom Schnurren.“ „Ach.“, sagte Kissara. „Das ist bei meiner Spezies doch etwas völlig Normales. Oder habt Ihr Angst, dass uns die Presse so sieht. Ich sage Euch dazu jetzt mal was. Die Presse und die Tatsache, dass Ihr ein Staatsoberhaupt in Spee seid, gehen mir gerade völlig an einem Körperteil vorbei, den in meinem Fall ein langer seidiger Katzenschwanz ziert, den ich jeden Morgen elegant in einer kleinen Tasche auf der Innenseite meiner Uniformhose verstecke.“ Eldisa kicherte. „Na also.“, schnurrte Kissara. „Ihr lacht ja schon wieder.“

Nach Lachen wahr Joran und Maron wahrlich nicht zumute. Schon gar nicht, als IDUSA ihnen die neuen Sensorenbilder zeigte. Auf dem Schirm war etwas zu sehen, dass die Augen des Vendar und auch die des Demetaners nur als buchstäbliche Zerreißung der mentalen Mauer wahrnehmen konnten. „Wer kriegt so was zu Stande?!“, fragte Maron betroffen. „Sytania allein kommt gegen die Tindaraner nicht an, das wissen wir. Schon gar nicht, wenn sie sich alle zusammenschließen. Also, verrate mir gefälligst, was hier passiert ist!“ „Ich kann dir das beim besten Willen nicht beantworten, Maron El Demeta.“, erwiderte Joran. „Wieso nicht.“, sagte der Agent harsch. „Ich denke, du kennst dich mit den Mächtigen aus. Wer könnte Sytania also geholfen haben? Keine Schonung! Ich werde die Wahrheit schon verkraften! Also rede endlich!“ „Ich habe wirklich keine Ahnung!“, bekräftigte der Vendar. „Du weißt, ich würde niemals mit einem Geheimnis hinter dem Berg halten, wenn es unsere Sicherheit tangiert. Aber in diesem Fall kann ich dir leider keinen Täter liefern. Ich kann ihn mir ja schließlich nicht aus den Rippen schneiden.“ Maron gab nur ein resigniertes: „Na gut.“, von sich.

Eine Lösung aus den Rippen schneiden mussten sich wohl auch Jenna und Shannon, denn inzwischen war klar, dass das Phänomen die Mauer durchbrochen und die Dimension infiltriert hatte. „Verdammt, Jenn’!“, rief Shannon ihrer Vorgesetzten angesichts der Sensorenbilder zu. „Sehen Sie das auch? Wenn das Ding so weiter macht, dann hat es uns gleich. Wir müssen irgendwie seinen Kurs ändern!“ „Das können wir wohl nicht, Assistant.“, lachte Jenna. „Aber wir können den Kurs der Station ändern. Es gibt einen kleinen Kontrollraum auf dem untersten Deck, von dem aus eine schwache Form aller Antriebe zu kontrollieren ist. Die Antriebe sind deshalb nur schwach, weil sie eigentlich nur zur Kurskorrektur dienen. Aber vielleicht können wir so Zeit gewinnen, bis mir was Besseres eingefallen ist.“ „OK.“, sagte Shannon und nahm das Mikrofon der Sprechanlage in die Hand. „Ich sage oben Bescheid.“

Bescheid wussten mittlerweile auch Loridana und Dills Leibarzt. Beide hatten den Herrscher mit ihren Erfassern untersucht und dabei festgestellt, dass er in keinem guten Zustand war. „Er darf diesen Kampf auf keinen Fall weiterführen!“, meinte Loridana und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie es ernst meinte. „Ich werde ihm eine geringe Dosis Rosannium spritzen.“ „Aber damit wirst du seine Fähigkeiten schwächen, Loridana.“, wandte der Leibarzt, ein älterer Zeitländer Namens Malargo, ein. „Natürlich werde ich das!“, sagte die Zeonide sicher. „Aber dann ist er gezwungen loszulassen und wird vielleicht überleben. Ich riskiere mit Sicherheit, dass er ins Koma fällt. Aber das ist immer noch besser, als wenn dieser aussichtslose Kampf ihn mit Sicherheit umbringt!“ Bevor Malargo etwas erwidern konnte, setzte sie die Spritze.

Mit Sicherheit konnte jetzt zumindest Sedrin sagen, dass das Phänomen das Passagierschiff nicht mehr behelligte. Wie eine Welle im Meer hatte es das Universum der Föderation überrollt und war weiter gezogen. Die ganze Zeit hatte die Agentin mit Jackson gemeinsam auf den Bildschirm geschaut und das Schauspiel beobachtet. „Ich glaube, wir können in den Normalbetrieb zurückkehren, Jackson.“, sagte sie ruhig. Der Pilot nickte und tat das Nötige. „Sie haben sich vorbildlich verhalten.“, lobte Sedrin. „Ich hatte mit mehr Fragerei und vielleicht sogar mit Widerstand gerechnet.“ „Mein Kollege und ich sind nicht lebensmüde, Agent.“, versicherte Jackson. „Wir waren recht froh über den Umstand, dass uns endlich jemand helfen würde, der sich mit so was auskennt. Die Kontrolle hat uns das mit dem Phänomen zwar geglaubt, aber sie haben uns auch keine Empfehlung geben können. Außerdem mussten wir an unsere Passagiere denken. Wir haben immerhin 350 mal Verantwortung da hinten drin. Von unseren Kollegen von der Crew ganz zu schweigen.“ „347.“, berichtigte Sedrin. „Ich bin ausgebildete Sternenflottenoffizierin und ich habe auch noch eine Kameradin hinten in der Kabine, die ausgebildete Sternenflottenärztin ist. Außerdem hat sie einen Sohn, der trotz seiner vier Jahre schon gut als Verstärkung dienen kann. Die Beiden sind Androiden.“ „Und Sie sind Demetanerin und als solche sehr verantwortungsbewusst.“, ergänzte Jackson. „Also, was konnte uns denn schon passieren? Das Dümmste, was wir hätten machen können, wäre gewesen, wenn wir nicht auf Sie gehört hätten.“

Sedrin drehte sich erneut zum Schirm. „OK.“, sagte sie. „Lassen Sie uns mal nachsehen, was das Ding für einen Schaden angerichtet hat.“ Dabei sah sie den jungen Copiloten an, der ihr sofort alles in den Fokus stellte, was die Sensoren des Schiffes wahrnahmen. „Das ist nur offener Weltraum.“, stellte Sedrin fest. „Ist es möglich, Transpondersignale von umliegenden Stationen oder Schiffen hereinzubekommen?“ Der junge Mann nickte und stellte das Sprechgerät entsprechend ein. Dann wies er auf den Schirm, wo die Demetanerin bald einige Kennungen sehen konnte. Genesianisch!, dachte Sedrin, ließ aber nichts durchblicken. Normalerweise hätte sie jetzt Föderationssignale sehen müssen. „Ich muss mit meiner Kameradin sprechen, ohne dass jemand was mitkriegt!“, sagte Sedrin. „Können Sie da was machen?“ Jackson und sein junger Kollege sahen sich an. Dann sagte der Jüngere, den Sedrin inzwischen als Tim Roberts kennen gelernt hatte: „Das Dienstabteil der Flugbegleiter. Dort gibt es eine Sprechanlage, die mit der hier verbunden ist. Wenn unsere Chefflugbegleiterin Ihre Kameradin unauffällig dort hin holt, dann dürfte das gehen. Ich nehme an, Ihre Sprechgeräte haben Sie beide nicht dabei.“ „Gute Idee, Tim.“, lobte Jackson und auch Sedrin nickte beifällig.

Über die Sprechanlage hatte jetzt auch Maron sich nach den drei Tindaranern erkundigt. Er konnte sich denken, dass die Zerreißung der mentalen Mauer nicht ohne gesundheitliche Folgen an ihnen vorübergegangen war. Ishan, der androide Mediziner, hatte ihm aber versichert, dass Zirell, Shimar und Nidell in guten Händen, nämlich in seinen, seien. Sie seien zwar bewusstlos, aber es ginge ihnen den Umständen entsprechend gut. IDUSA habe sie ohne Befehl von sich aus auf die Krankenstation gebeamt. „Ich finde es bemerkenswert, dass du überhaupt auf so etwas gekommen bist, Agent Maron.“, sagte Joran. „Ich arbeite ja nicht erst seit gestern für die Tindaraner.“, erwiderte Maron.

Wieder piepte die Sprechanlage. Dieses Mal war Jenna am anderen Ende. „Ja, McKnight.“, meldete sich Maron gewohnt kurz. „Was ist? Haben Sie eine Lösung?“ „Wie man’s nimmt, Sir.“, sagte Jenna. „Zumindest könnte ich uns zunächst Zeit verschaffen oder besser Joran könnte das tun. Er ist der zur Zeit beste Flieger hier, nachdem Shimar gerade verhindert ist. Er muss in den Kontrollraum, von dem der Antrieb für Kurskorrekturen zu kontrollieren ist und uns eine Weile vor dem Phänomen da draußen halten.“ „IDUSA hat es Ihnen also auch schon gesagt, Jenna.“, schlussfolgerte Maron. „Ich habe zwei gesunde Augen und ich kann denken, Sir.“, erwiderte die Chefingenieurin. „Genau das brauchen wir jetzt, McKnight!“, entgegnete Maron.

Joran trat neben Maron und tippte seine Hand an, in der er das Mikrofon hielt. Der Demetaner verstand und reichte es ihm. „Wie lange wird diese Weile sein, Telshanach?“, wollte Joran wissen. „Das kann ich jetzt noch nicht sagen.“, sagte Jenna. „Macht nichts!“, versicherte Joran. „Jedenfalls werde ich mir die größte Mühe geben.“ „Bei der Sache muss aber ein Kommandooffizier zustimmen.“, rief Jenna ihrem Freund die tindaranischen Sicherheitsprotokolle in Erinnerung. „Macht auch nichts.“, sagte Joran. „Ich habe schließlich einen neben mir sitzen.“ Damit beendete er die Verbindung und Maron und er machten sich so schnell wie möglich auf den Weg zum nächsten Turbolift, um damit nach unten zu dem entsprechenden Kontrollraum zu fahren.

Unten war auch die Stimmung im Thronsaal. Wie Loridana es vorausgesagt hatte, war Dill tatsächlich nach der Gabe der Rosannium-Spritze ins Koma gefallen. „Was hast du getan?!“, fragte Malargo vorwurfsvoll. „Wenigstens lebt er noch.“, sagte Loridana zur eigenen Verteidigung. „Solange er lebt, ist die Zeit auch noch geschützt. Solange haben Sytania und ihr neuer Komplize, wer immer das auch sein mag, keine Chance.“

Die große schwere Tür öffnete sich und zwei Vendar, ein Mann und eine allen sehr gut bekannte Frau, hatten den Raum betreten. „Ich bin Crimach, Vertraute des Dill von Zeitland. Das ist Kiran, mein Ehemann. Tritt zur Seite, Malargo und auch du, Loridana El Zeon. Dies hier ist jetzt unsere Sache.“, forderte Crimach. Dann lud sie den bewusstlosen Dill auf ihre rechte Schulter und sie und der zweite Vendar, der Dill stabilisierte, verließen den Raum. „Wenn hier jemand noch etwas tun kann.“, sagte Loridana aufatmend. „Dann sind es die Vendar. Aber ich muss meinem Commander berichten.“ Damit ging sie ebenfalls aus dem Raum.

Immer noch hatten Eldisa und Kissara gemeinsam auf jener Bank gesessen und die Prinzessin hatte dem Schnurren der Sternenflottenoffizierin gelauscht. Gut fühlte es sich an Kissaras weichem Brustfell an. Gut und sicher. Eldisa hatte die Angst um ihren Vater schon wieder fast vergessen und sich zum Rhythmus von Kissaras Schnurren in bessere Zeiten zurückgeträumt.

Kissara gab plötzlich einen gurrenden Laut von sich und rieb ihre rechte Wange über die von Eldisa. „So sagen wir in meiner Heimat jemandem, dass wir ihn gern haben.“, erklärte sie. „Haben Sie mich denn gern, Commander?“, fragte die Prinzessin. „Natürlich.“, sagte Kissara. „Hätte ich das sonst getan?“ „Aber ich bin ein späteres Staatsoberhaupt.“, entgegnete Eldisa. „Werden Sie wegen solcher Vertraulichkeiten mir gegenüber keine Schwierigkeiten bekommen?“ „Für mich.“, antwortete Kissara. „Seid Ihr im Augenblick nicht nur ein späteres Staatsoberhaupt, sondern vor allem ein trostbedürftiges Kind, das kurz davor steht, seinen geliebten Vater zu verlieren. Da könnt Ihr jeden Trost gebrauchen, finde ich.“ „Dann muss ich Ihnen was sagen, Commander.“, begann Eldisa und Kissara erwiderte freundlich: „Ja?“ Dann machte Eldisa dieses Mal das gurrende Geräusch und rieb ihre Wange an Kissaras. Die Thundarianerin lächelte: „Ich Euch auch.“

Loridana betrat die Bildfläche. An ihrem traurigen Gesicht konnte Kissara gut sehen, dass etwas nicht stimmte. „Ist er …“, begann sie. „Nein, Commander.“, erwiderte die Ärztin leise. Dabei vermied sie es aber, in Anwesenheit der Prinzessin näher auf Dills Zustand einzugehen. „Ich sage nur so viel. Die Vendar kümmern sich jetzt um ihn.“ „Die Vendar.“, wiederholte Kissara. „Dann ist er ja erst mal in Sicherheit.“ Sie wendete sich an Eldisa: „Ihr solltet Euch etwas zerstreuen. Ich komme später noch einmal her und sehe nach Euch. Eure Lieblingsplätze kann mir ja sicher einer der Diener verraten.“ „Ist gut.“, antwortete Eldisa und ging langsam weiter in den Schlosspark. „So.“, wendete sich Kissara an Loridana. „Und jetzt sagen Sie mir, was passiert ist, Scientist!“

Passiert war um das Passagierschiff herum auch einiges, wie Sedrin festgestellt hatte. Außerdem hatte die Chefflugbegleiterin tatsächlich Cupernica ins Dienstabteil geholt, von wo sie jetzt über die Sprechanlage mit Sedrin sprach. „Den Dingen nach zu urteilen, die ich hier gesehen habe, Scientist, haben die Genesianer offensichtlich irgendwann in der Vergangenheit das Universum der Föderation erobert. Allerdings wissen wir beide, dass dies nicht der ursprünglichen Zeitlinie entspricht. Die Passagiere werden ordentlich Schwierigkeiten haben, sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden. Sie sollten ganz unauffällig Ihre Hilfe anbieten. Sie sind die einzige Person, bei der sie sicher sind. Jeder Andere wird sie für verrückt erklären, wenn sie von der normalen Zeitlinie berichten, denn für den Rest der Bevölkerung ist alles, so wie es jetzt ist, völlig normal.“ „Bestätigt.“, sagte Cupernica. „Der Rest der Bevölkerung war zum Zeitpunkt der Veränderung ja nicht zeitlich isoliert wie wir. Dann gehe ich mal meine Visitenkarte verteilen. Sieht aus, als müsste ich in nächster Zeit eine Menge psychologischer Beratungsgespräche führen.“ Sedrin nickte, während sie die Verbindung beendete.

Unterstützung, wenn auch nicht psychologischer, sondern eher technischer Art, konnten jetzt sicher auch Maron und Joran gut gebrauchen. Sie waren inzwischen zu dem kleinen versteckten Raum auf dem untersten Deck gelangt. Joran drehte sich in Richtung des sich dort befindenden Anschlusses für Neurokoppler und schloss den Seinen an. Nachdem Maron es ihm gleich getan hatte, lud der Stationsrechner beide Reaktionstabellen. „IDUSA, wir müssen die Station bewegen.“, erklärte Joran. „Dazu muss ein Kommandooffizier mit seinem biologischen Fingerabdruck zustimmen.“, erwiderte der Avatar. „Kein Problem.“, entgegnete Maron und legte seinen Finger in die dafür vorgesehene Sensorenmulde. „Biologischer Fingerabdruck akzeptiert.“, sagte IDUSA gleichmütig und zeigte Joran die Steuerkonsole. Mit den eigenen Sensoren hatte sie die gesamte Situation beobachtet und wusste sehr wohl, dass Maron jetzt aufgrund von Zirells Erkrankung das Kommando inne hatte und dass Joran der zur Zeit beste Flieger war, der zur Verfügung stand. „Hast du so was schon mal gemacht, Joran?“, fragte Maron sorgenvoll. „Wie alt bin ich?!“, gab Maron energisch zurück. „125.“, antwortete Maron. „Und wie alt bist du?“, fragte Joran weiter. „45.“, sagte Maron. „Also.“, sagte Joran. „Dann kannst du dir ja wohl ausrechnen, dass ich schon Schlachtschiffe und ähnliche große Dinger gesteuert habe, da hast du noch in die Windeln geschi…“ „Halt an dich!“, unterbrach Maron ihn scharf.

Jenna wusste genau, was von ihr erwartet wurde. Immer wieder gab sie IDUSA neue Modelle für Simulationen ein, die aber nicht das gewünschte Ergebnis bringen wollten. „Kommen Sie voran, Jenn’?“, wollte Shannon wissen. „Tut mir leid, Assistant.“, sagte Jenna. „Aber ich glaube, dieses Mal bin ich mit meinem Latein am Ende.“ „Na.“, flapste die blonde Irin. „Major Carter aus meinem Unterhaltungsschmöker hätte sicher nicht so schnell aufgegeben. Sie hat ihre Feinde oft ganz schön vercartert aus der Wäsche gucken lassen. Sorry, war’n Kalauer.“ „Allerdings.“, meinte Jenna. „Oh, war der flach.“

Joran versuchte mit allen Mitteln, die Station aus dem Sonnensystem zu bekommen. Aber das war angesichts der Situation gar nicht so leicht. Jetzt musste er auch noch einen Rückstoß einleiten, da sie gefährlich nah vor einem der tindaranischen Monde waren. „Was machst du denn?!“, sagte Maron vorwurfsvoll. „Wenn wir rückwärts fliegen, dann bewegen wir uns doch auf das Phänomen zu.“ „Ich muss.“, sagte Joran. „Ich habe keine andere Chance, als einen zweiten Anlauf, wenn wir nicht mit dem tindaranischen Mond zusammenstoßen wollen. Dieser Antrieb reagiert wie eine terranische Schildkröte, der man einen Elefanten auf den Rücken geschnallt hat. Wenn wir erst mal hier raus sind, werde ich auf Warp gehen. Dann wird es vielleicht besser.“ „Dann war das vorhin also nur Angeberei!“, meinte Maron. „Ich zeige dir gleich Angeberei!“, erwiderte Joran und ließ die Station gerade so an dem Mond vorbeischlittern. „Aber wenn du meinst, dass du es besser kannst, darfst du gern übernehmen. IDUSA …“ „Nein danke, kein Bedarf.“, entgegnete Maron. „Du machst das wirklich sehr gut.“ „Genau das wollte ich hören.“, grinste der Vendar. „Und jetzt funk mir nicht immer dazwischen!“

Mit Sorge hatte Shannon auf dem Schirm das Näherkommen des Phänomens beobachtet. Jetzt war es nur noch etwa drei Parsec von der Station entfernt. Dass Joran sie nicht wirklich schnell außer Reichweite bringen konnte, war der technischen Assistentin bewusst. Sie wusste auch, dass die der Station zur Verfügung stehenden Antriebe nur für Kurskorrekturen oder der Warpantrieb vielleicht zum Überführen der Basis in ein anderes Sonnensystem geeignet waren, mehr war aber nicht drin. Zumindest hätten sich die tindaranischen Hersteller wohl nie träumen lassen, dass die Antriebe einmal für ein Fluchtmanöver herhalten mussten. „Jenn’.“, sagte Shannon. „Ich glaub’, der Grizzly schafft das nich’. Ich glaub’, jetzt hilft nur noch Augen zu und durch. Am liebsten würde ich dem Ding da draußen ein paar gehörige Knüppel vor die Füße werfen. Aber das würde es ja auch nicht schrecken. Ade, du schöne Zeitlinie.“

Jenna zuckte zusammen und sah ihre Assistentin mit weit aufgerissenen Augen an. Shannon kannte diesen Blick. Ihre Vorgesetzte setzte ihn immer dann auf, wenn sie meinte, dass ausgerechnet Shannon sie zu einer Lösung geführt hatte, was sich die blonde Irin aber niemals vorstellen konnte. Jetzt geht das wieder los!, dachte Shannon. Im gleichen Moment fiel ihr Jenna wortlos um den Hals, um gleich darauf wieder zu ihrem Platz zurückzusprinten und IDUSA zu befehlen: „IDUSA, lokalisiere die Trümmer der mentalen Mauer und beame sie in Richtung des Phänomens. Das dürfte Joran Zeit verschaffen, den interdimensionalen Antrieb zu zünden und uns in die interdimensionale Schicht zu bringen.“ „Ich sollte mich aber mit der IDUSA-Shuttleeinheit synchronisieren.“, erwiderte IDUSA. „Sie muss ebenfalls den eigenen Interdimensionsantrieb benutzen. Sonst wirkt sie wie Ankermaterie.“ „Ich weiß.“, sagte Jenna. „Verständigt euch!“ „Außerdem sind meine Transportersensoren auf das Aufspüren von Materie ausgelegt. Mit anderen Worten, ich kann mit ihnen keine Energie sehen.“, fügte IDUSA bei. „Das ändere ich.“, versicherte Jenna. „Ich kopple deinen Transporter mit der entsprechenden Sensorenreihe.“ Damit stand sie auf und sagte zu Shannon: „Ich muss in die Wartungsschächte, Assistant. Wenn die Jungs da unten Energie brauchen, beliefern Sie sie. Leiten Sie die Energie einfach aus unwichtigen Systemen um!“ „Alles klar, Jenn’.“, erwiderte Shannon.

Joran hatte die Station schlussendlich doch erfolgreich aus dem Sonnensystem bringen können. Jetzt, im offenen Raum, hatte er sie auf Warp eins gebracht. Mehr war beim besten Willen nicht drin. Jetzt versuchte er, den interdimensionalen Antrieb zu zünden. Dies würde aber länger dauern als bei einem Shuttle, weil die Station natürlich viel größer war und dadurch ein viel größeres Feld benötigte. „Du solltest uns wirklich langsam in den Interdimensionsmodus bringen.“, sagte Maron, dem angesichts der Bilder von dem näher kommenden Phänomen ziemlich mulmig wurde. „Bin schwer dabei.“, antwortete Joran. „Aber es dauert bei so einer großen Station länger, biss sich das Feld aufbaut.“ „Na dann gute Nacht.“, resignierte der demetanische Agent.

Jenna hatte in dem entsprechenden Wartungsschacht inzwischen die notwendigen Umbauten vorgenommen. „Sag mir, was du siehst, IDUSA!“, befahl sie. „Ich sehe die Trümmer.“, gab der Avatar zurück. „Vielen Dank, Jenna. Ich beginne jetzt.“ Die hoch intelligente Halbschottin nickte.

Maron sah plötzlich, wie sich die Geschwindigkeit, mit der das Phänomen auf sie zu flog, erheblich verringerte. Gleichzeitig glitten sie endlich in den Interdimensionsmodus ab. „Was war das denn?!“, fragte er erfreut. „Ich denke, das war Jenna McKnight, Maron El Demeta.“, antwortete Joran mit einem gewissen Stolz in der Stimme. „Aber wie in Mutter Schicksals Namen hat sie das angestellt, dieses Ding derart zu verlangsamen?“, wunderte sich der Demetaner. „Frag sie am besten selbst.“, schlug der Vendar vor. „Das werde ich auch.“, sagte Maron. „Darauf kannst du Gift nehmen. Wie sieht’s da draußen aus?“ „Ich fürchte, das Phänomen ist mit der tindaranischen Dimension fertig.“, sagte Joran. „Dann bring uns zurück!“, befahl Maron. „Verschaffen wir uns einen Überblick!“ Joran nickte und führte seine Befehle aus.

Von alledem ahnte ich im zeitlich isolierten Zeitland nichts. Die Dimension selbst war von der Zeit unabhängig und ich musste uns jedes Mal wieder neu einfädeln, wenn wir wieder ins Universum der Föderation zurückkamen. Diese Prozedur kannte ich zur Genüge. Nur Dill war mit seiner eigenen Dimension verbunden und konnte sie deshalb, zumindest normalerweise, schützen.

Jetzt lag ich also in dieser Dimension irgendwo an einem Strand eines der unzähligen natürlichen Seen, die es um das Schloss herum gab. Ich genoss die Sonne und war hoch zufrieden mit dem Ausgang von meinem Beratungsgespräch mit Eldisa.

Aus der Ferne hörte ich Mikel jauchzen. Ich wusste, dass dieses Verhalten für ihn normal war, wenn er sich im Wasser aufhielt. Er war eine richtige Wasserratte, was ich in gewisser Hinsicht auch von mir behaupten konnte, aber ich würde nie ohne Begleitung in ein mir fremdes Gewässer gehen. Ich war eben keine Abenteurerin.

Jemand näherte sich mir. Sie ließ lässig ihre Habe neben mir in den Sand plumpsen und fragte dann flapsig: „Dideldumm, dideldei! Hast du noch ein Plätzchen frei für Tchey?“ „Hi!“, freute ich mich. „Aber sicher. Der Strand ist sonst eindeutig zu groß für uns Beide! Soll ich noch ein Stückchen rücken, damit du auch im Sand liegen kannst?“ Meine reptiloide Freundin grinste und legte sich neben mich. „Ich sehe, die Ehe mit Scotty tut dir verdammt gut.“, stellte sie fest. „Sie formt deine Persönlichkeit.“ „Nur, weil ich ein paar Sprüche geklopft habe?“, wollte ich wissen. „Aber genau.“, lachte sie. „Wieso?“, erwiderte ich. „Du hast doch angefangen.“ „Schuldig im Sinne der Anklage.“, sagte sie und fügte hinzu: „Wie ist das Wasser?“ „Für mich etwas kalt.“, antwortete ich. „Ich würde es da drin nur mit Gummianzug aushalten.“ „Hör mir mit so was auf.“, stöhnte sie. „Da kommt man immer so schlecht rein und raus. Fühlt sich an wie bei 'ner komplizierten Häutung. Da muss bei mir meistens einer von unten nachhelfen wie bei 'ner Zahnpaste.“ „Das wäre dann Tchey in der Tube.“, flapste ich. „Hey.“, sagte sie und warf mir ein Eis auf den Bauch. „Igitt! Scheibenhonig!“, schrie ich. „Ne, Schoko-Nuss.“, erwiderte sie grinsend. „Außerdem ist Rache süß.“

Ich packte das Eis aus und ließ es mir schmecken. „Wo wir gerade von der Ehe geredet haben.“, schmatzte ich. „Wie geht es mit Lasse und dir.“ „Aus.“, sagte sie knapp. „Oh, Scheiße.“, antwortete ich. „Ne, Scheidung.“, berichtigte sie. Ich machte ein trauriges Gesicht. Dann fragte ich: „Interkulturelle Differenzen?“ „Ne, inflagranti hat die Tchey den Lasse im Bett erwischt mit der Nachbarin.“ „Oh, Scheiße.“, wiederholte ich. „Ne, Scheidung.“, sagte sie lachend. „Aber so weit waren wir ja schon.“ Jetzt musste auch ich lachen.

Sie nahm mir das Eispapier ab und warf es in die nächste Materierückgewinnung. „Jetzt mache ich erst mal ganz gepflegt Urlaub.“, sagte sie dann. „Genau wie ich.“, erklärte auch ich meine Anwesenheit. „Das trifft sich ja gut.“, sagte sie. „Dann sag ich dir jetzt was. Wir gehen jetzt auf unsere Zimmer, dann klatschen wir uns die Spachtelmasse gegen Sonnenbrand auf die Epidermis und dann wird gemeinsam weiter geurlaubt.“ „OK.“, sagte ich. „Nur, mein Zimmer ist auf der Granger.“ „Ach so.“, sagte sie und verzog das Gesicht. „Du bist also doch dienstlich hier.“ „Nicht ganz.“, beschwichtigte ich sie. „Aber ich habe etwas für dich, was dich garantiert freuen wird. Du kennst ja mit Sicherheit mein Schiff noch nicht.“ Ich wusste, darauf würde Tchey positiv reagieren. Sie war eine genau so begeisterte Fliegerin wie ein gewisser Thomas Paris, dem sie manchmal nacheiferte. „Cool!“, rief sie und sprang auf. „Pass auf! Ich habe eine Idee. Ich miete mir ein Shuttle und du holst dein Schiff und dann treffen wir uns über der schönen Stelle hier. Von da aus geht’s dann ins Universum. Da kenne ich einen Fleck, wo wir uns so richtig austoben können mit den Beiden. Oh, ich wünschte, meine Sharie oder die Present wären hier.“ „Deiner Sharie geht es übrigens sehr gut.“, gab ich eine Nachricht von Ginalla weiter, mit der ich in Kontakt stand. „Sie hat sogar mittlerweile eine Beziehung in ihrer Heimat. Ich habe eine Freundin, deren Schiff …“ „Erzähl’s mir am SITCH!“, sagte Tchey und war verschwunden. Auch ich machte mich in Richtung Lycira auf.

Kapitel 6 - Verräterisches Duell

von Visitor

 

Zufrieden saß Clytus im Raum-Zeit-Kontinuum vor einem Kontaktkelch und sah sich die Geschicke im Universum der Tindaraner und der Föderation an. Über die geänderte Vergangenheit bis in die Gegenwart hatte er alles beobachtet und war zu dem Schluss gekommen, Eldisa ein Geschenk gemacht zu haben, zu dem sie nicht nein sagen konnte und das sie ihm auch nicht einfach so zurückgeben konnte. Er hatte es nämlich so eingerichtet, dass nur er die Veränderungen rückgängig machen konnte, wenn er denn wollte. Siehst du., wendete er sich telepathisch an Eldisa. Jetzt habe ich dir ein Geschenk gemacht, das du dir für deine Freundin Betsy schon immer gewünscht hast. Bin ich nicht romantisch? Ich habe dabei weder an dich noch an mich gedacht. Jetzt musst du mich doch total süß finden.

„Neffe!!!“ Die weibliche wütende ältere Stimme, die ihm dies entgegen geschrieen hatte, ließ Clytus glauben, dass ihm das Blut in den Adern gefriere. Dann tauchte in einem weißen Blitz Tolea vor ihm auf. Sie machte ein strenges Gesicht! „Was hast du dir da erlaubt?!“, tadelte sie ihn. „Mit der Zeitlinie der Sterblichen herumzuspielen, nur aus eigensüchtigen Motiven! Was hast du dir dabei gedacht?!!! Nein, du hast wahrscheinlich gar nicht gedacht!!! Aber diese Flausen werden dir noch vergehen!!! Ich werde dich bestrafen!!!!“ Clytus wurde Angst und Bange. Er hatte sehr gute Vorstellungen davon, wie seine Strafe aussehen konnte. Seine Tante war dafür bekannt, dass sie sehr hart sein konnte. Bei der Verwandlung in eine Amöbe würde sie es nicht belassen. Aber was sie mit ihm tatsächlich machen würde, davon machte selbst Clytus sich keine Vorstellung. Er wusste nur, wäre er ein Sterblicher, der das gleiche Verbrechen verübt hätte, dann würde sie weitaus freundlicher mit ihm umgehen. Aber bei ihresgleichen setzte Tolea viel härtere Maßstäbe an.

„Halt, Schwester!“, hörte Clytus plötzlich die Stimme seines Vaters, von der er sich Erlösung erhoffte. Dann tauchte auch Kairon vor ihm auf. „Ihn zu strafen ist einzig und allein meine Sache. Du bist nur seine Tante. Ich bin sein Vater und, nachdem seine Mutter mir das Sorgerecht gegeben hat, sein Erziehungsberechtigter.“ „Du!!“, lachte Tolea und man konnte gut ein schon fast wahnsinniges Blitzen in ihren Augen sehen. „Du bist viel zu lasch mit ihm! Das sieht man ja! Bei mir hätte sich dieser Lausejunge solche Streiche nicht getraut. Dafür hätte ich schon gesorgt! Aber gut, erkläre deinem Vater und mir, warum du die armen Sterblichen missbraucht und Dill fast getötet hast, Clytus!“ „Ich, ich, ich.“, stammelte Clytus. „Ich habe aus Liebe gehandelt.“ „Aus Liebe?“, fragte Kairon. „Erkläre mir das.“

In den Wäldern in der Nähe war Diran mit Tchian, einem seiner Novizen, mit dem Kampftraining beschäftigt. Aber der Vendar-Junge mit dem weißen kurzen Jugendfell konnte sich einfach nicht konzentrieren und Diran hatte ihm bereits zum zwölften Mal eine Taktik erklären müssen. „Was ist nur los mit dir, Tchian?“, fragte der Ausbilder, der im Allgemeinen als sehr geduldig galt. „Vergib mir, Ausbilder, aber ich kann mich nicht konzentrieren, weil das ängstliche Wehklagen unseres jungen Gebieters Clytus an mein Ohr dringt. Ich bin sicher, etwas stimmt nicht. Bitte, Ausbilder, lass uns nachsehen.“ „Das sind interne Angelegenheiten unserer Gebieter.“, verneinte Diran. „Es steht uns sicher nicht zu, uns hier einzumischen, außer wir werden dazu gerufen.“ „Aber ich will doch gar nicht, dass wir uns einmischen.“, erklärte Tchian spitzfindig. „Ich will doch nur, dass wir nachsehen.“

Diran überlegte. Er wusste, dass das Training mit Tchian so keinen Sinn hatte. Er würde sich nicht darauf konzentrieren können, solange er Angst um Clytus hatte. Auch dem Ausbilder, der Toleas direkter Vertrauter war, leuchtete längst ein, dass hier etwas im Gange war. Dafür kannte er seine Herrin gut genug. Also sagte er: „Ist gut. Wir werden hingehen und uns das Geschehen ansehen. Aber danach musst du mir versprechen, dass wir mit dem Training fortfahren können.“ „Ich verspreche es, Ausbilder.“, lächelte Tchian und hob sogar feierlich die Hand zum Schwur.

Sie verließen den Wald und durchquerten einen kleinen Fluss, der sie von dem Platz, an dem Clytus, Tolea und Kairon sich aufhielten, getrennt hatte. „Du lässt mich reden!“, schärfte Diran seinem Schüler ein. Tchian nickte. Aufmerksam beobachtete er, wie sich Diran auf den Weg zu Tolea machte und sie unterwürfig ansah. „Vergebt mir, Gebieterin.“, sagte er leise und fast sorgenvoll. „Mein Novize und ich kamen gerade vorbei und wurden Zeugen dieses Tumultes hier. Dürften wir erfahren, was der Grund dafür ist?“

Toleas Blick wurde weich und freundlich, als sie Diran ansah. „Das darfst du von mir aus, mein treuer Diran.“, sagte sie. „Ich bin kurz davor, meinen Neffen zu strafen, weil er die Sterblichen zum Erreichen seiner Ziele missbraucht hat. Er hat ihre Zeitlinie verändert. Dann hat er sich auch noch erdreistet, meinen Kontaktkelch zu stehlen, um sein Werk zu betrachten. Findest du nicht auch, dass er eine Strafe verdient hat?“ „Dieses Urteil steht mir nicht zu, Gebieterin.“, erwiderte Diran. „Obwohl ich auch sterblich bin und sicher mit den Missbrauchten fühle. Aber ich kann bei Weitem nicht das Verständnis für solche Situationen aufbringen, das Ihr in Eurer Allwissenheit habt. Also bitte ich Euch um Vergebung dafür, dass ich hierzu keine Meinung äußere.“ „Du wählst deine Worte wohl, Vendar.“, lobte Kairon. „Deshalb werden du und dein Novize auch in die Entscheidung, wer Clytus bestrafen darf, eingebunden werden. Ruf den Jungen her, dann muss ich nicht alles zweimal erklären!“ Diran nickte und winkte Tchian, der sofort angelaufen kam. „Welche Rolle sollen die Vendar übernehmen, Bruder?“, fragte Tolea fast lästernd. „Sie sollen eine Art Schiedsrichter sein und sie werden die Arena bauen, in der wir uns um das Recht duellieren werden, Clytus zu bestrafen.“, antwortete Kairon. „Faszinierend.“, spottete Tolea. „Bin mal gespannt, wie das aussehen wird.“

Kairon wendete sich an Diran: „Nimm deine Waffe und brenne mit ihr ein Quadrat aus Linien in den Sand. Dann ziehst du in der Mitte des Quadrates eine weitere Querlinie. Den Platz dazu kannst du selbst wählen.“ „Wie Ihr wünscht, Gebieter.“, erwiderte Diran, ging einige Meter weg, zog seine Waffe, richtete sie gegen den Boden, stellte sie auf Dauerfeuer und drückte ab. Seine Schritte zählend ging er zunächst einfach geradeaus, um dann abrupt nach links abzubiegen. Dies wiederholte er so lange, bis die schwarzen Linien im Sand das gewünschte Quadrat bildeten. Dann stellte er sich in die Mitte einer der Linien, um von dort aus das gleiche Spiel quer über das Quadrat zu wiederholen. Jetzt hatten sich zwei gleiche Hälften gebildet.

Kairon kam herüber und sah sich alles an. „Sehr gut.“, lobte er. „Jetzt sag deinem Novizen, er soll zwei Äste suchen. Einen Kurzen und einen Langen. Tolea und ich werden um die rechte Hälfte des Quadrates losen. Wir wollen ja nicht, dass hier irgendwas mit ungerechten Mitteln zugeht.“ Diran nickte und erteilte Tchian den entsprechenden Auftrag. Ihn störte an dieser Sache etwas ganz gewaltig! Der intelligente Vendar-Krieger, der auch schon Sytania gedient hatte, wusste genau, dass die Art von Duell, auf die sich Kairon und Tolea geeinigt haben mussten, ein Duell der geistigen Kräfte nach imperianischer Sitte war. Aber warum sollten sie sich nach imperianischer Sitte duellieren? Langsam wurde das, was Diran vorher eher unbewusst wahrgenommen hatte, zur Gewissheit. immer mehr hatte er das Gefühl, dass Sytania hier im Hintergrund die Fäden zog. Aber wie sollte das von Statten gehen? Seine Gebieterin würde sich doch nie auf eine Zusammenarbeit mit ihr einlassen, oder etwa doch? Wut konnte zu den gefährlichsten Dingen verleiten. Das wusste der Vendar. Er hoffte so sehr, dass sein Bauchgefühl ihn getäuscht hatte. Er hoffte es so sehr! Sein Novize sollte in diese ungeheuerliche Vermutung aber nicht eingeweiht werden. Es könnte sein gesamtes Weltbild durcheinander bringen. Diran würde damit allein klar kommen müssen und weiter Beweise sammeln müssen. Aber dazu hatte er ja jetzt auch Gelegenheit, denn beim Herumgehen war er fast über einen stattlichen Stein gestolpert, den er jetzt aufhob. Er hatte ein solches Gewicht, dass fünf durchschnittliche Humanoide notwendig gewesen wären, um ihn zu heben. Aber das stellte für Diran kein Problem dar. Er platzierte den Stein auf der Linie in der Mitte des Quadrates. Er hoffte, sich mit dieser Aktion derart bei den beiden Mächtigen einschmeicheln zu können, dass sie ihn für geeignet genug hielten, noch mehr über das große Geheimnis zu erfahren.

Tolea kam hinzu und sah sich alles an. „Sehr gut mitgedacht, Diran.“, lobte sie und strich ihm über das Haar. Als sie ihn berührte, erschauerte Diran instinktiv und wich zurück. Wieder hatte sein Unterbewusstsein ihm den Eindruck vermittelt, er würde Sytania wahrnehmen. Schnell versuchte er, diesen Eindruck zu überspielen. Er befürchtete nämlich, dass seine Schmeicheltaktik nicht aufgehen würde, wenn er zu früh verraten würde, dass er etwas spürte, das normalerweise nicht sein konnte und nicht sein durfte. „Was ist?“, fragte Tolea Anteil nehmend. „Du schreckst doch sonst nicht vor meiner Hand zurück.“ „Vergebt mir, Gebieterin, aber ich bin angesichts des Duells etwas nervös. Ich hoffe aber, dass Ihr den Sieg davontragt.“, log Diran. Er hoffte, dass Tchian nicht mehr lange mit den Ästen auf sich warten lassen würde. Es konnte doch nicht so schwer sein, zwei verschieden lange Äste in einem bewaldeten Gebiet zu finden.

Endlich war der Junge am Horizont zu sehen. Wie zwei Trophäen trug er stolz zwei starke verschieden lange Äste vor sich her. „Was hat so lange gedauert?“, fragte Diran. „Ich wollte die besten Äste finden, Ausbilder.“, antwortete Tchian. „Es sollten nicht irgendwelche morschen Dinger sein.“ „Dein Verhalten ehrt dich, Vendar-Novize.“, sagte Kairon. „Und nun entscheide, wer zuerst einen Ast ziehen darf. Meine Schwester oder ich. Halte die Äste so, dass wir nicht sehen können, welcher der Kurze und welcher der Lange ist.“

Tchian schob die Äste in seiner Hand so hin, dass jeweils eines ihrer Enden mit dem Anderen auf gleicher Höhe war. Dann hielt er den Mächtigen diese Seite der Äste hin. Die ungleiche Seite zeigte in seine Richtung. „Lady Tolea, Ihr seid als Erste dran.“, sagte er mit klopfendem Herzen. Tolea griff nach einem der Äste und zog ihn heraus. Tchian gab Kairon den Anderen. „Damit dürfte ja wohl klar sein, dass ich die rechte Hälfte bekomme!“, sagte Tolea und hielt den längeren Ast in die Höhe. „Diran, stelle dich an den einen Scheitelpunkt, an dem die Querlinie sich mit den Grenzen des Quadrates trifft und du, Tchian, dich an den anderen.“, instruierte Kairon die beiden Vendar. Diese nickten und führten seinen Befehl aus. „Achtet gut auf den Fels.“, sagte Tolea und nahm, genau wie ihr Bruder auch, ihre Position ein. „Sollte es einer von Euch schaffen, den Felsen per Gedankenkontrolle in das Gebiet des Anderen zu schieben, erklären wir ihn oder sie zum Sieger oder zur Siegerin.“, erklärte Diran und zählte auf Vendarisch bis drei.

Ängstlich sah Tchian die Gesichter der vor Konzentration und Anstrengung wie versteinert wirkenden Mächtigen. „Diese Situation macht mir Angst, Ausbilder.“, flüsterte er Diran zu. „Mir ist das auch nicht geheuer.“, gab Diran ähnlich leise zurück. „Aber wir müssen erfahren, was hier vorgeht und deshalb müssen wir wohl mitmachen. Beobachte gut, mein Schüler und vor allem höre auf deine Instinkte.“ „Die sagen mir, oh, ich mag es gar nicht aussprechen.“, erwiderte Tchian voller Furcht. „Sie sagen dir, dass Sytania hier involviert ist.“, brachte Diran seinen Satz zu Ende. „Aber wir müssen wissen, was genau sie damit zu tun hat, bevor wir weitere Schritte einleiten.“

„Da sieht man mal, wie weit es mit deiner Vaterliebe hin ist.“, lästerte Tolea über den Stein hinweg, der sich immer weiter in Richtung von Kairons Hälfte schob. „Ich dachte, um deinen Sohn meiner strengen Hand zu entziehen, würdest du dich etwas mehr anstrengen!“ „Du hast ja gar keine Ahnung, Schwester!“, erwiderte Kairon. „Ich mache mich ja erst warm!“ Tatsächlich gelang es ihm, den Stein auf die Linie zurückzuschieben. „Was sagst du jetzt?!“ „Pah!“, machte Tolea. „Das hast du ja nur geschafft, weil ich so großzügig war, dir eine Chance zu geben!“ „Das kannst du gegenüber Sterblichen behaupten!“, sagte Kairon mit Überzeugung. „Aber selbst die würden mit einem Erfasser feststellen, dass deine Konzentration nicht gewollt abgenommen hat. Auch eine Art auszudrücken, dass man bald nicht mehr kann, weil man sich am Anfang total übernommen hat. Was glaubst du, warum ich dich erst mal so weit herankommen lassen habe! Die Sterblichen haben ein interessantes Bild! Du kennst doch sicher auch die Geschichte vom Fuchs und den Trauben!“ „Interessant!“, meinte Tolea. „Aber du kennst doch dann hoffentlich auch das Sprichwort der Sterblichen, dass Hochmut vor dem Fall kommt!“

Stunden hatte jenes Duell jetzt schon gedauert und Tchian hatte im Geheimen seinen Erfasser gezogen. Damit hatte er festgestellt, dass sich bereits beide Mächtigen ziemlich verausgabt hatten. „Sie werden doch nicht etwa bis zum Tode kämpfen, Ausbilder.“, wendete er sich sorgenvoll an Diran. „Nur die Ruhe, mein Schüler.“, beruhigte dieser ihn. „Dazu ist jedem das eigene Leben viel zu lieb.“ „Hoffen wir das.“, erwiderte Tchian mit zitternder Stimme.

Plötzlich gab es einen seltsamen schwarzweißen Blitz und der Stein landete auf Kairons Seite des Quadrates. Der Blitz hatte auch den Erfasser derart in Mitleidenschaft gezogen, dass der entstandene Kurzschluss Tchian die Hand versengt hätte, wenn ihm sein Ausbilder das Gerät nicht in letzter Sekunde aus der Hand geschlagen hätte. „Was war das?“, fragte Tchian erschrocken. „Das weiß ich auch nicht genau.“, entgegnete Diran. „Aber zeig mir erst mal deine Hand. Hast du Schmerzen?“ Tchian verneinte und streckte seine Hand aus. Diran betrachtete sie lange und sagte dann: „Ist nur das Fell. Spätestens, wenn du heiratest, ist alles wieder gut.“ Er sah zu Boden auf die Trümmer des Erfassers: „Das Gerät kann niemand mehr gebrauchen.“ „Dabei würde es alles beweisen.“, sagte Tchian traurig. „Ich glaubte, ich hätte einen schwarzweißen Blitz gesehen.“

Tolea kam stolz auf sie zu. „Alles, was du gesehen hast, war mein Sieg, Vendar-Novize. Also darf ich auch meinen Neffen nach meinem Willen bestrafen. So war es vereinbart.“ Sie sah auf die andere Seite zu ihrem ohnmächtigen Bruder herüber. „Von ihm werde ich wohl keinen Einspruch zu erwarten haben. Diran, schaff ihn mir aus den Augen.“ „Wohin soll ich Euren Bruder bringen, Gebieterin?“, fragte Diran. „Ist mir gleich.“, sagte Tolea. „Ich habe jetzt erst mal Wichtigeres zu tun! Komm her, Clytus!“

Diran sah nicht, was mit Clytus geschah, denn eine Wolke aus schwarzem und weißem Licht umhüllte den Jungen aus dem Raum-Zeit-Kontinuum und machte eine Sicht auf ihn für den Vendar unmöglich. Dieser hatte aber immerhin bereits den armen bewusstlosen Kairon auf seine Schultern geladen und war mit ihm in Richtung seines Veshels unterwegs. Diran überlegte, ob er nicht flüchten sollte und den Dienst bei Tolea somit aufkündigen. Das inzwischen immer schlimmer werdende Verhalten seiner Gebieterin hatte ihn sehr an ihr zweifeln lassen. Erst mal würde er aber eine Weile herumfliegen. Vielleicht würde ihm ja dann etwas einfallen.

Maron hatte es als seine Pflicht angesehen, sofort nach erfolgreicher Flucht vor dem Phänomen die Krankenstation aufzusuchen und nach Zirell, Shimar und Nidell zu sehen. „Bericht, Ishan!“, forderte er von dem androiden Arzt, der gerade einige letzte Untersuchungen an seinen inzwischen erwachten Patienten vornahm. „Es geht allen den Umständen entsprechend wieder gut.“, erklärte der Androide nüchtern. „Du hast uns ja inzwischen außer Gefahr bringen können.“ „Das war ich nicht.“, lächelte Maron.

„Ishan, bitte lass ihn zu mir durch!“, hörte Ishan Zirell mit schwacher Stimme von einem der Biobetten her rufen. Der Androide deutete in die Richtung und dann auf den ersten Offizier, der sich sofort auf den Weg machte. „Ich bin hier, Zirell.“, sagte Maron tröstend und legte ihr die Hand auf die Stirn. „Sind wir wirklich außer Gefahr?“, erkundigte sich die besorgte Tindaranerin. „Das sind wir, Zirell!“, versicherte der Demetaner. „Wer, wer hat …“, stammelte sie. „Wer wohl?“, lächelte Maron. „Techniker Jenna McKnight. Ich weiß zwar nicht, was sie genau gemacht hat, aber plötzlich waren wir schneller als das Phänomen oder es war langsamer als wir. Wie man’s nimmt. Ich werde mich selbstverständlich noch genauer mit ihr darüber unterhalten und dir dann berichten. „Aber jetzt sollten du und die anderen Beiden erst mal schlafen. Nicht wahr, Ishan, das sollten sie doch.“ Der Arzt nickte. „Jenn’.“, lächelte Zirell. „Ich hätte es mir denken können.“ Dann schlief sie ein.

Huxley hatte auf der Terrasse gesessen und Caruso beim Stromern zugesehen. Ihm wahr bewusst, dass er sich als männliches Wesen eigentlich nicht hatte im Freien aufhalten dürfen, zumal dann nicht, wenn er nicht in weiblicher Begleitung war, denn Männer allein auf der Straße galten im genesianischen Recht als vogelfrei. Es gab sogar so genannte Männerfängerinnen, die solche Exemplare einsammelten und dann in Ausbildungslager steckten, wo sie zu anständigen genesianischen Ehemannanwärtern erzogen werden sollten. Davor hatte er aber keine Angst, weil er sich ja noch in den Grenzen eines Privatgrundstücks befand. Nur um Caruso hatte er Angst. Dem näherte sich nämlich gerade eine genesianische Kriegerin. Huxley konnte gut erkennen, dass sie noch jugendlich war. Wahrscheinlich würde sie gerade ihre erste Jagd absolvieren. Der Sternenflottenoffizier wusste, dass bei den Genesianern Tiere nur als Jagdbeute galten. So etwas wie Haustiere kannten sie nicht. Dennoch konnte er fast nicht glauben, was er jetzt sah. Arglos sprang Caruso von seinem Platz auf einem Pfeiler herunter und ging auf die Genesianerin zu. Von Zweibeinern hatte dem Kater sonst nie Gefahr gedroht. Deshalb strich er dem Mädchen auch arglos um die Beine. Er verstand ja nicht, was geschehen war. Ungerührt dessen zog dieses allerdings ihren Phaser und schoss. Caruso fiel tot vor ihr hin. Sie hatte ihn genau in die Brust getroffen. Jetzt rief sie eine andere Kriegerin her. „Die Götter müssen dich sehr lieben!“, sagte die brünette große Frau nur stolz zu dem Mädchen, bevor sie den toten Kater auf ihre Schulter hob. „Eine ziemlich kleine Beute, aber immerhin etwas. Das reicht für eine Vorspeise.“

Der Jugendlichen fiel das Halsband auf, das Caruso trug. „Nimm es ab und wirf es irgendwo hin.“, sagte die ältere Kriegerin. Das Mädchen tat dies und Huxley beobachtete, dass das Halsband ihm direkt vor die Füße fiel. Trotzdem wagte er nicht, sich zu bewegen, bis die Genesianerinnen verschwunden waren. Erst dann hob er mit zitternden Händen das Halsband auf. Er würde es Sedrin geben. Sicherlich würde sie einiges daraus lesen können. Wenn sie doch nur wieder zurück wäre!

Jagdszenen, so dachte zumindest Data, würde es auch auf dem Planeten Celsius bald geben, wenn Scotty sich nicht endlich beeilte, seinen Whisky auszutrinken. Die erste Electorine hatte der für Celsius zuständigen Prätora zwar einen Kompromiss abringen können, was die freie Beweglichkeit von Männern auf der Straße ohne weibliche Begleitung anging, aber auch diese Sperrstunde, so dachte der Androide, müsste man nicht unbedingt bis zu Ende ausreizen. Ständig hing Datas Blick an der Uhr in der Kneipe, in welcher sie sich jetzt befanden. Natürlich brauchte der Androide eigentlich keinen externen Zeitmesser, denn sein innerer Chronometer war auf die celsianische Zeit eingestellt, aber er wollte seinem Freund mit diesem Verhalten einen Wink mit dem Zaunpfahl geben. Diese Kneipe gehörte Ginalla. Sie war inzwischen sesshaft geworden und hatte das Öffnen des Etablissements damit begründet, dass ihr Aufenthalt auf Tindara sie dazu inspiriert hätte. Wer die Geschichte um Kibar, seine Bar und Ginalla nicht kannte, konnte sicher Böses dabei vermuten. Aber die Erinnerung an Tindara spiegelte sich auch in der Einrichtung der Bar wieder. Ginalla hatte die Anordnung der Sitzreihen und der Tische übernommen. Nur die Farbe war eher ein knalliges Orange geworden. Sie fand, dass dies besser zu ihrem eigenen Stil passte.

Immer noch nippte Scotty eher an seinem Glas, als das er es austrank. „Ich mache Sie darauf aufmerksam.“, begann Data sachlich und ruhig. „Dass wir nur noch 20 Minuten und acht Sekunden bis zur Sperrstunde haben. Danach sind wir Freiwild. Ich rate Ihnen also zum Austrinken.“ „Nur die Ruhe, alter Knabe.“, sagte Scotty mit seiner sonoren tiefen Stimme. „Das ist nicht dieses replizierte Zeug. Das ist ein echter Whisky. Den muss man genießen.“ „Dann genießen Sie bitte etwas eiliger.“, drängte Data und die Hälfte der Anwesenden bekam einen Lachanfall. Data mochte sich nicht ausmalen, was für eine Szene sich jetzt vielleicht in manchem Kopf abspielen würde. Aber im real existierenden Humorismus war es wohl auch für einen Androiden leicht, einen Witz zu machen. Das mit dem echten Whisky entsprach übrigens der Wahrheit und gehörte zu Ginallas Konzept. Sie warf jede volle Stunde eine so genannte „Real Round“, also eine echte Runde ein, in der es tatsächlich echte Alkoholika gab. Das war in Zeiten von Synthehol schon eine Rarität.

„Data hat Recht, Scotty!“, rief Ginalla vom Tresen herüber. „Sicher würde es mich freuen, wenn ihr meinen Umsatz noch etwas ankurbeln würdet. Aber das kann ich mit meinem Gewissen einfach nicht vereinbaren. Also geht lieber, oder meine Mädels setzen euch an die Luft. Is’ zu eurer eigenen Sicherheit. Ich weiß, ich war mal anders drauf. Aber die Ginalla ist tot! Hat ein gewisser Tindaraner auf dem Gewissen, das Biest. Die will ich nie wieder werden. War ja 'ne halbe Ferengi. Buuuaaaaa!“ Sie schüttelte sich. „Heißt wohl, dass du dem gewissen Tindaraner sehr dankbar bist, Gin’.“, sagte Scotty. „Oh, ja.“, sagte Ginalla mit einem genießerischen Blick. „Und jetzt lenk nicht weiter ab, sondern trink aus. Sonst! Ladies!“

Hinter dem Tresen kamen drei muskulöse genesianische Kriegerinnen hervor, die Ginalla als Sicherheitsleute eingestellt haben musste. „Ich trink’ ja schon!“, sagte Scotty beunruhigt und stürzte seinen Drink herunter. Schade drum., dachte er.

Sie standen auf und gingen in Richtung Tür. „Na geht doch.“, meinte Ginalla, die ihnen beim Rausgehen nach sah. „Medea, du gehst mit, damit sie es sich nicht noch mal überlegen!“ Die mittlere und größte der drei Genesianerinnen nickte und verließ ebenfalls den Gastraum. Sie schlich hinter Scotty und Data her, bis diese die Kneipe verlassen hatten. Dann kehrte die Frau mit den kurzen roten Haaren, der etwas Furcht einflößenden Statur und der lederartigen typischen Kleidung selbst zurück.

Dunkel war es geworden. Dieser Umstand war zwar in der Nacht normal, dennoch hatte Scotty in dieser Nacht ein merkwürdiges Gefühl. Sein Innerstes schien schon zu ahnen, was auf ihn zukommen sollte. „Es ist bereits zwei Minuten nach Mitternacht.“, bemerkte Data. „Wir hätten längst in unserer Unterkunft sein müssen.“ „Na nun mal langsam, alter Knabe.“, versuchte Scotty, ihn zu beruhigen. „So genau werden es die Genesianer schon nicht nehmen.“

Dass Scotty sich da gründlich geirrt hatte, wurde bald deutlich, denn aus einer Seitenstraße stürmten plötzlich einige Genesianerinnen heran. Alle waren bewaffnet und trugen auf ihrer Kleidung ein Symbol, das wie ein Hundehalsband aussah. „Männerfängerinnen.“, erklärte Data sachlich. „Ich habe es Ihnen gesagt. Jetzt sollten wir uns verstecken.“ „Na dann los, alter Knabe.“, sagte Scotty und versuchte zu rennen. Da er aber durch das schnelle Herunterstürzen seines Whiskys und die damit einhergehende Wechselwirkung mit dem Sauerstoff der frischen Luft schon ziemlich betrunken war, gelang ihm das nicht.

Wortlos lud Data seinen Freund auf seinen Rücken und schaffte ihn in einen Hauseingang, wo er ihn hinter einer Reihe von Blumentöpfen platzierte. „Sie bleiben hier.“, schärfte er ihm ein. „Nicht bewegen und keinen Laut. Ich hoffe, die Genesianerinnen mit meiner eigenen Anwesenheit ablenken zu können. Mich werden sie nicht fangen können, da ich, wenn ich will, schneller als jedes bekannte biologische Wesen laufen kann und auch bessere Reflexe im Kampf besitze. Haben Sie verstanden?“ „Ja, ja.“, sagte Scotty. „Sie powern die Ladies aus und ich mache ein Schläfchen.“ „In der Kurzfassung kommt das hin.“, sagte Data und verließ ihn.

In der Altstadt der celsianischen Hauptstadt gab es viele kleine Gässchen und verwinkelte Straßen, in die Data die Männerfängerinnen jetzt zu führen beabsichtigte. Der Androide hoffte, sie würden sich in diesem Labyrinth verlaufen und dann, wenn sie nicht mehr ein noch aus wüssten, erst mal eine Weile brauchen, bis sie ihre Orientierung wieder gefunden hatten. Er schlug zwischen den Häuserreihen diverse Haken und vollführte fast schon Tänze. Jetzt kommt mir der Tanzunterricht bei Ihnen extrem zu Pass, Doktor., dachte Data in Erinnerung an die Tanzstunden bei Dr. Crusher auf der Enterprise.

Er sah sich um, aber von den Genesianerinnen war nichts zu sehen. Was war passiert? Hatten sie seinen und Scottys Plan durchschaut? Das konnte doch eigentlich nicht sein, denn die Männerfängerinnen, von denen Data gehört hatte, konnten im Allgemeinen nur sehr wenig Englisch und hatten die sehr von Umgangssprache gefärbten Sätze wahrscheinlich gar nicht verstanden. Data kam aber noch eine weitere Variante in den Sinn, an die er beim Fassen dieses Plans gar nicht gedacht hatte. Die Genesianer hatten ja eine völlig andere Rechtsprechung als die Föderation! In der Rechtsprechung der Föderation galten Androiden als Lebensformen. Also galt Data auch dort als männliche Lebensform, was ihn ja erst auf diese Idee gebracht hatte. Aber für die Genesianer waren Androiden, seien sie nun weiblich oder männlich, vielleicht nur Maschinen oder eben Gegenstände. Deshalb ignorierten sie sein Ablenkungsmanöver wohl auch! Warum hatte er dies nicht bedacht?! Er setzte sich in aller Ruhe auf einen Stein an der Straße und begann eine Selbstdiagnose.

Die Männerfängerinnen waren inzwischen bei Scotty angekommen und eine steckte einen merkwürdig wie ein Teller aussehenden Aufsatz auf ihre Waffe. Darauf steckte sie wiederum eine Art Sonde. Dann zielte sie und feuerte. Die Sonde, welche offensichtlich durch den Phaser Energie erhalten hatte, flog auf Scotty zu und bohrte sich in seine Schulter, wo sie einen Energiestoß abgab, der den Terraner bewusstlos werden ließ. Dann stellten sich alle um die Schützin herum und betrachteten ihren Fang. „Biologisch kompatibel ist er mit keiner von uns.“, meinte eine und eine Andere sagte: „Na ja. Vielleicht kann er wenigstens arbeiten. Lassen wir Prätora Yanista entscheiden. Wenn sie findet, dass er zu nichts von beidem taugt, können wir ihn ja immer noch töten.“ Dann zog die Schützin ein Sprechgerät und gab den Befehl zum Beamen, wonach alle in immer durchsichtiger werdenden Säulen verschwanden.

Die schwarzweiße Lichtwolke, die Clytus eingehüllt hatte, senkte sich über einem Klasse-M-Planeten im genesianischen Sonnensystem vorsichtig hernieder und gab ihn frei. Der Junge sah sich um und entdeckte in der Ferne einen kleinen Bach. Ein Gefühl von Durst überkam ihn, aber er fühlte auch etwas, als hätte ihm jemand seine Fähigkeiten genommen, schob dies aber dann auf die Benommenheit, die er fühlte.

Er stand auf, denn er war im Liegen auf dem Planeten gelandet und ging zum Bach. Hier hockte Clytus sich ans Ufer und betrachtete das kristallklare Wasser. Allerdings fiel ihm dabei auch sein eigenes Spiegelbild ins Auge. Aber nein! Das konnte doch nicht er sein! Clytus sah in das Antlitz eines genesianischen Jungen! Immer noch ungläubig der Situation gegenüber, in der ihn seine Tante hinterlassen hatte, versuchte er, sich von dem Planeten zu teleportieren. Er stellte sich mit geschlossenen Augen sein Zuhause vor und schnippte mit den Fingern, aber nichts geschah! War das denn wirklich wahr geworden? Hatte seine Tante ihn in einen Sterblichen verwandelt und noch dazu in einen Genesianer? Clytus schlug sein Herz bis zum Hals. Er wusste, dass er auf lange Sicht so nicht zurechtkommen würde. Bald würde ein Schiff mit Männerfängerinnen auftauchen. Die würden ihn dann mitnehmen und er müsste zum genesianischen Ehemannanwärter ausgebildet werden und dann irgendeine Genesianerin heiraten, die ihn sich hoffentlich aussuchen würde. Dabei wollte er doch nur die Eine!

Das Gefühl von Durst, das er verspürt hatte, wurde immer schlimmer, aber er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern wie man trank oder gar aß. Das musste auch ein Teil von Toleas Strafe sein. Würde sie denn wirklich wollen, dass er hier stürbe? Da war der Aufenthalt in einem genesianischen Gefängnis schon besser. Hier würde man ihn im Notfall zwangsernähren. Vielleicht würde ihm dann ja auch alles wieder einfallen. Er wusste nicht, ob er so ein Schiff herbeisehnen oder sich wünschen sollte, dass er nie entdeckt würde.

Die Männerfängerinnen hatten Scotty in die Zelle der Canara, des Schiffes der Vetash, gebracht. Hier hatte sich Prätora Yanista nun den Fang angesehen. „Was soll ich mit einem Terraner?!“, fragte sie. „Er ist als Ehemannanwärter nicht zu gebrauchen und er ist schon etwas älter, wie mir scheint.“ „Aber er sieht aus, als könnte er in den Kristallminen noch gute Dienste leisten, Mutter.“, mischte sich jetzt auch Minerva ein, die ihre Mutter begleitet hatte. Seit Yanista selbst den Unterricht für ihre Tochter übernommen hatte, hatte die Erbprätora auch einen besseren Einblick in manche Dinge, so empfand es zumindest Yanista selbst.

Die Clanführerin ging näher und befühlte Scottys Arme. „Nun, dein Blick hat dich nicht getäuscht, Kind.“, sagte sie mit einem lobenden Gesichtsausdruck zu Minerva. „Wenn du beim Aussuchen deiner Ehemänner später auch einen so guten Blick beweist, sehe ich eine rosige Zukunft für unseren Clan. Gesunde Ehemänner zeugen gesunde Töchter. Von mir aus dürfen auch ein oder zwei Söhne dabei sein, die du dann großzügigerweise anderen Jungkriegerinnen zum Heiraten abtreten kannst. Aber du beweist jetzt schon einen ziemlichen Weitblick.“ „Danke, Mutter.“, bedankte sich Minerva. „Also, werden wir ihn in die Kristallminen bringen?“ „Sicher werden wir das.“, antwortete Yanista und betätigte eine Sprechanlage: „Hera, setze Kurs auf Nura vier! Warp acht!“ Die angesprochene Raumschiffpilotin erwiderte: „Ja, Prätora.“, und führte den Befehl aus.

Kapitel 7 - Auf dem Weg zur Wahrheit

von Visitor

 

Von jenen schicksalhaften Wendungen ahnten Tchey und ich nichts. Wie abgesprochen hatte ich mich mit Lycira auf den Weg zu dem Treffpunkt über dem Strand gemacht. Hier drehten wir jetzt in einer Umlaufbahn um einen emmaginären Fixpunkt Warteschleifen und warteten auf Tchey. Mikel findet mich knautschig., fragte mich Lycira. Was meint er damit? „Er mag dich.“, erklärte ich, die ich meine Gedanken auch oft laut aussprach, wenn ich mit ihr kommunizierte. Das war eine Angewohnheit, die ich wohl nie ablegen würde. Wahrscheinlich hing dies damit zusammen, dass wir Sternenflottenoffiziere an sich mit Schiffscomputern nur über das Mikrofon kommunizierten. Ob ich nun einen Neurokoppler benutzte oder nicht, war da egal. Mit IDUSA hatte ich es nicht viel anders gemacht. Lycira schien dafür Verständnis zu haben.

Ich sehe ein Shuttle mit zeitländischem Transpondersignal., gab mir Lycira wenig später zu verstehen. „Ruf es!“, befahl ich in Gedanken und verbal, da ich mir denken konnte, wer in diesem Shuttle saß. Du kannst sprechen., machte mir Lycira klar, dass die Verbindung stand. „Hi, Tchey!“, lächelte ich. „Hi, Betsy.“, gab sie zurück. „Woher weißt du, dass ich es bin?“ „Blöde Frage.“, erwiderte ich. „Wer sonst sollte sich mir denn wohl jetzt mit einem zivilen zeitländischen Shuttle nähern?“ „Na ja.“, meinte Tchey. „Vielleicht sind ja auch ein paar Zeittländer neugierig auf deinen gestreiften Kürbis. Oh, sorry, Lycia.“ „Sie heißt Lycira.“, verbesserte ich. „Und den gestreiften Kürbis würde ich an deiner Stelle zurücknehmen. Sie hat nämlich Waffen.“ „Oh, entschuldige bitte vielmals, Lycira.“, sagte Tchey. „Ich kann jetzt bloß keinen Kniefall machen, weil ich sonst die Steuerkontrolle über mein Schiff verliere. Die Zeitländer haben mir ein ziemlich altes Modell gegeben. Sie hat noch nicht mal einen interdimensionalen Antrieb. Aber Warp zehn kann sie zumindest. Dabei steht in meiner Fluglizenz eindeutig, dass ich mit so was umgehen kann. Gott, wie gründlich lesen diese Zeitländer eigentlich Lizenzen?“ „Hör mal, Tchey.“, sagte ich deutlich und langsam. „Wenn du wirklich eine so gute Fliegerin bist wie du behauptest, dann kannst du doch sicher auch Interdimensionsflug auf die Klassische. Ich meine, man geht auf exakt Warp 9,99 und ändert dann, wenn das Schiff quasi überall und nirgendwo ist, einfach den Kurs in eine Richtung. Im Prinzip macht ein Interdimensionsfeld nichts Anderes. Nur das kann es schneller und du programmierst die dimensionären Koordinaten vorher.“ „OK.“, sagte Tchey mürrisch. „Aber Lycira und du solltet vor fliegen, damit ihr mir ein Signal hinterlassen könnt. Ich habe das lange nicht mehr gemacht und befürchte, dass ich in der falschen Dimension landen könnte.“ „Na gut.“, sagte ich zu ihr. „Wenn du dir in die Hose machst.“ Und zu Lycira: „Komm, Lycira. Zeigen wir ihr, wo es lang geht.“

Dass dieses Manöver Tchey solches Kopfzerbrechen bereitete, wunderte mich sehr. Aber auf der anderen Seite konnte ich mir auch denken, dass sie durch den interdimensionalen Antrieb der Present in ihrer Zeit auf der Scientiffica sehr verwöhnt worden war. Ich hatte ihr dabei einiges voraus! Die Granger hatte bis vor kurzem keinen Interdimensionsantrieb. Also hatte ich noch Übung darin, auf die klassische Art eine Dimension zu wechseln. Soll ich meinen Interdimensionsantrieb benutzen, Betsy?, fragte Lycira. „Nein.“, gab ich zurück. „Als ich sagte, wir würden ihr zeigen, wo es lang geht, meinte ich das durchaus wörtlich.“ Wie du meinst., erwiderte Lyciras schmeichelnde telepathische Stimme. Dann beschleunigte sie auf Warp 9,99 und ich setzte jenen Kurs per Gedankenbefehl, den man uns allen bereits auf der Akademie auswendig lernen lassen hatte.

„Verbinde mich mit Tchey!“, befahl ich meinem Schiff nach der Ankunft. Lycira tat dies und ich bemerkte, dass sie dazu aber nicht den interdimensionalen Weg gegangen war. Das musste bedeuten, Tchey musste sich ebenfalls schon in unserem Universum befinden. „Danke für deine Rücksichtnahme.“, lächelte sie mir zu. „Kein Problem.“, gab ich zurück. „Aber jetzt verrate mir doch bitte mal, seit wann Tchey Neran Angst vor Flugmanövern hat. Wo ist denn deine Abenteuerlust, he?“ „Hör mal.“, gab Tchey zurück. „Ich mag Tom Paris manchmal nacheifern, aber in einem sind wir Grund verschieden. Er hat Dinge getan, obwohl er die Konsequenzen nicht bedacht hat. Zumindest manchmal. Edwins konnte sich deshalb so auf mich verlassen, weil ich meine Kenntnisse und somit auch das Risiko immer gut einschätzen konnte und jetzt genau wusste, dass auch ich mal Hilfe brauchen würde bei einer Sache, die ich lange nicht gemacht habe. Die Scientiffica ist lange her und wann fliegt man mit dem Rettungsshuttle schon mal in eine andere Dimension und wenn ja, dann hat selbst dieses heute schon einen Interdimensionsantrieb. Aber du hast Recht. Ich sollte, für den Fall, dass der mal ausfällt, vielleicht einen Kurs belegen. Sekunde!“ Ihr war etwas aufgefallen. „Warum rechtfertige ich mich eigentlich. Dein Spott war doch sicher nur die Retourkutsche für den gestreiften Kürbis. Oder?“ „Genau.“, sagte ich. „Uff.“, machte Tchey. „Und ich dachte schon. Das mit dem Kurs meinte ich übrigens ernst. Willst du meine Kursleiterin sein?“ „Na, ich glaube, das machst du lieber in einer amtlichen Flugschule.“, antwortete ich. „Dann hat auch alles seine Richtigkeit für die Behörden.“ „Also gut, Miss Vorschrift.“, lachte Tchey. Oh, Gott., dachte ich. Ich verhalte mich ja wirklich wie Harry Kim. Wer ist Harry Kim?, wollte Lycira wissen. Und sag Tchey bitte, ich nehme ihr den gestreiften Kürbis nicht übel. Ich finde es eher süß, dass sie mich so bezeichnet hat. Nur wenn schon, dann möchte ich bitte als gestreifter Rennkürbis bezeichnet werden. So viel Zeit muss sein.

Ich bekam einen fürchterlichen Lachkrampf. Mit Lyciras Reaktion hatte ich nicht gerechnet. „Was ist los bei dir da drüben?“, sagte Tchey. „Nichts.“, lachte ich. „Ni-hi-hi-hi-chts.“ Ich räusperte mich. „Also, wo ist nun die coole Stelle, von der du geredet hast.“ „Kooomm, Miez-Miez-Miez!“, machte Tchey und düste mit ihrem Shuttle voran. Lycira und ich zockelten gemütlich hinterher, obwohl wir sie bei Warp drei leicht hätten überholen können. Aber sie musste ja Zeit haben, oder es war Absicht, um das Beste noch weiter herauszuzögern, damit es noch besser würde.

Sedrin, Cupernica und Novus hatten das inzwischen wieder auf dem Raumflughafen in Washington gelandete Shuttle verlassen und waren auf dem Weg zum Parkplatz. Hier stand der Jeep genau so, wie sie ihn nach der Anfahrt verlassen hatten. „Offensichtlich sind wir auch in dieser Version der Geschichte hier her gefahren und haben Ihren Sohn abgeholt, Scientist.“, bemerkte die demetanische Agentin. „Bestätigt.“, antwortete die androide Medizinerin, während sie alles noch einmal überprüfte. Cupernica war der Meinung, dass man nie vorsichtig genug sein konnte. Wer wusste schon, was die Zeitlinie mit dem Jeep oder der umgebenden Situation angestellt hatte?

Sie verstauten die Koffer und dann ging es los. Novus zählte die am Fenster vorbeigehenden Personen und sortierte sie in seinem positronischen Gehirn nach Männern und Frauen. „Offensichtlich sind um diese Zeit mehr Frauen als Männer auf der Straße.“, stellte der Androidenjunge fest, ohne genauer auf Zahlen einzugehen. Er konnte sich denken, dass diese sein Gegenüber doch eher langweilen würden. Seine Mutter würde nichts dagegen haben, aber er wollte vor allem Rücksicht auf Sedrin nehmen. „Welchen Schluss ziehst du aus deiner Feststellung, Novus?“, fragte Cupernica. „Ich ziehe den Schluss, dass vielleicht die Genesianer das Gebiet der Föderation erobert haben könnten.“, schlussfolgerte Novus. „Zumal ich, wenn ich Männer sehe, bemerke, dass sie mindestens zehn Schritte hinter den Frauen gehen, mit denen sie unterwegs sind. Außerdem tragen sie alle ein breites ledernes Band mit Clansymbolen und einem Schloss um den Hals und sie sprechen nicht. Die einzigen Lippenbewegungen, die ich wahrnehme, sind die der Frauen.“ „Das würde auch zu den Transponderwerten passen.“, mischte sich Sedrin in das Gespräch der Androiden. „Dann würde ich Commander Huxley schnell nach genesianischem Ritus heiraten, wenn ich Sie wäre, Agent.“, schlug Cupernica vor. „Wer weiß, ob ich das überhaupt noch muss.“, entgegnete die Demetanerin. „Wer weiß, was die Zeitlinie mit der Ehe von Jaden und mir gemacht hat. Immerhin war er nicht zeitlich isoliert, als die Geschichte verändert wurde.“ „Sie könnten Recht haben.“, sagte Cupernica. „Vielleicht fragen Sie ihn einfach, nach welchem Ritus Sie geheiratet haben. Ansonsten würde ich wie gesagt sofort eine Heirat nach genesianischem Ritus empfehlen, damit Ihre Ehe nach dem Recht der momentan Herrschenden gültig ist. Ist dies nicht der Fall, würde Commander Huxley prinzipiell als Freiwild gelten und könnte Ihnen von jeder beliebigen Genesianerin weggeschnappt werden. Einen Anspruch auf ihn hätten Sie in deren Augen dann nicht.“ „Ich weiß.“, sagte Sedrin und versuchte dabei ähnlich sachlich zu klingen wie Cupernica, was ihr aber nicht wirklich gelang. „Ich könnte auch Ihnen beratend zur Seite stehen, damit Sie sich mit der veränderten Zeitlinie arrangieren können.“, bot die Androidin an. Am abweichenden Frequenzschema von Sedrins Stimme hatte sie durchaus gemerkt, dass auch mit der sonst so patenten Agentin etwas nicht stimmte. „Sie haben gerade über meinen Mann geredet, als sei er ein Wesen zweiter Klasse, Cupernica!“, entrüstete sich Sedrin. „Viel anders wird er in den Augen der Genesianerinnen auch nicht behandelt.“, erklärte die Androidin. „Gut, vielleicht sieht man ihn als Lebewesen, aber als ein solches ohne Rechte. Er hat nicht mehr Rechte als das Bakterium zwischen Ihren Zähnen. Jedes Tier wird bei den Genesianern besser behandelt als ein Mann. In den Augen der Genesianerinnen taugen Männer nur zu zwei Dingen. Das Zeugen von Nachwuchs und die körperliche Arbeit.“ Sedrin lauschte dem Vortrag sehr genau. Sie hing förmlich an Cupernicas Lippen, was die Androidin in Erstaunen versetzte. „Meinen Daten zu Folge, müssten Sie das doch selbst alles wissen, Agent.“, sagte sie mit leicht verwirrtem Tonfall, der den Datenkonflikt in ihren Systemen ausdrücken sollte. „Wie ich sind Sie auch ausgebildete Sternenflottenoffizierin.“ „Das stimmt.“, bestätigte Sedrin. „Aber ich bin auch ein Wesen, das im Gegensatz zu Ihnen Gefühle hat. Ich kann lieben und ich liebe Jaden und es tut mir weh, wenn ich daran denke, was ihm in der Zwischenzeit passiert sein könnte.“ „Dann kann ich Ihnen nur möglichst schnell zu einer genesianischen Hochzeit raten.“, wiederholte Cupernica. „Das ist die einzige Möglichkeit für Sie, Huxley dem Zugriff einer rohen Genesianerin zu entziehen. Gut, auf der Straße werden Sie ihn entsprechend behandeln müssen, aber was Sie hinter ihrer Haustür machen, das geht niemanden etwas an.“ „Danke, Cupernica.“, atmete Sedrin auf. „Sie hätten Anwältin werden sollen.“

Sie bogen in die Straße ein, in der die Häuser der Huxleys und Datas und Cupernicas nebeneinander standen. Schon von fern sah Sedrin, Dass etwas nicht stimmte. Huxley hatte sonst noch nie so versteinert auf der Terrasse gesessen! Außerdem konnte sie nur einen glänzenden Gegenstand wahrnehmen, den er in der Hand hielt. „Halten Sie an, Cupernica!“, insistierte sie. „Halten Sie sofort an!“

Kaum hatte die Androidin den Jeep gestoppt, sprang Sedrin heraus und rannte über die stark befahrene Straße zu ihrem Haus hinüber. Dort angekommen schloss sie den schweißnassen Huxley, der am ganzen Körper zitterte, in die Arme. Es war ihr egal, dass dies unter Umständen auf eventuelle genesianische Nachbarn keinen guten Eindruck machte. Und wenn zehn Genesianerinnen sahen, dass sie zärtlich zu ihrem Mann war! Das interessierte sie jetzt nicht!

Sie zog Huxley mit sich ins Haus und platzierte ihn auf der Couch. Dann setzte sie sich neben ihn. „Was ist passiert, Jineron?“, fragte sie. Wortlos zeigte Huxley auf das Halsband. „Das gehört doch Caruso.“, stellte Sedrin fest. „Warum hast du es? Rede mit mir, Jineron Terraneron, was ist passiert?!“

Jaden gab plötzlich einen Laut von sich, bei dem sich Sedrin alles zusammenzog. „Oh, Jinya!“, stieß er hervor. „Er ist tot! Die Genesianerinnen! Ich habe alles gesehen! Sicher wird der arme Kater gerade über einem Lagerfeuer gegrillt. Ich konnt’s nicht verhindern! Oh, ich konnt’s nicht verhindern! Ich durfte ja nicht …“

Sie zog seinen Kopf an ihre Brust. „Natürlich nicht.“, sagte sie. „Sie hätten dich auch nicht angehört. Wahrscheinlich hätten sie dich noch bestraft, weil du in Gegenwart von Frauen unaufgefordert das Wort erhoben hättest. Aber verhindern hättest du es wirklich nicht können. Für die Genesianer war Caruso eben nur eine Jagdbeute.“

Sie betrachtete das Halsband, das er ihr inzwischen gegeben hatte. „Aber wie ich das sehe, hat er zumindest nicht leiden müssen. Der Verteilung der Blutstropfen nach war es ein glatter Blattschuss.“ „Das habe ich auch gesehen.“, bestätigte Huxley das Ergebnis der erfahrenen Ermittlerin. „Ich werde Cupernica Bescheid sagen.“, sagte Sedrin. „Und wenn es dich irgendwie tröstet, wir werden alles tun, um die Zeitlinie zu korrigieren, wenn ich mich erst einmal selbst zurechtgefunden habe. Wir müssen beweisen, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.“ Jaden nickte.

Scotty kam auf einem Strohlager zu Bewusstsein. Er stellte fest, dass er sich in einem Haus oder zumindest in einem Raum befinden musste. Antriebsgeräusche waren keine zu vernehmen. Auf einem Schiff konnte er also nicht sein und auch nicht auf einer Raumstation, denn auch hierfür fehlten die eindeutigen Geräusche.

Er tastete um sich herum und stellte fest, dass der Boden, auf dem er lag, sehr kalt war und offensichtlich aus kaltem Stein bestand. Außerdem war es sehr dunkel. Er versuchte sich zu erinnern, was vor seiner Bewusstlosigkeit geschehen war, um sich irgendwie eine örtliche Orientierung zu verschaffen. An der Tatsache, dass beide seiner Hemdsärmel hochgeschoben waren, konnte er sehen, dass ihn jemand körperlich untersucht haben musste. „Sieh an, sieh an.“, flüsterte er. „Da is’ mir doch glatt jemand an die Wäsche gegangen. Wo bin ich bloß?“

Er richtete sich auf und ging an der Wand entlang. Dies hatte er von mir gelernt. Ich hatte ihm beigebracht, sich auch ohne Augenlicht im Dunkeln zurechtzufinden. Damals, als er mich darum gebeten hatte, ahnten aber weder er noch ich, wozu es einmal notwendig sein würde.

Er kam zu einem Stück der Wand, das sich eindeutig von ihrem Rest unterschied. Es musste so hoch wie der Raum selbst sein, aber es war nur so breit wie eine Tür und schien aus einer Art Metall zu bestehen. Scotty erinnerte es an das Material, aus dem Türen auf Raumstationen oder Raumschiffen bestehen. „Also.“, sagte Scotty zu sich. „Eine moderne Tür und Felswände. Was kann das bedeuten? Denk nach, Scotty! Denk nach! Na ja. Wahrscheinlich weiß ich jetzt schon mehr als manch anderer Gefangener. Oh, meine Bets’. Diese Kenntnisse habe ich nur dir zu verdanken. Wenn du bloß hier wärst. Du hättest sicher im Handumdrehen raus, was das hier für’n dunkles Loch is’.“

Scotty hörte ein Geräusch, das ihn an den Antrieb einer Tür erinnerte und wich instinktiv zurück. Tatsächlich öffnete sich die Tür und jemand gab einen Befehl auf Genesianisch, auf den hin das Licht eingeschaltet wurde. Noch immer war Scotty irritiert. Was er gerade gehört hatte, konnte ebenso gut Klingonisch gewesen sein. Die beiden Sprachen ähnelten sich in ihrer Klangstruktur sehr. Die Frau, die jene für Scotty unverständlichen Worte benutzt hatte, konnte er immer noch nicht sehen, da sich seine Augen erst an die neue Situation gewöhnen mussten. Schließlich hatte der blendende Effekt aufgehört und er sah in das Gesicht einer älteren Genesianerin. Jetzt war er sicher, dass er soeben Genesianisch gehört hatte. Du bist am Arsch, mein Lieber!, dachte er.

Im nächsten Moment überkam ihn ein Schwächeanfall. Die Genesianerin fing ihn auf und brachte ihn auf das Strohlager zurück, wo sie ihn sanft ablegte. Dies verwirrte Scotty noch mehr. Warum ging sie so vorsichtig mit ihm um? Er hatte erwartet, dass sie ihn mit einem Fußtritt dort hin beförderte oder so. Er wollte etwas sagen, besann sich aber dann doch auf die Tatsache, dass Männer in Gegenwart von Frauen bei den Genesianern ja nur dann sprechen dürfen, wenn sie dazu aufgefordert werden. Reiß dich zusammen!, ermahnte er sich in Gedanken. Verspiel die guten Karten, die du offensichtlich bei ihr hast, nicht gleich wieder. Wenn du überleben willst, ist es klüger, dass du dich anpasst.

„Ich erlaube dir zu sprechen.“ Diesen englischen und noch dazu fehlerfreien Satz hatte Scotty von der Genesianerin jetzt nicht erwartet. Er sah die Alte an. Sie war groß, trotz ihres Alters noch immer sehr stark und hatte ein etwas runzeliges Gesicht, um das lange rote Haare frisiert waren, aus denen ab und zu schon etwas grau blitzte. Ihre fast großmütterlich anmutende Stimme wiederholte den Satz. „Wo bin ich?“, fragte Scotty. „Du befindest dich im Zellentrakt des Gefangenenlagers von Nura vier.“, antwortete die Alte. „Ich bin Amidala. Ich bin die oberste Wärterin hier.“ „Techniker Montgomery Scott.“, stellte sich Scotty vor und war noch immer über ihre Freundlichkeit verwundert. „Dein Sternenflottenrang wird dir hier nichts nützen, Terraner.“, lächelte Amidala. „Sorry.“, entschuldigte sich Scotty. „Bin es so gewohnt. Aber würde es Ihnen etwas ausmachen, mich Scotty zu nennen?“ „Nein.“, sagte Amidala noch immer sehr freundlich. Scotty sah sie immer noch verwirrt an. Er hatte einen wesentlich härteren Ton gegenüber sich erwartet. Jetzt hatte er auch noch um etwas gebeten! Eigentlich hatte er dazu doch sicher kein Recht. Er verstand die Welt nicht mehr, was sich auch bald im Ausdruck seines Gesichtes niederschlug.

Amidala streckte ihre etwas raue Hand aus und strich ihm den Bart zurecht. „Du musst verwirrt sein, Scotty.“, setzte sie voraus. „Sonst würdest du sicher nicht so ungläubig schauen. Du hast immer noch die Erlaubnis zum Sprechen.“ „Warum bist du so freundlich zu mir, Amidala?“, traute sich Scotty dann doch zu fragen. „Weil ich nicht finde, dass ihr Männer für die Fehler derjenigen bestraft werden solltet, die euch erschaffen hat.“, antwortete die Genesianerin. „Natürlich seid ihr ein Fehler der Schöpfung und natürlich habt ihr eine mindere Intelligenz im Gegensatz zu uns Frauen. Aber dafür könnt ihr ja nichts. Dass so etwas wie ihr dabei herauskommen musste, als die Wächterin von Gore, die eigentlich für das Tote zuständig ist, versucht hat, ein Leben zu erschaffen, ist nur logisch. Aber das bedeutet meiner Auffassung unseres Glaubens nach nur, dass wir für euch verantwortlich sind und nicht, dass wir euch wie Dreck behandeln dürfen. Wir müssen euch an die Hand nehmen und uns um euch kümmern. So interpretiert übrigens auch Shashana die alten Schriften. Sie stößt damit zwar auf wenig Gegenliebe, aber ein paar Anhängerinnen hat sie schon. Eine Reform war nie leicht, aber die Shashanistinnen in unseren Reihen werden von Tag zu Tag mehr.“ „Shashanistinnen.“, murmelte Scotty. „Das muss ich mir merken.“ „Nach außen hin.“, sagte Amidala. „Werde ich nicht zeigen dürfen, dass hier einiges etwas anders läuft. Wenn eine fremde Patrouille kommt, werden meine Untergebenen und ich euch genau so herumschubsen müssen wie in anderen Lagern auch. Aber, wenn …“ „Habe verstanden.“, sagte Scotty. „Deine Kolleginnen sind also auch alle samt …“ „Ja, sie sind alle samt Shashanistinnen.“, erklärte Amidala stolz. „Du hast eine sehr rasche Auffassungsgabe für einen Mann.“ Dann drehte sie sich um und ging, nachdem sie das Licht per Stimmbefehl wieder ausgeschaltet hatte.

Scotty legte sich wieder hin. Immer noch dröhnte ihm der Kopf! Die Sonde, die ihn schlafen geschickt hatte, musste ein ziemliches Chaos in seinem Innenohr hinterlassen haben. Er war heilfroh, dass man sie entfernt zu haben schien. „Na ja.“, flüsterte er. „Ich werde schon das Beste aus dieser Situation machen. Ich frage mich nur, ob mein Rücken das Schlafen auf diesem kalten Boden lange mitmacht. Aber eine Pritsche kriegen wohl nur weibliche Gefangene. Ich hab’s kapiert.“

Stunden lang hatte Data auf dem Stein gesessen. Er ging immer und immer wieder den Plan durch, konnte aber die Stelle nicht finden, an der er einen Fehler gemacht hatte. Normalerweise hätte er doch alle Daten berücksichtigen müssen. Warum war ihm das mit der genesianischen Rechtsprechung erst eingefallen, als es zu spät für Scotty war?! Einen Fehler in der Organisation seiner Datenbank konnte er ausschließen. Aber wenn seine Funktionen OK waren, warum war dann passiert, was passiert war?

Jenes braungraue herzförmige Augenpaar, das die gesamte Situation beobachtet hatte, hatte der Androide nicht bemerkt. Auch als dessen Besitzerin sich langsam zu ihm schlich und sich stumm neben ihn setzte, reagierte er nicht. „Ach, Data.“, sagte sie und legte ihren linken Arm um ihn. „Jeder macht mal Fehler. Auch Sie.“ „Ginalla?“, identifizierte Data die Person neben sich. „Jawoll.“, sagte sie ruhig. „Ich bin’s.“ „Sie irren sich.“, wehrte sich Data immer noch gegen das Offensichtliche. „Dieser Fehler hätte nicht auftreten dürfen. Ich kann mir nicht erklären, wie es dazu gekommen ist. Meine Datenbank funktioniert normal.“ „Das glaube ich gern.“, lächelte Ginalla. „Nur haben Sie 'ne Menge Daten zu verarbeiten. Wenn dann mal der eine oder andere Datensatz nach unten rutscht und nicht gleich zur Verfügung steht, ist das kein Beinbruch. Sie wollten doch immer so menschlich wie möglich sein. Das ist ein Teil davon. Hat es solche Situationen denn sonst noch nie in Ihrem Leben gegeben?“ „Doch.“, erinnerte sich Data. „Ich verlor ein Spiel gegen ein Wesen aus Fleisch und Blut, bei dem ich eigentlich hätte gewinnen müssen, weil ich Rechenoperationen …“ „Seh’n S’e?!“, unterbrach ihn Ginalla fast begeistert. „Und das Leben ist trotzdem weitergegangen. Aber die gute Ginalla weiß, was wir jetzt machen. Kommen S’e mit mich mit. Wir geh’n jetz’ in mein Haus und dann werde ich dafür sorgen, dass S’e nach Terra in Sicherheit kommen. Dann such’ ich Scottys und Ihre Ehefrauen und dann wird geplant. Die Sternenflottis finden bestimmt 'ne Lösung. Cupernica und Betsy habe ich ja auf der Hochzeit von den beiden Miray kennen gelernt. Die halte ich für clever.“ „Wie beabsichtigen Sie, mich nach Terra zu bringen?“, fragte Data. „Zigeunerinnen sind trickreich.“, antwortete Ginalla grinsend. „Und jetz’ ab!“ Damit zog sie den immer noch völlig verwirrten Androiden hinter sich her.

Kapitel 8 - Unheilvolle Spuren

von Visitor

 

Loridana hatte Kissara über den ernsten Zustand Dills informiert. Die Kommandantin wusste, dass ihre Ärztin nur als letztes Mittel Rosannium, das eigentlich Gift für jeden Telepathen ist, anwenden würde. Wenn sie das tat, dann musste es schon wirklich keine andere Lösung geben. Dies durfte aber Eldisa auf keinen Fall wissen. Sie hätte sich sonst viel zu viele Sorgen gemacht und das Ganze hätte zu einem ziemlichen Missverständnis führen können. Kissara hatte geschlossen, dass sie jetzt wohl die Einzige sein würde, zu der die Prinzessin noch Vertrauen hatte. Dieses durfte sie jetzt auf keinen Fall zerstören.

Nestor kreuzte ihren Weg. Der alte Mann hatte auch das Essen serviert. Deshalb war Kissara sein Gesicht durchaus bekannt. „Halt, mein Freund.“, schmeichelte sie ihm hinterher. „Ich bin auf der Suche nach Prinzessin Eldisa. Kannst du mir sagen, wo ihre Lieblingsplätze sind?“ „Aber ja, Commander.“, nickte Nestor und winkte ihr. Sternenflottenränge waren dem zeitländischen Dienstmann durchaus bekannt.

Sie durchquerten den Schlosspark und waren bald in einer Art verwunschen aussehendem Garten angekommen. Der Garten sah wie eine Art Zauberwald aus Märchen aus. Rechts und links gab es große Bäume und viele verschlungene Pfade. Allein würde sich selbst Kissara, die eigentlich einen guten Orientierungssinn hatte, hier verlaufen. Außerdem schienen sich die Bäume zu bewegen und immer wieder so manchen Gang zu verstellen. „Lass mich bitte allein gehen, Nestor.“, bat Kissara. „Auch ohne Erfasser bin ich davon überzeugt, dass Eldisa für das hier verantwortlich ist. Ich habe ihr gesagt, dass ich noch einmal nach ihr sehen werde. Aber dazu wäre ich wie gesagt lieber allein.“ „Glauben Sie denn, dass Sie die Prinzessin allein finden können, Commander?“, fragte Nestor. „Das denke ich durchaus!“, erwiderte Kissara mit Selbstvertrauen in der Stimme. „Ich denke, dass sie uns nur den Zutritt verwehrt, weil du bei mir bist. Das ist sicher nichts Persönliches, aber sie scheint extrem verzweifelt zu sein. Ich konnte sie bisher gut trösten und ich denke, dass jemand anderes hier nur stören würde. Wie gesagt, nimm es bitte nicht persönlich.“ „Ist schon gut, Commander.“, entgegnete der Diener und blieb am Anfang des Labyrinths zurück. Von hier aus beobachtete er, wie sie in den schier undurchsichtigen Gängen verschwand.

Kissara gewann jetzt immer mehr den Eindruck, als würden die Baumriesen sie mit ihren Ästen führen wollen. Sie sah, wie sich mancher Baum in die eine oder andere Richtung zu wenden schien und ihr mit dem längsten seiner Äste eine Richtungsangabe hinterließ. Sie ahnte aber, dass dies Eldisas Werk sein musste. Ihr habt Eure Fähigkeiten schon sehr gut im Griff, Hoheit., dachte Kissara. Dann rief sie: „Eldisa, hier ist Kissara! Ich komme jetzt zu Euch! Keine Angst!“

Sie folgte dem letzten Fingerzeig und erreichte eine Art Laube, die aus einer Rosenhecke bestand. Hinter dieser Hecke sah sie bereits Eldisas Gesicht. „Warten Sie bitte kurz, Commander!“, rief ihr die Stimme der Prinzessin entgegen und dann öffnete sich die Hecke vor Kissara, um ihr den Eintritt zu ermöglichen. Danach schloss sie sich wieder. Jetzt sah Kissara die vor ihr auf einem Stein sitzende Prinzessin. Auch sie suchte sich einen und setzte sich darauf. „Eine interessante Variante von bitte nicht stören.“, lächelte Kissara. Auch Eldisa musste grinsen. „Dieses Rückzugsgebiet habe ich mir selbst geschaffen.“, sagte sie und Kissara konnte gut hören, dass sie noch immer sehr traurig sein musste, auch wenn Eldisa ihr Gesicht verbarg. „Ihr liebt Euren Vater sehr, Eldisa, nicht wahr?“, fragte Kissara. Sie benutzte den Vornamen der Prinzessin mit Absicht, da sie ihr jetzt ja nicht als einem Staatsoberhaupt auf diplomatischer Mission, sondern als einem traurigen Kind begegnete, das ihre Hilfe und ihren Trost benötigte. Respektsbezeugung ja, diplomatische Schnörkel nein.

Endlich sah Eldisa sie an. „Wissen Sie etwas Neues, Commander?“, fragte die zeitländische Königstochter. „Bedauerlicherweise nein, Eldisa.“, log Kissara, denn sie wollte Eldisa auf keinen Fall mit den neuen Fakten über Dill, die Rosannium-Spritze und das Koma beunruhigen. „Mir ist nur bekannt, dass sich die Vendar jetzt um Euren Vater kümmern.“ „Das bedeutet, er ist in guten Händen.“, atmete Eldisa auf. „Crimach und ihre Leute werden nur Energie von Telepathen benötigen, um ihm zu helfen. Ich würde all meine Energie geben, wenn ich könnte, aber …“ „Das würde Crimach sicher nicht zulassen.“, unterbrach Kissara sie. „Und auch keiner ihrer Leute würde Euch diese Energie nehmen. Sie wissen, Dass Euer Gehirn noch nicht ausgereift ist und Euer Telepathiezentrum somit auch nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass sie mit Eurer Energie noch nichts anfangen können. Aber ich bin sicher, Crimach wird eine Lösung finden.“ „Ich hätte auch eine anzubieten, Commander.“, sagte Eldisa. „So?“, lächelte Kissara. Sie konnte sich zwar nicht vorstellen, was Eldisa meinen könnte, weil sie eine bestimmte Information noch nicht hatte, aber um so neugieriger war sie. „Ich heirate Clytus!“, sagte Eldisa mit Überzeugung und stand auf. „Moment.“, erwiderte Kissara irritiert. „Was hat eine eventuelle Ehe mit Clytus mit dem Gesundheitszustand Eures Vaters zu tun?“

Eldisa wurde blass und Kissara musste sie auffangen, denn sonst wäre sie übel gestürzt. Sie zog die Prinzessin auf ihren Stein zurück. Die sensiblen Hände der Thundarianerin, die ähnlich samtig waren wie die Pfoten einer Katze, hatten ihr längst verraten, dass das Herz ihres Gegenüber ihr bis zum Hals schlug. „Ich habe eine telepathische Botschaft von Clytus aus dem Raum-Zeit-Kontinuum empfangen.“, gestand Eldisa weinend. „Darin hat er mir gesagt, dass er die Geschichte verändert hat, um mir ein romantisches Geschenk zu machen. Er meinte, wenn er möglich macht, dass meine Freundin Betsy alle heiraten kann, die sie will, dann würde ich das total romantisch finden und eins zwei drei mich in ihn verlieben!“ Bei ihren letzten beiden Sätzen klang Eldisa zunehmend wütender. „Dieser verdammte Narr!!!“, schrie sie. „Er muss sich doch auch denken können, dass eine solche Tat eher aufs Gegenteil herausläuft! Ich hasse ihn dafür, aber eine Prinzessin muss auch bereit sein, Opfer zu bringen. Wenn ich ihn mit einer Heirat dazu bringen kann, alles wieder zu reparieren, dann soll es so sein!“

Kissara, deren Reflexe so gut wie die einer Raubkatze waren, fasste blitzschnell Eldisas Hände. „Nicht so schnell, Prinzessin!“, ermahnte sie diese. „Damit macht Ihr Euch nur erpressbar. Wenn Clytus Euch wirklich so verfolgt, dann dürft Ihr dem auf keinen Fall nachgeben. Sonst kann er immer und immer wieder so etwas mit Euch machen. OK, halten wir ihm zu Gute, dass er Euch wirklich liebt. Dann müsstet Ihr ihn eigentlich selbst vor ein Ultimatum stellen, und zwar, indem ihr ihm klar macht, dass es so nicht geht. Ihr müsst ihm zeigen, dass Ihr nicht zulasst, dass er die Zeit so beschädigt. Wenn er Euch, die spätere Hüterin der Zeit, wirklich liebt, dann dürfte er das eigentlich ziemlich bereuen, was er gerade getan hat. Aber was hat Allrounder Betsy damit zu tun?“

Eldisa konnte nicht antworten. Ein erneuter Schwall von Tränen hatte ihr jegliche Kontrolle über ihre Stimme genommen. Vorsichtig zog Kissara sie wieder an ihre Brust und schnurrte: „Ist nicht schlimm, Eldisa. Meine Leute und ich werden das schon alles herausfinden. Was meint Ihr, was mein Schiff für gute Sensoren hat und was ich für kompetente Offiziere habe. Wir kriegen das schon wieder hin.“ „Hoffentlich irren Sie sich da nicht, Commander.“, schluchzte Eldisa. „Das glaube ich nicht!“, tröstete Kissara zuversichtlich. „Ich habe schon ganz andere Situationen durchgestanden!“ „Aber Sie hatten noch nie die eigenen Leute gegen sich.“, deutete Eldisa an, die mit ihren seherischen Fähigkeiten alles genau wahrnahm, was sich in den betroffenen Dimensionen abspielte.

Kissara vermied es, genauer nachzufragen. Sie dachte sich, dass Eldisa dadurch nur noch mehr geängstigt werden könnte. „Wir sollten in den Palast zurückkehren.“, schlug sie vor. „Ihr solltet Euch ausruhen und ich sollte die Situation mit meinen Leuten besprechen. Wir finden bestimmt eine Lösung!“ Eldisa nickte. Dann standen beide auf und gingen in Richtung Schloss.

Mit einer ihrer Offizierinnen würde Kissara die problematische Situation leider im Augenblick nicht besprechen können, da ich durch Abwesenheit glänzte. Tchey und ich hatten nämlich inzwischen jene Stelle erreicht, die sie wohl gemeint haben musste. Sie ließ ihr Schiff um einen Fixpunkt kreisen, wie mir Lycira mitteilte. Deine Freundin ruft uns., erklärte mir Lycira. Sei aber gewarnt. Sie hat sehr schlechte Laune. „Gib schon her.“, sagte ich. Wie du willst., erwiderte Lycira und ich wurde das Gefühl nicht los, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.

Tcheys Gesicht erschien vor meinem geistigen Auge. Mittlerweile kannte ich Lyciras Signalgebung gut genug, um zu wissen, dass ich wohl jetzt sprechen konnte. „Kannst du mir mal sagen, was dir für eine Laus über die Leber gelaufen ist, Tchey?“, fragte ich. „Eben hast du noch angegeben wie 'ne Tüte Mücken, weil es hier doch angeblich so schön sein soll und jetzt …“ „Eigentlich ist es das hier auch.“, erwiderte Tchey. „Eigentlich sollten hier nur du, das All, die Schiffe und ich sein und nicht … Oh, bitte sag mir, dass bei dieser alten Kiste, die ich hier fliege, der Transponder im Eimer ist. Ich kann nämlich nicht glauben, was ich gerade ablese.“ „Wieso?“, fragte ich. „Was siehst du denn?“ „Genesianische Transpondersignale.“, stöhnte Tchey. Dann sang sie: „Mein Tag ist im Eimer, oh, Betsy, oh, Betsy. Mein Tag ist im Eimer, oh, Betsy, voll im Arsch.“

Ich befahl Lycira, sie kurz in die Warteschleife zu legen. „Kannst du die genesianischen Signale bestätigen, Lycira?“, wandte ich mich an mein Schiff. Ja, das kann ich, Betsy., gab sie zurück. Aber ich kann dir auch noch etwas Anderes sagen. Wenn Tchey und du irgendwo hin wollt, wo es keine Genesianer gibt, dann müssen wir das Föderationsgebiet oder besser das gesamte bekannte Universum verlassen. „Sag mir bitte nicht, die Genesianer hätten das Gebiet der Föderation erobert.“, schloss ich. Anscheinend haben sie genau das getan. Aber das muss irgendwann in der Vergangenheit geschehen sein. Ich habe an einer der Bojen, die diese Signale senden, Messungen durchgeführt. Sie muss laut meinen Ergebnissen schon mindestens ein halbes Jahr im Weltraum sein. „Gib mir Tchey wieder!“, befahl ich.

„Warum hast du mich in die Warteschleife geschickt?“, fragte meine reptiloide Freundin mit immer noch sehr mürrischer Stimme. „Weil Lycira und ich erst mal überprüft haben, was hier los ist.“, antwortete ich, die ich mir keiner Schuld bewusst war. „Und was habt ihr herausgekriegt?“, fragte Tchey. „Bezüglich deiner Hoffnung, dass der Transponderempfänger deines Schiffes kaputt ist, müssen wir dich leider enttäuschen. Der funktioniert anscheinend einwandfrei.“ „Und was zur Hölle ist dann hier los?“, fragte sie. „Lycira geht davon aus, dass die Genesianer vor rund einem halben Jahr das Gebiet der Föderation erobert haben.“, fasste ich die Ergebnisse meines Schiffes zusammen. „Hah, davon wüsste ich aber.“, lachte Tchey. „Und wenn unser Gebiet erobert worden wäre, denkst du nicht, dass wir das dann schon längst bemerkt hätten? Deine Lycira muss sich irren.“ „Ich habe eine andere Theorie.“, verteidigte ich mein Schiff. „Was ist, wenn jemand die Geschichte verändert hat?“ „An wen denkst du im Speziellen?“, fragte Tchey, deren Laune sich jetzt wohl gebessert hatte. Jedenfalls klang sie jetzt erheblich weniger wie eine beleidigte Leberwurst, der man auf den nicht vorhandenen Schlips getreten hatte, sondern eher wie eine diensteifrige Sternenflottenoffizierin. Die Veränderung der Zeitlinie, das hatte man uns schon als Kadetten eingeimpft, war etwas, das niemals passieren durfte. Und wenn es passierte, dann mussten wir dafür sorgen, dass es so schnell wie möglich wieder korrigiert würde. Aber was sollten zwei Offizierinnen mit nur einem bewaffneten Schiff und ohne Informationen schon ausrichten können?

„Pass auf.“, schlug Tchey vor. „Wir suchen uns das nächst beste Genesianerschiff und fragen mal ganz vorsichtig an, was da passiert sein könnte. Vielleicht kriegen wir ja genug raus, damit du deinem Agent gegenüber aussagen kannst. Der wird dann mit Sicherheit eurem Commander alles sagen.“ „Meinen Agent.“, grinste ich. „Den kennst du auch sehr gut. Erinnerst du dich, dass wir gemeinsam auf der Akademie in einer Clique waren?“ „Oh, klar erinnere ich mich daran.“, erwiderte sie. „Mikel und ich waren schon zu unseren gemeinsamen Zeiten als Kadetten eher die Abenteurer und du warst die vernünftige Denkerin, die uns vor manchem Verweis bewahrt hat. Bin ich dir heute verdammt dankbar für. Sonst wäre meine Karriere sicher schon zu Ende gewesen, bevor sie begonnen hätte.“ „Und dann hättest du Edvins nicht helfen können, eurer Gegnerin den Hintern zu versohlen.“, warf ich ein. Sie räusperte sich. „Sieh an, sieh an. Du kannst ja doch anders.“

Betsy, ich habe ein genesianisches Schiff ausgemacht, das sich unserer Position nähert., meldete Lycira. „Bekommst du ein Transpondersignal?“, fragte ich. Selbstverständlich., gab Lycira zurück. Soll ich das Schiff rufen? Ich nickte und fügte hinzu: „Mach das aber über Konferenzschaltung und binde Tchey mit ein. Sie soll ja auch mitkriegen, was ich vorhabe. Hast du ein Problem mit genesianischen Hangars?“ Nein., versicherte Lycira. Vielleicht sind ja auch einige genesianische Shuttles etwas gesprächig. „Du bist ja heute richtig witzig, Lycira.“, lachte ich.

Die Canara war es gewesen, die unseren Weg gekreuzt hatte. An Bord des genesianischen Schiffes trafen sich gerade Risca, die Oberste der Männerfängerinnen und Hera, die Pilotin des Schiffes in einem der Korridore. Risca und Hera waren sehr eng befreundet und so nahm es nicht Wunder, dass sie sich über die gegenseitigen Geschäfte unterhielten. „Die Prätora hat dich ganz schön abgekanzelt.“, meinte die etwa 1,80 messende Hera, die schwarze kurze Haare trug, zu ihrer Freundin Risca, die mit ca. 170 cm etwas kleiner war und mit ihren roten Locken harmloser aussah als sie war. „Das kannst du laut sagen.“, meinte Risca und klang dabei extrem mürrisch, was bei ihrer von Natur aus sehr tiefen Stimme noch bedrohlicher klang. „Was kann ich denn dafür, wenn uns auf Celsius nur Männer über den Weg laufen, die nicht mit der Prätora oder einer von uns biologisch kompatibel sind?“ „Hast du Prätora Yanista zu bedenken gegeben, dass wir diese Männer notfalls auch an Frauen aus den eroberten Gebieten abgeben könnten?“, erkundigte sich Hera mit ihrer hohen und dadurch tröstender wirkenden Stimme. „Nein.“, gab Risca zu. „Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Aber es ist gut, dass du mir das sagst. Wenn die Prätora sich neue Ehemänner suchen will, dann sollte sie dich Kurs in eines der Gebiete setzen lassen, wo es biologisch kompatible Männer gibt. Demeta, Platonien oder so. Aber warum sucht sie überhaupt? Sie hat doch schon zehn.“ „Das ist wahr.“, meinte Hera. „Aber neun davon sind schon tot und einem will sie noch eine Chance geben. Nur weißt du auch, dass eine Frau mit nur einem Ehemann nicht sehr hoch angesehen ist.“ „Verstehe.“, antwortete Risca.

Die Sprechanlage machte eine weitere Unterhaltung zwischen den Frauen unmöglich. Am anderen Ende war die Prätora, die Hera sofort auf die Brücke befahl. So schnell wie möglich machte sich die junge Pilotin auf den Weg.

Lycira hatte mir eine Verbindung mit dem Schiffsrechner des genesianischen Schiffes hergestellt, der mich auf Anfrage mit der Prätora verband. Da Tchey ebenfalls in die Konferenzschaltung eingebunden war, bekam sie alles mit. „Seid gegrüßt, Prätora!“, begrüßte ich mein Gegenüber fest. „Meine Freundin und ich haben uns lange Zeit in Zeitland aufgehalten und waren temporal isoliert. Wir wüssten gern, was in der Zwischenzeit geschehen ist. Vor allem wundert mich die Tatsache, dass hier extrem viele genesianische Transpondersignale zu empfangen sind.“ „Das kommt daher, Terranerin.“, erklärte mir die Prätora. „Dass wir die Gebiete der Föderation erobert haben.“

Ich befahl Lycira eine Stummschaltung. Die Information, die ich gerade bekommen hatte, musste ich erst einmal verarbeiten. Sie entsprach nun so gar nicht dem Wissen, das ich über die originale Zeitlinie hatte. Aber wenn ich ihr widersprach, würde ich ihren Zorn auf mich ziehen und es würde nicht mehr möglich sein, auch nur das kleinste Fitzelchen an Informationen zu bekommen. Also sagte ich: „Ich würde gern mehr über diesen Umstand erfahren, Prätora. Bitte lasst mich doch von der glorreichen Schlacht erfahren, in der es dazu gekommen ist.“

Wieder gab es eine Pause im Gespräch. Ich konnte es zwar nicht sehen, fühlte aber buchstäblich, dass sie sich mein Bild extrem genau ansehen musste. Wahrscheinlich wollte sie herausbekommen, ob ich Sternenflottenoffizierin sei oder nicht. Jetzt war ich einerseits froh über den Umstand, dass man uns auf der Akademie bestimmte diplomatische Kenntnisse mitgegeben hatte, andererseits fand ich es auch sehr beruhigend, dass ich keine Uniform trug und Tchey auch nicht. So würden die Genesianerinnen hoffentlich nicht darauf kommen, dass sie ausspioniert werden würden.

Tchey hatte mich nach dem Ende der Konferenzschaltung noch einmal gerufen. „Ich wusste ja gar nicht, was du für eine Schmeichlerin sein kannst.“, lobte sie. „Kunststück.“, erwiderte ich bescheiden. „Die Genesianer lieben es genau wie die Klingonen auch, von glorreichen Schlachten zu berichten. Ich habe ihnen nur das gegeben, was sie wollten.“ „Dann bin ich ja froh, dass uns jetzt keine von denen zuhört.“, scherzte Tchey.

Ich erkenne Positionslichter., meldete Lycira. „Dann sollten wir ihnen folgen.“, sagte ich. „Anscheinend haben sie uns das mit den unschuldigen Zivilistinnen tatsächlich abgenommen. Ruf Tchey und sag es ihr!“

„Ich sehe das Gleiche.“, erklärte Tchey, nachdem Lycira die Verbindung hergestellt hatte. „Mann, was kribbelt’s mich in den Fingern.“ Sie gab einen eindeutig zweideutigen Laut von sich. „Ich liebe Abenteuer!“

Wenig später hatten wir die Schiffe in einer genesianischen Shuttlerampe gedockt. Hier begrüßte uns nach dem Aussteigen eine ältere Kriegerin. „Seid gegrüßt.“, sagte sie. „Mein Name ist Shira. Ich bin die Assistentin der Chefingenieurin.“ Ihren letzten Satz hatte sie für meine Ohren fast verschämt vorgetragen, was mich schließen ließ, dass sie diesen Rang wohl nicht ganz freiwillig inne haben konnte und vielleicht aus einer höheren Position dort hin degradiert worden war. Dies wollte ich aber auf keinen Fall durchblicken lassen.

„Na gut.“, meinte Tchey, die unser Gespräch durchaus mitbekommen hatte. „Dann mal 'ne Runde Kontaktreiniger für meine hier.“ Sie zeigte auf ihr Schiff. „Die steht auf Pflege!“ „Blas' dich nicht so auf.“, flüsterte ich ihr zu. „Na gut, Schmusekatze.“, flüsterte sie zurück. „Machen wir’s auf deine Weise.“

Shira wies uns den Weg zu einem Turbolift und mit dem fuhren wir alle drei einige Decks höher. Dann landeten wir in einer Art großem Saal, der irgendwie an die große Halle auf Genesia Prime erinnerte. Er hatte das gleiche Kuppeldach und es gab ein ähnliches Podest dort. Außerdem lange Reihen von Tischen, an denen alle Kriegerinnen Platz fanden. „Dies ist der Platz für unsere Gäste.“, erklärte Shira und führte Tchey und mich zu einem der langen grobschlächtig aussehenden Tische, vor denen jeweils eine Holzbank stand. „Ich fürchte, für eine Geburtstagsparty bin ich nicht richtig angezogen.“, scherzte Tchey. „Das hier ist keine Geburtstagsparty.“, erklärte Shira. „Wir wollen nur das Wunder von Sachometh feiern, das uns zu Teil wurde. Ihr seid die Ersten aus den eroberten Gebieten, die darüber genauer Bescheid wissen wollen. Wieso?“ „Wir sind zwei kulturell interessierte Hobbyforscherinnen.“, rettete ich die Situation, denn Tchey hatte mir verdeutlicht, dass sie doch ganz schön ins Schwimmen gekommen war. „Also gut.“, sagte Shira. „Ich frage das auch nicht meinetwegen, sondern weil die Prätora es wissen will. Sie wundert sich, warum sich zwei offenkundige Zivilistinnen so stark dafür interessieren, warum wir vor rund einem halben Jahr das Gebiet der Föderation erobert haben. Von den anderen Bürgern haben wir nur Stillschweigen geerntet. Aber ihr zwei scheint da wohl anders.“ „Dann richten Sie Ihrer Prätora aus, dass wir wirklich rein aus Neugier handeln!“, sagte ich fest. Tchey, die mir dabei ins Gesicht geschaut hatte, meinte nur: „Du kannst ja lügen, ohne rot zu werden.“ „Ich bin Laienschauspielerin.“, erwiderte ich leise. „Außerdem ist mir die Sache hier eine kleine Schauspieleinlage wert.“

An den Geräuschen hinter uns bemerkte ich, dass hier wohl ein Replikator bedient werden musste. „Ich hoffe nur, dass ich kein Tier töten muss.“, meinte ich. „Lebende Tiere zu replizieren ist so gut wie unmöglich.“, lachte Tchey. „Zumindest halte ich die genesianische Technologie nicht für in der Lage dazu und mit einer Jagdbeute ist auch niemand hier rein gekommen. Das wüsste ich. Vertrau mir! Ich kann sehen!“ „Na schön.“, sagte ich und bemerkte, wie sich der zuerst in meinem Magen angeschwollene Kloß langsam auflöste. „Und selbst wenn so etwas passieren sollte, dann hat den ersten Stich doch sicher die Prätora.“, referierte Tchey weiter. „Ich meine, das hier ist doch keine Initiationsfeier oder so was.“ „Ist ja schon OK.“, bekräftigte ich die Tatsache, dass es mir schon erheblich besser ging.

Am Rücken der Stühle hörte ich, dass alle aufgestanden sein mussten. Tchey griff meine Hand und deutete einen Salut an. „Da kommt die Prätora.“, zischte sie mir zu. „Du wolltest doch nicht, dass wir uns daneben benehmen.“ Ich nickte ihr zu und führte die Bewegung ganz aus. Dann setzten wir uns alle wieder und Yanista ging zum Buffet, um eine Art Dolch in ein repliziertes Stück Fleisch zu stoßen. Dass die Flüssigkeit nach allen Seiten spritzte, schien niemanden zu stören. „Auch 'ne Art auszudrücken, dass das Buffet eröffnet ist.“, scherzte Tchey. „Bleib sitzen und hör dich um. Ich besorge dir was zu futtern. Mein Genesianisch ist leider etwas eingerostet.“ „Als ob du es je gesprochen hast.“, lachte ich. Jetzt würde uns zu Gute kommen, dass ich während meiner Zeit als Kadettin heimlich einen Genesianischkurs besucht hatte.

Eine Kriegerin mit einem Instrument stellte sich in die Mitte des Raumes und begann mit einem Lied. Allerdings änderte ihre Stimme derart zwischen Kopf- und Bruststimme hin und her, dass es mir die Schuhe auszog. Dennoch versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen und hörte zu. Das Lied handelte offensichtlich von jenem Wunder von Sachometh, das uns gegenüber schon am SITCH erwähnt worden war. Mein Geist übersetzte: Der Mond ward finster in der Nächte sieben. Am nächsten Tage, so steht es geschrieben, da wurde so sich man noch in Jahren erzählt, die oberste Prätora von der Wächterin von Gore beseelt. Sie hat zum Beweise der göttlichen Macht, 'nen Stern im Weltall zum Bersten gebracht. Drauf folgten ihr alle mit Freud’ in die Schlacht. Die Feinde egal welcher Zahl mäht’ sie nieder. Mit blitzenden Augen ist dieses getan. Viel’ Salven von Blitzen regneten hernieder, auf alles und jedes, das in den Weg ihr kam. Drauf flogen wir weiter in and’re Gestade, wo mächtige Wesen sich finden daheim. Doch konnten und das ist nun für sie wirklich schade, sie uns auch nicht wirklich ein Gegner sein. Denn denkt euch, auch jenes gut geschützte Reich, besiegte die Prätora mit einem Fingerstreich.

Mir zog sich alles zusammen! Was ich gerade gehört hatte, war keinesfalls die Weise, auf die Genesianer sonst kämpften. Ihre Kampftaktik war eigentlich der Kampf mit gleicher Waffe, was sie als ehrenhaft bezeichneten und nicht so etwas. Ein Mächtiger musste hier seine oder ihre Finger im Spiel haben und hatte die armen Genesianer von vorn bis hinten verarscht! Das war eine Tatsache, die mich sehr wütend machte!

Meine Ohren scannten den Raum nach Tcheys Stimme, die ich aber im Gewirr der anderen nicht wahrnehmen konnte. Gehört hatte ich genug und wir sollten jetzt machen, dass wir hier wegkamen. Mir war nur eine mächtige Person eingefallen, die Gefallen daran finden konnte, ein sterbliches Volk für ihre Zwecke zu missbrauchen. Aber die Genesianer waren keine primitiven Eingeborenen auf irgendeinem Randplaneten. Sie waren warpfähig und hatten auch alle sonstige Technologie, die notwendig war, um Sytanias Einfluss zu erkennen. Warum hatten sie dies nicht!

Endlich kam sie zurück! Vor mir stellte sie einen Teller mit allerlei genesianischen Köstlichkeiten ab. Unter anderem befand sich auf dem Teller auch ein großer Haufen Veddach, eine stark gewürzte Quarkspeise, die drei mal so stark wie terranisches Zaziki war. Eigentlich wäre ich für dieses Zeug gestorben, das wusste Tchey. Aber ich schob den Teller nur verstört weg und stammelte: „Ich kann nicht … Wir können nicht … wir dürfen nicht … Ich muss … Ich muss!“

Sie zog mich so nah an sich, dass ich jede Einzelne ihrer Hautschuppen auch durch ihre und meine Kleidung spüren konnte. Dann zerrte sie mich aus dem Raum in Richtung Lift. „Für das, was du musst.“, erklärte sie mit fester Stimme. „Da holen wir mal lieber deinen Agent! Jetzt versuch dich aber bitte erst mal zu beruhigen. Ich kann weder Genesianisch lesen noch hat der Computer meinen oder deinen Stimmabdruck. Wenn wir von diesem Schiff runter kommen wollen, dann brauche ich dich jetzt. Du bist die einzige Person von uns zweien, die diese Kontrollen entziffern kann, wenn ich deine Hand über die Symbole führe.“ „OK.“, flüsterte ich.

Die Tür des Liftes öffnete sich und wir stiegen ein. „Jetzt geht’s los.“, sagte Tchey, griff meine Hand und führte sie über jede einzelne Taste. Ich versuchte, mich auf die Kurven und die Linien, die ihre Hand mit der meinen vollführte, zu konzentrieren, aber das war angesichts der Entdeckung, die ich gemacht hatte, gar nicht so einfach. „Du musst mich schon stoppen, wenn wir auf dem richtigen Knopf sind.“, sagte Tchey nervös. „Das würde ich ja gern.“, erwiderte ich. „Aber ich glaube, das ist gar nicht so einfach.“ „OK.“, sagte sie und zog meine Hand von der Steuertafel. „Jetzt atmest du erst mal tief durch und dann versuchen wir das Ganze noch mal. Langsam werden sich die Genesianer nur fragen, warum wir so plötzlich verschwunden sind.“ „Scheiß drauf!“, entgegnete ich wütend. „Warum die denken, dass wir so lange ums Eck verschwunden sind und was wir wohl da machen, das interessiert mich gerade einen feuchten Romulanerfurz. Ich will ja auch hier weg, aber ich bin total nervös. Oh, Gott, die armen Genesianer! Ich hätte nicht gedacht, dass ich so was mal sage, aber die tun mir leid. Weiß der Himmel, was Sytania wieder für 'ne Show abgezogen hat. Aber dass die drauf reinfallen, dass hätte ich echt nicht …“

Schritte kamen den Gang zum Lift herunter. „Jetzt sind wir am … Du weißt schon wo.“, sagte Tchey. Im nächsten Moment erschien ein Gesicht in der noch offenen Lifttür. „Warum habt ihr die Feier verlassen?“, fragte eine ältere Stimme in leicht akzentuiertem Englisch. Ich erkannte Shira. „Weil wir leider andere Verpflichtungen haben.“, erwiderte ich. „Wir sind noch mit einem Freund von mir verabredet, der uns mit seinem Shuttle auf einem Ausflug begleiten wird. Er ist Tindaraner und …“

Shira wollte sich vor Lachen schier ausschütten. „Ein Mann, der ein Schiff fliegen darf?!“, prustete sie. „Du versüßt mir den Tag, Terranerin. Aber glaubst du wirklich, dass es das noch gibt? Jedenfalls nicht in den eroberten Gebieten und Tindara ist eines davon. Ich glaube, deine Verabredung kannst du knicken. Es weiß doch jedes Kind, dass Männer zu höheren Aufgaben nicht taugen. Vielleicht solltest du in den Kristallminen nach deinem Freund suchen. Da hast du dann wahrscheinlich mehr Glück. Aber, weil ihr mir gerade so schön den Tag versüßt habt, helfe ich euch jetzt auch.“ Sie gab einen Befehl in Richtung des Mikrofons, worauf der Lift die Türen schloss und sich in Bewegung setzte. Jetzt war Tchey diejenige, die fassungslos neben mir stand. „Was hatte denn das zu bedeuten?“, fragte sie. „Du weißt, dass ich das Lied, was auf dem Fest gesungen wurde, übersetzen kann.“, erklärte ich. „Sicher.“, sagte sie. „Deshalb solltest du ja auch sitzen bleiben und die Lauscher offen halten. Aber was hat das eine mit dem anderen zu tun?“ „In dem Lied ist von der Eroberung des Föderationsgebietes und einer anderen Dimension mit vergleichsweise mächtigen Wesen die Rede.“, klärte ich sie auf. „Ich hatte schon so was im Gefühl, aber ich wollte erst sicher sein.“ „Ach so.“, verstand sie. „Du hast ihr die Unwissende vorgespielt, damit sie mit der Info rausrückt. Clever, clever. Du musst von Mikel einiges gelernt haben.“

Wir waren auf dem Hangardeck angekommen. „Fühlst du dich in der Lage, Lycira zu fliegen?“, fragte Tchey fürsorglich. „Das geht schon.“, erwiderte ich. „Außerdem kann sie das im Notfall auch selbst.“ „Du Glückliche.“, meinte Tchey. „Die Menüs von meinem Shuttle sind komplett auf Zeitländisch und ich weiß nicht, was da Autopilot heißen könnte.“ „Vielleicht kann ich dir helfen.“, bot ich an. „Mein Zeitländisch dürfte zumindest für eine Umstellung auf Englisch ausreichen. Aber du hast doch gesagt, dass du Abenteuer liebst. Also probier’s!“ „Wenn ich nicht wissen würde, dass du gerade einen Witz gemacht hättest.“, antwortete Tchey nervös, dann hättest du jetzt ein echtes Problem! Ich liebe zwar Abenteuer, aber nur solange noch eine geringe Chance besteht, dass ich sie unter Kontrolle kriegen kann.“

Ich grinste und wandte mich Lycira zu, die mich einsteigen ließ. Nachdem auch Tchey ihr Schiff bestiegen hatte, bemerkten wir, dass genau zum richtigen Zeitpunkt die Hangartore geöffnet wurden. Sofort fiel mein Verdacht auf Shira, denn sie hatte mit der Information, die sie uns gegeben hatte, schon Andeutungen gemacht. Vielleicht war ihr dieses angebliche Wunder ja auch nicht geheuer gewesen. Das hatte sie nur niemandem sagen dürfen. Ich konnte mir denken, dass sie schon sehr tief gefallen war und es sicherlich in der Gunst der Prätora noch weiter würde, wenn bekannt würde, dass sie das Wunder anzweifelte. Jetzt würden wir aber erst mal nach Zeitland zurückfliegen, um dort gegenüber Agent Mikel auszusagen. Sicher entsprach es nicht der obersten Direktive, sich in die internen Angelegenheiten der Genesianer einzumischen. Aber, wenn Sytania oder ein anderer feindlicher Mächtiger involviert war, dann mussten wir das vielleicht. Den Genesianern würde es sicher auch nicht schmecken, wenn sie von einem mächtigen Wesen benutzt würden und eventuell würden wir sie sogar dazu kriegen können, den Spieß gemeinsam mit uns umzudrehen. Erst einmal würden wir die Informationen Mikel geben. Der würde sie dann Kissara zukommen lassen und die würde entscheiden, wie wir weiter vorgingen.

Hera hatte die Feier auch früh verlassen und war an ihren Arbeitsplatz auf der Brücke zurückgekehrt. Von hier aus hatte sie unseren verfrühten Abflug beobachtet. Es wunderte sie extrem, dass zwei Hobbyforscherinnen, die eigentlich großes Interesse an dem Wunder von Sachometh hatten, das Fest dann doch nicht bis zum Ende begleitet hatten. Aber das würde sich schon irgendwann aufklären.

Viel Zeit zum Nachdenken hatte sie ohnehin nicht, denn eine vor dem Fest ausgeschickte Sonde meldete die Erfassung von männlichen Biozeichen auf einem verlassenen Planeten. „Zeig es mir!“, wendete sich Hera an den Schiffsrechner. Sie hatte nicht vergessen, was sie und ihre Freundin Risca besprochen hatten. Tatsächlich sah sie bald das Gesicht eines etwa 13-jährigen Genesianerjungen vor sich. Sofort verständigte sie Risca und Prätora Yanista, die gleich darauf zu ihr auf die Brücke kamen.

„Wie lange beobachtest du ihn schon, Hera?“, wollte Yanista wissen. „Ich habe ihn auch erst gerade gesehen, Prätora.“, antwortete die junge Kriegerin. „Die Sonde, die den Planeten beobachtet, ist auch gerade erst auf seine Biozeichen aufmerksam geworden.“ „Er wäre ein guter Ehemannanwärter für Euch, Prätora.“, bemerkte Risca, die ihre Chance gesehen hatte, ihre eingebüssten Punkte bei Yanista zurückzuholen. Die Prätora warf einen Blick über Heras Schulter und sagte dann: „Er scheint noch etwas jung. Aber bis er fertig erzogen ist, dauert es ja auch noch. Also, warum nicht? Hera, setze Kurs! Risca, sammle deine Truppe!“ Die Angesprochenen nickten und führten die Befehle aus.

Im dunklen Imperium saß Telzan vor einem Kontaktkelch, den Sytania ihm gegeben hatte und beobachtete ebenfalls, was sich in den beiden Universen abspielte. Der Vendar hatte die Situation bisher eigentlich ganz gut verstanden, nur fragte er sich, warum seine Gebieterin erst Clytus beim Verändern der Geschichte geholfen hatte und dann ebenfalls Tolea half, das Duell zu gewinnen und auch, ihn zu bestrafen. Sytania, die ihren obersten Vendar gut kannte, war das nicht verborgen geblieben. „Was wurmt dich, mein treuer Telzan?!“, fragte sie mit ihrer hexenartigen Stimme. „Mit Verlaub, Gebieterin.“, begann Telzan unterwürfig. „Ich frage mich, warum Ihr zuerst Clytus helft, seine Missetat zu begehen und dann wiederum Tolea helft, ihn zu bestrafen und sogar dafür sorgt, dass sie dafür die Legitimation erhält.“ „Ganz einfach.“, lachte Sytania. „Damit, dass ich Clytus geholfen habe, habe ich den Grundstein dafür gelegt, dass Tolea und ihr Bruder in meine Hände gegeben sind. Du weißt, dass die Geschwister dem Hohen Rat des Kontinuums vorstehen. Was sie wollen, wird im Allgemeinen getan. Also habe ich dafür gesorgt, dass Tolea einen Grund hat, ihren Neffen zu bestrafen. Dazu muss dieser ja schließlich erst einmal erfolgreich ein Verbrechen begehen. Ohne mich wäre er wohl kaum gegen Dill angekommen, der die Geschichte verteidigt hat bis aufs Blut. Das alberne Kunststück mit dem genesianischen Mond hat Clytus allein zuwege gebracht. Darin habe ich keine Aktien. Nach der nun so erfolgreichen Veränderung der Geschichte war Tolea so wütend auf ihren Neffen, dass sie in ihrer tiefen Wut sogar mein Angebot angenommen hat, dass wir ihn gemeinsam strafen. Sogar ihre Macht hat sie mit meiner vereint. Ach, zu was Wut nicht alles verleiten kann!“ Sie lachte schallend auf. „Ach so.“, meinte Telzan. „Und Ihr habt es so eingerichtet, dass nur Ihr gemeinsam mit Tolea die Strafe wieder rückgängig machen könntet, wenn Ihr denn wolltet.“ „Genau, Telzan!“, freute sich Sytania. „Ich wusste, du würdest es verstehen. Wenn ich denn wollte. Aber dazu wird Tolea mir nach der Pfeife tanzen müssen. Anders geht es bei dieser Art von gemeinsamem Bann über Clytus nicht. Und mit wenn ich denn wollte, liegst du gar nicht so falsch. Ich werde nämlich nie wollen, auch, wenn ich Tolea dies versprechen werde. Aber solange der Bann über Clytus besteht, ist sie abhängig von mir und ich wäre ja schön dumm, wenn ich dies nicht ausnutzen würde.“ „Und dumm seid Ihr für wahr nicht, Gebieterin.“, sagte Telzan und machte ein genießerisches Gesicht. Ihm war noch etwas aufgefallen. „Bei der Vereinigung Eurer Kräfte.“, begann er. „Da habt Ihr doch Tolea auch mit schwarzer Macht infiziert.“ „Ja, das habe ich.“, bestätigte die imperianische Prinzessin. „Ihr Verhalten wird sich von jetzt an grundlegend ändern.“

Kapitel 9 - Ein Hoffnungsschimmer

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Kapitel 10 - Modellversuche

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Kapitel 11 - Ermittlungen

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Kapitel 12 - Tod einer Zeugin

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Kapitel 13 - Neue Beweise

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Kapitel 14 - Aussage mit Bauchschmerzen

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Kapitel 15 - Vor dem Scherbenhaufen

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Kapitel 16 - "Dunkle Wolken"

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Kapitel 17 - Maskerade

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Kapitel 18 - Das Täuschungsmanöver

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Kapitel 19 - Mysterien

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Kapitel 20 - Die "Beichte"

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Kapitel 21 - Verwegene Pläne

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Ginalla und Kamurus waren fast wieder im terranischen Sonnensystem angekommen. „Was glaubst du, hat Sedrins Meinungsumschwung verursacht?“, fragte Ginalla. „Ich meine, für sie war ich doch eigentlich eine Zivilistin, die von nichts 'ne Ahnung hatte.“ „Ich denke, dass irgendjemand sie noch einmal auf unsere nähere Geschichte hingewiesen hat.“, mutmaßte das Schiff. „Schließlich hast du geholfen, einen interdimensionalen Krieg zu verhindern.“ „In gewisser Weise.“, erwiderte Ginalla. „Aber was kann Sedrins Plan sein und warum braucht sie uns dabei? Weißt du, ich würde sie am liebsten damit überraschen, dass hier an Bord schon alles für unseren Plan vorbereitet ist. Dann wäre sie platt wie 'ne Flunder vor Staunen. Also, kannst du vielleicht eventuelle Situationen durchsimulieren?“ „Das könnte ich tatsächlich.“, entgegnete Kamurus. „Ich habe einige Daten über Agent Sedrin Taleris-Huxley. Aber ich frage mich, ob das dann wirklich so kommen wird. Sie ist auch dafür bekannt, dass man bei ihr immer das Unerwartete erwarten muss. Ich wäre eher dafür, dass du von mir zu ihr herunter gebeamt wirst und dir dort alles anhörst, bevor wir meine Energie für Dinge verschwenden, die am Ende nicht gebraucht werden. Das kostet auch nur unnötig Zeit.“ „Du kannst ja richtig ironisch sein!“, lachte Ginalla. „In diesem Zusammenhang von Zeit zu reden, finde ich echt witzig, auch, wenn es eher an schwarzen Humor grenzt.“

Auf der Erde hatte sich auch Sedrin auf den eigenen Plan vorbereitet. Sie war ins Schlafzimmer gegangen und hatte sich dort Zivilkleidung angelegt. „Was bin ich froh, dass du meine Sachen nach meinem Tod nicht entsorgt hast, Jineron.“, lächelte sie ihrem Mann zu, der ihr beim Umziehen zusah. „So eine umsichtige Handlung hätte ich von dir nicht erwartet.“ „Oh, das hat nichts mit Umsicht zu tun.“, erwiderte Jaden. „Ich konnte mich nicht von deiner Kleidung trennen, weil …“ Er begann zu schluchzen.

Sie ließ die Kleidungsstücke fallen, die sie in ihren Händen gehalten hatte und drehte sich zu ihm, um ihn gleich darauf fest in die Arme zu nehmen und an sich zu drücken. Es tat Jaden sehr gut, ihren warmen weichen Körper, ihren lebendigen Körper, an seinem zu spüren. „Schschsch.“, machte sie, während sie sich mit ihm langsam auf das Ehebett zu bewegte, auf das sich beide setzten. „Ganz ruhig. Ich bin ja bei dir.“ „Ja, das bist du.“, schluchzte Jaden. „Obwohl du es eigentlich ja nicht kannst. Ich habe dich in den Tod geschickt! Warum habe ich nicht auf dich gehört, Jinya, warum?!“ „Weil Jaden H. Huxley eben ist wie er ist.“, tröstete die Demetanerin. „Du meintest eben, die Genesianer mit normalen Waffen besiegen zu können. Aber das war nicht so. Aber jetzt bin ich ja da und wir können alles korrigieren. Auch wenn wir dabei auf die Hilfe einer Zivilistin zurückgreifen müssen. Aber das macht ja nichts. Ginalla hat mich von sich überzeugt. Ohne sie wird unser Plan nicht funktionieren.“ „Ist das der einzige Grund, warum du ihre Hilfe willst, Jinya?“, fragte der Terraner. „Weil du eine Taxipilotin brauchst?“ „Oh, nein.“, entgegnete die ausgebildete Agentin. „Ginallas Art zu denken wird, so glaube ich ganz sicher, noch einige Lücken in meinem Plan schließen.“ „Das ist ja mal was ganz Neues.“, entgegnete Huxley. „Dass ein Plan von dir Lücken aufweist.“

Kamurus hatte in die terranische Umlaufbahn eingeschwenkt. „Da wären wir, Ginalla.“, gab er seiner Pilotin zu verstehen. „OK.“, entgegnete sie. „Dann lade mich mal gleich im Haus der Huxleys ab. Der gute Agent will sicher keine Zeit verlieren und wer weiß, was sie noch mit mir bereden muss.“ „Verstanden.“, entgegnete das Schiff. „Ich kenne ja mein Versteck. Du rufst mich ja, wenn du mich brauchst.“ „Klärchen.“, grinste Ginalla und stand auf: „Von mir aus kannst du.“

Novus war der Erste, der Ginalla ansichtig wurde. „Keine Aufregung, mein Kleener.“, meinte sie. „Ich bin 'ne ganz Liebe. Ich beiß’ nich’.“ „Davon ging ich aus.“, erwiderte der Androidenjunge. „Ich kann mir auch nich’ vorstellen, dass mir deine künstliche Haut schmecken würde.“, scherzte Ginalla. „Ich steh’ dann doch wohl eher auf Naturkost.“

Huxley und Sedrin hatten alles im Schlafzimmer mitbekommen. Langsam öffnete die demetanische Agentin die Tür und trat auf den Flur: „Ginalla, sind Sie da?“ „Sicher.“, gab eine burschikose Stimme aus dem Wohnzimmer zurück. Dann kam die Celsianerin um die Ecke geschlappt. „Ich hab’ den kleenen Novus kennen gelernt.“, sagte sie. „Der scheint 'n ganz helles Köpfchen zu sein.“ „Das ist er auch.“, bestätigte Sedrin. „Schließlich hat er auch keine dummen Eltern. Er ist auch der Grund, aus dem wir Ihre Hilfe benötigen, Ginalla.“ „Interessant.“, antwortete Ginalla. „Aber wir sollten diese Sachen nich’ hier auf dem kalten Flur besprechen. Gehen wir doch ins Wohnzimmer.“ „Wie Sie möchten.“, erwiderte Sedrin.

Sie betraten das Wohnzimmer und setzten sich auf die Couch. Erst jetzt fiel Ginalla auf, wie sehr sich Sedrin nach ihrer letzten Begegnung optisch verändert hatte. Sie trug jetzt einen eleganten weißen Rock, hohe rote Schuhe, eine ebenfalls weiße Bluse und hatte ihre Haare bieder nach hinten gekämmt. Sie sah jetzt richtig seriös aus, als würde sie einen höheren Verwaltungsposten in einer Firma bekleiden. „Wow.“, machte Ginalla, die immer noch ihr Outfit trug, das sie wie eine Frachterpilotin aussehen ließ. „Ich wusste gar nich’, was Sie für eine Verwandlungskünstlerin sind, Agent. Ich dachte immer, ich wäre darin schon gut. Aber Sie schießen ja echt den Vogel ab.“ „Ich bin ausgebildete Geheimdienstlerin.“, erklärte Sedrin. „Sich gut tarnen zu können, das gehört zu meinem Beruf. Aber Sie sollten auch noch an Ihrem Aussehen arbeiten, Ginalla.“ „OK.“, erwiderte die junge Celsianerin. „Ich bin für alles offen. Ich wäre nur ganz froh, wenn Sie mir endlich sagen würden, worauf das hier hinausläuft.“ „Folgendes.“, sagte Sedrin. „Ich bin eine Kursleiterin für Schulungen, wie man mit Robotern für den Alltag umgeht. Sie, meine Beste, stellen eine entsprechende Shuttlepilotin dar. Das bedeutet, dass Sie diesen Overall jetzt gegen etwas schönere Kleidung tauschen werden.“ „Etwas schöner.“, überlegte Ginalla. „Was schwebt Ihnen da vor?“

Sedrin musterte sie kurz, um ihre Kleidergröße zu schätzen. Dann ging sie zum Replikator und ließ diesen einen Hosenanzug aus weichem braunen Baumwollstoff und entsprechende braune Lederschuhe replizieren. Dann präsentierte sie Ginalla diese Kleidung. „Damit kann ich leben.“, sagte die Celsianerin erleichtert. „Ich hatte schon Angst, Sie wollten mich in ein Sonntagskleidchen stecken.“ „Das hätte Ihnen nicht gestanden.“, beruhigte Sedrin sie. „Wir müssen schon ein bisschen bei der Wahrheit bleiben. Zu viel Tarnung kann auch nach hinten losgehen.“

Die demetanische Agentin zog Ginalla in Richtung Schlafzimmer. Dann bedeutete sie ihrem Mann, zu den Androiden ins Wohnzimmer zu gehen. „Dann werde ich mich mal umziehen.“, seufzte Ginalla und warf den Overall auf das Bett. „Wo wir schon mal dabei sind, für welchen Laden arbeiten wir eigentlich und was ist der Zweck unserer Mission?“, fragte sie. „Der Laden, für den wir arbeiten werden.“, erklärte Sedrin. „Heißt Workaholic Roboters. Sie sind die firmeneigene Shuttlepilotin und ich eine leitende Kundendienstmitarbeiterin, die Kunden im Umgang mit den von unserer Firma hergestellten Robotern schult. Sie heißen Mira und ich Yetrin. Ist das angekommen?“ „Allerdings.“, erwiderte Ginalla. „Ich freue mich schon auf meinen falschen Ausweis. Wie ich Sie kenne, haben Sie da auch schon längst vorgesorgt.“ „Ich wäre eine schlechte Agentin, wenn ich das nicht hätte.“, antwortete Sedrin.

Ginalla war mit dem Umziehen fertig geworden und präsentierte sich jetzt Sedrin. „Sie sehen umwerfend aus.“, lächelte die Agentin. „Jetzt müssen wir nur noch was mit Ihren Haaren machen und dann ist Ihre Verwandlung perfekt.“ Sie holte einen demetanischen Haarschmuck aus dem Nachttisch, den sie um einen vorher aus Ginallas Haaren gedrehten Pferdeschwanz schlang. „OK.“, sagte sie dann. „Gehen wir wieder in die gute Stube.“

Huxley und die Androiden hatten bereits auf die Beiden gewartet und der Commander staunte sehr über das Aussehen seines celsianischen Gastes. Dass Sedrin ihr Aussehen wegen ihres Berufes oft verändern musste, war er gewohnt. „Sie machen jetzt ja richtig was her, Ginalla.“, sagte er. „Danke für das Kompliment, Mr. Huxley.“, flapste sie ihm zu. Dann wendete sie sich an Sedrin: „Wieso eigentlich die Roboternummer?“ „Novus hat Daten im Kopf, die beweisen, dass hier ein Mächtiger die Finger im Spiel hatte.“, erklärte Sedrin. „Diese Daten und seine Aussage müssen schleunigst zum Chief-Agent. Für die Genesianer sind Androiden nur Maschinen. Das werden wir ausnutzen. Um ehrlich zu sein, Ginalla, dazu haben Sie mich inspiriert.“

Sie gab der Celsianerin eine Identifikationskarte, die der Replikator ausgespuckt hatte. „Da is’ er ja!“, freute sich Ginalla. „Mein falscher Ausweis!“ „Korrekt.“, entgegnete Sedrin. „Und hier ist meiner.“ Sie hielt eine ähnliche Karte hoch. „Dann kann uns ja nix mehr passieren.“, erwiderte Ginalla.

„Jinya?“ Huxley hatte ihre Aufmerksamkeit auf Novus gelenkt, der sich ausgezogen hatte und in die Frachtkiste geklettert war. „Sehr gut, Novus.“, lobte Sedrin und schloss den Deckel, nachdem sie, wie bei Datas Transport gesehen, seine Kleidung in einer Tüte verstaut und obenauf gelegt hatte. „Dein Name wird übrigens Soong III lauten.“, sagte sie noch während dieser Tätigkeit. „Das dachte ich mir schon.“, erwiderte Novus, fuhr herunter und schloss die Augen. „Sagen Sie Ihrem Schiff, dass wir bereit sind!“, befahl Sedrin. Ginalla nickte ihr nur zu und zog ihr Sprechgerät, um ebendies zu tun.

Sanell hatte das auf Tindara gemietete Shuttle zurückgegeben und machte sich jetzt wieder auf den Weg zum Büro ihrer Vorgesetzten, das sich im Hauptquartier des tindaranischen Militärs befand. Sie wusste, dass Branell sie telepathisch beobachtet hatte, wollte aber jetzt auch noch einmal alles mit ihr verbal bereden. Die Konzentration der jungen Frau hatte nämlich erheblich gelitten.

Vorsichtig betätigte sie den Knopf für die Sprechanlage, als sie vor der besagten Bürotür stand. „Komm herein, Sanell!“, antwortete eine strenge Stimme von drinnen. Die junge Tindaranerin wartete, bis die Tür sich geöffnet hatte und trat dann in den karg eingerichteten Raum. Branell hielt nicht viel von Verzierungen. Deshalb befand sich dort auch nur ein Schreibtisch und ein Stuhl, sowie ein kleines Sofa, falls man doch mal Gäste zu erwarten hatte. In einer Ecke, die von der Tür aus nicht wirklich gut einzusehen war, stand ein Schrank mit allerlei Fächern, in denen sich feinsäuberlich geordnete Datenkristalle befanden.

Mittels eines Fingerzeiges beorderte Branell ihre Untergebene auf das Sofa und sah ihr aus einer gewissen Distanz vom Schreibtisch aus beim Hinsetzen zu. „Nun, Sanell.“, begann sie mit ihrer doch sehr durchsetzungsfähigen Stimme. „Berichte mir. Was hast du bei der Vernehmung erlebt?“ „Ich habe das Gefühl, dass Commander Zirell entweder sehr mutig oder sehr verrückt ist, Kommandantin.“, erwiderte die junge Frau gegenüber der Älteren. „Inwiefern?“, fragte Branell, die ihren telepathischen Eindruck, den sie bei der Beobachtung gewonnen hatte, noch einmal bestätigt wissen wollte. „Es ist diese demetanische Agentin.“, erklärte sich Sanell näher. „Mir war, als hätte sie gar keine wirkliche Substanz, die ich telepathisch wahrnehmen hätte können. Es war nicht, als würde sie ihren Geist vor mir abschirmen, nein, es war eher, als wäre sie gar nicht da.“ „Womit würdest du dieses Gefühl vergleichen?“, verhörte Branell sie weiter. „Ich würde es mit der Wahrnehmung einer IDUSA-Einheit vergleichen!“, sagte Sanell und sie klang dabei im Gegensatz zu sonst sehr sicher. „Also eine künstliche Intelligenz.“, schloss Branell und legte den Kopf in die Hände zum Nachdenken. „Eine Androidin schließe ich aus.“, nahm Sanell ihre Vermutung vorweg. „Androiden sind für die Genesianer keine Lebensformen. Sie sind für sie nur Maschinen. Eine Maschine würde bei ihnen niemals den Stellenwert eines Offiziers einnehmen können. Für die Genesianer haben Maschinen auf Befehl zu handeln und nicht selbst zu befehlen. Wir können froh sein, dass wir eine Ausnahme für die IDUSA-Einheiten erwirken konnten. Die Föderation hatte mit ihren Androiden nicht so viel Glück. Deshalb kann mir Zirell nicht erzählen, dass Agent Marin eine Androidin ist, die wie eine Demetanerin aussieht. Ich habe einen Geist wahrgenommen, aber ich hatte eher das Gefühl, dass dieser sich hinter Marin verstecken würde. Ich kann es nicht erklären, es ist …“ „Erlaube mir, dass ich selbst nachsehe.“, schlug Branell vor. „Vielleicht sind wir dann beide schlauer.“ „Also gut.“, erlaubte Sanell und entspannte sich.

Wenige Momente danach fühlte sie Branells Geist im Ihren und auch, wie ihre Vorgesetzte nach der entsprechenden Erinnerung suchte. Als Branell diese endlich gefunden hatte, kam es Sanell vor, als würde sie dass alles noch einmal erleben, nur eben in verstärkter Form, was ihr etwas Angst machte. „Keine Angst.“, flüsterte Branell ihr zu. „Ich muss es nur so genau sehen, damit mir nichts entgeht. Du willst ja auch nicht, dass wir demnächst alle wegen der Fehlentscheidung einer einzelnen Person vor einem genesianischen Gericht landen.“

Endlich hatte Branell wieder abgelassen. „Hast du gesehen, was du sehen wolltest?“, fragte Sanell ängstlich, die erst jetzt das Erlebte wirklich einordnen konnte. „Das habe ich.“, erwiderte Branell bestürzt. „Und ich bin heilfroh, dass du damit sofort zu mir gekommen bist. Ich werde dir sagen, wessen Geist du wahrgenommen hast. Es war der Geist von Agent Maron, der eine simulierte Marionette ferngesteuert hat. Zirell dachte doch wohl nicht im Ernst, dass wir darauf hereinfallen!“ „Anscheinend dachte sie das aber sehr wohl.“, entgegnete Sanell. „Es kam mir schon komisch vor, dass mich die Basiskommandantin persönlich abholte und dann …“ „Gut, dass du so eine kleine schlaue Füchsin bist.“, lobte Branell. „Das wird mir sehr helfen, wenn ich der für uns zuständigen Prätora einiges erkläre.“ „Du willst Commander Zirell verraten, Kommandantin?“, fragte Sanell und wurde kreidebleich. „Eine andere Möglichkeit gibt es nicht!“, sagte Branell und setzte ihren Neurokoppler auf: „IDUSA, mach mir eine Verbindung zu Prätora Yanista!“

Wenige Sekunden danach erschien das Gesicht der Prätora auf dem virtuellen Schirm. „Was gibt es?“, fragte ihre doch sehr missmutig klingende Stimme. Yanista hatte nämlich gar nicht gefallen, dass die oberste Prätora sie strafversetzt hatte. „Vergebt mir, Prätora.“, begann Branell. „Ihr mögt mich noch nicht kennen. Ich bin Techniker Branell. Ich betreue die Datenbank des tindaranischen Militärs. Eine meiner Untergebenen ist kürzlich auf der Basis 281 Alpha gewesen und hat dort eine beunruhigende Entdeckung gemacht. Die dortige Kommandantin widersetzt sich Euch. Man stelle sich das vor, sie hat immer noch einen Mann als ersten Offizier beschäftigt. Stellt Euch das vor, Prätora! Als ersten Offizier. Wie dreist kann man eigentlich sein?! Das hat sie versucht, vor uns zu verschleiern, aber wir sind ja nicht dumm.“ „Hast du deine Untergebene zu dem Vorfall vernommen, Tindaranerin?!“, fragte Yanista streng. „Das habe ich, Prätora.“, versicherte Branell. „Aber wenn Ihr wollt, dann könnt Ihr …“ „Das wird nicht nötig sein!“, erwiderte Yanista. „Ich werde ihr bei Zeiten eine Lektion erteilen, wenn sie gar nicht damit rechnet. Zunächst werde ich ihre Vorgehensweise genau beobachten, um einen Plan zu schmieden, der sie bis ins Mark treffen wird. Wo ihr erster Offizier ist, da sind bestimmt auch noch die anderen Männer, die sie auf ihrer Basis hatte. Ich habe nachgeforscht. In den Kristallminen ist bisher keiner von ihnen aufgetaucht und tot sind sie auch nicht. Aber das kann sich alles schnell ändern.“ Sie beendete die Verbindung.

Sanell wurde blasser und blasser. Was ihre Vorgesetzte da soeben getan hatte, konnte man gut und gern als Verrat bezeichnen! Nur um die eigene Haut zu retten, hatte Branell soeben eine Kameradin an die Besatzer verraten! Die sehr idealisierte junge Frau kam damit überhaupt nicht zurecht. „Wo liegt dein Problem?“, fragte Branell. „Entweder Zirell springt über die Klinge oder wir. Wenn wir das nicht angezeigt hätten und die Genesianer hätten es irgendwann herausbekommen, dann wären auch unsere Köpfe gerollt, weil es geheißen hätte, wir hätten Zirell gedeckt. Also musste ich so handeln. Oder wärst du gern in einem genesianischen Gefängnis? Die weiblichen Gefangenen werden dort zwar auch weitaus besser behandelt als die Männer, aber trotzdem bleibt es ein Gefängnis. Ich kann dir Berichte zeigen, wie es dort zugeht. Wenn du dir die durchgelesen hast, wirst du meine Entscheidung nicht nur verstehen, sondern sie sogar gut heißen.“ Sie befahl der IDUSA-Einheit, die Daten auf einen Kristall zu ziehen und gab ihn Sanell mit den Worten: „Lies bis morgen den Inhalt und dann teile mir mit, wie du dazu stehst. Ich bin überzeugt, du wirst meine Meinung teilen.“ Sanell nahm den Kristall aus ihrer Hand entgegen, nickte und verließ den Raum, nachdem ihre Vorgesetzte ihr per Handzeichen dazu die Erlaubnis gegeben hatte.

Auf der Brücke der Canara hatte man das Gespräch zwischen der Prätora und Branell gemeinsam mit angehört. „Wie werden wir vorgehen, um diese Rebellin zu zähmen, Prätora?“, wollte Hera wissen. „Ich meine, sie ist Telepathin, Telekinetikerin und sonst noch was. Unsere göttliche oberste Prätora ist nicht hier, um uns mit der Macht der Wächterin von Gore zu beschützen. Wie wollt Ihr …“ „Ganz einfach, Hera.“, setzte Yanista zu einer Erklärung an. „Wenn ihr die Männer auf ihrer Basis das wert sind, was sie ihr anscheinend wert sind, dann werden wir einen von ihnen entführen und nach Nura vier bringen. Aber dazu müssen wir gewitzt vorgehen. Lass uns beobachten, was sie tut und danach unsere Vorgehensweise an ihr Tun anpassen. Mit dem Holzhammer kommen wir sicher nicht weit. Aber wenn wir es klug anfangen, hebt Shashana sicher auch unsere Strafe auf. Bring uns über den Pol eines der Planetoiden dort. Dann können uns die Sensoren nicht aufspüren, aber wir werden den vollen Durchblick haben, wenn Veleta ihn uns verschafft hat. Sag ihr Bescheid und dann setze Kurs.“ Die junge Pilotin nickte strahlend und führte die Befehle aus. Hatte ihre Prätora ihr doch gerade in Aussicht gestellt, vielleicht bald die Heimat wieder zu sehen. Hera fand das tindaranische Universum nämlich extrem trostlos.

Yetron, Scotty und Clytus waren wieder in ihrer Zelle. Der Demetaner und der Terraner hatten einer Wärterin zugesehen, wie sie Clytus ziemlich grob eine Tropfkonsole angelegt hatte. Dann war die misslaunige Kriegerin wieder gegangen. „Von Vorsicht haben die wohl noch nie was gehört.“, beschwerte sich Clytus, der angesichts seiner Situation sehr mit den Nerven am Ende war. „Das könnte sich sofort ändern, wenn du essen würdest.“, entgegnete Scotty. „Ich habe dir gesagt, dass ich das nicht kann!“, schrie Clytus und begann zu weinen. „Ich weiß!“, sagte Scotty hörbar zornig. „Deine Fantasie, ein Mächtiger zu sein. Hör mal! Yetron und ich reißen uns den Arsch auf, damit du am Leben bleibst und was machst du? Du torpedierst unsere …“ „Mr. Scott!“ Yetrons mahnende Tonlage hatte Scotty aufhorchen lassen. Die Betonung des Demetaners hatte ihn jetzt leicht an Spock erinnert, der auch immer so betont hatte, wenn er keinen Widerspruch zu einer seiner unzähligen Theorien geduldet hatte. Yetron war nicht so gefühlskalt, stand dem lange verblichenen Vulkanier aber im Punkte Theorien in nichts nach, so empfand es zumindest Scotty, der sich jetzt mit gesenktem Kopf zu dem Mann umdrehte, der vom Rang her auch sein Vorgesetzter hätte sein können.

Seiner Aufmerksamkeit sicher stand Yetron von dem Strohlager auf, auf welches er sich gelegt hatte und schlich zu Scotty und Clytus herüber. Dann setzte er sich zu ihnen und flüsterte Scotty zu: „Ich halte für möglich, dass diese Fantasie das Einzige ist, das ihm die Duldung dieser Gefangenschaft hier ermöglicht. Sich in die Existenz eines Mächtigen zu träumen, der durch einen ungeklärten Umstand in diese Situation geraten ist, lässt ihn die Realität nicht wirklich wahrnehmen, die für ihn offensichtlich zu schrecklich ist. Seine Psyche scheint diesen Weg gewählt zu haben, damit fertig zu werden. Gerade Sie, Techniker, wissen, dass auch ein Raumschiff Schutzschilde hat, ohne die es im Kampf hilflos wäre. Genau das Gleiche versucht Clytus’ Seele hier. Die Energiezufuhr zu diesem Schild dürfen wir nicht auf einmal kappen, sonst wäre dies sicher sein Tod. Wenn wir ihn überhaupt in die Realität zurückholen dürfen, ohne dass er Schaden nimmt, dann müssen wir das sehr langsam tun. Ich denke, wir sollten zunächst versuchen, in seine Welt vorzudringen, bevor wir sie zerbrechen, beziehungsweise ihn vorsichtig herauslösen. Als geschulter Ermittler sollte ich aber die entsprechenden Fragen an ihn richten. Wir sollten uns ganz unverfänglich mit ihm zu unterhalten beginnen.“ „Na schön.“, meinte Scotty. „Wenn Sie glauben, dass Sie ihn heilen können, bevor die Wärterinnen ihn kalt machen?“ Yetron machte eine überzeugte Kopfbewegung. „Es liegt allerdings nicht primär in meinem Interesse, ihn von irgendwas zu heilen, sondern die Wahrheit herauszufinden. Die Wahrheit über das, was vor einem halben Jahr geschehen ist und die Wahrheit darüber, ob er eventuell wirklich ein Mächtiger sein könnte, der bestraft wurde, wie er behauptet. Setzten wir voraus, dass dies stimmig sei, dann würde nämlich ein Schuh aus diversen Dingen, die jetzt einfach noch nicht zusammenpassen wollen.“

Clytus war auf das Gespräch im Flüsterton aufmerksam geworden. „Was redet ihr zwei da?“, fragte er traurig. „Wir haben über Sternenflottenkram gequatscht.“, meinte Scotty, dem Yetron darauf ein lobendes Lächeln zuwarf. Der Terraner drehte sich um und meinte zu dem demetanischen Agenten ganz unverfänglich: „Ach, Agent, Sie haben etwas davon gesagt, dass Sie mehr oder minder mit Absicht in diese Situation geraten sind. Was meinen Sie damit? Oder können Sie darüber jetzt nicht reden?“ „Oh, doch.“, sagte Yetron, der mit dem Ansprechen der Situation um sich und seine Gefangennahme ein bestimmtes Ziel verfolgte. Dann begann er zu berichten, allerdings so lebendig, dass Clytus und Scotty den Konferenzraum der Basis 818 wirklich glaubten, vor sich zu sehen.

Time hatte alle seine Offiziere dort versammelt. Der Raum an sich unterschied sich nicht sehr von allen anderen Konferenzräumen auf anderen Sternenflottenbasen. Time, Yetron, Sensora und Shorna saßen als Brückenoffiziere am Kopfende und den nah daran anschließenden Seiten des achteckigen weißen Tisches, der in der Mitte des Raumes stand. Dann folgten auf weiteren braunen Stühlen Ketna und Cenda nebst ihren Assistenten.

Der Kommandant stand auf und begab sich an die Wand des Raumes, an der es auch einen Computerbildschirm gab. „Sie alle wissen, warum wir hier sind.“, sagte er. Dann rief er eine Szene auf, die eine Sonde in der Nähe der neutralen Zone beobachtet hatte. Alle sahen, wie ein klingonischer Kampfverband von einem einzigen genesianischen Schiff buchstäblich ins Nichts geschickt wurde. „Achten Sie genau auf die Brücke des genesianischen Schiffes.“, kommentierte Time das Geschehen und zeigte auf ein weiteres Bild. Jetzt sah man die oberste Prätora, die Blitze aus ihren Augen schoss, die für die Niederlage der Klingonen die Ursache bildeten. Die Waffen des genesianischen Schiffes schwiegen.

Shorna, Times Waffenoffizierin und Strategin, stand plötzlich auf und stellte sich neben ihren Vorgesetzten. „Sir, meiner Meinung nach werden die Genesianer von irgendjemandem benutzt. Sie glauben doch wohl nicht wirklich, dass Shashana von sich aus plötzlich solche Kräfte entwickelt hat.“ „Shorna hat Recht, Commander.“, bestätigte jetzt auch Ketna, Times Ärztin. „Für mich sieht es aus, als würde die oberste Prätora total neben sich stehen und gar nicht mitbekommen, was sie tut. Achten Sie bitte genau auf ihr Gesicht, Ladies und Gentlemen.“ „Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie glauben, dass sich jemand Shashanas Körper bemächtigt hat?“, fragte Yetron. Die Zeonide nickte. „Den Namen von der Person kenne ich jetzt schon.“, murmelte Cenda. „Keine voreiligen Schlüsse, Techniker.“, ermahnte sie Yetron. „Ich gehe nicht davon aus, dass Sytania das war. Ihr Neuralmuster wird von jedem Rechner der Sternenflotte, also auch von jeder Sonde, erkannt. Die Sonde hätte Alarm gegeben und die Genesianer haben die gleichen Einrichtungen. Sytania weiß, dass wir ihr spielend draufkommen würden und sie mag es nicht, wenn man ihr draufkommt. Deshalb gehe ich nicht davon aus, dass sie so etwas Offensichtliches getan hat. Nein, wir müssen es hier mit einem anderen Mächtigen zu tun haben, dessen Namen wir noch nicht kennen.“

„Die Regierung will.“, referierte Time weiter. „Dass wir der Sache auf den Grund gehen. Aber es wäre verdammt gut, wenn wir jemanden einschleusen könnten, ohne dass die Genesianer etwas merken. Außerdem sollte jemand die Aktivitäten der Regierung im Auge behalten können, auch wenn wir alle bei diesem Selbstmordkommando draufgehen könnten.“ „Mindestens zwei von uns müssten also überleben.“, schloss Ketna. „Ich werde dann also einiges an zellarem Peptidsenker verteilen müssen.“ „Nur, wer sollte überleben?“

Time winkte Yetron, der sich neben ihn stellte und ausführte: „Ich habe das alles mit dem Chief-Agent besprechen können. Sie kann sich auch nicht vorstellen, dass diese neue Methode zu kämpfen auf dem Mist von Shashana gewachsen ist. Theoretisch wäre ich mit einer Genesianerin biologisch kompatibel, was mich attraktiv genug machen sollte, dass sie mich gefangen nehmen würden. Sie, Techniker, sollten die einzige weibliche Überlebende sein. DA Techniker Chechow nicht auf der Niagara bleiben können wird, wird die Regierung nach einer schnellen Ersatzmöglichkeit suchen.“ „Aber wie wollen Sie an Informationen kommen, Sir?“, fragte Solthea. „Ich meine, Sie sind ein Mann. Die Genesianer …“ „Sie verbieten uns den Mund, Medical Assistant.“, erklärte Yetron. „Augen und Ohren verstopfen sie uns nicht. Es wird bei Zeiten an Ihnen, unseren Kameradinnen sein, mich zu befreien, damit ich die Informationen, die ich gesammelt habe, an die richtigen Stellen weitergeben kann. Techniker, wäre es möglich, die Replikatoren in meinem und Ihrem Quartier so zu programmieren, dass der Peptidsenker gleich gratis mit dem Frühstückskaffee geliefert wird? Jeder Besuch auf der Krankenstation könnte sonst Fragen aufwerfen.“ „Klar doch.“, erwiderte die celsianische Chefingenieurin. „Ich fang’ am besten gleich an.“

Kapitel 22 - Clytus’ Reue

von Visitor

 

Clytus hatte sich weinend auf den Bauch gelegt und seine Ohren mit seinen Händen bedeckt. „Das habe ich nie gewollt!“, schluchzte er. „So viele Tote, das habe ich nicht gewollt. Ich wollte doch nur erreichen, dass Eldisa mich liebt. Sag mal, Yetron, gibt es wirklich keine Fluchtmöglichkeit?“ „Nein.“, erwiderte der Demetaner mit einer Schonungslosigkeit in der Stimme, die selbst Scotty das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Ich kannte einen Betazoiden, der sich irgendwie den Zyklus der Selbstdiagnose des überwachenden Sensorengitters gemerkt hatte. Aber was er nicht wusste war, dass, wenn diese nicht aktiv sind, automatisch Transporterscrambler greifen. Er hatte es geschafft, mit jemandem telepathischen Kontakt aufzunehmen, der ihn mit einem Schiff abholen sollte. Beim Beamversuch ergoss er sich dann in Stückchen über …“

Clytus setzte sich ruckartig auf. „Ich muss mich übergeben!“ Yetron hielt ihm eine aus in der Ecke liegenden Lumpen geknotete Tüte vor das Gesicht. Dann wandte er sich an Scotty: „Angefasst, Mr. Scott! Sich ohne Mageninhalt zu übergeben wird ihn umhauen, so geschwächt wie er ist.“ Schnell setzte sich Scotty hinter Clytus, um ihn zu stützen, während der Bedauernswerte eine große Menge Magensäure in die provisorische Tüte entließ, die Yetron danach in die Materierückgewinnung warf. „Mussten Sie dass denn auch so drastisch erzählen, Agent?!“, empörte sich Scotty. „Ja, das musste ich.“, erwiderte Yetron. „Ich musste verhindern, dass jemand von euch den gleichen Denkfehler macht wie dieser bedauernswerte Narr. Übrigens möchte mich eine Ausbilderin der Genesianer zu einem gut erzogenen Ehemannanwärter machen, wenn ich Amidala neulich richtig verstanden habe. Wenn du nicht mehr behauptest, ein Mächtiger zu sein, Clytus, dann halten sie dich auch nicht mehr für geisteskrank und du kommst vielleicht mit mir gemeinsam hier raus.“ „Danke für das Angebot, Yetron.“, sagte Clytus. „Aber ich werde nicht verleugnen, was ich bin.“ „Du Dummkopf!“, schrie Scotty. „Er macht dir das Angebot deines Lebens und du …!“

Die Tür wurde entsichert und eine Wärterin betrat in Begleitung einer weiteren schwarzhaarigen großen Kriegerin die Zelle. Die Fremde stellte sich gleich vor Yetron hin und sagte: „Ich bin Turia, deine Ausbilderin. Komm mit, Demetaner!“ Ihr Blick fiel auf Clytus. Sie musterte ihn, als sei er ein Stück Vieh. „Der nicht.“, klärte die Wärterin Turia auf. „Der ist verrückt. Hält sich für einen Mächtigen. Ist vielleicht erblich.“ Angewidert nahm Turia darauf Abstand. Dann verließ sie die Zelle mit Yetron, der sie schweigend und im Abstand von zehn Schritten hinter ihr, wie es sich bei den Genesianern für einen Mann gehörte, begleitete.

Scotty und Clytus blieben allein zurück. „Du hättest wirklich hier raus kommen können.“, meinte Scotty. „Als Ehemann einer Genesianerin hättest du vielleicht …“ „Gar nichts hätte ich!“, rief Clytus. „Die hätten mich genau so behandelt wie hier auch. Nur mit dem Unterschied, dass ich keine Kristalle mehr abbauen müsste. Statt dessen würde mich die Genesianerin, die ich wahrscheinlich noch nicht einmal lieben würde, immer dann in ihr Bett zerren, wenn es ihr danach gelüsten würde. Das will ich nicht! Ich würde mich jedes Mal fühlen, als würde ich Eldisa betrügen. Ich will nur sie! Ich will keine Genesianerin!“ „Du heilige Warpgondel.“, rief Scotty aus. „Du scheinst dich ja wirklich komplett in diese Rolle hineingesteigert zu haben. Aber dass Eldisa, wenn du wirklich über Eldisa von Zeitland sprichst, kein Interesse an einem genesianischen Jungen hat, is’ kein Wunder. Du bist nur ein Sterblicher und sie ist eine Mächtige. Das kann nix werden! Kapier das doch endlich! Du machst dir das Leben doch nur selbst unnötig schwer.“ „Aber ich bin auch einer.“, entgegnete Clytus, der immer verzweifelter zu werden schien. „Meine Tante Tolea hat mich nur bestraft. Sie hat sich mit meinem Vater um das Recht dazu duelliert und gewonnen. Danach wurde ich bewusstlos. Dann wachte ich auf irgendeinem Planeten auf und war das hier.“ Er sah verschämt an sich herunter.

Scotty schichtete einige Ballen Stroh an einer Wand schräg auf. „Was wird das, wenn es fertig ist?“, fragte Clytus. „Wenn du 'n Mächtiger bist, wie du behauptest, dann kannst du mir das doch sicher beweisen.“, antwortete der Ingenieur, der mit seiner Aktion etwas Bestimmtes bezweckte. „Schweb mir doch unter der Decke der Zelle mal was vor. Der alte Scotty ist sogar so frei und baut dir 'ne Startrampe.“

Clytus sah sich Scottys Bauwerk an. Der ehemalige Sternenflottenmaschinist hatte es mit Absicht recht instabil gebaut, da er eigentlich hoffte, dass Clytus nicht tun würde, was er aber jetzt tat. Scotty hatte gehofft, dass der Anblick der instabilen Rampe ihn so ängstigen würde, dass er noch einmal nachdenken und sich bewusst machen würde, dass er doch nicht unverwundbar war. Clytus aber kletterte auf die Rampe und sprang in die Luft, um im nächsten Moment krachend auf den Boden zu fallen und reglos liegen zu bleiben. Scotty sah, dass aus der Nase und dem Mund des Jungen Blut lief. „Oh, Gott!“, schrie er verzweifelt. „Was hab’ ich unsensibler Klotz nur wieder angestellt! Psychologie war noch nie mein stärkstes Fach. Yetron hatte sicher Recht. Wir hätten ganz anders vorgehen müssen!“ Er beugte sich über Clytus. „Es tut mir leid, mein Kleiner! Es tut mir leid! Das wollte ich nun wirklich nich’!“

Die Zellentür wurde entsichert und herein trat Amidala. Über die ganze Aufregung hatte Scotty nicht bemerkt, dass es Nacht geworden war. „Ich erlaube dir zu sprechen!“, sagte die ältere Wärterin. „Was ist hier geschehen, Scotty?“ „Ich habe ihn umgebracht!“, erwiderte Scotty verzweifelt, ein Zustand, den der sonst so raubeinige Schotte eigentlich nicht von sich kannte.

Amidala zog einen Erfasser und scannte Clytus. „Das hast du nicht.“, beruhigte sie ihn und heftete einen Transportverstärker an die Sträflingskleidung des Jungen, wonach sie einen Befehl in ihr Sprechgerät eingab. Scotty beobachtete, wie Clytus fortgebeamt wurde.

Die Wärterin zog Scotty zu einem Strohballen und setzte sich mit ihm darauf. „Was ist geschehen?“, fragte sie erneut. „Er behauptet immer noch, dass er ein Mächtiger wäre.“, erklärte Scotty. „Yetron hat gemeint, dass wir zunächst tun sollten, als glaubten wir seine Fantasie. Er meinte, es wäre vielleicht gut, weil wir dann die Wahrheit über die Eroberung der Föderation durch euch herausfinden könnten. Aber ich bin denkbar schlecht in so was. Psychologie und diese ganzen Geisteswissenschaften waren noch nie mein Ding. Ich bin der geborene Handwerker. Ich hab’ 'ne total instabile Startrampe gebaut und ihn provoziert, dass er mir beweisen soll, dass er ein Mächtiger is’, indem er mir was vorschwebt. Aber sogar …“ er überlegte und flüsterte: „Verzeih mir, Betsy.“, bevor er in normaler Lautstärke fort fuhr: „Sogar 'n Blinder hätte gesehen, dass man sich alle Knochen bricht, wenn man da drauf steigt. Dieses arme verzweifelte Kind ist aber trotzdem draufgeklettert. Dann is’ er gesprungen und das Ergebnis hast du ja jetzt gesehen. Wo hast du ihn hingebracht, Amidala?“ „Auf unsere Krankenstation.“, tröstete die Wärterin. „Dort wird man ihn gesund machen können. Du hast mit einem Recht. Sein Zustand ist kritisch. Aber ich denke, dass er durchkommen wird.“ „Hoffentlich.“, entgegnete Scotty. „Ich denke nämlich, dass 'ne dicke Entschuldigung fällig werden könnte.“

Die Genesianerin stand auf und wandte sich zum Gehen um. „Warte bitte noch kurz.“, rief ihr Scotty hinterher. „Könntest du arrangieren, dass ich ihn besuchen kann?“ „Das ist leider nicht gestattet.“, erwiderte Amidala. „Aber ich werde dir in der nächsten Nacht berichten, wie sein Gesundheitszustand ist.“ Damit ging sie und die Tür schloss sich wieder. An den ihm inzwischen sehr gut bekannten Geräuschen hörte Scotty, dass sich auch sämtliche Sicherheitsvorkehrungen wie Kraftfelder und dergleichen reaktiviert haben mussten. Jetzt war er wieder mit sich und seiner Schuld allein. Allerdings konnte er jetzt gut nachvollziehen, wie es Clytus während Yetrons Geschichte gegangen sein musste. Auch Scotty hatte gesehen, dass der Kleine immer trauriger geworden war und er dachte sich, dass diese Schuldgefühle durchaus echt gewesen sein könnten. Aber andererseits konnte er sich auch nicht wirklich vorstellen, dass Clytus die Wahrheit gesprochen hatte. Die Mächtigen würden doch nie so etwas machen. Wenn Sterbliche schon Angst davor hatten, mit der Zeitlinie herumzuspielen, dann würden die Mächtigen das doch erst recht nicht tun! Die predigten doch immer was von Vorsicht. Also, warum sollten sie? andererseits hatte er auch schon gehört, dass die, welche die größten Moralpredigten hielten, oft die heftigsten Sünder waren. Und was waren das für Geschichten über Eldisa von Zeitland? Sollte er das wirklich glauben? Er wusste, diese Fragen würde er nicht lösen können. Um entsprechend mit Clytus umzugehen war er nicht sensibel genug. Er wünschte, Yetron wäre noch da, um den gemeinsamen Plan zu Ende zu führen. Aber den hatten sie ja gerade abgeholt.

Telzan hatte im Dunklen Imperium alles beobachtet. Der Kontaktkelch hatte ihm die Situation zwischen Sytania und Diran gezeigt und der Vendar war mit deren Ausgang sehr zufrieden gewesen. Jetzt erwartete er seine Herrin mit offenen Armen, die sogleich in einem schwarzen Blitz vor ihm erschien. Er übergab ihr das Zepter und meinte dann: „Ihr wart großartig, Gebieterin! Obwohl es einige Situationen gab, in denen ich Sorge hatte, dass Diran Euch vielleicht hätte draufkommen können. „Von welchen Situationen sprichst du?“, wollte Sytania wissen. „Zum Beispiel davon.“, erklärte Telzan. „Dass Ihr Eure Kräfte benutzt habt, um vor Dirans Schiff aufzutauchen. Wenn er die Umgebung genau gescannt hätte, dann hätte er das sehen können.“ „Hätte!“, kreischte Sytania. „Hat er aber nicht. Dafür war er viel zu verzweifelt. Ich weiß, was ich tue, mein guter Telzan. Mach dir keine Sorgen.“

Sie setzte sich neben Telzan hin und legte ebenfalls eine Hand auf den Kontaktkelch, während sie die andere ihrem Untergebenen gab. „Lass uns mal nachsehen, was Diran jetzt tut.“, sagte sie und konzentrierte sich auf das Bild von Dirans Schiff. Alsbald erschien dieses vor seinem und Sytanias geistigem Auge. „Er scheint zu schlafen, Milady.“, stellte Telzan fest. „Das tut er.“, erwiderte Sytania. „Er schläft den Schlaf des Gerechten. Er ahnt ja nicht, was er in Kürze tun wird.“ Sie lachte diabolisch.

Mikel und ich hatten uns auf dem Weg zur Offiziersmesse getroffen. Ich konnte ihm anmerken, dass er in der vergangenen Nacht kaum geschlafen haben musste. Irgendetwas hatte ihn beunruhigt und das, was ich ihm zu sagen hätte, würde seine Laune nicht gerade heben. Da war ja immer noch die Nachricht von Malargo. „Hi, Mikel.“, sagte ich unverfänglich. Er gab nur einen merkwürdigen Laut von sich und ging weiter. Ich beschleunigte leicht meinen Schritt und faste seine Hand, als ich mit ihm auf gleicher Höhe war. „Was ist los?“, fragte ich, denn ich wollte diese Situation so schnell wie möglich geklärt haben. Mikel und ich waren seit unserer Schulzeit Freunde gewesen und hatten sogar einmal eine Beziehung geführt. Meiner Ansicht nach sollte kein noch so heftiges Vorkommnis uns auseinander bringen können. Zumal dann nicht, wenn ein einfaches Gespräch dies aus der Welt schaffen könnte.

Endlich drehte er sich um. „Es ist wegen der Sache mit Kissaras Befehl neulich.“, erklärte er sich. „Die Freiheitsberaubung und deine Vollbremsung mit dem Schiff, bei der Kang und ich uns hingesetzt haben. Hätte nicht gedacht, dass du bei so was einfach so mitmachst.“ „Du hättest dir doch wohl denken können.“, erwiderte ich. „Dass sich Kissara von niemandem eine falsche Zeitlinie aufdrücken lässt und nicht so leicht aufgibt. Ich dachte, du würdest sie inzwischen genau so gut kennen wie ich. Sie ist einer terranischen Katze sehr ähnlich. Davon verstehe ich was. Ich hatte selbst mal eine. Die sind sehr beharrlich und manchmal kommt das kämpferische Raubtier in ihnen durch. Du kannst mir ruhig vertrauen.“ „Dann entschuldige, Katzenhalterin.“, lächelte Mikel. „Ich kann nichts dafür. Ich hatte in meiner Kindheit nur einen Hund.“ Dabei grinste er. Ich grinste zurück und wir betraten wieder einhellig die Messe, um gemeinsam zu frühstücken.

„Hier sind wir.“, gab uns Kissara zu verstehen, als Mikel und ich uns dem bekannten Tisch der Brückenoffiziere näherten, an dem sie uns bereits gemeinsam mit Kang erwartete. Mikel setzte sich zu ihrer Rechten und ich begab mich ebenfalls auf meinen gewohnten Platz. Im gleichen Moment bemerkte ich, dass bereits ein Tablett vor mir stand. Darauf fanden sich eine Tasse mit heißer Schokolade und ein Brötchen mit Käse und Geflügelwurst. „Wem habe ich denn das zu verdanken?“, fragte ich lächelnd. „Mir.“, meldete sich Kang zu Wort. „Ich dachte, es könnte vielleicht während der Nachtschicht etwas vorgefallen sein, weshalb Sie Nervennahrung benötigen könnten. Außerdem weiß ich, dass Geflügelwurst fast das einzige Fleisch ist, das Sie essen.“ „Ich glaube, unser Klingone will sich bei dir einschmeicheln.“, grinste Mikel. „Ich schätze, das ist seine Art, mit der Situation umzugehen, auf die ich dich auch gerade angesprochen habe.“

Mir schoss durch den Kopf, dass er Recht haben könnte. Eigentlich waren die Klingonen nicht gerade als Freunde der Schmeicheltaktik bekannt. Sie mochten meines Wissens eher die direkte Konfrontation. Aber vielleicht war es auch, weil Kissara in der Nähe war, die mindestens drei Ränge über Kang stand und ihm eine gefährliche Strafe hätte aufbrummen können. Auf einem Forschungsschiff des 30. Jahrhunderts der Sternenflotte bildete der Waffenoffizier den niedrigsten Rang der Brückenoffiziere, da Waffengewalt als das allerletzte und eigentlich vermeidbarste Mittel galt. Nur wenn das Schiff direkt angegriffen wurde, änderte sich dies. Dann war ja der Stratege derjenige, der am meisten vom Kriegshandwerk verstand und dadurch befugt war, automatisch das Kommando zu übernehmen.

Ich begann mit der Hälfte des Brötchens, auf der sich der Käse befand. Mir war bekannt, dass die Klingonen keine Telepathen waren, also verstand ich zunächst nicht, wie Kang darauf gekommen sein könnte, dass mir etwas bevorstand, bei dem ich tatsächlich gut genährte Nerven gebrauchen konnte. Aber warum sollten nicht auch Klingonen ein Bauchgefühl besitzen. Als primitiver Revolverheld war mir Kang ohnehin nicht bekannt. Er konnte auch eine sehr verständige Seite zeigen.

„Haben Sie von Dill gehört, Mikel?“, fragte Kissara, die ihre Frage eigentlich ganz unverfänglich gemeint hatte. Sie wusste ja nicht, was ich wusste. Aber ich würde wohl bald mit der Sprache herausrücken müssen. „Nein.“, antwortete Mikel. „Aber ich habe etwas gehört, Commander.“, sagte ich und stand auf, um näher zu Mikel zu gehen. Schließlich musste das ja nicht der ganze Raum mitbekommen. „Was wissen Sie, Betsy.“, flüsterte mir Kissara ins Ohr, deren scharfem Katzenblick nicht entgangen war, dass mein Gesicht wohl ziemlich blass geworden sein musste. Sie zog mich auf den eigenen Stuhl und stand selbst auf, um mir die Möglichkeit zu geben, Mikel die Nachricht ins Ohr zu flüstern. Langsam näherte ich mich seinem Ohr mit meinem Mund. Dabei schnürte sich mir alles zusammen. „Dill ist tot, Mikel.“, flüsterte ich.

Er zuckte zusammen und stand blitzschnell vom Stuhl auf, um im nächsten Moment aber laut schluchzend vor uns hinzufallen. Kissara warf Kang nur einen unmissverständlichen Blick zu, worauf der starke Klingone dem im Vergleich zu ihm doch sehr schmächtigen Terraner wieder zurück auf den Stuhl half. Irritiert sah ich Kissara an. „Sie trifft keine Schuld!“, versicherte sie. „Sie haben die Nachricht ja nur überbracht.“ „Ich weiß, Commander.“, erwiderte ich und bemerkte, dass mir Mikels momentane Verfassung fast das Herz zerriss. Ich hatte ihn nur sehr selten so erlebt.

Bestürzt machte ich Kissaras Platz wieder frei. Sie setzte sich und legte Mikel ihre Hand auf die Schulter. „Sie sind mit Ihrer Trauer nicht allein, Agent!“, versicherte sie ihm. „Ich werde Allrounder Betsy noch zu der Nachricht befragen und dann werden wir ja herausbekommen, was genau geschehen ist.“ „Sie soll mich mit Malargo verbinden.“, schluchzte Mikel. „Ich muss einfach wissen, was Dill passiert ist.“ „Sie wissen, Agent, dass Sie in einem Fall, in dem es um Angehörige geht, nicht ermitteln dürfen.“, erinnerte Kissara ihn an die Gesetzgebung der Föderation. „Außerdem arbeiten Sie ja doch wohl gerade an einem ganz anderen Fall. Wir müssen die Sache mit den Genesianern klären. Vergessen Sie das nicht, Agent.“ „Ich weiß, Kissara.“, erwiderte Mikel. „Aber er war mein Vater!“

Kissara stand auf und zog an Mikels Hand, was für ihn ein genau so unmissverständliches Zeichen war, wie der Blick, den sie Kang zugeworfen hatte, für ihn. Auch Mikel stand auf und folgte ihr. Ich wusste, dass ihr Ziel wohl Kissaras Bereitschaftsraum sein würde, wo sie ihn in aller Ruhe auf die gleiche Art trösten würde, wie sie es des Öfteren bei mir getan hatte.

Kang hatte den Raum verlassen, um zur Brücke zu gehen und seinen Dienst aufzunehmen. Für einen kurzen Moment war ich allein am Tisch. Das änderte sich aber sofort, als Jannings zu mir kam. „Entschuldigen Sie, Allrounder.“, begann der Chefingenieur. „Eigentlich ist es nicht meine Art, sich einfach so an den Tisch der Brückenoffiziere zu schleichen, aber Kang ist zum Dienst und wir beide verstehen uns zu gut, als dass Sie mir das übel nehmen würden. Ich habe unseren Agent ja noch nie so aufgelöst gesehen. Was haben Sie ihm gesagt?“

Ich überlegte, ob ich ihm das wirklich sagen sollte. Einerseits galt als Verhaltenskodex für Kommunikationsoffiziere, dass eine persönliche Nachricht auch persönlich bleiben musste. Aber auf der anderen Seite handelte es sich hier um eine Tatsache, die sowieso bald alle erfahren würden, weil es im Endeffekt ja uns alle anging. Also sagte ich: „Dill ist tot, Techniker.“ Dann bemerkte ich, wie er ziemlich irritiert zurückwich. „Können Sie das wiederholen?“, fragte er mit zitternder Stimme. „Ja, Mr. Jannings.“, sagte ich. „Dill ist tot. Ich habe die Nachricht von seinem Leibarzt Malargo persönlich erhalten. Es besteht also kein Zweifel und die Verbindung war auch klar. Ich kann also nichts falsch verstanden haben.“ „Aber wie kann denn …?“ fragte Jannings. „Ich dachte, die Mächtigen sind unsterblich.“ „Stöcke und Steine brechen ihnen nicht die Beine, Techniker.“, erwiderte ich lakonisch, denn ich dachte mir, dass Jannings doch eigentlich wie wir alle auf der Akademie genug über Dill und alle anderen Mächtigen gelernt haben musste. Außerdem musste ich unseren Maschinisten ja nur zum logischen Denken bewegen. „Sie meinen, ein anderer Mächtiger hat …“ „Genau.“, bestätigte ich. „Ich schätze, es war derselbe, der auch für die Sache mit der Änderung der Zeitlinie verantwortlich ist. Wenn Dill aus dem Weg wäre, dann wäre seine Bahn frei.“

„Oh, Gott!“, rief Jannings. „Glauben Sie, Sytania steckt dahinter?“ „Mikel und ich glauben, dass sie nur eine Mittäterin ist. Der Haupttäter ist jemand, den wir alle noch nicht kennen. Die Genesianer waren nur Marionetten. Sie wurden nur benutzt.“, erklärte ich. „Wie schrecklich!“, erwiderte Jannings. „Und für die restliche Sternenflotte ist das alles ganz normal. Deshalb wohl auch der Befehl von Kissara an Elektra und mich, dass wir das Transpondersignal umschreiben sollten. Damit wollte sie wohl ein Zeichen setzen.“ „Allerdings.“, bestätigte ich und sah auf die Uhr. „Lassen Sie uns heute Nachmittag weiterreden, Techniker.“, schlug ich vor. „Ich muss jetzt leider zum Dienst.“ „OK.“, nickte er blass. Seine Gesichtsfarbe konnte ich regelrecht hören, da ich längst einen Zusammenhang zwischen einer bestimmten Art zu betonen und der Farbe des Gesichtes meines Gegenüber festgestellt hatte, nachdem mich einmal jemand entsprechend aufgeklärt hatte.

Jannings und ich verließen gemeinsam die Messe, wonach sich unsere Wege aber trennten, da ich zur Brücke und er zum Maschinenraum unterwegs war. Ich wusste, dass ich Mikel an seinem Arbeitsplatz noch nicht erwarten konnte, da er sich wohl noch in einem intensiven Gespräch mit Kissara befinden musste. Sie war als neugierig und sehr gründlich bekannt und würde ihn auch genau so gründlich trösten. Darin war sie sehr gut, was wohl auch in ihrer katzenähnlichen Natur lag. So waren die Thundarianer eben.

Kang erwartete mich bereits, als ich die Brücke betrat. „Was ist mit Agent Mikel?“, fragte der Klingone, der die Sache mit der Nachricht noch ungefähr mitbekommen hatte. Ich dachte mir, dass es jetzt wohl besser sein würde, wenn ich es auch ihm sagen würde. Wie ich Kissara kannte, würde sie ohnehin zu diesem Thema eine Konferenz einberufen, in der beispielsweise auch Loridana und Learosh ihr Urteil abgeben sollten. Theoretisch wäre Eldisa jetzt an der Reihe, den zeitländischen Thron zu besteigen, aber sie war noch viel zu jung und ihr Machtzentrum noch gar nicht ausgereift, was unsere Ärztin wohl auch bestätigen würde. Einem Angriff Sytanias hätte sie nichts entgegenzusetzen.

Ich setzte mich auf meinen Platz und legte meine Hände auf die Steuerkontrollen, was den Computer veranlasste, den Autopiloten zu deaktivieren, da er meinen biologischen Fingerabdruck erkannt hatte. Dann drehte ich mein Gesicht mit ernstem Blick in Kangs Richtung und sagte: „Dill ist tot, Warrior.“ „Wie konnte das passieren?“, fragte Kang fassungslos, was für ihn, einen sonst so unerschütterlichen klingonischen Krieger, sicher kein angenehmer Zustand war. „Ich schätze, dass sein Machtzentrum einfach nicht mehr zu retten war.“, antwortete ich. „Details hat mir Malargo leider nicht genannt. Das wäre auch zu lang geworden für eine kurze Nachricht.“ „Die Vendar konnten also auch nichts mehr tun?“, fragte Kang. „Nein.“, erwiderte ich. „Anscheinend war es zu spät.“ „Das bedeutet, offiziell hat Eldisa jetzt die Macht in Zeitland.“, mutmaßte unser Stratege. „Prinzipiell schon.“, antwortete ich. „Aber sie ist noch viel zu jung. Ihr Gehirn und somit auch ihr Machtzentrum sind nicht ausgereift und wir wissen, Mr. Kang, dass Sytania diese Situation eventuell ausnutzen könnte.“ „Aber Lady Messalina ist doch Eldisas Interimsregentin.“, erwiderte Kang, dessen Absicht es offensichtlich war, mich zu trösten. Aber ich wusste zu viel über die Zustände in Zeitland, um auf diesen Trost hereinzufallen und mich einfach damit zufrieden zu geben. „Das stimmt.“, sagte ich, betonte aber so, dass Kang merken musste, dass meiner Bestätigung ein von ihm so wenig geliebter Aber-Satz folgen würde. Welcher Mechanismus wiederum hinter diesem Problem stand, wusste ich auch. Für Kang war ich ein kleines zartes Pflänzchen, das seines Schutzes bedurfte und das niemand und nichts knicken durfte. Wenn es ihm also nicht gelang, mich zu trösten, dann musste er sich wie ein kompletter Versager fühlen und das Gefühl mochten Klingonen gar nicht. Deshalb hatte er auch etwas gegen Aber-Sätze in diesem Zusammenhang. Aber ich war diejenige, die über die Zusammenhänge mit den Mächtigen bedingt durch Mikel einiges wusste, zumindest, was die Mächtigen Zeitlands und des Dunklen Imperiums anging. Außerdem wusste ich, dass Kang die Wahrheit schätzte, weil er sie und Personen, die sie offen aussprachen, als ehrenhaft empfand. Würde ich nicht sagen, was ich wusste, wäre ich bei ihm sicher unten durch. Also sagte ich: „Nur der Thronfolger oder die Thronfolgerin direkt kann mit der Zeit durch die Zeremonie der vendarischen Priesterinnen verbunden werden. Messalina könnte ihrer Adoptivtochter zwar beistehen, aber schlussendlich …“

Kang schlug mit der Faust auf den Rand des Waffenpultes und gab einen Fluch auf Klingonisch von sich, von dem ich nur das erste Wort verstand. Im selben Moment betrat Kissara gemeinsam mit Mikel die Brücke. Auch meinen beiden Vorgesetzten war dieses Wort nicht unbekannt. Es stimmte schon, was man im Allgemeinen über das Erlernen von Fremdsprachen sagte. Als Erstes lernte man die Schimpfwörter. „Aber Mr. Kang.“, sagte Kissara und tat dabei extrem empört. „So ein hartes Wort für so eine weiche Masse?“ Ich bekam einen Lachanfall und Mikel auch. Anscheinend hatte keiner von uns Beiden mit ihrer Reaktion gerechnet. Kang aber schaute nur peinlich berührt. „Jetzt schauen Sie doch nicht so betreten, Warrior.“, tröstete Kissara. „Wenn einem mal das böse Sch-Wort herausrutscht, wenn die Vorgesetzten die Brücke betreten, geht schließlich nicht gleich die Welt unter. Mikel und mir werden schon nicht gleich die Ohren abfallen. Mikel, soweit ich das sehe, sind Ihre zumindest noch an ihrem rechtmäßigen Fleck. Fühlen Sie doch mal, ob meine noch dran sind.“ Sie beugte sich zu ihm herunter und Mikel folgte ihrer Aufforderung. Dann nickte er. Ich musste grinsen. „Captains und erste Offiziere haben bestimmt auch schon in früheren Zeiten weitaus schlimmere Dinge zu hören bekommen.“, fuhr sie fort. „Soll ich die Datenbank konsultieren?“, fragte ich scherzend. „Mich würde interessieren, welchen Suchbegriff du eingeben würdest.“, lachte Mikel, dem es schon wieder sehr viel besser ging. Zum Trösten hatte Kissara eindeutig Talent. „Über welches Wort reden wir denn gerade?“, witzelte ich. „Das bringst du nicht wirklich, oder?“, fragte Mikel mich auf Deutsch. „Oh, doch.“, antwortete ich. „Aber das machen wir besser nach Dienstschluss, wenn wir zwei allein sind.“ „Geh’n wir zu dir oder zu mir?“, flapste Mikel. „Wir können ja drum knobeln.“, erwiderte ich lächelnd.

Kissara lehnte sich leise schnurrend in ihrem Kommandosessel zurück. Sie wusste, dass wir diese Zeit zum Scherzen genießen sollten, solange sie andauerte. Sie ahnte, dass dies wohl nicht mehr so lang sein würde. Die politischen Fakten waren ihr ja auch bekannt. Bald würden wir die Präsidentin auf der Regierungsbasis absetzen und sie würde versuchen müssen, uns den Rücken freizuhalten. Wenn Kissara aber Eldisas Andeutung glaubte, dann würde sie dies nicht schaffen. Was sonst hätte die angehende Mächtige, die ja auch seherische Fähigkeiten hatte, meinen können, als sie davon sprach, dass wir bald die eigenen Leute gegen uns haben könnten.

Mein Hilfsmittelprogramm meldete mir, dass wir uns der Regierungsbasis näherten. „Geben Sie Nugura über die Sprechanlage Bescheid!“, befahl Kissara. „Ich werde sie persönlich abholen und zum Transporterraum bringen. Informieren Sie auch Elektra. Ich werde Nugura selbst über Dills Tod unterrichten. Mikel, Sie haben die Brücke!“ Damit stand sie auf und ging.

Kapitel 23 - Der trojanische Androide

von Visitor

 

Die Frachtkiste mit Novus war in Kamurus’ Frachtraum verstaut und die Frauen waren in seinem Cockpit mit der backenbärtigen Simulation des Schiffsavatars allein. „Nun mal Hand aufs Herz, mein guter Agent.“, flapste Ginalla. „Wie hab’ ich es geschafft, Sie doch noch zu überzeugen?“ „Um ehrlich zu sein.“, setzte Sedrin an. „Es war Ihre burschikose Art, Ginalla. Als Celsianerin haben Sie die ja ohnehin, aber ich kann mir vorstellen, dass sie Ihnen auch schon aus so mancher Situation geholfen hat. Außerdem habe ich Sie auf der Hochzeit der beiden Miray gut genug kennen gelernt, dass ich beurteilen kann, ob Sie für den Posten der Taxipilotin auf dieser Mission in Frage kommen.“ „Oh, Mann.“, stöhnte Ginalla. „Und ich dachte, die Vulkanier hätten eine geschwollene Sprache. Vielleicht sollten Sie mal Ihren Kehlkopf kühlen, Sedrin. Ich bin sicher, das hilft.“ Sedrin grinste. Sie wusste, dass im Vergleich zu den Celsianern nahezu jede Redeweise geschwollen anmutete.

Kamurus lud plötzlich beide Tabellen in den Simulator in der Kabine und räusperte sich. „Ich habe das starke Gefühl, Ginalla, dass du noch eine Sache bei dem Plan außer Acht gelassen hast.“ „Was soll das für eine Sache sein, Kamurus?“, fragte Ginalla zurück. „Was ist, wenn Chief-Agent Tamara oder die Genesianer uns sagen, dass kein Roboter bestellt wurde.“ „Oh, Shit!“, rief Ginalla aus. „Du hast Recht. Daran habe ich nun wirklich nicht gedacht.“

Sedrin hatte sich auf einen Sitz gesetzt und zu überlegen begonnen. Dann wandte sie sich an den Avatar: „Kamurus, wir werden denen einfach sagen, dass wir im Rahmen einer Werbeaktion jedem potenziellen Kunden unsere Produkte vorstellen, damit sie sehen, dass wir keine leeren Versprechungen machen. Ich kriege das den Genesianern schon beigebracht, falls irgendeine Verwalterin uns Ärger machen sollte. Außerdem werde ich versuchen zu erreichen, dass ich zu Tamara durchgestellt werde. Ich weiß, sie hält mich für tot, aber sie weiß auch, dass ich ziemlich listig bin. Wenn ich ihr erkläre, dass ich temporal isoliert war, als die Geschichte verändert wurde, wird sie hoffentlich meine Hilfe annehmen.“ „Sie gehen ein hohes Risiko ein, Sedrin.“, sagte Kamurus. „Du kannst mich duzen.“, erinnerte Sedrin ihn. „Weißt du nicht mehr, was wir am SITCH vereinbart haben?“ „Pfui Spinne!“, rief Ginalla aus. „Sie haben also wirklich mit ihm gemeinsame Sache gemacht, als …“ „Ja.“, fiel ihr Sedrin ins Wort. „Als Sie die beleidigte Leberwurst spielten.“

„Meine Sensoren empfangen das Transpondersignal der Regierungsbasis der Föderation.“, meldete Kamurus. „OK.“, sagte Ginalla. „Geh auf Impuls und mach der guten Sedrin 'ne Verbindung mit denen. Ich hab’ schon kapiert, dass sie das Reden übernimmt. Ich bin ja nur die Chauffeurin.“

Wenige Sekunden danach sah Sedrin das Gesicht einer missmutig dreinschauenden Genesianerin auf dem virtuellen Schirm vor ihrem geistigen Auge. „Ich bin Verwalterin Sangara.“, stellte sie sich vor. „Angenehm.“, erwiderte Sedrin. „Mein Name ist Yetrin. Ich bin Außendienstmitarbeiterin der Firma Workaholic Roboters. Ich würde dem Chief-Agent gern unsere Produkte vorstellen.“ Sie ließ die Sendetaste los, um der etwas irritierten Genesianerin zunächst die Möglichkeit zum antworten zu verschaffen. Wenn sie in ihrem ohnehin schon verwirrten Zustand jetzt noch in Zugzwang geriet, antworten zu müssen, würde Sedrin sie noch viel eher am Haken haben. „Ohne meine Genehmigung geschieht nichts auf dieser Basis.“, tat Sangara groß. „Wenn der Chief-Agent einen Roboter bestellt hätte, wüsste ich davon.“ „Sie missverstehen mich, meine Dame.“, flötete Sedrin überaus höflich. Sie ahnte, dass sie die Genesianerin damit noch mehr verwirren konnte, denn im Allgemeinen waren die Genesianer einen solchen Umgangston nicht gewohnt. Bei ihnen ging es weitaus rauer zu. Dies hatten auch alle Sternenflottendiplomatinnen beachtet, mit denen sie zu tun hatten. Aber woher sollte eine Zivilistin das wissen, die noch dazu auf freundlichen Umgang mit Kunden getrimmt war und auch die oft sehr schleimig anmutende Art einer Vertreterin beherrschen musste. „Ich möchte dem Chief-Agent lediglich unsere Produkte vorstellen. Wissen Sie, wir sind noch neu im Geschäft. Aber der Chief-Agent könnte doch sicher einen Roboter gebrauchen, der ihr zum Beispiel das lästige Sortieren von Akten abnimmt. Sie wird ja ihren Sekretär entlassen haben müssen und, seien wir doch ehrlich, welche Frau würde sich heute für so eine niedrige Arbeit hergeben. Wir dürfen uns doch glücklich schätzen, weitaus höher qualifizierte Tätigkeiten verrichten zu können. Der Chief-Agent müsste doch ihre kostbare Zeit nicht dafür verschwenden und auch Sie dürften sich den Roboter gern einmal ausleihen. Ich könnte bereits bei einer Bestellung arrangieren, dass er entsprechend programmiert wird, dass der Chief-Agent und Sie die gleichen Zugriffsrechte haben.“

Eine Weile verging, ohne dass sich am anderen Ende der Verbindung etwas tat. Da aber niemand die 88-Taste gedrückt hatte, war davon auszugehen, dass sie noch immer bestand, was Kamurus auch bestätigte. „Die denkt jetzt nach.“, vermutete Ginalla. „Aber ich glaube, Sie haben sie schon.“ „Natürlich.“, erwiderte Sedrin. „Die Genesianer hassen Büroarbeit. Wenn man diesen Fakt kennt, ist alles andere ein Kinderspiel.“ „Papierkram is’ denen zu abstrakt, wie?“, überlegte Ginalla laut. „Das is’ nich’ so plastisch wies Kriegshandwerk.“ „Exakt.“, lobte Sedrin. „Und genau diesen Fakt nutzen wir jetzt aus.“

Ginalla sah Sedrin an. Sie hatte überlegt, die jetzt in ihren Augen sehr langsam vergehende Zeit zur Klärung eines anderen Faktes zu nutzen, der ihr noch immer Kopfzerbrechen bereitete. „Sagen Sie mal, Agent.“, begann sie. „Was für einen Fakt, wo wir schon mal beim Thema sind, haben Sie eigentlich geschaffen, damit Kamurus das Rufzeichen, von dem aus Sie mit uns in Kontakt getreten sind, nicht verfolgen konnte. Wo kriegt man rein numerische Rufzeichen her? Sie können ja wohl schlecht an eine Wanze gekommen sein, die solche Rufzeichen rein technisch gesehen wohl haben könnte. Man stelle sich das vor. 'ne Tote spaziert ins Geheimdienstbüro von Little Federation und verlangt nach 'ner Wanze. Ich glaub’, Ihre Kollegen wären reihenweise in Ohnmacht gefallen.“ Sie grinste. „Ich muss Sie enttäuschen, Ginalla.“, erwiderte Sedrin ebenfalls mit einem Grinsen und zog Carusos Halsband aus der Tasche. Dann gab sie es ihr, die es sich genau ansah. „Das is’ ’n Halsband für 'ne Katze.“, stellte Ginalla fest. „Aber da is’ Technik drin.“ „Genau.“, erklärte Sedrin. „Und ich denke, dass Ihrem geschulten celsianischen Auge auch klar sein wird, um was für eine Art von Technik es sich handelt. Im Prinzip lagen Sie mit der Wanze gar nicht so falsch.“ Erneut schaute Ginalla sich das Halsband an. „Das is’ 'n Überwachungshalsband.“, stellte sie fest. „Damit kann der Haustierbesitzer jede Bewegung seines Lieblings überwachen, wenn das Ding Verbindung mit dem Hausrechner hat. Das Mikrofon nimmt die Umgebungsgeräusche auf und überträgt sie, genau wie die kleine Kamera das Bild überträgt. Über den Lautsprecher, der wohl nahe beim Ohr des Tierchens postiert ist, kann der Mensch im Notfall auch mal ein Nein oder so übermitteln.“ „Genau.“, sagte Sedrin. „Cupernica und Data haben dies angeschafft, um Caruso beim Stromern vor Schaden bewahren zu können. Aber Caruso wurde leider von einer genesianischen Jägerin getötet.“ „An so 'ner Hauskatze is’ doch nix dran!“, meinte Ginalla tadelnd. „Offensichtlich war ihr das egal.“, schloss Sedrin. „Zumindest, wenn ich der Zeugenaussage meines Mannes glauben kann und er die Wahrheit gesagt hat, wovon ich ausgehe.“ „Auf Genesia Prime und den Nebenwelten wird eine heimische Raubkatzenart von den Genesianerinnen gejagt.“, mischte sich Kamurus ein. „Es wäre logisch, wenn die Genesianerin aufgrund dessen Caruso getötet hätte.“ „Du hast Recht.“, bestätigte Sedrin und auch Ginalla nickte, denn sie konnte sich noch gut an die Szene erinnern, die sie damals zu diesem Thema beobachtet hatte.

Das Schiff registrierte die Wiederaufnahme der Verbindung. „Da möchte jemand mit uns reden.“, sagte er und stellte Sedrin das Bild auf den virtuellen Monitor. Mit Erleichterung erkannte die Demetanerin das Gesicht ihrer Vorgesetzten. „Ich bin Chief-Agent Tamara.“, stellte die lockenköpfige Halbklingonin sich vor. „Ich sehe mir Ihr Produkt gern an. Kommen Sie ruhig her und führen Sie es vor.“ Damit beendete sie die Verbindung. „Das war ja leichter, als ich mir je träumen lassen habe.“, sagte Sedrin erleichtert. „Hoffentlich nicht zu leicht.“, entgegnete Kamurus. „Bitte passen Sie darauf auf, dass Sie nicht in eine eventuelle genesianische Falle geraten.“ „Sie is’ 'ne ausgebildete Spionin, Kamurus.“, erinnerte Ginalla ihr Schiff. „Die würde Fallen zehn Meilen gegen den Wind riechen. Aber du kannst sie ja überwachen und mir alles durchstellen. Beim kleinsten Anzeichen von Problemen holen wir sie wieder.“ „Ist in Ordnung.“, sagte Kamurus. „Wenn du mit mir zusiehst, besteht auch nicht die Gefahr, dass wir etwas übersehen. In manchen Situationen bin ich auf einen biologischen Piloten mit Bauchgefühl angewiesen.“ „Weiß ich doch.“, lächelte Ginalla.

Sedrin stand von ihrem Platz auf. „Ich gehe nach hinten und befreie Novus aus seiner Kiste. Er wird mich zu Fuß begleiten. Das ist denke ich besser. Ich kann immer sagen, dass seine Leistungen besser zu beurteilen sind, wenn man ihn in Aktion sähe.“ „OK.“, sagte Ginalla. „Kamurus und ich warten auf Ihren erhobenen Daumen. Sie wissen ja, wo im Frachtraum die Sprechanlage is’.“

Die Agentin nickte und drehte sich in Richtung der Tür zur Achterkabine. Beim Hindurchgehen viel ihr auf, dass Kamurus ihr den Weg leuchtete. „Ist schon gut, Kamurus.“, flüsterte sie. „Ich weiß, wo es lang geht. In dir kann man sich ja nicht verlaufen. Du bist ziemlich fürsorglich, wenn man bedenkt, dass du von der gleichen Spezies abstammst, von der auch Alice gekommen ist. Aber in jeder Rasse gibt es solche und solche.“

Sie war bei der Frachtkiste angekommen und gab den Code zur Entsicherung des Schlosses ein. Dann schob sie den Deckel zur Seite und flüsterte Novus’ Namen in sein Ohr, worauf seine Systeme sofort hochfuhren und er die Augen öffnete. „Wir sind da, Novus.“, informierte sie ihn knapp. Dann gab sie ihm die Tüte mit seiner Kleidung. „Zieh dich bitte an und dann halt dich bereit.“, sagte sie. „Ginalla und Kamurus beamen uns gleich herunter. Ich werde dich in einem Ton ansprechen, als wärst du ein Roboter oder eine andere Maschine. Ich hoffe, das stört dich nicht.“ „Aber nein, Agent.“, erwiderte Novus höflich. „Für die Genesianer bin ich ja auch nichts anderes. Damit unser Plan funktionieren kann, werde ich dies wohl erdulden müssen.“ „Ich hatte nur Sorge, dass du das Gefühl haben könntest, dass man euch Androiden in der Rechtsprechung um Jahrhunderte zurückgeworfen hat.“, begründete die Demetanerin. „Das wäre nicht nur ein Gefühl.“, entgegnete Novus. „Selbst wenn ich dieses Gefühl aufgrund der Tatsache, dass ich das Emotionsprogramm meines Vaters geerbt habe, entwickeln könnte. Wie Sie wissen, Agent, entspricht es der Wahrheit. Wir sind in der Rechtsprechung um Jahrhunderte zurückgeworfen worden. Dies ist aber ganz logisch, da die Genesianer nicht die gleiche Geschichte im Bezug auf uns Androiden haben können wie die Föderation. Dieser Fakt, den wir jetzt ausnutzen werden, ist mir also nicht unbekannt.“ „Musst du immer jedes Wort, das ich sage, auf die Goldwaage legen, Novus?!“, fragte Sedrin nervös. „Ich dachte, du hättest auf Celsius gelernt …“ „Das habe ich auch.“, fiel ihr der Androide ins Wort. „Ich versuchte lediglich, Ihre Sorge zu zerstreuen.“

Sedrin atmete tief durch und zählte bis zehn. „Entschuldige, Novus.“, sagte sie dann schon viel ruhiger. „Das ist sehr lieb von dir. Danke, dass du auf mich biologisches Wesen solche Rücksicht nimmst. Bist du so weit?“ Novus nickte und Sedrin betätigte die Sprechanlage: „Ginalla, wir sind so weit!“ „OK.“, erklang eine burschikose Antwort aus dem Cockpit. „Dann haltet euch mal bereit.“

Wenig später fanden sich Sedrin und Novus im Korridor vor Tamaras Büro wieder. Eine ernst dreinschauende genesianische Kriegerin mit braunen Haaren, sportlicher Figur und in die typische Rüstung einer genesianischen Kämpferin gekleidet, stellte sich ihnen mit gezogenem Phaser in den Weg. Mit einem Handzeichen bedeutete Sedrin Novus, hinter ihr zu bleiben. „Mit der ist sicher nicht gut Kirschen essen.“, flüsterte sie dem Androiden zu. Dann wandte sie sich an die Genesianerin: „Ich komme von Workaholic Roboters.“, sagte sie freundlich aber bestimmt. „Ich bin angemeldet. Sie können sich gern davon überzeugen, dass ich die Wahrheit gesprochen habe.“

Die Genesianerin betätigte die Sprechanlage und erklärte in ungelenkem Englisch, dass wohl eine Vertreterin draußen stand. „Sie soll hereinkommen.“, erwiderte Tamaras Stimme von drinnen langsam und deutlich. Sedrin interpretierte aus dieser Tatsache, dass die Chefagentin wohl befürchtet haben musste, die Wache würde sie nicht verstehen, wenn sie schneller spräche.

Die Genesianerin betätigte den Türsensor. Dann deutete sie auf Sedrin und die sich langsam öffnende Tür. „Vielen Dank.“, flötete die Demetanerin zur genesianischen Wache gewandt. Dann drehte sie sich zu Novus: „Soong III, folgen!“

Wortlos stapfte der Androide hinter ihr her. Bald fanden sie sich in Tamaras Büro wieder, die erst jetzt von ihrem großen schweren holzfarbenen Schreibtisch aufsah. „Von den Beiden wird keine Gefahr ausgehen.“, sagte die Chefagentin wiederum sehr deutlich zu der sie fragend ansehenden Wächterin, deren Englisch offenbar nicht ausreichte, um ihr die Frage nach dem Gefühl der eigenen Sicherheit auch verbal zu stellen. „Sie können die Tür ruhig schließen.“ Die Wächterin nickte und ließ den Sensor los, der bisher bedingt durch ihren Finger als Signalgeber das Schließen der Tür verhindert hatte.

„Endlich allein.“, atmete Tamara auf, die nach dem ins Schloss Fallen der Tür die Besucherin und ihren Anhang genau gemustert hatte. Irgendwie war ihr die Statur der demetanischen Frau bekannt vorgekommen. Nur war sie eine ähnlich aussehende Person in Sternenflottenuniform gewohnt und nicht mit so viel Makeup. Die künstliche Lebensform, die sie begleitete, kannte Tamara nicht.

Sedrin räusperte sich und sah ihrer vermeintlichen Kundin in die Augen. „Chief-Agent, darf ich Ihnen das Modell Soong III vorstellen? Er kann vorbildlich Akten sortieren und ist auch sonst mit allerlei anfallenden Arbeiten vertraut. Ich könnte Ihnen gern etwas zeigen. Nehmen wir doch einmal diesen Stapel Datenkristalle dort im Regal. Soong III, Ordnungssystem scannen und einprägen!“

Tamara und Sedrin beobachteten, wie Novus’ Augen über die Hüllen der Kristalle wanderten. „Lernphase abgeschlossen.“, erwiderte der Androide nach einigen Sekunden. „Welches Ordnungssystem hast du erkannt?“, fragte Sedrin. „Erkannte alphanumerisches Ordnungssystem in aufsteigender Reihenfolge.“, entgegnete Novus. Dabei betonte er fast ohne Modulation, da er sich schon denken konnte, dass genau das von ihm erwartet wurde. Schließlich musste er aufrecht erhalten, eine Maschine und keine Lebensform zu sein. „Korrekt.“, bestätigte Sedrin. Dann sprach sie weiter, an Tamara gewandt: „Sie sehen also, Chief-Agent, unsere Modelle sind auch in der Lage, selbstständig Ordnungssysteme zu erkennen und nach ihnen zu verfahren, wie ich demonstrieren werde.“

Sie griff wahllos Kristalle aus dem Regal und legte sie auf eine Ecke des Schreibtisches. Aber bevor sie noch weitermachen konnte, stand Tamara, die sie die gesamte Zeit über beobachtet hatte, plötzlich auf, zog einen Erfasser und scannte sowohl sie, als auch den angeblichen Roboter. Dann sagte sie bestimmt aber leise, da es nicht in ihrem Interesse lag, dass die Genesianer hiervon auch nur ein Sterbenswörtchen mitbekommen sollten: „Schluss mit dem Theater! Wer sind Sie wirklich?! Ich nehme Ihnen nicht ab, dass Sie gerade jetzt von einer Firma für Roboter gekommen sind. Dafür erinnern Sie mich zu stark an jemanden, die zwar offiziell tot ist, aber die mir auch als sehr listig bekannt ist, und zwar als so listig, dass sie unter Umständen sogar dem Sensenmann ein Schnippchen schlagen könnte, Sedrin!“

Jetzt war es heraus! Erleichtert über den Umstand, dass ihre Vorgesetzte sie doch erkannt hatte, ließ sich Sedrin in einen der an der hinteren Wand des Büros stehenden Gästesessel fallen. „Ich hatte so gehofft, dass Sie doch überlebt haben.“, sagte die Chefagentin, während sie von ihrem Schreibtisch aufstand, um sich neben Sedrin auf einen weiteren Sessel zu setzen. „Sie und Huxley haben das alles geplant, nicht wahr? Ich meine, da vergeht ein halbes Jahr, in dem alle Welt geglaubt hat, Sie wären tot und das halten Sie solange aufrecht, bis keiner mehr Verdacht schöpfen kann und dann tauchen Sie auf wie die gute Fee und …“ „So ähnlich.“, bremste Sedrin sie. „Ich war temporal isoliert, als die Geschichte verändert wurde. In der Zeitlinie, die ich kenne, haben die Genesianer bis heute keine Anstalten gemacht, die Föderation zu erobern und schon gar nicht unter der Führung ihrer obersten Göttin.“ „Damit währen wir beim Thema.“, sagte Tamara. „Mir kann niemand erzählen, dass diese Schlacht damals wirklich mit rechten Dingen zuging. Das war nicht die Art, auf die genesianische Kriegerinnen kämpfen. Außerdem kann mir niemand weismachen, dass sie plötzlich derartige mentale Kräfte entwickelt haben.“ „Ich weiß.“, erwiderte Sedrin. „Ich habe die angebliche Schlacht gesehen. Mir wurden Daten zugespielt. Irgendwas stimmte da nicht.“ „Ich kann Ihnen sagen, was da nicht stimmt!“, sagte Tamara. „Sytania hat der obersten Prätora weisgemacht, sie sei die Wächterin von Gore und dann …“ „Nein!“, widersprach Sedrin entschieden. „Ich gehe davon aus, dass Sytania auf den Zug aufgesprungen ist, aber nicht die treibende Kraft war. Wenn Sytania die Haupttäterin gewesen wäre, hätte sie uns längst aus der Geschichte getilgt, wie sie es immer vorgehabt hatte. Den Umweg über die Eroberung der Föderation wäre sie nicht gegangen.“ „Ganz Ihrer Ansicht.“, erwiderte Tamara. Sedrin sah sie fragend an. „Die Vermutung mit Sytania war nur ein Test.“, fuhr die Halbklingonin fort. „Ich wollte erfahren, wie weit Sie schon ermittelt haben. Aber was ist mit dem Androiden? Warum begleitet er Sie?“ „Er hat Daten im Kopf, die meine Behauptung, ich käme aus einer anderen Zeitlinie, beweisen.“, entgegnete Sedrin und übergab Novus ein Haftmodul. Dann zischte sie ihm zu: „Du kannst aufhören zu schauspielern.“

Novus drehte sich Tamaras Rechner zu. „Ich habe Daten des Phänomens im Kopf, in dem sich die Manifestation der Veränderung der Zeitlinie ausgedrückt hat. Darf ich sie Ihnen zeigen?“ „Sicher.“, entgegnete Tamara und rückte näher an den Monitor ihres Rechners heran. Novus schloss sich mit dem Modul an den Rechner an und überspielte die Daten. Dann sahen alle, was sich an Bord des Passagiershuttles abgespielt hatte, aus seiner Sicht. „Wie sind Sie diesem Ding da draußen entkommen?“, fragte Tamara. „Ich habe die Piloten dazu gekriegt, das Shuttle in den Interdimensionsmodus zu bringen.“, sagte Sedrin ergänzend aus. „Ansonsten würde ich mich an die korrekte Zeitlinie genau so wenig erinnern wie 90 % aller anderen. Novus hat festgestellt, dass sich in dem Phänomen das Neuralmuster eines unbekannten Mächtigen befand. Das hat mich in Alarmbereitschaft versetzt.“ „Und dann haben Sie alles Weitere in die Wege geleitet.“, schloss die Chefagentin. „Wir müssen herausfinden, was da wirklich passiert ist und wer der oder die unbekannte Mächtige ist.“, insistierte Sedrin. „Deshalb möchte ich bei den Genesianern eingeschleust werden. Können Sie irgendwie dafür sorgen, Tamara?“ „Davon können Sie ausgehen.“, erwiderte die Halbklingonin zuversichtlich. Sie musste noch einen Trumpf im Ärmel haben, von dem noch nicht einmal Sedrin etwas ahnte.

Im gleichen Moment öffnete sich die Tür und die Wache nebst der genesianischen Verwalterin betrat das Büro. „Ich bestelle.“, schauspielerte Tamara. „Beamen Sie auf Ihr Schiff zurück und fliegen Sie zu ihrer Firma. Sie können sich glücklich schätzen, heute den Fisch Ihres Lebens geangelt zu haben. Wir hätten sogar gern noch zwei von denen.“ Dabei zeigte sie auf Novus. Sedrin war aufgefallen, dass Tamara den Fisch außerordentlich stark betont hatte. „Vielen Dank für Ihre Bestellung.“, flötete Sedrin. „Sie werden höchstens eine Woche warten müssen, dann sind die Roboter da. Ich garantiere Ihnen, Sie werden es nicht bereuen.“

Im gleichen Augenblick wurden Novus und Sedrin von Kamurus’ Transporter erfasst und an Bord gebeamt. „Scheint ja alles gut gelaufen zu sein.“, beglückwünschte Ginalla die Demetanerin. „Da hat Ihnen die gute Tamara aber 'n ganz schön dickes Überraschungsei ins Nest gelegt, was? Sie hätten nich’ geglaubt, dass die auf Ihrer Seite is’.“ „Ehrlich gesagt nicht.“, gab Sedrin zu. „Aber ich muss Sie um noch einen Gefallen bitten. Bitte holen Sie mit mir Cupernica und Data ab und bringen Sie uns dann ins Sternbild Fische. Bei Kamurus’ Höchstgeschwindigkeit werden wir dafür insgesamt wohl eine Woche brauchen. Das habe ich Tamara sagen wollen, nachdem ich ihren Wink verstanden hatte. Ich weiß nicht was, aber dort wird irgendwas passieren. Tamara machte eine entsprechende Andeutung.“ „Also gut.“, sagte Ginalla. „Aber hoffentlich merken die Genesianer nix, wenn wir so häufig zwischen der Erde und irgendwelchen anderen Planeten hin und her pendeln.“ „Das glaube ich nicht.“, versicherte Sedrin. „Außerdem lieben Sie doch Abenteuer. Sie stehen doch drauf, wenn es kitzelig wird.“ Ginalla nickte lächelnd. „Also.“, sagte Sedrin. „Dann los!“

Ginalla gab Kamurus die entsprechenden Gedankenbefehle. Dann grinste sie Sedrin zu: „Sagen Sie, Agent, sind Sie eigentlich sicher, dass Sie keine Ferengi in der Familie haben? Ich meine, diese Halsabschneidernummer, die hätte …“ „Mutter Schicksal bewahre!“, rief Sedrin aus. „Außerdem sind Demetaner und Ferengi biologisch gar nicht kompatibel.“, mischte sich Novus ein, der jetzt mit den Frauen im Cockpit sein durfte.

Nugura, die wir auf der Regierungsbasis abgesetzt hatten, war gemeinsam mit Saron in ihr Büro gegangen. Dem demetanischen Sekretär war aufgefallen, wie abschätzig die Genesianerinnen ihn angesehen hatten. Er war außerdem überzeugt, sie würden hinter seinem Rücken getuschelt haben.

„Sie werden mich wohl entlassen und in die Kristallminen schicken müssen, Madam President.“, flüsterte Saron ihr hinter der geschlossenen Bürotür zu. „Kommt gar nicht in Frage!“, sagte Nugura bestimmt. „Ich lasse mir genau so wenig eine falsche Zeitlinie aufdrücken wie Commander Kissara. Sie haben ja wohl mitbekommen, was da passiert ist.“ „Sie haben mich informiert, Nugura.“, sagte Saron. „Ja.“, erwiderte Nugura. „Gleich nachdem mich Kissara und ihr erster Offizier selbst informiert hatten.“ „Dann wissen Sie ja wohl, dass ich Recht habe.“, verlangte der Sekretär weiter nach seiner Kündigung. Dann wendete er sich an den Computer: „Computer, gibt es männliche Minister im Parlament der Föderation?“ „Negativ.“, antwortete der Rechner. „Wann wurden sie entlassen?“, fragte Saron weiter. „Zentrale Allzeit 3034,1229.1430.“, gab der Computer zurück. Nachrechnend sagte Saron: „Das war vor ungefähr einem halben Jahr. Also, warum entlassen Sie mich dann nicht auch?“

Nugura ließ sich in ihren Stuhl sinken. „Ach, Gott, die Minister.“, sagte sie mit viel Luft in der Stimme. „Aber wenn Sie mir schon mit Hilfe des Computers glauben, etwas beweisen zu können, dann will ich Ihnen jetzt mal vormachen, dass ich das auch kann. Computer, ruf das Bild von der Parlamentssitzung auf Khitomer von zentraler Allzeit 3034,0622.1615 auf. Maximale Vergrößerung.“

Der Rechner folgte ihrem Befehl und bald sah Saron das Bild aus den Nachrichten, wie es auch die Fernsehzuschauer sahen. „Entdecken Sie sich irgendwo auf diesem Bild, Saron?“, fragte Nugura. „Nein.“, gab er zu. „Sehen Sie?“, fragte die Präsidentin. „Die Kameras sind nur immer auf die Minister gerichtet. Kleine Protokoll führende Sekretäre fallen keinem auf. Also wird niemand merken, dass Sie noch da sind und was hinter geschlossenen Bürotüren vorgeht, geht niemanden was an. Also, ich werde unser Arbeitsverhältnis nicht beenden und wenn Sie sich auf den Kopf stellen! Und jetzt ab in Ihr Büro. Das Protokoll vom Gipfeltreffen in Zeitland muss in den Computer diktiert werden!“ Betreten nickte Saron und schlich davon. Dass seine Vorgesetzte mit diesem Tun gefährlich lebte, war ihm bekannt. Deshalb würde er auch nicht müde werden bei dem Versuch, sie doch noch zu überzeugen.

Kapitel 24 - Fehler

von Visitor

 

Die Nacht auf 281 Alpha war weit fortgeschritten, als Maron das Gefühl bekam, jemand würde ihn schütteln, um ihn zu wecken. Als der Demetaner jedoch die Augen öffnete, war niemand mit ihm im Raum. Nur ein Bereitschaftslämpchen neben dem Anschluss für den Neurokoppler zeigte ihm, dass IDUSA wohl etwas von ihm wollte und deshalb dieses Gefühl kurzzeitig über den Simulator im Raum geschickt hatte.

Schlaftrunken quälte sich Maron aus dem Bett. Er fand es ungewöhnlich, dass die künstliche Intelligenz jetzt etwas von ihm wollte, aber er dachte sich auch, dass sie dafür sicher ihre Gründe haben würde. Die Zeiten, in denen er die IDUSA-Einheiten wie Sternenflottencomputer ohne eigene Meinung behandelte, waren lange vorbei. Dieses Verhalten entsprach auch nicht der tindaranischen Rechtsprechung, ein Fakt, der dem ersten Offizier sehr wohl bekannt war.

Endlich hatte er seinen Neurokoppler unter seinen Sachen hervorgekramt. Marons Quartier ähnelte in gewisser Hinsicht einer typischen Junggesellenbude. Es war leicht unaufgeräumt, ließ aber in etwa eine Struktur erahnen. „Was ist, IDUSA?“, fragte er, als er den Neurokoppler angeschlossen und ihr Laden seiner Tabelle abgewartet hatte. Am Gesichtsausdruck des Avatars konnte er schon sehen, dass der Grund für die nächtliche Ruhestörung kein wirklich Erfreulicher war. „Ich habe einen Fehler entdeckt.“, erwiderte der Avatar mit leicht zitternder Stimme. Für Maron war dies das nächste Alarmzeichen. Er wusste, dass die sonst so selbstbewusste IDUSA nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen war. Wenn sie sich so verhielt, musste es dafür schon einen recht triftigen Grund geben.

„Ich denke.“, begann Maron, „Wenn mit dir etwas nicht stimmt, dann solltest du besser Jenna oder Shannon wecken und nicht mich. Ich bin ein miserabler Ingenieur.“

Er machte Anstalten, in sein schönes warmes Bett zurück zu kriechen. „Es geht nicht um mich.“, erklärte sich IDUSA näher und vermittelte ihm das Gefühl, auf seiner Bettkante zu sitzen. „Nur, wenn wir diesen Fehler nicht beseitigen, dann könnten wir unter Umständen Gefahr laufen, dass unser kleiner Plan mit Ihrer Marionette auffliegt und dann werden die Genesianer im Umgang mit Ihnen nicht zimperlich sein und ich, ich werde wahrscheinlich auch demontiert, wenn sie herausbekommen, dass ich mitgemacht habe. Schreckliche Vorstellung, die eigenen Komponenten dann vielleicht irgendwo über das ganze bekannte Universum verstreut in genesianischen Schiffen zu sehen.“

Maron setzte sich auf und machte ein strenges Gesicht. „Bevor du dich hier weiter selbst bemitleidest.“, erwiderte er. „Zeig mir doch einfach, was du für einen Fehler meinst.“ „Sofort.“, sagte IDUSA nüchtern und ließ vor seinem geistigen Auge einen Monitor entstehen, auf dem sich der Dienstplan für die nächsten Patrouillen befand. Maron las ihn durch und war plötzlich sehr erschüttert. Er zuckte zusammen, als er die Einteilung bemerkte, die IDUSA für ihn extra rot markiert hatte. „Mutter Schicksal!“, rief er mit blassem Gesicht aus. „Wann hat Zirell den eingegeben, IDUSA? Ich hoffe für sie, dass sie zu diesem Zeitpunkt nüchtern war.“ „Das hoffe ich auch.“, bestätigte IDUSA seine Meinung. „Zumal der Fehler in der Einteilung so offensichtlich ist, dass die Genesianer uns draufkommen müssen. Ich weiß, dass wir lange nicht von Patrouillen behelligt worden sind. Aber das darf uns nicht unvorsichtig werden lassen. Wir müssen trotzdem weiter darauf achten, was wir tun.“ „Sicher.“, sagte Maron. „Aber dieser Dienstplan findet keine Verwirklichung, solange ich als Zirells erster Offizier ihm nicht zustimme, also meine fingierte Unterschrift als Marin nicht darunter setze.“ „Die Simulation hat eine autoaktive Routine.“, erinnerte ihn IDUSA. „Dass schon.“, sagte Maron. „Aber es war Marin, die uns zur Vorsicht gemahnt hat. Sie wird nicht einfach etwas unterschreiben, mit dem sie nicht einverstanden ist. Zirell wird das akzeptieren, weil sie Tindaranerin ist und mit der Tatsache, dass künstliche Intelligenzen ein Recht auf eine Meinung haben, aufgewachsen ist. Aber ich werde selbstverständlich mit ihr darüber reden.“ „Danke, Agent.“, sagte der Avatar erleichtert und löschte seine Tabelle. Maron zog den Neurokoppler aus dem Port, legte ihn weg und sich danach wieder in die Kissen, um noch einige Stunden zu schlafen. Er hoffte sehr, ihre anfängliche Sorge zerstreut zu haben. Aber morgen würde auf ihn ein gewaltiges Stück Arbeit zukommen. Das wusste er. Hoffentlich würde Zirell den eigenen Fehler genau so schnell entdecken wie er. Das würde einiges sehr erleichtern.

Maron traf Zirell am nächsten Morgen schon recht früh in der Offiziersmesse. Die tindaranische Kommandantin war erstaunt, ihren ersten Offizier bereits so früh am Morgen mit zwei Tabletts und einem Pad an einem Tisch sitzen zu sehen. Sonst hatte Maron auch immer in seinem Quartier gefrühstückt, da er, laut eigener Aussage, jedem anderen sein am frühen Morgen oft misslauniges Gesicht ersparen wollte.

„Du hier?“, staunte Zirell und setzte sich. Dabei stellte sie fest, dass Maron wohl ein sehr guter Beobachter sein musste, denn das Frühstück aus tindaranischen Feldfrüchten und der Milch eines auf Tindara beheimateten Tieres, dessen Namen man wohl mit Seidenschaf übersetzen könnte, war genau das, was sie sich heute zum Frühstück vorgestellt hatte. „Und ich dachte, ich bin hier die Telepathin.“, scherzte Zirell, während sie sich einen Löffel nach dem anderen schmecken ließ. „Dein Speiseplan ist so einfach, den kenne ich im Schlaf.“, scherzte Maron zurück, wurde aber gleich wieder ernst und deutete auf das Pad. „Ich muss mit dir über das hier reden.“, sagte der erste Offizier und schob es ihr hin. Zirell aber warf nur einen kurzen Blick darauf, als sie sagte: „Das ist der Dienstplan, den ich IDUSA gestern eingegeben habe. Ich wollte das sowieso mit dir besprechen. Was hast du für ein Problem und warum kann das nicht bis nach dem Frühstück warten? War das der Grund für deine Großzügigkeit?“ „Offen gestanden ja.“, entgegnete Maron. Er wusste, dass es in Gegenwart einer Telepathin zwecklos war zu lügen.

Zirell ließ den Löffel langsam auf den rechten Rand des Tellers sinken, zog sich das Pad heran und las den Plan kurz durch. Dann sagte sie: „Was ist daran das Problem?“ „Siehst du das wirklich nicht, oder willst du es nicht sehen?!“, sagte Maron etwas lauter. „Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass einer intelligenten Frau wie dir das nicht auffällt, aber damit das Problem keine Lawine von weiteren Problemen nach sich zieht, werde ich es dir zeigen. Jedenfalls werde ich diesem Dienstplan so nicht zustimmen!“

Er nahm das Pad wieder an sich und führte den Cursor per Touchscreen an die Stelle, auf die ihn auch IDUSA schon aufmerksam gemacht hatte. Dann gab er ihr das Pad zurück. „Ich verstehe immer noch nicht, worüber du dich aufregst.“, sagte die Tindaranerin ruhig. „Wenn ich Nidell mit Shimar mitschicke, ist doch alles in Ordnung. Bei Jenna und Joran hast du doch auch nichts dagegen.“ „Jenna und Joran!“, wiederholte Maron. „Pilot und Chefingenieurin. Das könnte man einer genesianischen Patrouille immer noch als Antriebstest verkaufen. Aber was bitte macht eine medizinische Assistentin auf einem Patrouillenflug?! Zumal dann, wenn der Flugoffizier auch noch kerngesund ist?! Die Genesianer könnten misstrauisch werden! Hast du darüber schon einmal nachgedacht?!“ „Wen sollte ich denn deiner Meinung nach Shimar als weibliche Begleitung zuteilen?“, fragte Zirell lachend, als sie von ihrem Stuhl aufstand. „Etwa Shannon? Nein, das wäre zu offensichtlich. Zu viele Antriebstests kaufen die Genesianerinnen uns auch nicht ab. Außerdem wird Joran zusammen mit Jenna schon dafür sorgen, dass sie keinen Verdacht schöpfen. Ich habe auch noch keine genesianischen Schiffe hier gesehen. Du etwa?“ „Nein.“, musste Maron zugeben. „Siehst du?“, triumphierte Zirell. Dann drehte sie sich mit einem mitleidigen fast mütterlichen Blick zu ihm: „Ich weiß, was ich tue, Maron. Du kannst mir vertrauen.“

Etwas war an ihrer Stimme, das Maron den Dienstplan dann doch unterschreiben ließ. Wenn man ihn später gefragt hätte, dann hätte er nicht sagen können warum, aber er tat es. Er ahnte ja nicht, wie falsch es war, sein Bauchgefühl zu Gunsten der eigenen Bequemlichkeit beiseite geschoben zu haben.

Diran erwachte mit rasenden Kopfschmerzen und einer fast unerträglichen Übelkeit. Er dachte sich, dass dies vielleicht mit einem Umstand zusammenhängen könnte, den er nur aus alten Legenden seines Volkes kannte, wollte es aber vielleicht genau aus dem Grund nicht wahrhaben. In den alten Legenden hieß es, dass ein Vendar, der guten Herzens ist, keine schwarze Macht tragen kann. Seine Sifa würde diese abstoßen. Die Alarmzeichen des Körpers wären so stark, dass es ihm auf keinen Fall möglich wäre, das Fütterungsritual durchzuführen. Aber dann dachte er wiederum, dass seine Krankheit sicher eine andere Ursache hätte. Die Energie einer Vulkanierin konnte schließlich keine schwarze Macht sein! Er war froh, dass sie sich überhaupt auf so etwas eingelassen hatte, denn eigentlich waren ihm die Vulkanier nicht als sehr großzügig bekannt, wenn es darum ging, ihre geistige Energie zu teilen. Sie schätzten es, solitär zu sein und würden eine solche Nähe und eine Berührung nicht zulassen. Schon gar nicht von einem Telepathenjäger wie ihm. Er musste auf eine extrem außergewöhnliche Vulkanierin getroffen sein und das wiederum war sicher ein Geschenk der Götter. Vielleicht war T’Pennas Erklärung ja richtig und die Götter hatten ihr Schiff tatsächlich in seinen Weg geschleudert, wie sie gesagt hatte. Diran war tief religiös und so war diese Erklärung für ihn schon plausibel.

Wie jeden Morgen wollte er ins Diary seines Schiffes schreiben. Seine Krankheit verhinderte dies aber dadurch, dass er sich kräftig übergeben musste. „Sicher bin ich nur raumkrank.“, vermutete er. „Nach dem Fütterungsritual wird es sicher besser. Mishar, wie lange habe ich geschlafen?“ „Zwei Tage, drei Stunden, fünf Minuten und zehn Sekunden.“, gab der Rechner sachlich zurück. „Ich hätte das Fütterungsritual längst schon zwei mal durchführen müssen!“, erschrak Diran. „Kein Wunder, dass es mir schlecht geht.“

Er setzte sich hin und begann mit dem Versuch, sich auf das Fütterungsritual zu konzentrieren, aber die pochenden Kopfschmerzen machten es ihm unmöglich. Von weiterer Übelkeit geschüttelt gab er den Versuch bald auf, sich gegen die Zeichen seines Körpers durchsetzen zu wollen. Außerdem schrillte der Alarm vom Monitor, mit dem er Kairon überwachte. Viel Ahnung hatte er von Medizin zwar nicht, aber die Graphik auf dem Bildschirm war eindeutig. „Er stirbt, wenn ich ihm die Energie nicht sofort gebe.“, flüsterte Diran und drehte sich Kairon zu, dessen Hände er sofort ergriff. Auch jetzt überkam ihn wieder ein Gefühl, als wäre die Energie nicht mit Kairons Machtzentrum kompatibel. Ein Schmerz durchströmte ihn wie von einem elektrischen Schlag und ließ ihn zu Boden sinken. „Irgendwas stimmt doch hier nicht.“, flüsterte Diran beim aufstehen und wankte zu dem kleinen Schrank im Frachtraum, wo er seine Ausrüstung verstaut hatte. Hier suchte er nach seinem Erfasser, den er mit Erleichterung doch ziemlich bald fand. Sofort richtete er das Gerät auf seine Sifa und scannte sich. Über die Bilder, die ihm das Gerät offenbarte, war er höchst betrübt. Er legte es vor sich auf die Konsole der Lebenserhaltung, mit der Kairon verbunden war und betrachtete das Display verschämt. „Schwarze Macht!“, rief er aus. „Und auch noch mit der Signatur Sytanias! Auf was bin ich da nur hereingefallen?!“ Er drehte sich zu Kairon: „Verzeiht, Gebieter. Bitte verzeiht mir, was ich Euch tun wollte. Ich wusste es ja nicht. Ich wusste es ja nicht.“ Er sank vor Kairon auf die Knie.

Er wollte wieder aufstehen, um eine Möglichkeit zu suchen, die schwarze Macht in seiner Sifa loszuwerden. Im gleichen Augenblick hörte er Sytanias garstige Stimme in seinem Geist: Herzlichen Glückwunsch, Diran. Ich dachte schon, du kämst nie drauf. Aber du hast selbst Schuld. Du hättest auf dein erstes Bauchgefühl hören sollen. Überleg doch mal. Eine Vulkanierin, die sich auf so was einlässt. Hast du ernsthaft geglaubt, so etwas gibt es? Du glaubst wohl jede rührselige Story. Sie ließ ihn zusehen, wie sie sich von der Vulkanierin wieder in sich selbst verwandelte.

Wütend über sich selbst und die eigene Naivität ballte Diran seine rechte Hand zur Faust. „Trotzdem wird es Euch nicht gelingen, Sytania!“, schrie er außer sich. „Euer Plan kann nicht funktionieren, weil Kairons Machtzentrum gar keine Energie mehr aufnehmen kann. Es ist tot und das wird Eure schwarze Macht auch bald sein. Ich werde sie mit mir ins Grab nehmen. Bin mal gespannt, wie sich das für Euch anfühlt, wenn sie von der Energie einer Sonne vertilgt wird! Mishar, suche das nächste Sonnensystem und bring uns direkt in die Sonne!“ Diran war klar, dass er auch dabei sterben würde, aber er war fast genau so verzweifelt wie am Anfang, wenn nicht sogar noch mehr. Die einzige Hoffnung hatte sich als Reinfall entpuppt und er wusste nicht, welchem Umstand er zu verdanken hatte, dass er Kairon die schwarze Macht dann doch nicht hatte geben können. Aber allein der Versuch war für ihn bereits mit Verrat gleichzusetzen. Er hatte ja schließlich gesehen, was die schwarze Macht bei seiner Gebieterin Tolea angerichtet hatte.

Wir waren von der Regierungsbasis aus weiter in den unerforschten Raum geflogen, um genau zu ermitteln, wie weit das eroberte Gebiet überhaupt ging. Mikel erhoffte sich davon weitere Erkenntnisse für seine Ermittlungen. Diese Sache, die Mikel und ich durchführen wollten, hatten wir auch tatsächlich mit positivem Ergebnis beenden können. Ausgerechnet über den sonst so überaus korrekten Picard war das Benutzen des bösen Sch-Wortes bekannt. Er hatte es zwar in Französisch gesagt, aber er hatte es benutzt und es blieb das gleiche Wort, egal in welcher Sprache. „Hättest du ihm das je zugetraut?“, lachte Mikel, der mit mir allein auf der Brücke war. „Nein.“, erwiderte ich ebenfalls lachend.

Jenes Lachen sollte mir aber bald im Hals stecken bleiben, denn im gleichen Moment meldete mir mein Hilfsmittel ein kleines Schiff, das sich schnell auf eine sich in der Nähe befindende Sonne zu bewegte. So eine Situation als Alarmsituation zu erkennen, war dem Programm von vorn herein eingegeben worden, zumal dann, wenn das Rufzeichen des Schiffes dem Computer sogar noch bekannt war.

„Bring uns so nah ran, wie du kannst!“, befahl Mikel, der jetzt auch hellwach war. „OK.“, sagte ich und gab hektisch den Kurs ein, der uns zu dem soeben beschriebenen Geschehen führte. „Hat der Computer gerade gesagt, dass er das Rufzeichen kennt?“, fragte Mikel. „Das hat er.“, bestätigte ich. „Dann sag ihm, er soll mich mit demjenigen verbinden!“ Ich nickte, obwohl ich wusste, dass er dies nicht sehen konnte und führte seinen Befehl aus, aber ich musste Diran gar nicht rufen, weil er es selbst tat. Er musste die Granger hinter sich bemerkt haben. „Achtung, Mikel!“, sagte ich. „Ich stelle durch!“ Dann schaltete ich das Gespräch auf Mikels Arbeitsplatz. „Bleibt mir vom Leib!“, insistierte Diran. „Was geht euch der Grund an, aus dem ich mein Leben beende?!“ „Der Grund geht uns sehr wohl etwas an.“, sagte Mikel. „Du bist ein Freund, Diran. Und einen Freund lässt man nicht im Stich, egal was ihm passiert ist. Was immer es auch ist, es gibt sicher noch eine andere Lösung.“

Kissara betrat die Brücke. Eigentlich hatte sie ja dienstfrei, aber auch sie wollte wohl wissen, warum ihr Schiff so plötzlich den Kurs geändert hatte. „Bericht!“, forderte sie. „Wir haben Diran gesehen.“, erklärte Mikel. „Er versucht gerade, sich das Leben zu nehmen. Er fliegt genau auf die Sonne dieses Systems zu.“

Kissara setzte sich neben den terranischen Agenten. „Geben Sie mir das Mikrofon.“, sagte sie ruhig. Mikel nickte und tat, worum sie ihn gerade gebeten hatte. „Diran, hier ist Commander Kissara.“, stellte sie sich vor. „Was immer auch geschehen ist, es gibt sicher auch für dich einen anderen Weg. Wir werden dir da raus helfen.“

Der Computer meldete Transporteraktivität und ich gab die Meldung weiter. „Ist es Diran?“, fragte Kissara. „Nein.“, erwiderte ich, die ich die Meldung gerade gehört und interpretieren lassen hatte. „Aber er hat offensichtlich etwas von seinem Schiff gebeamt.“ „Kann der Rechner sagen was und wo hin?“, wollte mein Commander wissen. „Nein.“, sagte ich erneut. „Die Sonnenaktivitäten beeinträchtigen bereits die Sensoren. Oh, Mann!“ Ich schaltete den Antrieb auf Notstopp, denn in der gleichen Sekunde hatte mir der Rechner gemeldet, dass unser Schiff zu groß für das Sonnensystem sei.

„Da habe ich euch wohl doch abgeschüttelt!“, ließ sich Dirans Stimme im Lautsprecher vernehmen. „Ihr könnt machen, was ihr wollt. Ihr haltet mich nicht davon ab, meinem Leben ein Ende zu setzen. Nur Lord Kairon hat dieses Schicksal wohl wirklich nicht verdient.“ Er beendete die Verbindung.

„Er fliegt immer tiefer in das System, Ma’am.“, meldete ich Kissara. „Verdammt!“, erwiderte sie und schlug mit der Faust hörbar aufs Pult. „Die Systeme eines Shuttles würden jetzt auch anfällig für die Sonnenaktivitäten sein. Nach allem zu urteilen, was ich hier sehe, ist diese verdammte Sonne gerade sehr aktiv.“

„Lycira!“, überlegte ich laut. „Sie hat ein Antriebssystem aus einer völlig anderen Dimension. Die Chance ist gleich null, dass sie von Sonnen aus diesem Universum beeinträchtigt wird.“ „Gute Idee!“, lobte Kissara. „Gehen Sie zu ihr und versuchen sie ihn mit ihr zu retten . Mikel, Sie übernehmen den Posten Ihrer Freundin!“ Dann wandte sie sich an mich: „Betsy, Sie haben freie Hand zu tun, was immer Sie tun müssen, um ihn zu retten!“

Ich verließ die Brücke, nachdem ich mich aus dem System abgemeldet hatte und ging zum nächsten Turbolift, der mich aufs Hangardeck brachte. Hier lief mir aber bereits Jannings in die Arme, der mich zur Seite zog. Dann machten wir einen großen Bogen. „Vorsicht, Allrounder!“, rief er mir zu. „Was ist denn?!“, fragte ich gleichermaßen verwirrt und empört. Ich mochte es gar nicht, wenn man mich so plötzlich griff und in irgendeine Richtung zog. „Sie wären beinahe über Kairons Leiche gestolpert!“, erklärte unser Chefingenieur sehr aufgeregt. „Leiche?“, fragte ich. „Wie soll denn das möglich sein und wie kommt die Leiche, wenn überhaupt, hier her?“ „Keine Ahnung.“, gab Jannings zu. „Ich hatte gerade Ihr Schiff gewartet und mich umgedreht, um ein Werkzeug zu holen, als ich ihn hier liegen sah. Warum er tot ist, weiß ich leider auch nicht.“

Ich nahm meinen Erfasser und näherte mich der Stelle, um die er mich gerade versucht hatte herumzuführen. Nach dem Zuschalten des Interpretationsprogramms und dem Einstellen auf die Biozeichen eines Bewohners des Raum-Zeit-Kontinuums war ich schon schlauer. „Die zu scannende Person lebt, ist aber gemessen an den von Ihnen eingestellten Parametern in kritischem Zustand.“, meldete das Gerät. „Na so was.“, atmete Jannings erleichtert auf. „Und ich dachte schon, er sei tot. Na ja. Ich bin Ingenieur und kein Arzt.“ „Ich bin Kommunikationsoffizierin und Raumschiffpilotin und auch keine Ärztin.“, sagte ich. „Trotzdem habe ich herausgefunden, dass er noch lebt. Ihre Ausrede zieht nicht, Techniker.“ „Manche haben für manche Dinge eben ein glückliches Händchen.“, erwiderte Jannings. „So ein Unsinn.“, grinste ich. „Jeder Sternenflottenoffizier, ob Ingenieur oder sonst was, sollte lernen, mit einem Erfasser entsprechend umzugehen.“ „Jetzt haben Sie mich.“, gab er sich dann doch geschlagen.

Ich zog meinen Kommunikator und heftete ihn an Kairons Kleidung. Dann gab ich das Rufzeichen des Maschinenraums ein, wo Elektra meiner Kenntnis des Dienstplans nach an der Transporterkonsole sitzen musste. „Technical Assistant.“, begann ich. „Erfassen Sie mein Signal und beamen Sie alles, was an diesem Kommunikator hängt, auf die Krankenstation! Informieren Sie Loridana über einen besonderen Patienten.“ Besonderer Patient war unter Sternenflottenoffizieren des 30. Jahrhunderts zu einem Codewort für kranke Mächtige geworden. Gerade wenn Untergebene anwesend waren, hielt man es für besser, um eine eventuelle Panik zu vermeiden. „Sofort, Ma’am.“, gab Elektra zurück und im nächsten Augenblick war Kairons lebloser Körper verschwunden. Ich würde mir im Bedarfsfall mit Lyciras Replikator ein neues Sprechgerät replizieren.

Mein nächster Weg führte mich direkt zu Lycira. Sie öffnete bereitwillig die Tür zum Cockpit, als sie mich registrierte. „Lycira, wir müssen ein Leben retten.“, erklärte ich. „Geht es dir gut?“ Sicher geht es mir gut., hörte ich ihre Stimme in meinem Geist. George ist ein hervorragender Ingenieur. „George.“, grinste ich. „Du und Jannings, ihr duzt euch also schon. Na ja. Vielleicht bietet mir Loridana das Du auch bald an.“ Ich finde schnell Freunde., scherzte sie zurück. Mit den anderen Shuttles hier verstehe ich mich auf jeden Fall blendend!

Wir starteten und ich ließ sie den Kurs einschlagen, den ich vom Rechner unseres Schiffes in Erinnerung hatte. Bald darauf zeigte sie mir das Bild von Dirans Schiff. Er fliegt unaufhörlich auf die Sonne zu., meldete sie. Aber seiner Antriebssignatur nach stottern die Triebwerke seines Schiffes. „Wie kann das sein, Lycira?“, fragte ich. Das weiß ich nicht genau., schmeichelte ihre weiche Stimme. Aber ich kann mir vorstellen, dass der Antrieb seines alten Schiffes extrem auf die Aktivität der Sonne reagiert. „Das heißt, er hat keine Chance, dort hin zu gelangen?“, fragte ich. Genau., erklärte Lycira. Aber unsere Chancen, ihn einholen und aufbringen zu können, sind ungleich größer, je mehr er es versucht. „Was kann überhaupt der Grund für seinen Selbstmordversuch sein?“, wollte ich wissen. „Scanne ihn!“ Er hat schwarze Macht in seiner Sifa., interpretierte Lycira ihre eigenen Untersuchungsergebnisse. Aber er verträgt sie nicht. Die körperlichen Symptome scheinen so stark zu sein, dass er es nicht mehr aushält. „Oh, Gott!“, rief ich aus. „Der Arme! Aber wie kommt er an die schwarze Macht?“ Die Macht trägt Sytanias Neuralsignatur., erklärte mein Schiff. „Wie geht denn das?“, fragte ich, die ich mittlerweile aus der Situation gar nicht mehr schlau wurde. Diran kannte Sytania doch! Warum war er auf sie hereingefallen? Lycira, der meine Gedanken nicht verborgen geblieben waren, meinte: Sie wird ihn sicher irgendwie genarrt haben. Wenn er normal denken würde, dann würde er sich nicht umbringen wollen. Er ist sicher sehr verzweifelt. „Da stimme ich dir zu!“, sagte ich mit Überzeugung und griff die Steuerhebel auf der virtuellen Konsole fester, so dass Lycira sicher war, dass ich nicht aufgeben würde. „Und ich weiß auch schon genau, was wir machen. Wenn wir ihn in die Sonne jagen müssen, um ihn dort heraus holen zu können, dann tun wir das doch. Aber ich möchte, dass meine Leute mithören und sich beteiligen können. Mach mir eine Konferenzschaltung mit Dirans Rufzeichen und der Granger!“

Auf der Brücke der Granger hatte man bald von meinem Tun Wind bekommen. „Von Allrounder Betsys Schiff kommt eine Anfrage nach einer Konferenzverbindung.“, meldete Mikel. „In die Konferenz ist auch Dirans Rufzeichen eingebunden.“ „Bestätigen Sie das, Agent.“, sagte Kissara. „Ich habe das Gefühl, dass es ziemlich aufregend werden könnte. Der blinde Agent nickte und führte ihren Befehl aus.

Diran hatte gemerkt, dass sein Schiff den Interferenzen, die von der Sonne erzeugt wurden, schutzlos ausgeliefert war. Die Antriebssysteme wurden immer unzuverlässiger und fielen schließlich zeitweise ganz aus. Jetzt driftete er in einer Umlaufbahn um die Sonne dahin. „Verdammt!“, rief Diran aus. „Heute klappt aber auch gar nichts . Noch nicht einmal der eigene Freitod!“ Verzweifelt versuchte er, den Antrieb erneut zu zünden.

Jene Vorgänge waren Lyciras Sensoren nicht verborgen geblieben, die alles sofort an mich weitergab. „Jetzt sitzt er fest.“, sagte ich. „Warten wir mal ab, ob er reden will. Lycira, wir fliegen langsam näher bis auf Transporterreichweite.“ Eine solche Lauertaktik ist nicht nötig, Betsy., sagte sie. Ich habe ihn schon für dich. „Das ging ja schnell!“, lobte ich. „Dann her mit ihm. Ich werde ihm schon ein paar Takte erzählen.“ „Warum läst du mich nicht einfach in Ruhe sterben, Betsy El Taria?“, hörte ich Dirans verzweifelte Stimme. Ich wusste, er kannte mein Schiff nicht, aber er hatte ja mein Bild auf seinem Schirm gesehen. „Wie kommst du darauf, dass ich versuchen würde, dich zu retten, Diran?“, fragte ich. „Schließlich bin ich Sternenflottenoffizierin und die Oberste Direktive ist mir heilig. Ich würde mich also nie in den versuchten Selbstmord einer anderen Person einmischen, wenn dies ihrer Kultur entspricht. Mein Schiff und ich wissen auch nicht, warum das mit deinem Selbstmord nicht klappt. Du kannst es ja gern noch weiter versuchen. Wir sind auch ganz schnell ganz weit weg. Zurückfallen, Lycira!“ Du bist ganz schön listig., stellte Lycira fest, nachdem sie auf ein Drittel Impuls verlangsamt hatte.

Auch auf der Granger hatte man unser Gespräch mitgehört. „Was tut sie denn da?“, fragte Kissara. „So ist die Oberste Direktive sicher nicht zu interpretieren.“ „Ich denke, sie meint es nicht ernst.“, vermutete Mikel, der wohl auch schon ahnte, dass er mit seiner Vermutung sehr richtig lag. Dafür kannte er mich zu gut. „Verstehen Sie denn nicht, Kissara! Sie hat gemerkt, dass die Sonne eigentlich für sie arbeitet und versucht das jetzt auszunutzen. Diran wird alles versuchen, um den Antrieb seines Schiffes wieder zum Laufen zu kriegen. Dann ist er abgelenkt und sie kann …“ „Ach so!“, staunte Kissara. „Umgekehrte Psychologie! Das hätte ich Ihrer Freundin nicht zugetraut. Sie scheint immer so unschuldig.“

Diran wird nervös, Betsy., meldete Lycira. Gerade hat er versucht, sich mit seinem Phaser zu erschießen. Aber in dieser Umgebung funktioniert auch der nicht. Meine Systeme sind nicht in Gefahr, weil ich aus einer völlig fremden Dimension stamme, deren Grundfrequenz, auf der alles schwingt, eine andere ist. „Weiß ich.“, sagte ich. „Das ist ja auch unser Vorteil. Sag mir, wie er diese schwarze Macht loswerden könnte, wenn du entsprechende Daten hast.“

Lyciras Replikator summte und spuckte einen leeren Energiekristall aus. Er trägt eine strukturelle Signatur, die genau auf die Frequenzen der schwarzen Macht passt., erklärte das Schiff. „OK.“, sagte ich und hielt den Kristall hoch. „Jetzt habe ich etwas, das ich ihm als Alternative anbieten kann. Gib ihn mir!“

Kang hatte die Brücke betreten und sich an seinen Arbeitsplatz gesetzt. Auch er konnte auf dem Hauptschirm sehen, was draußen im Weltraum geschah. „Soll ich einen Torpedo zwischen der Sonne und Dirans Schiff detonieren lassen?“, fragte der Klingone seine Hilfe anbietend. „Langsam, Mr. Kang. Warten wir erst einmal ab, was Betsy erreicht. Sollte es ihr nicht möglich sein, Dirans Selbstmord zu vereiteln, können wir ja immer noch von Ihrer Idee Gebrauch machen. Sie können ja schon mal zielen. Aber tun Sie nicht mehr.“ „Aye, Commander.“, entgegnete Kang und stellte die Waffen entsprechend ein.

An den Signalen, die mir Lycira übermittelte, hatte ich bald gemerkt, dass sie Diran erneut zu mir durchgestellt hatte. „Was willst du noch, Betsy El Taria?“, fragte er. „Wenn es dich nichts angeht, ob, wann und wie ich mein Leben beende, dann frage ich mich, was du noch hier tust. Bist du neugierig, ob es funktioniert?“ „Darauf brauche ich nicht neugierig zu sein.“, lachte ich. „Die Antwort kenne ich nämlich schon. Sie lautet nein. Warum bist du nicht einfach in die Sonne gebeamt, als die Systeme deines Schiffes noch funktioniert haben? Dann wärst du auf Garantie gestorben. Aber ich glaube, dass du Sytania gar nicht die Genugtuung geben willst, dass sie dich sterben sieht. Sie hat dich ja nicht umsonst in diese verzweifelte Situation gebracht. Sie will, dass du stirbst, weil du irgendwas weißt, das sie in Bedrängnis bringen könnte. Aber wenn du nachdenkst, dann darf sie damit nicht durchkommen und das weißt du. Du hast sicher viele Informationen, Diran. Informationen, die einen entscheidenden Beitrag zur Lösung dieses Problems leisten könnten. Dass du schwarze Macht trägst, ist nicht deine Schuld. Sytania hat dich in diese Situation gebracht. Gut, du magst auf sie hereingefallen sein. Aber das kann man dir auch nicht vorwerfen. Du warst verzweifelt, weil du auch Kairon retten wolltest. Aber der hat es sicher auf unser Schiff geschafft. An deiner Stelle würde ich also alles tun, um Sytanias Triumph zu verhindern. Das kann dir niemand abnehmen. Das kannst nur du. Aber damit du das kannst, musst du leben!“ Ich griff in meine Tasche und holte den Kristall hervor. Dann sagte ich: „Ich kann dir helfen, die unsägliche schwarze Macht loszuwerden. Du musst es nur wollen. Bitte lass mich zu dir an Bord. Dann tun wir, was notwendig ist. Meine Leute helfen uns dabei, wenn sie müssen.“

Seine Biozeichen haben sich verändert, Betsy., meldete Lycira. Er scheint extrem nervös zu werden. „Was machen seine Hände?“, fragte ich. Anscheinend versucht er immer noch, den Antrieb des Schiffes zu starten. Er dreht auf jeden Fall ständig am Schaltschlüssel. „OK.“, sagte ich. „Dann ist jetzt wohl der beste Zeitpunkt für meinen Auftritt. Repliziere mir einen Phaser mit deinen technischen Spezifikationen für alle Fälle und dann beam’ mich an Bord des Veshel!“ Willst du ihn etwa erschießen?, fragte Lycira nach. „Nein.“, lächelte ich tröstend. „Die Waffe will ich nur, falls er handgreiflich wird.“ Also gut., sagte sie und führte meinen ersten Befehl aus. Fass bitte ins Auswurffach.

Ich tat, worum sie mich gerade gebeten hatte und stand dann vom Pilotensitz auf. Sie beamte mich sofort danach auf Dirans Schiff. Der Vendar schien sehr überrascht, als ich plötzlich hinter ihm stand. „Wenn du mich retten willst, Betsy El Taria!“, sagte er mit einem leicht wütenden Unterton. „Warum hast du mich dann nicht auf dein Schiff geholt?!“ „Glaubst du ernsthaft, ich bin so blöd und hole dich in eine Umgebung, in der deine Waffe funktioniert?“, fragte ich spöttisch. „Du hast Recht.“, sagte Diran, der immer noch mit fruchtlosen Startversuchen beschäftigt war. „Für so dumm habe ich dich auch nicht gehalten.“ Dann zischte er in Richtung Konsole: „Nun komm schon!“ „Dass kannst du getrost vergessen!“, grinste ich und ließ mich demonstrativ entspannt auf einen Sitz fallen. Dann benutzte ich mein brandneues Sprechgerät, welches mir Lycira vor meinem Transport noch repliziert hatte: „Lycira, nimm das Veshel in den Traktorstrahl! Aber nicht bewegen! Du sorgst nur dafür, dass die Umlaufbahn stabil bleibt und Diran nicht doch noch am Ende sein Ziel erreicht!“ „Verstanden!“, gab sie zurück. Dann fühlten Diran und ich einen leichten Ruck, der uns anzeigte, dass sie meinen Befehl ausgeführt hatte.

Endlich hatte Diran vom Antrieb abgelassen und sich nach mir umgedreht. Über diesen Umstand war ich heilfroh! Die fiesen Geräusche hatten mir mittlerweile ziemliche Kopfschmerzen bereitet. „Warum funktionieren deine Geräte!“, empörte er sich. „Weil das hier keine Sternenflottenausrüstung ist.“, erklärte ich und zeigte ihm das Sprechgerät. Ihm die Waffe zu zeigen, die ich gut in meiner Kleidung verborgen hatte, vermied ich wohlweißlich. Ich durfte ja nicht riskieren, dass er sie unter Umständen an sich brachte. Ich wusste, dass ich aufgrund der körperlichen Unterschiede einen Nahkampf um die Waffe gegen ihn auf jeden Fall verlieren würde. „Diese Geräte haben ganz andere technische Spezifikationen. Sie wurden von einem Schiff repliziert, dessen Systeme aus einer Dimension kommen, die mit deiner oder meiner nicht wirklich verwandt ist und somit auch eine völlig andere energetische Grundfrequenz hat.“

Eine weitere Kopfschmerzwelle überkam Diran. „Ich kann dir helfen.“, tröstete ich. „Du willst die schwarze Macht doch loswerden, oder?“ „Sicher!“, nickte Diran, dessen Wut auf Sytania ich jetzt regelrecht hören konnte. „Wie willst du mir helfen?“, fragte Diran. „Du bist keine Ärztin.“

Ich lächelte und führte seine Hände auf den Kristall. Im gleichen Moment begann er, sich zu verkrampfen und gab einen Schrei von sich, als hätte er starke Schmerzen. „Ich glaube, das Ding versucht, die Energie aus meiner Sifa zu ziehen.“, sagte er mit gepresster Stimme. „Dann lass es zu.“, riet ich leise aber bestimmt. „Das ist ein ganz normaler physikalischer Fakt, den wir jetzt ausnutzen werden. Energie fließt immer dort hin, wo keine ist und wenn dann auch noch die Struktur passt …“ „Was machst du mit der Energie, wenn sie aus mir raus ist?“, fragte er. „Das regeln wir danach.“, versicherte ich. „Eins nach dem anderen. Jetzt entspann dich erst mal und lass sie fließen.“

Ich nahm meinen Erfasser zur Hand, um den Austritt der schwarzen Macht überwachen zu können. „Gut so.“, motivierte ich ihn. „Entspann dich. Lass sie raus. Gleich hast du es. OK. Das war’s schon.“

Danach legte ich den Erfasser weg und strich Diran durch sein weiches Kopffell, das durch die Tatsache, dass er geschwitzt hatte, leicht an der Kopfhaut klebte. Dann sagte ich in Richtung des auf dem Boden liegenden Kristalls: „Und jetzt weg mit dem Scheiß!“, und übermittelte per Sprechgerät den entsprechenden Befehl zum Beamen an Lycira, die ihn auch alsbald ausführte. Dann verband sie mich mit Commander Kissara. „Sind Sie in Ordnung?“, erkundigte sie sich. „Als wir Ihre Biozeichen an Bord von Lycira nicht mehr gesehen haben, haben wir uns Sorgen gemacht.“ „Situation unter Kontrolle, Commander.“, meldete ich. „Aber bei einer Sache könnten Sie uns wirklich helfen. Vor Ihnen müsste ein Energiekristall aufgetaucht sein. Sagen Sie Kang, er soll ihn mit der Rosannium-Waffe zerstören. Bitte vertrauen Sie mir.“ „Das tue ich, Betsy.“, sagte Kissara erleichtert ob der Tatsache, dass mir nichts passiert war. „Und den Beweis werde ich gleich erbringen. Mr. Kang, Rosannium-Waffe vorbereiten, zielen und auf das genannte Objekt feuern, wenn bereit!“ Da ihr Finger auf dem Sendeknopf verblieben war, hatten Diran und ich alles hören können. Dann sahen wir nur noch eine kleine Explosion. „Ich danke dir, Betsy El Taria.“, sagte Diran leise, den das Loswerden der schwarzen Macht doch sehr angestrengt hatte. „Alles, was du am SITCH zu mir gesagt hast, ist richtig. Ich muss unbedingt gegenüber Agent Mikel aussagen. Sytania darf nicht davonkommen!“ „Dafür werde ich sorgen!“, versicherte ich und nahm mein Sprechgerät: „Lycira, zwei zum Beamen und nimm Dirans Schiff in Schlepp!“

Kapitel 25 - Unglaubliche Fakten

von Visitor

 

Auf der Krankenstation der Granger standen Loridana und Learosh vor einem Rätsel. „Laut seiner DNS handelt es sich bei unserem Patienten um Kairon.“, stellte der medizinische Assistent fest, nachdem er seinen Erfasser über dem fast leblosen Mann auf Biobett eins kreisen lassen hatte. „Aber Mächtige werden doch nicht krank, geschweige denn fallen ins Koma, oder, Ma’am?“ „Das ist nur möglich, wenn sie Rosannium oder der Kraft eines anderen Mächtigen ausgesetzt waren, Assistant!“, korrigierte Loridana, die seine Frage als fast etwas dümmlich empfand. Sie ging zu Recht davon aus, dass Learosh das eigentlich wissen musste.

Die Zeonide trat selbst an das Krankenbett heran und untersuchte Kairon. Dann schrak sie zusammen. „Um Himmels Willen, Learosh! Sein Telepathiezentrum ist tot und das tote Gewebe droht bereits, sein Gehirn zu vergiften! Wir werden es entfernen müssen, wenn wir ihn retten wollen, aber selbst dann ist nicht gesagt, dass er durchkommt. Aber versuchen müssen wir es. Stellen Sie den chirurgischen Transporter ein! Ich informiere den Commander!“ Ohne Widerspruch drehte sich Learosh der genannten Konsole zu. Er hatte zwar nicht ganz begriffen, was hier geschehen war, wusste aber, dass seine Vorgesetzte keinen Widerspruch und keine weiteren Fragen in dieser Angelegenheit dulden würde.

Lycira hatte mit Dirans Shuttle im Traktorstrahl an der Granger angedockt und ich war mit Diran jetzt auf dem Weg zu Mikel. Wie versprochen würde unser Vendar gegenüber ihm aussagen. „Was ich Agent Mikel sagen werde.“, begann Diran. „Ist sehr haarsträubend. Denkst du, er wird mir trotzdem glauben, Betsy El Taria?“ „Warum sollte er das nicht?!“, versuchte ich, ihn zu ermutigen. „Als guter Kriminalist muss er das, bis das Gegenteil deiner Aussage bewiesen ist. Aber was ist denn so schlimm, dass du so etwas befürchten musst?“

Er musste gesehen haben, dass wir bereits ziemlich nah an Mikels Quartier waren. Jedenfalls griff er plötzlich meine Hand und zog mich zurück. „Bitte bleib stehen.“, sagte er und ich spürte, dass er stark zitterte. Dies war mir ziemlich unheimlich. Von einem so starken Wesen wie ihm war ich das eigentlich nicht gewohnt. Aber ich wusste aus meiner eigenen Lebenserfahrung, dass auch ein körperlich sehr stark erscheinendes Wesen eine sensible Seele haben konnte. „Komm zur Wand!“, sagte ich alarmiert, denn ich befürchtete, dass wir sonst lang hinschlagen könnten, so wie er zitterte. An der Schiffswand konnten wir uns zumindest abstützen. „Es tut mir leid.“, entschuldigte er sich. „Das braucht es nicht.“, sagte ich und strich ihm über sein weiches Rückenfell, das mich in seiner Struktur an das eines Schäferhundes erinnerte. „Aber das muss ja etwas sehr Schlimmes sein, das du erlebt hast.“ „In der Tat.“, bestätigte Diran und begann fast zu weinen. „Ich bin so verzweifelt, Betsy El Taria! So verzweifelt! Meine arme Herrin! Wie konnte sie nur?! Oh, wie konnte sie nur!? Und Lord Kairon! Den hätte ich fast mit schwarzer Macht infiziert, wenn sein Telepathiezentrum nicht schon tot gewesen wäre! Sytania hat …!“

Er begann laut zu schluchzen und fiel vor mir auf die Knie. Ich setzte mich neben ihn, um zu gewährleisten, dass wir uns wieder auf einer Ebene befanden. Dann zog ich seinen Kopf auf meinen Schoß und begann, ihn einfach wortlos zu kraulen, als wäre er ein hilfebedürftiges Haustier. Eine andere Möglichkeit sah ich im Augenblick nicht. Sicher war mir bekannt, dass er einem Hund oder einer Katze an Intelligenz weit überlegen war, aber das war mir jetzt herzlich egal. Für mich zählte im Augenblick nur, dass er Angst hatte und die besiegte man am besten durch Zuwendung. Da war es egal, ob das Gegenüber nun zwei oder vier Beine hatte. Die rhythmischen Bewegungen meiner Hände begleitete ein ebensolches „Sch, sch, Sch.“, von meiner Stimme.

Eine Tür öffnete sich hinter uns und Mikel trat heraus. „Was ist denn hier los?“, fragte er irritiert. „Ich muss gerade deinen Kronzeugen etwas trösten.“, sagte ich. „Was musst du?“, fragte Mikel und wollte schon weitergehen, aber ich bekam einen seiner Füße zu fassen. „Wenn du nicht willst, dass ich dir ein Bein stelle, solltest du besser stehen bleiben.“, sagte ich mit zwar ruhiger aber trotzdem fester Stimme.

Mikel setzte sich zu uns auf den Boden. „Ich hoffe, du weißt, dass die Bedrohung eines Vorgesetzten ein Verbrechen darstellt.“, scherzte er. „Bring mich doch vors Kriegsgericht.“, scherzte ich zurück. „So etwas wollte ich nicht verursachen.“, sagte Diran peinlich berührt. „Keine Angst.“, tröstete Mikel. „Wir machen öfter solche Späße. Aber du hast mir doch sicher etwas zu sagen, Diran. Sonst wärst du ja nicht hier. Warum hast du Kairon auf unser Schiff gebeamt und warum wolltest du dich töten?“ „Ich möchte das lieber an einem anderen Ort besprechen, Agent Mikel.“, sagte Diran und versuchte, sich aus meinem Griff zu befreien, um aufstehen zu können. Ich hatte verstanden und ließ ihn los. Dann stand ich selbst auf.

„Gehen wir in mein Quartier.“, sagte Mikel und deutete auf jene Tür, aus der er gerade gekommen war. „Betsy, dich werde ich zu der Angelegenheit auch noch einmal verhören müssen. Ich habe zwar auf der Brücke alles mitbekommen, aber die Form verlangt es. Ich rufe dich, wenn ich mit Diran fertig bin.“ „Ich weiß.“, erwiderte ich und drehte mich zum Gehen, während ich murmelte: „Formulare, Formulare von der Wiege bis zur Bare.“

Mikel führte den noch immer stark zitternden Diran in sein Wohnzimmer. Dann setzten sich die Männer auf die Couch und der blinde Agent zog ein Pad, welches er auf Aufnahme stellte und die Stimmkontrolle aktivierte. Jetzt nahm es nur dann auf, wenn eine direkte Einwirkung auf das Mikrofon stattfand. „Vernehmung von Diran Ed Sianach, Zentrale Allzeit 3035,2805.1530.“, begann Mikel. „Feststellung der Personalien. Du heißt weiterhin Diran Ed Sianach.“ „Richtig.“, bestätigte Diran. „Gut.“, sagte Mikel. „Das heißt, du bist immer noch verheiratet. Wann bist du geboren und wo? Falls du es nur in vendarischer Zeitrechnung ausdrücken kannst, ist das nicht schlimm. Der Computer kann das später umrechnen.“ Für diese Hilfe war Diran dem ersten Offizier sehr dankbar. Er war zu nervös, um die Umrechnung selbst vorzunehmen und befürchtete daher, falsche Angaben zu machen. Deshalb sagte er: „Ich wurde geboren im Jahre des Gottes Shamep im 60000. Reigen am dritten Tage des Jahres auf Vendar Prime.“ Dann sah er Mikel fragend an, was dieser irgendwie zu spüren schien. „Schon gut.“, sagte er. „Ich und der Computer wissen, dass jedes eurer Jahre einem eurer 50 Götter gewidmet ist und dass das wieder von vorn losgeht, wenn ihr durch seid. Damit können wir arbeiten. Aber kommen wir nun zum Wesentlichen. Was ist so Schlimmes geschehen, dass du dich töten wolltest und warum hast du Kairon auf unser Schiff gebeamt? Warum war er überhaupt bei dir? Ich denke, du dienst seiner Schwester Tolea.“ „Das stimmt, Mikel El Taria.“, erwiderte Diran. „Zumindest hat es gestimmt, bis …“ Er hielt inne und den Atem an, als würde er gleich etwas sagen müssen, das die Welt aus den Angeln heben könnte. Wenn man bedachte, was er sagen würde, dann stimmte das ja auch in gewisser Hinsicht. „Egal, was es ist.“, signalisierte Mikel, dass er ihm auf jeden Fall glauben würde. „Als guter Ermittler muss ich dir glauben, bis mir Fakten das Gegenteil beweisen oder mir jemand glaubhaft versichert, dass du lügst. Es kann aber auch dazu kommen, dass deine Aussage durch Fakten untermauert wird.“ „Meine Herrin hat ihre Macht mit der Sytanias vereint!“, stieß Diran schließlich doch hervor. „Sie hat dies getan, um ihren Neffen Clytus zu bestrafen, weil dieser mit der Zeitlinie gespielt hat. Ich weiß nicht viel, Mikel El Taria. Aber er hat gesagt, dass er aus Liebe gehandelt hat. Was Clytus genau damit meinte, weiß ich nicht. Tolea war so wütend, dass sie sich mit Kairon um das Recht duelliert hat, Clytus bestrafen zu dürfen. Sie haben sich nach imperianischer Sitte duelliert. Außerdem habe ich schwarzweiße Blitze gesehen. Tolea und Sytania haben Kairon natürlich besiegt. Sie waren zu zweit und er allein. Kairon hat sein Machtzentrum total überlastet. Deshalb liegt er jetzt im Koma. Sytania wollte, dass ich ihn als Zwischenwirt ebenfalls mit schwarzer Macht infiziere. Sie hat sich als Vulkanierin ausgegeben. Das habe ich ihr auch noch geglaubt, ich Narr. Aber ich war so verzweifelt, ich hätte alles getan, um ihm zu helfen. Aber glücklicherweise hat meine Sifa die Energie abgestoßen.“ „Hast du Beweise?“, fragte Mikel, für den das eben Gehörte schier unglaublich klang. „Den einzigen Beweis habt ihr zerstört.“, sagte Diran. „Aber ich kann verstehen, warum ihr das getan habt. Ihr dürft nicht riskieren, dass ein Gegenstand mit Sytanias Energie auf eurem Schiff verbleibt. Dann hätte sie es viel leichter, euch etwas anzuhaben.“ „Stimmt.“, sagte Mikel. „Aber wie gesagt, ich muss dir glauben, bis deine Aussage oder auch ihr genaues Gegenteil bewiesen ist. Sonst wäre ich ein schlechter Ermittler. Wie sah eigentlich die Strafe für Clytus aus und für was genau wurde er bestraft?“ „Das weiß ich nicht.“, sagte Diran. „Mehr habe ich nicht gesehen. Darf ich gehen? Ich verspreche auch, mich nicht mehr zu töten.“ „Sobald unser Ingenieur mit deinem Schiff fertig ist, ist das sicher möglich.“, sagte Mikel. „Wohin wirst du fliegen? Ich frage nur, falls ich noch einmal wegen deiner Aussage Kontakt mit dir aufnehmen müssen sollte.“ „Ich werde meine Frau in der tindaranischen Dimension aufsuchen.“, sagte Diran. „Dort werde ich zunächst bleiben.“ „OK.“, sagte Mikel. „Dann bringe ich dich zunächst in eines der Gästequartiere. Dort bekommst du dann Bescheid, wenn dein Schiff abflugbereit ist. Ich muss noch einige Leute mehr zu dem Thema vernehmen.“ „Also gut.“, sagte Diran. „Dann folge ich dir.“

Loridana hatte Kissara per Sprechanlage über die Diagnose informiert, die sie bei Kairon gestellt hatte. Die Kommandantin hielt es allerdings für besser, sich die Situation aus der Nähe anzusehen, weshalb sie wenig später die Krankenstation betrat. „Bericht, Loridana!“, forderte Kissara die an der Überwachungskonsole zu Biobett eins stehende Zeonide auf. „Sein Telepathiezentrum ist nicht mehr zu retten.“, erklärte Loridana knapp. „Es muss einer enormen Belastung ausgesetzt gewesen sein, die es zerstört hat. Wenn ich das tote Gewebe nicht entferne, wird sein gesamtes Gehirn mit Giftstoffen aus dem Zersetzungsprozess überflutet und dann stirbt er. Es gibt aber eine geringe Chance, ihn durchzubekommen, wenn wir die toten Gewebsreste entfernen. Allerdings wird er dann sterblich bleiben. Seine Fähigkeiten sind so oder so für immer verloren.“

Kissara setzte sich seufzend auf den Rand des Biobettes und strich Kairon mit der samtweichen Innenfläche ihrer rechten Hand über das Gesicht. „Wenn ich Sie gerade richtig verstanden habe, Loridana.“, wandte sie sich an die Schiffsärztin. „Dann hat er die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder, er stirbt sofort, oder in einigen Jahren und führt bis dahin ein in seinen Augen jämmerliches Leben als Sterblicher. Um Gottes Willen! was stinkt denn hier so?!“ „Das ist die Zersetzung.“, antwortete Learosh aus dem Hintergrund. „Sein Gewebe ist jetzt genau so verwundbar wie das eines jeden Sterblichen auch.“

Kissara drehte sich zu Kairons Ohr und flüsterte: „Sie haben uns da in eine ziemlich verzwickte Situation gebracht, mein Freund. Wir wollen nicht, dass Sie ein in Ihren Augen jämmerliches Leben als Sterblicher führen müssen, aber sterben werden Sie auch, wenn das tote Gewebe nicht entfernt wird. Wenn Sie uns doch nur sagen könnten …“

Learosh war an die Beiden herangetreten, was Kissaras scharfen Katzenohren nicht entgangen war, die sie wie ein Radar in alle Richtungen drehen konnte. Dadurch hatte sie jetzt auch gespürt, dass Learosh sehr angespannt vor dem Monitor stand und unentwegt auf eine bestimmte Kurve deutete. „Ma’am!“, rief er seiner Vorgesetzten zu. „Bitte kommen Sie her und schauen Sie sich das an.“

Loridana drehte sich zu ihm und starrte bald genau so fasziniert auf die Kurve wie ihr Assistent. „Sein Blutdruck ist angestiegen, als Commander Kissara das mit dem jämmerlichen Leben zu ihm gesagt hat. Das scheint eine Protestreaktion zu sein. So etwas hat es bei komatösen Patienten schon gegeben. Vielleicht erreicht sie ihn ja sogar trotz seines Komas. Die Frage ist nur, gegen was er protestiert.“, überlegte Loridana. „Will er das Leben als Sterblicher nicht, oder hat er was dagegen, dass wir es als jämmerlich bezeichnet haben?“ „Wie ich die Situation einschätze.“, meinte Learosh. „Hätten die alten Q das Leben der Sterblichen als jämmerlich empfunden. Aber Tolea und Kairon sind doch unsere Freunde. Das bringt mich auf die Theorie, dass er uns vielleicht dafür tadeln möchte, dass wir das Wort jämmerlich im Zusammenhang mit unserem Leben benutzt haben und dass er vielleicht lieber als Sterblicher lebt, als gar nicht.“ „Darüber können wir diskutieren, bis wir schwarz werden.“, erwiderte Loridana, die sorgenvoll die Zahlen auf dem Schirm beobachtete. „Aber die Zeit haben wir nicht, fürchte ich. Wenn ich nicht bald operiere, dann wird sein Gehirn zersetzt und dann ist er tot. Der einzige Trost, den mein Patient hat, ist der, dass er von dem Ganzen nichts mitbekommt, weil er bewusstlos ist. Wir müssen uns jetzt entscheiden. Uns läuft eindeutig die Zeit davon!“

„Anscheinend ist meine Stimme in der Lage, ihn trotz Koma zu erreichen.“, sagte Kissara. „Learosh, beobachten Sie bitte genau den Monitor und sagen Sie mir, wann genau sein Blutdruck ansteigt!“ Der medizinische Assistent stellte sich vor den genannten Schirm und starrte auf die Kurve von Kairons Blutdruck. „Bin bereit, Commander!“, sagte der Taskonianer zackig. „Gut.“, sagte Kissara. „Dann halten Sie jetzt mal die Augen offen.“

Sie beugte sich erneut zu Kairons Ohr herunter und flüsterte: „Wollen Sie uns sagen, Sie wollen das jämmerliche Leben als Sterblicher …“ Bevor sie aussprechen konnte, hatte Learosh sich blitzschnell umgedreht und sie an ihrem Nackenfell gefasst. „Bitte entschuldigen Sie meine Reaktion, Commander.“, sagte er. „Aber als Sie jämmerlich sagten, da ist …“ „Schon gut, Learosh.“, sagte Kissara. „Für eine Entscheidung in dieser Angelegenheit nehme ich ein bisschen Zwicken im Nacken schon in Kauf. Jetzt wissen wir, dass er das Wort jämmerlich in diesem Zusammenhang nicht mag. Anscheinend will er ein Leben als Sterblicher.“ „Dann geben wir es ihm doch.“, sagte Loridana erleichtert. „Learosh, zielen Sie mit dem chirurgischen Transporter auf die toten Areale und entfernen Sie diese!“ „Ja, Madam.“, sagte Learosh, setzte sich an die Konsole und begann mit der Operation. „Wenn wir hier durch sind.“, sagte Loridana. „Ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er irgendwann aus dem Koma aufwachen kann. Ich schließe nicht aus, dass er auf die gleichen Stimuli wie ein sterblicher Patient reagieren könnte.“ „Er ist jetzt ein sterblicher Patient, Loridana.“, sagte Kissara. „Und das wird ihm jemand beibringen müssen. Ich habe auch schon zwei meiner Offiziere in die engere Wahl genommen, was die Betreuung von ihm in der ersten Zeit als Sterblicher angeht. Er wird noch eine Weile hier auf der Granger bleiben.“ „An wen dachten Sie, Ma’am.“, fragte Loridana. „Allrounder Betsy und Agent Mikel werden sich bei seiner Betreuung abwechseln.“, sagte Kissara. „Mikel und Betsy?“, fragte Learosh. „Mit Verlaub, wie kommen Sie gerade auf die Beiden. Ich meine, es wäre doch viel besser, wenn einer von uns Medizinern …“ „Oh, nein.“, widersprach Kissara lächelnd. „Die Beiden haben eine Qualifikation, die keiner von Ihnen aufweist.“ „Verzeihen Sie.“, sagte Learosh. „Es liegt mir sicher fern, eine Entscheidung meiner kommandierenden Offizierin zu kritisieren, aber was für eine Qualifikation meinen Sie?“ „Das war eine Frage und keine Kritik, Learosh.“, meinte Kissara. „Und Fragen hat jeder Untergebene auch in früheren Zeiten seinem Captain stellen dürfen, ohne gleich vor dem Kriegsgericht zu landen. Ich werde Ihre Frage sogar beantworten. Betsy und Mikel haben eine Behinderung, mit der sie in unserer Gesellschaft zurechtkommen müssen, was ihnen hervorragend gelingt, wenn Sie meine Meinung hören wollen, Medical Assistant. Kairon könnte den Verlust seiner Fähigkeiten eventuell auch temporär als Behinderung empfinden. Von Gleichgesinnten lernt es sich immer noch am besten. Auf der Erde sagt man schließlich, dass geteiltes Leid halbes Leid sei.“ „Danke, Commander.“, sagte Learosh. Dann wendete er sich an Loridana: „Alle Areale sind entfernt, Ma’am.“ „OK.“, sagte die Ärztin und bereitete einen Hypor vor. „Ich werde ihm jetzt ein Medikament spritzen, das seinen Stoffwechsel beschleunigt, damit der Rest an Gift aus ihm herausgeschwemmt wird.“ „Tun Sie das, Loridana.“, sagte Kissara. Dann drehte sie sich zum Gehen: „Informieren Sie mich, wenn sich etwas ändert!“ „Aye, Commander!“, sagten Learosh und Loridana wie aus einem Mund, bevor sich die Tür zur Krankenstation hinter Kissara schloss.

Kamurus, Ginalla, Novus und Sedrin hatten die terranische Umlaufbahn erreicht. „Gott sei Dank, dass wir dieses Mal von genesianischen Patrouillen unbehelligt geblieben sind.“, merkte der Schiffsavatar an. „Hast du etwa Schiss, dass die sich gleich an unsere Fersen geheftet haben, nur weil wir ein bisschen hin und her fliegen?“, antwortete Ginalla flapsig. „In gewisser Weise hat er Recht, Ginalla.“, sprang Sedrin für Kamurus in die Bresche. „Es könnte schon möglich sein, dass den Genesianern auffällt, dass ein baugleiches Schiff plötzlich mehrere Missionen hat und das könnte sie irritieren. Aber anscheinend haben sie ja im Augenblick andere Probleme zu lösen.“ „Oder die sind einfach zu blöd, um das zu merken.“, tröstete Ginalla. „Du siehst also, es is’ alles in Butter, Kamurus.“ „Bisher ja.“, sagte das Schiff. „Aber wir haben ein neues Problem. Wie nehmen wir zu Commander Huxley und den Androiden Kontakt auf. Dein Ehemann, Sedrin, darf keinen SITCH beantworten und Novus’ Eltern würden auch auffallen, wenn sie das täten. Schließlich gelten sie als Maschinen und sind daher nicht selbstständig.“ „Dann wird wohl eine von uns dort hin beamen müssen.“, schlug Sedrin vor und stand auf. „Sind sie noch in unserem Wohnzimmer, Kamurus?“ Der Avatar nickte. „Also gut.“, sagte Sedrin. „Dann beame mich hin.“

Huxley staunte, als sich eine schimmernde Energiesäule vor seinen Augen in seine Frau verwandelte. „Schon zurück, Jinya?“, fragte er. „Ja.“, antwortete Sedrin leicht hektisch. „Aber wir haben keine Zeit für eine lange Begrüßung.“ „Wie lief es denn mit Tamara.“, fragte Jaden weiter. „Mit der ist es super gelaufen.“, erwiderte die Agentin. „Aus Gründen, die ich nicht genau kenne, scheint sie auf unserer Seite zu sein. Ich denke, sie hat auch kapiert, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Wo sind die Androiden?“

Jaden stand auf und führte sie in eine von vorn nicht gleich einzusehende Ecke des Wohnzimmers, auf die er die Sicht auch noch mit einigen Sesseln verstellt hatte. „Hätte ich dir nicht zugetraut.“, sagte Sedrin. Dann wendete sie sich an Cupernica und Data: „Kommen Sie mit. Ihr Sohn wartet auf Ginallas Schiff. Es ist keine Zeit für lange Erklärungen. Wir müssen hier weg sein, bevor die Genesianer misstrauisch werden könnten.“ „In Ordnung, Agent.“, sagte Cupernica und sie und Data standen aus der gebückten Position auf, in der sie sich hinter den Möbeln versteckt hatten. Sie stellten sich rechts und links neben Sedrin, die ihr Sprechgerät zog und Kamurus’ Rufzeichen eingab: „Kamurus, halt dich bereit, uns drei an Bord zu beamen.“ Dann wandte sie sich noch einmal an ihren Mann: „Es fällt mir schwer, dich in dieser Situation allein zu lassen, aber es muss sein.“ „is’ schon gut, Jinya Demetana.“, flapste Jaden. „Wenn ich mich an 'n paar Regeln halte, wird das schon gehen. Ich weiß schon. Nich’ allein vor die Tür und wenn, dann nur mit Hundehalsband, damit selbst die dümmste Genesianerin sieht, dass ich schon vergeben und somit kein Freiwild mehr bin. Keinen SITCH beantworten und so weiter. Ich bin selbst ausgebildeter Sternenflottenoffizier.“ „Dann weißt du ja Bescheid.“, atmete Sedrin auf. Dann sagte sie ins Mikrofon ihres Sprechgerätes: „Aktivieren, Kamurus!“

Wenige Sekunden später fand sie sich im Cockpit neben Ginalla wieder. Auch Cupernica und Data waren bei ihr. „Der Kleene is’ in der Achterkabine.“, flapste Ginalla den beiden Androiden zu. „Da würde ich an eurer Stelle auch hingehen. Der Agent und ich müssen noch was bequatschen.“ „Sicher.“, sagte Data und Cupernica nickte bestätigend. Dann durchschritten beide die Tür zur Achterkabine, die sich kurz darauf wieder hinter ihnen schloss.

„Wohin jetzt?“, fragte Ginalla flapsig. „Sie sagten was vom Sternbild Fische.“ „Davon weiche ich auch nicht ab.“, antwortete Sedrin. „Ich habe zwar keine Ahnung, was uns dort erwarten wird, aber ich denke, wir sollten Tamara vertrauen. Sie wird schon das Richtige tun.“ „Also dann, Kamurus!“, kommandierte Ginalla. „Du hast die Lady gehört.“ Kamurus’ Avatar nickte und sie verließen die terranische Umlaufbahn.

Tolea hatte erneut den Kontaktkelch zur Hand genommen, um Sytania zu kontaktieren. Viel zu lange hatte sie nichts von ihrer angeblichen Freundin gehört, was sie sehr nervös werden lassen hatte. Immer abhängiger von Sytanias Zuspruch und ihrer Anwesenheit war sie geworden, was auch eine Nebenwirkung der schwarzen Macht war. Als Sytania ihren Ruf aber nicht beantwortete, teleportierte sie sich sogleich in ihr Schloss im Dunklen Imperium. „Was für ein überraschender Besuch!“, lachte Sytania. „Was verschafft mir die Ehre?“ „Ich habe Euch aufgesucht, Milady, weil ich …“ „Warum nennst du mich noch weiterhin Milady?“, fragte Sytania. „Wir sind doch längst Freundinnen geworden. Du musst mich auch nicht mehr wie eine Königstochter ansprechen. Wir sollten uns längst duzen. Nenn mich also zukünftig Sytania.“ „Liebend gern.“, antwortete Tolea. „Schön.“, kreischte Sytania. „Darauf sollten wir anstoßen.“

Sie klatschte in die Hände und ein älterer Imperianer betrat das Gemach. „Bring uns vom besten Wein und zwei Krüge!“, befahl die Prinzessin. „Meine edle Freundin und ich haben etwas zu feiern.“ „Wie Hoheit wünschen.“, sagte der Alte, der offenkundig Sytanias Mundschenk war und ging.

Sytania und Tolea setzten sich an einen kleinen mit Gold beschlagenen Tisch, der in einer sonnigen Ecke des Zimmers stand. Als sich die Frauen gegenüber saßen, viel Sytania sofort auf, was ihre Freundin für ein verkniffenes Gesicht machte. „Was stört dich, Tolea?!“, wollte sie wissen. „Ich habe beunruhigende Dinge gesehen, als ich in die Zukunft geblickt habe, Sytania.“, entgegnete die Bewohnerin des Raum-Zeit-Kontinuums mit einer Stimmlage, als würde man ihr die Luft abdrücken. „Wovon redest du?“, fragte Sytania.

Tolea stand auf und holte den Kontaktkelch, den auch Sytania auf ihrem marmornen Schreibtisch stehen hatte, herüber. Dann legte sie eine Hand auf den Fuß und streckte die andere Sytania entgegen. „Bitte sieh es dir mit mir an.“, bat sie. „Wie du willst.“, erwiderte Sytania misslaunig. Langsam hatte sie von Toleas ängstlichem Getue, wie sie es empfand, genug.

„Das ist die Granger.“, stellte Sytania fest, nachdem sich vor ihrem und Toleas geistigem Auge jenes Bild geformt hatte, auf das Tolea sie aufmerksam machen wollte. „Verstehst du denn nicht?!“, sagte Tolea alarmiert. „Sie werden uns draufkommen, wenn wir nichts tun. Dieser Agent Mikel ist ein ziemlich gewitzter Schnüffler und Diran hat ihm gegenüber ausgesagt. Wenn der eins und eins zusammenzählt, wird er uns draufkommen und dann …“ „Da sieht man mal wieder, dass du vor lauter Angst nicht richtig hingeschaut hast.“, sagte Sytania und riss die geistige Kontrolle an sich. „Schau mal, was wirklich mit der Granger passieren wird.“ Erleichtert nahm Tolea zur Kenntnis, was sie jetzt durch den Kontaktkelch zu sehen bekam. „Du meinst, um die Granger wird sich schon jemand kümmern.“, sagte sie. „Genau.“, erwiderte Sytania. „Wir können uns beruhigt zurücklehnen und das Problem Granger den Sterblichen überlassen. Zumindest denen, die uns aus der Hand fressen. Die Föderation wird Kissara schon wieder einfangen und dann werden Mikel auch seine besten und akkuratesten Ermittlungsergebnisse nicht mehr helfen. Morgen hat die Föderation soweit ich weiß eine Parlamentssitzung, in der das Problem Granger auch diskutiert werden soll. Du solltest über Nacht bleiben und wir sollten dann mit unseren seherischen Fähigkeiten einmal Mäuschen spielen.“ „Also gut.“, sagte Tolea. „Dann machen wir es doch so. Aber ich fürchte, der hohe Rat wird aufmerksam, wenn ich als momentane alleinige Vorsitzende nicht erscheine, wenn heute Abend über die Situation gesprochen wird.“

Sytania machte ein wütendes Gesicht. „Wie unvorsichtig warst du?!“, fragte sie empört. „Wie viel wissen sie?!“ „Sie wissen gar nichts.“, versuchte Tolea, sie zu beruhigen. „Sie vermuten nur. Aber ich denke, ich kann sie …“ „Ver-mu-ten!!!“, schrie Sytania. „Vermuten reicht schon! Die anderen Mitglieder eures Rates sind nicht dumm und wenn irgendjemand bei dem Duell etwas gesehen haben sollte, dann …“ „Nur zwei Vendar.“, versuchte Tolea die aufgebrachte Prinzessin zu beruhigen. „Das genügt!“, unterbrach Sytania sie. „Die werden geredet haben und einige von deinen ehemaligen Kumpanen werden ihnen geglaubt haben. Aber du hast noch eine Chance, alles wieder gut zu machen. Wir werden sie gemeinsam in Felsen verwandeln. Wenn wir sie überraschen, können sie sich nicht wehren und von dir, das ist die größte Überraschung, werden sie das nicht denken.“ „Also gut.“, sagte Tolea. Im selben Augenblick fuhr ein schwarzweißer Blitz auf die Versammlung in der großen Halle des Kontinuums hernieder, wo man auf Tolea gewartet hatte. Augenblicklich waren alle zu Felsnasen erstarrt. Sytania hatte Recht behalten. Trotz der Warnung der Vendar hatte niemand damit gerechnet, dass sich Tolea wirklich auf Sytanias Seite geschlagen hatte.

Kapitel 26 - Mit einem blauen Auge davongekommen

von Visitor

 

Jenna und Joran waren zu einer Patrouille aufgebrochen. Für Zirell war dies nicht nur eine einfache Patrouille gewesen, auf die sie die Beiden geschickt hatte, nein. Für sie hatte diese Patrouille auch den Sinn, Maron zu beweisen, dass die Genesianer keine Ahnung davon hatten, was sie plante. Sie wollte unbedingt beweisen, dass ihre Rebellion bisher unerkannt geblieben war. Deshalb sollte IDUSA auch alle Bilder von der Mission zur Basis senden.

„Denkst du, dass die Genesianer uns das wirklich abkaufen werden, Telshanach?“, fragte der Vendar nachdenklich. „Soll ich ehrlich sein, oder willst du eine Gefälligkeitsantwort, Joran?“, fragte Jenna zurück. „Bedenke, dass Zirell uns hören kann.“, sagte Joran und hielt sich demonstrativ den Finger an die Lippen. „Das ist mir egal!“, sagte Jenna. „Ich werde dir jetzt sagen, was ich von dem Plan mit der weiblichen Begleitung halte, so wie Zirell ihn sich gedacht hat. Ich denke, sie macht einen riesigen Fehler. Irgendwann werden die Genesianer misstrauisch werden und dann …“

IDUSA lud plötzlich beide Tabellen und begann: „Joran, Jenna, ich habe ein genesianisches Patrouillenschiff auf den Sensoren. Es hat uns offensichtlich gesehen und fliegt in unsere Richtung. Soll ich ein Fluchtmanöver initiieren?“ „Wer wird denn?“, scherzte Joran und gab ihr den Gedankenbefehl zum Deaktivieren des Antriebs. „Das wäre ja Widerstand gegen die Staatsgewalt. Hol die Alibi-Datei raus, Telshanach.“ Lächelnd zog Jenna ein Pad, auf dem sie eine Datei voller technischer Fachbegriffe lud und das sie an IDUSA anschloss. Wenn die Genesianer nicht gerade ihre Chefingenieurin schicken würden, wovon nicht auszugehen war, würde die Patrouille sich mit Jennas Erklärung, sie überprüfe den Antrieb, zufrieden geben müssen.

Jenes Schiff, das IDUSA gemeldet hatte, war die Canara. Yanista hatte sich schon seit langem gewünscht, endlich einem Schiff zu begegnen, das zu Zirells Station gehören würde. „Bring uns längsseits und SITCH sie an.“, befahl sie Hera, die ihre Befehle sofort ausführte. „Und nun verbinde mich mit ihnen.“ Auch dies tat die junge Kriegerin und bald sah Yanista Jennas lächelndes Gesicht auf dem Schirm. „Ich bin Techniker Jenna McKnight.“, sagte sie. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ „Ich bin Prätora Yanista vom Clan der Vetash.“, stellte sich jetzt Yanista vor. „Du könntest mir helfen, Terranerin, indem du mir sagst, warum du und dein Begleiter mit dem tindaranischen Schiff hier unterwegs seid. Versteh uns bitte nicht falsch. Wir machen Stichproben, damit keine Dinge oder Informationen irgendwo hin geschmuggelt werden können, wo sie nichts zu suchen haben oder gar Rebellionen gegen uns unterstützt werden könnten.“ „Wir sind ganz harmlos.“, versicherte Jenna. „Wir machen lediglich einen Antriebstest.“ „Einen Antriebstest.“, wiederholte Yanista. „Wenn das so ist, dann habt ihr doch sicher nichts dagegen, wenn ich mir diesen Test und alles, was mit ihm zusammenhängt, mal aus der Nähe ansehe.“ „Aber nein.“, sagte Jenna höflich. „Sie können ruhig an Bord kommen.“

Yanista beendete die Verbindung und drehte sich zu ihrer Tochter. „Minerva, du wirst mich begleiten, damit du lernst, wie so etwas vor sich geht. Ich glaube ihr zwar kein Wort, was den Antriebstest angeht, aber dieses Mal werden wir sie noch einmal ziehen lassen, damit sie sich in falscher Sicherheit wiegt, diese Zirell. Wenn das der Fall ist, wird sie irgendwann einen Fehler machen und dann haben wir sie. Hera, du hast die Brücke!“

„Hoffentlich gehen die Genesianer mir nicht an die Eingeweide.“, äußerte IDUSA. „Keine Angst.“, tröstete Jenna. „Das wird schon nicht passieren. Dafür kann ich hoffentlich mit dieser Datei sorgen. Ah, ich glaube, sie kommen schon.“

Im hinteren Teil des Cockpits materialisierten sich zwei Energiesäulen, die nach und nach die Gestalt zweier genesianischer Kriegerinnen annahmen. „Ich bin Prätora Yanista vom Clan der Vetash.“, stellte sich selbige vor. „Das ist meine Tochter Minerva, die auch unsere Erbprätora ist.“ „Das ließ sich denken.“, lächelte Jenna, die sich gegenüber den Genesianerinnen betont freundlich gab. „Wie heißt er!“, sagte Minerva streng und zeigte auf Joran. „Oh, das ist nur Joran.“, sagte Jenna. „Er ist nur ein einfacher Patrouillenflieger. Er hat nichts zu sagen.“ „Was macht ihr hier?“, fragte Yanista plump, deren Englisch in manchen Situationen ziemlich dürftig war. „Wir testen den Antrieb unseres Schiffes.“, sagte Jenna und hielt ihr das Pad unter die Nase. „Möchtet Ihr nachlesen, Prätora?“

Missmutig nahm Yanista ihr das Pad ab und überflog es kurz, allerdings ohne von seinem Inhalt wirklich Kenntnis zu nehmen. „Davon verstehe ich nichts, Terranerin.“, sagte sie, als sie es Jenna zurückgab. „Aber du scheinst ja technisch ziemlich versiert zu sein. Meiner Interpretation nach ist hier alles in Ordnung und du hast die Wahrheit gesprochen. Also lassen wir euch gehen.“ Sie zog ihr Sprechgerät und gab das Rufzeichen der Canara ein, worauf ein verbaler Befehl auf Genesianisch folgte, nach welchem sie bald wieder in immer durchsichtiger werdenden Säulen verschwanden.

Joran gab einen erleichterten Laut von sich. „Das ist ja gerade noch mal gut gegangen, Telshanach.“, sagte er, während er IDUSA wieder auf Kurs brachte. „Das ist es.“, bestätigte die Ingenieurin. „Aber ich habe das starke Gefühl, dass sie uns nur in falscher Sicherheit wiegen wollen und irgendwann erbarmungslos zuschlagen werden. Bitte bring uns zur Basis zurück.“ Joran nickte und wendete das Schiff. „Zirell macht einen Fehler.“, sagte Jenna halblaut. „Ja doch, Telshanach.“, antwortete Joran tröstend, dem diese Offensichtlichkeit auch klar war, was wohl den Grund darstellte, aus dem er es langsam nicht mehr hören konnte.

Mikel hatte sich noch einmal zur Beweissuche zu Dirans Schiff begeben. Der Agent wollte, wie er es versprochen hatte, die Aussage des Vendar überprüfen. Wenn es wirklich eine Vulkanierin gegeben hatte, mit der er hier zusammengetroffen war, musste es genetische Hinweise auf sie geben. Diese hoffte Mikel nun zu finden. Er hatte seinen Erfasser auf das Erkennen von vulkanischer DNS eingestellt und ging nun außen um das Schiff herum, um die Luke zu finden.

„Suchen Sie etwas, Sir?“ Eine heisere Stimme hatte ihn erschreckt. Langsam drehte sich Mikel um, damit er deren Urheber besser ausmachen konnte. Dann kamen bekannte schwere Schritte auf ihn zu und jemand begrüßte ihn mit starkem britischen Akzent und den Worten: „Ich bin es. Jannings.“ „Techniker.“, sagte Mikel erleichtert. „Ich hätte Sie fast nicht erkannt.“ „Na, da kann ich ja froh sein, dass Sie nicht gleich den Phaser gezogen haben.“, scherzte der Chefingenieur. „Dann würde ich jetzt sicher nicht mehr leben.“ „Na, ich weiß ja nicht, was Betsy so über mich erzählt, wenn Sie zusammen Karten spielen.“, sagte Mikel. „Aber so ein schießwütiger Heißsporn bin ich nun auch nicht. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen, ja, ich suche tatsächlich etwas. Ich suche nach vulkanischer DNS. Diran hat ausgesagt, dass sich Sytania ihm als Vulkanierin angedient hätte, mit dem Ziel, Kairon mit schwarzer Macht zu infizieren. Diesen Teil seiner Aussage versuche ich zu verifizieren. Ich habe meinen Erfasser auf das Auffinden vulkanischer DNS programmiert und …“ „Und jetzt spielen Sie Erfasser, sag mal piep.“, lachte Jannings. „Aber den Gefallen wird er Ihnen nicht tun, solange Sie außerhalb an der Schiffshülle suchen. Oder hat Diran Ihnen etwa gesagt, dass sie sich im Weltraum getroffen haben.“

Er holte ein Überbrückungswerkzeug aus der Tasche und hielt die Anschlussmodule an den Stromkreis für die Luke, worauf diese sich sofort öffnete. Mikel und er stiegen ins Innere des Schiffes, worauf sich die Luke hinter ihnen wieder schloss. „So.“, sagte Jannings. „Ich glaube, hier werden wir eher fündig. Also, was könnte unsere Vulkanierin hier getan haben oder was könnte sie angefasst haben?“ „Sie denken ja schon wie ein richtiger Kriminalist!“, sagte Mikel. „Ist das ein Kompliment?“, fragte Jannings. „Allerdings.“, sagte Mikel und drehte sich einige Male mit dem Erfasser um sich selbst, bis das Gerät plötzlich zu piepen begann. Mikel steckte es in die Tasche, um beide Hände frei zu haben und tastete vor sich, aber Jannings hielt ihn an den Handgelenken zurück. „Sie scheinen schon wieder total aufgeregt, Agent.“, sagte der Engländer ruhig. „Sonst würden Sie merken, dass Sie Ihre schöne Probe mit den eigenen Händen verunreinigen würden, wenn Sie den Gegenstand auch noch berührten. Sie haben doch bestimmt einen ballistischen Hypor in der Tasche, den Sie ja nur an Ihren Erfasser anschließen müssen. Dann wird der von dort mit den Koordinaten gefüttert und beamt eine schöne Zellprobe in das angeschlossene Röhrchen.“ „Oh, Jannings.“, seufzte Mikel. „Wenn ich Sie nicht hätte. Ich finde Ihre Idee viel besser als meine, wenn ich drüber nachdenke.“ Damit zog er das angesprochene Gerät aus der Tasche, um Jannings’ Vorschlag Folge zu leisten.

Kamurus bewegte sich jetzt langsam auf das Sternbild Fische zu. Ginalla hatte ihm befohlen, unter Warp zu gehen, damit er keine all zu starken Spuren hinterlassen würde. Sein Impulsantrieb war in der momentanen Situation nicht vom Hintergrundbild der Galaxie zu unterscheiden, da das Universum sich entsprechend verändert hatte, was wohl den Veränderungen im Raum-Zeit-Kontinuum geschuldet war. Wer die nähere Geschichte kannte, der wusste genau, dass entsprechende politische Umwälzungen schon einmal zu einer solchen Veränderung geführt hatten, nur hatte man es jetzt nicht mit einem Bürgerkrieg, sondern mit etwas noch viel Schlimmerem zu tun, wenn die Situation länger anhielt. Den Grund für die universalen Beben und veränderten galaktischen Strömungen kannten Sedrin, Kamurus und Ginalla jedoch noch nicht. „Warum haben Sie ihm befohlen, unter Warp zu gehen, Ginalla?“, wollte Sedrin wissen. „Ich denke, dass wir keinen Grund haben, uns zu verstecken. Was immer Tamara geplant hat, es wird sicher extrem wichtig sein, dass wir gefunden werden können.“ „Wir nähern uns einem Sternensystem.“, begründete Ginalla. „Da is’ es doch normal, unter Warp zu gehen.“ Sedrin, die gemerkt hatte, dass dies nur eine Ausrede war, erwiderte: „Aber nicht so früh. Ich weiß, dass Sie mir vielleicht nicht wirklich trauen, weil ich Geheimdienstlerin bin und Sie in der Vergangenheit oft mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Aber damals war Ihre Lebenseinstellung eine andere und die Rechtsprechung der Föderation verurteilt niemanden für Verbrechen, die vielleicht schon lange verjährt sind.“ „Sie hat niemals ein Verbrechen begangen.“, verteidigte Kamurus seine Pilotin. „Zumindest nicht, solange wir uns kennen. Was vor meiner Zeit mit ihr war, kann ich nicht beurteilen, aber …“ „Siehst du?“, fragte Sedrin. „Und was immer da war, ließe sich nur durch eine Zeitreise in die Vergangenheit beweisen, was wiederum auch nicht legal wäre, zumal es keinen Anhalt gibt, der dies rechtfertigen würde. Sie mögen zwar eine Herumtreiberin gewesen sein, Ginalla, aber das darf man ja wohl.“ „Finde ich ja nett, dass Sie mir das gestatten.“, scherzte Ginalla. „Und sogar heute kann ich nich’ anders. Ich glaube, ich habe Zigeunerblut.“

Kamurus übernahm plötzlich die Steuerkontrolle und flog eine Wendung, nach der er seinen Antrieb vollständig abschaltete. „Ginalla, Sedrin, ich empfange ein schwaches Transpondersignal.“, erklärte er seine Vollbremsung, bei der die Frauen fast mit den Köpfen auf die Konsolen geknallt wären. „Es scheint tief aus diesem System zu kommen. Ich konnte es nicht früher wahrnehmen, da die Quelle anscheinend eine sehr geringe Reichweite hat.“ „Oder jemand wollte nicht so leicht zu entdecken sein.“, vermutete Sedrin. „Sicher hat derjenige gedacht wie Sie, Ginalla.“ „Könnte sein.“, überlegte die Celsianerin. „Bring uns zur Signalquelle, Kamurus!“

Der Schiffsavatar nickte und das Shuttle setzte sich langsam in Bewegung. Dabei war Kamurus darauf bedacht, auf keinen Fall an der Quelle vorbei zu fliegen. Allerdings musste er seine Sensoren auf die höchste Empfindlichkeit einstellen, um die Quelle nicht zu verfehlen, denn wie ein Flüstern in einer großen Halle war sie auch nur sehr schwach für ihn wahrzunehmen. „Denken Sie, Ihr Chief-Agent hat was mit der Signalquelle zu tun, Sedrin?“, mutmaßte Ginalla und kaute dabei nervös an ihren Fingernägeln, eine Angewohnheit, die sie sich erst kürzlich zugelegt hatte. Immer, wenn es spannend wurde, wurde auch sie leicht nervös, aber sie wollte es ja so. Sie liebte den Nervenkitzel. „Ich schätze ja.“, überlegte Sedrin halblaut. „Wenn sie will, dass wir hier jemanden treffen, dann wird sie es so geschickt eingefädelt haben, dass die Genesianer nicht unbedingt aufmerksam werden. Die haben lange nicht so empfindliche Sensoren wie unser Kamurus hier. Die könnten über einen mit voller Leistung sendenden Fernsehmast aus dem 20. Jahrhundert fliegen, ohne ihn zu bemerken.“ „Ich denke, dein Vergleich hinkt etwas, Sedrin.“, sagte Kamurus. „Einen Fernsehmast würden sie schon bemerken, aber ich weiß schon, was du sagen willst. Was du gerade gesagt hast, war sicher nur als Metapher zu sehen.“ „Genau.“, bestätigte die Agentin.

Am Summen des Antriebs hörten die Frauen bald, dass Kamurus diesen deaktiviert hatte. „Da wären wir, Ladies.“, lächelte er. „Hier ist nichts.“, sagte Ginalla. „Jedenfalls sehe ich nichts, was deine Sensoren mir zeigen könnten.“ „Die Signalquelle ist aber genau vor uns.“, widersprach Kamurus. „Vielleicht ist sie getarnt.“, vermutete Ginalla. „Dann würde ich ein Tarnfeld ausmachen.“, erklärte Kamurus. „Aber hier ist gar nichts.“ „Und du bist sicher, dass du nicht über dein eigenes Antriebsecho gestolpert bist, Kamurus?“, erkundigte sich Sedrin. „Mein Antriebsecho würde kein Rufzeichen übermitteln.“, sagte Kamurus fast beleidigt. Er drehte sich leicht. „Hier sind eine Menge ungünstiger Raumströmungen.“ „Schon gut.“, sagte Ginalla. „Irgendwie musst du ja deinen Kurs halten, damit wir keinen Drehwurm kriegen.“ „Mehr scheint hier aber auch nicht zu sein.“, sagte Kamurus. „Hier ist nur diese Strömung und das schwache Signal, das direkt aus ihrer Mitte zu kommen scheint.“ „Wenn das so ist.“, sagte Sedrin. „Dann sollten wir dem Signalgeber vielleicht mal sagen, dass wir ihn gefunden haben. Vielleicht kommt er dann aus seinem Versteck. Ruf die Signalquelle, Kamurus. Das ist das normale Vorgehen der Sternenflotte. Vielleicht hat sich der Signalgeber mit Absicht so verschanzt, damit er anhand unserer Vorgehensweise herausbekommen kann, wer wir sind.“ „OK.“, sagte Kamurus und war im Begriff, die Verbindung aufzubauen, aber Ginalla hielt ihn zurück. „Und wenn das 'ne genesianische Falle is’?“, fragte sie. „Ich mein’, immerhin hat 'ne Genesianerin mitgekriegt, dass wir …“ „Sie hat keine Ahnung, wer wir sind!“, versicherte Sedrin. „Sie wird nichts an niemanden weitergesagt haben. Sie können mir vertrauen, Ginalla!“ „Na schön, Frau Geheimdienst.“, schnodderte Ginalla. „Dann vertrau’ ich Ihnen mal. Tu, was du nich’ lassen kannst, Kamurus!“

Der Schiffsavatar machte ein erleichtertes Gesicht und sendete ein Rufsignal an das Rufzeichen der Signalquelle. Aber wieder geschah lange Zeit nichts. „Wir haben uns wohl geirrt.“, schlussfolgerte er. „Das Ganze war wohl nur ein … Entschuldigung! Haltet euch fest!“

Er aktivierte seinen Antrieb und stieg mit einer solchen Geschwindigkeit, dass es Sedrin und Ginalla derart in die Sitze presste, dass sie glaubten, sich von ihrem Frühstück verabschieden zu müssen, da die Umweltkontrollen die Auswirkungen der Fliehkräfte nicht schnell genug kompensieren konnten. „Was sollte das?!“, fragte Ginalla empört, als sie wieder zu Atem gekommen war. „Ich musste so handeln.“, rechtfertigte sich Kamurus. „Sonst wären wir mit der Signalquelle zusammengestoßen. Sie war genau unter uns und ich habe das die ganze Zeit nicht bemerkt.“ „Weil dir der eigene Antrieb in die Sensoren gestrahlt hat, Kamurus.“, schlussfolgerte Sedrin. Zwischen den Antriebsspulen eines anderen Schiffes ist der sicherste Platz, wenn man nicht entdeckt werden will. Das ist eine uralte Strategie.“ „Kommt darauf an, wie man Sicherheit definiert.“, sagte Kamurus. „Im Sinkflug hätte ich die Signalquelle schwer beschädigen können.“ „Nicht, wenn sie unseren Bewegungen gefolgt wäre.“, sagte Sedrin. „Und ich gehe davon aus, dass sie das getan hätte. Schon um der eigenen Sicherheit willen.“ „Na hoffentlich täuschen Sie sich da nich’, meine Liebe.“, sagte Ginalla flapsig. „Wer immer dieser Signalgeber is’, der spinnt wohl, sich so nah am Antrieb eines Schiffes aufzuhalten. Eine falsche Bewegung und der wird gegrillt!“ „Ich gehe davon aus, dass unser Signalgeber ein fabelhafter Pilot ist, Ginalla.“, schlussfolgerte Sedrin. „Ich denke, dass er gute Reflexe hat und sich immer im Auge des Sturms aufhalten wird. Sie verstehen schon.“ Ginalla nickte zögerlich.

Der Steigflug, den Kamurus hingelegt hatte, war beendet und er hatte wieder eine normale Vorwärtstendenz. Allerdings schlug er jetzt eine Umlaufbahn um etwas ein. „Die Signalquelle ist jetzt mit uns auf gleicher Höhe.“, sagte er. „Zumindest dann, wenn man meinem Empfänger glauben kann.“ „Meinst du, dass du sie immer noch nicht sehen kannst, Kamurus?“, fragte Ginalla. „Genau das.“, bestätigte der Schiffsavatar. „Anscheinend reagiert unser Signalgeber positiv auf Sternenflottentaktiken.“, überlegte Ginalla laut. „Also, Frau Sternenflotte.“, grinste sie Sedrin an. „Was machen wir jetzt?“

Sedrin wandte sich dem Avatar zu: „Kamurus, ruf die Signalquelle erneut und verbinde dann mit Ginalla. Da du ihr Schiff bist, ist sie die ranghöhere Offizierin hier. Ich trage zwar normalerweise eine Uniform, aber jetzt bin ich ja nur Passagierin.“ „Oh, Mann.“, stöhnte Ginalla. „Ich bin eine miese Diplomatin. Was sage ich denen bloß?“ „Stellen Sie sich erst einmal einfach vor.“, sagte Sedrin. „Das machen wir auch nicht anders. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen ja immer noch vorsagen.“ „Na schön.“, sagte Ginalla, rückte ihre Kleidung zurecht und setzte sich im Pilotensitz kerzengerade hin. „Gehen wir die Sache an!“

Kamurus sendete ein erneutes Rufsignal an das Rufzeichen der Signalquelle und sagte dann zu Ginalla: „Du kannst sprechen.“ „Hallo, Fremder.“, begann Ginalla etwas ungelenk, wenn man ihre Begrüßung mit Sternenflottenmaßstäben messen wollte. Wenn man ihr aber zugute hielt, dass sie Zivilistin und noch dazu eine celsianische Zivilistin war, dann war das schon ganz ordentlich. „Also.“, fuhr sie fort. „Du hast uns ganz schön erschreckt. Ich bin Ginalla, das ist Sedrin und mein Schiff heißt Kamurus. Bei uns sind noch drei Androiden Namens Cupernica, Data und den kleinen Novus nich’ zu vergessen. Jetzt haben wir uns vorgestellt. Aber wie is’ denn dein werter Name?“

Kamurus hatte den Sendevorgang beendet und bald darauf sah Ginalla vor ihrem geistigen Auge zwei merkwürdige Gestalten, die ihr das Schiff auf dem virtuellen Monitor präsentierte. Im gleichen Moment hörte man aus Kamurus’ Bordlautsprecher eine Stimme: „Ich bin d/4, vierte Einheit der D-Gruppe. Dies ist Z/9, neunte Einheit der Z-Gruppe. Sie können uns D/4 und z/9 nennen. Er arbeitet für unseren Geheimdienst und ich begleite ihn, da ich Erfahrung im Umgang mit Bioeinheiten habe. Bitte lassen Sie uns zu Ihnen an Bord, damit wir alles Weitere in einer Umgebung besprechen können, die für Sie komfortabel ist.“

Ginalla wurde blass. „Ach du Scheiße!“, rief sie aus. „Borg! Zeig Ihnen dein Heck, Kamurus! Nun mach schon!“ „Nein, Ginalla.“, widersprach das Schiff und zeigte ihr die Bilder der Gestalten aus der Signalquelle erneut. „Sehen so etwa Borg aus?!“, fragte er mit etwas strengerem Unterton, denn er mochte es gar nicht, wenn Ginalla zu früh zu falsche Schlüsse zog. So ein Verhalten von ihr hatte beide schon in die extremsten Situationen gebracht und an das versuchte er sie jetzt zu erinnern. Außerdem hatte er gehofft, dass sich dies geändert hätte. Aber Ginalla konnte anscheinend doch nicht ganz aus ihrer Haut.

Die Celsianerin ließ ihren Blick über das Bild schweifen. Sie erkannte zwei stromlinienförmige Körper, die eher an Sonden als an Lebensformen erinnerten. Diese standen auf je zwei sehr beweglich scheinenden langen Beinen. Die Gestalten hatten außerdem je zwei ebenfalls sehr gelenkige Arme mit ebensolchen Händen, die in schmalen Schultern endeten. Ihre Gesichter sahen aus wie die von Menschen, aber dies schien sehr betont zu sein, als wollten sie betonen, dass sie Lebensformen sind. Beide waren in neutrale weiße Kleidung gehüllt. „Du hast Recht.“, überlegte Ginalla. „Das sind keine Borg. Die sehen nicht so freundlich aus. Das Ding, das mit uns gesprochen hat, hat sogar gelächelt.“ „Siehst du?“, fragte Kamurus. „Und genau das würden Borg nie tun. Ich darf dich außerdem daran erinnern, dass eine gewisse Captain Kathryn Janeway den Borg vor ca. 800 Jahren einen vernichtenden Schlag zugefügt hat, von dem sie sich nie wieder erholt hatten. Schließlich ist ihr Kollektiv zerfallen und da sie als Individuen nicht existieren konnten, sind sie ausgestorben.“ „Kein sehr rühmliches Ende für eine Rasse, die sich immer für perfekt gehalten hat.“, grinste Ginalla. „Aber dieses Ding und seine Herkunft interessieren mich. Man kann ja nie genug gute Kontakte haben. Wenn wir von denen nichts zu befürchten haben, dann hol sie mir noch mal an die Strippe.“ „Die Verbindung steht noch.“, sagte Kamurus. „Und du bist ohnehin am Zug.“ „Bezeichnen Sie D/4 aber bitte nicht als Ding.“, empfahl Sedrin. „Ihre Kennung ist, zumindest bei der Sternenflotte, in aller Munde und allen bekannt. Sie lebt sogar normalerweise auf der Erde in Little Federation. Sie half der …“ „Ups.“, machte Ginalla. „Da muss ich wohl im Punkte Geschichte noch einiges nachholen, damit ich nich’ völlig daneben haue. Würden Sie mir helfen, Sedrin und mit denen reden, damit ich nix mache, was nachher einen Krieg auslöst oder so?“ „Natürlich.“, lächelte die Agentin. „Laden Sie die Xylianer jetzt einfach nur herzlich ein. Schließlich ist Kamurus immer noch Ihr Schiff.“ „Die wen?“, fragte Ginalla. „Na ja. Auch egal. Gib mir diese D/4, Kamurus!“

Kamurus führte ihren Befehl aus und bald sah Ginalla erneut in das geduldig schauende Gesicht der Xylianerin. „Sie können ruhig zu uns kommen, D/4 und gegen Ihre charmante Begleitung habe ich auch nichts. Sollen wir Sie holen oder beamen Sie selber?“ „Wir werden unsere eigenen Transporter benutzen.“, erwiderte die Sonde. „OK.“, sagte Ginalla. „Aber ich werde ab dann nich’ mit Ihnen weiter reden. Das wird Agent Sedrin übernehmen. Die kennt sich wohl besser mit euch aus. Sagen Sie mal, D/4, sagt Ihr Freund gar nichts dazu?“ „Ich spreche für uns, da ich Erfahrung im Umgang mit Bioeinheiten habe.“, erklärte die Xylianerin. „Genau wie der Agent für Sie sprechen wird, da sie Erfahrung im Umgang mit Xylianern hat.“ „Alles klar.“, sagte Ginalla. „Wenn dann alle Klarheiten beseitigt sind, können Sie von mir aus rüber kommen.“

Von xylianischer Seite wurde die Verbindung beendet und bald darauf standen die Sonden in Kamurus’ Cockpit. „Hallo, D/4.“, sagte Sedrin. „Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.“ „Ihre Ausführungen sind korrekt.“, erwiderte D/4. Dann kam sie ohne Umschweife zur Sache, wie es auch sonst ihre Art war: „Ich bitte Sie, uns die Androiden auszuhändigen und uns ebenfalls zu begleiten. Alles Weitere werden wir in unserem Modul besprechen. Die Zivilistin sollte von Details verschont bleiben.“ „Sekunde!“, schrie Ginalla und stand vom Sitz auf, um sich zwischen Sedrin und die Sonden zu drängen. „Sie und die Androiden gehen nirgendwo mit Ihnen hin! Am Ende assimilieren Sie alle vier und ich sehe sie nie wieder. So nich’! Kamurus, setz sie vor die Tür!“ „Es ist nicht unsere Absicht, irgendjemanden zu assimilieren.“, meldete sich die männliche Sonde zu Wort, verstummte aber gleich wieder, denn D/4 musste ihm ein eindeutiges Signal gesendet haben. „Er hat Recht, Ginalla.“, meldete sich Kamurus jetzt über den Simulator im Raum, denn Ginalla hatte beim Aufstehen den Neurokoppler aus dem Port gezogen. „Die Xylianer assimilieren niemanden. Ich gehe davon aus, dass sie die Androiden unter sich verstecken wollen, denn künstliche Lebensformen versteckt man am besten bei künstlichen Lebensformen. Drei mehr oder weniger fallen da nicht auf. Sedrin, ich könnte mir vorstellen, dass die Xylianer dich auf deine Mission bei den Genesianern vorbereiten wollen.“ Sedrin nickte dem Avatar lächelnd zu.

„Bitte entschuldigen Sie das Verhalten meiner Freundin.“, entschuldigte die Demetanerin Ginallas Verhalten gekonnt diplomatisch gegenüber den Sonden. „Sie ist Zivilistin und kennt die Zusammenhänge zwischen Ihnen, V’ger und Commander Decker nicht, die Sie zweifelsfrei in Gestalt, Kultur und Ideologie von den Borg unterscheiden. Deshalb ist …“ „Deshalb ist ihre Angst eine logische Reaktion.“, sagte D/4 gleichmütig. „Ihre Reaktion ist entschuldigt.“

„Wer zum Teufel sind V’ger und Decker?“, flüsterte Ginalla Sedrin zu. „V’ger war eine Raumsonde, die auf der Suche nach dem Schöpfer war, weil sie wiederum aus einem Bewohner eines Maschinenplaneten und der Raumsonde Voyager von der Erde bestand.“, erklärte Sedrin. „Sie begegnete der Enterprise unter Kirk und Commander Decker vereinte sich geistig mit V’ger, um ihm den menschlichen Geist zu bringen. Die Xylianer sind deren Nachfahren.“ „Ach so.“, lachte Ginalla. „Adam und Eva der Xylianer also.“ „Ihre Ausführungen sind inkorrekt.“, sagte D/4 fast beleidigt. „Adam und Eva sind, wie wir heute wissen, nicht existent. V’ger und Decker waren existent.“ „Ja, ja. Nich’ gleich beleidigt sein.“, versuchte Ginalla, sie zu beschwichtigen. „War doch nur 'n Bild.“ „Ihr Verhalten ist ihrer celsianischen Herkunft geschuldet.“, sagte D/4. „Deshalb ist es verziehen.“ „Sehr großzügig.“, erwiderte Ginalla.

Sedrin war nach hinten gegangen und hatte Novus, Cupernica und Data ins Cockpit geholt. Die Agentin hatte alle drei kurz informiert. „Wir wären dann so weit.“, sagte sie. „In Ordnung.“, sagte D/4 und im nächsten Augenblick verschwanden die sechs in immer durchsichtiger werdenden Energiesäulen. „Die hätten sich wenigstens verabschieden können.“, sagte Ginalla. „Das tun sie vielleicht jetzt.“, erwiderte Kamurus und stellte ihr ein Gespräch von dem xylianischen Schiff auf den Neurokoppler, den sie inzwischen wieder angeschlossen hatte. „Hier ist D/4.“, hörte Ginalla die bekannte Stimme der Sonde. „Ihre Freunde sind bei uns sicher aufgehoben. Wir werden sie mit in unseren Raum nehmen und dort tun, was zu tun ist. Es ist besser, wenn Sie so wenig wissen wie möglich. Um so ungefährlicher ist es für Sie, Bioeinheit Ginalla. Ihr Schutz genießt oberste Priorität. Fliegen Sie Ihrer Wege.“ Die Verbindung wurde beendet. „Also gut.“, sagte Ginalla. „Ich hätte der zwar am liebsten noch den Marsch geblasen, aber das hätte eh nix genützt. Die scheint nich’ zu kapieren, dass ich mich gut selbst schützen kann und im Notfall hab’ ich ja noch dich. Und jetzt ab nach Tindara! Da wollten wir ja sowieso die ganze Zeit hin, wegen der Spur, auf die dich das Geistwesen gebracht hat.“ „OK, Ginalla.“, nickte Kamurus, verließ das Sonnensystem und wechselte in den Interdimensionsmodus.

Kapitel 27 - Warnungen

von Visitor

 

Saron hatte Ernst gemacht, was seine Versuche anging, doch noch bei Nugura zu kündigen. Er hatte ihr jetzt jede Woche den Datenkristall mit seinem Kündigungsschreiben vorgelegt, in der Hoffnung, sie irgendwann mürbe zu machen. Heute schien sich für ihn dieser Traum tatsächlich zu erfüllen, so dachte er zumindest, als ihn seine Vorgesetzte in ihr Büro rief und ihm all die Datenkristalle der letzten acht Wochen vorlegte. „Beabsichtigen Sie, mich durch Psychoterror dazu zu veranlassen, Ihnen doch noch die Kündigung auszusprechen?“, fragte Nugura mit fast lästerndem Tonfall. „Sea Federana.“, begann Saron eine Rede, die er für genau diesen Fall einstudiert hatte. „Sie wissen, dass die Genesianer nicht dulden, dass Angehörige des männlichen Geschlechts eine höhere Arbeit ausführen, als in den Minen Kristalle für die Energieversorgung der Antriebe ihrer Schiffe zu schürfen. Wenn die oberste Prätora herausbekommen sollte, dass Sie mich noch immer als Ihren Sekretär beschäftigen, könnte dies auch sehr unangenehm für Sie werden. Sie könnten Ihren Posten verlieren und ebenfalls in einem genesianischen Gefangenenlager als Kristallwäscherin enden. Mir ist bekannt, dass die Genesianer weibliche Gefangene im Vergleich zu uns Männern sehr privilegiert behandeln. Aber ich gehe nicht davon aus, dass Ihnen das Leben in einer Zelle sehr gefallen wird. Deshalb sollten Sie in Ihrem eigenen Interesse meiner Bitte um Kündigung Folge leisten. Damit schützen Sie nur sich selbst. Ich werde schon in irgendeiner Mine einen Job finden können.“ Er verstummte. „Sind Sie fertig?!“, erwiderte Nugura streng. Saron nickte. Dabei fühlte er sich wie ein kleiner Junge, der gerade etwas Verbotenes getan hatte und von seiner Mutter erwischt und ausgeschimpft worden war. „Dann will ich Ihnen jetzt mal was sagen, mein guter Saron. Sie kennen mich am besten. Sie wissen, dass ich mich nicht von Sytania und ihrem neuen Komplizen mit einer falschen Zeitlinie in die Knie zwingen lasse und dazu gehört auch, dass ich meinen besten Sekretär weiter beschäftigen werde. Wir werden einige Arrangements treffen müssen, aber im Hintergrund, mein lieber Saron, werden Sie immer derjenige sein, der für mich die Informationen heranholt und so weiter. Ich werde so einen cleveren Kopf wie Sie doch nicht einfach rausschmeißen, nur weil die momentane Zeitlinie es gebietet, die noch dazu gar nicht korrekt ist. Wenn Sie in einer Mine endeten, das wäre ja wie Perlen vor die Säue werfen. So etwas tue ich nicht. Das dürften Sie wissen. Ich weiß, dass ich dabei meine eigene Freiheit riskiere, aber das ist es mir wert.“ „Hoffentlich denkt der Rest des Parlaments genau so.“, sagte Saron mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Er wusste längst von der Sitzung, die von der Vizepräsidentin aufgrund des Problems Granger anberaumt worden war.

Agatha von Angel One war in der neuen Zeitlinie jetzt Nuguras Stellvertreterin geworden. Ihr gefiel es gar nicht, dass Kissara herumschnüffelte. Sie hätte ja unter Umständen zu viel herausbekommen können und das passte nicht in ihr Konzept. Agatha war mit der Zeitlinie, wie sie jetzt war, sehr zufrieden. Wer die Entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhänge um ihren Planeten kannte, wusste genau, dass sie das Streben der Männer nach Gleichberechtigung dort nicht dulden würde. Dies hatte vor ca. 800 Jahren mit dem Stranden von Überlebenden der Odin begonnen und die Enterprise unter Picard hatte einen Teil der Entwicklung mit angesehen und Riker hatte durch einen geschickten juristischen Schachzug die Männer der Odin vor dem Tode bewahrt, was die Entwicklung, die Agatha so hasste, weiter vorangetrieben hatte. In ihren Augen war das damalige Regierungsoberhaupt Beata schwach gewesen und so hatte sie sich den Tag herbeigesehnt, an dem Angel One nicht nur warpfähig geworden und in die Föderation aufgenommen worden war, sondern noch eher den Tag, an dem die Genesianer das Regiment dort übernommen hatten. Sie hatte die Kriegerinnen mit offenen Armen empfangen und ihnen bereitwillig ihren Planeten übergeben.

„Also gut.“, sagte Saron. „Ich werde bleiben. Aber Sie sollten auf Ihre neue Vizepräsidentin achten, Madam President.“ „Meine neue Vizepräsidentin?“, fragte Nugura. „Wer ist das? Wir sollten ohnehin die neue Zusammensetzung des Parlaments noch einmal durchgehen, damit ich keine Fehler mache. Rufen Sie mir die Profile auf, Mr. Saron. Ich leihe Ihnen mein Kennwort und meinen Benutzernamen, damit die Genesianer nicht misstrauisch werden können. Also, hören Sie zu.“

Sie flüsterte ihm beides ins Ohr, worauf er es in die Konsole auf ihrem Schreibtisch eingab. Dann suchte er die entsprechende Datei aus dem Rechner, die alle Profile der Parlamentsmitglieder enthielt. „Danke, Mr. Saron.“, sagte Nugura und begann mit dem Blättern. Saron schaute ihr über die Schulter und bemerkte bald, dass sie lange bei dem Profil von Agatha inne hielt. „Das Staatsoberhaupt von Angel One.“, sagte Nugura halblaut. „Interessant. Könnte es sein, Saron, dass sie die so dringende Sitzung anberaumt hat, die hier in meinem Terminkalender steht?“ „Davon gehe ich aus.“, sagte Saron. „Zumal das einzige Thema auf der Sitzung die USS Granger sein wird. In Ihrem Verzeichnis befindet sich eine entsprechende SITCH-Mail.“ „Die habe ich gesehen, Saron.“, sagte Nugura. „Agatha würde von der Zeitlinie, wie sie jetzt ist, sehr profitieren. Sie hat auf Angel One die Zustände hergestellt, hinter denen man dort, zumindest auf Seiten von Hardlinerinnen wie Agatha, immer noch her trauert. Das hätte sich Riker sicher nicht träumen lassen, als er damals die Überlebenden der Odin rauspaukte.“ „Wie reden Sie denn?!“, tadelte Nugura. „Aber im Prinzip haben Sie Recht. Da sieht man mal wieder, dass die oberste Direktive auch ihren Sinn hat. Aber andererseits hätte sie nicht gegriffen, weil es sich um Bürger der Föderation gehandelt hat, die dort durch ein Unglück abgestürzt waren. Die Situation der Enterprise war schwierig und man kann später immer leicht urteilen, ob es besser gewesen wäre, wenn sie nicht eingegriffen hätte oder doch. Jetzt müssen wir mit den Konsequenzen dieser Entscheidung leben. Riker konnte nicht in die Zukunft sehen und konnte nicht wissen, dass eines Tages sich die Zeitlinie verändert und die Genesianer … Sie wissen schon. Aber Sie haben Recht. Auf Agatha werde ich ein Auge während der Sitzung haben. Hoffen wir, dass sie nicht zu viele der anderen Staatsoberhäupter auf ihrer Seite hat. Sehen Sie, wie nötig ich Sie brauche, mein guter Saron? Nur durch die Diskussion mit Ihnen bin ich gewarnt und kann mich somit entsprechend vorbereiten. Irgendjemand, für den diese Zeitlinie normal ist, hätte mir niemals so gut helfen können. So und jetzt gehen Sie in Ihr Büro zurück und packen alles für das Protokollführen zusammen. Ich beabsichtige nämlich, Sie trotz aller Widerstände mitzunehmen. Sie werden zwar abseits sitzen, aber Sie werden alles mitbekommen können.“ „Also gut, Madam President.“, sagte Saron und wandte sich zum Gehen. Er hatte trotz der Versicherungen seiner Vorgesetzten ein höchst merkwürdiges Gefühl bei der Sache. Er ahnte wohl schon, wie die Sitzung ausgehen würde und das war bestimmt nicht die Art von Ausgang, die Nugura sich wünschte. Er konnte sich vorstellen, dass Agatha wohl noch viele der anderen Parlamentarierinnen auf ihre Seite ziehen könnte, da diese sicher auch gern ihre Posten behalten würden. Die jetzige Zeitlinie wäre dabei sehr hilfreich. Nur die Granger müsste gestoppt werden, damit alles bleiben könnte wie es jetzt war. Agatha würde, so schätzte Saron sie auf jeden Fall ein, jedes Mittel benutzen, um dieses Ziel zu erreichen. Als Frau hatte sie ja ohnehin den Ruf, sehr raffiniert zu sein. Aber sie war in Wahrheit ein Ausbund an Raffiniertheit. Saron dachte sich, dass sie wohl auch vor einer Art psychologischer Kriegsführung nicht zurückschrecken würde, um die anderen auf ihre Seite zu ziehen. Der politisch interessierte Sekretär wusste auch, dass die Föderation keine präsidiale, sondern eine parlamentarische Demokratie hatte, in der die Entscheidung der Mehrheit die Politik bestimmte. Er hoffte nur, dass sich auch Nugura an diesen Umstand erinnern würde und Agatha in rednerischer Hinsicht die Stirn bieten konnte, um wenigstens so viele Stimmen für sich zu gewinnen, dass ein Patt dabei herauskäme. anders würde sie Kissara nicht schützen können.

Maron hatte sich zum Nachdenken in einen der Aufenthaltsräume der Station zurückgezogen. Eigentlich wäre sein Quartier eine bessere Wahl gewesen, denn dort wäre er garantiert allein geblieben, aber aus Gründen, die wahrscheinlich noch nicht einmal er kannte, hatte er es unterbewusst vorgezogen, ebendiesen Aufenthaltsraum aufzusuchen. Vielleicht fand sein Unterbewusstsein es besser, wenn wenigstens die Chance bestand, dass er nicht allein bleiben würde. Viele Gedanken gingen dem Demetaner durch den Kopf. Gedanken, die sich hauptsächlich mit dem Plan seiner Vorgesetzten beschäftigten, die Genesianer hinters Licht zu führen. Nachdem Joran und Jenna von ihrer Patrouille zurück waren, hatte Zirell Maron gegenüber angemerkt: „Siehst du, wie gut das gelaufen ist? Die Beiden sind sogar einem genesianischen Schiff begegnet und es ist nichts passiert. Die Genesianer scheinen uns aus der Hand zu fressen. Also solltest du deine Angst auch aus der nächsten Luftschleuse werfen. Sie ist völlig unbegründet, Maron. Völlig unbegründet.“

So sicher wie sie war sich der erste Offizier jedoch nicht. Wie er schon festgestellt hatte, war das Außenteam in einer Zusammensetzung gewesen, in der die Story, man würde den Antrieb testen, auch tatsächlich wahr sein könnte. Aber bei Nidell und Shimar sehe das schon anders aus. Er würde sich einen Plan überlegen müssen, mit dem er Zirell wachrütteln konnte. Aber dabei würde er dieses Mal Hilfe benötigen. Seine demetanische Verschlagenheit allein würde nicht ausreichen und er wusste aber auch schon, von wem er diese Hilfe bekommen konnte. Joran würde er jetzt nicht belästigen. Der würde nach seiner Schicht sicher ausruhen wollen. Aber wenn er den Dienstplan richtig interpretierte, war jetzt Shimar mit einer Patrouille dran und der verbrachte die Zeit vorher gern genau hier. Er würde ihm also genau in die Arme laufen.

Maron replizierte zwei Milchkaffee und wartete dann wie eine Katze vor dem Mauseloch auf die Ankunft seines Komplizen in Spee. Er gab einen erleichterten Seufzer von sich, als sich endlich die Tür öffnete. Dann wurde er des jungen Patrouillenfliegers ansichtig, der soeben den Raum betreten hatte. Auch Shimar sah Maron an und man konnte meinen, er sei fast etwas verwirrt gewesen. „Du hier.“, staunte Shimar. „Ja, ich bin hier!“, sagte Maron nervös. „Na das ist ja echt ungewöhnlich.“, meinte Shimar. „Ich überlege ernsthaft, das in mein persönliches Diary einzutragen als Merkwürdigkeit des Tages.“ „Mach was du willst!“, sagte Maron immer nervöser werdend. „Aber ich wäre dir jetzt wirklich dankbar, wenn du deinen Hintern hierher schwingen würdest und bitte nicht so laut. Ich habe Schwierigkeiten!“ „Na dann.“, flapste Shimar und schlenderte mit schwingenden Armen zu seinem Vorgesetzten hinüber, um sich dann schlaksig auf einen Stuhl ihm gegenüber fallen zu lassen.

Er sah Maron von oben bis unten an und fragte dann: „Was ist denn los? Soweit ich das hier beurteilen kann, bist du zwar geistig etwas in Aufruhr, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass du von mir verlangst, telepathisch deine Gedanken zu ordnen. Wenn ich damit nämlich erst mal anfange, dann könnte das unangenehm werden. Ich glaube, da hilft ein gutes Buch oder eine Runde Musik besser.“ „Wenn du schon in meinem Kopf bist.“, sagte Maron. „Dann weißt du ja, worum es geht.“ „Oh, ja.“, entgegnete Shimar. „Aber ich sage dir eins. Bei Zirell einen Job loszuwerden ist schwerer, als einen voll beladenen Frachter durch einen Raumstrudel zu fliegen. Das könnte ich wohl hinkriegen, aber alles andere …“ „Aber bei genau diesem komplizierten anderen Vorgang brauche ich deine Hilfe.“, sagte Maron und zog nervös an seinem Strohhalm. „OK.“, sagte Shimar und stützte die linke Hand auf dem Tisch neben seinem Glas auf. „Mir ist ja auch klar, dass diese Sache nicht gutgehen kann. Deshalb werde ich Vorkehrungen treffen, falls uns etwas passieren sollte.“ „Was für Vorkehrungen sind das?“, wollte der erste Offizier wissen, der jetzt sehr hellhörig geworden war. „Was sagt dir das Vermächtnisprotokoll?“, fragte Shimar grinsend. „Gar nichts.“, gab Maron zu, wurde aber immer entspannter, denn er hatte das Gefühl, dass ihm sein telepathischer Untergebener gerade die Art von Seelenmassage gab, die er jetzt gut gebrauchen konnte. „Es gibt einen Befehl.“, begann Shimar. „Wenn man den gegenüber IDUSA ausspricht, muss sie alles ausführen, was diesem Befehl folgt, sobald der Fall, für den der Befehl gilt, eingetreten ist. Nur der, der diesen Befehl ausgesprochen hat, oder eine Änderung der Ausgangssituation, können ihn aufheben.“ „Uff!“, machte Maron. „Das ist mir zu kompliziert. Kannst du das mal an einem Beispiel verdeutlichen?“ „Sicher.“, sagte Shimar cool und setzte sein Glas ab, das er zuvor angesetzt hatte, um den Rest auszutrinken. „Wenn wir unterwegs sind, werde ich IDUSA befehlen, eben dieses Protokoll auszuführen und ihr unter dieser Voraussetzung sagen, sie soll Nidell beschützen und sie zur Station zurückbringen. Dann soll sie dir alles sagen, was sie gesehen hat.“ „Der Schutzbefehl.“, sagte Maron nachdenklich. „Du weißt, dass IDUSA dann auch von Mitteln Gebrauch machen darf, die von normalen Kriegskonventionen abweichen, wenn sie muss.“ „Ich weiß.“, sagte Shimar. „Dann können wir nur hoffen, dass die Genesianer sie nicht dazu zwingen. Ich weiß auch und das sicher besser als du, Sternenflottenoffizier, dass der Schutzbefehl stärkere Konsequenzen hat als der reine Verteidigungsbefehl. Ich habe auch nicht vergessen, dass wir vermuten, dass die Genesianer nur benutzt worden sind.“ „Dann ist ja gut.“, sagte Maron erleichtert.

Die Sprechanlage beendete die Unterhaltung der Männer abrupt. „Ich antworte schon.“, sagte Shimar, der näher am Terminal saß. „Ich bin sowieso sicher, das ist für mich.“ Er nahm das Mikrofon in die Hand: „Shimar hier.“ „Hier ist Nidell.“, antwortete eine helle leise Stimme aus dem Lautsprecher. „IDUSA und ich warten auf dich an ihrem Andockplatz. Kommst du?“ „Warte!“, entgegnete Shimar. „Bin unterwegs.“ Er hängte das Mikrofon wieder ein und drehte sich ein letztes Mal Maron zu. „Danke für den Kaffee. Wird schon schiefgehen.“ „Hoffentlich nicht.“, antwortete der erste Offizier. „Hoffen wir mal, dass dieser Kaffee nicht unser letzter gemeinsamer war.“ „Hör auf zu unken.“, lächelte Shimar im Gehen.

Shannon stand mit Nidell an der Luke zu IDUSAs Cockpit, als Shimar den Gang zu den Andockplätzen betrat. „Na hoffentlich kommt ihr lebend wieder.“, flapste die blonde Irin. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Genesianer die Geschichte mit dem Antriebstest ein zweites Mal schlucken. Zumal dann nicht, wenn 'ne Krankenschwester mitfliegt.“ „Zirell meint.“, erwiderte Nidell. „Dass die Genesianer nicht darauf achten werden, welches Rangabzeichen die Frau trägt, die bei Shimar ist. Sie ist sicher, dass sie uns vertrauen.“ „Und du?“, fragte Shannon, die von Jenna entsprechend gewarnt worden war. „Bist du dessen auch sicher?“

Nidell schluckte. Shannons Frage war für sie wie ein Stich in die Magengrube. Sie war eigentlich nie diejenige gewesen, die eine Entscheidung eines Vorgesetzten und schon gar nicht die eines Stationskommandanten, in Frage gestellt hatte. Dennoch wusste Nidell, dass sie gegenüber ihrer Freundin Shannon ehrlich sein konnte. „Wenn du meine ehrliche Meinung hören willst.“, sagte sie mit einem gehörigen Kloß im Hals. „Dann bin ich nicht wirklich sicher, ob nicht die Genesianer irgendwas planen. Unter Umständen haben sie Jenna und Joran nur ziehen lassen, um uns in falscher Sicherheit zu wiegen. Wenn wir nur den kleinsten Fehler machen, werden sie zuschlagen.“ „Da bin ich mir auch sicher.“, sagte Shannon. „Die sind nämlich nich’ aus Dummsdorf.“

Im gleichen Moment gesellte sich Shimar zu den Frauen und übermittelte Nidell etwas telepathisches auf Tindaranisch, worauf sie wieder zu lächeln begann. „Wir müssen jetzt, Shannon.“, sagte sie noch zu ihrer Freundin, bevor sie mit ihm ins Shuttle stieg und sie abdockten. „Schon OK!“, rief die blonde Irin ihr noch hinterher. „Pass auf dich auf und auch auf Shimar!“ Dann murmelte sie: „Möchte ja gerne mal wissen, womit der ihre Stimmung wieder aufgeheitert hat. Wenn ich das schon nich’ schaffe … na ja.“ Sie ging wieder an ihre Arbeit.

Ginalla und Kamurus waren in der Nähe von Zirells Basis aus dem Interdimensionsmodus gegangen und suchten jetzt das tindaranische Sonnensystem nach Anomalien ab, die Kamurus’ Aussage, die er von dem Geistwesen erhalten hatte, bestätigen könnten. „Ginalla, ich registriere genesianische Antriebsspuren, die darauf hindeuten, dass kürzlich ein genesianisches Schiff hier war oder noch ist.“, meldete Kamurus. „Was?“, fragte die Celsianerin erstaunt. „Die Spuren deuten darauf hin, dass sich das Schiff über dem Pol eines Planeten in der Nähe versteckt hat, zumindest, wenn ich ihren Kurs richtig extrapoliert habe.“ „Komisch.“, flapste Ginalla. „Das is’ sonst eigentlich nich’ die feine genesianische Art. Die lieben doch normalerweise die Konfrontation. Ferengi würden Fallen stellen. Aber Klingonen und Genesianer lieben doch eigentlich den ehrlichen Kampf. Was is’ mit denen los?“ „Der Einfluss eines Mächtigen ist mit denen los, Ginalla!“, erklärte das Schiff mit Überzeugung. „Ich habe dir doch alles gesagt, was mir das Geistwesen berichtet hat.“ „Das hast du.“, bestätigte sie. „Und ich hätte nich’ übel Lust, die Genesianer mal so richtig aufzuklären.“ „Das sollten wir lassen.“, warnte Kamurus. „Außer der Aussage des Geistwesens gegenüber mir haben wir keine Beweise und ich schätze die psychische Situation dieser Prätora im Moment so ein, dass sie uns kein Wort glauben und uns eventuell noch angreifen würde. Dann wären wir beide gefährdet und keiner von uns könnte die wichtigen Informationen mehr zu Leuten bringen, die etwas damit anfangen könnten.“ „Schon klar.“, sagte Ginalla. „Damit du den Helden spielen könntest, müssten wir uns trennen, damit wenigstens einer 'ne Chance zum Durchkommen hat.“

Kamurus wendete ohne Vorwarnung. Derartige Manöver war Ginalla mittlerweile von ihm gewohnt, also fragte sie nicht länger nach. Sie wusste, er würde es ihr schon erklären. „Ich registriere eine uns sehr gut bekannte IDUSA-Einheit. Zwei tindaranische Biozeichen sind an Bord. Das Eine ist weiblich und das andere männlich. Ich denke, das Männliche kennst du sehr gut.“, erklärte Kamurus sein Verhalten und zeigte Ginalla ein Bild des Schiffsinneren von IDUSA auf dem virtuellen Schirm. „Das is’ doch unser Soldat!“, rief Ginalla erschrocken aus. „Wenn du mit den Genesianern Recht hast, rennt der genau in 'ne Falle. Schnell, Kamurus, verbinde mich mit ihm, damit ich ihn warnen kann!“ „Wie du möchtest.“, sagte der Schiffsavatar und stellte die Verbindung her.

An Bord von IDUSA war man ebenso überrascht, Ginallas Ruf entgegenzunehmen. Auch das tindaranische Schiff hatte mit ihrer Besatzung ein ähnliches Gespräch geführt, nur waren IDUSA die genesianischen Antriebsspuren völlig entgangen. „Was machst du denn hier, Ginalla?!“, fragte Shimar erstaunt. „Ich muss eigentlich ganz schnell gegenüber jemandem aussagen und mein Schiff auch. Wir wissen, was hier vorgeht, Soldat, ich meine, Shimar. Kamurus hatte eine Begegnung, die alles aufklären könnte. Aber ich muss auch mal gegenüber dir gute Fee spielen und dich warnen. Pass auf die Genesianer auf! Kamurus weiß nicht genau, wo sie sind, aber sie haben sich hier irgendwo versteckt. Er glaubt, sie seien über irgendeinem Pol eines Planeten und warten nur auf dich.“ „Keine Angst, Ginalla.“, versicherte Shimar. „Ich bin nicht allein.“ Er hielt das Mikrofon in Nidells Richtung. „Na, deine Sanitäterin wird wohl kaum als Alibi herhalten können. Die Genesianer sind nich’ blöd. Die kennen auch was von Rangabzeichen. Die werden mitkriegen, dass sie verarscht werden sollen. Kehr lieber um. Ich sag’s dir.“ Damit beendete sie die Verbindung.

Nidell erschauerte. Der jungen intelligenten Tindaranerin war durchaus klar, dass Ginalla Recht haben konnte, wenn es hier wirklich Genesianer gab. „Wir sollten tun, was sie sagt.“, schlug sie vor. „Ich habe keine Lust auf genesianische Kriegsgefangenschaft und du bestimmt auch nicht. Die sollen ja mit Männern noch schändlicher umgehen, als mit Frauen, habe ich gehört. Bitte, Shimar.“ „Und was soll ich Zirell sagen?“, entgegnete Shimar. „Die wird doch sicher wissen wollen, warum wir zu früh zurückgekommen sind. Aber vielleicht war das ja auch nur ein übler Scherz von Ginalla. IDUSA, gibt es hier in der Nähe genesianische Schiffe?“ „Ich kann keine sehen.“, erwiderte der Schiffsavatar, die beide Reaktionstabellen geladen hatte. „Aber das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass keine hier sind. An der Stelle, an der Jenna und Joran mit mir den Genesianern begegnet sind, gibt es keinen Anhalt für die Benutzung eines interdimensionalen Antriebs. Das könnte bedeuten, dass sie noch hier sind, zumal die Reste, die ich jetzt auch sehe, darauf hindeuten könnten, dass sie sich wirklich über dem Pol eines Planeten versteckt haben, obwohl dies eigentlich für Genesianer ein untypisches Verhalten ist. Aber anscheinend sind sie in dieser neuen Zeitlinie ja unberechenbar.“ „Also gut.“, sagte Shimar. „Dann werden wir mal Vorsicht walten lassen. IDUSA, Vermächtnisprotokoll ausführen! Befehlscode: Shimar, S, 6, 5, 3, 2, 9, 0. Aufzeichnen!“ „Code akzeptiert, beginne Aufzeichnung.“, erwiderte IDUSA. „Sollte mir etwas passieren, beschützt du Nidell und bringst sie zur Station zurück. Dann sagst du gegenüber Maron aus, was geschehen ist. Aufzeichnung beenden!“ „Aufzeichnung ist beendet. Vermächtnisprotokoll in Bereitschaft.“, sagte IDUSA. Nidell, die ebenfalls den tindaranischen Streitkräften angehörte und somit auch Informationen über das hatte, was Shimar gerade eingeleitet hatte, atmete erleichtert auf.

An Bord der Canara, die zweifelsfrei für die Spuren verantwortlich war, die Kamurus gesehen hatte, sah man jetzt auch das Vorgehen des tindaranischen Schiffes. „Sie sind wieder auf Patrouille.“, meldete Hera. „Aber dieses Mal scheint etwas anders.“ „Was meinst du damit, dass dieses Mal etwas anders sei, Hera.“, fragte Yanista, der schier der Speichel vor Schadenfreude aus dem Mund laufen wollte. An der Betonung ihrer Untergebenen hatte sie bemerkt, dass diese ihr etwas sagen wollte.

Hera lächelte und schaltete den Inhalt des Sichtschirms der Flugkonsole auf den Hauptschirm. „Seht Ihr die zwei tindaranischen Biozeichen, Prätora?“, fragte sie. „Sie deuten darauf hin, dass es sich um zwei Telepathen handelt.“ „Das bedeutet, wir können mit der Rosannium-Waffe etwas erreichen!“, frohlockte Yanista. „Die hat ja die angenehme Eigenschaft, Materie nicht zu zerstören, aber wenn Rosannium auf telepathische Energie trifft, dann …“ „Genau aus dem Grund habe ich Euch dies ja auch gemeldet, Prätora.“, schmeichelte Hera. „Das hast du sehr gut gemacht.“, sagte Yanista lobend. „Jetzt werden wir hoffentlich dieser Zirell bald zeigen können, dass sich Yanista vom Clan der Vetash nicht hereinlegen lässt!“ Sie wandte sich an Lynea, ihre Waffenoffizierin, eine ca. 1,70 messende Kriegerin mit roten Haaren, die sie wie einen Flammenkranz um ihren Kopf trug. „Lade die Rosannium-Waffe und ziele schon mal auf das Tindaranerschiff! Und du, Hera, bring uns so nah ran, dass wir ein Bild vom Inneren des Schiffes bekommen können. Ich will zu gern wissen, mit wem diese Zirell uns dieses Mal zu narren versucht.“ Yanistas Untergebene nickten, während sie ihre Befehle ausführten.

Kamurus hatte Ginalla gezeigt, was ihm seine Sensoren über die Taktik der Genesianer verraten hatten. „Schleichen sich an wie Diebe in der Nacht.“, sagte die Celsianerin abfällig. „Das is’ doch sonst nich’ deren Taktik. Aber was die können, kann ich auch. Komm, Kamurus, wir suchen uns auch ein schönes Versteck und beobachten die Genesianer. Wer weiß, vielleicht können wir ja sogar noch helfen.“ Damit gab sie dem Schiff den Gedankenbefehl zum Setzen eines Kurses, der sie ebenfalls über den Pol eines tindaranischen Nebenmondes brachte. Sie hatte geplant, aus dieser Deckung hervorzuschnellen, falls IDUSA und ihre Besatzung sie brauchen würden. Der Tatsache, dass dieser Fall bald eintreten würde, war Ginalla sich sicher.

Hera hatte die Canara jetzt nah genug für einen Scann des Schiffsinneren an IDUSA herangebracht. „Wir haben ein Bild, Prätora.“, verkündete die junge Flugoffizierin stolz, die sich mit dem Schiff in IDUSAs totem Winkel angenähert hatte. „Stell es auf den Schirm!“, befahl Yanista. Nachdem Hera dem Befehl Folge geleistet hatte, konnte sie jedoch nur zwei unscharfe Gestalten erkennen. „Kriegst du das schärfer und größer?“, fragte sie. Hera nickte und nahm die notwendigen Einstellungen vor. Jetzt sah Yanista jedes Detail der Uniformen der zwei Tindaraner vor sich. Über Shimars Bild ging sie hinweg. Sie fand es zwar befremdlich, einen Mann in einer Fliegeruniform zu sehen, aber viel mehr interessierte sie das Bild der jungen Frau neben ihm. Genau sah sich Yanista das Abzeichen auf Nidells Schulter an. Sie sah den roten zur Hälfte durchgestrichenen Äskulapstab, der das Zeichen für eine medizinische Hilfskraft darstellte. Durchgestrichen war der Stab deshalb, weil es sich eben noch um keinen vollständig ausgebildeten Mediziner handelte. Nidell und alle medizinischen Assistenten hätten aber die Möglichkeit, die notwendige Prüfung irgendwann abzulegen und dann vielleicht eines Tages selbst Chefmediziner einer Station oder eines Schiffes zu werden. Das Rot der Platte, auf der sich das eigentliche Bild befand, signalisierte eine Berechtigung zum schnellen Eingreifen in Notfällen, die medizinische Belange ja durchaus mit sich bringen können.

„Eine Krankenschwester!“, lachte Yanista. „Nein, diese Zirell glaubt auch, dass ich auf alles hereinfalle. Aber jetzt werden wir ihr zeigen, dass sie da gründlich auf dem Holzweg ist. Feuer, Lynea! Und wenn du den Torpedo mit der Rosannium-Ladung abgefeuert hast, dann schieß noch einen Normalen in den Antrieb des Schiffes. Das macht meine Botschaft hoffentlich noch deutlicher.“ Lynea nickte und tat, was ihr Yanista gerade befohlen hatte. Die Prätora sah den Explosionen der Torpedos mit Freuden zu. „So.“, sagte sie dann. „Jetzt sagst du Veleta Bescheid, Hera. Sag ihr, sie soll den Tindaraner erfassen und direkt auf die Krankenstation beamen. Ariadne wird sich um den Rest kümmern. Dann bringen wir ihn nach Nura vier, wo Männer hingehören! und dann werden wir uns verabschieden. Bring uns wieder in unser Versteck.“

Kapitel 28 - Nidells Rettung

von Visitor

 

„Hast du das gesehen?“, fragte Ginalla, der von Kamurus auch die letzten Aktionen der Genesianer gezeigt worden waren. „Ginalla, wenn du es gesehen hast, dann werde ich es ja wohl auch gesehen haben.“, erwiderte das Schiff. „Schließlich habe ich dir nur das gezeigt, was meine Sensoren wahrgenommen haben.“ „Schon klar.“, sagte die Celsianerin. „Spiel nich’ gleich die beleidigte Leberwurst. Das war auch mehr 'ne rhetorische Frage.“ „Verstehe.“, sagte Kamurus und ließ seinen Avatar ihr einen schmeichelnden Blick zuwerfen. „Du wolltest dein Erstaunen über die Tatsachen ausdrücken, die du gerade gesehen hast.“ „Stimmt.“, sagte Ginalla. „Was is’ mit dem Schiff und der Crew?“ „Der Antrieb der IDUSA-Einheit ist schwer beschädigt und die Crew ist nicht mehr vollständig.“, teilte Kamurus seiner Pilotin das Ergebnis seiner Analyse mit. „Was meinst du mit nich’ mehr ganz vollständig?!“, fragte Ginalla alarmiert. „Zeig es mir!“

Das selbstständig denkende Schiff stellte ihr die Bilder vom Inneren des Cockpits der IDUSA-Einheit auf den virtuellen Schirm. „Da is’ ja nur noch die Krankenschwester.“, sagte Ginalla flapsig. „Und die is’ auch noch bewusstlos. Kein Wunder, wenn man als Telepathin Rosannium ausgesetzt war. Lass uns hinfliegen und dann beam’ mich an Bord. Vielleicht kann ich was machen.“ „Ich halte dich für in der Lage, das Schiff zu reparieren.“, sagte Kamurus. „Aber ob du wirklich einer Bewusstlosen helfen kannst, wage ich zu bezweifeln.“ „Dann repariere ich eben das Schiff und dann fliegen wir so schnell es geht zur Heimatbasis der Tindaraner!“, sagte Ginalla mürrisch. „Außerdem habe ich ein Sprechgerät und du hast sicher auch Daten über Maßnahmen der ersten Hilfe in deiner Datenbank. Also, was soll uns passieren? Und nun los!“

Kamurus aktivierte seinen Antrieb. Er wusste, dass es sinnlos war, ihr zu widersprechen, zumal er sie ja auch nur getestet hatte, um ihr soziales Gewissen auf den Prüfstand zu stellen. Die Ginalla, die er von früher kannte, hätte sicher ganz anders reagiert.

Mit vollem Impuls näherte sich Kamurus jetzt IDUSA, die ihn aufgrund einer Beschädigung an den externen Sensoren zunächst nicht erkannte und die Schilde hob. „Schon gut.“, SITCHte er sie an. „Von mir droht weder dir noch deiner Insassin eine Gefahr. Du kennst mich. Ich bin es, IDUSA, dein Freund Kamurus. Ich schicke dir meine Pilotin. Sie wird dir und der Frau helfen.“ „Ich kann mir vorstellen, dass Ginalla in der Lage sein wird, mich zu reparieren.“, argumentierte IDUSA. „Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie eine Ausbildung in tindaranischer erster Hilfe hat.“ „Die hat sie auch nicht.“, gab Kamurus zu. „Aber ich kann sie über SITCH instruieren und im Notfall kannst du ihr sicher auch sagen, was zu tun ist.“

IDUSA senkte die Schilde. „Also gut.“, sagte sie. „Versuchen wir es. Ich hoffe nur, dass Ginalla keine Telepathin ist. Sonst liegt sie gleich neben Nidell. Ich war nicht in der Lage, die Strahlung des Rosannium, mit dem die Genesianer dieses Gebiet kontaminiert haben, zu filtern.“ „Weil du ihr immer noch ausgesetzt bist.“, erklärte Kamurus. „Rosannium kann Materie durchdringen, ohne sie zu zerstören. Ich werde dich in Schlepp nehmen und dich bis zu deiner Heimatbasis ziehen. Da wollten Ginalla und ich sowieso hin. Wir müssen euch nämlich etwas sagen. Ich beame Ginalla jetzt zu dir. Aber du weißt doch auch, dass die Celsianer keine Telepathen sind, für sie also keine Gefahr besteht.“ „Ich weiß im Moment gar nichts mehr.“, resignierte IDUSA. „Meine Systeme fallen eines nach dem anderen aus und ich habe doch Befehl, Nidell zu beschützen.“ „Keine Angst.“, tröstete Kamurus. „Das wird bald besser.“ Damit nahm er sie in den Traktorstrahl und beamte Ginalla hinüber.

Schnell hatte sich die junge Celsianerin in der fremden Kapsel zurechtgefunden. Sie wuchtete Nidells fast leblosen Körper auf die hintere Sitzbank im Cockpit. „So, jetzt habe ich dich erst mal aus dem Weg. Aber du siehst mir nich’ gerade gesund aus.“, sagte sie flapsig. „Das ist sie auch nicht.“, erklang eine weibliche künstlich anmutende Stimme aus dem Bordlautsprecher. „IDUSA?“, fragte Ginalla und drehte sich zum Bordmikrofon. „Wer sonst.“, sagte der Schiffsrechner. „Also gut.“, sagte Ginalla. „Dann sollte ich mal sehen, dass ich dich wieder auf Vordermann kriege. Wo tut’s denn weh?“ „Sie sollten sich zunächst um Nidell kümmern.“, schlug IDUSA vor. „Machst du Witze?“, fragte Ginalla. „Ich weiß doch gar nich’, wie so was geht. Am Ende mache ich was falsch und dann steht sie vor der tindaranischen Himmelstür.“ „Ich kann Sie anleiten.“, sagte IDUSA und replizierte ein Überlebenspaket. Ginalla nahm es aus dem Auswurffach des Replikators. „Was soll ich damit?“, fragte sie. „Legen Sie es Nidell bitte an.“, bat IDUSA freundlich. Ginalla nickte und setzte Nidell die Maske auf. „Schalten Sie die Bedieneinheit auf automatische Beatmung.“, erklärte das Schiff weiter. „Nidell muss Luft atmen, die frei von Rosannium ist.“ „Verstehe.“, sagte Ginalla. „Damit das ganze Zeug aus ihren Lungen raus kommt und ihren Körper nich’ weiter vergiften kann. Also, wo haben wir denn den Menüpunkt? Ah ja. Da is’ er ja schon.“ Nach dem Anklicken des Punktes ließ Ginalla die Bedieneinheit des Überlebenspaketes vorsichtig auf die Kante der Bank sinken. „Kann ich sie jetzt so liegen lassen?“, fragte sie. „Das können Sie.“, sagte IDUSA, nachdem sie mit ihren Sensoren Nidells Zustand überprüft hatte.

„OK.“, sagte die technisch versierte Celsianerin, die sich mit dem, was jetzt auf sie zukommen sollte, sichtlich wohler fühlte und zog ihren Neurokoppler aus der Tasche, den sie bis zu diesem Zeitpunkt aus Gründen der Bewegungsfreiheit noch nicht benutzt hatte, um ihn sogleich anzuschließen. IDUSA lud sofort die Reaktionstabelle, die sie bei ihrem letzten Zusammentreffen von ihr erstellt hatte und zeigte ihr die technische Konsole. „Uff.“, machte Ginalla. „Dieser genesianische Torpedo hat dich ganz schön zugerichtet. Wir werden eine Menge Ersatzteile brauchen. Hoffentlich funktioniert dein Replikator. Huch?“

Sie hörte hinter sich ein Geräusch und sah dann einen riesigen Kasten mit Werkzeug und Ersatzteilen. Dann hörte sie ein Signal in ihrem Sprechgerät. „Was geht, Kamurus?“, meldete sie sich flapsig. „Ich habe dir alles, was du für IDUSAs Reparatur brauchst, repliziert und zu dir gebeamt. So mitgenommen, wie ihre Systeme sind, würde der Replikator sicher bei der Flut an Aufträgen zusammenbrechen.“ „Hey, danke.“, grinste Ginalla. „Man könnte ja glatt meinen, du hättest was für IDUSA übrig. Habe ich etwa einen verliebten Kater als Raumschiff?“ „Ich gehöre zu Sharie mit Hard- und Software.“, erwiderte Kamurus. Damit meinte er das Gleiche, als würden wir sagen, dass wir uns mit ganzem Herzen dem Partner zugehörig fühlen, in den wir verliebt sind. „Zwischen IDUSA und mir ist nur reine Freundschaft. Aber warum soll man einer guten Freundin nicht helfen, wenn sie in Not ist und das ist IDUSA meines Erachtens. Ich finde es übrigens sehr löblich, dass du dein soziales Gewissen entdeckt hast, Ginalla.“ „So weit waren wir schon.“, wischte Ginalla sein Kompliment weg, während sie sich dem Inhalt des Koffers zuwandte.

Im nächsten Augenblick wurde sie aber durch ein Geräusch hinter sich aufgeschreckt. Sie drehte sich um und bemerkte, dass Nidell erwacht war und versuchte, sich die Maske vom Gesicht zu ziehen. „Hey, halt!“, sagte sie energisch. „Das darfst du noch nich’. Kamurus, darf sie das?“ „Ja, das darf sie.“, erwiderte das Schiff per Sprechgerät. „Wir sind außerhalb des gefährlichen Bereiches. Die Strahlung klingt langsam ab.“ „Dass sie das darf.“, scherzte Ginalla und versuchte verwundert zu tun.

Sie half der zierlichen Tindaranerin beim Entfernen der Maske. „Wer bist du?“, fragte Nidell benommen. „Ich bin Ginalla.“, stellte sie sich flapsig vor. „Mein Schiff und ich kamen zufällig vorbei, als die Genesianer euch fertig gemacht haben. Wir helfen euch jetzt. Ich denke, sie haben deinen Kumpel und dein Schiff is’ auch nich’ auf dem Damm. Aber das werde ich jetzt ändern.“

Nidell drehte sich um und sah zu, wie Ginalla mit geübtem Griff einige durchgebrannte Module entfernte. „Bist du Ingenieurin?“, fragte Nidell. „Ich bin Celsianerin.“, sagte Ginalla. „Das reicht. Ich bin Ginalla, der Schrecken aller Fehlerquellen. Die stellen sich mir sogar freiwillig, weil sie der Blamage entgehen wollen, von mir eigenhändig an die Luft gezerrt zu werden.“ „Und witzig bist du auch.“, lachte Nidell und setzte sich auf. „Das liegt auch in der celsianischen Natur.“, entgegnete Ginalla und schloss eine letzte Abdeckung. „So, jetzt mach mal 'ne Selbstdiagnose, IDUSA.“, sagte sie stolz. „Es geht mir wieder gut.“, sagte IDUSA und ihr Avatar, der Ginalla vorher mit blassem Gesicht entgegengetreten war, bekam wieder rosige Wangen. „Sag deinem Schiff bitte, er soll den Traktorstrahl lösen. Ich kann jetzt aus eigener Kraft den Weg zu unserer Station antreten.“ „Na so was.“, sagte Ginalla. „Da wollten wir auch gerade hin. Betrachte es doch einfach als Service. Die gute Nidell liefern wir dann auch gleich auf der Krankenstation ab.“ Der Avatar grinste.

Joran, Zirell und Maron hatten ihre Plätze in der Kommandozentrale der Station eingenommen. Falls eine genesianische Patrouille mit ihnen hätte reden wollen, hatte Jenna IDUSA so programmiert, dass sie das Gespräch automatisch an Zirell durchstellen würde.

„Anführerin Zirell.“, bat Joran plötzlich um die Aufmerksamkeit der Angesprochenen. „IDUSA meldet sich. Sie sagt, sie sei im Schlepp von Kamurus. Ginalla habe Nidell behandelt und sie müsse sofort mit Agent Maron reden. Es dulde keinen Aufschub.“ „Gib sie mir!“, befahl die Tindaranerin, die angesichts der Schilderungen des Vendar sehr alarmiert war. „Wie du wünschst.“, sagte Joran und stellte die Verbindung her. „IDUSA, hier ist Zirell.“, wies sich diese gegenüber dem Schiffsavatar aus. „Was ist passiert?“ „Die Genesianer sind leider hinter Ihren Plan gekommen, Commander.“, analysierte IDUSA die Situation ohne Rücksicht auf diplomatische Schnörkel. „Sie haben Shimar. Auf mich wurde ein Torpedo mit Rosannium-Sprengkopf abgefeuert, den ich nicht kommen sehen konnte, da sie sich im toten Winkel meiner Sensoren genähert haben. Die Strahlung hat zur sofortigen Bewusstlosigkeit von Shimar und Nidell geführt. Dann schossen sie noch einen normalen Torpedo in meinen Antrieb. Wäre Ginalla nicht vorbeigekommen, hätte ich nicht zurückkehren können. Sie sagt, sie weiß alles und möchte gegenüber Agent Maron aussagen. Ich bin im Vermächtnisprotokoll. Bevor ich die mir aufgetragene Mission nicht erfüllt habe, kann ich zu keiner anderen genutzt werden.“ „Ich weiß.“, sagte Zirell. „Da hat Shimar wohl eine Vorahnung gehabt.“

Maron hatte sich die Sätze des Schiffes noch einmal durch den Kopf gehen lassen. „Ginalla?!“, fragte der erste Offizier ungläubig. „Will IDUSA damit etwa sagen, dass uns eine Zivilistin mit zweifelhaftem Ruf helfen wird, indem sie uns erklärt, was Sache ist?“ „Anscheinend.“, sagte Zirell. „Aber an deiner Stelle würde ich mir erst mal ihre Aussage anhören, bevor ich urteile. Übrigens wundert mich, dass du gar nicht wissen willst, was das Vermächtnisprotokoll eigentlich ist. Du fragst doch sonst immer nach jeder tindaranischen Besonderheit.“ „McKnight wird es mir schon erklären.“, sagte Maron, der sich ja irgendwie rausreden musste, denn wenn er zugegeben hätte, dass er mit Shimar konspiriert hatte, hätte ihm Zirell vielleicht noch so etwas wie Meuterei vorgeworfen.

Auf der Brücke der Canara im Versteck sah Prätora Yanista ihre Untergebenen zufrieden an. „Das haben wir gut hinbekommen.“, lobte sie. „Aber wie kommst du darauf, Mutter.“, fragte Minerva, die den Schluss ihrer Mutter nicht ganz nachvollziehen konnte. „Wir haben doch wieder nur einen gefangen, mit dem Shashana nichts anfangen kann.“ „Das macht in diesem Fall nichts, Minerva.“, erwiderte Yanista, der es in diesem Fall nicht unangenehm war, dass ihre Tochter ihr vor den anderen widersprochen hatte. Wie sonst würde Minerva auch lernen können. Diesen Umstand kannten auch die anderen Kriegerinnen und stuften die Tatsache deswegen auch nicht zu Yanistas Ungunsten ein, dass sie Minerva dafür nicht getadelt hatte. Die Erbprätora genoss nämlich in gewisser Weise noch eine Art Welpenschutz, der dafür sorgte, dass ein Widerspruch ihrerseits nicht gleich als Versuch ausgelegt wurde, die Macht an sich zu reißen und Yanista Schwäche zu bescheinigen, was wiederum dazu führen könnte, dass sich diese den Respekt der anderen Kriegerinnen durch hartes Durchgreifen zurückerobern musste.

„Denk mal nach.“, stellte Yanista ihrer Tochter eine Art Hausaufgabe. „Warum bin ich wohl vorgegangen, wie ich vorgegangen bin?“ „Du wolltest dieser Zirell eine Lektion erteilen, Mutter.“, überlegte die Erbprätora. „Wenn sie ihren besten Flieger verlöre, das träfe sie bis ins Mark. Dann wird sie sich nie wieder erlauben, uns hereinlegen zu wollen.“ „Richtig.“, lobte Yanista. „Es ging mir darum, ihr zu zeigen, vor wem sie Respekt zu haben hat. Dabei war es völlig nebensächlich, dass er wieder nur Frischfleisch für das Arbeitslager auf Nura vier ist. Ich denke, jetzt haben wir auch in Shashanas Augen unseren guten Ruf wieder hergestellt. Ich werde auf die Krankenstation gehen und ihn mir mal genauer ansehen. Er ist Tindaraner, also Telepath. Er dürfte, wenn wir das Nutzen seiner Fähigkeiten so weit eindämmen, dass er sie nur in dem Umfang nutzt, den wir ihm gestatten, keinen Erfasser bei der Arbeit benötigen. Energiehaltige Steinchen dürfte er auch so spüren können. Ariadne soll ihm ein entsprechendes Implantat einsetzen. Minerva, weil du meine Aufgabe so bravourös gelöst hast, darfst du die Brücke übernehmen.“ „Danke, Mutter.“, lächelte Minerva und sah Yanista beim Verlassen ebendieser zu.

Ariadne hatte Shimar vor sich auf dem Biobett liegen, als Yanista die Krankenstation betrat. Der Tindaraner war noch immer bewusstlos, was wohl an der hohen Dosis Rosannium lag, die er eingeatmet hatte. „Was wollen wir mit ihm, Prätora?“, fragte die Ärztin, die von Yanistas Plan nicht unterrichtet war. „Wir bringen ihn nach Nura vier.“, antwortete Yanista. Ariadne warf ihr einen fragenden Blick zu. „Ich weiß, was dich irritiert.“, sagte Yanista verständig. „Du fragst dich, warum wir wieder einmal einen an Bord haben, mit dem keine vernünftige Genesianerin etwas anfangen kann. Aber dieses Mal ging es gar nicht darum. Dieses Mal ging es um Respekt. Diese Zirell hat geglaubt, sie könnte uns narren, aber da hat sie sich getäuscht. Wenn wir das durchgehen lassen hätten, wären wir keine glaubhaften Eroberer. Schließlich können wir nicht erlauben, dass uns die Bewohner der besetzten Gebiete auf der Nase herumtanzen.“ „Da habt Ihr Recht, Prätora.“, stimmte Ariadne zu. „Aber wie wollt Ihr verhindern, dass er sich einfach von Nura vier nach Hause teleportiert?“ „Ich werde das nicht verhindern!“, sagte Yanista mit einem Lächeln. „Sondern du.“ „Verstehe.“, grinste die Ärztin gemein, holte ein medizinisches Gerät und eine Sonde, die zur Unterdrückung von Telepathie und dergleichen fähig war und stieß diese mit dem chirurgischen Werkzeug hart, ja sogar fast brutal zu nennen, durch Shimars Nase in seine Stirnhöhle. Er konnte froh sein, dass er bewusstlos war und somit davon nichts mitbekam. „So.“, sagte Ariadne und aktivierte die Sonde mit einer Art Fernsteuerung, die sie später an die Wärterinnen auf Nura vier übergeben würde. „In Ordnung.“, sagte Yanista, die alles mit angesehen hatte. „Dann werde ich Hera sagen, sie soll uns so schnell wie möglich nach Nura bringen.“

Ein besseres Los, zumindest, wenn man dies an der Qualität eines Aufenthaltes auf der Krankenstation maß, hatte wohl Nidell gezogen. Ishan, der Androide mit dem aldanischen Bewusstsein, fand es nicht weiter verwunderlich, seine eigene Untergebene auf dem Tisch zu haben und zu behandeln. „Was genau ist passiert, Nidell?“, fragte er nüchtern, nachdem er bemerkt hatte, dass seine Assistentin bei Bewusstsein war. „Das kann ich dir nicht genau sagen.“, antwortete Nidell müde. „Shimar und ich sind einem genesianischen Patrouillenschiff begegnet. Das hat ohne Vorwarnung einen Torpedo mit einem Rosannium-Sprengkopf auf uns abgefeuert. IDUSA konnte nichts tun, noch nicht einmal die Schilde heben.“ Sie versuchte sich aufzusetzen. „Ruhig, Nidell.“, unterband Ishan den Versuch und drückte sie in die Kissen zurück. „Du hast eine Menge Rosannium in deinem Telepathiezentrum gehabt und die Reste müssen erst mal raus. Ich habe dir ein Medikament gespritzt, das den Abbau beschleunigt. Aber das hat die Nebenwirkung, dass es dir schwindelig werden wird. Du solltest also erst mal gar nicht ans Aufstehen denken. Übrigens, wer hat dich so professionell versorgt. Als ich dich an Bord von IDUSA fand, trugst du ein Überlebenspaket. Das kann Shimar ja wohl schlecht für dich repliziert haben, bevor er …“ „Das muss ich auch noch aussagen.“, sagte Nidell. „Die Genesianer haben Shimar. Zumindest ist Ginalla davon ausgegangen.“ „Ginalla.“, stellte Ishan fest. „Dann war es also ihr Schiff, das IDUSA zur Station gebracht hat. Ich gehe davon aus, dass Ginalla dir das Überlebenspaket verpasst hat, oder?“ „Ja.“, sagte Nidell. „Das hättest du ihr sicher nicht zugetraut, was?“ „Ich muss gestehen, dass ich das wirklich nicht hätte.“, gab Ishan zu. „In dem Bericht, den wir über sie haben, hat Shimar sie als ziemlich eigensüchtig beschrieben.“ „Er ging aber auch davon aus, dass es dafür einen Grund gibt und dass dies nicht wirklich ihr Charakter ist. Er hat damals geschrieben, er ginge davon aus, dass sie eine Art mentale Maske trug.“, korrigierte Nidell ihren Vorgesetzten. „Da hast du Recht.“, bestätigte Ishan. „Und nach Shimars Reise in Ginallas Seele hat sich ja auch herausgestellt, dass seine Vermutung gestimmt hat.“ „Genau.“, sagte Nidell. „Also, warum sollte sie dann nicht auch mir geholfen haben? Bitte hol Agent Maron. Ich möchte von ihm vernommen werden.“ „Du solltest erst einmal schlafen!“, bestand Ishan streng auf der Tatsache, dass sich seine Assistentin zunächst erholen sollte. „Ich bin deine Assistentin.“, sagte Nidell. „Ich kann selbst beurteilen, wie erholt ich schon wieder bin. Außerdem sind jetzt die Erinnerungen noch am frischesten.“ „Ach.“, machte Ishan. „Jetzt weiß ich, was an dem Spruch dran ist, dass Mediziner die schlimmsten Patienten sind. Aber ich bleibe dabei. Du solltest dich erst einmal ausruhen. Du magst zwar meine Assistentin sein, aber ich bin dein Vorgesetzter, kann also im Zweifel entscheiden, was du zu tun hast und jetzt entscheide ich, dass es besser für dich ist, dich zu erholen, bevor Maron dich vernimmt. Vorher lasse ich ihn nicht hier auf die Krankenstation, wo ich das Hausrecht habe.“ „Also gut, Ishan.“, sagte Nidell und war auch schon eingeschlafen. Die Müdigkeit hatte sie dann doch übermannt.

Jenna hatte sich um IDUSA gekümmert, die Kamurus an ihrem gewohnten Andockplatz sozusagen vom Haken gelassen hatte. „Diese Ginalla hat dich sehr gut repariert.“, staunte Jenna. „Wen wundert das?“, sagte IDUSA. „Sie ist Celsianerin und denen ist die technische Begabung in die Wiege gelegt.“ „Das stimmt.“, lächelte die hoch intelligente Halbschottin.

Sie schloss ein Diagnosepad an IDUSAs Wartungsbuchse an. „Du bist im Vermächtnisprotokoll.“, stellte sie fest. „Laut Kommandocode, der verwendet wurde, hat Shimar das eingeleitet. Er muss vorausgesehen haben, was passieren würde.“ „Kann sein.“, sagte IDUSA. „Zumindest ist das die einzige logische Erklärung für sein Verhalten.“ „Dann werde ich mal besser Agent Maron Bescheid geben, damit du bald wieder normal funktionieren kannst, IDUSA.“, sagte sie. Jenna wusste, dass das Vermächtnisprotokoll jede andere Mission verhinderte, da eine IDUSA-Einheit in diesem Modus primär das Ziel hat, dieses zunächst auszuführen. Dafür hatte sie sich zu lange mit tindaranischer Technologie beschäftigt. Sie machte sich also auf den Weg zur Brücke, denn auch Zirell würde sie einen Bericht abgeben müssen. Wenn sie dies in einem Aufwasch mit dem Informieren des ersten Offiziers erledigen konnte, kam ihr das sehr entgegen. Jenna war immer schon eine Freundin effizienter Lösungen gewesen.

Telzan hatte mit Beunruhigung beobachtet, was sich im tindaranischen Universum abgespielt hatte. Über die Einmischung der Genesianer war er bis zu einem bestimmten Punkt froh, konnte sich aber mit dem Ausgang der Situation nicht wirklich anfreunden. „Diese Verdammte Celsianerin!“, zischte er Sytania zu, die das Ganze mit ihm durch den Kontaktkelch mit angesehen hatte. „Mach dir keine Sorgen.“, sagte die imperianische Prinzessin tröstend. „Ginalla hat keinen sehr guten Ruf in der Föderation und bei den Tindaranern. Sie gilt als eine Herumtreiberin, die so gar nicht in deren moralische Vorstellung passen will. Maron ist so stark von Vorurteilen gegen sie besetzt, dass er ihr ohne Beweise kein Wort glauben wird und beweisen kann sie gar nichts.“ „Aber da gibt es die Aussage ihres Schiffes.“, erinnerte der Vendar seine Herrin. „Kamurus hat alles aufgezeichnet. Wenn er Maron seine Aufzeichnungen von der Begegnung mit dem Geistwesen zeigt, dann ...“ „Ach was.“, sagte Sytania und lachte schallend auf. „Dazu wird dieser Demetaner es gar nicht erst kommen lassen. Er wird ihre Aussage abschmettern, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Tolea arbeitet mit mir zusammen. Das ist eine Tatsache, die nicht in sein Föderationshirn gehen wird und da Ginalla außer mit der Aussage ihres Schiffes nichts beweisen kann, wird ihre Aussage für ihn nichts als heiße Luft sein. Ein größeres Problem sehe ich schon in Kissara. Wenn sie nicht gestoppt wird, kann sie uns sehr gefährlich werden.“ „Das Problem ist bald Vergangenheit, Milady!“, lachte Telzan und konzentrierte sich auf den Lauf der Sonne, allerdings in umgekehrter Richtung, was der Befehl für den Kontaktkelch war, sozusagen zurückzuspulen. „Nugura in ihrem Büro.“, fasste Sytania das Gesehene zusammen. „Wie soll uns das helfen?“ „Seht genau hin, Gebieterin.“, machte Telzan sie aufmerksam. „Seht Ihr, was sie auf dem Schreibtisch hat?“ „Das ist ein Profil einer anderen Politikerin.“, sagte Sytania, die in Telzans Augen wohl immer noch nicht verstanden hatte, worauf er hinaus wollte und heute für ihn fast begriffsstutzig schien. Aber das hätte er ihr natürlich nie gesagt! „Das ist das Profil von Agatha von Angel One.“, erklärte Telzan. „Sie würde zu gern die alten Zustände wieder haben, wie sie auf ihrem Planeten herrschten, bevor die Männer der Odin dort abgestürzt sind und bevor Riker …“ „Ich kenne die Geschichte.“, sagte Sytania gelangweilt und gähnte. „Ach, diese kleinen Probleme der Sterblichen sind so lästig! Aber nun hast du mich neugierig gemacht, Telzan. Wie glaubst du, dass uns die Umstände auf Angel One zum Vorteil gereichen können?“ „Ganz einfach, Milady.“, erklärte Telzan und stand sogar auf, um seinen Vortrag fortzusetzen und dem Ganzen eine wichtigere Note zu verleihen. „Die Genesianer haben die Föderation erobert und Angel One ist seit fünf Jahren ein Teil von ihr. Vor fünf Jahren wurden sie warpfähig und Nugura hatte nichts Besseres zu tun, als sie mit offenen Armen zu empfangen. Die Männer auf Angel One waren dabei, sich die gleichen Rechte zu erkämpfen wie die Frauen und dies war eine Tatsache, die Agatha nicht gefällt. Die Eroberung der Föderation durch die Genesianer dürfte in ihren Augen also als Glücksfall gelten und dieses Glück will Agatha sicher nicht wieder hergeben. Wenn die Granger beweisen würde, dass alles ein großes Unrecht ist und eigentlich gar nicht so sein darf, dann würde Agathas Position ins Wanken geraten und sie müsste damit rechnen, dass die Zeitlinie, wie sie eigentlich sein sollte, wieder hergestellt wird. Das wird sie nicht wollen und somit für das Stoppen der Granger stimmen.“ „Aber was nützt uns eine Politikerin?!“, fragte Sytania hoch erregt. „In der Demokratie bestimmt die Mehrheit und nicht ein Einzelner im Gegensatz zur Monarchie, du …“

Sie konnte ihren Satz nicht zu Ende führen, denn Telzan fuhr unbeeindruckt laut und deutlich fort: „Agatha ist psychologisch sehr geschickt. Sie ist sicher in der Lage, auch andere Politikerinnen auf ihre Seite zu bringen. Ich bin überzeugt, sie wird die Abstimmung gewinnen und Nugura steht am Ende allein da.“ „Ich weiß nicht.“, meinte Sytania. „Vielleicht sollte ich lieber eingreifen.“ „Das halte ich nicht für klug.“, sagte Telzan. „Eine oder zwei Verbündete hat Nugura nämlich noch. Die könnten sehr schnell merken, dass hier etwas nicht stimmt, wenn Ihr die Politikerinnen zu manipulieren versucht. Nein, bitte vertraut auf Agatha. Ihr seid doch selbst eine Frau. Ihr dürftet doch am Ehesten wissen, zu was Raffinesse in der Lage ist. Gut, die anderen könnten vielleicht merken, was Agatha für ein Spiel spielt, aber ich denke, dazu sind sie zu naiv. Sie werden sich in ihrem sozialen Denken nicht vorstellen können, dass jemand unter ihnen ist, die ihre eigenen Ziele verfolgt. Ihr Gemeinschaftssinn ist einfach zu groß. Sie waren zu lange eine schöne heile Welt gewohnt, als dass Feindschaft und Eigennutz noch einen Platz in ihren Gedanken einnehmen könnten. Dies sind Worte, die sie schon nicht mehr kennen dürften. Bitte, vertraut mir.“

„Dein Diener hat Recht!“ Sytania drehte sich um, um ein Gesicht zu der Stimme wahrnehmen zu können, die ihr dies gerade zugerufen hatte. Aus dem sich langsam verflüchtigenden Lichtkegel eines schwarzweißen Blitzes sah sie die Erscheinung Toleas hervortreten. Wie die alten Q es auch getan hatten, war sie plötzlich hinter ihr ganz unverhofft aufgetaucht. Telzan, der bisher vergeblich mit Engelszungen auf seine Herrin eingeredet hatte, atmete ob ihres Erscheinens und ihrer Worte erleichtert auf. Er wusste, ihr würde Sytania glauben. Sie war eine Mächtige wie die Prinzessin selbst, also eine Gleichgestellte. Er war ja nur ein Vendar. „Wie kommst du darauf, Tolea?“, fragte Sytania. „Weil ich die Föderation kenne.“, sagte Tolea und ihre Stimme bekam einen fast boshaften Touch bei diesen Worten. „Es stimmt alles, was Telzan über die Föderation gesagt hat und auch alles, was er über Agatha von Angel One sagte. Ich habe die Föderation lange Zeit beobachtet. Ich weiß, wie sie ticken und ich kenne vor allem das psychologische Profil einiger Politikerinnen. Ich weiß, dass sie Agatha aus der Hand fressen werden, wenn sie es geschickt anfängt und das wird sie. Das weiß ich genau. Ich habe in die Zukunft gesehen. Aber ich will dir die Überraschung nicht verderben. Nur so viel. Wir sollten schon mal auf Agatha von Angel One anstoßen.“ „Also gut.“, überlegte Sytania. „Dann werde ich gleich nach meinem Mundschenk schicken. Ach nein. In dieser Karaffe hier ist ja noch etwas. Das wird für uns drei schon reichen. Telzan, setz dich zu meiner Linken. Dir, Tolea, gebührt natürlich der Platz auf meiner rechten Seite.“

Sie erschuf mittels ihrer Fähigkeiten ein drittes Glas und schob es Telzan hin. Es war nicht so reich verziert wie die anderen Gläser, die Tolea und sie benutzten, aber für diesen Zweck würde es schon reichen. „Telzan.“, sagte sie dann. „In meiner Großzügigkeit erlaube ich heute dir, den Toast auszubringen.“ Telzan erhob sein Glas und sagte: „Auf Agatha von Angel One. Möge sie die Abstimmung zu einem guten Ende für uns führen.“ „Auf Agatha!“, wiederholten Tolea und Sytania gemeinsam und stießen mit ihm an.

Kapitel 29 - Langsam geht es aufwärts

von Visitor

 

Scotty und Clytus waren wieder in ihrer Zelle. Der Kleine hatte sich in der Qualität seiner Arbeit nicht verbessert, obwohl Scotty es ihm immer und immer wieder gezeigt hatte. Würde sich dies nicht ändern, würden die Wärterinnen Clytus im Morgengrauen hinrichten, das wusste der Terraner. Von mir hatte er einige Brocken Genesianisch aufgeschnappt, was mir als ausgebildeter Kommunikationsoffizierin ja nur nutzen konnte, nach dem Motto: „Kenne und verstehe deinen Feind.“ Deshalb hatte die Sternenflotte auch damals dafür gesorgt, dass ich den Kurs nicht mehr heimlich besuchen musste, als dies auf der Akademie durch einen dummen Zufall herausgekommen war. Dass dies einmal meinem späteren Ehemann helfen sollte, ahnte ich damals aber noch nicht.

„Is’ dir klar, dass die dich morgen abmurksen?!“, fragte Scotty energisch. „Das glaube ich nicht.“, sagte Clytus. „Warum hätten mich denn die Ärzte dann wieder zusammengeflickt?“ „Das haben die nur gemacht, damit du noch eine Chance bekommst.“, klärte Scotty ihn auf. „Ich bin sicher, Amidala hat da mitgeredet, aber ihr Einfluss reicht auch nich’ für ewig. Also, warum reißt du dich nich’ einfach zusammen und machst, was ich dir sage?“ „Das versuche ich ja.“, sagte Clytus traurig und begann zu schluchzen. „Aber ich bin halt ungeschickt.“ „Ungeschickt, ungeschickt, ungeschickt.“, murmelte Scotty vor sich hin. „Du bist nich’ ungeschickt, du bist stur wie ein terranischer Esel! Du hast dich wohl so in deine Fantasie hineingesteigert, ein Mächtiger zu sein, dass du glaubst, von einem einfachen Sterblichen keine Ratschläge annehmen zu müssen, wie? Aber jetzt hat dich diese Haltung an den Rand des Todes geführt. Is’ dir das klar?! Aber du glaubst wohl auch noch, dass dich der Phaser der Henkerin nicht umbringen, geschweige denn verwunden, kann.“ „Mir ist sehr bewusst, dass ich jetzt sterblich bin.“, sagte Clytus. „Und ich hoffe, dass meine Strafe irgendwann vorbei ist. Ich hoffe, dass meine Tante Tolea nicht so herzlos ist und mich hier sterben lässt. Hörst du mich, Tante Tolea! Es tut mir leid, dass ich mit der Zeitlinie gespielt habe, um mein Ziel zu erreichen. Ich weiß, dass Eldisa mich jetzt erst recht nicht lieben wird. Sie wird mich hassen. Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid!“ Er warf sich auf den Boden und begann bitterlich zu weinen. Scotty sah weg. Er konnte einfach nicht mit der Situation umgehen. Er wusste nicht, wie er dem armen bedauernswerten Jungen noch helfen sollte. Vielleicht war es so besser. Vielleicht war es besser, wenn er diesem jämmerlichen Dasein in seiner geistigen Krankheit endlich entgehen konnte. Dass er wirklich ein Mächtiger war, glaubte Scotty nämlich immer noch nicht und Yetron, der ihn davon eventuell noch hätte überzeugen können, war weit weg.

Die Tür wurde entsichert. Zwei genesianische Wärterinnen betraten die Zelle und Scotty konnte im Halbdunkel erkennen, dass sie etwas ins Stroh warfen. Dann gingen sie wieder.

Langsam ging der Sternenflottentechniker näher. Er konnte sich nicht vorstellen, was hier gerade geschehen war. Hatten sie Zuwachs bekommen? Erst als er nahe dran war, erkannte er, wen man ihm und Clytus da vor die Füße geworfen hatte. „Da brat’ mir doch einer 'n Storch!“, rief er aus. „Was machst du denn hier, Shimar?“

Auch Clytus hatte jenes Schauspiel bemerkt. „Kennst du ihn?“, fragte er, der durch die Tatsache, dass hier etwas Neues passiert war, wohl von seiner Trauer abgelenkt wurde. „Da kannst du Gift drauf nehmen.“, sagte Scotty. „Er is’ der Hausfreund meiner Frau.“ „Und damit hast du keine Probleme?“, fragte Clytus. „Ne!“, lachte Scotty. „Das is’ alles in Butter. Wenn du am Leben bleibst, kann ich dir die ganze Schose vielleicht irgendwann erklären. Aber dazu musst du mir versprechen, dass du meine Ratschläge endlich …“ „Dazu ist es zu spät!“, schrie Clytus verzweifelt. „Morgen töten sie mich. Wenn du mir was erklären willst, musst du dich schon beeilen!“

Shimar hatte sich bewegt. „Ich glaub’, er kommt zu sich.“, sagte Scotty. Tatsächlich schlug der Tindaraner benommen die Augen auf. „Oh, Mann.“, sagte er. „Hab ich einen Brummschädel! Scotty, was machst du in meinem Schlafzimmer und wer ist der fremde Junge? Ach übrigens, willst du deinen Storch rosa, medium oder durch?“ „Hey.“, lachte Scotty und schlug sich auf die Schenkel. „Humor is’ mein Job bei unserem Dreiergespann. Schon vergessen? Ich bin der Platzhirsch der Witze! Und jetzt sag mir bitte nich’, dass du das gehört hast.“ „Im Halbschlaf.“, gab Shimar zu. „Aber ich hab’s immerhin mitgekriegt.“

Er versuchte aufzustehen. Scotty fasste ihn mit seinen großen starken Armen um die Schultern, um ihm dabei zu helfen. „Das is’ schon mal 'n guter Ansatz.“, lobte er, während er mit Shimar in der Zelle auf und ab ging. „Wir müssen deinen Kreislauf in Schwung bringen.“ „Ich weiß.“, sagte Shimar teils leidend und teils angestrengt. Scotty merkte, dass sein Gegenüber wohl ziemlich mit etwas zu kämpfen hatte. „Obwohl es mir gar nicht gut geht. Aber wenn ich mich jetzt hinlege, stehe ich vielleicht gar nicht mehr auf.“

Die Beiden setzten sich in Clytus’ Nähe wieder auf den Boden der Zelle. Erst jetzt viel Scotty auf, wie blass Shimar war. „Was haben die mit dir gemacht?“, wollte er wissen. „Genau weiß ich das nicht.“, sagte Shimar. „Ich habe nur rasende Kopfschmerzen und das Gefühl, dass sie mir eine Sonde eingesetzt haben, die meine Fähigkeiten unterdrückt. Ich kann uns drei also nicht hier rausholen.“ „Ach du Scheiße!“, rief Scotty aus. „Das trifft’s wohl.“, sagte Shimar. „Da stecken wir wohl mindestens knietief drin.“

Clytus begann wieder zu weinen. „Und ich habe geglaubt, jetzt, wo ein Tindaraner bei uns ist, wird alles gut.“ „Was meint der arme Kleine damit, Scotty?“, fragte Shimar. „Der meint, dass die ihm morgen das Lebenslicht ausblasen.“, flapste Scotty. „Seine Technik, mit der er Kristalle schürft, führt nur zu Abfall und das mag die Prätora nich’. Außerdem hält er sich für einen Mächtigen. Das bedeutet, er gilt als geisteskrank. So einen will auch keine Genesianerin. Also, was sollen die schon mit ihm anfangen? Sag mal, könntest du nich’ rauskriegen, ob er die Wahrheit sagt?“ „Wenn das Implantat nicht wäre, dann sicher.“, sagte Shimar. „Aber wie kommst du darauf, dass er die Wahrheit sagen könnte? Eben hast du doch noch gemeint, er sei verrückt.“ „Ich weiß nich’, was ich glauben soll.“, sagte Scotty. „Mit uns war ein Brückenoffizier hier in Gefangenschaft. Der is’ mittlerweile in einem Umerziehungslager für genesianische Ehemänner. Da soll er einer werden. Von ihm habe ich Befehl, keine Fluchtversuche zu unternehmen. Es gibt wohl irgendeinen Plan. Agent Yetron geht sogar davon aus, dass der Kleine hier wirklich Clytus aus dem Raum-Zeit-Kontinuum sein könnte. Deshalb …“ „Langsam.“, bat Shimar. „Das muss ich erst mal alles sortieren. Aber wenn ihr mit Agent Yetron hier eingesperrt wart, dann hat das sicher Hand und Fuß, was er befohlen hat und wir sollten uns dran halten. Yetrons guter und listiger Ruf ist bis in das tindaranische Universum bekannt. Wir sollten seinen Plan, wenn es einen gibt, auf keinen Fall sabotieren und wegen der Arbeit. Hm.“ Shimar überlegte. „Was ist, wenn wir uns freiwillig für die Nachtschicht melden. Das lenkt mich von meinen Kopfschmerzen ab und eventuell kann ich sogar dafür sorgen, dass Clytus’ Leben gerettet wird.“ „Ach.“, sagte Scotty. „Das is’ hoffnungslos. Ich habe schon alles versucht und bin mit meinem Latein am Ende.“ „Du magst am Ende sein!“, sagte Shimar. „Aber ich noch lange nicht, klar?! Und jetzt sollte einer von uns diesen Knopf da in der Ecke benutzen, um nach der Wache zu klingeln!“

Er schlug mit der Hand auf den genannten Knopf und im nächsten Augenblick wurde die Tür durch Amidala entsichert. Es war inzwischen wieder Abend geworden. Scotty und Clytus atmeten auf. Sie wussten, dass Amidala auf ihrer Seite war. „Die Nacht is’ unsere Freundin.“, flüsterte Scotty Shimar zu. Dieser nickte nur verständig und grinste, denn er hatte anhand der Reaktionen seiner Mitgefangenen schon gemerkt, dass sie wohl eine positive Beziehung mit der Genesianerin im Türrahmen verband. „Was gibt es?“, fragte Amidala für eine genesianische Wärterin recht freundlich. „Wir wollen freiwillig zur Nachtschicht.“, erklärte Scotty. „Interessant.“, sagte Amidala. „Und warum wollt ihr das?“ „Wir haben gehört, dass es dann auch bessere Rationen gibt.“, schob Scotty einen Grund vor. „Also gut.“, überlegte Amidala. „Gestern sind gerade wieder drei gestorben, die sonst die Nachtschicht erledigt haben. Die Prätora hat sich schon gesorgt, wie sie das Loch stopfen soll. Wir müssen Yanista über alles berichten. Aber wenn das so ist, dann kommt gleich mal mit.“ Scotty nickte und alle drei standen auf. „Das hat ja prima geklappt.“, flüsterte Shimar. „Ja.“, sagte Scotty ebenfalls leise. „Ich habe gar nich’ gewusst, dass in mir so 'n guter Schauspieler steckt. Aber mich würde mal echt interessieren, was du noch mit unserem hoffnungslosen Fall aufstellen willst.“ „Abwarten.“, sagte Shimar zuversichtlich.

Diran hatte sein Schiff in die tindaranische Dimension gelenkt. Jetzt, das wusste er, würde es nicht mehr weit sein zu dem Planeten, wo er seine geliebte Sianach endlich wieder in die Arme schließen würde. Sie würde schon alles Restliche organisieren, da war er sicher. Er selbst war durch seine eigene Verzweiflung nicht in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Immer noch beschäftigte ihn die Tatsache, dass er Lord Kairon fast mit schwarzer Macht infiziert hatte. Nur dem Umstand seines toten Telepathiezentrums hatte er zu verdanken, dass Sytanias Plan nicht aufgegangen war. Er überlegte, ob er die Vulkanier nicht über das schändliche Tun Sytanias informieren sollte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die so einfach zulassen würden, dass die Imperianerin ihren guten Ruf so in den Dreck zog. Aber auf der anderen Seite waren sie so emotionslos, dass sie dieser Umstand sicher nicht im geringsten tangieren würde. Er fühlte sich hilflos und wie gelähmt, da es ihm einfach nicht gelingen wollte, einen Entschluss zu fassen.

„Ankommender Ruf!“, holte ihn der Mishar aus seiner Lethargie. „Wer ist es?“, fragte Diran. „Rufzeichen anzeigen!“

Der Computer gab ein kurzes Signal von sich und zeigte Diran dann das Rufzeichen auf dem Display des Sprechgerätes, welches Diran sofort als das Heimatliche erkannte. Er war heilfroh, jetzt doch mit Sianach reden zu können. Er besaß eigentlich einen zu großen Stolz, um sie von sich aus zu rufen. Natürlich wusste der Vendar auch, dass er sich in einer gedanklichen Sackgasse befand, aus der er nicht allein wieder herauskommen konnte, aber sein Stolz war ihm im Weg.

„Sei gegrüßt.“, sagte eine ihm sehr gut bekannte und liebe Stimme aus dem Lautsprecher. „Was tust du hier? Du wolltest doch erst im nächsten Winter wieder kommen.“ „Meine Zeit bei Tolea wird bald vorbei sein, meine über alles geliebte Ehefrau.“, sagte Diran und Sianach glaubte, eine leichte aufkommende Wut in seinen Worten zu hören. „Was meinst du damit?“, fragte sie. „Ich dachte, du würdest dich sehr wohl in ihren Diensten fühlen.“ „Das war einmal!“, sagte Diran jetzt etwas lauter und bemerkte, wie ihm die Kontrolle über seine Stimme zu entgleiten drohte. „Es ist etwas Schreckliches passiert, Sianach.“, sagte er betroffen. „Etwas, das niemand für möglich gehalten hätte. Aber lass mich bitte erst einmal landen. Wenn ich dir jetzt alles sage, befürchte ich, die Kontrolle über mich und mein Schiff zu verlieren.“ „Dann muss das ja fürwahr etwas sehr Schlimmes sein, was dir geschehen ist, mein armer Diran.“, sagte Sianach mitleidig. „Aber ich werde dich erst einmal einweisen lassen. Dann kannst du mir alles erzählen, wenn wir in unserem Haus sind.“ „Ich danke dir.“, sagte Diran erleichtert und beendete die Verbindung.

Bald darauf sah er die Atmosphäre von New-Vendar-Prime vor sich und auch die bekannten Positionslichter, die Sianach zum Zweck seiner Einweisung von ihrem Haus aus aktiviert haben musste. Er landete sein Schiff in der gewohnten Position und stieg aus, um dann sofort den ausgetretenen Pfad zu seinem und Sianachs Haus entlangzugehen.

Die Erste, die er hier zu Gesicht bekam, war Tchiach. „Da bist du ja, Ziehvater!“, rief die inzwischen 13-jährige Vendar aus. „Aber du siehst ja ganz traurig aus. Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?“ „Natürlich freue ich mich, dich zu sehen, Tchiach.“, sagte Diran und nahm sie in den Arm. „Der Grund, aus dem ich so traurig bin, bist auf keinen Fall du! Das kannst du mir ruhig glauben.“

Das Mädchen nahm ihren Ziehvater bei der Hand und zog ihn den Gang zur Haustür, der rechts und links von einheimischen Pflanzen gesäumt war, hinauf. „Befindet sich deine Ziehmutter im Haus?“, wollte er wissen. „Ja.“, sagte Tchiach. „Wir haben gemeinsam deinen Flug überwacht. Ziehmutter Sianach will, dass ich auch das lerne. Schließlich bin ich jetzt eine Novizin!“ Sie zeigte stolz auf ihre Kleidung. „Das ist ja wundervoll.“, lächelte Diran, aber er konnte seiner Ziehtochter nichts vormachen. Tchiach hatte längst bemerkt, dass er mit den Gedanken völlig woanders war.

Sie betraten das in normalem vendarischen Stil eingerichtete Haus und setzten sich im Wohnzimmer auf zwei braune Sitzkissen, die um einen kleinen holzfarbenen Tisch drapiert waren. Sianach, die sie vom Eingang aus bemerkt hatte, trat hinzu und setzte sich ebenfalls auf eines der flachen runden Polster. „Was ist geschehen, Diran?“, fragte sie Anteil nehmend. „Das werde ich dir gleich berichten, meine geliebte Sianach.“, sagte Diran weich. „Nur sollte unsere Ziehtochter am besten nichts davon mitbekommen. Tchiach, bitte geh mit deinen Freunden spielen!“

Sianach machte ein empörtes Gesicht und stand auf. Sie stemmte die Hände in die Seiten und baute sich vor Diran auf, bevor sie sagte: „Schick sie nicht weg wie ein dummes Kind! Sie hat das Alter der Novizenschaft erreicht! Sie ist zwar erst eine Novizin im jüngsten Kreis, aber trotzdem kann sie nicht früh genug mit dem Lernen der Geheimnisse der Mächtigen anfangen!“

Diran schrak zusammen. „Woher weißt du, dass es etwas mit den Mächtigen zu tun hat?!“, fragte er mit blassem Gesicht. „Wenn du so aufgelöst aus dem Raum-Zeit-Kontinuum zu uns zurückkehrst, dann muss dort etwas nicht stimmen.“, schloss Sianach. „Also, was ist los? Tchiach, du bleibst! Es ist gut, wenn du dir auch alles anhörst.“ „Aber dazu ist sie doch wirklich noch zu jung.“, versuchte Diran, seine Frau zu beschwichtigen. „Wofür sie zu jung ist, das entscheide allein ich!“, sagte Sianach. „Ich bin ihre Ausbilderin und weiß, was sie schon in der Lage ist zu verkraften. Außerdem ist sie sehr intelligent. Sie überflügelt den Rest ihrer Gruppe um ein Vielfaches. Sie mag zwar erst 13 Jahre alt sein, aber dafür ist sie schon sehr vernünftig und kann, denke ich, erfassen, was du uns sagen wirst! Das sage ich dir nicht als deine Ehefrau, sondern als deine Anführerin!“ „Na gut, Anführerin.“, sagte Diran. „Dann werde ich dir jetzt erzählen, was geschehen ist. Tolea aus dem Raum-Zeit-Kontinuum arbeitet seit einiger Zeit mit Sytania zusammen.“

Sianach schluckte und ließ sich seine Sätze noch einmal durch den Kopf gehen. „Du willst mich veralbern.“, schloss sie dann. „Das kann doch nur ein übler Scherz sein. Hör gefälligst auf damit.“ „Ich wünschte, dass es ein übler Scherz wäre, Telshanach.“, sagte Diran sanft. „Aber das ist es leider nicht. Ich habe alles gesehen. Es ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.“

„Was hast du denn gesehen, Ziehvater?“, mischte sich Tchiach ein. „Ich sah schwarzweiße Blitze und die Tatsache, dass Tolea Kairon in einem Duell … Ach, ich sollte besser von Vorn beginnen. Clytus hat irgendwas mit der Zeitlinie gemacht. Darauf war seine Tante Tolea extrem wütend und hat sich mit Sytania zusammengetan, um ihn zu bestrafen. Zumindest lassen meine Beobachtungen keinen anderen Schluss zu.“ „Aber wieso soll Tolea mit Sytania zusammenarbeiten?“, fragte Tchiach. „Sytania ist böse und Tolea ist gut. Wie soll das gehen?“ „Wut kann zu den furchtbarsten Dingen verleiten.“, erklärte Diran. „Ich halte Sytania für abgebrüht genug, dass sie Toleas Wut eiskalt ausgenutzt hat und ihr im für sie richtigen Moment das Angebot zur Zusammenarbeit gemacht hat. In ihrer Wut muss Tolea darauf eingestiegen sein. Du weißt, wie sehr wir Sterblichen Tolea am Herzen liegen. Wenn ihr Neffe mit unserer Zeitlinie spielt, um was auch immer zu erreichen, dann kann sie das schon sehr wütend gemacht haben und auf diesen Augenblick wird Sytania nur gewartet haben.“ „Dann muss es Clytus gewesen sein, der die Zeitlinie verändert hat.“, schloss Sianach. „Seit ca. einem halben Jahr ist das tindaranische Universum in der Hand der Genesianer. Die sind von einem mächtigen Wesen angeführt worden, als sie es und das Universum der Föderation eroberten. Das Wesen hat sich als die Wächterin von Gore ausgegeben. Aber ich bin sicher, dass das nicht stimmt. Die Genesianer wurden auch nur benutzt. Aber wie kann Clytus allein so etwas zuwege bringen? Sein Machtzentrum ist doch noch gar nicht ausgereift und gegen Dill, der die Zeitlinie beschützt hätte, käme er schon gar nicht an.“ „Außer Sytania hat auch da nachgeholfen.“, erklärte Diran missmutig. „Moment.“, sagte Sianach. „Du sagst, sie hätte ihm erst geholfen und dann hilft sie seiner Tante, ihn zu bestrafen?“ „Genau das.“, bestätigte der Vendar. „Denk mal nach. Wenn sie ihm zuerst hilft, ohne dass er es merkt, dann stellt sie doch erst die Situation her, in der er zu bestrafen ist. So ist sie schon mal diejenige, die alles unter Kontrolle hat. Wenn sie dann anbietet, die Strafe selbst zu vollziehen, oder zumindest dabei zu helfen, ist Sytania in jedem Fall die lachende Dritte.“ „Du hast Recht.“, überlegte Sianach. „Wir sollten zu Zirell El Tindara fliegen und du solltest aussagen. Wir werden aber mein Schiff nehmen, falls Genesianer aufmerksam werden sollten.“ Diran nickte und Sianach schickte nach einem ihrer Techniker, der ihr Schiff vorbereiten würde. Er war froh, dass seine Frau das jetzt in die Hand genommen hatte. Um dies alles selbst zu organisieren, fühlte er sich im Moment viel zu kopflos.

D/4 hatte Sedrin und Cupernica, sowie Novus und Data auf ihr Schiff gebracht und die Demetanerin dann zunächst an ihren Kollegen übergeben, der sie auf dem ringförmigen Schiff in einen Turbolift führte. „Ich werde Sie in ein Habitat bringen, das wir extra für Sie vorbereitet haben.“, erklärte Z/9 und sah sie dabei freundlich an. „Sie müssen mir keine Angst nehmen.“, sagte Sedrin. „Ich bin ausgebildete Sternenflottenoffizierin und kenne den Unterschied zwischen Ihnen und den Borg im Gegensatz zu Ginalla. Ich vertraue Ihnen. Aber unter uns, jetzt, wo D/4 nicht da ist, kann ich es Ihnen ja sagen. Sie hat sich einen kleinen diplomatischen Fauxpas geleistet gegenüber meiner celsianischen Freundin.“ „Definieren Sie!“, forderte der Xylianer sie auf. „Sie hat laut gesagt, dass die Zivilistin über die ganze Sache hier nichts wissen soll oder so ähnlich. Das wird Ginalla sehr übel nehmen, zumal sie bereits stärker involviert ist, als Sie wissen.“ „Mir ist bekannt, dass unsere Daten über die Bioeinheit Ginalla unvollständig sind.“, lenkte Z/9 ein. „Sie denken also, ich sollte D/4 das sagen?“ „Nein.“, antwortete Sedrin. „Aber Sie könnten sie bei mir vorbeischicken und ich kläre sie auf. Dann bekommen Sie keinen Ärger.“ „Ärger ist nicht relevant.“, winkte die Sonde ab. „Aber da es unter Bioeinheiten höflich erscheint, auch in unpassenden Momenten einmal Hilfe anzunehmen, obwohl Ärger für mich keine emotionalen Konsequenzen hätte, werde ich Ihr Angebot annehmen.“ „Sehr liebenswürdig.“, sagte Sedrin. „Übrigens sind meine Daten auch etwas unvollständig.“, erklärte die Demetanerin grinsend. „Wenn die Genesianer das Universum der Föderation erobert haben, warum haben sie Ihren Planeten, der nahe an unserem Gebiet ist und von dem wir Hilfe erwarten könnten, verschont?“ „A/1 geht davon aus.“, erklärte die Sonde, „Dass wir für die Genesianer als Maschinen gelten. Daher haben sie unsere Anwesenheit und die Beziehung zu Ihnen als nicht bedrohlich eingestuft und uns ignoriert.“ „Ah.“, machte Sedrin verständig.

Sie entstiegen dem Lift und bogen in einen Gang ab, an dessen Ende sie einen Raum vorfanden, dessen Tür der Xylianer durch Eingabe eines Codes in eine Konsole öffnete. Sedrin schlug der Duft demetanischer Zimmerpflanzen entgegen. Innerhalb des Raumes musste eine ihr angenehme Temperatur herrschen, die sie an einen Frühlingstag auf Demeta erinnerte. Dies alles fühlte sich für sie sehr angenehm an. „Ich nehme an, hier soll ich wohnen.“, sagte die Agentin und machte einige Schritte ins Innere des großzügig geschnittenen Quartiers, dessen Wohn- und Schlafbereich mit warmen Farben ausgestattet war. Nicht nur auf den Fensterbänken, nein, auch auf sämtlichen Stoffen waren Blumenmuster zu sehen.

Sie setzte sich auf das weiche breite Sofa und forderte den Xylianer auf, sich neben sie zu setzen. „Sie scheinen über mich ja sehr viele Daten zu besitzen.“, sagte sie. „Das ist korrekt.“, antwortete Z/9. D/4, die sehr lange schon in Ihrer Heimatstadt auf der Erde lebt, versorgte das System mit den entsprechenden Daten über Sie. Außerdem wissen wir, dass Blumen sehr hilfreich sein sollen bei der Genesung.“ „Genesung?“, fragte Sedrin leicht irritiert. „Ich bin nicht krank.“ „Das ist ein Umstand, der sich bald temporär ändern wird.“, antwortete Z/9. „Wir werden Sie, bevor Sie bei den Genesianern eingeschleust werden können, einer Operation unterziehen müssen. Davon werden Sie sich erholen müssen und dann kann alles, das zu Ihrem Wohlbefinden beiträgt, die Rekonvaleszenz nur entsprechend begünstigen.“ „Was für eine Operation wird das sein?“, fragte Sedrin. „Wir werden Ihnen Implantate einsetzen, die uns ermöglichen, dass wir hören, was Sie hören und sehen, was Sie sehen. Wir werden Ihnen beibringen, diese Implantate durch Gedankenbefehle zu steuern.“ „Das bedeutet, ich kann sie auch ein- und ausschalten.“, vermutete Sedrin. „Das ist korrekt.“, sagte Z/9. „Sie werden sogar in der Lage sein, über die Implantate mit uns zu kommunizieren. Über die umgekehrte Verbindung werden wir auch Ihnen Instruktionen geben können.“ „Logisch.“, sagte Sedrin und versuchte, sehr abgeklärt zu klingen. „Wenn die Implantate mit meinen Sinnen verknüpft sind.“

Z/9 starrte plötzlich in den leeren Raum, als hätte ihn eine ihrer Äußerungen aus dem Konzept gebracht. „Was ist los?“, nahm sich Sedrin dem offensichtlich leicht verwirrten Xylianer an. „Ihre Reaktion ist mir unverständlich.“, gab er zu. „Ich habe mit dem System Kontakt aufgenommen und suche nach einer Erklärung.“ „Und?“, fragte Sedrin grinsend. „Haben Sie eine gefunden? Oder ist die passende Sonde gerade nicht online?“ „Das scheint der Fall zu sein.“, sagte die männliche Sonde und brach seinen Kontakt zum System wieder ab. „Ich werde es später noch einmal versuchen.“ „Warum in die Ferne schweifen …?“, bot sich Sedrin an. „Sie sagten, dass eine meiner Äußerungen es war, die Sie aus dem Konzept brachte. Also, warum lassen Sie sich das Problem dann nicht von mir erklären?“ „Ich möchte Sie nicht kompromittieren.“, sagte der Xylianer, dem Sedrin jetzt sehr stark anmerkte, dass er wohl noch nie oder höchst selten mit Bioeinheiten gearbeitet hatte. „Ich nehme Ihren Vorschlag an.“, sagte Z/9 und drehte sich zu ihr. „Also.“, begann Sedrin. „Welche meiner Äußerungen hat Sie irritiert?“ „Mich irritierte der Umstand, dass Sie sich scheinbar nicht gegen unser Vorhaben wehren.“, sagte Z/9. „Sie scheinen sogar zu begrüßen, was wir mit Ihnen planen. Dieses Verhalten finde ich für eine Bioeinheit recht ungewöhnlich.“ „Warum finden Sie das Verhalten ungewöhnlich?“, fragte Sedrin. „Die Xylianer sind unsere Freunde. Deshalb gehe ich davon aus, dass Sie mir nichts tun werden. Als ausgebildete Agentin weiß ich, dass dieser Schritt sicher notwendig sein wird.“ „Ich hatte mich nur gesorgt, weil die meisten Bioeinheiten sicher Angst vor derartigen Operationen hätten. Insbesondere Sternenflottenoffiziere, dachte ich, würden …“ „Mutter Schicksal!“, stöhnte Sedrin. „Sie glauben doch nicht wirklich, dass uns das Borg-Trauma immer noch hinterherhängt. Nach 800 Jahren sollte doch damit mal Schluss sein, finde ich.“ „Sie befürchten also nicht …?“, begann er, aber Sedrin schnitt ihm das Wort ab: „Nein! Und nun zeigen Sie mir, wo ich mich zur Operation einfinden soll! Wie läuft das eigentlich? werden wir auf ein weiteres Modul treffen, das Mediziner an Bord hat?“ „Negativ.“, antwortete der Xylianer. „Scientist Cupernica wird die Operation gemeinsam mit D/4 durchführen. Ich werde danach Ihre Implantate einstellen.“ „Weiß Cupernica bereits von ihrem Glück?“, scherzte Sedrin. „Positiv.“, erwiderte die Sonde. „Ihre Freundin trägt ein xylianisches Implantat, über das wir uns mit ihr verständigt haben.“ „Ich weiß.“, sagte Sedrin, die sich noch sehr gut an die xylianische Kommunikationseinheit erinnerte, die Cupernica in sich trug und die Tressa aufgrund des Wunsches der Androidin nie entfernt hatte. „Sagen Sie mir nicht, sie sendet auch ein permanentes Signal.“, sagte Sedrin. „Doch.“, antwortete Z/9. „Dann wundert mich gar nichts mehr.“, erwiderte Sedrin.

Die Sonde stand plötzlich ohne Vorwarnung auf. „Ich werde Sie jetzt verlassen müssen.“, sagte er. „Aber ich werde wie versprochen D/4 Bescheid geben.“ Damit ging er. Sedrin nickte nur. Sie wusste, dass er mit Sicherheit noch andere Dinge zu tun hatte, als mit ihr zu plaudern.

Sie wandte sich dem Nahrungsreplikator zu und studierte sein Angebot. „Nur meine Lieblingsspeisen.“, stellte sie fest. „Sie haben wirklich gründlich recherchiert, D/4.“ Dann replizierte sie sich einen demetanischen Sommerfruchttee und eine Schüssel Kekse und setzte sich wieder an den Tisch. Zum Essen kam sie allerdings nicht, denn im nächsten Moment riss sie die Sprechanlage aus ihrer Ruhe. „Kommen Sie herein, D/4.“, sagte Sedrin, ohne auf das Gesicht im Display, das von der Kamera der Türsprechanlage übermittelt wurde, zu achten. Um so überraschter war sie, als sie statt der Erwarteten Cupernica ansichtig wurde. „Agent, ich muss mit Ihnen sprechen.“, erklärte die Androidin ihre Absichten. „Sicher.“, sagte Sedrin und führte sie zu dem gleichen Platz, an dem auch vorher Z/9 gesessen hatte. „Also.“, forderte sie ihr Gegenüber zum Reden auf. „Was gibt es? Dass ich operiert werden soll, weiß ich schon.“ „Wissen Sie auch, wie das weitere Vorgehen nach der Operation aussehen soll?“, fragte Cupernica. „Nein.“, sagte Sedrin. „Aber ich gehe davon aus, dass die Xylianer Sie darüber informiert haben und dass Sie mich informieren sollen. Sonst wären Sie ja wohl kaum so schnell hier.“ „Das ist korrekt.“, sagte Cupernica. „Nach der Operation werden Sie ein Pad mit einer Legende bekommen, die Sie auswendig lernen sollten, um das Pad dann vernichten zu können. Wenn Ihnen das gelungen ist, werden Sie in eine Kapsel verfrachtet und genau vor der genesianischen Haustür abgesetzt. Wenn man Sie aufliest, werden Sie sagen, dass Sie eine Zivilistin Namens Kirin sind, die als Einzige ein Shuttleunglück überlebt hat und ohnehin schon immer zu den Genesianern überlaufen wollte. Den Rest werden Sie aus Ihrem neuen Lebenslauf erfahren.“ „Schon klar.“, sagte Sedrin. „Wann werde ich operiert?“ „Die Zeit für Ihre Operation ist auf morgen Früh acht Uhr terranischer Zeit festgesetzt.“, sagte Cupernica. „Dann gehe ich jetzt besser mal schlafen.“, sagte Sedrin. „Ach übrigens, wer kümmert sich jetzt eigentlich um Fredy?“ „Niemand.“, sagte die Androidin und das Herz der Demetanerin, das immer schon sehr mitfühlend sein konnte, bekam einen Stich. „Der Arme.“, sagte sie. „Das glaube ich nicht!“, sagte Cupernica mit viel Überzeugung. „Viele gehen davon aus, dass er es dort, wo er jetzt ist, viel besser hat.“ Sedrin sah sie verwirrt an. „Ich musste ihn einschläfern.“, sagte Cupernica nüchtern. „Nach Carusos Tod hat er zuerst das Schnurren und dann das Fressen eingestellt. Nicht mehr zu fressen ist für einen Tribble sehr schnell tödlich, da ihr Organismus eigentlich auf eine permanente Futteraufnahme über den ganzen Tag eingestellt ist. Sein Stoffwechsel entgleiste sehr schnell und es kam zu einem Multi-Organversagen, aus dem ihm kein Medikament der Welt mehr hätte helfen können.“ „Oh, Mutter Schicksal.“, sagte Sedrin. „Mein herzliches Beileid. Ich hätte nicht geahnt, dass ihn das so mitnimmt.“ „Ich konnte mir das schon vorstellen.“, sagte Cupernica. „Schließlich waren Caruso und er beste Freunde.“ „Da haben Sie auch wieder Recht.“, sagte Sedrin und drehte sich der Tür zu ihrem Schlafzimmer zu, was für Cupernica ein unmissverständliches Zeichen war, ihr Quartier zu verlassen.

Kapitel 30 - Teuflische Manipulation

von Visitor

 

Im Plenarsaal der Regierungsbasis der Föderation waren alle Parlamentarierinnen zusammengekommen. Agatha hatte noch einmal darauf bestanden, dass das Problem Granger höchster Dringlichkeit war und einer schnellen Lösung bedurfte. Jetzt saßen alle auf ihren Plätzen . Auch Saron, der abseits an einer Art Katzentisch Protokoll führte, war anwesend. Dem intelligenten Sekretär war nicht entgangen, dass Nugura wohl keine wirkliche Chance gegen Agatha haben würde, wenn die Präsidentin sich streng an die rednerischen Vorgaben halten würde. Es wäre besser gewesen, wenn Nugura sich ebenfalls eine etwas listigere Vorgehensweise überlegt hätte als die, mit der sie jetzt aufwarten würde. Saron kannte ihre Rede. Er hatte sie ja schließlich mit der eigenen Stimme aus Stichworten, die sie ihm gegeben hatte, ausformuliert. Allerdings hatte er von Nugura strenge Order bekommen, nicht etwa irgendwelche Winkelzüge einzubauen. Nugura wusste, dass Agatha dies tun würde, aber dazu wollte sie sich nicht herablassen. Sie wollte die Redeschlacht durch pure Ehrlichkeit und die Erinnerung an die Gesetze und ihren Sinn gewinnen. Obwohl Saron Agathas Rede, mit der sie die Debatte als Gastgeberin eröffnen würde, nie gesehen hatte, sagte ein unbestimmtes Bauchgefühl dem Sekretär, dass sie alle auf ihre Seite ziehen würde.

Agatha, eine blonde schlanke hoch gewachsene Frau von ca. 170 cm Größe und in ein hochgeschlossenes weißes Kleid gehüllt, zu dem sie ebenfalls weiße hohe Schuhe trug, hatte das Podium betreten. Genau notierte Saron die zentrale Allzeit des Beginns der Redeschlacht ins Protokoll, wie es ihm seine Vorgesetzte aufgetragen hatte. Schließlich würde er Anfang und Ende von Nuguras Debakel festhalten müssen. „Ladies.“, begann Agatha. „Sie wissen alle, warum wir heute hier zusammengekommen sind. Ihnen dürfte bekannt sein, dass es unter uns eine Verräterin gibt, die einer weiteren Verräterin gestattet, ihre giftige Propaganda zu verbreiten und dafür auch noch Beweise zu suchen. Sie alle wissen, von wem ich rede. Ich rede von Präsidentin Nugura, die Commander Kissara deckt. Beide sind Verräterinnen am eigenen Geschlecht, Ladies! Ich frage Sie, dürfen wir das zulassen?! Viele von Ihnen kommen aus Gesellschaften, die in früheren Zeiten von den Männern dominiert worden sind. Was hat Ihnen das gebracht, frage ich! Nur Krieg und Zerstörung! Das kommt daher, weil das männliche Geschlecht zu vernünftigen Schlüssen nicht fähig ist! Sie werden beherrscht vom destruktiven Gedankenbild der Gewalt! Aber wir, Ladies, wir können es besser! Deshalb sage ich: Die Eroberung der Föderation durch die Genesianer war ein Geschenk! Gebt Kissara und Nugura nicht die Möglichkeit, es zu zerstören und stimmt für mich, denn ich sage: Wir sind die besseren Regentinnen! Stoppen Sie die Granger, Ladies! Stoppen Sie die Granger! Es liegt allein in Ihrer Hand, ob wir ein Kriegsschiff hinter ihr herschicken, dass Kissaras Schnüffelei ein für alle Mal ein Ende bereitet oder nicht. Es liegt bei Ihnen, ob wir in jene rückständigen Zeiten zurückfallen, oder ob wir einem neuen fortschrittlichen Zeitalter entgegen schreiten, in dem.“

Sie holte etwas unter dem Rednerpult hervor, das Saron an eine altertümliche Waage für Gemüse auf einem Wochenmarkt erinnerte. Zuletzt hatte er so etwas im Geschichtsunterricht in der Schule auf Demeta gesehen. Der Wage folgte ein Holzbrett mit Gewichten. Der Sekretär beobachtete, wie Agatha eine Waagschale mit Gewichten füllte, die andere aber komplett leer ließ, was dazu führte, dass sie nach unten sank und die Waage eine schräge Ebene darstellte. Dann ließ sie die leere Schale baumeln, indem sie diese mit dem Finger anstieß und spottete, ihren Satz von vorher fortsetzend: „Wir die Männer am ausgestreckten Arm verhungern lassen, weil wir jetzt die Macht inne haben und unsere Waagschale die Schwerere ist, jawohl!“

Tosender Beifall brauste durch die Reihen. Saron, der die Rede in Stichworten mitgeschrieben hatte, zählte insgeheim, wie oft sie das Wort Ladies verwendet hatte. Ihm war bewusst, dass sie das mit voller Absicht getan hatte, um Nugura zu verunglimpfen und gleichzeitig alle anderen auf ihre Seite zu ziehen. Deshalb hatte sie diese wohl auch auf die Vergangenheit aufmerksam gemacht. Allerdings wusste er auch, dass sie mit einem oder zwei Dingen in ihrer Rede nicht ganz richtig lag. Zum Ersten waren auch die Genesianer Kriegerinnen, symbolisierten also in gewisser Weise das, was sie gerade so verabscheut hatte. Zum Zweiten konnte es nie gut sein, wenn nur einer, oder auch nur eine Gruppe, oder auch nur ein Geschlecht, die Herrschaft hatte. Die anderen würden immer wenigstens nach Gleichberechtigung streben. Ob nun nur die Männer oder nur die Frauen. Egal wer herrschen würde, dieses Problem würde sich nicht auflösen, sondern nur verlagern. Er hoffte, dass Nugura dies auch sehen würde. Ein Zeichen konnte er ihr nicht geben. Das wäre zu auffällig gewesen.

Ohne ihr Schaubild abzubauen, oder es gar so wie es war mitzunehmen, verließ Agatha das Rednerpult, um Nugura Platz zu machen. Sie schaute es an und blickte dann einmal spöttisch darüber hinweg. Dann sagte sie: „Interessantes Bild, das meine Kontrahentin da aufgebaut hat. Aber, Ladies und ich begrüße auch den Gentleman, meinen Sekretär, hier in unseren Reihen, der sicherlich auch gemerkt haben wird, dass sie einen großen Denkfehler gemacht hat. Saron, würden Sie mir bitte einmal Ihre Krawattennadel leihen? Sie bekommen sie gleich wieder.“ Stumm reichte er ihr den angeforderten Gegenstand, den sie auf dem Querbalken, an dem die beiden Waagschalen hingen, platzierte. Da der Balken aber schräg stand, rutschte die Nadel laut klirrend herunter. Erneut legte Nugura sie auf und erneut geschah das Gleiche. „Nun ja.“, sagte sie. „Vielleicht kann unsere verehrte Agatha es ja besser. Würden Sie noch einmal zu mir nach vorn kommen, verehrte Kollegin?“

Agatha stand lächelnd von ihrem Stuhl auf. Entweder machte sie gute Miene zum bösen Spiel, oder sie glaubte wirklich, dass sie es besser könnte ungeachtet von physikalischen Tatsachen, die auch sie nicht ändern konnte. Saron aber sah im Schachzug seiner Vorgesetzten eine Chance, Agatha zu demontieren. Jetzt würden alle merken, dass sie sich gründlich geirrt hatte und dass eine gleichberechtigte Demokratie der weitaus bessere Weg war. Er sah, wie Nugura Agatha die Nadel in die Hand gab, um dann zu sagen: „Bitte, Agatha, versuchen Sie ihr Glück.“

Das Staatsoberhaupt von Angel One legte die Nadel auf den Balken, aber auch bei ihr fiel sie herunter. „Sehen Sie, verehrte Kollegen?“, wendete sich Nugura an alle anderen Anwesenden. „Auf einem Gefälle kann man eben nichts aufbauen. Aber wir werden einmal für einen Ausgleich sorgen.“ Damit nahm sie eine Anzahl Gewichte aus der einen Waagschale, um sie in die andere zu füllen. Sie füllte so lange hin und her, bis das Gewicht vollständig ausgeglichen war. Dann legte sie die Nadel erneut auf, die dieses Mal tatsächlich liegen blieb. Saron atmete erleichtert auf. Jetzt hatte sie Agatha mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Er hoffte, dass sich dies auch in der Abstimmung niederschlagen würde. „Sie sehen also, dass man nur mit Gradlinigkeit etwas erreichen kann.“, sagte Nugura. „Und diese Gradlinigkeit erwarte ich jetzt auch von Ihnen, wehrte Kolleginnen. Erinnern Sie sich bitte daran, was wir geschworen haben, als wir unsere Ämter angetreten haben. Wir haben geschworen, uns immer an die Gesetze zu halten. Das bedeutet auch, dass wir die Dinge bekämpfen, die nicht rechtens sind und ich sage Ihnen, dass die Eroberung der Föderation durch die Genesianer nicht rechtens war. Ich bin sicher, dass sie nur benutzt wurden, aber das dürfen wir nicht zulassen. Deshalb bitte ich Sie, Commander Kissara ihre Nachforschungen zu gestatten und kein Kriegsschiff hinter ihr herzuschicken! Denn damit spielen Sie uns nur in Feindeshand. Ich weiß nicht, welcher Mächtige es war, aber mir würden schon ein oder zwei Namen einfallen. Also, schreiten wir zur Abstimmung. Es liegt bei Ihnen, ob Sie zulassen können, dass wir zum Spielzeug Sytanias oder eines anderen Feindes werden.“

Alle setzten sich aufrecht hin und drehten sich zu den kleinen Modulen mit den beiden Tasten vor sich, die schon immer als Abstimmungswerkzeuge benutzt wurden. Dann stellte der Computer noch einmal die Frage: „Soll ein Kriegsschiff hinter der Granger hergeschickt werden oder nicht?“ Nachdem alle abgestimmt hatten, las die künstliche Intelligenz das Ergebnis vor. „Auf die Antwort ja entfielen 98 % der Stimmen. Auf die Antwort nein entfielen 2 %.“ Ernüchtert schrieb Saron das Ergebnis ins Protokoll. Er wusste, jetzt würde Kissara ein Schiff hinterhergeschickt werden, das sie aufbringen würde. Nugura hatte alles versucht, um das zu verhindern, war aber chancenlos geblieben. Agatha war einfach zu gerissen. Aber die Sternenflotte hatte ja kaum noch Kriegsschiffe. Sie hatte doch alles an die Eroberer abgeben müssen. Vielleicht gab es ja doch noch eine Chance.

„Präsidentin, auf ein Wort.“ Wer Nugura da gerade angesprochen hatte, war ihr völlig entgangen, denn sie war damit beschäftigt, über die weitere Situation nachzudenken. Erst als sie sich umdrehte, erkannte sie im erlöschenden Licht das Gesicht T’Mirs, des Staatsoberhauptes von Vulkan. „Was gibt es, T’Mir?“, fragte Nugura mit leicht verzweifeltem Unterton. „Ich bin auf Ihrer Seite.“, kam die rothaarige Vulkanierin zur Sache. „Ich weiß, dass sich die Genesianer seit einiger Zeit komplett unlogisch verhalten. Laut ihrer eigenen Mythologie hat sie die Wächterin von Gore auf den Pfad der Ehre geführt, den sie jetzt verlassen haben. Sie bevorzugen eigentlich den Kampf mit gleichen Waffen, weil sie ihn als ehrenhaft bezeichnen. Also, warum sollte eine Göttin, die sie auf den Pfad der Ehre gebracht hat, von selbigem abweichen? Außerdem weiß ich, dass Agatha sich selbst in ihrer eigenen Rede einige beeindruckende Fallstricke gebaut hat, auf die Sie eindrucksvoll hingewiesen haben. Da mich der Grund für das unlogische Verhalten der Genesianer genau so interessiert wie Sie, habe ich Sie während der Abstimmung unterstützt.“ „Aber was nützt uns denn das, T’Mir?“, resignierte Nugura. „Es wird ein Schiff geschickt werden. Daran führt kein Weg vorbei.“ „Aber das wird kein Kriegsschiff sein.“, sagte T’Mir. „Das einzige Schiff, das im Augenblick zur Verfügung steht, ist der Forscher Niagara. Commander Cinia und Commander Kissara waren Klassenkameradinnen. Sie verband eine tiefe Freundschaft. Es könnte ja zu einem unbeabsichtigten Zwischenfall kommen, der verhindert, dass die Niagara die Granger aufbringt. Es gibt Gerüchte, dass Commander Time vor seinem Tod etwas geplant hat, worin Techniker Cenda involviert ist, die jetzt den Platz von Techniker Chechow eingenommen hat.“

Ohne eine Reaktion von Nugura abzuwarten, drehte sich die Vulkanierin und ging. In den Augen der Präsidentin keimte wieder leichte Hoffnung. Wenn T’Mir Recht hatte, war vielleicht doch noch nicht alles zu spät.

Mit einem zufriedenen Grinsen saß Telzan mit Sytania vor dem Kontaktkelch. „Habe ich Euch nicht gesagt, dass Agatha es schon richten wird, Milady?“, fragte der Vendar mit einem fast süffisanten Tonfall. „Ja, das hast du.“, bestätigte die imperianische Königstochter. „Ich hätte nie gedacht, dass die Politikerinnen der Föderation so leicht zu beeindrucken sind.“ „Sie werden alle an ihren Posten hängen.“, sagte Telzan lakonisch. „Es ist im Grunde immer das Gleiche. Sie sagen zwar, dass ihnen Macht und Status nichts mehr bedeuten, aber in Wahrheit schmeichelt es auch ihrem Ego, einen guten Posten zu besetzen, den sie so leicht nicht aufgeben wollen.“ „Das ist eine Eigenschaft, die uns jetzt sehr hilft.“, erklärte Sytania.

Tolea kam hinzu. Auch sie hatte mit ihren seherischen Fähigkeiten die Abstimmung beobachtet. „Mir scheint, wir haben einen Grund zum Feiern, edle Freundin.“, sprach sie Sytania an. „Den haben wir allerdings.“, antwortete diese. „Ich sollte Telzan und dir, vor allem dir, in Angelegenheiten der Föderation wirklich mehr Vertrauen entgegenbringen. Du kennst sie viel besser und du, Telzan, bist der beste Stratege, den ich haben kann. Wenn ihr zwei euer Wissen addiert, kann uns ja eigentlich nichts mehr passieren.“ „Sehr großzügig, Sytania.“, sagte Tolea. „Wo du doch sonst immer die sein willst, die bestimmt, wo es lang geht.“ „Es gibt Zeiten.“, begann Sytania. „In denen es besser sein kann, auf den Rat von Experten zu hören. Wir müssen schließlich noch mit Kissara und ihren Verbündeten fertig werden, bevor ich die Föderation mein Eigen nennen kann und sie aus der Geschichte entferne.“ „Um meinen Neffen musst du dich nicht sorgen, Sytania.“, tröstete Tolea. „Das Thema hat sich morgen früh erledigt. Dafür werden die Genesianer schon sorgen. Und Eldisa, die ist viel zu jung und viel zu schwach, um dir etwas entgegenzusetzen. Gut, sie hat ja noch ihre Mutter, Aber Lady Messalina kann ihr nur beistehen. Den eigentlichen Kampf gegen dich wird sie selbst ausfechten müssen. Dann wird die Zeit dir gehören und du kannst endlich dafür sorgen, dass es diese verdammte Föderation nie gegeben hat. Oh, wenn mein Neffe wüsste, wie sehr er dir damit in die Hand gespielt hat.“ Sytania lachte wie eine alte Hexe, aber auch Tolea fiel in dieses Lachen ein. Die schwarze Macht in ihr hatte bereits zu sehr die Oberhand gewonnen, als dass Tolea noch merkte, was sie da eigentlich unterstützte.

Saron und Nugura waren in deren Büro zurückgekehrt. „Sie werden mir sofort eine Verbindung mit der Granger schalten.“, sagte die Präsidentin blass, als sie in Sarons Protokoll noch einmal die Ergebnisse der Abstimmung nachgelesen hatte. „Wir müssen Kissara warnen. Wir müssen ihr sagen, dass ich sie nicht mehr schützen kann. Wer hat überhaupt gegen Agatha gestimmt? Haben Sie etwas gesehen, Mr. Saron?“ „Das habe ich.“, sagte der Sekretär. „Die Präsidentinnen von Platonien, Celsius und Demeta haben gemeinsam mit dem vulkanischen Staatsoberhaupt gegen Agatha gestimmt, soweit ich das von meiner Position aus beurteilen konnte. Ich schätze, dass Synthia und Nitrin teilweise aus Vernunft, aber auch aus Sympathie für uns gestimmt haben. T’Mir wird sicher einen logischen Grund haben.“ „Den hat sie.“, sagte Nugura. „Sie wissen, dass sie uns kurz aufgehalten hat. Sie hat mir gesagt, dass wir die Unterstützung Vulkans sicher hätten. Gut, das nützt eigentlich nicht viel, aber sie hat mir noch eine Information gegeben. Sie sagte, dass die Niagara das einzige freie Schiff sei. Cinia und Kissara waren Klassenkameradinnen auf der Akademie und auch beste Freundinnen. Außerdem soll Techniker Cenda auf der Niagara sein, die Chechows Posten eingenommen hat. Es gibt Gerüchte, denen nach Time etwas geplant haben soll, in das seine Chefingenieurin eingeweiht war. Aber mehr hat T’Mir nicht gesagt. Vielleicht hat sie auch nicht mehr gewusst.“ „Aber das würde ja bedeuten, dass Kissara noch eine Chance hat.“, sagte Saron, der aber eigentlich nur überspielen wollte, dass er keine Ahnung hatte, wie er uns erreichen sollte, denn mit dem Umschreiben des Transpondersignals hatte Jannings auch unser Rufzeichen verändert. Über den so genannten Unbekannten Modus würden alle Rufzeichen in Reichweite angesprochen und es bestünde die Gefahr, dass der Falsche etwas mitbekommen könnte.

„Bitte erlauben Sie mir, das in eine SITCH-Mail zu schreiben.“, bat Saron, der Zeit schinden wollte, um etwas auszuprobieren, das ihm gerade eingefallen war. Seine Überlegungen, wie ein eventuelles neues Rufzeichen aussehen könnte, hatten ihn zu dem Ergebnis geführt, dass man vielleicht die ersten beiden Buchstaben von Kissaras Namen plus der entsprechenden Ziffern und eine so genannte Überführungskennung, die aus drei Sternen bestand, verwendet haben konnte. Das würde er auf jeden Fall versuchen.

Zirell war auf die Krankenstation geeilt. Sie hatte durch Joran sehr schnell von der Situation erfahren, aus der Ginalla Nidell und IDUSA gerettet hatte. Die Kommandantin wusste, dass sie eine Fehlentscheidung getroffen hatte und hochmütig über alle Bedenken hinweggegangen war. Wenn die tindaranischen Götter sie jetzt bestrafen wollten, dass dachte sich die gläubige Frau, dann würden sie auch allen Grund dafür haben. Aber auch bei Maron würde sie sich entschuldigen müssen. Er hatte von Anfang an Recht gehabt.

Sie legte ihren Finger in die Sensorenmulde für die Tür, blieb aber erschrocken am Eingang der Krankenstation stehen, als sie dem blassen schmalen Etwas auf dem Biobett ansichtig wurde. Die von sich aus schon sehr zierliche Nidell wirkte jetzt noch zerbrechlicher und hilfloser. Verschämt senkte Zirell ihren Blick.

„Warum kommst du nicht herein?“ Die Stimme, die dies gefragt hatte, kannte die tindaranische Kommandantin. Sie wusste, dass sie deren Besitzer ruhig alles sagen konnte, denn Ishan war ein Androide mit aldanischem Bewusstsein. Er war diskret genug, um bestimmte Tatsachen nicht zu ihrem Nachteil auszulegen. Außerdem war er Arzt und als solcher an die ärztliche Schweigepflicht gebunden, was bedeutete, dass alles, was immer die Beiden jetzt besprechen würden, niemals die Räume der Krankenstation verlassen würde. „Ich schäme mich.“, gab Zirell zu.

Ishan sah zunächst von seiner Arbeitskonsole auf, um dann zuerst seinen Blick und dann den ganzen Körper in Richtung Zirell zu bewegen. „Dann werde ich dich eben abholen.“, sagte er nüchtern und hakte die Frau, die seine Vorgesetzte war, einfach so unter, um sie zu Nidells Krankenbett zu führen.

Dort angekommen beugte sich Zirell über die medizinische Assistentin und flüsterte ihr etwas auf Tindaranisch ins Ohr, worauf sie nur ein schwaches „Hm.“, von sich gab. „Ich habe ihr gesagt, dass es mir leid tut.“, erläuterte Zirell gegenüber Ishan, der sie fragend angesehen hatte. „Ich weiß nicht, an was du dich aus deiner aldanischen Vergangenheit erinnerst, aber bei euch war es sicher auch angebracht, dass ein Kommandant sich bei den Opfern seiner Fehlentscheidungen entschuldigt hätte, wenn von Anfang an feststand, dass der erste Offizier eigentlich Recht gehabt hätte.“ „Daran kann ich mich im Augenblick nicht erinnern.“, antwortete der Arzt. „Allerdings ist es meiner Analyse nach korrekt, dass du eine Fehlentscheidung getroffen hast, als du zwei Telepathen mit IDUSA auf Patrouille geschickt hast. Du weißt, dass die Genesianer über Rosannium-Waffen verfügen und du weißt, wie unberechenbar im Moment ihr Verhalten ist. Also wäre es logisch gewesen, eine Nicht-Telepathin mit Shimar auf den Flug zu schicken und das hätte jemand sein müssen, der auf jeden Fall im Rang über ihm steht.“ „Organische Wesen handeln nicht immer logisch, Ishan.“, sagte Zirell betroffen. „Aber du hast mit allem, was du gesagt hast, Recht. Die einzige Frau, die im Rang auf dieser Station noch über Shimar steht, bin ich, obwohl ich auch Telepathin bin. Ich hätte meinen eigenen Hintern in dieses Shuttle schwingen sollen!“ In ihrem letzten Satz schwang ein gehöriger Teil Wut über sich selbst mit. „Aber ich bin wohl davon ausgegangen, dass die Genesianer unsere Rangabzeichen nicht kennen und auch keine Fragen stellen. Aber da habe ich mich gründlich geirrt. Von irgendwo her müssen sie diese Kenntnisse erhalten haben.“ „War kürzlich jemand hier auf der Station, dem du zutrauen würdest, diese Kenntnisse an die Genesianer weiterzugeben?“, fragte der Arzt. „Die einzige stationsfremde Tindaranerin in letzter Zeit war Technical Assistant Sanell.“, sagte Zirell. „Aber warum sollten sie und ihre Vorgesetzte das tun?“ „Ganz einfach.“, sagte Ishan. „Da alle Tindaraner an der Bildung der mentalen Mauer beteiligt waren, die unsere Dimension vor dem Phänomen schützen sollte, haben sie sicher auch die große Macht gespürt, mit der die Mauer zerrissen wurde. Nicht alle in deinem Volk, Zirell, sind so mutig wie du und rebellieren gegen die Zustände, zumal dann nicht, wenn diese für sie normal sind. Du darfst nicht vergessen, dass Joran nur uns temporal isolieren konnte. Der Rest war der Veränderung der Zeitlinie ausgesetzt und weiß noch nicht einmal mehr, dass es eine andere Zeitlinie gegeben hat. Vermutlich halten sie dich für verrückt.“

Zirell schluckte. Die offenen Worte ihres medizinischen Offiziers hatten sie nachdenken lassen. Vielleicht war sie wirklich zu überheblich an die Situation herangegangen und kassierte jetzt die Quittung. Es tat ihr sehr leid, wie Nidell dort lag. Aber auch über Shimars Schicksal machte sie sich Sorgen. Was würden die Genesianer wohl mit ihm anfangen. Sie wusste, dass er mit ihnen nicht biologisch kompatibel war, was ihn als Ehemann schon einmal ausscheiden ließ. Dann bliebe nur noch eines der Arbeitslager, aber körperlich hart gearbeitet hatte er ihres Wissens noch nie in seinem Leben. Das würde bedeuten, dass er das Pensum nie schaffen würde und das wiederum hieße, dass für ihn nur der Tod bliebe, ein Gedanke, der Zirell das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Ishan rückte ihr einen Stuhl zurecht, denn er sah, dass sie nahe daran war, das Gleichgewicht zu verlieren. „Worüber denkst du nach?“, fragte er. „Ich muss immer noch an meine Fehlentscheidung denken.“, sagte Zirell. „Mit Shimar werden die tindaranischen Streitkräfte einen ihrer besten Flieger verlieren und IDUSA wird den einzigen Piloten verlieren, den sie gekannt hat. Ich meine vor Joran. Aber sie hat mir neulich gesagt, dass Joran Shimar in manchen Dingen nicht das Wasser reichen kann.“ „Dass du Rücksicht auf die Befindlichkeiten eines Raumschiffes nimmst, mögen sicherlich einige sehr befremdlich finden.“, sagte Ishan. „Ich bin so aufgewachsen.“, sagte Zirell. „In der tindaranischen Rechtsprechung gelten künstliche Intelligenzen als mit den gleichen Rechten ausgestattet wie natürliche Lebensformen auch. Also, dann kannst du einer Tindaranerin eine solche Regung wohl verzeihen.“ „Sicher.“, nickte Ishan. „Ohne das wäre ich ja auch nicht der für dich, der ich heute bin.“

Er wandte sich einem Monitor zu, auf dem er einige Werte kontrollierte, bevor er wieder zu ihr zurückkehrte. „Was macht dich eigentlich so sicher, dass sie Shimar töten werden?“, fragte der Androide. „Das fragst du noch!“, sagte Zirell mit ziemlich strengem Gesichtsausdruck. „Das habe ich dir doch gerade lang und breit erklärt. Sie können nichts mit ihm anfangen. Außerdem werden sie an mir ihre Rache vollenden wollen und dazu gehört, dass sie meinen besten Flieger …“ „Dessen bin ich gar nicht so sicher!“, sagte Ishan mit Überzeugung und rief Shimars medizinische Akte in seinem Gedächtnis auf. „Du weißt, dass er motorisch sehr geschickt ist. Unter Umständen können sie ihn doch ganz gut beim Kristalleschürfen einsetzen. Körperliche Stärke ist nicht alles und er ist als Überlebenskünstler bekannt. Selbst, wenn sie ihm auch seine mentalen Fähigkeiten nähmen, würde er trotzdem zurechtkommen.“ „Was sagt dir das?!“, verhörte ihn Zirell, die seinen Worten nicht wirklich viel Glauben schenkte. „Das sagt mir sein Profil, das ich hier vor mir habe.“, antwortete Ishan. „Hoffentlich irrst du dich da nicht.“, sagte Zirell skeptisch, die wahrscheinlich aufgrund der eigenen niedrigen Stimmungslage noch keinen Optimismus zulassen konnte. „Du wirst sehen, dass ich mich nicht irre!“, sagte Ishan fest. „Außer diese Daten sind inkorrekt, was ich nicht denke. Sie haben sich nämlich seit ihrem Einstellen in den Stationsrechner nicht verändert und Shimars Gutachter waren voll des Lobes über ihn, was das Überlebenstraining anging.“ „Es ist bei Organischen nicht immer alles eine Frage der Daten, Ishan.“, sagte Zirell. „Wir handeln oft einfach auch nur emotional entgegen aller Daten. Das hast du ja bei mir gesehen.“ „Nur weil du einen Fehler gemacht hast, muss Shimar nicht das Gleiche passieren.“, widersprach Ishan. „Dass zwei zur gleichen Zeit einen ähnlich gelagerten Fehler machen, also zum Beispiel entgegen aller Daten handeln, halte ich für unwahrscheinlich.“ „Es ist nicht alles immer nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit.“, sagte Zirell. „Aber ich weiß, dass du mich nur trösten willst. Aber wegen meines schlechten Gewissens will dir das wohl einfach nicht gelingen. Vielleicht sollte ich mich auch bei Maron entschuldigen. Dann dürfte mein Gewissen um einiges leichter sein.“ „Tu das. Aus medizinischer Sicht halte ich das auch für besser für dich. Du wärst überrascht, was für körperliche Konsequenzen ein schlechtes Gewissen haben kann.“, erwiderte Ishan. Zirell nickte und verließ die Krankenstation, um ihren Ersten Offizier aufzusuchen, falls er abkömmlich war. Auch gegenüber ihm würde sie jetzt zugeben, dass sie eine falsche Entscheidung getroffen hatte, die unter Umständen ein Leben kosten könnte.

Kapitel 31 - „Ein heißes Eisen“

von Visitor

 

Ginalla war auf dem Weg zu Zirells Bereitschaftsraum, den sich der Agent mal wieder zum Zweck des Verhörs ausgeliehen hatte. Obwohl IDUSA ihr den Weg ausleuchtete, fand die junge Celsianerin immer wieder Gelegenheiten für den einen oder anderen Abstecher. Einer dieser Abstecher führte sie nun sehr nahe an Jennas und Jorans Quartier vorbei, aus dem gerade Jenna ihren Weg kreuzte, mit der sie fast zusammenstieß. „Hoppla.“, lächelte die Terranerin ob dieses Umstandes und machte eine Ausweichbewegung. Erst jetzt erkannte sie, mit wem sie da zusammengestoßen war. „Hallo, Ginalla.“, war ihre weitere Reaktion. „Hey, Jenn’.“, antwortete die Angesprochene gewohnt flapsig. Seit der Hochzeit auf Camp Khitomer hatten sich die Beiden nicht mehr gesehen, hatten aber festgestellt, dass es sich sehr gut gemeinsam fachsimpeln ließ.

„Wohin des Weges?“, fragte Jenna lächelnd, nachdem sie sich neben Ginalla auf dem Korridor eingeordnet hatte. „Ich muss zu eurem Spion.“, flapste Ginalla. „Wir zwei haben ein Date für einen Urlaub auf den Verhörinseln. Du verstehst?“ „Ziemlich gut.“, lachte Jenna.

Die Celsianerin blieb stehen. „Das, was ich ihm sagen muss.“, begann sie jetzt schon ernster. „Könnte allerdings bei ihm auf Unglauben stoßen.“ „Warum?“, fragte Jenna freundlich. „Weil ich ihm von Dingen erzählen muss, die so paradox sind, dass er sie nicht glauben kann. Sie würden sein Weltbild total verdrehen. Das Problem ist, dass ich keine Beweise habe. Wenn ich die hätte, wäre es sicher einfacher.“ „Was ist denn das für eine Sache, die Marons Welt aus den Angeln heben soll?“, fragte Jenna mitfühlend. „Kannst du dir vorstellen, dass Tolea mit Sytania zusammenarbeitet?“, gab ihr Ginalla eine Kostprobe ihres Wissens. „Was?!“, sagte Jenna alarmiert. „Ja.“, sagte Ginalla. „Das Geistwesen, dem Kamurus begegnet is’, hat ihm gesagt, es sei eine Schöpfung von Clytus, der mit ihrer Hilfe die Zeitlinie verändert hat. Aber bei der Schöpfung hätte auch Sytania mitgeholfen. Sie hätte es zwar so eingerichtet, dass Clytus das nicht gemerkt hat, aber trotzdem. Dann hat Sytania Tolea angeboten, ihr bei Clytus’ Bestrafung zu helfen und das auch getan. Dadurch hat das Geistwesen den Kontakt zu seinem Schöpfer verloren und is’ jetzt total verwirrt gewesen. Aber dann haben Sytania und Tolea es gemeinsam getötet, um eine unliebsame Zeugin aus dem Weg zu räumen. Es konnte meinem Schiff gerade noch diese Informationen geben, bevor es starb.“

Jenna überlegte. Was ihr Ginalla da gerade gesagt hatte, klang für sich genommen sehr widersprüchlich und Maron würde, wenn man den zweifelhaften Ruf bedachte, den Ginalla hatte, ohne Beweise sicher kein Sterbenswörtchen davon glauben. „Wie lange ist der Kontakt zwischen deinem Schiff und dem Geistwesen her?“, fragte die versierte Ingenieurin. „Zu lange, wenn du das meinst.“, antwortete Ginalla resignierend, denn sie konnte sich denken, worauf Jenna hinaus wollte. „Neurale Energie zerfällt innerhalb von 24 Stunden.“ „Verdammt.“, fluchte die hoch intelligente Halbschottin leise. „Ich denke, wenn du Maron überzeugen willst, brauchst du wirklich starke Argumente. Zumal das, was du hier erzählst, für ihn unmöglich klingen wird und er mit Sicherheit einen perfiden Plan deinerseits dahinter vermuten wird. Er ist so erzogen, dass eine Zusammenarbeit zwischen Tolea und Sytania nie stattfinden wird, weil Tolea gut und Sytania böse ist. Aber Wut kann auch den besten Charakter zu bösen Taten verleiten. Sie kann extrem irrational machen. Sytania hat seherische Fähigkeiten. Ich könnte mir vorstellen, dass sie die ganze Situation um Clytus beobachtet und nur auf den richtigen Moment zum Eingreifen gewartet hat.“ „Du meinst, auf den Moment, in dem Tolea wütend genug auf Clytus war?“, fragte Ginalla, die jetzt immer mehr das Gefühl bekam, dass die Begegnung mit Jenna ein riesiger Glücksfall war. Ihre Freundin schien mit ihr gerade einen Schlachtplan zu schmieden, mit dem sie Maron das Erlebte gut plausibel machen konnte, ohne seine moralischen Grundfesten zu erschüttern. „Du weißt, wie sehr wir Sterblichen Tolea am Herzen liegen.“, referierte Jenna weiter. „Das bedeutet, wenn jemand mit unserer Zeitlinie spielt und Tolea sieht das, dann könnte sie schon sehr wütend werden. Um diesen Zustand herzustellen, muss es Clytus zunächst gelingen, die Zeitlinie zu verändern. Das bedeutet, dass sie ihm dabei helfen würde. Das wäre schon mal ihr erstes Motiv zum Eingreifen, weil Clytus allein gegen Dill nicht ankäme. Wenn Tolea dann aufgrund ihrer Beobachtungen wütend genug auf Clytus ist, muss sie ja nur noch ihre Hilfe anbieten, von der sie sicher ist, dass Tolea sie in ihrer grenzenlosen Wut auch annehmen wird. Sicher wird sie es so eingefädelt haben, dass nur sie und Tolea gemeinsam die Strafe wieder rückgängig machen können. Ihr Motiv könnte sein, doch noch irgendwie in den Besitz der Zeit zu gelangen. Wenn Dill bei dem Versuch, die Zeit zu verteidigen, stirbt, der Rest des Raum-Zeit-Kontinuums von Toleas Verhalten überrascht wird und somit nicht weiß, wie sie damit umgehen sollen und sie und Sytania irgendwas mit ihnen machen, das sie auch außer Gefecht setzt, ist die Zeit schutzlos. Eldisa ist viel zu jung. Ihr Machtzentrum ist noch nicht ausgereift. Sie könnte einem Angriff durch Sytania nichts entgegensetzen. Warum das Ganze allerdings gerade unsere beiden Universen betroffen hat, kann ich mir auch nicht vorstellen.“ „Das Geistwesen sagte, sein Schöpfer hätte aus Liebe gehandelt.“, sagte Ginalla. „Liebe?“, fragte Jenna. „Was soll das denn für eine Art von Liebe sein, die uns so in Schwierigkeiten bringt?“ „Die Schwierigkeiten waren von Clytus sicher nich’ geplant!“, sagte Ginalla mit Sicherheit in der Stimme. „Die fingen ja erst an, als sich Sytania eingemischt hat, die ihr eigenes Süppchen kocht.“ „Oh, ja.“, bestätigte Jenna.

Sie zog etwas hinter ihrem Rücken hervor. Ginalla erkannte einen Sack mit den Modulen, die sie aus IDUSAs Systemen entfernt hatte. „Die hast du an Bord des Schiffes vergessen.“, flüsterte die terranische Technikerin. „Sie beweisen zumindest, dass du IDUSA repariert hast. Das wird Maron hoffentlich davon überzeugen, dass du auf unserer Seite bist. Dann wird er dir hoffentlich auch gnädiger gegenüberstehen, was deine Glaubwürdigkeit angeht. Ich muss jetzt leider weiter. Viel Spaß.“ „Danke Jenn’.“, grinste Ginalla und sah zu, wie ihre Freundin hinter einer Ecke verschwand.

Ihr eigener Weg führte die Celsianerin jetzt in die Nische zu Zirells Bereitschaftsraum, in der auch IDUSAs Leuchtspur endete. „Danke, IDUSA.“, lächelte sie ins auf dem Flur in eine Wand eingelassene Mikrofon. „Jetzt komme ich klar.“ Dann betätigte sie die Sprechanlage. „Maron hier.“, erfolgte eine sachliche Antwort von drinnen. „Ich bin’s.“, sagte sie flapsig. „Ihre Zeugin Ginalla.“ „Kommen Sie rein!“, beorderte Maron sie.

Die Celsianerin beobachtete die Türen beim Auseinandergleiten und betrat dann den Raum. „Sie sind etwas spät dran.“, stellte Maron fest, als er ihr einen Stuhl anbot. „Sorry.“, flapste sie zurück. „Hatte noch 'n Plausch mit Jenn’. Die hat mir übrigens ziemlich stichhaltige Argumente geliefert, mein Bester, die Sie fast zwingen werden, mir zu glauben.“ „Ganz ruhig.“, beschwichtigte Maron sie. „Wieso schließen Sie von vorn herein aus, dass ich Ihnen glaube?“ „Weil ich genau weiß, dass mein Ruf nich’ der Beste is’.“, flapste Ginalla. „Ich bin Sternenflottenoffizier.“, verteidigte sich Maron, der sich unter ihrem verbalen Trommelfeuer sehr unwohl fühlte. „Ich bin ausgebildet, mich nicht von Vorurteilen beherrschen zu lassen, wenn ich eine Vernehmung führe.“ „Dann würden Sie mir also glatt glauben, wenn ich Ihnen sagte, dass Tolea mit Sytania zusammengearbeitet hat und es bis heute noch tut?“, fragte Ginalla.

Maron schluckte. Was sie ihm da gerade gesagt hatte, war ein ganz schöner Schlag in die Magengegend. „Nein!“, sagte er schließlich, als er sich auf die alten Ideale besonnen hatte, die man ihm schon seit frühester Kindheit vermittelt hatte. „Gut und böse können niemals Freunde werden! Das geht nicht! Ich weiß nicht, was Sie für einen Plan verfolgen, Ginalla, aber diese abstrusen Hirngespinste nehme ich Ihnen nicht ab! Haben Sie Beweise?“

Grinsend holte Ginalla den Sack hervor, um ihn auf dem Schreibtisch auszukippen. „Wenn Sie die Seriennummern der Module vergleichen, werden Sie feststellen, dass sie einmal in Ihr Schiff gehört haben. Das sollte beweisen, dass ich sie repariert habe. Also bin ich doch wohl auf Ihrer Seite und würde Sie nich’ belügen. Die Ginalla, die lügt und betrügt, um ihr Ziel zu erreichen, die bin ich nich’ mehr.“, sagte sie. „Mag sein, dass Sie IDUSA repariert haben, um sich bei uns einzuschmeicheln!“, sagte Maron streng. „Aber ich widerstehe Ihren Verführungskünsten.“ „Wenn Sie so von mir denken!“, sagte Ginalla und drehte sich um. „Dann habe ich Ihnen nichts mehr zu sagen. Soll mir doch scheißegal sein, wo Sie Ihre Ermittlungsergebnisse herbekommen.“

Damit verließ sie wutentbrannt den Raum in Richtung Andockrampen. Hier traf sie auf Shannon, an der sie aber einfach vorbeiging. „Hey, Ginalla!“, begrüßte die blonde Irin sie. „Wo wollen Sie denn hin?“ „Zu meinem Schiff!“, sagte Ginalla. „Anscheinend wird man ja hier nicht mehr benötigt und für voll genommen schon gar nich’.“ „Hey, was is 'n los?“, fragte Shannon betont flapsig. „Einer Schwester in der Denk- und Redeweise kannst du dich ruhig anvertrauen.“ „Na schön.“, sagte die Celsianerin. „Dann hör mal zu, Schwester. Ich wünsche mir den Tag herbei, an dem diese Sternenflottenoffiziere von ihrem hohen Ross abgeworfen werden.“ Dann zog sie ihr Sprechgerät: „Kamurus, mach 'ne Selbstdiagnose und dann hol mich an Bord. Wir hauen ab! Ich will denen hier nich’ länger zur Last fallen!“

Shannon beobachtete, wie Ginalla von ihrem Schiff an Bord gebeamt wurde. Die Reaktion der Celsianerin gab der blonden Irin Rätsel auf. Erst war sie so überzeugt davon gewesen, den Beweis an sich in ihrem nicht vorhandenen Hut zu haben und jetzt?

Jenna betrat den Maschinenraum. Gerade konnte die Terranerin das schnelle Abdockmanöver von Kamurus noch aus dem Augenwinkel beobachten. „Sie ist schon weg, Shannon?“, fragte die hoch intelligente Halbschottin erstaunt. „Ja, das is’ sie.“, meinte Shannon. „Die war vielleicht geladen! Oh, Backe! Noch nich’ mal mir wollte sie sagen, was los war. Stellen Sie sich das vor, Jenn’! Noch nich’ mal mir! Wo wir doch so viele Gemeinsamkeiten haben!“ „Die haben Sie allerdings.“, lachte Jenna. „Man bedenke allein Ihre gemeinsame Redeweise.“ „Sehr witzig.“, brummelte Shannon. „Oh, nein.“, schmeichelte Jenna. „Da möchte ich Ihnen gar keine Konkurrenz machen. Das Witzeln wird nach wie vor Ihr Job bleiben.“ „Na dann is’ ja gut.“, atmete Shannon auf.

„Da muss bei der Vernehmung ja einiges in die Binsen gegangen sein.“, überlegte Jenna halblaut. „Ach, die Vernehmung is’ schuld.“, sagte Shannon erstaunt. „Jetzt weiß ich, was Ginalla mit der Sache mit dem hohen Ross meinte. Maron wird sich ordentlich daneben benommen haben.“ „Oh, mein Gott!“, rief Jenna aus, die sich denken konnte, dass ihre Argumente, die sie Ginalla geliefert hatte, kein Gehör bei dem Demetaner gefunden hatten. „Dann muss ich wohl versuchen zu retten, was noch zu retten ist. denn nur so wird ein Schuh draus. Übernehmen Sie hier, Assistant!“ Damit sprintete Jenna aus der Tür. Verwirrt sah Shannon ihr nach. „Was sie damit wohl wieder meint.“, wunderte sie sich.

Ginalla und Kamurus hatten die tindaranische Basis hinter sich gelassen. Die Celsianerin hatte den Anblick, den ihr Kamurus’ virtueller Bildschirm bot, sehr genossen. Sie fand es sehr wohltuend zu sehen, wie die Basis kleiner und kleiner wurde, um schließlich ganz zu verschwinden. „Darf ich wissen, warum du auf einmal so ein gespaltenes Verhältnis zu Commander Zirells Basis hast?!“, fragte der Schiffsavatar energisch und sah sie fast tadelnd an. „Da will man denen schon mal die Wahrheit auf dem Silbertablett servieren und sie wollen sie nich’!“, zischte Ginalla. „Aber ich kann mir jemanden denken, der bestimmt interessierter an ihr ist. Suchen wir nach der Granger!“ „Dazu müssen wir ins Universum der Föderation zurück.“, erklärte Kamurus. „Von mir aus.“, stöhnte Ginalla. „Sobald wir aus diesem Sonnensystem raus sind, gehst du auf Interdimensionsflug. Ich hoffe nur, dass mir Agent Mikel mehr glaubt als Agent Maron und sich nich’ von seinen Vorurteilen leiten lässt. Von wegen, ich bin Sternenflottenoffizier und so.“ „Du musst aber zugeben.“, brach das Schiff für Maron eine Lanze. „Dass deine Aussage wirklich sehr absurd klingt. Wer die Umstände nicht kennt, der könnte glatt in Versuchung kommen, dir nicht zu glauben. Aber da ich glücklicherweise der Erste war, der davon erfahren hat, glaube ich dir. Wenn ich das nicht würde, würde ich mir ja selbst widersprechen.“ „Schon klar.“, erwiderte Ginalla grinsend.

Sytania und Telzan hatten Ginalla durch den Kontaktkelch genau beobachtet. Sie mussten ja sicher gehen, dass sie ihren Plan nicht gefährden konnte. „Diese verdammte kleine Celsianerin.“, sagte Sytania. „Wer hätte gedacht, dass sie einmal ihre gerechte Ader entdeckt und unbedingt dem Guten zum Sieg verhelfen will?“ „Dabei ist sie aber bisher nicht sehr erfolgreich, Milady.“, bemerkte Telzan. „Da hast du Recht.“, sagte Sytania, der ihr Diener anmerkte, dass sie mit der Situation nicht ganz zufrieden war. „Was ist Euch.“, fragte der Vendar mit schmeichelndem Gesicht. „Kann ich die Wolken über Eurer Laune irgendwie vertreiben?“ „Vielleicht schon.“, vertraute sich Sytania ihm an. „Ginalla hat gesagt, sie will die Granger finden. Dieser verdammte Agent Mikel wird ihr glauben. Er weiß viel zu viel über die Zusammenhänge, die zu dieser Ausgangssituation geführt haben, um das nicht zu tun. Wir müssen verhindern, dass sie ihm gegenüber eine Aussage machen kann.“ „Dann schickt meine Männer und mich hinter ihr her.“, bot Telzan an. „Wir werden sie schon zur Strecke bringen.“ „Nein!“, sagte Sytania fest. „Das wäre viel zu verdächtig und die Tindaraner würden eins und eins zusammenzählen, wenn ihr plötzlich in ihrer Dimension auftaucht. Das mache ich lieber selbst. Ich werde es aussehen lassen, als sei sie einem schwarzen Loch zum Opfer gefallen.“ „Sehr gute Idee, Milady.“, schmeichelte Telzan.

Sianach und ihr Mann waren auf dem Weg zu Zirells Basis. Genau hatte Diran seiner Frau noch einmal geschildert, was er während des Duells und auch danach gesehen hatte. Er hatte ihr gegenüber seine gesamte Aussage zum Besten gegeben, falls es dazu kommen sollte, dass die Beiden getrennt oder einer getötet würde. Er wollte sicher gehen, dass die Aussage Agent Maron in jedem Fall erreichen würde. Tchiach hatten sie bei Freunden gelassen. Sianach hatte die Umstände als zu gefährlich für sie erachtet.

„Was du hier aussagst, ist sehr ungeheuerlich.“, warnte Sianach Diran vor Marons Reaktion. „In der Tat.“, bestätigte der Vendar. „Aber es ist die reine Wahrheit.“ „Das glaube ich.“, sagte Sianach. „Aber es wäre wirklich besser, wenn wir Beweise für das alles hätten.“ „Der einzige Beweis war auf einem Datenkristall in einem Erfasser, wie du weißt.“, erklärte Diran. „Aber der ist zerstört worden.“ „Kelbesh!“, fluchte Sianach gut hörbar. Unter Vendar galt ihr Verhalten keinesfalls als undamenhaft. Wer dieses Volk und seine Gepflogenheiten kannte, der wusste, dass sie sehr direkt waren und es eher als unflätig galt, sich im falschen Moment zurückzuhalten. Mit so einem Verhalten machte man sich nämlich nur verdächtig. Jedes Kind lernte schon sehr früh, diese falsche Scham abzulegen. So nahm auch Diran das Verhalten seiner Frau nicht übel und unterstützte es sogar, indem er ihr zulächelte.

„Ginalla, wir haben den Rand des tindaranischen Sonnensystems passiert.“, meldete Kamurus. „OK.“, erwiderte Ginalla erleichtert. „Dann geh auf interdimensional …“

Ein Ruck war durch das gesamte Schiff gegangen. Ein Ruck, der Ginalla mit dem Kopf auf die Konsole knallen ließ. „Was sollte das?!“, empörte sie sich. „Ich kann nichts dafür.“, entschuldigte sich Kamurus. „Etwas hat meinen Antrieb berührt und jetzt kann ich mich nicht mehr von der Stelle rühren. Ich habe sogar den Eindruck, dass wir rückwärts gezogen werden.“ Er zeigte ihr Sensorenbilder, die seine Vermutung auch bestätigten. Hinter ihnen sah Ginalla bald ein Phänomen, das sie an ein schwarzes Loch erinnerte. „Wir müssen hier raus, Kamurus!“, sagte sie bestimmt und gab ihm den Gedankenbefehl zum Starten des Antriebs. „Ich kann nicht.“, sagte Kamurus verzweifelt. „Ich habe eine Selbstdiagnose durchgeführt, der nach mein Antrieb völlig in Ordnung ist, aber ich kann ihn einfach nicht starten. Es fühlt sich an, als würde mich jemand von außen daran hindern und mich lähmen.“ „Von außen.“, überlegte Ginalla. „Na gut. Zeig mir das Energieschema von diesem Ding, mit dem wir zusammengestoßen sind.“

Er legte ihr ein Bild auf den virtuellen Schirm. „Hm, hübsche Wellenlinie.“, sagte Ginalla. „Aber so kann ich damit leider nichts anfangen. Zieh Vergleiche mit Neuralmustern von Mächtigen heran. Ich habe 'ne ganz fiese Theorie.“ „Die hatte ich auch schon.“, sagte Kamurus und zeigte ihr eine Tabelle, in der er rechts das fremde Muster und links das von Sytania einordnete. „Schöne Scheiße!“, fluchte Ginalla. „Die sind identisch! Aber dann wundert mich gar nix. Sytania is’ 'ne Mächtige. Die braucht nur zu wollen, dass du deinen Antrieb nich’ starten kannst und es passiert! Los, ziel’ mit deiner Rosannium-Waffe auf das Ding und schieß!“ „Dann müsste ich ja praktisch meinen Phaser unter mich klappen.“, sagte Kamurus. „Und dann in umgekehrter Richtung zielen. Aber das geht wegen meiner Bauweise schon mal gar nicht. Aber gerade du, Ginalla, dürftest wissen, dass ich dann auch eine energetische Rückkopplung in meinen Systemen auslösen würde, die uns beide töten könnte, selbst, wenn es mir möglich wäre, auf den eigenen Antrieb zu feuern.“ „Du hast ja Recht.“, antwortete die technisch versierte Celsianerin beschwichtigend. „Was machen wir denn jetzt nur?“ „Ich könnte höchstens einen Notruf absetzen.“, schlug Kamurus vor. „Ich weiß, dass den auch alle anderen Schiffe um uns herum hören können, weil alle Rufzeichen in Reichweite angesprochen werden, also auch eventuell genesianische. Aber das müssen wir riskieren. Oder willst du von Sytanias schwarzem Loch zerquetscht werden.“ „Ne.“, sagte Ginalla. „Darauf hab’ ich definitiv keinen Bock. Das soll nämlich nich’ sehr angenehm sein, hörte ich und wenn du einen Notruf absetzt, dann hören uns vielleicht auch die Tindaraner und überlegen sich noch mal, warum dieser Maron mich so barsch abgefertigt hat. Also, machen wir es so.“

Diran und Sianach waren durch den Mishar ihres Schiffes auf Ginallas und Kamurus’ Situation aufmerksam gemacht worden. Da sich die Vendar bereits in Reichweite von Kamurus’ Sprechgerät befanden, wurde auch ihr Rufzeichen angesprochen. „Mir kann keiner erzählen, dass plötzlich irgendwo ein schwarzes Loch auftaucht, wo vorher nie eines gewesen ist!“, sagte Sianach mit Überzeugung und setzte Kurs in Richtung des Notrufes. „Mir auch nicht.“, bestätigte Diran. „Aber wir beide kennen eine Mächtige, die wohl gern hätte, dass alle Welt das glaubt.“ „In der Tat, mein Ehemann.“, sagte Sianach. „Aber den Gefallen werden zumindest wir Sytania El Imperia nicht tun! Da wird sie schon früher aufstehen müssen. Ich bin sicher, diese Frau hat irgendwas gesehen, das sie entlarven könnte. Sonst würde Sytania das unschuldige Universum nicht für ihre Mordpläne benutzen. Mishar, verbinde mich mit der Quelle des Notrufes.“

Nach einem kurzen Signal sah Sianach das Gesicht Ginallas auf dem Schirm. „Ginalla El Celsius.“, begann sie. „Ich bin Sianach Ed Diran. Mein Mann und ich sind auf deinen Notruf aufmerksam geworden und wollen versuchen, dir und deinem Schiff zu helfen.“ „Heißen Dank und kalte Schnauze, meine Süßen.“, flapste Ginalla zurück. Trotz ihrer Situation hatte sie ihren Humor nicht verloren. „Aber was wollt ihr denn machen? Kamurus und ich werden wohl bald von Sytanias Phänomen zerquetscht und dann hat sich das was mit den Infos, die wir haben und die eigentlich total dringend zur USS Granger müssen.“ „Warte ab.“, vertröstete Sianach sie.

Sie hatten die Stelle erreicht, an der sich Kamurus und Ginalla befanden. „Mit dem Traktorstrahl können wir sie nicht aus dem schwarzen Loch ziehen.“, sagte Sianach, nachdem sie sich die Situation angesehen hatte. „Dafür stecken sie schon zu tief drin. Wir müssten Kamurus’ Antrieb irgendwie von Sytanias Energie befreien. Aber das können wir nicht, weil wir dann seinen Antrieb zerstören würden. Rosannium selbst zerstört keine Materie. Aber der Phaser oder der Torpedo, der es transportieren würde, täte das schon.“ „Du hast Recht.“, überlegte Diran. „Aber ich glaube, ich habe schon eine Idee. Du musst deinem Schiffsrechner nur sagen, er soll die Schildgeneratoren und den Generator für die Rosannium-Waffe kurz vom Energienetz nehmen. Sonst bekomme ich gleich eine gewischt.“ Damit stand er auf und ging nach hinten in Richtung Versorgungsschächte. Sianach tat, worum ihr Mann sie soeben gebeten hatte. Sie hatte zwar keine Ahnung, was er vor hatte, aber sie vertraute ihm, auch wenn er im Punkte Technik bisher in den meisten Fällen zwei linke Hände bewiesen hatte. Aber warum sollte er nicht auch einmal Glück haben?

Diran entfernte eine Verkleidung und steckte einige Module um, was zur Folge hatte, dass er den Generator für die Rosannium-Waffe mit den Emittern für die Feldenergie der Schilde parallel schaltete. Dann kam er zu Sianach zurück. „Lass den Mishar eine Analyse der neuen Leitungen vornehmen, bevor wir sie in Betrieb nehmen.“, sagte er stolz. „Also gut.“, sagte Sianach, die zwar doch in etwa geahnt hatte, was er tun würde, allerdings gleichzeitig genau wusste, dass so etwas noch nie probiert worden war. „Mishar, neue Verbindungen aufspüren und auf ihre Funktionsfähigkeit überprüfen!“, befahl sie. „Es wurde eine Verbindung zwischen den Schildemittern und dem Generator für die Rosannium-Waffe hergestellt.“, erwiderte der Rechner. „Die Verbindung ist zu 100 % intakt und funktionsfähig. Es handelt sich um eine Parallelschaltung.“ „Bedeutet das, wenn wir jetzt die Schilde aktivieren, wird Rosannium der normalen Energie beigemischt?“, fragte Sianach stolz. „In der Tat!“, antwortete Diran. „Was für eine ausgezeichnete Idee!“, lächelte die junge Vendar. „Darauf wäre ich nicht gekommen.“ „Danke für dein Lob, Telshanach.“, sagte Diran. „Aber wir sollten jetzt mal langsam dafür sorgen, dass Ginalla und ihr Schiff auch davon profitieren. Kannst du das Schiff in einem Energiephänomen halten?“ „Sicher!“, antwortete Sianach zuversichtlich. „Schaffst du das auch noch, wenn wir unter einem Antriebsfeld durchtauchen müssen?“ „Vergiss nicht, mit wem du redest!“, erwiderte Sianach selbstbewusst. „Außerdem stimmt das nicht. Kamurus’ Antrieb gibt gerade keinen Pieps von sich.“ „Dann bring uns unter Ginallas Schiff.“, sagte Diran. „Ich werde unsere Schilde aktivieren, sobald wir genau unter ihm sind.“ „Wie du wünschst.“, sagte Sianach und setzte den entsprechenden Kurs.

„Ginalla, ich registriere das Vendar-Schiff.“, sagte Kamurus und zeigte ihr die Bilder seiner Sensoren. „Was haben die vor?!“, sagte Ginalla und schluckte. Ihr steckte immer noch das Manöver der Xylianer in den Knochen und jetzt schickte sich dieses Schiff an, genau das Gleiche zu tun. „Spinnen die?!“, wollte sie wissen. „Sich genau unter deinen Antrieb zu setzen und das auch noch in einem schwarzen Loch! Ich habe mir zwar gedacht, dass die Vendar mutige Krieger sind, aber ich habe sie nich’ für Selbstmörder gehalten.“ „Ich bin überzeugt, das sind sie auch nicht.“, sagte Kamurus, der die Zusammensetzung der Energie, aus der die nun durch Diran manuell aktivierten Schilde bestand, genau analysiert hatte. „Sie müssen den Generator für die Rosannium-Waffe an Bord ihres Schiffes irgendwie mit den Schildemittern verbunden haben.“ „Willst du damit sagen, ihre Schilde strahlen jetzt Rosannium aus?“, fragte Ginalla. „Genau das.“, sagte Kamurus erleichtert, der gerade bemerkt hatte, dass sowohl das Phänomen, als auch das Energiefeld in seinem Antrieb dabei waren, sich aufzulösen.

„Wir haben Sytanias Energie vollständig vernichtet!“, meldete Diran, der das Ganze mit dem Erfasser des Schiffes beobachtet hatte. „Das sehe ich.“, antwortete Sianach. „Mishar, Verbindung mit dem celsianischen Schiff herstellen!“

Der Rechner hatte ihren Befehl kaum ausgeführt, als Ginalla sie schier mit einer Dankesrede überschwemmte. „Ich kann mich zwar im Augenblick nich’ ganz erinnern, wer du bist.“, begann sie. „Aber was du da gemacht hast, das is’ auf 'ner Skala von eins bis Doppel-Wow mindestens ein Dreifach-Wow! Will sagen, das sprengt alle Rahmen. Dein Edelmut übersteigt alle Grenzen. Ich wünschte, ich könnte mich irgendwie erkenntlich zeigen, aber jetzt muss ich schon weiter. Ich bin auf der Suche nach der Granger. Wisst ihr, wo ich die finden kann?“

„Gib mir bitte das Mikrofon.“, bat Diran, der den letzten Kurs unseres Schiffes noch genau in seinem vendarischen Gedächtnis gespeichert hatte. Wortlos folgte Sianach seiner Bitte. „Die Granger befindet sich im Universum der Föderation, Ginalla El Celsius.“, sagte Diran. „Puh.“, stöhnte Ginalla. „Das is’ verdammt groß. Hast du das nich’ etwas genauer?“ „Zuletzt flog sie in Richtung Qualor-System.“, sagte Diran. „Aber das muss nichts heißen. Kissara El Thundara ist vogelfrei. Sie wird sogar die eigenen Leute täuschen müssen.“ „Kapiere schon.“, sagte Ginalla. „Rechts antäuschen, links vorbeigehen. Also werden Kamurus und ich wohl allein suchen müssen.“ „Von der interdimensionalen Schicht aus dürfte das ein Leichtes sein.“, gab ihr Diran einen Tipp. „Vielen Dank, mein Freund und Kupferstecher.“, grinste Ginalla. „Du weißt, wie man eine Frau glücklich macht.“ Damit beendete sie die Verbindung.

„Ich kenne da eine gewisse tindaranische interdimensionale Sensorenplattform, die mir noch einen Gefallen schuldet.“, scherzte Kamurus. „Soll ich sie mal fragen, ob sie die Granger gesehen hat?“ „Tu, was du nich’ lassen kannst.“, grinste Ginalla. „Aber mach kein Geheimnis draus. Die Tindaraner dürfen ruhig wissen, dass du gefragt hast. Ich will diesem eingebildeten Affen Maron ein für alle Mal zeigen, dass Ginalla von Celsius mit sich nich’ so umspringen lässt.“ „Wie du willst.“, sagte Kamurus und leitete alles in die Wege. Tatsächlich konnte er wenige Sekunden später Ginalla das Ergebnis seiner Recherchen mitteilen. „Ich habe die Granger gefunden.“, sagte er. „Aber ich sollte dich in Sicherheit bringen, bevor ich allein dort hin fliege und gegenüber Agent Mikel aussage. Falls er mir nicht glaubt, kann ich dich immer noch dazu holen, egal ob über SITCH oder auch physisch.“ „SITCH?“, fragte Ginalla verwirrt. „Willst du damit sagen, wir werden uns trennen?“ „Allerdings.“, sagte das Schiff. „Mir ist wohler, wenn ich dich in Sicherheit weiß. Dann muss ich auch keine Energie für die Lebenserhaltung aufbringen und kann im Notfall alles in die Verteidigung stecken. Außerdem kannst du, falls mir etwas zustößt, immer noch aussagen und anders herum. wenn wir zusammen bleiben, könnte uns Sytania viel leichter auch gemeinsam töten. Ich bringe dich zu meinen Freunden. Einer von ihnen wird schon auf dich aufpassen.“ „Spinnst du?!“, sagte Ginalla. „Deine Dimension is’ für mich voll unwirtlich.“ „Genau deshalb wird man dich dort auch nicht vermuten und dort auch niemals nach dir suchen.“, sagte Kamurus. „Aber im Cockpit eines meiner Freunde kannst du genau so überleben wie in meinem auch. Ich werde dich Sharie anvertrauen.“ „Ach ja.“, meinte Ginalla. „Deine Süße. Na gut.“ „Ich wusste, dass man mit dir reden kann.“, sagte Kamurus und brachte sich und Ginalla zunächst per Interdimensionsantrieb ins Universum der Föderation zurück, um von dort aus eine Partikelfontäne aufzusuchen, die ihn in seine Heimat führen würde.

Kapitel 32 - Erzwungene Anhörung

von Visitor

 

Jenna war zu Maron unterwegs, um ihm die Meinung zu sagen, was das unfreundliche Abkanzeln Ginallas anging. Von Shannon hatte sie zwar nicht viel erfahren, konnte sich aber denken, wie die Sache abgelaufen war. Jetzt stand die hoch intelligente Halbschottin vor der Tür des Quartiers des ersten Offiziers, wohin dieser sich nach der Vernehmung aufgrund des Beginns seiner dienstfreien Zeit begeben hatte. Durch ihre Intelligenz bedingt wusste Jenna aber, dass Maron für sie trotzdem ein offenes Ohr haben würde und die Aussage aus ihrem Mund vielleicht noch eher glauben würde, auch wenn sie sich inhaltlich nicht von der Ginallas unterscheiden würde. Sie wusste genau, welchen Status sie bei Maron hatte und wie sie diesen ausnutzen konnte.

„Wer ist dort?“, fragte eine Jenna sehr wohl bekannte Stimme, nachdem sie die Sprechanlage betätigt hatte. „McKnight, Sir.“, stellte sie sich knapp vor. „Ich muss mit Ihnen reden.“ „Kommen Sie rein, McKnight!“, kam es zurück und die Türen glitten vor Jenna auseinander, die sogleich festen Schrittes hindurch ging. Maron, der sie im Flur erwartete, führte sie ins Wohnzimmer, wo sich beide auf das Sofa setzten. „Was gibt es, Jenna?“, fragte der Demetaner fürsorglich. „Es geht um Ginallas Aussage, Agent.“, kam Jenna zur Sache. „Ihre Aussage?“, fragte Maron mit leicht irritierter Stimmlage. „Woher wissen Sie davon?“ „Ginalla muss es meiner Assistentin erzählt haben.“, mutmaßte Jenna. „Shannon!“, rief Maron aus. „Dann wundert mich gar nichts mehr. Ihre Assistentin ist stationsweit als Klatschbase der Nation bekannt.“ Bei seinem letzten Satz musste er laut lachen, was Jenna aufatmen ließ. Jetzt wusste sie, dass Shannon wegen der Sache keinen Ärger zu erwarten hatte.

Maron stand auf, um zwei Tassen klingonischen Kaffees zu replizieren und dann damit zu seinem Gast zurückzukehren. Er schob Jenna eine der Tassen hin. „Also gut, McKnight.“, sagte er dann. „Was stört Sie genau an der Sache mit Ginallas Aussage?“ „Um ehrlich zu sein ist es Ihr Umgang damit, Sir, der mir Kopfzerbrechen bereitet. Meiner Ansicht nach hätten Sie Ginalla zumindest anhören können und ihr nicht gleich so über den Mund fahren müssen, nur weil sie etwas sagt, dass es noch nie gegeben hat.“ „Techniker, können Sie sich etwa vorstellen, dass Tolea und Sytania zusammenarbeiten würden?“, fragte Maron. „Unter gewissen Umständen schon, Agent.“, sagte die naturwissenschaftlich sehr begabte junge Frau. „Und was wären das für Umstände, McKnight?“, fragte der Agent. „Wut, Sir.“, sagte Jenna sachlich.

Maron verzog das Gesicht und musste ob ihrer Aussage einen großen Schluck aus seiner Tasse nehmen. Er hatte nämlich das Gefühl, dass sie ihn ertappt hatte. Auch er war über Ginallas in seinen Augen unerhörte Aussage sehr wütend gewesen und hatte sie wohl nur deshalb so behandelt. Sie hatte ihn offenkundig genau dort erwischt, wo es ihm richtig wehtat.

Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und fragte weiter: „Können Sie mir das erklären, Jenna?“ „Sicher.“, sagte sie, räusperte sich und stand auf. „Laut Aussage von Ginallas Schiff ist es einem Geistwesen begegnet, das zum Zweck, sich als die Wächterin von Gore auszugeben, von Clytus geschaffen wurde. Dieses Wesen hat er in die Vergangenheit geschickt, damit es den Körper der obersten Prätora besetzt und sie dazu bringt, das tindaranische Universum und das Universum der Föderation zu erobern.“ „Moment.“, fiel Maron ihr ins Wort. „Dill hätte doch bestimmt was dagegen unternommen, oder?“ „Sicher.“, sagte Jenna. „Wenn Clytus allein gehandelt hätte. Aber das hat er nicht. Sytania soll sich ebenfalls beteiligt haben. So konnte Clytus gegen Dill überhaupt nur ankommen. Das aber hat wiederum Tolea gesehen. Sie wissen, wie stark wir Sterblichen ihr am Herzen liegen und dass sie auf keinen Fall zulassen würde, dass unserer Zeitlinie ein Leid geschieht. Sie muss so wütend gewesen sein, dass sie Sytanias Angebot, Clytus gemeinsam zu bestrafen, ohne Argwohn angenommen hat.“ „Erst hilft Sytania Clytus, ein Verbrechen zu begehen und dann hilft sie Tolea, ihn zu bestrafen?“, fasste Maron die Aussage fragend zusammen. „Genau.“, bestätigte Jenna und sah ihn freundlich an. „In jedem Fall wäre Sytania die lachende Dritte.“, erklärte sie ihre Theorie weiter. „Dill ist tot und Tolea unberechenbar. Was mit Kairon geschehen ist, weiß ich nicht, aber er käme meinen Berechnungen zur Folge allein gegen Sytania und Tolea nicht an. Eldisa ist zu jung, um die Zeit …“ „Unfassbar!“, sagte Maron. „Wenn Ihre Theorie stimmt, McKnight, dann stecken wir mitten in einer riesigen Katastrophe!“ „Das ist richtig, Sir.“, sagte Jenna nüchtern.

Maron trank seine Tasse in einem Zug aus. Es schien ihn nicht wirklich zu stören, dass der Kaffee noch sehr heiß war. „Warum sollte Clytus das überhaupt getan haben?“, fragte der Agent in der Hoffnung, an ihrer Theorie doch noch einen Pferdefuß zu entdecken, der sie zur Umkehr bewegen könnte. Gern war er bereit, ihr zu glauben, weil McKnight eben McKnight war und einen sehr guten Ruf bei ihm, Zirell und auch der tindaranischen Regierung genoss, was ihre Theorien anging. Wahrscheinlich hätte sie ihnen auch sagen können, dass die Welt eine Scheibe sei und sie hätten es geglaubt. Aber diese Theorie war zu stark für das einfache Gemüt des ersten Offiziers und er hoffte, dass sie ihm im übertragenen Sinne die Tränen wieder aus den Augen wischen könnte. Dass sie seine Hoffnung aber bald zerstören würde und statt dessen noch mehr Pfeffer in seine Augen streuen würde, hätte er eigentlich ahnen müssen. „Genaues wissen Kamurus und Ginalla nicht.“, sagte Jenna. „Das Geistwesen hat nur ausgesagt, sein Schöpfer hätte aus Liebe gehandelt. Was das zu bedeuten hat, weiß ich allerdings nicht.“ „Wieso soll Clytus aus Liebe die Geschichte verändern wollen und die Genesianer da mit reinziehen?“, fragte Maron. „Aus Liebe zu wem?“ „Keine Ahnung.“, sagte Jenna. „Aber es könnte ja nur ein Mächtiger beziehungsweise eine Mächtige sein. Vielleicht sollten wir mal die Regenbogenpresse etwas aufmerksamer lesen, Sir!“ „Das war ein Scherz, oder, McKnight?“, fragte Maron. „Oh, nein, Agent.“, erwiderte Jenna. „Das habe ich durchaus ernst gemeint. Sie sagen doch immer, dass Sie als Ermittler alles heranziehen müssen, was Ihnen einen Hinweis geben könnte.“ „Das stimmt, Jenna.“, sagte Maron. „Aber ich hasse die Regenbogenpresse. Sie ist mir zu unsachlich. Außerdem bauscht sie alles unnötig auf und verkauft jede Lüge als Wahrheit. Wie soll ein Kriminalist da zurechtkommen?“ „Dann sollten Sie sich von jemandem Hilfe holen, die so etwas gern liest.“, lächelte Jenna. „Sie?“, fragte Maron. „Das hätte ich von Ihnen als wissenschaftlich orientierter Person nicht gedacht.“ „Nicht ich.“, korrigierte Jenna. „Ich habe von meiner Assistentin gesprochen.“ „O’Riley.“, seufzte Maron. „Also schön. Informieren Sie Shannon!“ „Sicher.“, lächelte Jenna und stand auf. „Ich werde dann gehen, Agent.“, sagte sie. „OK.“, nickte Maron.

Das Signal der Sprechanlage ließ Maron sich zum Terminal drehen. „Ja.“, meldete er sich knapp. „O’Riley, Sir.“, sagte eine helle Stimme. „Ich habe Sianach und Diran mitgebracht. Die Beiden müssen Ihnen unbedingt etwas sagen.“ „Diran?“, fragte Maron staunend. „Na, wenn der aus dem Raum-Zeit-Kontinuum zurückkommt, muss wirklich etwas nicht in Ordnung sein. Kommen Sie mit den Beiden rein, Shannon. Ich muss Sie ohnehin noch über etwas informieren.“ „OK.“, Sagte die Blonde Irin gewohnt flapsig und schob sich mit den beiden Vendar durch die sich öffnende Tür, durch die Jenna in Gegenrichtung das Quartier verließ.

„War das Jenna McKnight?“, wollte Sianach wissen. „Ja, das war sie.“, bestätigte Maron. „Was hat sie gewollt?“, fragte Diran. „Sie hat mir noch einmal ins Gewissen reden wollen, was Ginallas Aussage angeht. Ich habe sie wohl sehr barsch behandelt und sie hat mir noch einmal den Kopf gewaschen. Ich muss zugeben, aus ihrem Mund hat sich alles viel plausibler angehört, als aus Ginallas. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Aussage, die beide übereinstimmend gemacht haben, vielleicht doch richtig sein könnte. Aber mein Sternenflottendenken diktiert mir , dass Tolea und Sytania nie zusammenarbeiten würden.“ „Damit wären wir beim Thema, Maron El Demeta.“, sagte Sianach freundlich. „Mein Mann hat dazu einiges beizutragen. Er war Augenzeuge eines Geschehens, das dir sicher bei deinen Ermittlungen helfen wird.“

Sie flüsterte Diran etwas auf Vendarisch zu, worauf er vor Maron hintrat. „Ich habe gesehen, dass Tolea und Sytania sehr wohl zusammengearbeitet haben, um Clytus aus dem Raum-Zeit-Kontinuum zu bestrafen, Maron El Demeta!“, sagte er mit überzeugter Stimmlage. „Du bist schon der Dritte, der das behauptet.“, meinte Maron fast lästernd. „Gut, bei McKnight ist es nur eine Theorie, die sie aufgestellt hat, um Ginallas Aussage zu bestätigen und ich gebe zu, nur wenn man dieser Theorie Glauben schenkt, wird im Augenblick ein Schuh aus der ganzen verzwickten Angelegenheit. Aber wenn die Regierungen der Föderation oder der Tindaraner von meinen Ergebnissen erfahren, zerreißen sie die in der Luft. Hast du Beweise?“ „Der einzige Beweis in Form eines Abbildes eines vereinten Neuralmusters war in einem Datenkristall, der sich in einem zerstörten Erfasser befand. Der Erfasser wurde bei dem Duell zerstört, das Tolea, Sytania und Kairon um das Recht ausgefochten haben, Clytus bestrafen zu dürfen.“ „Ich finde es langsam höchst merkwürdig, dass wenn immer es um Beweise geht, diese urplötzlich verschwunden oder zerstört sind.“, spottete Maron, der ziemlich frustriert über die ganzen fruchtlosen Aussagen war.

Sianach richtete sich plötzlich auf und sah Maron fast wütend an. Von der Vendar, die eigentlich seine Freundin sein wollte, war er so einen bedrohlichen Anblick nicht gewohnt. Richtig Angst einflößend wirkte sie jetzt, wie sie da auf ihn zuging. Ihr Blick war starr nach vorn gerichtet und ihre Hände waren in die Hüften gestemmt, was sie noch größer wirken ließ. Außerdem bewegte sie sich fast schleichend, wie ein Raubtier, das seine Beute erspäht hatte. Dabei machte sie keine schnellen Schritte, sondern ging eher langsam. Dabei fixierte sie ihn mit den Augen. „Sytania wird Ginalla El Celsius nicht ohne Grund töten gewollt haben, Maron El Demeta!“, sagte sie langsam und bedrohlich. „Ich bin sicher, sie hat etwas gesehen, das ihr missfallen hat. Shannon O’Riley hat mir alles berichtet! Ich weiß von ihr, wie du mit Ginalla umgegangen bist! Aber ich denke, wenn du das hier nicht ernst nimmst, wirst du mit deinen Ermittlungen niemals vorankommen! Das sage ich dir voraus!“

Maron überlegte. Unter Umständen hatte sie gar nicht so unrecht. Warum, wenn nicht aus dem Motiv heraus, eine Mitwisserin und ihr Schiff zu beseitigen, hätte Sytania ein schwarzes Loch erschaffen sollen, das beide vernichtete. Dem Agenten war bekannt, dass Sytania Mitwisser nicht mochte und ein Motiv, Tolea zur Zusammenarbeit zu verführen, das hatte sie auch. Bisher hatte sie immer den direkten Weg gewählt in dem Versuch, die Zeit zu erobern, um die Föderation schlicht und einfach aus der Geschichte löschen zu können, allerdings ohne jeglichen Erfolg. Was war, wenn sie jetzt, da sie damit nicht erfolgreich war, den Indirekten wählte. Sich an die ganze Sache mit Clytus zu hängen erschien Maron plötzlich auch sehr lohnenswert, wenn er wie Sytania dachte. „Könnt ihr Sytanias und Toleas gemeinsamen Mordversuch an Ginalla beweisen?“, fragte Maron. „Der Beweis ist im Mishar unseres Schiffes, Maron El Demeta.“, sagte Diran. „Aber wie kommst du darauf, dass deine Freundin Tolea da mitgemacht hat?!“, spielte Sianach Empörung vor, um ihm eine Falle zu stellen. Sie war nicht sicher, ob er ihr wirklich glaubte. „Weil ich weiß, was die Infektion mit schwarzer Macht für Folgen haben kann.“, sagte Maron. „Ich habe es damals bei Shimar gesehen. Derjenige verändert sich charakterlich und wird zu einem Monster.“ „In der Tat.“, sagte Sianach, deren Schultern sich wieder senkten und deren Blick wieder weicher wurde. „Du bist nicht in die kleine Falle getappt, die ich dir gestellt habe, Maron El Demeta. Das finde ich sehr lobenswert.“

Sie flüsterte Diran erneut etwas in ihrer gemeinsamen Muttersprache zu, worauf dieser nickend den Raum verließ. „Er holt dir die Daten.“, sagte Sianach. „Wenn du die hast, wirst du hoffentlich zufrieden sein.“ „Das denke ich schon.“, sagte Maron.

Erneut ging er zum Replikator und bestellte sich einen Raghtajino. „Ihr habt mir ganz schön eingeheizt.“, gab er zu. „Aber ich hätte euch auch ohne Drohgebärden geglaubt.“ „Dessen bin ich nicht sicher.“, sagte Sianach. „Du bist so stark in deinem Denken verhaftet, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, dass du uns ohne Weiteres ebenso behandelt hättest wie Ginalla El Celsius, wenn ich nicht ein bisschen forsch aufgetreten wäre.“ „Mag sein.“, sagte Maron. „Aber eure Daten können ja zumindest den Mordversuch beweisen. Alles andere wird sich dann hoffentlich ergeben. Wisst ihr vielleicht, was Clytus damit gemeint haben könnte, dass er aus Liebe gehandelt hat?“ „Tut mir leid, Maron El Demeta.“, sagte Sianach. „Das ist für Diran und mich ebenso ein Rätsel wie für dich.“

Diran betrat den Raum erneut. „Hier bringe ich die Daten, die du verlangt hast, Maron El Demeta.“, sagte er stolz und legte einen Datenkristall vor dem Demetaner auf dessen Schreibtisch ab. „Danke, Diran.“, sagte Maron und legte den Kristall in IDUSAs Laufwerk. Dann befahl er: „IDUSA, den Inhalt des Datenkristalls im Laufwerk an dieser Konsole abspielen!“

Der Rechner kam seiner Aufforderung nach und Maron sah jetzt genau, was sich während, vor und nach der Rettungsaktion abgespielt hatte. Auch die Sensorenbilder waren vorhanden. „Das gibt es doch nicht!“, entfuhr es Maron, der angesichts des Gesehenen sehr niedergeschlagen war. „Ich war so ein törichter Narr! Warum habe ich ihr nicht geglaubt und sie in meinem Hochmut wieder ins All geschickt? Unvorstellbar, was geschehen wäre, wenn ihr nicht vorbeigekommen wärt! Ich hätte sie schützen müssen! Statt dessen trieb ich sie in Sytanias Arme! Sie mag zwar einen nicht so glaubhaften Ruf haben, weil sie zu früheren Zeiten vielleicht gelogen und betrogen hat, um ihr Leben zu gestalten, aber das hat sich längst geändert. Ich weiß doch, dass das nur eine Trotzreaktion war! Als Sternenflottenoffizier hätte ich ihr eigentlich offen gegenübertreten müssen und hätte mich nicht von meinen Vorurteilen leiten lassen dürfen! Ich sollte mich schämen!“ „Das solltest du in der Tat.“, sagte Sianach gewohnt vendarisch direkt. „Wenn du nichts dagegen hast, werden Diran und ich jetzt wieder gehen und dich mit deiner Scham allein lassen.“ Sie gab ihrem Mann ein Zeichen und beide waren blitzschnell aus der Tür.

Verschämt sah Maron Richtung Boden, als ihn eine kleine Hand in die Seite piekte. Er drehte sich um und sah Shannon, deren Anwesenheit ihm wohl völlig entgangen sein musste. „Wenn ich wollte, könnte ich Sie jetzt wegen einer Tätlichkeit gegenüber einem vorgesetzten Offizier belangen, O’Riley.“, scherzte er. „Aber ich will nicht. Schließlich habe ich Sie ja völlig übersehen und irgendwie müssen Sie sich ja bemerkbar machen.“ „Der Meinung bin ich auch, Sir.“, sagte Shannon mit ihrer kleinen zuweilen etwas quietschend wirkenden Stimme. „Aber Sie hatten mich auch nich’ weggeschickt. Deshalb hab’ ich gedacht, Sie brauchen vielleicht die Hilfe der kleinen Shannon.“ „Ihre Entscheidung zu bleiben war goldrichtig, Technical Assistant.“, lobte Maron. „Endlich mach’ ich auch mal was richtig.“, witzelte Shannon. „Aber wieso?“ „Weil Sie mir bei meinen Ermittlungen zur Seite stehen werden.“, antwortete Maron. „He?“, machte Shannon. „Sie lesen doch gern die Regenbogenpresse.“, sagte Maron. Shannon nickte. „Sehen Sie? Und ich erwarte, dass Sie genau das tun. Melden Sie mir, wenn Sie etwas über eine Liebesbeziehung von Clytus zu einer anderen Mächtigen herausgefunden haben sollten. Solange ist Ihre Arbeit im Maschinenraum zweitrangig. Das muss ich zwar noch mit Zirell klären, aber sie wird mir zustimmen.“ „’n komischen Job geben Sie mir da, Sir.“, antwortete Shannon. „Aber wenn’s weiter nix is’. Dann werde ich mich jetzt verdünnen, wenn Sie nix dagegen haben.“ „Nein, das habe ich nicht.“, sagte Maron. „Das war alles, Technical Assistant. Wegtreten! Und viel Spaß beim Lesen!“ „Den werde ich wohl haben, Sir.“, grinste Shannon, während sie den Raum verließ.

Telzan hatte Sytania von ihrem Thron gehoben, auf dem er sie zusammengekauert vorgefunden hatte. DA zwischen dem Thron und dem Boden doch ein gewisser Höhenunterschied herrschte, befürchtete der Vendar, seine Herrin würde sich etwas tun können, wenn sie herabgefallen wäre. Durch eine Untersuchung mit dem Erfasser hatte er nämlich festgestellt, dass sie großen Mengen von Rosannium ausgesetzt gewesen sein musste. Zumindest war ein Teil ihrer mentalen Energie diesem für sie doch sehr schädlichen Stoff ausgeliefert, was eine Art energetischer Rückkopplung in ihrem Gehirn ausgelöst hatte, da die Rosannium-Strahlung die zwischen ihr und dem Phänomen bestehende telepathische Verbindung als Leitung nutzte. Das bedeutete im Umkehrschluss, dass sie für kurze Zeit ihre Fähigkeiten verloren hatte und dann genau so schwach war wie jeder Sterbliche auch. Durch seine Aktion wollte Telzan also jeglichen Schaden von ihr abwenden, auch die Erfahrung von Schmerz, die ja für eine Mächtige, die eigentlich unverwundbar war, seiner Ansicht nach nichts Erstrebenswertes war.

Nach einer für Telzan schier endlos anmutenden Weile schlug Sytania endlich die Augen auf. „Was tue ich hier auf dem Boden, Telzan?!“, fragte sie. „Vergebt mir, Herrin.“, bat Telzan unterwürfig, was sich bei seiner donnernden und gemeinen Stimme ziemlich schleimig anhörte. „Aber ich musste Euch davor bewahren, Euch zu schaden.“ „Wovon sprichst du?“, wollte Sytania wissen. „Ich fand Euch bewusstlos vor.“, erklärte der Vendar. „Ich habe festgestellt, dass Ihr einer hohen Dosis Rosannium ausgesetzt wart.“ „Wo kam das her?“, fragte Sytania benommen. Ihre Fähigkeiten kehrten zwar langsam zurück, sie war aber noch nicht in der Lage, sie völlig frei einzusetzen. „Ich habe meinen teuren Kameraden Joran in Verdacht.“, sagte Telzan mit ironischer Stimmlage. „Oder einen seiner Helfershelfer. Vielleicht hat auch Jenna McKnight etwas da mit zu tun oder gar Diran und seine Frau. Zuletzt haben wir Diran ja im Zusammenhang mit der Granger gesehen. Er wollte doch zu Sianach. Was ist, wenn die Beiden …“

Wankend richtete sich Sytania auf. „Wo ist Ginalla?!“, fragte sie. „Ist sie etwa entkommen?!“ „Das kann ich so nicht sagen.“, gestand Telzan. „Dann gib mir den Kontaktkelch!“, forderte die Prinzessin. „Milady, Eure Fähigkeiten sind noch nicht ganz zurückgekehrt. Der Kelch wird Euch unter Umständen kaum verstehen, wenn Ihr ihn fragt. Bitte lasst mich in meine Garnison zurückkehren und veranlassen, dass wir eine Sonde ins tindaranische Universum senden. Diese wird Ginalla schon aufspüren.“, versuchte er, sie zu beschwichtigen. „Was redest du für einen Unsinn?!“, empörte sich Sytania. „Jeder Sterbliche kann einen Kontaktkelch bedienen, wenn …“ „Ja, wenn, Milady.“, mahnte Telzan. „Wenn sich in ihm gesunde telepathische Energie des Mächtigen befindet, dem der Sterbliche den Kelch geweiht hat. Aber wenn ein Mächtiger einen Kontaktkelch benutzt, füllt er ihn jedes Mal aufs Neue mit seiner oder ihrer Energie. Aber die Eure ist im Augenblick sehr angeschlagen. Das spüre ich genau. Ihr werdet …“ „Nein!“, sagte Sytania im Befehlston. „Hilf mir auf den Thron und gib mir den Kelch!“ „Na gut, Milady.“, sagte Telzan ruhig und führte ihre Befehle aus, obwohl er es eigentlich besser wusste. Aber er handelte nach dem Motto: „Wer nicht hören will, der muss fühlen.“

Sytania erschrak über die starke Nebelwand, die sich ihr bot. Außerdem bekam sie das Gefühl, der Kelch würde sie aussaugen, als sie ihn in die Hände nahm. „Nimm ihn weg!!!“, schrie sie. „Nimm ihn endlich wieder weg!!!“ „Habe ich Euch das nicht gesagt?“, fragte Telzan ruhig und nahm ihr den Kelch ab, um ihn wieder auf ihrem marmornen Schreibtisch abzustellen. „Das hast du.“, gab Sytania zu. „Ich denke, es ist doch besser, wenn wir deinen Vorschlag mit der Sonde ausprobieren.“ „Also gut.“, sagte Telzan, zog sein Sprechgerät und tippte das Rufzeichen seiner Garnison ein. Dann folgten einige Befehle auf Vendarisch an seine Truppe. Cirnach, die in seiner Abwesenheit das Kommando hatte und auch den Ruf entgegennahm, meldete bald, dass die Sonde unterwegs war. „Wieso konnte deine Frau so schnell reagieren?“, wollte Sytania wissen. „Meine Leute und ich haben alles vorbereitet gehabt, als ich Euch in diesem alarmierenden Zustand fand.“, sagte Telzan. „Ich hatte die entsprechenden Befehle längst gegeben und Cirnach wartete nur noch auf mein OK. Wir wollten keine Zeit verlieren, bevor diese Ginalla über alle Berge ist.“ „Du hattest also da schon einen Verdacht.“, vermutete Sytania. „In der Tat, Milady.“, sagte Telzan. „Den hatte ich. Ihr dürft nicht vergessen, dass Ginalla Wissen hat, das Dirans Aussage bestätigen würde. Er wird sicher alles tun wollen, um sie zu retten. Wenn sie und Diran gemeinsam vor diesem Agent Mikel aussagen, der über die Zusammenhänge der Mächtigen genug weiß, um eins und eins zusammenzählen zu können, dann könnte uns das ziemlich gefährlich werden.“

Ein Signal von seinem Sprechgerät ließ Telzan aufhorchen und es aus der Tasche ziehen. Im Display sah er einen Ausschnitt eines Bildes, das die Sonde, die Cirnach schicken lassen hatte, gerade aufgenommen haben musste. „Anscheinend ist sie nicht mehr im Universum der Tindaraner.“, stellte er fest. „Es gibt Hinweise darauf, dass sie den Interdimensionsantrieb ihres Schiffes benutzt hat.“ „Kannst du Zugriff auf die Sonde nehmen und ihr befehlen, die Spur durch die interdimensionale Schicht zu verfolgen?“, fragte Sytania. „Gewiss.“, antwortete Telzan grinsend und tippte einige Computerbefehle in sein Sprechgerät, was Sytania geduldig abwartete. „Ihre Spur verliert sich im Universum der Föderation.“, sagte Telzan, nachdem er die neuen Ergebnisse interpretiert hatte. „Wir sollten sie dort zunächst nicht weiterverfolgen. Noch ist die Föderation nicht argwöhnisch, aber das kann sich schnell ändern, sobald sie eine Sonde mit imperianischer Kennung sehen. Warten wir, bis Ihr Euch vollständig erholt habt. Dann könnt Ihr ja noch einmal versuchen, Ginalla mit Euren seherischen Fähigkeiten aufzuspüren. Das ist viel weniger verdächtig.“ „Also gut, Telzan.“, gab sich Sytania geschlagen, die zwar wusste, dass die Geduld im Allgemeinen zu den Tugenden gehörte, aber die selbst nun mal nicht als sehr tugendhaft galt.

Maron hatte sein Quartier verlassen, um sich auf den Weg zu Zirell zu machen. Er hatte geplant, sich für seinen Fehler, Ginalla so hart abzuweisen, zu entschuldigen. Um so überraschter war er, als sie sich im Korridor begegneten und fast zusammenstießen. „Oh, hoppla!“, meinte Zirell trocken. „Wohin des Weges? Du musst mit deinen Gedanken ja völlig abwesend sein.“ „So ein Satz klingt von einer Telepathin ja schon fast witzig.“, erwiderte der demetanische Agent lächelnd. „Nur fast?“, grinste Zirell fragend zurück.

Er stellte sich links neben sie. Dabei fel Maron ihr seltsamer Haarschmuck auf, den sie bisher noch nie getragen hatte. „Ist das jetzt der letzte Schrei auf Tindara?“, fragte er. „Oh, nein.“, sagte Zirell. „Das ist ein kabelloser Neurokoppler. Jennas neueste Erfindung. Die Feststation ist in meinem Quartier. IDUSA und ich sind Jennas Versuchskaninchen.“ „Oh, dann entschuldige bitte.“, sagte Maron. „Hat IDUSA dir zufällig über dieses Gerät auch geflüstert, wo ich bin, oder hast du mich gespürt?“ „Beides.“, sagte Zirell. „Ich habe sie gefragt und dann kontrolliert, ob ihre Antwort mit meiner telepathischen Wahrnehmung übereinstimmt. Wenn es zwischen dem Koppler und seiner Feststation eine Störung geben würde, könnte das schon zu Kommunikationsproblemen führen, was zwangsläufig zu einer Fehlinformation führen würde.“ „Schon klar.“, grinste Maron, wurde aber gleich wieder ernst: „Entschuldige bitte, dass ich das Ding so abfällig als Haarspange bezeichnet habe.“ „Wenn das der einzige Grund ist, aus dem du dich entschuldigen musst, halte ich das noch für harmlos. Ich habe viel größeren Bockmist gebaut.“, sagte Zirell. „Dann kennst du meinen noch nicht.“, sagte Maron und zog sie langsam mit sich in Richtung seines Quartiers zurück, wo er beiden eine terranische heiße Schokolade replizierte.

„Also.“, sagte Zirell, nachdem sie einen Schluck aus ihrer Tasse genommen hatte. „Ich bin die Ranghöhere von uns beiden, sollte also mit dem Entschuldigen beginnen, wenn ich noch einen Funken Anstand im Leib habe. Schließlich bin ich für alle Mitglieder meiner Crew verantwortlich und es wäre sicher moralisch verwerflich, wenn ich etwas Unrechtes täte, ohne dafür Rechenschaft abzulegen.“ „Was in Mutter Schicksals Namen ist passiert?“, fragte Maron über den Tisch hinweg und warf ihr einen Blick zu, mit dem er sie, wenn dies anatomisch möglich gewesen wäre, tröstend umarmt hätte. „Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht.“, begann Zirell. „Dein Commander hat einen schweren Fehler gemacht. Sie hat Shimar mit voller Absicht und ohne Notwendigkeit in den Tod geschickt, nur weil sie in ihrem Hochmut geglaubt hat, die Genesianer fräßen ihr aus der Hand. Dabei hat ihr erster Offizier von Anfang an Recht mit seiner Vorsicht gehabt.“

Maron zog den Löffel, mit dem er die Sahne über seine Schokolade gegossen hatte, schwungvoll zurück, was zum Resultat hatte, dass ein riesiger Batzen Sahne genau auf dem Brustteil seiner Uniformjacke landete. „Das passt ja.“, grinste er. „Was meinst du damit?“, fragte Zirell lachend, denn sie hatte gesehen, wie sich der Fleck langsam aber sicher weiter ausbreitete. „Weißt du.“, begann Maron. „Der erste Offizier, dessen Commander hier gerade so reumütig zu Kreuze gekrochen ist, hat nämlich auch keine weiße Weste. Er hat etwas getan, für das ihm seine Lehrer auf der Akademie dermaßen die Ohren lang gezogen hätten, dass die Beantragung der Staatsbürgerschaft auf der Heimatwelt der Ferengi für ihn kein Problem darstellen sollte.“ „Was wird denn das Schlimmes gewesen sein?“, fragte Zirell verständig. „Ich habe eine Zeugin in die Arme der Person getrieben, die von ebendieser Zeugin verpfiffen worden ist. Die Person hätte sie auch beinahe gekriegt, wenn nicht zwei gewisse Vendar vorbeigekommen wären, die sie gerettet haben. Die haben mir auch gehörig den Kopf gewaschen. Ich hätte mich bei Ginallas Vernehmung nicht von meinen Vorurteilen leiten lassen dürfen. So abwegig ist ihre Aussage nämlich doch nicht. Jedenfalls war sie für Sytania wahr genug, um sie töten zu wollen.“ „Zwei Vendar.“, wunderte sich Zirell. „Wen meinst du und wann waren sie hier?“ „Ich rede von Sianach und Diran.“, sagte Maron. „Hat IDUSA dich nicht informiert?“ „Ich vermute, IDUSA wusste selbst nicht, dass sie hier waren.“, sagte Zirell. „Wenn es die Beiden sind, deren Namen ich jetzt in deinen Gedanken lese, dann kennen Sianach und Diran genau den toten Winkel von IDUSAs Sensoren. Sie werden sich auf die Station gebeamt haben und ihr Schiff hat in der Nähe gewartet.“ „Aber Diran hat mir doch Daten gegeben.“, sagte Maron. „Wie soll er so schnell …“ „Er wird mit seinem Sprechgerät dem Schiffsrechner die entsprechenden Befehle übermittelt haben, während du abgelenkt warst.“, fiel Zirell ihm ins Wort. „Du warst ja sicher noch mit seiner Frau beschäftigt.“ „Wohl eher sie mit mir.“, gab der Demetaner zu. „Sie hat mir ganz schön die Meinung gegeigt.“ „Du Ärmster.“, sagte Zirell und sah ihn mitleidig an.

Er hob seine Tasse ein letztes Mal. „Wir sollten zum Thema zurückkommen.“, sagte er. „Allerdings.“, meinte Zirell, die ebenfalls ausgetrunken hatte. „Ich würde sagen, jetzt sind wir quitt. Du hast dich bei mir und ich habe mich bei dir entschuldigt. Übrigens, laut IDUSA gab es keine kriegerischen Aktivitäten der Genesianer gegen New-Vendar-Prime. Kannst du dir einen Reim darauf machen?“ „Vielleicht wird der Planet und seine Bewohner in Ruhe gelassen, weil durch Sianach und Tchiach die weibliche Erbfolge gewährleistet ist.“, vermutete Maron. „Kann sein.“, sagte Zirell. „Aber das könnte auch bedeuten, dass Sianach und ihre Leute uns helfen könnten, ohne von den Genesianern behelligt zu werden, wenn die denken, dass dort alles in Ordnung ist.“ „Ich denke, dass sie uns helfen werden, hat Sianach schon bewiesen.“, sagte Maron. „Aber die Vendar werden auf der Hut sein, sowohl vor den Genesianern, als auch vor Sytania.“ „Gegen die wissen sie sich prima zu wehren.“, sagte Zirell lachend. „Und die Genesianer, na ja. Sianach und ihre Leute werden kapiert haben, dass die auch nur benutzt wurden. Sie werden sie also nicht zu hart anfassen, hoffe ich.“ „Da stimme ich dir zu.“, sagte Maron und stand auf: „Wir sollten gemeinsam zum Dienst gehen, jetzt, wo alles geklärt ist.“ Zirell nickte und folgte ihm.

Kapitel 33 - Undercover-Vorbereitungen

von Visitor

 

Cupernica hatte Sedrin abgeholt und war mit ihr den langen Gang zu dem Raum entlang unterwegs, den die Xylianer als Operationssaal ausgesucht hatten. „Ich nehme an, dass Sie die Operation leiten werden und D/4 nur assistiert.“, mutmaßte die Demetanerin. „Nein.“, antwortete die Androidin. „Genau umgekehrt wird ein Schuh draus, Agent. D/4 hat Erfahrung im Leiten von medizinischen Behandlungen an biologischen Wesen. Sie dürfen nicht vergessen, dass sie für lange Zeit Ärztin an Bord der Scientiffica war, als Scientist Miller als Verräterin entlarvt wurde und zu ihrer wahren Freundin übergelaufen war.“ Sedrin hatte das Gefühl, aus ihren Worten fast etwas bissige Ironie heraushören zu können. „Außerdem.“, fuhr Cupernica fort. „Ist es xylianische Technologie, die wir Ihnen einsetzen.“ „Soll mir recht sein.“, sagte Sedrin und scherzte: „Solange ich danach nicht irgendwelche Leute assimiliere.“ Cupernica quittierte ihren Scherz mit einem Schweigen.

Ohne dass eine der Beiden ihren biologischen Fingerabdruck hinterlassen hatte, glitten die Türen vor ihnen auseinander und gaben den Blick in einen großen recht hellen Raum frei, an dessen dem Eingang gegenüber liegender Wand ein Biobett stand. An dessen Kopfende stand D/4, die in Wartestellung zu sein schien. Cupernica und sie wechselten keine für Sedrin hörbaren Worte, aber die Agentin dachte sich, dass die Beiden sich wohl auf die gleiche Weise verständigen würden, wie es auch die Xylianer untereinander praktizierten. Sie konnte sich vorstellen, dass der sofortige Zugang zum Saal wohl auch etwas mit dem Xylianischen Implantat zu tun hatte, das Cupernica trug. Sicher kannte jeder Rechner im System bereits Cupernicas Signal.

D/4, die bisher mit dem Gesicht zum Biobett gestanden hatte, drehte sich jetzt Sedrin zu. „Bitte legen Sie sich auf das Bett!“, forderte sie die Agentin höflich aber bestimmt, wie es ihre allen sehr wohl bekannte Art war, auf. „OK.“, sagte Sedrin und folgte der Aufforderung. „Wir haben die Mitte des Kissens markiert.“, erklärte Cupernica. „Es ist äußerst wichtig, dass Ihr Kopf genau dort liegt.“ „Warum ist das so wichtig, Scientist?“, fragte Sedrin. „Damit wir den chirurgischen Transporter genau ausrichten können.“, antwortete Cupernica. „Außerdem müssen wir das Betäubungsfeld, das Ihr Gehirn am Empfang von Schmerzsignalen von Ihren Nerven hindert, ebenfalls genau ausrichten.“ „Warum legen Sie mich nicht einfach schlafen?“, fragte Sedrin. „Weil wir Ihre aktive Mithilfe benötigen.“, erklärte D/4. „Meine Mithilfe?“, fragte Sedrin irritiert. „Sie werden sehen, was wir damit meinen.“, sagte die Sonde und holte etwas aus einem mit einer sterilen Lösung gefüllten Behälter hervor. „Dies ist eines der Implantate, das wir Ihnen einsetzen werden.“, erklärte sie. „Wie Sie sehen können, hat es einen biosynthetischen Fühler. Den werden wir per Stimulation an Ihren Seh- beziehungsweise Hörnerv anheilen lassen. Dazu müssen wir dort einige Zellen entfernen, damit eine leichte Wunde entsteht. Ihr Körper könnte darauf mit Schmerz reagieren, was wir vermeiden wollen.“ „Verstanden.“, sagte Sedrin nüchtern. „Aber was meinen Sie mit meiner aktiven Mithilfe?“ „Wir werden Sie nach der Operation auffordern, bestimmte Dinge zu denken oder zu tun, damit wir die Implantate zuverlässig auf Ihre neuralen Signale einstellen können. Mit einem Narkosemittel im Blut könnten diese verfälscht werden.“ „Schon klar.“, sagte Sedrin. „Das Gehirn reagiert dann anders.“ Sie atmete ein paar Mal tief durch, bevor sie sagte: „Fangen wir an!“

D/4 ließ eine Art offener Haube von der Decke herunter, die an einem elektrisch gesteuerten Arm hing und eigentlich eher einer Spule ähnelte, in der sich an einer Wand eine weitere Öffnung befand, die das Ganze wie einen Halbmond aussehen ließ. Dieser legte sich jetzt um Sedrins Kopf. Dann hörte die Demetanerin etwas, das sie an die typischen Geräusche erinnerte, wenn sich ein Kraftfeld aufbaute. „Ich werde Sie jetzt in die Wange kneifen.“, sagte Cupernica. „Sagen Sie mir bitte, ob das für Sie noch schmerzhaft ist. Wenn wir an Ihren Nerven arbeiten, möchte ich keine bösen Überraschungen erleben. Außerdem weiß ich dann, dass wir das Feld korrekt eingestellt haben. Schließen Sie bitte die Augen, damit Sie meine Hand nicht kommen sehen und eventuell Ihre Erinnerung Ihnen und uns einen Streich spielt. Sie wissen ja, dass Kneifen im Allgemeinen wehtun müsste.“

Ruhig lag Sedrin da und harrte der Dinge, die da kommen würden. Allerdings erfolgte auf Cupernicas Kneifen keine Reaktion von ihr, was die Androidin und die Sonde mit Zufriedenheit zur Kenntnis nahmen. „Beginnen wir.“, sagte D/4 und gab Cupernica einige Instruktionen über ihre gemeinsame Verbindung. Die Androidin visierte einige Nervenzellen von Sedrins Hörnerv an und beamte sie heraus. Dann beamte sie das entsprechende Implantat an die Stelle. Ähnlich verfuhr sie mit dem visuellen Implantat. Dann wurde Sedrin einer Stimulatorbehandlung ausgesetzt, was die Fühler wie gewünscht einheilen ließ.

Die Tür des Operationssaales öffnete sich erneut und Z/9 betrat diesen. Er hatte einige Werkzeuge in der Hand. „Hallo, Agent.“, sagte er höflich. „Hi, Z/9.“, begrüßte ihn Sedrin. „Fühlen Sie sich in der Lage, mit mir Ihre Implantate einzustellen und ihre Bedienung zu erlernen?“, fragte die männliche Sonde. „Positiv.“, lächelte Sedrin und setzte sich auf. „Gut.“, sagte der Xylianer und im gleichen Moment hörte Sedrin eine Art Impuls und sah einen Lichtblitz. „Sind Sie das?“, fragte sie. „Ich meine, sind Sie in meinen Implantaten, Z/9?“ „Gut kombiniert.“, sagte er. „Und ja, das bin ich. So kann ich die Reaktionen besser einschätzen. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass wir über die Implantate auch mit Ihnen kommunizieren können und Sie auch mit uns. Aber das bringe ich Ihnen später bei. Wir sollten zunächst mit den grundlegenden Dingen beginnen. Denken Sie bitte: Audio aus.“ Sedrin folgte seiner Anweisung und hörte ein Signal, das von einem recht hohen Ton ausgehend immer tiefer und leiser wurde und schließlich ganz verstummte. „Sehr gut.“, lobte der Xylianer. „Die Reaktionstabelle, die Cupernica uns von Ihnen gab, scheint der Korrektheit zu entsprechen. Denken Sie jetzt bitte: Audio ein.“ Auch das tat Sedrin und das Signal erklang in umgekehrter Richtung. „Ich nehme an, jetzt bin ich wieder online.“, scherzte sie. „Das ist korrekt!“, sagte D/4.

Sie verfuhren ähnlich mit dem visuellen Implantat. Dann erklärte Z/9: „Wenn wir mit Ihnen kommunizieren, werden Sie etwas hören oder einen Text sehen. Wollen Sie antworten, denken Sie: Komm-Modus in Verbindung mit Audio oder Visio und dann denken Sie einfach, was sie sagen wollen. Sie können beide Implantate dazu in gleicher Weise benutzen. Sie setzen Ihre Gedanken in für uns lesbare Impulse um. Wollen Sie nicht mehr senden, denken Sie: Komm-Modus Ende.“ „Was mache ich, wenn die Genesianer die Implantate entdecken?“, sagte Sedrin. „Sie werden sagen, dass sie notwendig seien, weil Sie als Kind einen Unfall hatten.“, sagte Z/9. „Ich werde Ihnen jetzt den Datenkristall mit Ihrer Legende geben, die Sie lernen werden. Dazu sollten Sie Ihr Quartier aufsuchen. Unseres Wissens nach ist Ruhe für Bioeinheiten ein entscheidender Faktor, um lernen zu können. Cupernica wird Sie begleiten und Ihnen auch assistieren, falls es notwendig sein sollte. Wir geben Ihnen Bescheid, wenn wir die gewünschten Koordinaten erreicht haben.“ „OK.“, sagte Sedrin. „Ich werde Sie dann in Ihr Quartier bringen, Agent.“, sagte Cupernica. „Von mir aus.“, sagte Sedrin, nachdem sie aus der Hand des Xylianers den Datenkristall entgegengenommen hatte. „Ich werde Ihnen Bescheid geben, wenn Sie mich abhören können.“ Damit hakte sie sich bei der Androidin unter.

Shimar, Scotty und Clytus waren von Amidala zu ihren Arbeitsplätzen geführt worden. Dann hatte die Genesianerin sie wieder allein gelassen und war zu ihren übrigen Kolleginnen auf ihren Wachposten gegangen. „Jetzt zeig mir mal, was du drauf hast, du Wunderknabe.“, lästerte Scotty. Er hatte Shimar inzwischen darüber aufgeklärt, dass Amidala ihnen das Sprechen auch während ihrer Anwesenheit erlaubte. „Gern!“, grinste Shimar selbstbewusst und ging zu Clytus hinüber, der gerade damit beschäftigt war, wieder einmal einen Kristall Krümel für Krümel aus der Wand zu pulen. „Hey, darf ich dir mal zeigen, wie es besser geht?“, flapste Shimar. „Ich meine, damit können wir immerhin dein Leben retten. Deine Tante Tolea will das ja anscheinend nicht.“ „Du glaubst ihm doch nich’ etwa …“, setzte Scotty an. „Oh, doch!“, sagte Shimar fest. „Zunächst muss ich ihm glauben, bis das Gegenteil bewiesen ist. Oder kannst du einwandfrei beweisen, dass er kein Mächtiger ist oder vielleicht einmal einer war?!“ „Ne.“, musste Scotty kleinlaut zugeben. Er ahnte, dass Shimar wahrscheinlich Yetrons Erklärung benutzen würde, um seine Argumente zu entkräften. Dem wollte er entgehen. „Außerdem haben wir doch vereinbart, dass wir ihn zunächst dort abholen, wo er steht. Wir wollten doch erst mal zu ihm in seine Welt kommen, bevor wir ihn in die Realität holen.“, erinnerte ihn Shimar. „Schon klar.“, sagte Scotty. „Aber du siehst es ja. Psychologie war noch nie meine Stärke. Dafür bin ich nich’ sensibel genug. Das is’ eher deine starke Seite. Also gut. Ich lass’ dich machen und misch’ mich nich’ mehr ein.“ „Geht doch.“, grinste Shimar.

Er wandte sich wieder Clytus zu: „OK, Clytus. Dann will ich dir mal zeigen, wie du dein Leben retten kannst. Zunächst solltest du mit deiner Arbeit neu anfangen, indem du dein Werkzeug weglegst.“ Der Junge sah ihn verwirrt an, aber damit hatte der Tindaraner genau das erreicht, was er erreichen wollte. Auf Clytus’ fragenden Blick gab Shimar keine Antwort, was ihn veranlasste, zu tun, was ihm gerade aufgetragen worden war. Er dachte sich, dass er nur dann eine Antwort bekommen würde. „Na siehst du.“, lobte Shimar und nahm das eigene Werkzeug in die Hand. Er hatte von den Genesianerinnen keinen Erfasser bekommen, weil sie mit Hilfe der Sonde in seinem Kopf, die sie mit einer Fernsteuerung kontrollierten, seine Fähigkeiten derart zugelassen hatten, dass es ihm möglich war, energiehaltige Kristalle aufzuspüren. Mehr war aber nicht möglich. Das Störfeld, das die Sonde in sein Telepathiezentrum schickte, war entsprechend konfiguriert.

„Leg deine Hände auf meine.“, sagte Shimar. Clytus, der immer noch nicht ganz wusste, worauf sein neuer Freund hinaus wollte, ihm aber vertraute, tat dies. „Merkst du, wie langsam ich das Lasermesser um den Kristall bewege?“, fragte Shimar. Clytus nickte und fügte hinzu: „Es fühlt sich an, als wolltest du jemandem über die Wange streicheln.“ „Genau.“, sagte Shimar geduldig. „Und genau daran denke ich, wenn ich das hier tue. Wem würdest du gern über die Wange streicheln?“ „Eldisa von Zeitland.“, antwortete Clytus. „Ich liebe sie.“ „Dann möchte ich, dass du dir genau das vorstellst, wenn du einen Kristall aus der Wand schneidest.“, sagte Shimar. „Stell dir einfach vor, du würdest Eldisa über die Wange streicheln. Was du bisher gemacht hast, erinnert eher an Kratzen und kratzen möchtest du sie ja sicher nicht.“ „Nein.“, sagte Clytus. „Aber können wir das noch einmal zusammen machen?“ „Sicher.“, lächelte Shimar. „Aber du nimmst das Werkzeug und ich korrigiere dich nur, wenn es sein muss.“ „OK.“, sagte Clytus und nahm das Lasermesser in die Hand. Shimar umschloss seine Hand mit der Eigenen und tastete die Bewegungen des Jungen nach. „Denk an Eldisa.“, flüsterte er ihm zu. „Nimm die Ecken ruhig etwas großzügiger. Wenn etwas taubes Gestein am Kristall haftet, macht das nichts. Das erledigen die Wäscherinnen. Aber du darfst den Kristall selbst nicht beschädigen. Dann gibt’s Ärger mit den Genesianern. Fang am besten an den Seiten an und dann oben. Wenn du das getan hast, leg deine freie Hand auf die Mitte des Kristalls, damit er dir nicht abbricht. Erst dann schneidest du unten. Genau! Und jetzt lass ihn in deine Hand fallen.“ „Ich hab’s geschafft!“, rief Clytus aus. „Mein erster brauchbarer Kristall! Danke, Shimar!“ „Ich habe doch gar nichts gemacht.“, tat Shimar bescheiden. „Ich habe dir doch nur ein paar Ratschläge gegeben. Du warst derjenige, der sie eins zu eins umgesetzt hat.“ „Trotzdem!“, freute sich Clytus.

Eine von Amidalas Kolleginnen war auf den Tumult aufmerksam geworden. Sie kam herüber und sah sich das Ergebnis an. „Kann er das reproduzieren, Tindaraner?“, wendete sie sich an Shimar. „Ich meine auch ohne dich?“ „Das denke ich schon.“, sagte Shimar. „Dann soll er es mir zeigen!“, sagte sie fest. Shimar warf seinem Schüler einen auffordernden Blick zu. „Ich habe Angst.“, flüsterte Clytus. „Was ist, wenn ich zu aufgeregt bin.“ „Denk an Eldisa.“, flüsterte Shimar zurück. „Stell dir vor, die Felswand sei ihr Gesicht.“ Dann zeigte er auf eine Stelle, an der es eine weitere Ader mit Kristallen gab. Clytus nahm sein Werkzeug und ging zu der Stelle hinüber, um gleich mit der Arbeit zu beginnen. Die Genesianerin ließ die gesamte Zeit ihre Augen nicht von ihm. Staunend sah sie, wie er einen Kristall nach dem anderen aus der Wand holte. „Das kann ja wohl nicht wahr sein!“, staunte sie. „Erst produzierst du nur Abfall und kaum ist der Neue hier, da … Da …“

Blass winkte sie Amidala. Diese ließ sich von ihrer Untergebenen zunächst auf Genesianisch schildern, was diese gesehen hatte. „Ich werde mir jetzt selbst ein Bild machen!“, sagte sie ruhig aber bestimmt und schickte die Wärterin mit einem Handzeichen auf ihren Posten zurück. Dann wandte sie sich an Clytus: „Fördere mir einen Kristall!“ Wortlos lächelte und nickte Clytus und begann mit der Arbeit. Dabei ließ er nicht außer Acht, was Shimar ihm beigebracht hatte. „Das ist ja nicht zu fassen.“, sagte Amidala lächelnd, als sie das Ergebnis von Clytus’ Arbeit in den Händen hielt. „Wenn du so weiter machst, dann rettet das dein Leben! Weißt du das?“ „Ja.“, sagte Clytus. „Deshalb mache ich das ja auch.“ „Ich werde gleich der Prätora von deinem Fortschritt berichten.“, sagte Amidala. „Diesen Kristall werde ich als Beweisstück mitnehmen.“ Damit ging sie.

Auf der Canara war man überrascht über Amidalas Bericht. „Ihr müsst das Urteil gegen den Jungen revidieren!“, sagte die Wärterin. „Ich habe einen Beweis, Prätora.“ Sie hielt den Kristall in die Kamera des Sprechgerätes. „Warum hat der Junge das auf einmal gelernt?!“, fragte Yanista missmutig. „Das liegt an dem tindaranischen Gefangenen.“, sagte Amidala. „Er hat es ihm beigebracht.“ „Also schön.“, sagte Yanista. „Ich glaube dir. Er scheint ja doch noch eine ganz passable Arbeitskraft zu werden. Sag ihm, weil ich heute meinen großzügigen Tag habe, werde ich ihm sein Leben schenken.“ „Das werde ich ausrichten, Prätora.“, erwiderte Amidala und beendete die Verbindung.

„Jetzt verrat’ mir doch bitte mal, wie du dieses Wunder zustande gebracht hast.“, sagte Scotty. „Hast du das nicht gesehen?“, fragte Shimar. „Ich habe ihn einfach nur sozusagen mittasten lassen. In der Vergangenheit wurde das beim Fliegenlernen so gemacht, als es noch Fluggeräte mit mechanischer Steuerung gab.“ „Dann wundert mich gar nichts.“, sagte Scotty. „Auf so was kann auch nur 'n Pilot kommen. Ingenieure sind dafür zu doof.“ „Mach dich nicht kleiner als du bist.“, sagte Shimar. „Vielleicht bin ich einfach nur praxisnäher.“

Amidala kam zurück. An den freundlich blickenden Augen der Wärterin konnten die Männer gut sehen, dass sie wohl eine freudige Nachricht haben musste. „Ich habe mit meiner Prätora gesprochen und sie hat ihr Urteil revidiert.“, sagte sie freundlich zu Clytus. „Heißt das, ich darf hier bald raus?!“, fragte der Junge. „Nein.“, sagte Amidala. „Das heißt nur, dass du leben darfst. Raus kommt ihr hier nicht. Zumindest nicht, wenn ihr eure Körper mitnehmen wollt. Wenn ihr sterbt, werdet ihr auf einem Gefangenenfriedhof in diesem Planetensystem verscharrt. Vielleicht habt ihr ja Glück und dürft ab dann als Cobali weiter leben. Die streichen im Moment viel um diese Friedhöfe herum. Die Prätora hat damit kein Problem. Es sind ja nur Gefangene, noch dazu männliche Gefangene. Was mit denen nach ihrem Tod passiert, schert sie einen feuchten Romulanerfurz.“ Shimar wunderte sich über ihre Worte. Warum erzählte Amidala ihnen das? Was sollten sie mit dieser Information anfangen? Dass sie insgeheim auf ihrer Seite war, hatte er längst kapiert. Aber warum diese Informationen? Er beschloss, nach Schichtende in der Zelle weiter darüber nachzudenken.

Im Labor der Granger, das direkt an die Krankenstation angegliedert war, hatten sich Mikel und Learosh zu einem Experiment der besonderen Art verabredet. Die Zellprobe, die Mikel aus dem Inneren von Dirans Schiff genommen hatte, lag auf einem Objektträger, der wiederum in einer ballistischen Vorrichtung steckte, die mit dem Mikroskop gekoppelt war. Hinter dem Monitor saß Learosh und in einem Abstand von ca. drei Metern stand Mikel davor und hatte einen Phaser mit aufgesteckter Rosannium-Linse in der Hand, dessen Zielgerät auf die Probe eingestellt war. „Ich wäre dann so weit.“, meldete Learosh, der die Aufgabe hatte, die Veränderungen der Zellen, die jetzt vulkanischer Gestalt waren, zu beobachten. Würden sie dem Rosannium ausgesetzt, würde jegliche Energie von Sytania weichen und die Zellen würden wieder ihre natürliche DNS annehmen. Dann würden sie, so hoffte zumindest der Agent, einwandfrei beweisen, dass keine überaus großzügige Vulkanierin, sondern Sytania selbst hier am Werk war, die sich nur in eine Solche verwandelt hatte. „Gut.“, sagte Mikel. Ich werde dann für etwa zehn Sekunden mit niedrigster Stufe auf die Zellen feuern. „Sehen Sie gut hin, Medical Assistant!“

Er betätigte den Abzug und ein kurzer Lichtblitz zerriss die Luft. Dann sah Learosh auf den Bildschirm. „Sieht aus, als hätten Sie Recht, Sir.“, sagte der medizinische Assistent. „Die DNS der Zellen verwandelt sich von vulkanischer in imperianische. Warten Sie, ich mache es für Sie hörbar.“ Er drehte sich zum Mikrofon des Computers: „Computer, Veränderung der unter Mikroskop eins beobachteten Zellprobe alle zehn % ansagen!“ „Zellprobe zu 80 % vulkanisch und zu 20 % imperianisch.“, kam es zurück. Dann vergingen einige Sekunden und der Computer fuhr fort: „Zellprobe zu 70 % vulkanisch und zu 30 % imperianisch.“ „Ich verstehe.“, sagte Mikel. „Es handelt sich also tatsächlich um Sytania, die den armen Diran von vorn bis hinten verarscht hat!“ „Aber Agent!“, empörte sich Learosh. „Sorry.“, entschuldigte sich Mikel. „Ist mir so rausgerutscht. Man kann ja auch die Wut kriegen, wenn man so was hört!“ „Da stimme ich Ihnen zu.“, sagte Learosh. „Aber wie wollen Sie den Rest von Dirans Aussage beweisen?“ „Das weiß ich noch nicht.“, sagte Mikel. „Aber woher wissen Sie denn überhaupt davon?“ „Es hat eine Menge Gerüchte gegeben, Sir.“, sagte Learosh. „Außerdem behandelt meine Vorgesetzte gemeinsam mit mir einen komatösen Q auf der Krankenstation, den Diran hergebracht hat. Was soll ich denn da wohl denken?“ „Sie sind ein helles Köpfchen, Learosh.“, lobte Mikel. „Trotzdem wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn die Ergebnisse meiner Ermittlungen demnächst nicht mehr die Runde auf diesem Schiff machen würden!“ Dabei sah Mikel seinen Untergebenen streng an, soweit dies dem blinden Mann überhaupt möglich war. Die Eindringlichkeit seiner Ermahnung konnte er wohl besser durch eine lautere und langsamere Sprechweise ausdrücken. Learosh aber hatte ihn trotzdem verstanden. Das lag wahrscheinlich daran, dass er, wie Mikel schon gesagt hatte, eben tatsächlich ein sehr helles Köpfchen war.

Auch mich hatte es in letzter Zeit nicht immer, aber immer öfter, auf die Krankenstation gezogen. Ob meine Vorgängerinnen so viel Zeit bei einem Patienten verbracht hätten, wusste ich nicht, aber ich verbrachte fast meine gesamte dienstfreie Zeit bei Kairon. Ich berichtete ihm von meinem Alltag oder sang ihm vor, was ja ohnehin meine bescheinigte Lieblingsbeschäftigung war. Loridana hatte nichts dagegen. Sie fand sogar, dass ich ihm eventuell dadurch beim Aufwachen helfen könnte, zumal Kissara mich und Mikel längst darüber informiert hatte, dass wir, falls er aufwachen sollte, als seine Betreuer fungieren sollten. „Kairon wird sich ziemlich behindert fühlen.“, hatte sie gesagt. „Sie zwei haben auch eine Behinderung, kommen aber in unserer Gesellschaft prima zurecht! Er könnte also von Ihnen lernen. Deshalb habe ich gerade Sie ausgewählt. Das war’s! Wegtreten!“ Wenn sie das sagte, wussten wir, dass die Sache keinen Widerspruch duldete.

Gerade hatte ich eine demetanische Volkswaise angestimmt, als ich das Gefühl bekam, dass in Kairons bis dahin eher leblos anmutende Hand, die ich die ganze Zeit gehalten hatte, eine leichte Form von Spannung zurückgekehrt war. Vor lauter Schreckt darüber vergas ich sogar den Text. Loridana, die uns beobachtet hatte, wendete sich sofort dem Monitor zu. „Sieht aus, als wollte er zu uns zurückkommen.“, interpretierte sie die Bilder und Werte, die das Gerät ihr zeigte. „Singen Sie weiter. Dann findet er leichter hierher.“ Ich nickte, wechselte aber zu einem Popsong aus meinem Heimatjahrhundert, da mir der Text des Liedes, das ich eigentlich hatte singen wollen, vor lauter Aufregung nicht mehr einfiel. „Kommen Sie zu uns, Kairon.“, flüsterte Loridana ihm ins Ohr. „Kommen Sie hier her ins Licht.“

Einige Sekunden verstrichen und dann schrillte ein Alarm und der Computer machte uns darauf aufmerksam, dass Kairon gegen die Maschine atmete. Sofort nahm Loridana ihm die Maske der Lebenserhaltung ab. Kairon setzte sich auf und umarmte mich fest. Dann sagte er: „Meine kleine Stimme, die mich aus dem Dunkel geführt hat! Endlich sehe ich Ihr Gesicht!“ Er drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich ließ ihn gewähren, denn ich wusste, dass dies keine Zudringlichkeit war, sondern eher der Überwältigung über die Tatsache, dass er wieder unter den Lebenden weilte, zuzuschreiben sein würde.

Loridana war in einen anderen Raum gegangen und hatte von dort ihren Erfasser geholt, mit dem sie Kairon einiges veranschaulichen wollte. Jetzt war sie zurück und setzte sich mit ernster Mine auf sein Krankenbett. „Willkommen unter den Lebenden.“, sagte sie ernst. „Ich denke, es ist am besten, wenn ich Sie gleich über das Leben aufkläre, das Sie in Zukunft führen werden.“ „Warum Sind Sie so ernst, Scientist Loridana?“, fragte Kairon und versuchte, ihre Gedanken zu lesen, was aber aufgrund der Entfernung der toten Reste seines Telepathiezentrums nicht gelingen konnte. „Das Dämpfungsfeld ist nicht notwendig, Scientist.“, versicherte Kairon. „Ich bin doch Ihr Freund.“ „Kairon, es gibt kein Feld.“, sagte Loridana mit ruhiger ernster Stimme. „Sie haben Ihre Fähigkeiten verloren. Ihr Telepathiezentrum war tot. Ich musste die Reste entfernen, damit sie nicht Ihren ganzen Körper vergifteten. Die toxischen Stoffe, die abgeschwemmt worden wären, hätten …“

Er schlug die Hände vor das Gesicht. Ich erkannte, dass jetzt wohl mein Einsatz von Nöten sein könnte. „Ich bin hier, Kairon.“, sagte ich. „Ich weiß, dass dies ein Schock für Sie sein muss. Aber ich lebe schon seit fast 38 Jahren als Sterbliche. Ich weiß wie das geht und ich bin abkommandiert, es Ihnen zu zeigen. Aber ich würde das auch ohne Befehl tun.“ Dann umarmte ich ihn fest. „Vielen Dank, Allrounder.“, sagte Kairon. „Oh, mein Gott. Ich sollte eigentlich nicht so reagieren. Ich mag doch eigentlich die Sterblichen. Also sollte es doch für mich nicht schlimm sein, als einer leben zu müssen. Es tut mir aufrichtig leid! Wo ist nur mein Verstand?! Sagen Sie mir bitte nicht, der ist auch abhanden gekommen!“ „Für etwas Sympathie zu empfinden, oder es selbst durchmachen zu müssen, sind zwei verschiedene Paar Schuhe.“, erklärte Loridana. „Ich mag den Agent und den Allrounder auch, trotzdem könnte ich mir nicht vorstellen, von heute auf morgen ohne Augenlicht zu leben.“ „Das ist wohl auch der Grund, aus dem sie den Befehl hat, sich um mich zu kümmern.“, sagte Kairon und zeigte auf mich. „Genau.“, lobte Loridana. „Sie weiß nämlich, wie es sich anfühlt, mit einer kleinen Unzulänglichkeit klarzukommen. Betsy und Mikel sind die besten Lehrer für Sie, die sich unser Commander vorstellen konnte.“ „Dann sollte ich mich bemühen, ein gelehriger Schüler zu sein.“, sagte Kairon.

Ein Signal ertönte aus dem Lautsprecher: „An die gesamte Besatzung, hier spricht der Commander. Alle Offiziere werden gebeten, sich heute um 14 Uhr im Konferenzraum einzufinden!“ „Das ist ja in fünf Minuten!“, stellte ich erschrocken fest, nachdem ich auf meine Uhr gesehen hatte. „Ganz recht.“, bestätigte Loridana. Dann wandte sie sich an den Computer: „Computer, den Patienten auf Biobett eins überwachen und jede Veränderung an mein Handsprechgerät übermitteln!“ Sie wartete das bestätigende Signal ab und nahm mich bei der Hand: „Kommen Sie!“

Kapitel 34 - Versuchter „Dolchstoß“

von Visitor

 

Mikel und Kissara saßen bereits im Konferenzraum, als wir diesen betraten. Sofort beschrieb mir Loridana ihr Gesicht. „Sie schaut sehr niedergeschlagen.“, flüsterte die Ärztin mir zu. „Irgendetwas scheint nicht zu stimmen.“

Wir nahmen unsere Plätze ein und lauschten Kissaras Worten, die sie mit ernstem Ton an uns alle richtete. „Ladies und Gentlemen, ich habe Ihnen eine betrübliche Mitteilung zu machen.“, begann sie. „Aber eigentlich wird es besser sein, wenn Ihnen der Computer den Grund dafür vorliest.“ Damit betätigte sie ein Feld auf dem Touchscreen der Computerkonsole direkt vor sich. „Commander Kissara.“, begann die elektronische Stimme. „Leider bin ich im Parlament überstimmt worden und kann Sie nicht länger schützen. Der einzige Trost, der Ihnen bleiben könnte, ist der, dass Sie wahrscheinlich von Commander Cinia verfolgt werden, die eine Ihrer besten Freundinnen war. Vielleicht hat sie ein Einsehen mit Ihnen. Ich kann Ihnen nicht länger den Rücken freihalten. Unterzeichnet: Nugura.“

Eine bedrohliche Stille war plötzlich im ganzen Raum zu spüren. Eine Stille, in der man eine Stecknadel hätte fallen hören können. „Das ist die Realität, vor der wir jetzt stehen.“, referierte Kissara und zeigte auf die schriftliche Form der Mail, die ebenfalls für alle Sehenden gut sichtbar zu lesen war. Die Sache mit dem Vorlesen durch den Computer hatte sie wohl aus Rücksicht auf Mikel und mich initiiert.

„Wie denken Sie, wird Ihre Freundin reagieren, Kissara?“, fragte Mikel. „Ich meine, Cinia ist nicht gerade dafür bekannt, eine Jasagerin zu sein, die strikt nach den Befehlen der Regierung handelt, nur weil man sie ihr gibt. Ich denke, sie wird uns nicht viel tun, aber wir sollten es dennoch so aussehen lassen.“ „Sie denken an eine Art Scheingefecht, Agent.“, flüsterte Kissara ihrem ersten Offizier ins Ohr. „Sehr clever. Kang, Betsy, von Ihnen wird abhängen, ob die Regierung das wirklich glaubt.“ „Verstehe schon.“, scherzte ich und Kang nickte ebenfalls. „Ich kann sehr gut 'ne lahme Ente fliegen.“

So nannten wir Flieger umgangssprachlich ein Manöver, in dem vorgespielt wurde, das Schiff würde massive Antriebsprobleme haben und nur noch durch den Raum humpeln. Im Laufe meiner Ausbildung hatte sich dieses Manöver zu einem meiner heimlichen Lieblinge entwickelt. Einer meiner vielen Spitznamen, die mir meine Fluglehrer oft gaben, war daher auch Lahme-Enten-Betsy, was ich aber nie übel nahm. Die Professoren hatten nämlich immer gleich beigefügt, dass jeder Feind - und sähe er noch so gut hin - mir und dem Schiff das abnehmen würde. Mein damaliger Flugprüfer, ein Celsianer, hatte mich hinterher sogar Hollywood-Betsy genannt, weil ich aus dem Schulschiff richtige schauspielerische Qualitäten herausgeholt hatte, wie er fand. Dass das Fliegen einer lahmen Ente sogar Prüfungsstoff war, hatte ich wohl meinem ebenfalls celsianischen Hauptfluglehrer zu verdanken.

„Sie vergessen dabei nur, Allrounder, dass nicht Sie die lahme Ente fliegen müssen, sondern Ihre Kollegin Sulla.“, bremste Kang meine Freude. „Wenn das Scheingefecht so ausgehen soll, dass wir frei sind, dann müssen wir es ja wohl gewinnen. Das heißt, die Niagara ist das Schiff mit den Problemen.“ „Stimmt ja auch.“, sagte ich und schaute enttäuscht. „Schade drum.“ „Dann werden wir ja sehen.“, begann Kissara scherzhaft. „Ob Sullas lahme Ente mit Ihrer mithalten kann, Betsy.“ Alle lachten, aber den lautesten Lachanfall hatte Jannings. „Falls das nicht der Fall sein sollte, könnt ihr zwei ja mal Rezepte austauschen.“, witzelte Mikel.

Kissara legte den Finger an die Lippen, um uns wieder zur Ernsthaftigkeit zu ermahnen. „Wir dürfen das trotzdem nicht auf die leichte Schulter nehmen, Ladies und Gentlemen.“, sagte sie eindringlich. „Es ist auch möglich, dass Cinia durch die neue Art der Genesianer, mit der sie offensichtlich jetzt kämpfen bedingt einen Schock erlitten hat. Vielleicht macht sie die neue Macht, die sie jetzt haben so in Angst, dass sie sich nicht traut, gegen sie zu arbeiten. Wir alle kennen Cinia als aufrechte Person, die immer für das Gute eingetreten ist. Aber da hatte auch noch niemand den Genesianern verkauft, ihre neue Göttin zu sein und derjenige hatte auch noch nie so eine Macht demonstriert. Cinia ist auch nur ein Lebewesen wie Sie und ich und auch sie könnte Angst haben. Aber dann müssen wir ihr aus dieser Angst heraushelfen. Wir müssen ihr signalisieren, dass sie nicht allein ist und vielleicht bekommen wir sie ja sogar auf unsere Seite.“ „Dass die Genesianer diesem Mächtigen das geglaubt haben, ist schlimm genug.“, sagte Mikel. „Ich wüsste nicht, was ich machen würde, wenn jemand zu mir käme und sagte, er sei Jesus.“ „Du würdest den erst mal auf Herz und Nieren überprüfen, Herr Geheimdienst.“, flapste ich ihm auf Deutsch zu. „Da drauf kannst du wetten, Frau SITCH und flieg!“, gab Mikel fest zurück. „Klingonen würden auf so etwas gar nicht erst hereinfallen!“, sagte Kang und stand auf. Mikel räusperte sich und stand ebenfalls auf, um zu sagen: „Darf ich Sie zart an die Sache mit Kahless erinnern, Warrior?“ „Jetzt ist es aber genug, ihr zwei!“, sagte ich. „Sonst halte ich sofort an, wenn wir wieder auf der Brücke sind und dann dürft ihr aussteigen und laufen!“ Natürlich war das in Anbetracht der Tatsache, dass wir uns im Weltraum befanden, nicht ernst gemeint.

Unsere lockere Unterhaltung wurde allerdings jäh durch das Signal des Computers unterbrochen: „Annäherungsalarm!“ „Das war’s dann wohl mit der Besprechung.“, sagte Kissara. „Alle sofort wieder auf Ihre Posten!“ Mikel, Kang und ich begleiteten sie zur Brücke, während der Rest auch wieder die üblichen Stationen besetzte.

Ich hatte meinen Platz eingenommen und meinem Hilfsmittelprogramm befohlen, mir den genauen Kurs und den Namen des Schiffes mitzuteilen. „Es handelt sich tatsächlich um die Niagara, Commander.“, meldete ich. „Sie befindet sich auf einem genauen Schnittkurs zu uns.“ „Rufen Sie sie, Betsy!“, befahl Kissara. „Und stellen Sie sofort an mich durch. Ich möchte mit Cinia reden. Setzen Sie den Ankerstrahl und deaktivieren Sie unseren Antrieb.“

Ich bestätigte das Rufzeichen im Display, was mir durch den Computer gemeldet worden war und führte auch ihre anderen Befehle aus. Die Signale des Sprechgerätes verrieten mir aber bald, dass wir keine Antwort erhielten. „Sie antworten nicht, Commander.“, meldete ich. „Die Niagara bewegt sich außerdem weiter auf uns zu.“ „Mit welcher Geschwindigkeit, Allrounder?“, fragte Kissara. „Warp sieben laut Computer, Ma’am.“, antwortete ich. „Anscheinend hat sie es recht eilig, uns den Garaus zu machen.“, sagte Kissara leise. „Mr. Kang, was ist mit den Schilden und Waffen der Niagara?“ „Ihre Schilde sind online, ihre Waffen auch.“, meldete Kang knapp.

Er versuchte, die Schilde unseres Schiffes zu aktivieren, aber Kissara hob bedrohlich eine ihrer beiden tatzenartigen mit Krallen bewehrten Hände und sagte: „Die Schilde bleiben unten, Warrior, ist das klar?!“ Dabei zeigte sie ihre Krallenspitzen. „Wir werden nicht die Ersten sein, die das Feuer auf die eigenen Kameraden eröffnen. Cinia muss verstehen, dass sie in einem Irrglauben handelt. Betsy, sagen Sie dem Computer, er soll ihnen weiter auf die Nerven gehen!“ Was hinter ihrem doch sehr salopp formulierten Befehl stand, wusste ich und programmierte eine Rufwiederholung, die so lange andauern sollte, bis wir eine Antwort bekämen.

Die Niagara verlangsamte plötzlich und stoppte am äußersten Rand der eigenen Waffenreichweite gegenüber uns. Dann hörte ich ein Signal, das endlich eine Antwort auf unsere Rufe versprach. Wie befohlen stellte ich sofort durch, ohne den Ruf zunächst selbst zu beantworten. „Cinia, warum willst du auf uns schießen?“, fragte Kissara. „Weil ihr Abtrünnige seit.“, kam es zurück. Allerdings musste man kein sonderlich gutes Gehör haben, um merken zu können, dass sie wohl selbst mit der Situation nicht ganz einverstanden war. „Warum hebt ihr nicht einfach eure Schilde, damit wir dem Ganzen hier ein Ende machen können? Trotz aller Befehle werde ich nicht auf ein wehrloses Schiff schießen.“ „Interessant.“, versuchte Kissara, sie wachzurütteln. „Der Befehl der Regierung ist dir also doch nicht Rechtfertigung genug. Du erinnerst dich also tatsächlich noch an unsere Freundschaft. Wenn du das nicht tätest, dann hättest du uns jetzt ohne zu zögern abknallen können. Cinia, die Regierung ist im Irrglauben genau wie du und die armen Genesianer, die von irgendeinem Mächtigen für ein perfides Spiel missbraucht werden. Willst du das? Willst du eine Marionette für Sytania werden? Du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass die große Göttin der Genesianer zurückgekehrt ist. Aber wenn ich dich gerade richtig verstanden habe, dann wirst du uns ziehen lassen, wenn wir uns nicht wehren. Also dann fliegen wir eben um euch herum. Groß genug ist das Universum ja. Betsy, bringen Sie uns auf Kurs. Schön langsam!“

Ich aktivierte den Impulsantrieb und schob uns langsam an der Niagara vorbei. „Halt, Kissara!“, sagte die Stimme der Platonierin im Sprechgerät fest. „Ich habe Befehl, dich zu stoppen und das werde ich auch!“ „Dann bin ich mal gespannt, wie du das anstellen willst, wo du doch nicht auf ein wehrloses Schiff schießen kannst.“, antwortete Kissara im Gegensatz zu der immer nervöser werdenden Cinia ruhig. „Bitte flieg nicht weiter, Kissara!“, ermahnte sie uns eindringlich. „Wenn ich euch nicht stoppe, dann werden das andere tun, die weitaus gröber mit euch umgehen werden. Bitte kehrt um!“ „Kurs halten, Allrounder!“, befahl Kissara, die erst nachdem sie mir diesen Befehl erteilt hatte, den Sendeknopf losließ. „Na gut.“, sagte Cinia. „Du hast mit offenen Karten gespielt und deshalb werde ich das jetzt auch tun. Serena, feuern Sie auf …“

Das Nächste, das wir hörten, da auch Cinia den Sendeknopf während ihres letzten Befehls gedrückt hielt, war ein Geräusch, als würden sämtliche Schaltungen des Waffenpultes durchgebrannt sein. Dann sagte eine ziemlich bediente Cinia: „Also gut. Wie es aussieht, muss ich euch wohl ziehen lassen. Cenda muss erst mal unsere Waffen reparieren. Weiß der Himmel, was dafür gesorgt hat, dass sie plötzlich ausgefallen sind. Fliegt eurer Wege, aber seit vorsichtig.“ Sie beendete die Verbindung und die Niagara drehte ab. „Hat sie Cenda gesagt, Betsy?“, fragte mich Kissara. Ich nickte. „Dann war das kein Zufall.“, erwiderte sie. „Mikel, vernehmen Sie auf der Stelle Jannings zu eventuellen Möglichkeiten, die Systeme eines Schiffes entsprechend zu manipulieren. Ich habe ein ganz merkwürdiges Gefühl.“ „Aye, Commander.“, sagte Mikel und stand von seinem Platz auf.

Ginalla und Kamurus hatten die Partikelfontäne durchquert, die sie in Kamurus’ Heimat geführt hatte. „So sieht also dein Zuhause aus.“, stellte die Celsianerin fest, die noch nie eine Dimension ohne Planeten gesehen hatte. „Genau.“, sagte Kamurus. „Das ist meine Heimat.“

Er sendete ein Signal aus, auf das sich ihnen bald ein kleines schnittiges Shuttle näherte, von dem sie auch gleich gerufen wurden. „Warum hast du deine biologische Pilotin hierher gebracht?“, wollte das für Ginalla völlig fremde Schiff wissen. Kamurus hatte möglich gemacht, dass auch sie das Gespräch der beiden Schiffe hören konnte und sich, wenn sie wollte, hätte beteiligen können. „Sie ist bei uns am sichersten.“, erklärte Kamurus. „Sie trägt eine Information, die für Sytania sehr gefährlich werden könnte, aber genau so für den anderen Mächtigen, der hier noch seine Finger im Spiel hat. Deshalb möchte ich, dass du auf sie aufpasst. Ich überspiele dir jetzt alle Daten, die ich über die momentane Situation habe.“ Er initiierte die Datenverbindung.

Eine ganze Weile verging, in der sich das fremde Schiff offensichtlich die Daten ansah, die sie von ihm bekommen hatte und sie mit den eigenen Sensorenaufzeichnungen verglich. „Das würde einiges erklären.“, sagte sie. „Aber ich muss dich enttäuschen. Ich kann nicht auf deine biologische Pilotin achten, weil ich selber einen großen Teil dazu beitragen werde, dass alles wieder in Ordnung kommt. Weißt du, was im Raum-Zeit-Kontinuum los ist?“ „Nein, Sharie.“, sagte Kamurus. „Aber ich gehe davon aus, dass du es mir erklären wirst.“ „Du weißt, dass sich die Gegebenheiten aller Dimensionen verändern, wenn dort etwas nicht stimmt.“, setzte Sharie an. „Mir waren Veränderungen auch bei uns aufgefallen und ich habe mich mit einer interdimensionalen Sensorenplattform in Verbindung gesetzt, die du auch kennen solltest. Zumindest erinnert sie sich an einen gewissen Hackerangriff.“ „Erinnere mich bloß nicht.“, seufzte Kamurus. „Und mich bitte auch nich’.“, flapste Ginalla. „Das war die alte Ginalla, die es jetzt nich’ mehr gibt. Wenn das also der Grund is’, warum du nich’ auf mich aufpassen willst, dann sage ich dir, dass du von der keine Gefahr zu erwarten hast, Sharie. Kamurus liebt dich. Er würde dich nie in Gefahr bringen.“ „Du bist nicht der Grund, Ginalla.“, versicherte Sharie. „Der Grund ist, dass ich nur mit meinem biologischen Piloten zusammen die Bewohner des Kontinuums aus ihrer momentanen Lage befreien kann. Ich brauche jemanden mit ihrem Schneid, um meinen Plan durchführen zu können.“ „Welchen deiner biologischen Piloten meinst du, Sharie?“, fragte Kamurus. „Du hattest mehrere.“ „Das stimmt.“, antwortete das kleine Shuttle. „Aber unter ihnen war eine wie keine. Sie ist die Einzige, die ich für mutig genug halte.“ „Sprichst du von Tchey Neran?“, fragte Kamurus. „Ja, ich spreche von Tchey Neran.“, sagte Sharie. „Sie hat den gleichen Schneid wie Tom Paris. Ach, Alice hätte mit ihm ebenfalls sehr stark zum Gelingen der Voyager-Mission beitragen können, wenn du mich fragst. Aber sie hat ihre Chancen durch ihren Egoismus verspielt. Selber schuld! Den Fehler mache ich nicht!“ „Wow!“, machte Kamurus. „Das ist das erste Mal, dass du die, die dich bisher so voller Schuldgefühle geladen hat, mental angreifst. Sonst warst du immer sehr traurig und ängstlich, sobald die Sprache auf Alice kam.“ „Das ist vorbei!“, sagte Sharie überzeugt. „Alice soll mich nicht länger lähmen. Ich habe gezeigt, dass ich ganz anders als sie bin und das werde ich jetzt auch beweisen. Aber dazu brauche ich Tchey und sie braucht mich. Deshalb kann ich nicht auf Ginalla achten. Aber ich weiß, wer das übernehmen kann.“

Sie signalisierte einem weiteren kleinen Schiff, das wie ein Sportshuttle für Rennflüge aussah und das hinter ihr gewartet hatte. „Das ist Conus.“, stellte Sharie das fremde kleine Schiff vor. „Er ist eigentlich von seinen Programmen her noch nicht in der Lage, die Dimension zu verlassen, um sich einen biologischen Piloten zu suchen. Er kann die damit verbundenen komplexen Prozesse der Datenverarbeitung noch nicht wirklich steuern. Er will es aber unbedingt. Ich dachte, in geschützter Umgebung damit zu beginnen, sei zunächst ein guter Anfang. Wenn er hier auf Ginalla aufpassen könnte, dann …“ „Verstehe schon.“, sagte Kamurus. „Dann kann er sich im Zweifel an unsere Freunde wenden.“ „Genau.“, sagte Sharie. „Überspiel ihm bitte Ginallas Tabelle. Dann muss er sie nicht selbst erstellen.“ „OK.“, sagte Kamurus und tat, worum seine Freundin ihn gerade gebeten hatte.

„Du scheinst sehr viel über ihn zu wissen.“, stellte er fest. „Aber ist ein Proto-Schiff nicht viel zu jung für dich?“ „Ach du heiliger Antriebsschaden!“, rief Sharie aus. „Nein, so ist es nicht, Kamurus. Ich habe den Kleinen sozusagen adoptiert. Ich wollte dich vorher informieren, aber du warst nicht zu erreichen und er benötigte eine Einheit, von der er lernen konnte. Seine Elterneinheiten sind beide tragischerweise mit ihren biologischen Piloten abgestürzt. Die anderen werden sich kümmern, sobald ich weg bin. Ich habe schon alles mit ihnen besprochen und jetzt beam’ Ginalla bitte zu Conus. Wir haben keine Zeit!“ „Na schön, du Organisationstalent.“, scherzte Kamurus und aktivierte die Transportererfassung. „Sekunde!“, sagte Ginalla. „Gestatte deiner neugierigen Pilotin bitte noch eine Frage. Ihr habt von Eltern geredet. Ich meine, wie machen Raumschiffe es? Du weißt schon.“ Sie errötete im gleichen Moment. „Die Frage muss dir nicht peinlich sein.“, tröstete Kamurus. „Es gibt eine spezielle Technik von Datenaustausch zwischen uns, bei der das männliche Schiff dem weiblichen Schiff die Hälfte seines Betriebssystems nebst einem Unterprogramm zur Replikation von Hardware überspielt. Die Lücken werden von der Hälfte ausgefüllt, die sich bereits in dem speziellen Speicher des weiblichen Schiffes befindet und aus ihrem Betriebssystem besteht. Ist das neue Programm fertig, überspielt es die notwendigen Daten zunächst an den Replikator, der die Hardware erkennt und ihre Muster an den Transporter weiter leitet. Der Rest ist reines Beamen.“ „Dann repliziert sich also ein vollständiges Raumschiff vor den anderen im Weltraum?“, fragte Ginalla staunend. Kamurus’ Avatar nickte ihr freundlich zu. „Cool!“, meinte Ginalla und fügte hinzu: „Dann beam’ mich mal hin zu dem Kleinen.“ „OK.“, sagte er und führte ihren Befehl aus. „Ich begleite Conus noch bis zu den anderen.“, sagte Sharie. „Aber dann werde ich Tchey aufsuchen.“

Amidala und eine ihrer Kolleginnen hatten Scotty zum Austreten abgeholt. Jetzt war Shimar mit Clytus allein. Dem Tindaraner war aufgefallen, dass sein genesianischer Zellengenosse einen medizinischen Zugang im Arm hatte. „Warum hängst du am Tropf?“, fragte Shimar und schaute den Jungen interessiert an. Clytus aber schwieg nur. „Ich glaube nicht, dass sie eine Krankheit bei dir behandeln.“, fuhr Shimar fort. „Wenn sie das tun würden, dann hätten sie sicher auch schon was gegen die fiese Entzündung meiner Stirnhöhle gemacht. Wenn ich mir die Nase putze, habe ich das Gefühl … na ja. Reden wir lieber wieder über dich. Also, warum wirst du künstlich ernährt? Bist du etwa im Hungerstreik?“ „Du wirst mir das nicht glauben, wenn ich es dir sage, Shimar.“, sagte Clytus traurig. „Das weißt du doch gar nicht.“, ermutigte Shimar ihn, es einfach einmal auszuprobieren. „Ich habe dir doch auch wegen deiner Arbeit geholfen. Wenn man es genau nimmt, habe ich sogar dein Leben gerettet. Im Prinzip schuldest du mir was. Also, warum …“ „Weil ich nicht essen kann!“, rief Clytus verzweifelt. „Ich habe es versucht, aber ich weiß noch nicht einmal mehr, wie ich kauen oder schlucken soll. Ich weiß, dass ich es mal konnte, aber die Information ist weg, verstehst du, sie ist weg. Ich glaube, das war ein Teil von Tante Toleas Strafe.“ „Könnte ich mir vorstellen.“, sagte Shimar und signalisierte damit, dass er Clytus zunächst Glauben schenkte. Er hatte sich vorgenommen, möglichst neutral an die Sache zu gehen und sich nicht von vorgefertigten Meinungen in eine falsche Richtung lenken zu lassen. „Deine Tante will wohl, dass du zum Gespött wirst. Nach dem Motto: Der hält sich für einen Mächtigen, aber kann noch nicht mal essen. Aber das werden wir ändern, sobald Scotty wieder da ist und die Wärterinnen für ihn und mich das Frühstück gebracht haben.“ „Wie willst du das denn ändern?“, fragte Clytus. „Warte ab.“, grinste Shimar. „Das mit der Arbeit habe ich doch auch hingekriegt, oder?“

Die Tür wurde entsichert und Scotty hineingeführt. Hinter ihm und den beiden Wärterinnen kam eine Dritte in die Zelle, die zwei Tabletts mit Blechnäpfen am Boden abstellte. Dann gingen die Genesianerinnen wieder. „Das war der Zimmerservice.“, flapste Scotty. „Das kenne ich schon.“ „Das ist gut.“, sagte Shimar und öffnete einen der Deckel, die sich auf den Näpfen befanden. In dem Napf, der etwas höher als der andere war, befand sich klares Wasser. „Das weiß ich, dass das gut is’.“, sagte Scotty, ohne zu ahnen, was Shimar vorhatte. „Nach der Arbeit habe ich immer einen Bärenhunger. Echt schade, dass man hier nur 'ne Scheibe Brot und 'n Glas Wasser kriegt, aber … Hey, was machst du denn da?“

Er hatte gesehen, dass Shimar mit dem Wassernapf auf dem Weg zu Clytus war. „Halt keine Maulaffen feil, sondern hilf mir lieber!“, sagte Shimar fest. Langsam schlappte Scotty hinüber. Er war doch neugierig, was sein Freund tun wollte. Die Art, wie Shimar Clytus das Leben gerettet hatte, musste ihn schon ziemlich beeindruckt haben. „Kommt jetzt wieder so 'n Fliegerding?“, fragte Scotty. „Nein.“, lächelte Shimar. „Eigentlich möchte ich es eher als Urlaubsding bezeichnen. Magst du Longdrinks?“ „Du meinst die Sache mit dem Strohhalm und dem Schirmchen.“, sagte Scotty. „Aber ich glaube, das wird nix. Er kann ja noch nich’ mal schlucken.“ „Das bezweifle ich.“, sagte Shimar. „Er kontrolliert ja auch seinen Speichelfluss. Oder siehst du, dass wir ihn absaugen müssen, oder er hier alles voll gesabbert hat?“ „Ne, ne.“, meinte Scotty. „Aber das macht er doch unbewusst. Wie willst du ihm ermöglichen, dass er bewusst schlucken lernt?“ „Deshalb brauche ich deine Hilfe.“, sagte Shimar. „Ich kann ihm nicht gleichzeitig tropfenweise Wasser einflößen und seinen Hals überstrecken. Außerdem muss ich seinen Kehlkopf berühren, um zu sehen, ob es wirklich funktioniert. Das kann man nämlich besser fühlen als sehen.“ „Na gut.“, sagte Scotty und fasste Clytus’ Kopf mit seinen großen Händen. Dann zog er ihn vorsichtig nach hinten. Shimar kniete sich neben Clytus’ Kopf. „Hör mir jetzt genau zu.“, sagte er mit viel Geduld in der Stimme. „Ich möchte, dass du gleich genau beobachtest, was dein Kehlkopf macht, wenn Wasser in deine Speiseröhre läuft. Sobald du das merkst, möchte ich, dass du den Vorgang bewusst unterstützt. Scotty überstreckt deinen Hals, damit ich deine Kehldeckel sehen kann. Damit verhindern wir, dass du dich verschluckst.“

Er knotete eines der Tücher zusammen, die in der Ecke lagen und tauchte es in den Napf, um dann den heraustropfenden Inhalt mit der rechten Hand in Clytus’ offenen Mund fließen zu lassen. Mit der linken Hand, die er frei hatte, tastete er jede Bewegung seines Kehlkopfes ab. „Hast du gemerkt, was dein Kehlkopf macht?“, fragte er. „Ja.“, sagte Clytus, nachdem Scotty auf Shimars Wink seinen Kopf losgelassen und ihm somit das Antworten ermöglicht hatte. „Er ist so zusammengegangen.“ Im gleichen Augenblick schluckte Clytus demonstrativ bewusst, was Shimar ein Lächeln entlockte und ihn selbst in pures Erstaunen versetzte. „Ups.“, machte Clytus. „Ich würde das eher als Wow bezeichnen.“, sagte Shimar stolz und steckte einen Strohhalm, von denen es ja in der Zelle genug gab, in das Wasser im Napf. „Mach mal so.“, sagte er zu Clytus und spitzte die Lippen. Clytus tat es ihm gleich und Shimar steckte ihm den Strohhalm dazwischen. „Jetzt musst du ganz fest herunterschlucken.“, sagte er. „Ich taste deinen Kehlkopf ab. Dann sehen wir, ob … Ja! Das war gut! Weiter so!“

Plötzlich ließ Clytus den Strohhalm los. „Ich kann dir doch nicht dein ganzes Wasser wegtrinken.“, sagte er. „Mach ruhig.“, sagte Shimar. „Wir müssen den Wärterinnen ja irgendwie beweisen, dass du trinken kannst und was ist da besser, als ein leerer Napf? Sie werden mir dann zwar einen Neuen bringen müssen, aber das macht nichts. Morgen erhöhen wir dann den Schwierigkeitsgrad. Dann trinkst du ohne Halm.“

Clytus hatte tatsächlich bald den ganzen Napf geleert. „Ich kann trinken!“, quietschte er und umarmte Shimar fest, soweit sein geschwächter Körper dies zuließ. „Oh, ja, das kannst du.“, bestätigte dieser. „Und wie du das kannst. Aber zu einem gepflegten Frühstück gehört noch mehr. Willst du heute oder morgen lernen, wie man isst?“ „Am liebsten noch heute!“, rief Clytus aus. „OK.“, sagte Shimar und öffnete auch den zweiten Napf, um dem Jungen die Scheibe Brot zu geben. „Steck sie zwischen deine Zähne.“, wies Shimar ihn an. „Und jetzt drück deine Kiefer zusammen, bis sich deine Zähne begegnen.“ „Jetzt habe ich ein Stück abgebissen.“, sagte Clytus undeutlich. „Sehr gut.“, sagte Shimar. „Du merkst ja, dass dein Mund auf und zu geht, wenn du sprichst. Die gleiche Bewegung musst du jetzt auch machen, nur ganz fest. Deine Kaumuskeln werden noch trainieren müssen. Wenn du denkst, dass alles klein genug ist, schluckst du einfach. Keine Angst, Scotty und ich sind hier, falls du dich verschlucken solltest.“

Ohne Zwischenfälle war es Clytus bald tatsächlich gelungen, die gesamte Scheibe Brot aufzuessen. „Herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten Frühstück!“, freute sich Shimar und tanzte zu Scottys und Clytus’ Unterhaltung einmal quer durch die gesamte Zelle. „Ohne deine Anleitung hätte ich das nicht geschafft.“, meinte der Kleine. „Mag sein.“, sagte Shimar. „Aber du hast es umgesetzt. Du hattest den weitaus schwierigeren Teil. Aber du hast es hingekriegt.“ Eine weitere Tanzeinlage folgte. „Machen die Ausbilder beim tindaranischen Militär das auch so, wenn jemand was kapiert hat?“, fragte Scotty. „Klar.“, scherzte Shimar. „Was glaubst du, warum die alle so rank und schlank sind. Meine Professoren haben alle mindestens 30 Kilo abgenommen, während ich auf der Akademie war.“ „Streber.“, scherzte Clytus leise. „OK, du Tanzbär.“, scherzte Scotty. „Jemand sollte jetzt aber mal ein drittes Frühstück ordern.“ „Tu dir keinen Zwang an.“, meinte Shimar. „Du weißt ja, wo der Knopf ist.“

„Machen wir das heute Mittag wieder?“, fragte Clytus. „Sicher.“, sagte Shimar. „Obwohl ich glaube, dass ich dir nichts mehr erklären muss. Die Grundbegriffe hast du verinnerlicht.“ „Hoffentlich müssen wir ihm die Gegenrichtung nicht auch noch erklären.“, scherzte Scotty, erntete von Shimar aber nur ein abfälliges: „Ach.“

Kapitel 35 - Unverhoffte Hilfe

von Visitor

 

Ich war in mein Quartier gegangen, nachdem meine Zeit auf der Brücke geendet hatte. Sofort nach dem Betreten des Raumes hatte mir der Computer gemeldet, dass eine SITCH-Mail für mich eingegangen war. „Wer ist der Absender, Computer?“, fragte ich. „USS Niagara, Arbeitskonsole sieben.“, kam es zurück. Ich stutzte, denn als ausgebildete Kommunikationsoffizierin, die auch Rufzeichen herleiten konnte, wusste ich, dass dies das Rufzeichen der Arbeitskonsole im Maschinenraum war, die normalerweise dem Chefingenieur gehört. Cinias unfreiwilliger Hinweis auf Cenda hatte aber wohl auch sein Übriges zu meiner Vermutung beigetragen. „Vorlesen!“, befahl ich. „Es ist nur eine akustische Version vorhanden.“, gab der Rechner zurück.

Mir schoss durch den Kopf, dass Cenda diese Mail vielleicht nicht umsonst geschickt haben könnte. Ich dachte mir, dass ihr Vorhaben, ein Geständnis gegenüber mir abzulegen, sicher nicht der einzige Grund war. Dafür kannte ich Cenda zu gut. „Akustische Version abspielen!“, änderte ich meinen Befehl.

Der Rechner gab ein Signal von sich und dann hörte ich Cendas Stimme: „Hallo, Allrounderchen, sicher werden Sie wissen wollen, wer Ihnen gerade das Leben gerettet hat. Ja, ich war das. Mein Name ist Cenda Nia und es war nicht ganz allein meine Idee. Time und Yetron haben geplant, dass Yetron und ich den Kampf gegen die Genesianer überleben, damit ich eventuell auf die Niagara stationiert werden kann und alles sabotieren kann, was denen in die Hände spielt. Mir kann kein Schwein erzählen, dass es auf einmal die Art der Genesianer ist, wie Sytania zu kämpfen. Wie ich die einschätze, werden sie das eigentlich noch nicht mal als Kampf bezeichnen. Aber wir waren schon bei den ersten Berichten sicher, dass die total neben sich standen. Deshalb der Plan. Yetron wird wohl jetzt in einem genesianischen Gefangenenlager sein, wenn alles geklappt hat. Ich habe auch 'n paar Daten für Sie, die Ihr Agent wohl verflucht gern hätte. Sie schließen sich direkt an diese Aufzeichnung an. Es gibt keine Anlage. Mit konspirativen Grüßen, Ihre Frau Chefingenieur.“

„Computer, Pause.“, stammelte ich ins Mikrofon. Ich wusste, sie war ein hohes Risiko eingegangen, aber wenn sie es geschickt angestellt hatte, wovon ich ausging, würde man sie wohl schlecht erwischen können. „Computer, zu welcher zentralen Allzeit ist die Mail eingegangen?“, fragte ich. „Zentrale Allzeit 3035,1107.1420.“, gab der Rechner zurück. „Wann wurde der Ausfall der Waffen der Niagara registriert?“, fragte ich weiter, denn mittlerweile hatte ich eine Vermutung. „Zentrale Allzeit 3035,1107.1420.“, gab der Rechner zurück. Das konnte nur eines bedeuten. Cenda hatte die Mail abgeschickt, während ihr Programm, das die Überlastung für die Schaltungen des Waffenpultes befohlen hatte, aktiv war. Vielleicht war die Mail auch schon vorgefertigt im Rechner gewesen und hatte nur noch auf die Aktivierung gelauert, um sich dann automatisch an meine Adresse auf den Weg zu machen. Meine dienstliche Adresse kannte Cenda ja. Insgeheim waren wir nämlich befreundet, was auch die recht vertraute Anrede zwischen uns erklärte. Ich war heilfroh, dass die Sache mit der Freundschaft zwischen Brückenoffizieren und denen in unteren Rängen heute etwas lockerer gesehen wurde, als es noch vor rund 800 Jahren der Fall war.

Ein unbestimmtes Gefühl sagte mir, dass es besser war, jetzt Agent Mikel hinzuzuholen. Wenn Cenda Daten für uns hatte, dann würden diese ihn sicher auch bezüglich seiner Ermittlungen interessieren. „Computer, wo befindet sich Agent Mikel?“, fragte ich. „Agent Mikel befindet sich auf der Brücke.“, gab der Schiffsrechner zurück.

Ich betätigte die Sprechanlage: „Mikel, bitte komm her. Ich habe hier etwas sehr Interessantes.“ „Was ist denn los?“, fragte Mikel. „Ich weiß, wer für das plötzliche Durchbrennen der Waffen auf der Niagara verantwortlich ist!“, sagte ich mit sicherer Stimme. „Dann weißt du mehr als ich.“, erwiderte der Spionageoffizier. „Aber du machst mich sehr neugierig. Warte auf mich. Ich bin gleich da. Wo bist du?“ „Ich bin in meinem Quartier.“, antwortete ich. „OK.“, sagte er. „Ich komme.“ Damit beendete er die Verbindung.

Lange zu warten brauchte ich wirklich nicht, denn bereits einige Sekunden später wuselte ein aufgeregter Mikel um die Ecke. „Hier bin ich.“, sagte er. „Was hast du?“ „Das ging ja schnell.“, sagte ich und replizierte uns je ein Glas Cola. „Hatte Kissara dir nicht befohlen, Jannings zu vernehmen?“ „Doch, das hatte sie.“, sagte Mikel. „Aber der hat gerade mit der Wartung des Schiffes zu tun und in den Warpkern hinterher kriechen wollte ich ihm nicht.“ „Verständlich.“, sagte ich. „Da ist es immer so duster.“ Ich gab einen Laut wie ein Gespenst von mir. „Als ob uns zweien das was ausmachen würde, du Scherzkeks.“, sagte er ebenfalls lachend. „Aber jetzt sag mir doch mal, was du da gefunden hast.“ „Ich zeige es dir.“, erwiderte ich und drehte mich in Richtung des Mikrofons: „Computer, die sich auf dem Schirm befindende SITCH-Mail erneut von Beginn an abspielen!“

Es gab das bekannte Signal und dann hörte Mikel Cendas Stimme: „Hallo, Allrounderchen, sicher werden Sie wissen wollen, wer Ihnen gerade das Leben gerettet hat. Ja, ich war das. Mein Name ist Cenda Nia und es war nicht ganz allein meine Idee. Time und Yetron haben geplant, dass Yetron und ich den Kampf gegen die Genesianer überleben, damit ich eventuell auf die Niagara stationiert werden kann und alles sabotieren kann, was denen in die Hände spielt. Mir kann kein Schwein erzählen, dass es auf einmal die Art der Genesianer ist, wie Sytania zu kämpfen. Wie ich die einschätze, werden sie das eigentlich noch nicht mal als Kampf bezeichnen. Aber wir waren schon bei den ersten Berichten sicher, dass die total neben sich standen. Deshalb der Plan. Yetron wird wohl jetzt in einem genesianischen Gefangenenlager sein, wenn alles geklappt hat. Ich habe auch 'n paar Daten für Sie, die Ihr Agent wohl verflucht gern hätte. Sie schließen sich direkt an diese Aufzeichnung an. Es gibt keine Anlage. Mit konspirativen Grüßen, Ihre Frau Chefingenieur.“

„Es geht noch weiter.“, sagte ich. „Kann ich mir denken.“, sagte Mikel. „Das hat sie ja auch erwähnt. Sie hat wohl deshalb keine Anlage geschickt, weil die leicht hätte gefiltert werden können. So was konnten ja sogar die Programme in unserem Heimatjahrhundert schon.“ „Hm.“, machte ich, denn ich war total ins Zuhören vertieft.

Jetzt hörten Mikel und ich etwas, das Ausschnitte aus einer Konferenz an Bord der Basis 818 sein konnten. Dann klang es wie Kampfgetümmel. „Ich denke, um sicher zu gehen, sollten wir uns jemanden dazuholen, der diese Bilder interpretieren kann.“, sagte Mikel. „Für unser Hilfsmittel werden sie zu viele unbekannte Komponenten enthalten. Außerdem sind Zeugen immer gut.“ „An wen dachtest du?“, fragte ich. „Erst mal an Kissara.“, sagte Mikel. „Falls es notwendig ist, werde ich auch Jannings Bescheid geben. Wann ist die Mail eingegangen?“ „Zum gleichen Zeitpunkt, an dem auf der Niagara die Waffen ausfielen.“, erklärte ich. „Aber dass Cenda daran schuld war, hat sie ja zugegeben.“ „Stimmt.“, sagte der Agent. „Aber eigentlich müsste ich genau ermitteln, wie sie es gemacht hat.“ „Wir sollten die Mail nicht beantworten.“, sagte ich. „Das würde nur eine Spur legen und am Ende kriegt Cenda noch Ärger. Aber du wolltest doch mit Jannings eh noch Urlaub auf den Verhörinseln machen. Vielleicht weiß er ja auch, wie so etwas geht.“ „OK.“, sagte Mikel erleichtert. „Ich hatte schon die Befürchtung, du würdest ihr aus lauter Freundschaft und Freude antworten wollen oder hättest es schon getan.“ „Ich bin ausgebildete Kommunikationsoffizierin!“, sagte ich zu meiner Verteidigung. „Ich weiß über die Konsequenzen eines SITCH zur falschen Zeit am falschen Ort sicher mehr als du!“ „Ist ja gut.“, sagte Mikel. „Beruhige dich. Wir werden jetzt erst einmal Kissara Bescheid sagen und ihr das alles vorspielen. Mal sehen, was sie dazu meint.“ Ich bejahte.

Mit Donatha, einer ihrer engsten Beraterinnen, saß Agatha in ihrem Büro auf Angel One zusammen. Die Nachricht vom gescheiterten Versuch der Niagara, uns zu stoppen, hatte auch sie längst erreicht. Nun sah sie ihre Felle davonschwimmen. „An wen können wir uns jetzt noch wenden?“, fragte das Staatsoberhaupt verzweifelt. „Commander Kissara darf auf keinen Fall die Sache mit den Genesianern weiter verfolgen. Wenn sie einen Hinweis finden sollte, der auch nur im Geringsten auf eine Beteiligung eines Mächtigen hindeutet, dann werden die Genesianer unter Umständen alle besetzten Gebiete wieder aufgeben und dann ist alles umsonst. Dieser verdammte Riker! Warum musste er damals nur so überzeugend gegenüber Beata sein?“ „Entschuldige, dass ich eine Lanze für einen Mann brechen muss.“, setzte Donatha an. „Aber er konnte den glücklichen Umstand, dass wir in die Föderation gekommen sind und auch den, dass die Genesianer sie irgendwann erobern werden, nicht voraussehen. In die Zukunft sehen konnte er nicht. Immerhin war er Terraner und die haben diese Fähigkeiten nicht. Aber ich kenne jemanden, die sie hat und die uns auch sehr gern helfen würde.“

Sie zog einen Kontaktkelch hinter ihrem Rücken hervor, der Sytanias Weihezeichen trug. Da Angel One noch nicht lange in der Föderation war, konnten weder Agatha noch Donatha wirklich von den gemeinen Machenschaften der imperianischen Prinzessin Kenntnis haben. Zumindest hatten sie die Informationen, die ihnen diesbezüglich zugetragen worden waren, nicht wirklich ernst genommen. „Woher hast du den Kelch?“, fragte Agatha staunend. „Den habe ich wahrscheinlich von Sytania persönlich.“, antwortete Donatha. „Jedenfalls stand er plötzlich vor mir auf meinem Tisch. Als ich ihn berührt habe, hat Sytania zu mir gesprochen. Sie hat gesagt, dass sie uns in jedem Fall helfen würde.“ „Was für eine glückliche Fügung?!“, lächelte Agatha. Ihr war es egal, dass sie die Föderation unter Umständen Sytania in die Hände spielen könnte. Sie interessierte nur, dass der Status von Angel One genau so blieb, wie er seit Jahrtausenden war. Der Rest der Föderation konnte dafür ruhig über die Klinge springen.

„Glaubst du, dass Sytania etwas mit der Eroberung der Föderation durch die Genesianer zu tun hat?“, fragte Donatha, die jetzt doch irgendwie ein schlechtes Gewissen bekommen hatte. Das plötzliche Auftauchen des Kelches und Sytanias Bereitschaft, den Bewohnerinnen von Angel One zu helfen, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, war ihr jetzt doch nicht ganz geheuer. „Natürlich hat sie das.“, sagte Agatha, als sei es das Selbstverständlichste. „Aber das kann uns doch nur zum Guten gereichen.“ „Ich habe mir nur Sorgen gemacht, weil sie in den Berichten, in denen sie erwähnt wurde, immer als selbstsüchtig und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht dargestellt wird. Du darfst nicht vergessen, dass sie eine Mächtige ist, für die wir Sterblichen wahrscheinlich nur Schachfiguren sind. Was ist, wenn sie uns auch nur benutzen will?“

Empört sah Agatha die junge zierliche Frau mit den schwarzen Locken an. „Das ist männliche Propaganda!“, rief sie aus. „Ich verzeihe dir, weil du noch sehr jung bist und deshalb leicht auf so etwas hereinfallen kannst. Aber du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Dass Sytania dir ein solches Geschenk gemacht hat, zeugt nur von ihrer Großzügigkeit. Da sie eine Mächtige ist, wird sie sicher auch in der Lage sein, die Granger für uns zu stoppen. Wir sollten sofort Kontakt zu ihr aufnehmen.“ Damit stellte sie den Kontaktkelch so in Position, dass beide eine Hand auf seinen Fuß legen konnten. Die andere gaben sie einander. „Bitte denk jetzt an Sytania.“, flüsterte Donatha ihrer Freundin zu. „Sie hat mir gesagt, dass ich so Kontakt zu ihr bekommen kann.“

Im dunklen Imperium spürte Sytania den Kontaktversuch. „Ach nein.“, spottete sie. „Das kleine Naivchen, dem ich neulich einen Kontaktkelch verehrt habe, glaubt tatsächlich, ich würde auf ihre Rufe antworten und ihr zu Diensten sein. Dabei ist es eher umgekehrt.“ „Wovon sprecht Ihr, Milady?“, fragte Telzan, der wie meistens mit Sytania im Raum war. „Nun, sie glaubt, dass ich für sie die Granger stoppen werde, aber da hat sie sich getäuscht. Kissara weiß zu viel. Sie weiß genug, um Rosannium gegen mich einzusetzen. Außerdem würde ich mich verraten, wenn ich mich derart einmischen würde. Aber ich werde ihr bei Zeiten einen kleinen Tipp geben, wer diese Drecksarbeit für uns erledigen kann, wenn die Niagara es schon nicht geschafft hat.“ „Denkt Ihr, dass sie diesen Vorschlag annehmen wird, Gebieterin?“, fragte der Vendar. „Ich meine, sie hat so große Hoffnungen in Euch gesetzt, dass …“ „Sie wird ihn annehmen.“, sagte Sytania. „Zumindest dann, wenn ich ihn ihr entsprechend verkaufe. Schließlich habe ich sowohl bei ihr, als auch bei der noch naiveren Agatha schon fast den Status einer Göttin. Die Weisung einer Göttin wird eine wahrhaft Gläubige doch nicht in Frage stellen.“ Sie kicherte. „Verstehe.“, sagte Telzan und setzte ein gemeines Grinsen auf. „Die Genesianer machen die Drecksarbeit, Ihr müsst keine Angst vor Rosannium haben und die Bewohnerinnen von Angel One beten Euch demnächst als Göttin an, weil Ihr ihnen verkauft habt, an der Eroberung der Föderation durch die Genesianer allein schuld zu sein. Besser kann es doch gar nicht gehen, Prinzessin. In jedem Fall seid Ihr fein raus. Die Wahrheit kennt ja niemand auf Angel One und das soll auch so bleiben.“ „Genau.“, sagte Sytania. „Und wenn ich die Granger durch die Genesianer stoppen lasse, wird auch niemand die Wahrheit herausbekommen. Noch nicht einmal die Tindaraner glauben sie, obwohl Ginalla sie ihnen auf dem Silbertablett serviert hat. Aber sie hat eben einen zweifelhaften Ruf.“ „Den hat sie.“, sagte Telzan. „Und das ist auch der Grund, warum dieser Maron sich geweigert hat, in diese Richtung zu ermitteln. Sianach und Diran haben zwar das Gleiche ausgesagt, aber der Beweis steckt nun mal in Kamurus’ Datenbank und Kamurus ist Ginallas Schiff. Tja, Agent Maron, selber schuld.“ „Mikel lässt sich nicht so leicht von Vorurteilen leiten.“, sagte Telzan. Das könnte für uns gefährlich werden. Aber wie gesagt, wenn die Genesianer die Granger stoppen, dann ist alles wieder gut. Wie wollt Ihr den beiden Frauen eigentlich verkaufen, dass Euch die Sache zu kitzelig ist und Ihr lieber die Genesianer vorschickt?“ „Sei nicht so neugierig!“, tadelte Sytania ihren Diener. „Du wirst es ja gleich erfahren. Ich hatte gerade vor, den Ruf der Beiden doch noch zu beantworten. Ich habe sie nur zappeln lassen, um bei ihnen die Freude über eine Antwort zu erhöhen. Dadurch habe ich ihnen auch gezeigt, wie abhängig sie von mir sind. Je länger sie auf eine Antwort warten müssen, desto größer wird ihre Not. Dann sind sie um so empfänglicher für meinen Vorschlag. Nimm meine Hand und leg deine andere auf den Kelch. Dann wirst du auch hören, was wir besprechen!“

Telzan folgte ihrem Befehl. Der Vendar freute sich so sehr über die Gesichter der Beiden, dass er sein Grinsen nur schwer verbergen konnte. „Endlich antwortet Ihr mir, oh, göttliche Sytania, göttlichste aller Göttinnen.“, schleimte Donatha. „Natürlich beantworte ich die Gebete meiner Gläubigen.“, schauspielerte Sytania. „Was wäre ich denn sonst für eine miese Göttin?! Aber sprich, Sterbliche! Was ist dein Begehr?“ „Meine Freundin Agatha und ich.“, begann Donatha in einem fast devot anmutenden Tonfall. „Hätten gern, dass Ihr die USS Granger für uns stoppt. Natürlich nur, wenn es Euch in Eurer unermesslichen Weisheit und Gnade gefällt. Ihr wisst ja sicher, dass sie auf Eurer Spur sind und Euch jederzeit draufkommen könnten.“ „Natürlich weiß ich das!“, empörte sich Sytania. „Schließlich bin ich eine Göttin und weiß daher alles.“ „Werdet Ihr meiner Bitte also Folge leisten?“, fragte Donatha mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ich meine, wir werden Euch anbeten, Euch jederzeit opfern, wenn es notwendig sein wird. Wir werden …“ „Schweig still!“, befahl Sytania. „Mit der Granger habe ich meine eigenen Pläne. Ich werde sie nicht stoppen.“

Ihre Worte waren für Donatha und Agatha wie ein Stich ins Herz. Blass riss Agatha ihre Hand aus der von Donatha und zog die andere auch vom Kelch weg. „Wie kann sie uns so im Stich lassen?!“, fragte sie. „Sie ist eine Göttin.“, begründete Donatha. „Sie wird Gründe haben, die wir Sterblichen nicht verstehen. Wir sollten sie um Verzeihung für den plötzlichen Abbruch des Kontaktes bitten und ihr zuhören.“ „Also gut.“, sagte Agatha und legte ihre Hand wieder auf den Fuß des Kelches. Dann gab sie Donatha wieder die zweite Hand. „Ich sehe, ihr habt euch von eurem Schrecken erholt.“, sagte Sytania spöttisch. „Ja, oh, Gottheit.“, schmeichelte Donatha. „Bitte vergebt uns, aber wir haben nur so reagiert, weil wir auf Eure Unterstützung gehofft haben und …“ „Die sollt ihr auch bekommen.“, sagte Sytania. „Nur anders, als ihr denkt. Ich habe mich weitaus höheren Aufgaben zu widmen, als der, ein sterbliches Schiff zu stoppen. Aber auch die Genesianerinnen, die auch eure Schwestern im Glauben sind, stehen in meiner Gnade. Ihnen habe ich die Macht verliehen, die Granger zu stoppen. Seid ohne Sorge. Eurer Bitte wird Genüge getan. Nur nicht ganz so, wie ihr es euch vorgestellt habt. Aber ihr wisst ja, dass die Wege einer Göttin oft unergründlich sind.“ „Ja, größte aller Göttinnen.“, schmeichelte Donatha. „Ihr seid so weise.“ „Es ist gut, dass du das erkennst.“, sagte Sytania. „Deshalb werde ich dich zu meiner ersten Hohen Priesterin machen. Das Talent dazu hast du. Deshalb habe ich auch dir den Kontaktkelch gegeben.“ Ihr Gesicht, das die beiden Frauen vor ihrem geistigen Auge gesehen hatten, verschwand. „Ich bin so stolz auf dich, Donatha!“, lächelte Agatha. „Und du kannst es auch sein. Von unserer Göttin zur Hohen Priesterin gewählt zu werden, ist schon eine große Ehre. Von deinen Pflichten im Parlament von Angel One bist du selbstverständlich befreit.“ „Dann möchte ich nur noch einen Antrag stellen.“, sagte Donatha. „Ich möchte, dass unserer neuen Göttin der größte und schönste Tempel gebaut wird, den Angel One je gesehen hat.“ „Genehmigt!“, lächelte Agatha. „Schließlich wollen wir uns unserer Göttin gegenüber ja erkenntlich zeigen.“

Telzan hatte sich das ganze Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Er hatte jede Passage genossen. „Wie geschickt Ihr das mal wieder angestellt habt, Milady!“, lobte er und grinste dabei gewohnt süffisant. „Das war nur möglich, weil diese Donatha so schön naiv ist.“, sagte Sytania. „Bei einer Nugura oder einer Zirell hätte das sicher nicht so gut geklappt. Aber sei es drum. Wichtig ist, dass ich ihre Anbetung sicher habe und sie alles für mich tun würden. Vielleicht ist das ja noch mal wichtig.“ „Ihr meint, falls die Genesianer die Granger auch nicht stoppen können …“, sagte Telzan. „Genau davon rede ich.“, sagte Sytania. „Ihr habt den Genesianern doch nicht wirklich von Euren Kräften abgegeben.“, versicherte sich Telzan. „Wo denkst du hin?“, antwortete Sytania. „Wichtig ist nur, dass die Dummchen von Angel One das glauben. Dann werden sie mit Freuden für mich über die Klinge springen.“ Wieder ließ sie ihr gemeines hexenartiges Lachen erklingen.

Kapitel 36 - Tricks

von Visitor

 

Maron hatte sich mit Joran in einem der Aufenthaltsräume der Station getroffen. Dem ersten Offizier war etwas mulmig angesichts der neuen Tatsachen aber auch der eigenen Fehler geworden. Nicht genug damit, dass er Ginallas Aussage keinen Glauben geschenkt hatte und dass die Indizienkette sich trotzdem verdichtet hatte, nein, jetzt hatte er auch über die Situation, in der Shimar wahrscheinlich war, nachgedacht. Wenn Zirell so weiter machte, würde sie sich noch selbst in Gefahr bringen. Ihre offene Rebellion, die sie damit ausdrückte, dass sie sowohl Joran, als auch Maron immer noch in ihren gewohnten Positionen beschäftigte, musste enden! Wenn sie den Beiden schon nicht von allein kündigen würde, müssten sie es wohl selbst tun. Aber Maron wusste auch, dass Zirell seine und Jorans Kündigung nicht so einfach annehmen würde. Es würde schon einer Menge Überzeugungskraft bedürfen. Darüber würde er mit dem Vendar jetzt sprechen. „Denkst du nicht, dass dieser Platz ein wenig zu öffentlich ist, Maron El Demeta?“, wollte Joran wissen. „Das ist ja gerade das Gute.“, erklärte Maron. „Gerade weil er so öffentlich ist, wird Zirell nicht vermuten, dass wir zwei hier ein konspiratives Treffen abhalten. Würden wir uns bei Nacht und Nebel in deinem oder meinem Quartier treffen, sehe das schon anders aus.“ „Gehst du davon aus, dass sie nachforschen würde?“, fragte Joran. „Allerdings.“, nickte Maron. „Sie weiß, dass ich von Anfang an nicht wirklich mit ihrem Plan der offenen Rebellion einverstanden war und sie wird sich denken können, dass ich Shimars offensichtliche Gefangennahme durch die Genesianer als Argument benutzen werde. Wir müssen aus diesem Beschäftigungsverhältnis raus, Joran. Zirell muss uns kündigen und wir müssen unehrenhaft entlassen werden, damit sie sich nicht selbst gefährdet. Wer weiß, was die Genesianer mit ihr machen, wenn sie ihr habhaft werden. Auch die haben Rosannium!“ „Du hast doch sicher schon einen hinterlistigen Plan, Maron El Demeta.“, lachte Joran und betonte Demeta besonders. „Den habe ich.“, sagte Maron. „Zirell ist darauf gefasst, dass ich zu ihr komme und alle rhetorischen Register ziehe, um meine und deine Entlassung durchzusetzen. Aber von dir denkt sie das womöglich nicht. Deshalb wirst du zu ihr gehen. Du wirst zunächst nur für dich sprechen. Das wird sie hoffentlich verwirren und dann ist sie reif für meinen Teil des Plans.“ „Wie du wünschst, Maron El Demeta.“, grinste Joran und stand auf.

Zirell saß in ihrem Quartier, als die Sprechanlage Jorans Kommen ankündigte. „Komm rein.“, sagte sie.

Mit festem Schritt betrat der Vendar ihre Räumlichkeiten. „Ich bin im Wohnzimmer.“, gab Zirell ihre genaue Position an. Joran betrat den Raum und setzte sich zu ihr auf das Sofa. „Was ist der Grund, aus dem du mich auch einmal in deiner und meiner dienstfreien Zeit besuchst?“, lächelte die Kommandantin. „Sonst verbringst du diese Zeit doch meistens mit Jenna.“ „Der Grund, aus dem ich hier bin, ist dienstlicher Natur, Anführerin Zirell.“, sagte Joran. „Also gut.“, sagte die Tindaranerin und replizierte beiden ein Getränk. „Was ist los?“, fragte sie, während sie die Gläser auf dem niedrigen Tisch abstellte. „Ich möchte hiermit offiziell um meine Entlassung aus deinem Kommando bitten, Anführerin Zirell.“, antwortete der Vendar fast feierlich.

Zirell stellte irritiert ihr Glas ab, das sie gerade gehoben hatte, um einen Schluck daraus zu nehmen. Sie befürchtete wohl, dass es ihr aus der Hand fallen könnte. „Warum willst du das?“, fragte sie. „Was habe ich dir getan?“ „Es hat nichts mit dir zu tun, Anführerin.“, tröstete Joran und setzte einen schmeichelnden Blick auf. „Aber was ist es dann?“, fragte Zirell. „Wenn du auf eine andere Basis zu einem anderen Kommandanten stationiert werden willst, dann müsste ich das mit der Zusammenkunft besprechen, aber die dürfen ja noch nicht einmal wissen, dass ich dich noch immer beschäftige.“

Joran grinste innerlich. Jetzt hatte sie ihm genau das Argument geliefert, das er gebrauchen konnte. „Ist dieses Wissen und diese Geheimhaltung nicht ungeheuer belastend für dich, Anführerin?“, fragte Joran. „Ich meine, wenn ich nicht mehr auf deiner Basis wäre, dann hättest du ein Problem weniger. Die Zusammenkunft würde …“ „Ich will dir mal was sagen, Joran!“, sagte Zirell fest, ja fast streng. „Keine Sytania und kein anderer Mächtiger wird Zirell eine falsche Zeitlinie diktieren. Wenn andere so leicht einknicken, nur weil sie Angst vor Konsequenzen haben, können sie sich gern in ihren Mauselöchern verkriechen! Ich werde das nicht tun! Deshalb wird auch mein bester verbliebener Patrouillenflieger männlichen Geschlechts bleiben. Du bist das größte Ass in deinem Job und … Moment. Ich werde dir mal was veranschaulichen!“

Sie nahm ihren Neurokoppler aus der Tasche und schloss ihn an, um IDUSA, nachdem diese ihre Tabelle geladen hatte, per Gedankenbefehl einzugeben: IDUSA, repliziere ein terranisches Skatblatt!

Interessiert sah Joran zu, wie sie die Schachtel mit den Karten aus dem Auswurffach nahm und zunächst die vier Asse und dann die vier Buben heraussuchte. „Was wird das?“, fragte der Vendar. „Willst du mit mir um meine Entlassung spielen?“ „Oh, nein!“, sagte Zirell, während sie die vier Asse in einer Reihe auf dem Tisch platzierte. Dann legte sie jeweils den passenden Buben darunter. Danach suchte sie die schwarze Dame heraus und legte sie unter die anderen beiden Reihen genau unter den Herzbuben. „Also schön.“, sagte sie dann. „Einer der Buben, der ein Ass in seinem Job ist, ist verschollen. Keiner weiß wo.“ Damit legte sie den Pike-Buben und das Pike-Ass in die ebenfalls replizierte Schachtel zurück. „Außerdem ist Ishan auch nicht von dem Männerproblem betroffen, weil er in den Augen der Genesianer eine Maschine ist.“ Damit schob sie das Karo-Ass und den Karo-Buben beiseite. „Jetzt liegen da nur noch der Kreuz-Bube und das Kreuz-Ass und der Herz-Bube und das Herz-Ass.“, stellte Joran fest. „Richtig.“, sagte Zirell. „Nehmen wir an, der Herz-Bube bist du. Ich mache das so, weil du verliebt in Jenna bist. Sieh mal hin. Der Herz-Bube verhindert auch, dass die schwarze Dame in die Reihen eindringen kann. Und jetzt möchte der Herz-Bube gern gehen.“ Damit legte sie die Karte zur Seite. „Jetzt liegen da nur noch drei Karten statt vier in einem Block.“, stellte Joran fest. „Das Bild ist nicht mehr stimmig.“ „Ich könnte den Block wieder vervollständigen.“, sagte Zirell provokativ und schob die schwarze Dame an den Platz, an dem vorher der Herz-Bube gelegen hatte. „Ohne mich ist also der Rest ohne Schutz vor der schwarzen Dame.“, sagte Joran, der sich jetzt sehr gut denken konnte, wen die schwarze Dame in Zirells Schaubild darstellte. „Im Moment steht da quasi, dass die schwarze Dame ein Ass in ihrem Job ist, uns zu überrumpeln, wenn ich nicht auf uns alle aufpasse. Also gut! Bitte mach das Schaubild wieder heil, Anführerin! Ich bleibe! Sytania darf keine Chance bekommen!“ „Na nu.“, tat Zirell verwundert. „Ich dachte, es sei dir egal, welche Karte die Reihe vervollständigt. Also auch, ob die schwarze Dame …“ „Es ist mir nicht egal!“, bestand Joran auf der Reparatur des Bildes. „Na also.“, sagte Zirell und tat, worum er sie gerade gebeten hatte. „Das sieht doch viel besser aus, nicht wahr?“, lächelte sie. „In der Tat.“, sagte Joran und ging ebenfalls lächelnd.

Die IDUSA-Einheit der Station beobachtete Maron genau. Der künstlichen Intelligenz war sein Verhalten extrem unklar. Wenn man sich genau ansah, was er dort tat, konnte man schon davon ausgehen, dass es etwas Merkwürdiges sein musste, zumindest wenn man ein Computer war und nur logische oder gelernte Dinge einordnen konnte. Dass Organische von Zeit zu Zeit merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag legten, war IDUSA zwar bekannt, dennoch hoffte sie, Maron würde ihr irgendwann erklären, warum er jetzt ständig zwei Pads mit Datenkristallen auf dem Tisch hin und her schob und dabei ständig die Zeit mit Hilfe seines Sprechgerätes stoppte.

Die künstliche Intelligenz beschloss, seine Reaktionstabelle zu laden und ihn einfach einmal danach zu fragen. Da Maron seinen Neurokoppler nicht dabei hatte, musste sie wohl oder übel auf den Simulator im Raum zurückgreifen. „Darf ich erfahren, was Sie hier tun, Agent?“, fragte sie, erhielt aber von Maron keine Antwort. Erst als ihm die Simulation das Gefühl gab, ihm auf die Schulter zu tippen, drehte er sich nach ihr um. „Ich trainiere.“, sagte er nur knapp und vertiefte sich wieder in sein Spiel. „Sie trainieren.“, wiederholte IDUSA sachlich. „Darf ich erfahren, was Sie trainieren, Agent?“ „Ich trainiere, Commander Zirell auszutricksen.“, antwortete Maron, ohne von seinen Pads aufzusehen. „Darf ich bemerken, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Ihnen dies gelingt, 0 % beträgt?“, fragte der Rechner. „Sicher darfst du das.“, grinste Maron. „Tindara ist ein freier Planet und sogar Computer wie du dürfen ihre Meinung äußern.“

Der Avatar machte ein genervtes Gesicht und ließ es für Maron so aussehen, als würde sie sich ihm gegenüber setzen. „Und ich dachte, ich wäre spitzfindig.“, sagte sie. „Wie du siehst, bin ich darin auch nicht wirklich schlecht.“, meinte Maron. „Aber erklär mir doch bitte, warum du meinst, dass ich Commander Zirell nicht austricksen können sollte. Ich meine, ich bin Demetaner. Du weißt, dass wir als sehr hinterlistig gelten. Wenn es mir gelingt, ihr den Datenkristall mit meiner Kündigung unter die Nase zu halten, wenn sie nicht damit rechnet und erst etwas anderes sieht, das sie unterschreiben soll, dann habe ich ihre Unterschrift auf diesem Pad, noch bevor du Unterschrift sagen kannst.“ „Dessen bin ich nicht wirklich sicher.“, warnte der Avatar. „Wieso?“, grinste Maron. „Bin ich immer noch nicht schnell genug?“

Verbissen schob er die Pads mit noch mehr Konzentration hin und her und verglich die Zeiten im Display seines Sprechgerätes. „Wieder eine Sekunde gespart.“, stellte er zufrieden fest. „Wenn das so weiter geht, kann ich beim Zirkus als Zauberer anfangen.“ „Der magische Maron vergisst dabei nur eins.“, erklärte IDUSA. „Ihm Gegenüber wird eine trainierte Telepathin sitzen, die mit Sicherheit längst weiß, was er vorhat. Deshalb meinte ich, dass die Wahrscheinlichkeit 0 % betrüge.“ „Zirell würde nie ohne Vorwarnung in meinen oder den Kopf eines anderen gehen.“, lachte Maron. „Außerdem vertraut sie mir und wird daher keinen Anlass sehen, irgendwas zu überprüfen. Natürlich ist es rein mathematisch gesehen richtig, dass sie diese Möglichkeit nutzen könnte. Aber Mathematik ist nicht alles, IDUSA. Ich kann mir denken, dass du das nicht verstehst, weil du ein Computer bist. Aber wenn ein organisches Wesen einem anderen organischen Wesen vertraut, können die Gesetze der Wahrscheinlichkeit schon einmal ausgehebelt werden.“

Erneut ließ er die Pads das Spiel vom Bäumchen wechsle dich spielen. „Verdammt, bin ich schnell!“, sagte Maron nach einem weiteren Vergleich der letzten beiden Zeiten. „Bestätigt.“, sagte IDUSA, die jetzt die Zeit mitgestoppt hatte. „Aber ich bezweifle, dass dies vor Zirell genau so gut klappen wird.“ „Das wagst du, mir einfach so an den Kopf zu werfen!“, sagte Maron. „Was wollen Sie tun?“, fragte der Avatar mit einem frechen Grinsen auf den simulierten Lippen. „Wollen Sie Techniker McKnight auf mich hetzen? Sie wissen, dass sie aufgrund der Rechtslage sich erst mal auch meine Version anhören müsste. Die Wahrscheinlichkeit beträgt 99,99 %, dass sie mich danach nicht umprogrammieren wird.“ „Entschuldige, IDUSA.“, bat Maron um Verzeihung. „Deine Meinung ist deine Meinung und aufgrund dieser wird dich auch niemand umprogrammieren. Sie hetzen ja auch keine Telepathen auf uns, die uns einer Gehirnwäsche unterziehen, nur weil wir eine andere Meinung als unser Gegenüber haben.“ „Fühlten Sie sich in Ihrer demetanischen Ehre verletzt?“, wollte der Avatar wissen. „In gewisser Weise.“, gab Maron zu. „Ich gebe zu, ich fühlte mich in dieser Debatte schon etwas herausgefordert. Aber dir mit Jenna zu drohen, wäre wirklich nicht sehr fair gewesen. Nur weil du nicht meiner Meinung bist, ist kein ausreichender Grund.“ „Ich finde es sehr gut, dass Sie das so sehen, Agent.“, sagte IDUSA. „Es gab Zeiten, da …“ „An diese Zeiten möchte ich mich selbst nicht mehr so gern erinnern.“, stöhnte Maron. „Aber das ist ja Mutter Schicksal sei Dank endlich Vergangenheit!“ „Dann betrachten Sie doch meine Äußerungen nicht als Herausforderung, sondern als Warnung.“, bot IDUSA an. „Also gut.“, sagte Maron. „Du kannst mich ja überwachen, wenn ich zu Zirell gehe. Dann wird sich ja herausstellen, ob du richtig gelegen hast, warnende Kassandra.“ „Ich denke, dass ich im Gegensatz zu der von Ihnen gerade angesprochenen mythologischen Seherin von der Erde schon mit meiner Prophezeiung richtig liegen werde, Agent.“, sagte IDUSA.

Joran betrat den Raum, was IDUSA gleich registrierte und zum Anlass nahm, um auch seine Tabelle zu laden. „Worüber habt ihr geredet, Maron El Demeta?“, fragte der Vendar den demetanischen ersten Offizier. „Und was in aller Götter Namen machst du da?“

Maron ließ die Inhalte der Datenkristalle beider Pads auf den jeweiligen Bildschirmen aufleuchten. „Ihr Vendar habt doch scharfe schnelle Augen.“, sagte er und legte die Pads vor Joran auf dem Tisch ab. „Das Eine ist ein Patrouillenplan und das andere ist deine Kündigung.“, sagte Joran, nachdem er sich beides flüchtig durchgelesen hatte. „In der Tat, wie du sagen würdest.“, sagte Maron mit einem Lächeln. „Jetzt verrate mir doch bitte, welches meine Kündigung ist!“

Er ließ die Pads kreisen. Dabei erinnerte sein Verhalten Joran zusehends an das eines typischen italienischen Hütchenspielers auf Terra. Der Vendar musste zugeben, noch nie so einen gesehen zu haben, aber Shannons Berichte sagten ihm schon genug. Schließlich deutete er mit einer überzeugten Handbewegung auf eines der Pads. „Was für ein Glück, dass wir um keinen Einsatz gespielt haben, Joran.“, sagte Maron. „Du hättest alles verloren.“ „Das ist korrekt.“, gab Joran zu. Neben: „In der Tat.“, war dies zu seiner zweiten englischen Lieblingsfloskel geworden. „Trotzdem glaube ich, dass dein Taschenspielertrick bei Zirell El Tindara nicht funktionieren wird.“ „Mach du’s erst mal besser.“, sagte Maron. „Wenn du so große Töne spuckst, kann ich doch wohl davon ausgehen, dass deine offene und ehrliche Methode dich zum Erfolg geführt hat. Also, wann holt dich Sianach?“ „Niemals.“, sagte Joran. „Was heißt das?“, fragte Maron schadenfroh. „Das heißt, dass Zirell El Tindaras Psychologie funktioniert hat und sie mich mit Kartenlegen überzeugen konnte.“ „Kartenlegen.“, lachte Maron. „Ich wusste gar nicht, dass du so abergläubisch bist.“ „Das hat mit Aberglauben nichts zu tun.“, verteidigte sich Joran. „Sie hat nur ein sehr eindrucksvolles Schaubild benutzt. Ehe ich mich versah, habe ich sogar selbst darum gebeten, bleiben zu dürfen.“

Maron sah seinen Untergebenen abfällig an und machte ein auf Missfallen hindeutendes Geräusch mit dem Mund. „Wenn du glaubst, dass du es vor Zirell besser hinkriegst, dann beweise es.“, sagte Joran. „IDUSA und ich werden dir gern zusehen.“ „Also gut.“, sagte Maron und stand auf. „Dann spitzt mal Ohren und Sensoren und seht einem Meister bei der Arbeit zu.“ Damit ging er.

Zirell hatte IDUSA bereits das Blockieren der Tür befohlen, als Maron ihr Quartier betrat. Eigentlich hätte der erfahrene Kriminalist jetzt misstrauisch werden müssen, aber dafür war er wohl von seinem eigenen Trick zu überzeugt. „Ich habe dich schon erwartet, Maron.“, sagte Zirell. „Ich hoffe, du willst nicht auch noch kündigen.“ „Nein.“, log Maron. „Das habe ich nicht vor. Ich wollte dir nur etwas zum Unterschreiben vorbeibringen.“

Wieder tauschte er die Pads in seinen Händen. Dann sah er, wie sich Zirell das vor ihrer Nase liegende Pad nahm und ihren biologischen Fingerabdruck mittels Ablegen ihres rechten Daumens auf dem entsprechenden Feld hinterließ. „Vielen Dank, Zirell.“, sagte Maron. „Ich werde dann die Flugbereitschaft verständigen, damit sie mich nach Tindara bringen, von wo aus ich einen Liner nach Demeta nehmen werde. Was du gerade unterschrieben hast, war nämlich meine Kündigung.“ „So?“, fragte die Kommandantin grinsend. „Wenn du denkst, dass du mich hereingelegt hast, dann schau dir mal genau an, welches Pad ich unterschrieben habe.“

Blass sah Maron auf die Pads. Tatsächlich prangte ihre Unterschrift nicht auf seiner Kündigung, sondern auf dem Patrouillenplan. „Woher wusstest du das?“, stammelte er. „Woher ich das wusste?“, lachte Zirell. „Bei allen Göttern, Maron, ich bin eine geübte Telepathin! Was du vorhattest, war für mich so offensichtlich, dass es schon zum Himmel geschrieen hat.“ „Ich nehme an, eine Dosis zellarer Peptidsenker hätte da auch nicht viel genützt, weil ich mir die von Ishan hätte abholen müssen und der hätte es gemeldet. Dann wärst du auch alarmiert gewesen. Aber, Zirell, du darfst uns nicht weiter beschäftigen. Wenn du …“ „Das lass mal meine Sorge sein!“, sagte Zirell streng. „Wenn ihr zwei euch nicht irgendwas ganz Pflichtvergessenes leistet, werdet ihr eure Posten hier nicht los und das werdet ihr nicht tun. Dafür kenne ich euch zu gut und jetzt wegtreten!“

Geplättet verließ Maron den Raum. Er wusste, dass er jetzt nicht nur sich selbst, sondern auch Joran gegenüber seine Niederlage eingestehen musste und vor IDUSA musste er jetzt wohl auch zu Kreuze kriechen. Sie hatte ihn ja gewarnt. Er hoffte nur, dass Shannon von dem Ganzen nichts erfahren würde. Dann wüsste es nämlich bald die gesamte Station. Aber die Wahrscheinlichkeit war gering, da Joran es Jenna sagen würde, deren Assistentin Shannon war. Also würde er wohl demnächst mit einigen Lästereien leben müssen.

Agatha und Donatha hatten sich erneut mit der Situation um die Granger auseinandergesetzt. Noch ein Schiff würde die Regierung der Föderation nicht schicken können, das wussten die Frauen. Es war einfach keines verfügbar. „Das Blatt scheint sich trotz allem komplett gegen uns gewendet zu haben, Donatha.“, stellte Agatha fest. „Sytania hat gut Reden.“ „Aber so schlimm ist das alles nicht.“, tröstete die gerade erst in ihr Amt berufene Hohe Priesterin. „Unsere Göttin hat uns doch einen Weg aufgezeigt.“ „Denkst du wirklich, dass die Genesianer das für uns übernehmen werden?“, fragte Agatha ungläubig. „Ich meine, Shashana und ihren Leuten könnte doch im Prinzip egal sein, was die Granger herausbekommt. Wenn Kissara herausbekommen sollte, dass die oberste Göttin der Genesianer doch nicht zurückgekehrt ist und sie ihr glauben, dann kriegen sie doch nur eine gehörige Wut auf Sytania und werden sich gegen sie wenden. Wir wären ihnen egal. Am Ende würden sie sich vielleicht sogar noch bei uns dafür entschuldigen, dass sie unsere Gebiete aufgrund des Befehls einer Marionette von Sytania erobert haben und würden, wie es die Ehre in diesem Fall verlangen würde, die Gebiete aufgeben. Kissara würde hofiert.“ „Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass sie bei ihnen in Ungnade fällt.“, sagte Donatha. „Wie willst du das anstellen?“, fragte Agatha. „Wenn wir länger warten, haben wir dazu sicher keine Möglichkeit mehr.“, antwortete die Priesterin listig. „Aber noch hat Kissara keine Beweise für gar nichts. Wir werden der obersten Prätora der Genesianer aber sagen, dass sie fleißig dabei ist, unter den Kriegerinnen und auch unter den eroberten Völkern zu verbreiten, dass es keine Rückkehr der Wächterin von Gore gegeben hat. Noch glaubt Shashana ja uneingeschränkt an das Wunder von Sachometh.“ „Wie willst du ihr das beweisen?“, fragte Agatha. „Die Tatsache, dass sie noch immer im Weltraum herumschnüffelt, sollte der obersten Prätora Beweis genug sein.“, sagte Donatha. „Shashana ist extrem religiös. Wenn wir es geschickt anstellen, wird sie uns schon auf den Leim gehen.“

Agatha lächelte und gab das Rufzeichen der obersten Prätora in das Sprechgerät auf ihrem Schreibtisch ein. Gleich darauf meldete sich Shashana: „Was möchte das Staatsoberhaupt von Angel One von mir? Warum wendest du dich direkt an mich und gehst nicht den Weg über dein Parlament oder die Unterhändlerinnen?“ „Vergebt mir, oberste Prätora.“, schmeichelte Agatha. „Aber es gibt da ein Problem, mit dem wir nicht allein fertig werden können. Es geht um die rebellierende Besatzung der Granger. Commander Kissara zweifelt öffentlich an, dass Eure oberste Göttin zurückgekehrt ist. Ist das nicht ein Frevel?“ „Oh doch.“, sagte Shashana. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass ihr Hilfe dabei benötigt, mit einem eurer eigenen Schiffe fertig zu werden.“ „Kissara ist mit allen Wassern gewaschen.“, sagte Agatha. „Sie verfügt über das Talent der Gehirnwäsche. Sie ist eine niederträchtige ehrlose Kreatur, die mit dem Herrscher der Zwischenwelt im Bunde ist. Dieser will, wie es seit Jahrhunderten in Eurer Mythologie geschrieben steht, die Herrschaft über alle Welten. Die wollt Ihr ihm doch nicht etwa geben, oder?“ Sie ließ die Sendetaste los.

Jedes halbwegs wissenschaftlich denkende Wesen hätte jetzt wahrscheinlich über die Äußerung bezüglich der Einmischung des Herrschers der Zwischenwelt, der etwa Satan entspricht und einem eventuellen Bündnis zwischen ihm und Kissara achselzuckend geschmunzelt. Nicht aber die tief gläubige Shashana. Sie war mit der Mythologie der Genesianer aufgewachsen und hatte sie derart verinnerlicht, dass eine Existenz des Herrschers der Zwischenwelt durchaus in ihr Denken passte. Jenes Talent zur Gehirnwäsche, das Agatha gerade Kissara zugesprochen hatte, war ihr also selbst gegeben. Die Auserwählte von Angel One wusste, dass Shashana die Existenz der Wächterin von Gore anerkannt hatte und dass das Wunder von Sachometh ihr als Beweis dafür galt. Warum sollte der Teufel nicht auf diese Herausforderung reagiert haben?

Agatha lehnte sich zurück und genoss das Schweigen, das sich in der Verbindung eingestellt hatte. Sie war sich sicher, dass Shashana jetzt über ihre Worte nachdenken würde. Wenige Minuten danach hörte sie ein Signal, das ihr sagte, dass das Gespräch wieder aufgenommen wurde. „Du hast Recht.“, sagte Shashana. „Kissara muss mit dem Herrscher der Zwischenwelt im Bunde stehen, wenn sie so ein mächtiges Geschehen wie das Wunder von Sachometh anzweifelt. Ich werde ein Schiff schicken, das sie stoppen wird. Verlasst euch auf mich und danke für die Warnung. Kissaras giftigen Lügen muss ein für alle Mal Einhalt geboten werden.“ „Ich danke Euch, Oberste Prätora.“, sagte Agatha und stand extra von ihrem Stuhl auf, um einen gehörigen Knicks hinzulegen.

„Das die noch an den Teufel glaubt.“, lachte Donatha. „Für eine warpfähige Spezies doch reichlich primitiv, findest du nicht?“ „Oh, doch.“, sagte Agatha. „Aber es ist gut für uns. Auf diese Weise konnten wir sie dazu bringen, uns Kissara aus dem Weg zu räumen und Warpfähigkeit und Religion sind zwei Dinge, die sich nicht ausschließen.“ „Stimmt.“, grinste Donatha dreckig. „Aber um so besser für uns!“

Hera war allein auf der Brücke, als Shashana mit der Canara Kontakt aufnahm. „Wo ist deine Prätora?!“, fragte die oberste aller Kriegerinnen streng. „Prätora Yanista schläft, oberste Prätora.“, antwortete die junge Pilotin und Kommunikationsoffizierin wahrheitsgemäß. „Soll ich sie wecken?“ „Nein.“, sagte Shashana. „Ich will, dass du statt dessen sofort den interdimensionalen Antrieb eures Schiffes aktivierst und euch zurück ins Universum der Föderation bringst. Dort gibt es jemanden, die unbedingt gestoppt werden muss. Sie ist mit dem Herrscher der Zwischenwelt im Bunde und zweifelt am Wunder von Sachometh. Sie glaubt nicht, dass unsere oberste Göttin zurückgekehrt ist. Sie verbreitet, wir seien alle Marionetten eines Mächtigen. Aber das ist nicht so. Das hat der Herrscher der Zwischenwelt ihr nur eingeflüstert.“ „So etwas kann er. Das ist mir bekannt.“, sagte Hera. „Ich werde Euren Befehl sofort ausführen.“ „Sollte deine Prätora fragen, dann spiel ihr unser Gespräch aus dem Schiffscomputer vor.“, sagte Shashana. „Wie Ihr wünscht, oberste Prätora.“, sagte Hera und machte sich daran, die Befehle auszuführen.

In die nötigen Eingaben vertieft hatte sie nicht gesehen, wer hinter ihr die Brücke betreten hatte. Erst als Yanista näher kam und einen Blick auf den Schirm warf, erkannte sie ihre Kommandantin. „Was tust du da, Hera?!“, fragte Yanista streng. „Ich führe die Befehle der obersten Prätora aus, Prätora.“, sagte Hera ruhig. „Welche Befehle?“, wollte Yanista wissen. „Ich denke, wir haben Befehl, hier auf Zirell zu achten.“ „Offensichtlich nicht mehr, Prätora.“, sagte die junge Frau und ließ den Schiffsrechner das Gespräch zwischen sich und Shashana abspielen.

Die ebenfalls tief religiöse Yanista erstarrte, als sie die Erwähnung des Herrschers der Zwischenwelt hörte. Auch für sie war ein solches Szenario durchaus denkbar. „Du tust recht an dem, was du tust, Hera.“, stammelte sie blass. „Diese Hexe darf auf keinen Fall den Boden für die Herrschaft des Bösen in der Welt der Lebenden bereiten. Wir müssen sie stoppen. Unter allen Umständen müssen wir das. Bring uns dort hin und vor allem finde sie!“ „Ja, Prätora.“, nickte Hera.

Kapitel 37 - Unterrichtsstunden in trügerischer Sicherheit

von Visitor

 

Von der baldigen Begegnung mit den Genesianern ahnten wir nichts. Mikel hatte sich mit Jannings verabredet und ich war meinen normalen Geschäften nachgegangen, zu denen seit geraumer Zeit auch gehörte, dass ich mich um Kairon kümmerte. Ich fragte mich, ob Picard nicht auch Geordi zu der Betreuung eines gewissen Q hätte einsetzen können, als dieser temporär als Mensch hatte leben müssen. Aber die Situation war nicht mit der Unserigen zu vergleichen. Kairon war unser Freund und würde es auch immer bleiben, weshalb wir ihm jede Hilfe angedeihen lassen würden, die wir könnten. Da ich von meinem Betreuungsbefehl schon wusste, seitdem er auf dem Schiff war, hatte ich genug Zeit gehabt, mir manches zurechtzulegen, um ihm die angenehmsten Dinge über das Leben als Sterblicher beizubringen. Schließlich wollte ich nicht verantworten, dass er irgendwann in einer Depression endete. Es lag jetzt wohl in Mikels und meiner Verantwortung, was Kairon aus seinem Leben machen würde.

An diesem Morgen schritt ich wie immer den Gang zur Offiziersmesse entlang, als mich eine bekannte Stimme von hinten ansprach. „Allrounder, bitte warten Sie.“ Ich drehte mich um und bemerkte sichere aber eigentlich doch sehr fremde Schritte, die auf mich zukamen. „Kairon, Sie laufen sehr gut.“, scherzte ich. „Warum sollte ich das nicht.“, sagte er und ich bekam den Eindruck, dass er meinen Spaß nicht ganz verstanden hatte.

Er stellte sich neben mich und griff nach meiner Hand. „Bitte sagen Sie mir doch, warum ich nicht gut laufen sollte.“, bat seine tiefe freundliche Stimme. „Das war als Scherz gemeint, Kairon.“, sagte ich. „Ich wollte damit ausdrücken …“ „Ach so.“, fiel er mir ins Wort. „Sie haben etwas übertrieben, was? Sie meinten, dass wir ja eigentlich nur die ganze Zeit teleportieren und unsere Beine nicht benutzen würden. Na gut, dann sollte ich wohl erst mal wie ein Kleinkind mit dem Krabbeln beginnen, wenn es Sie glücklicher macht.“ „Na, na.“, lachte ich. „Wir wollen doch wohl keinen Schritt rückwärts tun!“ „Na gut.“, meinte Kairon. „Aber mich würde interessieren, wie Sie darauf gekommen sind, dass ich meine Beine so gut voreinander setzen kann.“ „Das habe ich an Ihrem Gangbild gehört.“, sagte ich. „Es gibt viele Dinge, die ich höre und für die ich deshalb keinen Sehenden brauche. Sie werden auch noch feststellen, dass man auch ohne Ihre Fähigkeiten ein erfreutes Leben haben kann und dass es andere Möglichkeiten gibt, Dinge zu tun oder zu erfahren, die vielleicht auch ganz reizvoll sein können.“

Kaum hatte ich ausgesprochen, da griff er meine Hand fester. „Was ist los?“, fragte ich alarmiert aber bereit, das eventuelle Problem sofort für ihn zu lösen, wenn es mir denn möglich wäre. „Ich fühle mich auf einmal so schwach, Allrounder.“, sagte Kairon. „Ich glaube, es wird besser sein, wir gehen auf die Krankenstation zurück. Loridana hätte mich wohl doch noch nicht rauslassen dürfen.“ „Die Medizin, die Sie jetzt benötigen, gibt es da drin.“, sagte ich lächelnd und deutete auf die Tür zur Messe. Ich war sicher, dass er nur Hunger hatte, denn ich hatte ihn heimlich mit meinem Erfasser gescannt, den ich in meiner Tasche hatte. Dies war Kairon allerdings verborgen geblieben. „Sind Sie sicher?“, fragte er irritiert. „Ich meine, immerhin ist dies die Offiziersmesse und keine Apotheke.“ „Vertrauen Sie Ihrer Betreuerin, Kairon.“, sagte ich. „Ich lebe schon seit 37 Jahren als Sterbliche. Ich weiß, was Ihr Körper jetzt benötigt.“ „Also schön.“, sagte er und folgte mir in die Messe.

Entgegen aller Protokolle führte ich ihn zum Tisch der Brückenoffiziere. Kissara und Kang waren nicht mehr da und sicher schon längst an ihren Arbeitsplätzen. Die Einzigen, die abgeschieden in einer Ecke hinter einem Raumteiler noch bei uns saßen, waren Mikel und Jannings. Der Agent hatte das Verhör des Ingenieurs wohl mit Absicht hierher verlagert.

„Das ist eigentlich Kangs Platz.“, sagte ich und deutete auf einen Stuhl neben mir. „Aber ich denke, er wird es Ihnen angesichts der besonderen Umstände nicht übel nehmen, wenn Sie sich darauf setzen. Ich hoffe, Sie wissen …“

Ein Geräusch zeigte mir, dass er den Stuhl zurückgeschoben hatte. „Fühlen Sie mal.“, ermutigte er mich und ich stellte tastend fest, dass er sich gesetzt hatte. „Wow!“, machte ich. „Sie sind ein Naturtalent!“ Dabei grinste ich ihn an. „Genau.“, sagte er lachend. „Ich bin der beste Sitzer diesseits dieser Schiffswände.“ Ich musste laut lachen, nahm mich aber sofort wieder zusammen. „Der Replikator kennt Ihre Stimmfrequenzen noch nicht.“, sagte ich ernst. „Jannings wird das ändern, sobald Sie sicher sind, was Sie gern essen und trinken. Ich meine, bisher brauchten Sie das nicht, aber jetzt ist es eine Notwendigkeit. Damit Sie keinen Reinfall erleben, werden wir zuerst darüber sprechen und dann werde ich für Sie bestellen.“ „OK.“, sagte Kairon und ich hörte einen Hauch von Nachdenklichkeit in seiner Stimme. „Wo ist das Problem?“, fragte ich. „Da Essen für mich noch nie wirklich notwendig, sondern ein Luxus war, wie Sie schon richtig erkannt haben, habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, was ich mag und was ich nicht mag. Verstehen Sie, vorher konnte ich alles, was mir nicht gefallen hat, so verändern, dass es mir gefiel. Aber jetzt muss ich vorher sicher sein.“, erklärte er. „Also gut.“, sagte ich. „Dann machen wir das anders.“ Damit replizierte ich mein eigenes Frühstück aus einem Brötchen mit Honig und einer Tasse celsianischem Zimttee, den ich ihm unter die Nase hielt. „Ich möchte, dass Sie den Geruch einsaugen und den Eindruck in Ihrem Kopf behalten. Dann möchte ich, dass Sie mir schildern, was für ein Gefühl das bei Ihnen auslöst.“, instruierte ich ihn. „Einverstanden.“, sagte Kairon und holte tief Luft durch die Nase. „Es ist ein angenehmes Gefühl.“, sagte er. „Bleiben Sie bei dem Gefühl.“, ermutigte ich ihn. „Dann können Sie entscheiden, ob Sie das auch haben möchten. Beobachten Sie Ihren Körper. Stellen Sie fest, ob Sie Appetit darauf entwickeln.“ „Ich glaube, das tue ich.“, sagte Kairon. „Das Verlangen nach dem Getränk wird immer größer.“ „OK.“, lächelte ich und replizierte ihm das Gleiche. „Einflößen müssen Sie es mir nicht.“, sagte er. „Alles andere ist mir geläufig. Aber bevor wir das mit Ihrem Brötchen genau so machen, denke ich, dass es da auch noch eine andere Methode gibt. Was mit Duft klappt, müsste ja eigentlich auch mit optischen Eindrücken gehen. Können Sie den Replikator auf graphischen Modus umstellen, damit ich mir die Bilder im Menü ansehen kann?“ „Sicher.“, sagte ich. „Ich habe ganz vergessen, dass Sie sehen können.“ „Schon vergeben.“, lachte Kairon. „Aber essen und trinken hat doch sehr viel mit riechen und schmecken zu tun. Ihr Ansatz war daher gar nicht so falsch. Nur kann ich mir ja nicht das gesamte Sortiment bestellen, nur um die Hälfte danach wieder zurückgehen zu lassen.“ „Stimmt.“, lächelte ich und gab dem Replikator die entsprechenden Befehle.

Der Bewohner des Raum-Zeit-Kontinuums legte seine Hand auf die Tastatur des Replikators und begann, den Cursor von Bild zu Bild zu bewegen. Dabei verweilte er jeweils einige Minuten bei jedem von ihnen. „Entschuldigen Sie.“, sagte er. „Ich möchte mich ja beeilen, aber …“ „Lassen Sie sich Zeit.“, beruhigte ich. „Schließlich soll Ihnen Ihr Frühstück ja auch schmecken. Wir lernen von Geburt an zu entscheiden, was wir mögen und was nicht. Da Sie das aber eigentlich nie mussten, weil Sie sich ja alles nach Ihrer Nase hatten verändern können, ist so eine Entscheidung sicher zunächst schwer. Aber das wird schon schneller gehen, je länger Ihre Sinne das üben können. Sicher wird es auch Rückschläge geben, aber daraus lernen Sie dann um so mehr.“ „Verstehe.“, sagte er konzentriert.

Am Summen des Replikators hörte ich bald, dass er sich entschieden haben musste. „Ich möchte, dass Sie nach dem Frühstück einen kleinen Aufsatz über Ihre Eindrücke verfassen und ihn mir vorlesen.“, sagte ich. „Das wird Sie trainieren, sich damit auseinanderzusetzen, was Sie gefühlt haben und wird Ihnen auch beim Lernen helfen.“ „OK.“, sagte Kairon, der sich wohl langsam mit meiner Methode, ihm das Leben als Sterblicher im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft machen zu wollen, arrangiert hatte. „Essen ist eine sehr sinnliche Erfahrung.“, referierte ich. „Ich möchte, dass Sie mit Ihren Sinnen in Kontakt kommen und merken, was sie Ihnen für Freuden bringen können.“ „Verstehe, mein kleiner Allrounder Positiv.“, lächelte Kairon und biss voller Erwartung in sein Mettwurstbrötchen.

„Ich könnte dem Computer sagen, er soll Ihnen Kangs Niesanfall von letzter Woche einspielen, sobald Sie Ihr Quartier betreten, Agent!“, dröhnte es plötzlich aus der abgeschiedenen Ecke, in der Mikel die Vernehmung von Techniker Jannings durchführte. Die tiefe Stimme, die das gesagt hatte, war mir durchaus bekannt. Jetzt erinnerte Jannings mich noch mehr an O’Brien.

Neugierig schlich ich näher und wurde Zeugin, wie sich Jannings gleich darauf für seinen Ausbruch entschuldigte: „Es tut mir leid, Sir.“ „Schon gut, Techniker.“, sagte Mikel. „Manchmal bin ich echt begriffsstutzig. Sie sagen also, man kann den Computer dazu bringen, auf jede Aktion eine auch total unsinnige Reaktion zu zeigen?“ „Genau.“, sagte der Ingenieur. „Mit Sicherheit hat meine Kollegin auf der Niagara das so gemacht. Ich denke, sie hat dem Rechner gesagt, er soll, wenn die Energiekreisläufe des Waffenpultes durchbrennen, die Mail mit den Daten an die Adresse des Allrounders schicken. Außerdem schätze ich, dass ihr Programm auch mit Commander Cinias Stimmabdruck verknüpft war. Sobald sie den Namen der Strategin und das Wort Feuer in einem Satz gebracht hat, wird es ausgelöst haben.“ „Wie schade, dass wir sie nicht fragen dürfen, ohne ihre Sicherheit zu gefährden.“, sagte Mikel. „Weiß Ihre Freundin da keinen Weg?“, fragte Jannings. „Nein.“, sagte Mikel. „Dann werden Sie wohl mit den Indizien leben müssen.“, sagte Jannings. „Ich denke, dass es nicht nur eine Theorie, sondern die Wahrheit ist.“, sagte Mikel. „Cenda hat in der Mail ein volles Geständnis abgelegt. Mich haben nur noch die Details interessiert.“ „Konnte Kissara Ihnen mittlerweile mit den visuellen Inhalten der Mail helfen?“, erkundigte sich Jannings. „Sie hatte bisher keine Zeit.“, erwiderte der Agent. „Aber wenn Sie wollen, können Sie uns ja auch behilflich sein.“ „Ich fühle mich geehrt, Sir.“, sagte Jannings und stand auf.

Dass er Mikel, Kairon und mir auch gleich noch bei einer anderen Sache helfen musste, ahnte Jannings wohl noch nicht. Jedenfalls hatten er und Mikel gerade in Führhaltung den Weg zum Ausgang angetreten, als Kairon einen ohrenbetäubenden Schrei von sich gab. „Was ist passiert?!“, fragte ich hektisch, die ich das Geschehen nicht wirklich einzuordnen vermochte. „Ich bin ein Dummkopf!“, sagte ein auf dem Boden vor mir kauernder Kairon. „Oh, ich bin ein solcher Dummkopf! Ich habe mich verhalten, als ob ich noch teleportieren könnte. Das heißt, ich habe die Augen geschlossen und bin wohl so aufgestanden. Dann habe ich wohl einen falschen Schritt gemacht und bin mit dem Kopf vor die Wand geknallt. Jetzt tut er weh!“

Jannings sprang hinzu und sah sich das Problem an. Dann wendete er sich an mich: „Es ist alles in Ordnung, Ma’am. Ihr Schützling hat lediglich eine Beule. Die vergeht mit etwas Eis.“ Er replizierte mir einen frischen Eisbeutel. „Zeigen Sie ihm, wie man das Ding benutzt.“, schlug er vor und gab ihn mir. „Danke, Techniker.“, sagte ich und legte Kairon den Beutel auf die Beule. „Gern geschehen, Allrounder.“, sagte Jannings. „Ich dachte nur, dass es besser sei, wenn ich Ihnen in dieser Situation meine Augen leihe. Bei dem Schrei müssen Sie ja sonst was gedacht haben.“ „Schon gut.“, winkte ich ab. „Es tut mir leid.“, entschuldigte sich Kairon. „Ich wollte Sie nicht ängstigen. Es war für mich nur das allererste Mal, dass ich Schmerz erfahren habe. Das ist wirklich nicht sehr schön. Aber den Aufsatz kriegen Sie von mir. Wenn ich darf, würde ich die Erfahrung gern mit einfließen lassen.“ „Sicher.“, sagte ich.

„Was war das denn?“, flüsterte mir Mikel zu, der das Ganze auch beobachtet hatte. „Du lässt ihn wie einen Schuljungen Aufsätze schreiben über …“ „Ich bin ein Schuljunge!“, sagte Kairon. „Ich muss lernen, wie man als Sterblicher lebt und Sie und der Allrounder sind meine Lehrer. Wenn ich darüber schreibe, setze ich mich mit meinen Gefühlen auseinander. Das wird mir sehr dabei helfen!“ „Also gut.“, sagte Mikel, für den meine Methoden vielleicht etwas merkwürdig anmuten mussten. In seinen Augen hatte ein Q es wahrscheinlich nicht nötig, Aufsätze über seine Situation als Sterblicher zu verfassen. Aber Kairon war ja kein Mächtiger mehr. „Wir kommen jetzt klar.“, sagte ich. „OK.“, sagte Mikel und wendete sich an Jannings: „Gehen wir, Techniker.“

Sedrin hatte ihr Training abgeschlossen, wie die Xylianer und Cupernica eindeutig festgestellt hatten. „Bald werden Sie in Ihre Rettungskapsel gebracht.“, sagte D/4. „Allerdings müssen wir Sie dafür betäuben und werden Ihnen einige Wunden zufügen müssen, damit die Legende vom Unfall glaubwürdig ist.“ „Schon gut, D/4.“, sagte die Agentin. „Gegenüber den Genesianern dürfen wir uns keine Fehler erlauben.“ „Das ist korrekt.“, antwortete die Sonde. „Aber eigentlich nicht nur den Genesianern gegenüber. Unser viel stärkeres Augenmerk dürfte Sytania gelten.“ „Ich bin sicher, Sytania ist nicht die Drahtzieherin des Ganzen.“, sagte Sedrin. „Ich vergleiche das immer gern mit einem Zug, der gerade in die falsche Richtung fährt. Aber der eigentliche Lokomotivführer ist nicht Sytania, sondern jemand anders, den wir noch nicht kennen. Aber ich beabsichtige, den Namen desjenigen herauszubekommen. Sytania hat den Zug lediglich gekapert und ihn aufs falsche Gleis gelenkt. Aber jetzt ist es an uns Passagieren, den eigentlichen Lokomotivführer wieder in sein Amt zu versetzen und wenn es durch Meutern geschehen muss.“

Sie warf den Kopf zurück: „Oh, D/4, entschuldigen Sie bitte. Ich bin sicher, Sie wissen gar nicht, wovon ich die ganze Zeit rede.“ „Oh, doch.“, widersprach die Sonde. „Und ich denke, dass Sie einen sehr anschaulichen Vergleich gefunden haben. Das System hat Daten über so alte Verkehrsmittel wie Züge. Ich habe angefragt, während Sie es mir erklärten.“ „Sie wissen sich ja gut zu helfen.“, sagte die Agentin erleichtert. „Bestätigt.“, sagte die Sonde.

D/4 nahm ein Pad aus ihrer Kleidung und legte es Sedrin, in deren Quartier man sich getroffen hatte, vor. „Dies sind die Ergebnisse Ihres Trainings.“, sagte sie. „Z/9 ist sicher, dass Sie Ihre Aufgabe mit der größten Effizienz ausführen werden.“ „Aus dem Munde von einem von Ihnen ist das sicher ein großes Lob.“, sagte Sedrin und legte sich auf ihr Bett. „Ich denke, es wird besser sein, wenn ich liege, während Sie mir die Spritze verabreichen, D/4.“, sagte sie. „Das ist korrekt.“, antwortete die künstliche Lebensform. „Sonst könnte Ihre Sicherheit gefährdet sein.“ „Dachte ich mir.“, bemerkte Sedrin. „Ich hätte da aber noch eine Frage. Woher wussten Sie, dass da etwas nicht stimmt und wer hat Kontakt mit wem aufgenommen? Sie mit Tamara, oder Tamara mit Ihnen?“ „Wir haben das merkwürdige Verhalten der Genesianer beobachtet.“, antwortete die Sonde. „Dann haben wir versucht, Ihre Regierung zu warnen. Nugura hat die Warnung aber ignoriert. Nur Tamara hat uns angehört.“ „Verstehe.“, antwortete Sedrin.

Sie wandte sich um: „Hier bitte, meine Schokoladenseite.“ „Bevor ich Ihnen die Spritze gebe, muss ich Sie noch über etwas aufklären.“, sagte D/4. „Sie werden irgendwann in der Rettungskapsel aufwachen, sich aber sehr benommen fühlen. Das Medikament, welches wir Ihnen geben, simuliert einen Zustand wie nach einem Vakuum-Trauma. Sie werden das Gefühl haben, Ihre Lungen seien überbläht, Ihnen wird schwindelig sein und Sie werden sich nicht orientieren können. Aber es wird dann nicht mehr sehr lange dauern, bis die Genesianer Sie finden werden. Ein Beobachtungsmodul hat eines ihrer Schiffe ganz in unserer Nähe geortet.“ „Sehr tröstlich.“, sagte Sedrin. „Aber werden die Genesianer das Medikament nicht nachweisen können?“ „Ihr Körper wird es abgebaut haben, wenn die Genesianer Sie gefunden haben. Nur die Symptome werden noch anhalten.“, berichtete die Sonde. „Alles auf den Punkt berechnet.“, stellte die Agentin fest. „Effizient wie immer. Das ist aber das Einzige, das Sie mit den Borg gemeinsam haben und jetzt sollten wir Ihre Berechnungen nicht noch durch eine Verzögerung meinerseits durcheinander bringen. Stechen Sie schon zu.“ „Keine Sorge.“, tröstete D/4. „Ihre Neugier ist ein uns bekannter Faktor. Sie ist in unsere Berechnungen mit eingeflossen.“ „Na dann ist ja gut.“, sagte Sedrin.

„Möchten Sie, dass ich bis drei zähle?“, fragte die Sonde rücksichtsvoll, als sie mit dem Hypor in Sedrins Richtung zielte. „Das ist nicht nötig.“, antwortete die Demetanerin. „Ich halte das schon aus.“ „Also gut.“, sagte D/4 und ließ den Hypor seine Ladung in Sedrins Gesäßmuskel beamen. Sie beobachtete noch, wie die Agentin die Augen schloss, um danach an Z/9 zu übermitteln: „Die Bioeinheit Sedrin Taleris-Huxley hat das Bewusstsein verloren. Ich beame sie jetzt in die Rettungskapsel. Sie besitzt alle notwendigen Daten.“ „Verstanden.“, gab der Xylianer zurück. D/4 gab über ihre Onlineverbindung einige Befehle ins System des Schiffes ein. Dann wurde Sedrin von ihrem Bett gebeamt.

Nach einer erneuten Nachtschicht hatten sich Scotty, Clytus und Shimar zum Schlafen niedergelegt. Der Tindaraner hatte sich gewundert, warum die Kopfschmerzen, die ihn bisher gequält hatten, plötzlich nachgelassen hatten. Er beugte sich vor und musste sich im gleichen Augenblick ziemlich heftig die Nase säubern, was ihm einen lauten Fluch in seiner Muttersprache entlockte, der Scotty, der noch nicht wirklich geschlafen hatte, wieder in den Wachzustand zurückholte. „Und ich dachte, ich wäre der König des Schimpfens.“, sagte er lachend. „Wie Eure Majestät sehen, bin ich ein scharfer Anwärter auf das Amt des Kronprinzen.“, näselte Shimar, denn der Inhalt seiner Nase, der immerfort auf den Boden tropfte, behinderte ihn ziemlich beim Sprechen. „Aber statt hier Sprüche zu klopfen, solltest du mir lieber helfen.“

Irritiert sah Scotty zunächst ihn und dann die Sturzbäche von Eiter an, die aus seiner Nase rannen. Rasch holte er einige der Lumpen, die in der Ecke der Zelle lagen und drückte sie seinem Freund in die Hand. „Hier.“, sagte er. „Rotz dich aus.“

Clytus war die ganze Sache auch zu Ohren gekommen. Aus dem Augenwinkel hatte der Junge gesehen, was geschehen war. „Wird Shimar sterben?“, fragte er sorgenvoll. „Weiß ich nich’.“, flapste Scotty. „Ich bin Ingenieur, kein Arzt.“ „Du könntest ihn wenigstens etwas zu trösten versuchen.“, tadelte Shimar, der inzwischen zehn Tücher verbraucht hatte und endlich wieder eine freie Nase zu haben schien. Das Elfte, in das er den Rest entlassen hatte, sah er plötzlich verwirrt an. „Was ist denn das?“ „Zeig mal her.“, flapste Scotty und nahm ihm das Tuch ab. „Was ist denn da?“, fragte Clytus neugierig und versuchte, einen Blick zu erhaschen, was Shimar aber etwas unsanft verhinderte, indem er ihn am Schlafittchen zurückzog. „Glaub mir, das willst du nicht wirklich sehen.“, sagte er.

Lange hatte sich Scotty mit den Resten des Gegenstandes beschäftigt, der aus Shimars Nase zum Vorschein gekommen war. „Hör mal, du Ass.“, flapste er. „Ich weiß zwar, dass ihr Tindaraner viel zuwege bringt, zu dem unsereiner nicht in der Lage ist. Aber seit wann, entschuldige bitte, Clytus, seit wann rotzt ihr Metall?!“ „Was?“, fragte Shimar und sah sich ebenfalls an, was seine Schnupfnase ausgespuckt hatte. „Ich glaube, das sind die Reste von deinem Implantat.“, sagte Scotty. „Aber wie …“, setzte Shimar an. „Eiter is’ 'n hoch aggressives Zeug.“, schnodderte Scotty. „Der frisst alles kaputt.“ „Du meinst also, die Entzündung hatte doch noch was Gutes?“, fragte Shimar, der über das Nachlassen der Kopfschmerzen und des Drucks in seiner Stirnhöhle sehr erleichtert war. „Ich schätze, die haben dir das Ding unter fragwürdigen hygienischen Umständen eingesetzt.“, vermutete Scotty. „Das hat zu einem Abszess geführt und dann hat der Eiter den Rest besorgt. Durch die harte körperliche Arbeit ist der wohl geplatzt und …“

Shimar gab einen Laut von sich und hielt sich erneut den Kopf. „Was ist?!“, fragte Clytus hektisch. „Ich habe das Gefühl, ganz Genesia Prime telepathisch wahrzunehmen.“, sagte Shimar mit einem sehr angestrengten Blick. „Ich will mich abschotten, aber ich krieg das nicht hin! Helft mir!“ „Wieso passiert das?!“, fragte Clytus panisch. „Kennst du das Gefühl, wenn dir ein Körperteil einschläft?“, fragte Scotty. Clytus nickte. „Das Gleiche passiert wohl gerade mit seinem telepathischen Zentrum. Was bei einem Arm oder einem Bein ein harmloses Kribbeln ist, ist hier wohl eine unkontrollierte Wahrnehmung. Wir sind die Einzigen, die ihm das erleichtern können, bis sein Zentrum wieder auf seine Kommandos reagiert. Energie ist extrem faul. Sie sucht sich immer den kürzesten Weg. Los, Junge, gib mir die Flosse!“

Noch immer unwissend, was Scotty von ihm wollen könnte, tat Clytus, was der Terraner soeben von ihm verlangt hatte. Dann griff Scotty nach Shimars linker Hand und forderte Clytus auf, das Gleiche zu tun. „Schnapp dir seine Rechte! Jetzt sind wir drei ein geschlossener Kreis.“, sagte Scotty. „Wenn die Naturgesetze noch annähernd stimmen, dann müsste er im Moment nur uns drei wahrnehmen können. Was für elektrische Energie in diesem Universum gilt, gilt sicher auch für telepathische Energie, die ja in gewisser Weise elektrische Energie ist. Meine Kollegin Jenna McKnight hat da einen interessanten Ansatz. Energie ist Energie, ist Energie, ist Energie.“

Shimar holte plötzlich tief Luft und entspannte sich. „Puh, danke, Leute.“, sagte er völlig erledigt. „Jetzt habe ich die Kontrolle wieder. Scotty, auf so was kann auch nur ein Ingenieur kommen. Piloten sind dafür zu doof.“ „Danke für die Blumen.“, grinste Scotty. „Mit dem Spruch wolltest du dich wohl für neulich revanchieren, wie?“ Shimar grinste breit.

„Die Genesianer dürfen aber nicht merken, dass du deine Fähigkeiten wieder hast.“, meinte Clytus mit ängstlicher Stimme. „Sonst setzen sie dir wieder so was ein.“ „Das werden sie nicht, wenn ich brav tue, als würde die Sonde noch in mir sein.“, sagte Shimar. „Das heißt also, du teleportierst dich hier nich’ raus.“, sagte Scotty. „Oh, nein.“, sagte Shimar. „Und ich werde euch auch erklären warum. Wenn ich mich hier heraus teleportieren würde, würden die Genesianer anfangen, nach mir zu suchen. Unschuldige könnten in ihr Visier geraten. Aber sie suchen sicher nicht nach einem Toten. Jetzt weiß ich, was Amidalas Informationen mit den Cobali sollten. Sie hat uns eine Möglichkeit aufgezeigt.“ „He?“, machte Scotty. „Ganz einfach.“, sagte Shimar. „Ich werde meinen Tod vortäuschen. Ich werde meinen Körper verlassen und erst dann wieder in ihn zurückkehren, wenn er auf dem Schiff eines Cobali auf dem Operationstisch liegt. Dann werden sie …“ „Aber wenn sie dich dann schon zu einem ihrer Kinder …“, setzte Scotty an. „Das tun sie dann nicht mehr, wenn sie sehen, dass ich noch Reflexe habe.“, sagte Shimar. „Die Cobali bergen die Toten anderer Völker, um sich fortzupflanzen. Sie morden aber zu diesem Zweck nicht. So kann ich sicher Hilfe holen.“

„Bevor du dich hier verziehst.“, meinte Scotty. „Könntest du vielleicht noch was machen. Ich meine, der Kleine behauptet immer noch, er sei ein Q. Vielleicht könntest du rauskriegen, ob er die Wahrheit sagt, jetzt, wo du deine Fähigkeiten wieder hast. Außerdem müssen wir genau planen, wie und wann du die Sache durchziehen kannst. Lass mich mal nachdenken. Also, wir arbeiten in der Nacht. Das heißt, wir schlafen acht Stunden und haben zwei für Essen und andere Erledigungen. Sind insgesamt 18 Stunden mit acht Stunden Arbeit und allem. Der genesianische Tag hat 32 Stunden. Das heißt, du hast ganze 14, um es zu versuchen. Das sollte doch zu schaffen sein.“ „Kommt darauf an.“, sagte Shimar. „Mein Körper braucht mich und wird mich sicher nicht so einfach kampflos hergeben. Das heißt, es wird sicher einige Fehlversuche geben. Vielleicht benötige ich auch mehr als einen Tag. Aber das andere können wir versuchen. Aber dazu muss ich ausgeruht sein. Falls er die Wahrheit sagt, wird es auch für mich sehr heftig werden. Außerdem schaffe ich in meinem momentanen erschöpften Zustand die Verbindung nicht. Wir werden wohl bis morgen warten müssen.“ „Morgen ist OK.“, freute sich Clytus. „Dann kann ich endlich beweisen, dass ich die Wahrheit gesagt habe.“ „Du müsstest mir aber uneingeschränkt vertrauen.“, sagte Shimar. „Egal, was ich auch immer aus deinem Gehirn hole, du darfst dich nicht wehren.“ „Tue ich nicht!“, versicherte der Junge. „Darauf kannst du dich verlassen.“ „Also gut.“, sagte Shimar. „Dann bereite dich schon mal seelisch auf morgen vor.“ „Das bin ich schon.“, sagte Clytus. „Das bin ich schon, seit ich hier bin und weiß, dass du hier bist. Ich meine diese Technik, die ihr Reise in die Seele nennt, die kann ja einiges zutage fördern.“ „Freu dich nicht zu sehr.“, sagte Shimar. „Wenn auch nur annähernd stimmt, was du behauptest, dann wird das für dich morgen auch nicht sehr angenehm.“ „Das macht nichts.“, sagte Clytus. „Was kann ich da machen?“, erklärte sich Scotty zur Hilfe bereit. „Du könntest dich hinter ihn setzen und ihn körperlich stützen.“, sagte Shimar. „Das wird es uns beiden sehr erleichtern.“ „Abgemacht.“, lächelte der Schotte und gab seinen beiden Zellengenossen die Hand drauf.

Kapitel 38 - Lyciras Überraschung

von Visitor

 

Mikel und Kairon waren in die Simulationskammer gegangen, nachdem mein Freund mich in Kairons Betreuung abgelöst hatte. „Was tun wir hier?“, fragte der Bewohner des Raum-Zeit-Kontinuums. „Wir werden eines meiner Lieblingsprogramme ausprobieren.“, sagte Mikel. „Sie werden ja sicher wissen wollen, was Sie als Sterblicher mit Ihrer Freizeit so alles anfangen können.“ „Ganz Ihrer Ansicht, Agent.“, antwortete Kairon. „Nennen Sie mich Mikel.“, bot der erste Offizier an. „Schön, Mikel.“, sagte Kairon.

Sie setzten sich auf die Stühle in der Simulationskammer und legten die Köpfe in die Mulden. „Welches Programm werden Sie mir zeigen, Mikel?“, wollte der ehemalige Mächtige wissen. „Es ist so eine Art Strandsegeln.“, sagte Mikel. „Wir werden von einem Shuttle einen Sandstrand entlang gezogen.“ „Von einem Shuttle?“, fragte Kairon. „Etwa von oben?“ „Von wo denn wohl sonst?“, fragte Mikel. „Ihnen kann überhaupt nichts passieren. Die Sicherheitsprotokolle sind online.“ „Ich weiß.“, sagte Kairon. „Ich weiß auch, dass es nicht real ist und dass Unfälle deshalb auch nicht real sind. Aber wenn das Shuttle uns zieht, muss es doch extrem nah über dem Boden sein.“ „Nein.“, entgegnete Mikel. „Das Shuttle selbst ist hoch in der Atmosphäre. Ich weiß, dass Sie Angst hatten, die Antriebsfelder könnten Sie verbrennen. Aber das passiert nicht.“

Er startete das Programm und Kairon und Mikel fanden sich in einer zeitländischen Landschaft wieder. Es war ein warmer Frühlingstag mit Windstille. Bevor Kairon weitere Fragen stellen konnte, kam ihnen eine junge schlanke Zeitländerin mit schwarzen Haaren entgegen. „Hi, Gulnara.“, begrüßte Mikel sie. „Hi, Mikel.“, gab sie mit ihrer hellen kessen Stimme zurück. „Wie ich sehe, hast du einen Freund mitgebracht.“, sagte sie und deutete auf Kairon. „Ja.“, bestätigte Mikel. „Das ist Kairon. Er ist Anfänger. Wir sollten vielleicht ...“

Gulnara warf einen Blick auf den Gegenstand, den sie in der Hand hielt und seufzte. „Das geht nicht.“, sagte sie dann. „Ihr seid auf zwei völlig unterschiedlichen Trainingsständen und deshalb würde ich gern nur dich zunächst an die Spinne hängen, Mikel. Sie, Kairon, werden zunächst mit zu mir ins Cockpit kommen und von dort beobachten. Ich müsste sonst zunächst mit Ihnen allein üben, bis Sie auf Mikels Stand sind. Erst dann werde ich euch beide an die Doppelspinne lassen.“ „Was reden Sie von Spinnen, Gulnara?“, fragte Kairon. „Sehen Sie den metallenen Stern mit den acht Zacken, den ich in der Hand habe?“, fragte die junge Zeitländerin. „Das Ding nennt sich Spinne. Daran werden die Halteseile befestigt, an denen Mikel mit dem Board hängen wird, auf dem er steht. Den roten Punkt in der Mitte der Scheibe muss ich genau mit dem Traktorstrahl des Shuttles treffen, damit er das Gleichgewicht halten kann.“

Sie griff hinter sich und zog eine Tasche aus dem neben ihr stehenden Shuttle hervor. Dann gab sie Mikel aus dieser eine Art Brett, an dem acht Seile fest verankert waren. „Mach dich bereit, Mikel.“, sagte Gulnara. „Und wir zwei, Kairon, sollten nach vorn gehen.“ Damit hakte sie den völlig irritierten Kairon unter und nahm ihn mit ins Cockpit des Shuttles. „Wir werden gleich starten und dann werde ich Mikel über ein Sprechgerät, das sich in dem Helm befindet, den er tragen wird, einige Instruktionen geben. Sie hören am besten einfach nur zu.“ „OK.“, sagte Kairon.

Sie startete das Schiff und Kairon sah von oben mit ihr zu, wie sich Mikel die ebenfalls in der Tasche vorhandene Ausrüstung anlegte, dann in die Bindungen des Boards schlüpfte und die acht Seile mit den acht Armen der Spinne verband, um sie dann an einem Griff nach oben zu recken. „Er ist so weit.“, sagte Gulnara und senkte das Schiff leicht ab. Dann nahm sie das Mikrofon des Sprechgerätes: „Mikel, Kopplung in drei, zwei, eins!“ Sie aktivierte den Traktorstrahl. „Kopplung stabil, Gulnara!“, sagte Mikel. „OK.“, sagte sie. „Beginne Vorwärtsflug.“

Lange beobachtete Kairon das Geschehen und mit was für einer ruhigen Hand sie das Shuttle zwischen den Bäumen manövrierte. „Sie sind eine routinierte Pilotin.“, stellte Kairon fest. „Das muss man sein, um die Lizenz für solche Flüge zu kriegen.“, sagte die Simulation. „Ich musste eine Extraprüfung ablegen.“ „Dann kann ich mich bei Ihnen ja besonders sicher fühlen.“, schmeichelte Kairon. „Wie kommt es, dass Mikel nichts von der Energie des Traktorstrahls merkt?“ „Der Strahl ist nur sehr schwach.“, sagte Gulnara. „Außerdem tut das Material, aus dem die Spinne ist, sein Übriges dazu. Sie müssen sich also nicht ängstigen, dass Sie sich die Finger verbrennen.“ „Würden Sie sehen, wenn unten etwas passiert?“, fragte Kairon. „Na, Sie wollen es ja genau wissen.“, antwortete Gulnara lächelnd. „Aber ja, ich sehe alles. Die Spinne ist mit dem Alarmsystem des Shuttles verbunden. Sollte etwas sein, kann sowohl ich, als auch Mikel durch einen Knopfdruck Traktorstrahl und Seile lösen. Der Knopf dazu befindet sich hier und am Griff, den Mikel hält. Wenn er den Griff loslassen sollte, bekomme ich hier oben auch ein Signal und kann ihn fragen, ob alles in Ordnung ist. Warum wollen Sie das alles so genau wissen, Kairon?“ „Weil ich nicht mit meiner Gesundheit spielen will, Gulnara.“, sagte der Angesprochene. „Jetzt, wo ich sterblich bin, muss ich ja noch mehr darauf achten.“ „Was?“, fragte die Zeitländerin verwirrt. „Ich bin ein Mächtiger, der seine Kräfte verloren hat.“, fasste Kairon seine Geschichte zusammen. Gleichzeitig erinnerte er sich auch noch an eine Begebenheit, die er unbedingt Mikel gegenüber aussagen musste und flüsterte: „Es war, als würde ich gegen zwei Personen kämpfen.“ „Mir scheint, Sie müssen Ihrem Freund Mikel unbedingt noch etwas sagen.“, vermutete Gulnara. „Habe ich Recht?“ Kairon nickte. Dann meinte er: „Können wir umkehren, Gulnara? Ich möchte Mikel unbedingt …“ „Schon gut.“, sagte sie. „Ich frage Mikel, was er davon hält.“ Damit stellte sie die Verbindung zum Rufzeichen in Mikels Helm wieder her. „Dein Freund hat genug.“, sagte sie. „Er muss dir wohl unbedingt noch was sagen. Ich leite jetzt eine Wende ein. Dann fliegen wir zum Landeplatz zurück.“ „Schon gut, Gulnara.“, sagte Mikel etwas enttäuscht. „Obwohl es gerade anfing, so richtig Spaß zu machen. Aber ich darf ja auch meine Pflicht nicht vernachlässigen.“ „Das stimmt.“, sagte sie. „Achtung, Wende in drei, zwei, eins!“

Sie beschrieb mit dem Schiff einen großen Kreis, der dafür sorgte, dass Mikel um sich selbst gedreht wurde. Dann flogen sie mit reduzierter Geschwindigkeit zurück. Nachdem sie Mikel informiert und den Traktorstrahl von der Spinne gelöst hatte, landete sie das Shuttle in einiger Entfernung und kam dann mit Kairon zu Mikel.

„Die Simulation sollte das nicht hören, Agent.“, flüsterte Kairon. „Also gut.“, sagte Mikel und befahl dem Computer, das Programm zu beenden. Dann fragte er: „So, was haben Sie denn nun auf dem Herzen, Kairon?“ „Ich habe während der Simulation über meine Gesundheit nachgedacht.“, sagte der ehemalige Mächtige. „Dabei ist mir etwas aufgefallen. Als sich Tolea und ich duelliert haben, hatte ich das Gefühl, gegen zwei Personen zu kämpfen, Agent, pardon, Mikel.“ „Das würde die Ergebnisse unserer Ärztin bestätigen.“, sagte der junge Terraner. „Sie hat festgestellt, dass Sie Ihr telepathisches Zentrum total überlastet haben.“ „Genau.“, sagte Kairon. „Aber ich frage mich auch, warum keiner der anderen eingegriffen hat. Ich meine, es ist mittlerweile genug Zeit vergangen und Toleas Machenschaften hätten doch längst vom Rest des Hohen Rates aufgedeckt werden müssen.“ „Was ist, wenn sie das nicht können, weil Sytania und Tolea irgendwas mit ihnen gemacht haben, mit dem sie nicht gerechnet haben?“, vermutete der Spionageoffizier. „Ich meine, immerhin genoss Tolea eine Art Vertrauensverhältnis und es hätte sicher niemand für möglich gehalten, was da passiert ist.“ „Bitte malen Sie den Teufel nicht an die Wand, Mikel.“, sagte Kairon eindringlich. „Wenn das der Fall sein sollte, dann müssen wir irgendwie meine Fähigkeiten zurückholen. Können Ihre Ärzte da nichts tun?“ „Meines Wissens ist es noch nie gelungen, ein Telepathiezentrum zu replizieren.“, sagte Mikel. „Chirurgisch wird es also keine Möglichkeit geben.“ „Verdammt!“, sagte Kairon. „Was können wir da nur tun?“

Jannings hatte den Maschinenraum betreten. Wie sonst auch hatte er jetzt vor, seine Assistentin abzulösen, welche die Nachtschicht abgeleistet hatte. Elektra aber schien ihn dieses Mal bereits an der Tür zu erwarten. „Was ist los, Assistant?“, fragte Jannings. „Ich muss Ihnen etwas melden, Sir.“, sagte die Androidin und deutete auf eine Konsole, auf der sich ein Netzwerkbericht befand.

Jannings ging hinüber und las ihn sich durch. „Sieht aus, als hätte sich Allrounder Betsys Schiff in den Computer der Krankenstation gehackt.“, stellte der versierte Chefingenieur fest. „Bestätigt.“, sagte die technische Assistentin. „Aber warum sollte der Allrounder ihr das befehlen?“ „Lycira kann eigene Entscheidungen treffen.“, sagte Jannings. „Ich glaube nicht, dass der Befehl von Betsy kam. Aber ich werde mit dem Schiffchen mal darüber reden. Sie übernehmen hier solange, Elektra!“ Damit verließ er den Maschinenraum durch eine weitere Tür in Richtung Hangardeck.

Mit Hilfe meines und ihres Sprechgerätes hatte Lycira mich zu sich gerufen. Allerdings ahnte ich nicht, was sie mir offenbaren würde, als ich in ihr Cockpit stieg und meine Hände in die Mulden legte. Ich habe eine Überraschung für dich, Betsy., sagte sie. Eine Überraschung für dich und auch für Kairon und in gewisser Hinsicht auch für eure Ärzte.

Das Summen ihres Replikators sagte mir, dass die Überraschung wohl dort zu finden sein würde. Also drehte ich mich zum Auswurffach und entnahm einen Behälter, dessen Inhalt mir Rätsel aufgab. „Was ist das, Lycira?“, fragte ich. Die Angewohnheit, meine gedachten Befehle und Fragen an sie auch laut auszusprechen, würde ich wohl nie ablegen. Eigentlich ist es ein Ersatzteil für mich., erklärte sie. Aber ich habe mir die Spezifikationen von Kairons Gewebe geholt. Der Rechner auf eurer Krankenstation ist ganz schön gesprächig, wenn man ihm schöne Augen macht. „Lycira!“, entfuhr es mir halb tadelnd und halb erfreut, denn ich wusste, dass es keine andere Möglichkeit gab. Sternenflottenreplikatoren waren zum Replizieren von Telepathiezentren nicht in der Lage. Aber da Lycira eine biosynthetische Komponente benutzte, um mit mir zu kommunizieren, war das bei ihr, die ein saloranisches Schiff war, wohl etwas anderes. Jetzt mussten wir das nur noch Kairon und den Ärzten beibringen.

Jannings näherte sich langsam meinem Schiff. „Lycira, hier ist George.“, sagte er laut in ihre Richtung. „Bitte lass mich ein. Ich habe mit dir ein Hühnchen zu rupfen.“ Bereitwillig öffnete sie die Luke zum Cockpit. Jannings war sehr erstaunt, als er mir ansichtig wurde. „Allrounder!“, rief er aus. „Was tun Sie denn hier?“ „Sie ist mein Schiff, Techniker.“, erklärte ich mit einem naseweisen Lächeln. „An Bord meines Schiffes kann ich mich doch wohl aufhalten, solange ich will.“ „Tut mir leid, dass ich Ihnen das melden muss, Ma’am.“, setzte Jannings an und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mir bald umkippen würde, so angespannt wie er war. „Sie steigen jetzt hier ein und setzen sich auf den zweiten Sitz, Techniker!“, sagte ich fest. „Das ist ein Befehl! Schließlich will ich nicht verantworten, dass Sie mir hier noch in Ohnmacht fallen.“ „Aye, Allrounder.“, sagte der Chefingenieur und folgte meiner Anweisung. „Also, was ist los?“, fragte ich, die ich mir bereits denken konnte, worauf er hinaus wollte. „Ihr Schiff hat sich in den Rechner der Krankenstation gehackt.“, sagte Jannings. „Bitte fragen Sie Lycira doch, was sie sich dabei gedacht hat. Elektra hat mir alles gemeldet.“ Seine Stimme zitterte leicht, als er mir das Gesehene gestand. „Ach, armer Mr. Jannings.“, sagte ich. „Damit wollte sie auf keinen Fall etwas Böses. Im Gegenteil. Sie wollte Kairon und wahrscheinlich uns alle retten.“ Ich zeigte auf den Behälter, der vor mir auf Lyciras Boden stand.

Jannings betrachtete ihn lange. Ihm fiel auf, dass er durchsichtig war. Außerdem war er mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt, in der eine Kugel aus Gewebe schwamm, die ungefähr die Größe einer Walnuss hatte. „Was ist das, Lycira.“, fragte er. Allerdings musste ich das Antworten für Lycira übernehmen, da er seine Hände nicht in die Mulden gelegt hatte. „Sie hat ein biosynthetisches Telepathiezentrum repliziert.“, sagte ich. „Wenn Loridana und Learosh ihm das einsetzen würden, dann könnte er Tolea und Sytania vielleicht eine Revanche bieten. Außerdem könnte er vielleicht auch dafür sorgen, dass die Auswirkungen von Toleas Zusammenarbeit mit Sytania wieder etwas abgepuffert werden. Mich wundert, dass der hohe Rat des Raum-Zeit-Kontinuums Tolea nicht schon längst ihres Postens enthoben und die Situation korrigiert hat. Ich meine, das hier läuft gewaltig schief und geht uns alle etwas an. Wenn die Dimensionen im Eimer sind, dann kann sich niemand rausreden!“ „Das stimmt, Ma’am.“, sagte Jannings und nickte. „Wir sollten also zunächst einmal den notwendigen Personen Bescheid geben. Am besten wird sein, ich gehe mit diesem Ding auf die Krankenstation und Sie informieren Kissara und Mikel.“ „OK.“, sagte ich und er nahm den Behälter auf, um mit ihm in der Hand Lyciras Cockpit wieder zu verlassen.

Mikel und Kissara hatten sich mit dem Inhalt der Mail von Cenda beschäftigt. Nachdem Jannings gegenüber dem Spionageoffizier bestätigt hatte, dass es sich um eine Konferenz zwischen Time und seinen Leuten sowie den Kampf zwischen den Genesianern und den Sternenflottenschiffen gehandelt hatte, hatte sich Mikel eine Kopie gezogen, die er jetzt Kissara vorlegte. „Cenda muss wahnsinnig aufpassen, dass sie nicht erwischt wird.“, sagte Kissara und schlug ihre weichen samtigen Hände vor das Gesicht. „Sie ist ein hohes Risiko eingegangen. Immerhin gelten wir als Renegaten.“ „Da stimme ich Ihnen zu, Kissara.“, sagte der Agent. „Aber Cenda ist eine aufrechte Frau. Sie würde niemals zulassen, dass …“

Die Sprechanlage hatte ihn unterbrochen. „Ich antworte schon.“, sagte Kissara und nahm das Mikrofon in die Hand: „Hier Commander Kissara!“ „Ma’am.“, meldete ich mich. „Allrounder Betsy hier. Ich habe etwas für Sie. Es ist eine sehr wichtige Information.“ „Kommen Sie herein.“, sagte meine Vorgesetzte und beendete die Verbindung.

Ich betrat ihren Bereitschaftsraum, in dem sie sich mit Mikel getroffen hatte. Dass sie mir bereits entgegen geschlichen kam - sie hatte ihre Schuhe wohl mal wieder ausgezogen - bemerkte ich erst, als sie meine Hand in ihre Samtpfote, wie ich flapsig dachte, nahm und mich zu einem freien Sessel führte. „Sie sind ja total aufgeregt.“, stellte sie fest. „Was ist denn passiert, Betsy?“ „Es hat einen Bruch der Sicherheit auf der Krankenstation gegeben, Commander.“, sagte ich. „Was?!“, horchte Mikel auf, der wohl schon mit dem Schlimmsten gerechnet hatte. „Lassen Sie Ihre Freundin reden, Mikel.“, beruhigte Kissara ihn. Dann sah sie mich auffordernd an. „Lycira hat sich in die Systeme der Krankenstation gehackt.“, begann ich. „Hast du ihr das befohlen?!“, empörte sich Mikel. „Nein.“, sagte Kissara, bevor ich antworten konnte. „Das wird sie nicht getan haben. Sie wissen, Agent, dass das Schiff des Allrounders in der Lage ist, selbstständig Entscheidungen zu treffen. Sie wissen doch ganz genau, dass Ihre Freundin die Sternenflottenvorschriften gut genug kennt, um so etwas nie zu tun. Ihre Frage sollte sich also erübrigen! Allerdings kennt Lycira die Vorschriften nicht und wird nur nach ihrem eigenen Gewissen gehandelt haben. Sie wird sicher einen Grund für ihr Verhalten vorweisen können. Welche Daten wurden heruntergeladen, Allrounder?“ „Spezifikationen von Kairons Hirngewebe, Commander.“, sagte ich. „Die brauchte sie, um für Kairon ein passendes Telepathiezentrum replizieren zu können. Ich meine, das könnte uns allen nützlich sein. Allen voran Kairon selbst. Sie wissen um die Entwicklung bezüglich Sytania und Tolea. Wenn Kairon wieder ein Zentrum hätte, könnte er …“ „Verstehe.“, sagte Kissara. „Also ist das, was hier geschehen ist, ja gar nicht so schlimm. Über Lyciras Methode lässt sich sicher vortrefflich streiten, aber das wäre angesichts der Situation doch sehr müßig. Sind die Ärzte und Kairon bereits informiert?“ „Das übernimmt Jannings gerade, Commander.“, sagte ich. „Ich hoffe, dass er einverstanden ist.“ „Das wird er wohl sein.“, mischte Mikel sich ein. „Was meinst du?“, fragte ich ihn auf Deutsch. „Kairon kämpft.“, sagte Mikel weiterhin auf Englisch, denn er wollte wohl, dass Kissara unserer weiteren Unterhaltung auch jetzt noch folgen konnte. „Er versucht alles, um als Sterblicher klarzukommen, aber sein Wissen um die Zusammenhänge hindert ihn, sich vollends darauf einzulassen. Er will Tolea und Sytania Einhalt gebieten. Er weiß, was sein Sohn angerichtet hat und wie schändlich Sytania und Tolea das ausgenutzt haben. Na ja. Tolea wurde wohl eher von Sytania ausgenutzt und benutzt. Aber sei’s drum. Jedenfalls möchte er versuchen, den Rest des Hohen Rates auf seine Seite zu bringen, um mit ihnen gemeinsam die Sache zu beenden.“ „Das könnte er nur als Mächtiger.“, sagte Kissara. „Im Prinzip hat Lycira also richtig gehandelt. Hoffen wir, dass er mit der Operation einverstanden ist.“

Jannings hatte mit dem Behälter in der Hand die Krankenstation betreten und ihn vor Learosh auf dem Tisch abgestellt. „Was ist das, Techniker.“, fragte der medizinische Assistent. „Das ist ein Sechser im Lotto.“, sagte der Chefingenieur. „In diesem Behälter befindet sich ein frisch repliziertes Telepathiezentrum.“ „Was?!“, fragte Learosh. „So etwas gibt es nicht, Jannings. Hören Sie bitte auf, mich zu veralbern!“ „Das tue ich keines Falls.“, sagte Jannings. „Das Ding kommt von Allrounder Betsys Schiff. Lycira ist in der Lage, für sich selbst Ersatzteile zu replizieren, also auch jene biosynthetische Komponente, über die sie mit ihr kommuniziert. Das ist ja in gewisser Weise ein Telepathiezentrum. Sie wird die Datei mit den Replikationsanweisungen entsprechend modifiziert haben und dann …“

Loridana hatte den Tumult mitbekommen und war hinzugeeilt. „Was ist hier los, Gentlemen?“, fragte die Ärztin lächelnd. „Er versucht uns gerade, ein repliziertes Telepathiezentrum zu verkaufen.“, lachte Learosh. „Aber das ist doch unmöglich.“ „Ob das so unmöglich ist, werden wir ja gleich sehen.“, sagte Loridana, zeigte auf den Behälter und richtete ihren Erfasser darauf. „Nun, Assistant, Sie irren sich mit Ihrer Skepsis gewaltig. Das hier ist einwandfrei ein Telepathiezentrum. Woher haben Sie das, Techniker?“ „Von Allrounder Betsys Schiff.“, sagte Jannings. „Ihr Replikator kann anscheinend etwas, das unsere nicht können. Lycira hat sich in den Rechner gehackt, um Kairons Gewebe …“ „Schon gut.“, sagte Loridana. „Dann wissen wir ja zumindest schon einmal, für wen es sein soll. Informieren Sie schnellstens Kairon, Medical Assistant.“, wandte sie sich an Learosh. „In dieser Nährflüssigkeit kann das Zentrum schließlich nicht für ewig vital bleiben!“ „Aye, Scientist.“, nickte Learosh, ließ sich vom Computer Kairons Aufenthaltsort nennen und verließ die Krankenstation.

Kapitel 39 - Eingeschleust

von Visitor

 

Sedrin erwachte in der Rettungskapsel. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Außerdem war ihr schwindelig. Jeder Atemzug fiel ihr schwer und sie hatte ziemliche Schmerzen dabei. Aber auf all das hatten die Xylianer sie ja vorbereitet. Du wolltest es ja so, Sedrin., dachte sie. Also stell dich nicht so an!

Sie versuchte aufzustehen und schaute sich in der Kapsel um. Alles machte den Anschein, als wäre die Kapsel schon seit Tagen mit ihr durch das All getrieben. Auch die Energievorräte, deren Menge sie auf dem Display einer nahen Konsole ablesen konnte, waren weitgehend erschöpft. „Ihr habt ja wirklich an alles gedacht.“, flüsterte sie. Im gleichen Moment überkam sie ein erneuter Schwindelanfall. „Ich glaube, ich sollte mich besser wieder hinlegen.“, stellte sie halblaut fest.

An Bord der Canara war man der Rettungskapsel ansichtig geworden. „Offensichtlich treibt sie schon seit Tagen oder gar Wochen durch das All, Prätora.“, hatte Hera festgestellt, die Yanista das Auffinden der Kapsel gemeldet hatte. „Gibt es Biozeichen in der Kapsel, Hera?“, wollte die Clanführerin wissen. „Die gibt es, Prätora.“, erwiderte Hera und stellte die Sensorenbilder auf den Hauptschirm. „Stell die Bilder zu Ariadne herunter!“, befahl Yanista. „Sie wird sie besser interpretieren können als wir alle.“

„Das Kommunikationssystem der Kapsel scheint intakt zu sein.“, erklärte die junge Kriegerin, nachdem sie weitere Nachforschungen mit Hilfe des Computers angestellt hatte. „Dann ruf die Kapsel und stell zu mir durch!“, befahl Yanista. „Ach noch etwas: Sag dem Computer, er soll die Biozeichen zuordnen!“ Hera nickte und führte die Befehle ihrer Prätora aus.

Aufgrund ihrer Symptome hatte Sedrin das Piepen des Sprechgerätes erst extrem spät wahrgenommen. Von sensorischen Verzögerungen war von Seiten der Xylianer zwar keine Rede gewesen, aber bei jedem stellte sich ein Vakuum-Trauma wahrscheinlich etwas anders dar. Sedrin überlegte, wie sie sich melden sollte, denn eine förmliche Meldung, wie sie ihr bei der Sternenflotte beigebracht worden war, würde sie verraten, auch dann, wenn sie ihren falschen Namen verwenden würde. Zumindest würde das dafür sorgen, dass die Genesianer misstrauisch werden könnten. Alles musste also etwas unbeholfener klingen. Deshalb sagte sie: „Hi, ich bin Kirin. Gut, dass ihr endlich vorbeikommt. Mir geht’s beschissen. Ich war an Bord eines Passagiershuttles, als plötzlich die Hölle losbrach. Das war ein Systemversagen, was ihr euch nicht vorstellen könnt. Oh, Mutter Schicksal, diese Schmerzen. Ich denke, ich habe ein Vakuum-Trauma. Helft mir!“

Sie musste den Sendeknopf loslassen, denn im gleichen Moment überkam sie ein Hustenanfall, der wohl darin begründet lag, dass die vielen Sätze für ihre Lungen etwas viel gewesen waren. „Du scheinst wohl nicht ganz zu wissen, mit wem du sprichst, Demetanerin!“, sagte Yanista. „Dies ist ein genesianisches Schiff.“ „Um so besser.“, erwiderte Sedrin mit schwacher Stimme. „Außerdem ist es mir egal, wer mich rettet. Zu euch wollte ich auch eigentlich schon immer. Dieses ganze diplomatische Geschwafel der Föderation geht mir ziemlich auf den Senkel. Könnt ihr euch vorstellen, wie viele Lügen an einem Tag von Botschaftern und Politikern erzählt werden, nur weil man sich gegenseitig gefallen will?! Ich bin diese Schleimerei so leid! Eigentlich wollte ich schon immer lieber als genesianische Kriegerin leben. Der ehrenvolle Kampf gefällt mir doch besser. Ein Phaser lügt nicht. Oh, tut das weh. Ich wäre euch echt dankbar, wenn ihr mich bald holen könntet.“

Yanistas Handsprechgerät piepte. Am anderen Ende der Verbindung war Ariadne. „Prätora, die Biozeichen der Demetanerin in der Rettungskapsel sind nicht sehr stabil.“, sagte die Ärztin. „Veleta sollte sie ganz schnell hier auf die Krankenstation beamen, vorausgesetzt Ihr erwägt, dass wir sie retten werden.“ „Ja, das erwäge ich tatsächlich.“, sagte Yanista. Dann winkte sie Hera, die der Chefingenieurin Bescheid gab.

Sedrin fand sich bald darauf in einer weiteren Kapsel wieder, die sie an eine Druckkammer erinnerte. Gerade als sie per Sprechanlage auf sich aufmerksam machen wollte, wurde die Luke der Kapsel geöffnet und sie blickte in das Gesicht der Ärztin. „Sei gegrüßt.“, sagte sie. „Ich bin Ariadne Tochter von Mira vom Clan der Vetash!“ „Angenehm, Ariadne.“, sagte Sedrin. „Ich heiße Kirin.“ „Was tust du so weit weg von der Heimat, Kirin?“, fragte Ariadne. „Das weiß ich auch nicht.“, sagte Sedrin. „Ich weiß nur noch, dass ich in ein Passagiershuttle gestiegen bin und zu meinen Schwiegereltern nach New Demeta wollte. Dann gab es irgendwelche Probleme mit den Systemen. Ich verstehe davon nichts. Ich bin nur eine einfache Frau vom Lande. Ich kann mir nur denken, dass irgendein Vollidiot von Techniker vergessen hat, das Shuttle richtig zu warten.“ Sie hatte eine besondere Betonung auf den Vollidioten gelegt. So konnte sie sich in den Augen der Genesianerin hoffentlich noch mehr Punkte erschmeicheln. „Was erwartest du denn auch von der Leistung eines Mannes?“, fragte Ariadne. „Die sind doch viel zu dumm, um solche komplexen Aufgaben lösen zu können. Mich wundert, dass die überhaupt noch Männer in solchen Positionen beschäftigen.“ „Es war eine private Shuttlefirma.“, sagte Sedrin. „Was für die Sternenflotte ab sofort gilt, hat wohl im zivilen Flugverkehr noch eine Übergangsfrist, oder?“ „Das müsste ich meine Prätora fragen.“, tröstete Ariadne. „Aber die müsste es ja wissen und kann dir sicher auch diese Fragen beantworten. Stimmt es, dass du richtig zu uns überlaufen möchtest, Kirin? Ich meine, Hera hat da ein Gerücht verbreitet …“ „Ja, das stimmt, Ariadne.“, sagte Sedrin. „Wenn du wirklich eine genesianische Kriegerin werden willst, wirst du die gleiche Ausbildung durchlaufen müssen wie unsere Jungkriegerinnen.“, erklärte die Ärztin. „Im Augenblick übernimmt die Prätora den Unterricht selbst. Es hat da einige Meinungsverschiedenheiten mit Shira, der eigentlichen Ausbilderin gegeben. Die arbeitet jetzt im Maschinenraum unter Veleta und schrubbt Warpgondeln.“ Ariadne grinste, als sie das sagte, eine Tatsache, die Sedrin nicht verborgen blieb. „Du magst Shira nicht unbedingt.“, schloss die Demetanerin. „Nein.“, meinte Ariadne. „Sie wurde aus einem anderen Clan, den wir in einer Fehde besiegt haben, in den Unserigen aufgenommen. So etwas ist normalerweise nicht gut. Sie wird noch mal ein großes Unglück über uns bringen. Außerdem bezweifelt sie das Wunder von Sachometh. Sie sagt, es sei das Werk eines Mächtigen und wir seien alle dessen Marionetten. Stell dir das mal vor. Wie stehst du zu Sachometh?“ „Sacho was?“, tat Sedrin unwissend. „Weißt du nicht, was uns Genesianern für ein Wunder widerfahren ist?“, fragte Ariadne ungläubig. „Nein.“, meinte Sedrin und tat extrem genervt. „Ich sagte dir doch schon, dass ich eine einfache Frau vom Lande bin und von Tuten und Blasen keine Ahnung habe. Also erklär mal, wenn du unbedingt meine Meinung zu diesem Sacho-Dings haben willst. Ansonsten lass mich bitte schlafen.“ „Schlafen kannst du auch gleich.“, beruhigte Ariadne. „Dass sollst du sogar, damit du wieder vollständig gesund werden kannst. Du kannst auch in ein normales Biobett verlegt werden. Aber du wirst noch eine Weile auf der Krankenstation bleiben müssen. Ich werde der Prätora dein Ansinnen vortragen. Sie wird sich über Zuwachs sehr freuen, denke ich. Aber nun werde ich dir erst einmal erklären, was das Wunder von Sachometh ist. Es gab ganze sieben Mondfinsternisse in diesem Jahr, die in sieben aufeinander folgenden Nächten stattfanden. Dies ist laut unseren heiligen Schriften das Vorzeichen für noch etwas viel Wundervolleres. Du weißt vielleicht, dass laut unserer Schöpfungsgeschichte die Wächterin von Gore den Mann in die Welt gebracht und die Schöpfung damit außer Kontrolle gebracht hat. Dieses Verbrechen haben ihr die anderen Götter am Tage von Sachometh vergeben, der auf die sieben Mondfinsternisse folgt. An diesem Tage darf die Göttin in die Welt der Sterblichen zurückkehren und eine Sterbliche als ihr Werkzeug wählen, mit deren Hilfe sie uns eine große Eroberung verspricht. Genau das ist geschehen. Denke dir, sie hat niemanden Geringeres als die oberste Prätora erwählt, um in ihrem Körper uns die Eroberung des Universums der Föderation und Tindaras zu ermöglichen!“

Sedrin musste schlucken. Sie kannte Shashana und es schmerzte sie zu hören, wie eine gute Freundin von ihr offensichtlich durch ein fremdes Geistwesen besetzt Dinge getan hatte, die sie sonst als unehrenhaft angesehen hatte. Sedrin hatte die Bilder von der Schlacht ja gesehen und dachte sich, dass Shashana bestimmt nicht mit allem einverstanden gewesen war, was das Wesen sie tun lassen hatte, aber sie hatte sich wahrscheinlich nicht wehren können. Das musste für sie ja ein furchtbarer Zustand gewesen sein!

„Was ist, Kirin?“, fragte Ariadne unwissend. „Ich glaube, das alles war etwas viel.“, sagte Sedrin. „Ich muss mich wirklich ausruhen. Aber du hast Recht. Was euch da geschehen ist, das ist etwas wirklich Wundersames. Bitte hilf mir jetzt zu meiner neuen Schlafstätte.“ „Sicher.“, erwiderte Ariadne und nahm ihre Hand, um sie aus der Druckkammer zu einem Biobett in einem anderen Zimmer zu führen.

Unterhalb jeglicher genesianischer Sensoren war es Sharie gelungen, sich an die Erde heranzuschleichen. Hier hatte sie Tcheys Biozeichen lokalisiert und war in die Atmosphäre über Little Federation eingetreten. „Hoffentlich wird sie mit meinem Plan einverstanden sein.“, sagte sie zu sich. „Ziemlich verwegen ist er ja schon. Ich hoffe, sie hat ihren Schneid nicht verloren.“

Tchey war nach einer langen Schicht an Bord des Rettungsshuttles nach Hause zurückgekehrt und hatte sich auf ihre Terrasse gesetzt. Ihr echsenartiges Gesicht, das sich ziemlich in verkniffene Falten gelegt hatte, entspannte sich nur langsam, genau wie der Rest von ihr. „Uff!“, stöhnte sie. „Bin ich fertig! Ein Sexunfall mit einer Spezies mit acht Geschlechtern und eine Vorgesetzte, die vor Ort operieren will. Na ja. War vielleicht auch das Beste. Was ist denn das?!“

Ihr Blick war auf Sharies Landelichter gefallen, die ein riesiges S in die Luft zeichneten. Tchey wusste, dass dies das vereinbarte Erkennungszeichen zwischen ihr und ihrem Schiff war, aber sie hatte sich beim besten Willen nicht vorstellen können, dass sie wirklich einmal herkommen und es benutzen würde. Die Reptiloide beobachtete, wie ihr Schiff provokativ das Gemüsebeet der Huxleys ansteuerte, um dann mitten darauf zu landen. Sie wusste, dass dort im Moment nur die Zwiebeln für den nächsten Lauch in der Erde steckten, aber noch nicht ausgetrieben hatten. Aber trotzdem konnte Sharie dort nicht bleiben. Allerdings dachte sich Tchey auch, dass ihr Schiff sie damit nur zu sich locken wollte. „Das funktioniert nicht, Sharie.“, flüsterte sie. „Du kannst allein starten und dir einen weniger rechtlich fragwürdigen Landeplatz suchen. Ich weiß zwar auch nicht, wie ich den Huxleys erklären soll, wer ihre Pflanzen zerstört hat, aber … Na gut. Du hast gewonnen. Ich komme.“

Sie schlich in den Garten der Huxleys hinüber. Gott sei Dank trennten sie nur wenige Wohnblocks von diesem, seit sie aus dem gemeinsamen Haus mit Lasse ausgezogen war. „Lass mich rein.“, flapste sie in Richtung des Außenmikrofons ihres Schiffes. Bereitwillig öffnete Sharie die Luke und ließ sie einsteigen. Dann schloss Tchey den mitgebrachten Neurokoppler an den entsprechenden Port an. Sofort lud Sharie ihre Reaktionstabelle und ihr Avatar lächelte sie auffordernd an.

„Was tust du hier, Sharie?“, fragte Tchey, nachdem sie den ersten Schock verdaut hatte. „Ich bin hier, um dich abzuholen.“, sagte das Schiff. „Ich denke, dass wir zwei einen großen Teil dazu beitragen können, die Welt zu retten.“ „Wovon sprichst du?“, fragte Tchey, die von der ganzen Situation noch immer nicht sehr begeistert war. Was würde wohl geschehen, wenn Huxley das hier jetzt sehen würde? Ein Donnerwetter würde es geben, jawohl, ein ganz Gewaltiges!

„Du kannst mir nicht erzählen, dass du die letzten sechs Monate in einer Art Dornröschenschlaf verbracht hast, Tchey Neran!“, sagte Sharie und ihre Stimme klang dabei viel fester, als Tchey sie in Erinnerung hatte. „Selbst, wenn du temporal isoliert gewesen sein solltest, kannst du mir nicht erzählen, dass dich deine Neugier nicht zur Erforschung der dich umgebenden Situation gedrängt hat.“ „Du meinst wegen der Genesianer?“, fragte Tchey. „Genau.“, sagte das Schiff. „Ich weiß auch, wie es dazu kommen konnte. Kamurus hat mir alle Daten gegeben. Irgendwas scheint aber auch im Raum-Zeit-Kontinuum nicht zu stimmen. Aber wenn man die Daten, die ich von ihm bekommen habe, zugrunde legt, erklärt sich alles. Ich habe einen Plan, wie wir Tolea und Sytania wieder trennen können und auch Kairon das Selbstvertrauen zurückgeben können, das er verloren hat. Vielleicht …“ „Langsam, Sharie.“, sagte Tchey, der die ganzen Informationen ziemliche Kopfschmerzen bereiteten. „Kannst du’s mir nicht einfach zeigen?“ „Dann lehn dich zurück und genieße die Show.“, sagte Sharie und begann mit der Simulation.

Mit Kairon im Schlepptau hatte Learosh die Krankenstation betreten. „Sie sagen mir hier also allen Ernstes, Allrounder Betsys Schiff hat für mich ein Telepathiezentrum repliziert?“, fragte der ehemalige Mächtige. „Ja.“, nickte der taskonianische medizinische Assistent. „Ich konnte es zuerst auch nicht glauben, aber meine Vorgesetzte …“

Loridana hatte ihren Weg gekreuzt. „Die jetzt gleich weiter mit unserem Patienten über die Sache reden wird.“, sagte sie und nahm ihm Kairon ab. „Bereiten Sie schon mal alles für eine eventuelle Operation vor, Assistant!“, befahl Loridana und ging mit dem leicht verwirrten Kairon in ihr Sprechzimmer. Dort setzten sie sich auf zwei weiche bequeme Sessel. Danach rief Loridana die gerade erst angefertigte Krankenakte Kairons auf dem Monitor auf. „Ich nehme an, mein Assistent hat Sie bereits informiert.“, sagte Loridana. Kairon nickte. Dann sagte er: „Aber ich kann es nicht wirklich glauben.“ „Das tun Sie aber besser, Kairon.“, sagte Loridana und ließ den Computer ein Bild von der inneren Struktur des Telepathiezentrums anzeigen. „Dieses Zentrum ist die modifizierte Version eines Ersatzteils für Allrounder Betsys Schiff.“, sagte sie. „Lycira muss sich nicht nur Daten über Ihre Gewebestruktur, sondern auch über Telepathiezentren von Mächtigen im Allgemeinen geholt haben. Ich halte durchaus für möglich, dass Ihnen dieses Zentrum Ihre Kräfte zurückgeben könnte, Kairon. Auf der anderen Seite handelt es sich um ein biosynthetisches Implantat. Die Auswirkungen sind noch nicht erforscht.“ „Wie denn auch.“, sagte Kairon. „Ich bin der erste Q, dem so etwas eingesetzt werden soll. Verzeihen Sie.“ „Schon gut.“, sagte Loridana. „Ich weiß ja, dass Sie eigentlich nicht mehr als Q bezeichnet werden wollen, weil das auf allen Seiten zu viele schmerzhafte Erinnerungen weckt. Tolea und Sie …“ „Meine Schwester.“, sagte Kairon. „Da wären wir bei einem guten Thema, Scientist. Meiner Schwester muss Einhalt geboten werden. Sie muss endlich wieder erwachen und sehen, auf was sie sich eingelassen hat. Das kann nur geschehen, wenn ich ihr ein ebenbürtiger Gegner sein kann. Also operieren Sie mich schon!“

Sie zog einen Datenkristall aus der Schublade ihres Schreibtisches hervor, den sie in den Rechner schob und von dem sie eine Datei aufrief. „Lesen Sie sich das bitte gut durch, Kairon.“, sagte sie. „Sollte bei der Operation etwas schiefgehen, möchte ich, dass Sie aufgeklärt sind und dass …“ „Loridana!“, unterbrach er sie. „Ich werde Ihnen nicht an den Karren fahren, wenn hier etwas nicht richtig laufen sollte. Das hier ist ein Experiment und Experimente können auch mal falsch laufen. Ich hoffe zwar, dass das nicht geschieht, aber wie Sie schon sagten, dies hier wurde noch nie versucht. Aber in Anbetracht der Tatsachen bin ich gern Ihr Versuchskaninchen.“ Er unterschrieb mit seinem biologischen Fingerabdruck.

Die Sprechanlage piepte. Am anderen Ende war Learosh. „Scientist, es ist alles bereit.“, meldete er. „Ausgezeichnet, Assistant.“, sagte Loridana. „Kairon und ich kommen gleich her. Wir werden ihn sofort operieren.“ „In Ordnung.“, sagte die ruhige tiefe Stimme des Taskonianers.

Sie stand von ihrem Stuhl auf: „Kommen Sie, Kairon.“ „Müssen Sie den Commander informieren?“, fragte Kairon, während er neben ihr aus der Tür ging. „Damit die Hälfte der Brückenoffiziere vor meiner Krankenstation Schlange steht und alle paar Minuten nervös anfragt, wie weit ich bin?!“, fragte Loridana fast spöttisch zurück. „Nein, nein! Ich werde sie informieren, wenn die Operation vorbei ist. Störungen kann ich hierbei wirklich nicht gebrauchen.“ Sie wendete sich an den Rechner: „Computer, ich bin nicht zu sprechen, bis ich etwas anderes sage!“ „Entschuldigen Sie, Scientist.“, sagte Kairon. „Ich dachte nur, weil das auf Sternenflottenschiffen die allgemein übliche Vorgehensweise ist.“ „Aber bestimmt nicht bei so einem Experiment, Sie Laborratte.“, scherzte sie, als sie das Behandlungszimmer betraten. „Nur nicht nervös werden, Scientist.“, beruhigte Kairon. „Ich bin sicher, dass ich bei Ihnen in guten Händen bin.“ „Das gibt’s ja nicht.“, stöhnte Loridana auf. „Der Patient muss die Operateurin beruhigen. Aber jetzt ab auf den Tisch mit Ihnen, bevor meine Hände noch anfangen zu zittern!“ Kairon nickte und begab sich auf den Operationstisch.

„Ach du liebes bisschen!“, kommentierte Tchey die Dinge, die ihr Sharie soeben gezeigt hatte. „Na da ist ja gewaltig die Kacke am Dampfen.“ „Allerdings.“, bestätigte das Schiff. „Wir müssen Sytania und Tolea unbedingt wieder trennen und Tolea muss begreifen, dass sie ziemlichen Bockmist gebaut hat.“ „Das ist mir längst klar.“, lächelte die Reptiloide. „Aber wie lautet dein Plan, um genau das zu tun?“ „Pass auf.“, antwortete Sharie ruhig und sich ihrer sehr sicher, ein Umstand, den Tchey nicht von ihr kannte, allerdings sehr begrüßte.

Sie zeigte ihrer Pilotin die Simulation eines Duells zwischen Tolea und Kairon, bei dem Kairon eindeutig die Oberhand gewann. „Wie bitte willst du das erreichen, Sharie?“, fragte Tchey. „Wir haben doch beim ersten Mal gesehen, dass Sytania Tolea geholfen hat. Das wird sie wieder tun und Kairon wird den Kürzeren ziehen.“ „Wird er nicht!“, widersprach das Schiff. „Nicht, wenn das richtige Motiv dem Duell zugrunde liegt!“ „Das richtige Motiv?“, fragte Tchey verwirrt. „Ja, das richtige Motiv.“, wiederholte Sharie. „Denk mal nach, Tchey. Was könnte ich wohl meinen?“

Der Avatar machte ein entspanntes Gesicht und lehnte sich zurück, während Tchey versuchte, ihre kleinen grauen Zellen auf Trab zu bringen. Leider gelang es ihr nicht wirklich, was wohl auch damit zu tun hatte, dass sie eine Art Zugzwang verspürte, was ihre Situation anging. Schließlich standen sie mitten in einem Gemüsebeet, das ihnen nicht gehörte und Tchey war sicher, dass ihr Schiff diesen Platz nicht eher verlassen würde, bis sie alle Details des Plans kannte und sich damit einverstanden erklärt hatte. Per Neurokoppler konnte das Schiff jeden Gedanken seiner Pilotin nachvollziehen und wusste, dass sie im Moment noch gewaltig auf dem Holzweg war.

„Bitte hilf mir, Sharie.“, bat Tchey nach einer Weile angestrengtem Nachdenkens ohne Ergebnis. „Ich komm’ nich’ drauf.“ „Na schön.“, sagte das Schiff. „Aber ganz so leicht werde ich es dir nicht machen. Wie wäre es, wenn wir den Beiden ein Duell um die Wahrheit vorschlagen?“ „Ein Duell um die Wahrheit?“, fragte Tchey, aber fügte auch gleich hinzu: „Sag nichts mehr. Ich glaube, ich weiß jetzt, worauf du hinaus willst. Wenn wir zwei den Hohen Rat dazu kriegen, dass er Tolea der Zusammenarbeit mit Sytania beschuldigt und Kairon uns dabei hilft, dann wird sie beweisen wollen, dass es nicht so ist und sich mit einem weiteren Duell, dessen Regeln wir und der Hohe Rat festlegen, einverstanden erklären. Sie wird aber vergeblich auf Sytanias Hilfe hoffen, denn die will ja nicht, dass man ihr draufkommt. Dann wird Kairon sie besiegen können und damit ist bewiesen, dass ihr Sieg nur möglich war, weil Sytania ihr geholfen hatte. Das wird sie aber jetzt nicht tun, weil mein treues Schiff Erfasser bei Fuß steht und alles aufzeichnen wird.“ „Genau.“, sagte Sharie. „Sytania mag es gar nicht, wenn man ihr etwas beweisen kann. Deshalb wird sie sich raushalten. In der Hinsicht ist sie ein feiges Huhn.“ Sie machte das Geräusch einer aufgescheuchten Henne nach. „Tolea wird so wütend auf Sytania werden, weil sie ihr nicht geholfen hat, dass sie sie aufsuchen wird und sie zur Rede stellen wird. Dann wird sie aus lauter Wut die schwarze Macht, die Sytania ihr geschenkt hat, gegen sie einsetzen. Das hat eine Art Rückkopplung zur Folge, die sie wieder von der Macht befreien wird. Aber weil Tolea dann aufwacht und erkennen wird, was sie angerichtet hat, sollte jemand da sein, der sie auffängt.“, erklärte Sharie. „Mit jemand meinst du wohl wir zwei.“, sagte Tchey. „Sharie! So einen Plan hätte ich dir echt nicht zugetraut! OK. Dann zeig mir die Steuerkonsole! Wir starten ins Raum-Zeit-Kontinuum! Ich hoffe, dein interdimensionaler Antrieb ist gut in Form!“ „Genau so wollte ich dich hören, Tchey.“, grinste Sharie und führte ihre Befehle aus.

Tchey schaute auf das Beet, das langsam immer kleiner wurde, je weiter sie und ihr Schiff sich vom Boden entfernten. „Du hast mich ganz schön in Zugzwang gebracht.“, sagte sie. „Landest einfach in einem Beet, das uns nicht gehört und läufst Gefahr, mit deinen Antriebsfeldern gegrilltes Gemüse zu produzieren. Außerdem standen deine Landestützen auf vier Pflanzenzwiebeln, die jetzt sicher hinüber sind.“ „Ach das war so kugelig unter mir.“, sagte Sharie scherzend. „Und ich bin davon ausgegangen, es sei eine Start- und Landepiste mit Massageeinrichtung.“

„Legen Sie den Kopf bitte hierhin.“, sagte Learosh zu Kairon und zeigte auf eine bestimmte Stelle auf dem Operationstisch. Folgsam legte der Angesprochene den Kopf in den metallenen Halbmond, der sich am Kopfende des Tisches befand. „Ich werde jetzt ein Betäubungsfeld initiieren.“, erklärte der medizinische Assistent weiter. „Das betäubt nur Ihre Hirnhaut und den empfindungsfähigen Teil Ihres Schädels. Sie wissen vielleicht, dass das Gehirn selbst keinen Schmerz empfindet.“ „Ja.“, sagte Kairon. „Aber warum legen Sie mich nicht ganz in Narkose?“ „Weil wir auf Ihre Mitarbeit angewiesen sind.“, sagte Loridana, die damit beschäftigt war, die von Learosh vorgenommene Programmierung des chirurgischen Transporters zu überprüfen. „Meine Mitarbeit?“, fragte Kairon. „Wir müssen wissen, ob Sie während der Operation irgendwelche merkwürdigen Dinge fühlen, damit wir sie abbrechen können, bevor es für Sie lebensbedrohlich wird. Vergessen Sie bitte nicht, dass Sie jetzt sterblich sind, Kairon.“, sagte Loridana. „Noch bin ich sterblich, meine liebe Frau Doktor.“, sagte Kairon. „Aber ich bin zuversichtlich, dass dieses Experiment glücken wird. Also drücken Sie schon auf den Knopf, Learosh.“

Der medizinische Assistent sah seine Vorgesetzte an, die ihm billigend zunickte. Dann aktivierte er das Feld. „Sie können alles fühlen außer Schmerz.“, sagte er. „Alle anderen Signale dringen noch zu Ihrem Gehirn durch.“ „Schon gut.“, sagte Kairon.

„Betäubungsfeld ist in Funktion.“, meldete Learosh. „In Ordnung.“, sagte Loridana. „Initiiere Operationsprogramm.“

Wie Learosh es im Vorhinein programmiert hatte, beamte der chirurgische Transporter das Telepathiezentrum aus seinem Behälter in Kairons Gehirn an die Stelle, an der auch sein Altes gesessen hatte. Danach beamte er einige Nervenzellen und Teile von Blutgefäßen fort, was kleine Wunden an den zuständigen Nerven und Gefäßen entstehen ließ. Gleich darauf wurde der Stimulator aktiviert, der die wunden Gefäße und Nerven quasi mit den Anschlussstellen des Zentrums verschweißte.

„Gehen Sie zum neuralen Monitor, Learosh.“, sagte Loridana. „Beobachten Sie, ob und in welchem Umfang das Zentrum zu arbeiten beginnt.“ Der medizinische Assistent nickte und führte ihre Weisung aus. „Durchblutungsstatus ist nahe Normal, Madam.“, sagte er. „Eigentlich müsste es gleich anfangen zu …“

Kairon hatte einen Laut von sich gegeben, der Loridana sofort zu ihm eilen ließ. „Was ist?!“, fragte sie. „Was fühlen Sie?!“ „Das kann ich Ihnen nicht erklären.“, sagte Kairon und lächelte. „Irgendwie fühle ich alles. Ich glaube, es hat funktioniert!“ Loridana gab einen Laut der Erleichterung von sich. „Und ich dachte schon.“, sagte sie. Dann sah sie zum Monitor herüber. „Ich dachte schon, das da wäre eine Energiekaskade in Ihrem Nervensystem.“ „Wenn man es genau nimmt.“, sagte Kairon. „Dann habe ich gerade genau das erlebt. Das Zentrum hat eine unkontrollierte Stimulation erfahren, als es durchblutet wurde. Das ist, als würde ein Arm oder ein Bein nach dem Einschlafen wieder erweckt. Das muss ich Ihnen doch wohl nicht erklären.“

Er machte kurz ein konzentriertes Gesicht, um dann zufrieden festzustellen: „Aber jetzt habe ich es im Griff … Oh, mein Gott! Entschuldigen Sie mich!“ Er verschwand in einem weißen Blitz.

„Sieht aus, als währen wir erfolgreich gewesen.“, sagte Loridana. „Aber was meinte er mit: Oh, mein Gott?!“ „Das weiß ich auch nicht.“, antwortete der medizinische Assistent. „Aber ich denke, wir werden es noch früh genug erfahren. Jetzt sollten wir erst mal den Commander informieren.“ „Ganz Ihrer Ansicht.“, antwortete Loridana. „Kommen Sie. Wir gehen am Besten gleich selbst zu ihr.“

Kissara hatte mit Mikel, Kang und mir die neuesten Entwicklungen besprochen, als die Mediziner die Brücke betraten. „Ich hoffe, dass Sie Ihrem Schiff beibringen werden, dass sie das nächste Mal zumindest fragen soll, bevor sie einen Bruch der Sicherheit begeht, Allrounder!“, sagte Kissara eindringlich zu mir. „Sicher, Commander.“, versicherte ich. „Lycira ist nur sehr pragmatisch veranlagt und dachte daher wohl, dass es besser wäre, sofort etwas zu tun, ohne den Dienstweg einzuhalten.“ „Schon gut.“, sagte sie.

Die Türsprechanlage piepte und zeigte Kissara an, dass jemand vor der Tür zur Brücke wartete. „Herein!“, sagte sie. Dann sah sie überrascht in zwei lächelnde Gesichter. „Commander, es hat funktioniert!“, verkündete Loridana. „Was hat funktioniert, Scientist?“, fragte die Kommandantin ernst, die es gar nicht schätzte, dass jetzt auch noch Mitglieder ihrer Crew, die ja eigentlich die Vorschriften kennen mussten, ebendiese umgangen hatten. „Die Operation.“, fiel Learosh ein. „Welche Operation?“, fragte Mikel. „Haben Sie Kairon etwa schon operiert?“ „Ja.“, sagte Loridana. „Tut mir leid, dass wir Sie nicht vorher informiert haben, aber ich fand es besser, da dies hier auch hätte schiefgehen können.“ „Man beachte den Konjunktiv.“, äußerte ich. „Heißt das etwa, es hat tatsächlich geklappt?“, fragte Kang. „Wo ist Ihr Patient jetzt?“, fragte Mikel. „Wissen wir nicht.“, sagte Loridana. „Er sagte nur so was wie: Oh, mein Gott und war dann verschwunden. Sicher hat er über das neue Zentrum etwas wahrgenommen, was seine sofortige Einmischung nötig macht.“ „Wir werden sehen.“, sagte Kissara. „Aber über Ihren Verstoß gegen die Vorschriften müssen wir noch einmal reden, Loridana. Sie wissen doch, dass ich Ihnen nicht den Kopf abgerissen hätte, wenn Ihnen Kairon auf dem Operationstisch verstorben wäre oder so. Das ist ein Risiko, mit dem Ärzte leben müssen und wir sind ja auch noch Wissenschaftler, denen auch mal ein Experiment in die Hose gehen kann.“ „Danke, Commander.“, sagte Loridana. „Es wird sicher nicht mehr vorkommen.“ „Das hoffe ich.“, sagte die Kommandantin.

Kapitel 40 - Sharies List

von Visitor

 

Tchian hatte sich jetzt öfter in der großen Halle des Hohen Rates aufgehalten, obwohl er und seinesgleichen dort eigentlich keinen Zutritt hatten. Aber die letzten Ereignisse hatten auf den Vendar-Jungen derart verstörend gewirkt, dass er dieses Verbot jetzt übertrat, um etwas mehr über die Situation an sich herauszufinden. Er hatte sich einen neuen Erfasser repliziert und scannte mit dem Gerät jetzt immer und immer wieder die wie nach oben gerichtete Tropfsteine aussehenden Felsnasen, die wohl einmal die Ratsmitglieder gewesen waren. Immer noch hoffte er, eines Tages zu sehen, wie sie sich wieder zurückverwandelten. Er wünschte sich so sehr, dass sein Ausbilder hier wäre, um ihm die Sache zu erklären, aber Diran hatte ja selbst keine Erklärung für das plötzliche irrationale Verhalten seiner Gebieterin gefunden. Die einzige Erklärung, die er hatte, war sehr ungeheuerlich gewesen und passte auch gar nicht in sein Weltbild, weshalb Diran wohl auf der anderen Seite auch froh über die Zerstörung des Erfassers, der alles hätte beweisen können, war.

Ein weißer Blitz erschreckte den Jungen. Tchian sah in die Richtung, aus der er gekommen war und erkannte Kairon, der sich vor ihm materialisiert hatte. „Bitte vergebt mir, Gebieter!“, stammelte er erschrocken. „Was soll ich dir vergeben?“, fragte Kairon freundlich und legte Tchian fast väterlich seine Hand auf die Schulter. „Soll ich dir vergeben, dass du Tag aus Tag ein hierher gekommen bist und auf meine armen bedauernswerten Freunde Acht gegeben hast? Ich wüsste nicht, dass das ein Verbrechen darstellt.“ „Ich sprach von der Tatsache, dass ich mich hier hereingeschlichen habe, Gebieter.“, sagte Tchian.

Der Novize beobachtete, wie der Mächtige die Reihen der Tropfsteine abschritt. „Könnt Ihr sie befreien, Gebieter?“, fragte er. „Nein.“, sagte Kairon. „Sytanias und Toleas Energie ist noch immer in ihnen. Erst wenn die Beiden getrennt sind oder eine andere Möglichkeit gefunden ist, werden sie wieder ihre eigentliche Gestalt bekommen können.“ „Wenigstens scheint Ihr Eure Fähigkeiten zurückzuhaben.“, tröstete sich Tchian. „Ja.“, erwiderte Kairon. „Aber ohne einige findige Sternenflottenoffiziere wäre mir das nicht vergönnt gewesen. Aber wie die Situation im Augenblick aussieht, kann ich nichts … Sie ist hier, um mich zu holen!“

Vor Tchians Augen verwandelte sich Kairon ebenfalls in eine der Felsnasen. Tchian wusste, dass dies Sytania oder Tolea nicht davon abhalten würde, ihn zu finden, denn sie könnten ihn ja schließlich spüren. Er ahnte ja nicht, wen Kairon wirklich mit der Frau gemeint hatte, die hinter ihm her war, um ihm einen Ausweg aus der für ihn ausweglos scheinenden Situation zu zeigen.

Tchey und Sharie hatten das Kontinuum erreicht. Das Schiff hatte einige Konfigurationen der Software ihres Antriebs vornehmen müssen, die alle Felder der momentanen Situation anpassten. Sonst wären sie keinen einzigen Parsec weit gekommen. „Eins ist klar.“, flapste Tchey. „Die Dimension ist total im Eimer.“ „Wie Recht du hast.“, sagte Sharie. „Und das kann nur bedeuten, dass sich das Gleichgewicht der Kräfte total verschoben hat.“ „Ganz deiner Ansicht.“, sagte Tchey. „Bring uns zur großen Halle.“ „Wie du willst.“, sagte das Schiff und übernahm die Steuerkontrolle. „Übrigens habe ich die Achterkabine schon einmal für unseren Plan vorbereitet. Die Atmosphäre dort und auch im Cockpit ist mit gasförmigem Rosannium versetzt. Das wird Kairon zwingen, uns zuzuhören. Ich schätze, dass er im Moment depressiv irgendwo in einer Ecke sitzt und grübelt, wie er mit Hilfe seiner Kräfte die Sache heilen kann. Die wird er ja auch benutzen, er muss nur kapieren, dass er das nicht allein schafft. Dazu müssen er und wir auf gleicher Ebene agieren können. Dir macht das Rosannium ja nichts, weil du Nichttelepathin bist, aber bei Kairon wird es hoffentlich einen heilsamen Schock auslösen.“ „Du kannst ja richtig fies sein.“, sagte Tchey. „Aber gut. Such seine Biozeichen!“

Tchian hatte mit seinem Erfasser die Situation außerhalb der Halle gescannt. Kairons letzte Äußerung hatte ihn nicht in Ruhe gelassen. Beruhigt hatte er festgestellt, dass weit und breit kein Zeichen von Sytania oder Tolea zu sehen war. Nur die Antriebssignatur eines merkwürdigen fremden Schiffes, das sich auf ihn zu bewegte, war ihm aufgefallen. Auch im Display seines Sprechgerätes hatte er Sharies Rufzeichen, das mit ihrem Transpondersignal übermittelt wurde, lesen können. Er konnte sich die Anwesenheit des fremden Schiffes und seiner offensichtlich reptiloiden Pilotin nicht erklären, hoffte aber inständig, von ihr Hilfe bekommen zu können, denn die Situation war für ihn extrem undurchsichtig und beängstigend geworden. Sein Ausbilder, der ihn vielleicht hätte aufklären können, war nicht da und sein Gebieter zog es vor, sich hinter der Gestalt einer Felsnase zu verstecken. Vielleicht war die Einzige, von der er Hilfe und Zuspruch erwarten konnte, ja tatsächlich diese Frau. Er beschloss, sich einfach mal bei ihr zu melden. Eigentlich war es den Vendar verboten, von sich aus Sterbliche in die Geheimnisse der Mächtigen einzuweihen. Aber wer sollte ihn richten? Also wählte er das Rufzeichen mit dem Cursor aus und bestätigte es.

„Tchey, wir werden gerufen.“, meldete Sharie. „Von wem?“, fragte Tchey platt. „Ich kann das Rufzeichen nicht einordnen.“, erklärte Sharie. „Aber seiner Kennung nach ist es ein Vendarisches.“ „Vendar?“, fragte Tchey. „Arbeiten die nicht für die Mächtigen?“ „Das tun sie.“, bestätigte das Schiff. „Aber eigentlich gibt es sehr strenge Regeln. Ungefragt dürfen sie nichts an Sterbliche weitergeben, was die Geheimnisse der Mächtigen angeht.“ „Wie kommst du darauf, dass dieser Vendar gerade das tun will?“, fragte Tchey. „Sieh mal.“, sagte Sharie und legte ihr ein Bild auf den Neurokoppler. „Ich habe das Innere der großen Halle gescannt.“, sagte sie. „Du wirst gleich feststellen, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Ich habe den Verdacht, dass dieser Vendar irgendetwas darüber weiß und von uns Hilfe erwartet.“

Tchey schaute sich die Bilder genau an. „Du bist sicher, dass du mir hier nicht einfach irgendeine Tropfsteinhöhle zeigst?“, erkundigte sie sich ungläubig. „Ich bin mir verdammt sicher!“, erwiderte Sharie. „Das heißt also, Tolea und Sytania haben sie tatsächlich überrascht!“, stellte Tchey fest. „Was macht unser Vendar?“ „Der versucht immer noch, mit uns Kontakt aufzunehmen.“, antwortete Sharie. „Dann stell ihn durch.“, entgegnete Tchey.

Sie war überrascht, in ein so junges Gesicht zu sehen, das ihr bald auf dem Neurokoppler präsentiert wurde. „Mein Name ist Tchian.“, stellte der Junge sich bei ihr vor. „Hi! Ich bin die Tchey.“, antwortete sie. „Was hast du denn auf dem Herzen, Tchian?“ „Ich kann die Welt nicht mehr verstehen, Tchey!“, sagte Tchian mit ängstlicher Stimme. „Alle Mitglieder des Hohen Rates sind wohl von Tolea und Sytania in Felsnasen verwandelt worden. Sie müssen sie überrascht haben.“ „Ist Kairon bei dir?“, fragte Tchey. „Ich glaube nämlich, dass mein Schiff und ich eine Möglichkeit gefunden haben, das hier zu beenden, aber er muss uns zuhören.“ „Mein Gebieter ist hier.“, sagte der halbwüchsige Vendar. „Aber du wirst ihn nicht von den anderen unterscheiden können. Er hat sich ebenfalls zu einer Felsnase gemacht, um dir zu entkommen. Er ist zu verzweifelt, um noch Hilfe von anderen anzunehmen.“ „Dann sag mir, welche Felsnase es ist, Tchian.“, sagte Tchey. „Wir werden ihn an Bord beamen und dann wird es sich was haben mit der Verwandlung.“ „Ich wünschte, ich könnte es dir sagen, Tchey.“, entgegnete der Jugendliche. „Aber selbst für meinen Erfasser sieht eine Felsnase wie die andere aus.“ „Dann machen wir das anders.“, sagte Tchey. „Mein Schiff kann ziemlich genau scannen. Vielleicht findet sie ihn.“

„Tchian hat Recht, Tchey.“, sagte Sharie. „Wenn ich einen von ihnen scanne, während er eine Felsnase ist, dann sehe auch ich eine Felsnase. Aber wenn sich Kairon vor uns verstecken will, dann wird er das auch weiter tun, wenn wir ihm signalisieren, dass wir seinen Plan durchschaut haben.“ „Aber klar, Sharie.“, überlegte Tchey. „Tu so, als wolltest du eine Transportererfassung vornehmen. Dann muss er ja befürchten, dass er dran ist und wird sich in etwas anderes verwandeln und schwupp! Wir haben ihn.“

Sharie ging über der Halle in Sinkflug und richtete ihre Transporter auf eine der Felsnasen aus. Tatsächlich gab es einen weißen Blitz und eine der Nasen fehlte bald. „Kairon muss sich in etwas anderes verwandelt haben, Tchey.“, sagte Tchian. „Das habe ich auch gesehen.“, antwortete die Reptiloide. „Aber in was?“

Tchian überlegte, wie er seiner neuen Verbündeten das Auffinden Kairons erleichtern könnte. Er wusste, dass der Mächtige sich jetzt genau so gut in einen Baum, wie in einen Grashalm verwandelt haben konnte. Davon gab es hier nämlich sehr viele und er würde dann nicht herausstechen. Der Vendar-Junge hoffte so sehr, dass er irgendetwas tun konnte. Aber …

Ihm war etwas aufgefallen. Immer dann, wenn sein Gebieter sich verwandelte, musste er sich doch konzentrieren. Das musste doch Energiespitzen nach sich ziehen, die sonst kein weiteres Objekt absonderte.

Er stellte den Erfasser auf aktives Scannen und ging herum. Tatsächlich fand er bald Reste der vermuteten Energiespitzen in einem Baum. Tchian schloss seinen Erfasser an sein Sprechgerät an und übermittelte Sharie die Daten.

„Sieht aus, als würde uns der Kleine doch noch helfen können.“, stellte das Schiff fest. „Was meinst du damit?“, sagte Tchey. „Tchian hat uns gerade eine Datei mit einem Bild übermittelt.“, sagte Sharie. „Das Bild ist eine Energiespitze. Die entstehen immer dann, wenn Mächtige sich konzentrieren.“ „Wow.“, machte Tchey. „Warum sind wir da nicht drauf gekommen? Such die verdammte Spitze, Sharie! Jetzt haben wir ihn!“

Kairon war bewusst, dass er in dieser Gestalt nicht lange verbleiben konnte, denn er hatte längst bemerkt, dass Tchey und Sharie ihm auf der Spur waren. Obwohl er eigentlich vom Talent der Sterblichen, Probleme zu lösen, sehr überzeugt war, glaubte er nicht, dass sie ihm dieses Mal würden helfen können. Das Problem war im Kreise der Mächtigen entstanden und er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sterbliche es lösen könnten. Er würde gegen seine Schwester und Sytania allein ins Feld ziehen müssen. Zumindest dachte er das und verwandelte sich daher von einem Baum in eine Wiesenblume, was er im gleichen Moment bitter bereute, da Sharie die entstandene Energiespitze zur Etablierung einer Transportererfassung genutzt hatte. Da die Atmosphäre im Cockpit und in der Achterkabine mit Rosannium versetzt war, wurde die Verwandlung auch bald von allein rückgängig und vor ihr stand Kairon in seiner eigentlichen Gestalt. „Allrounder!“, sprach er sie überrascht an, denn er kannte sie noch, als sie noch für die Sternenflotte arbeitete. „Wie haben Sie mich gefunden und vor allen Dingen, wie haben Sie mich zurückverwandelt?“ „Rosannium!“, sagte Tchey streng. „Sie mögen denken, dass es keinen Ausweg mehr gibt, Kairon. Aber Sharie und ich kennen einen.“

Sie zog einen zweiten Neurokoppler unter der Konsole hervor. „Setzen Sie den auf!“, sagte sie. „Sonst werden Sie nicht sehen, was Sharie für Sie geplant hat.“ „Wie wollen Sie denn unsere Probleme lösen, Allrounder?“, fragte Kairon. „Sie können weder die anderen zurückverwandeln, noch können Sie Sytania und Tolea voneinander trennen.“ „Das hätte ich von Ihnen nicht gedacht, Kairon.“, lachte Tchey. „Gerade Sie und Tolea, zumindest, wenn ihr Verstand nicht völlig von Sytania eingenebelt ist, sind doch sonst immer so überzeugt von unseren Talenten gewesen. Wer weiß, vielleicht finden wir ja auch dieses Mal einen Weg. Sharie, zeig ihm die Simulation!“

Das Schiff zeigte Kairon die Simulation des Duells, die sie erstellt hatte. „Sie meinen wirklich, das könnte gehen?“, sagte Kairon. „Oh, ja.“, meinte Tchey. „Ich bin sogar verdammt sicher. Sehen Sie, Kairon. Wenn wir Tolea zu einem Duell um die Wahrheit herausfordern, wird Sytania sich heraushalten, denn sie würde ja befürchten, dass wir ihr draufkommen. Sharie wird nämlich alles aufzeichnen.“ „Das kann ja sein.“, sagte Kairon, der das Ganze immer noch nicht wirklich gut heißen konnte. „Aber ich habe einen Vorschlag. Sie behaupten ja auch, Sie könnten den Hohen Rat retten. Sollte Ihnen das gelingen, wäre ich für einen Versuch bereit.“ „Na schön.“, sagte Tchey. Dann wandte sie sich an Sharie: „Repliziere mir zwei Hyporen mit je einer Rosannium-Patrone und dann verbinde mich mit Tchian!“ „OK.“, sagte Sharie und führte ihre Befehle aus. „Sie wollen Rosannium einsetzen, um meine Leute zu retten?“, fragte Kairon irritiert. „Genau das.“, sagte Tchey kalt. „Die Dosis macht das Gift, Kairon. Ich werde ihnen nur so viel spritzen, dass es ausreicht, um Sytanias und Toleas Energie zu tilgen. Dann müssten sie sich ja eigentlich wieder in ihre ursprüngliche Gestalt verwandeln, denn sie wurden ja nicht als Felsnasen geboren.“ „Woher haben Sie Informationen für so waghalsige Theorien.“, fragte Kairon. „Ich fliege das Rettungsshuttle.“, sagte Tchey cool. „Da musste ich einen kleinen medizinischen Kurs absolvieren. Ich weiß, die Chance steht 50 zu 50, dass das hier in die Binsen geht, aber 50 % Chance sind in diesem Falle ein Angebot, das ich nicht ausschlagen werde.“

Ein Lämpchen machte Tchey auf das Auswurffach des Replikators ihres Schiffes aufmerksam. „Ah, danke, Sharie.“, lächelte sie und entnahm die Geräte, die ihr Schiff dort deponiert hatte. „Deine Verbindung habe ich auch.“, sagte Sharie. „OK.“, sagte Tchey. „Dann gib ihn her.“

Auf dem virtuellen Schirm vor Tcheys geistigem Auge erschien das erwartungsvolle Gesicht Tchians. „Ich werde deine Hilfe benötigen, Tchian.“, erklärte Tchey. „Ich komme gleich zu dir runter und dann werden wir gemeinsam den Hohen Rat erlösen! Wie findest du das?“ „Wie willst du das machen, Tchey?“, fragte der verzweifelte junge Vendar. „Wie solltest du als Sterbliche ihnen helfen können, wenn sie sich noch nicht einmal selbst helfen können?“ „Abwarten.“, sagte die Reptiloide ruhig und begann, die Hyporen auf eine geringe Dosis Rosannium einzustellen, nachdem sie die Patronen aufgesteckt hatte. „Ich werde jetzt runter gehen.“, sagte sie und stand auf. „Pass auf unseren Q auf, Sharie, damit er keinen Unsinn macht. Aber halt ihn auf dem Laufenden.“ „Du kannst dich auf mich verlassen, Tchey.“, lächelte Sharie. „OK.“, sagte Tchey und legte den Neurokoppler ab. „Dann beam’ mich zu Tchian!“

Der Vendar-Junge hatte neugierig die Gestalt beobachtet, die sich vor ihm materialisiert hatte. Jetzt sah er zu, wie sie sich ihm näherte, um ihm im gleichen Moment, in dem sich ihre Hände zur Begrüßung begegneten, einen Hypor in die Hand zu drücken. „Hi, Tchian.“, sagte Tchey. „Ich bin’s. Wir sollten keine Zeit verlieren. Lass uns am besten gleich in die große Halle gehen und die Mächtigen aus ihrem Knebel befreien!“ „Was ist in den Hyporen, Tchey?“, fragte Tchian ernst. „OH, da will es aber jemand ganz genau wissen.“, erwiderte die Reptiloide lächelnd. „Aber krieg jetzt bitte keinen Schreck. In den Dingern ist Rosannium.“ „Rosannium?“, fragte Tchian erschrocken. „Bist du sicher, dass das die richtige Medizin ist, Tchey?!“ „Jops!“, meinte Tchey und machte ein lässiges Gesicht. „Hör mal zu. Wir müssen die Energie von Sytania und Tolea aus ihnen entfernen. Dazu spritzen wir ihnen eine geringe Dosis Rosannium. Dann müssten sie sich eigentlich wieder in ihre ursprüngliche Gestalt zurückverwandeln.“ „Du sagst, dass sie das müssten.“, erwiderte Tchian. „Aber du bist dir nicht sicher, dass sie es werden.“ „Ich gebe zu, es ist nur eine Theorie von mir.“, sagte Tchey. „Aber in früheren Zeiten wurde auch Schlangengift in der Medizin verwendet, um Heilung zu erreichen. Vielleicht ist es ja bei Rosannium ähnlich.“ „Aber sie könnten auch daran sterben.“, befürchtete Tchian. „Wir haben eine Chance von 50 zu 50 und die würde ich gern nutzen!“, sagte Tchey energisch und drehte sich Richtung Halle. Dann setzte sie sich ebenso energisch in Bewegung. So energisch, dass Tchian Mühe hatte, ihr zu folgen. „Du bist sehr risikofreudig, Tchey.“, stellte der Junge atemlos fest. „Ach, bin ich das?“, entgegnete Tchey naseweis. „Dann stehe ich ja Tom Paris in nichts nach.“ Nachdenklich legte Tchian die Stirn in Falten. Zu gern hätte er gewusst, wer Tom Paris war, wagte aber nicht, sie nach diesem Mann zu fragen, denn er dachte sich, dass sie ihm so schnell keine Erklärung geben würde, da sie heilfroh war, dass sie ihn hatte ablenken können.

Sie durchschritten den Torbogen und standen jetzt vor den Felsnasen. „Wir können froh sein, dass man bei den heutigen Hyporen keine Nadeln mehr benutzt, sondern das Medikament gebeamt wird. Sonst hätten wir keine Chance.“, scherzte Tchey. Tchian ging nicht auf ihren Spaß ein. Er hatte zu viel Angst, um jetzt an etwas anderes als an die Konsequenzen der Gabe von Rosannium für die Mächtigen zu denken. „Sieht mein Gebieter uns von deinem Schiff aus zu?“, fragte er. „Worauf du dich verlassen kannst.“, sagte Tchey. „Sharie kennt ihre Befehle. Sie weiß, dass sie ihm alles zeigen soll, was wir hier veranstalten. Ich kann mir denken, dass er sich im Stillen erhofft, dass unsere Aktion ohne Wirkung bleibt, damit er seinen Teil der Vereinbarung nicht erfüllen muss. Aber da hat er sich geschnitten.“

Sie griff Tchians Hand und zog ihn zu einem zentral gelegenen Fleck in der Mitte der Halle. „Du gehst nach rechts, ich gehe nach links.“, teilte Tchey ein. „Such dir irgendeine Stelle an einer Felsnase und drück auf den großen runden Knopf am Bedienelement des Hypors. Dann wartest du auf ein kurzes Piepsignal und gehst weiter. Es ist wichtig, dass jeder nur eine Dosis erhält. Hast du verstanden?“ Tchian nickte. „OK.“, sagte Tchey, die sich bereits in Position zu einer der Felsnasen gestellt hatte. „Dann los!“

Kairon hatte alles von Sharie auf dem Silbertablett serviert bekommen. Das Schiff hatte die Atmosphäre noch nicht wieder von dem Rosannium gereinigt, so dass Kairon, selbst wenn er es gewollt hätte, seine Kräfte nicht benutzen konnte, um sich still und heimlich davonzumachen. „Hör mal, Schiff.“, wendete er sich schließlich an Sharie. „Wie stehst du eigentlich zu Tcheys Aktion? Ich hoffe, du hast die Befehle nicht nur ausgeführt, weil sie …“ „Ich heiße Sharie.“, unterbrach sie. „Und nein, ich habe die Befehle meiner Pilotin nicht ohne Nachdenken ausgeführt. Mir leuchtet durchaus ein, was Tchey gesagt hat. Mir scheint, Sie suchen nur nach einer Möglichkeit, aus der Nummer wieder herauszukommen, Kairon. Sonst hätten Sie ja den Vorschlag sicher nicht gemacht. Aber Sie müssen sich nicht sorgen.“ „Was mich verwirrt, Sharie.“, erklärte der Mächtige. „Ist die Tatsache, dass du und Tchey so sicher seid, dass die Aktion klappen wird. Ich meine, was ist, wenn entgegen deiner Simulation sich Sytania komplett anders verhält. Was ist, wenn sie meiner Schwester doch hilft?“ „Dann liefe sie Gefahr, dass wir sie an den nicht vorhandenen Eiern hätten.“, sagte Sharie salopp. „Ein Zustand, den sie sicher nicht gern herbeiführen will. Was wir mit ihr machen würden, ist sicher noch harmlos im Gegensatz zu den Maßnahmen der Genesianer!“ „Also wirklich!“, meinte Kairon ob ihrer Ausdrucksweise.

Tchian hatte an Hand der Anzeige seines Hypors festgestellt, dass er leer war. Alle Felsnasen in seinem Bereich hatten ihre Dosis abbekommen und so kehrte er zu Tchey zurück, die ebenfalls mit ihrer Arbeit fertig war. „Noch einmal.“, sagte er. „Ich habe extremes Muffensausen!“ „Ach, dann sind wir ja schon zwei.“, flapste Tchey. „Was?“, fragte Tchian. „Du hast auch Angst? Ich dachte, du wärst dir deiner so sicher.“ „Ja, ja.“, sagte Tchey. „In gewisser Hinsicht ja, in gewisser Hinsicht auch nein. Wie gesagt, die Chance ist 50 zu 50, dass …“

Sie hatte das Signal ihres Sprechgerätes wahrgenommen und zog es aus der Tasche. Im Display konnte sie Sharies Rufzeichen ablesen. „Was ist, Sharie?“, fragte sie. „Ich kann noch nicht genau sagen, was du erreicht hast.“, sagte das Schiff. „Aber laut meinen Sensoren verändern bereits einige der Felsnasen ihre strukturelle Integrität.“

Tchey fuhr herum und Tchian sah auch neugierig in ihre Richtung. „Dein Schiff hat Recht.“, sagte der kleine Vendar, dessen scharfe Augen tatsächlich bald die Nasen entdeckt hatten, von denen Sharie gesprochen haben musste. „Es sieht aus, als würden sie schmelzen oder so.“

Mit alarmiertem Gesicht zog Tchey ihren Erfasser und scannte in seine Richtung. Viel konnte das Interpretationsprogramm des Gerätes mit der Situation, die sich ihm bot, auch nicht anfangen, denn es hatte ja noch nie so etwas gesehen. Auch Tchey selbst wusste nicht, wie sie die Werte einordnen sollte. „Was passiert hier?!“, fragte Tchian ängstlich. „Willst du die Wahrheit, oder eine diplomatische Antwort?“, fragte Tchey. „Die Wahrheit.“, sagte Tchian und griff nach ihrer freien linken Hand. In der Rechten hielt sie ja den Erfasser. „Na schön.“, sagte Tchey. „Die Wahrheit ist: Ich habe keinen blassen Schimmer.“

„Sterbliche!“ Eine heisere Stimme aus einer der Reihen hatte Tchey dies zugerufen. Sie drehte sich in die Richtung und erkannte, dass derjenige, dem Tchian zuerst eine Spritze gegeben hatte, sich in eine humanoide Gestalt verwandelt hatte. Vor ihr stand ein großer etwas dickerer Mann von ca. 1,80 m Größe mit einem Schnauzbart und braunen Haaren, der in einen feinen Anzug gekleidet war.

„Nimm den Erfasser und scanne die anderen.“, zischte sie Tchian zu. „Ich will mich mit ihm unterhalten.“ Der Junge nickte und nahm das eingestellte Gerät aus ihrer Hand entgegen. „Du musst nichts tun, um seine Anwesenheit hier irgendwie zu erklären.“, sagte der Dicke und lächelte Tchey gewinnend an. „Ich für meinen Teil bin heilfroh, dass du und er euch hier getroffen habt, um uns zu helfen. Da kann ich auch mal über die Tatsache hinwegsehen, dass ein Vendar ungefragt die große Halle betreten hat.“ Er sah sich um. „Anscheinend hat deine Aktion wohl Früchte getragen. Die anderen scheinen auch wieder die zu werden, die sie einst waren. Auf so eine Aktion wäre ich nicht gekommen. Bisher galt Rosannium bei uns immer als Teufelszeug. Aber anscheinend ist es die richtige Anwendung in den richtigen Händen, die aus einem Fluch auch einen Segen machen kann.“

Tchian war mit dem Erfasser zu Tchey zurückgekehrt. Gleichzeitig war ein Aufatmen durch die Ratsmitglieder gegangen, die wohl auch froh waren, dass jemand sie aus ihrer misslichen Lage befreit hatte. „Tchey Neran!“, sagte eine der Frauen im Hohen Rat schließlich. „Meine Freundin Tolea hat mir schon viel über dich erzählt, aber dass du so einen verwegenen Plan hättest, das hätte selbst sie nicht für möglich gehalten. Ich konnte mir schon denken, dass so ein waghalsiges Experiment nur unter deinem Kommando stehen kann.“ „Da sagen Sie was, Miss.“, meinte Tchey. „Tolea wäre das nächste Thema, das wir in Angriff nehmen müssen. Aber der ganze Plan kommt auch nicht von mir. Mein Schiff hat … Ach, das erzähle ich in einer stillen Stunde. Wichtiger ist jetzt, dass wir Tolea deutlich machen, dass ihr Bruder Kairon sie nochmals zum Duell fordern wird. Aber dieses Mal wird es ein Duell um die Wahrheit. Wir werden sie beschuldigen, mit Sytania zusammenzuarbeiten und wir werden sagen, dass ihr Sieg nur möglich war, weil Sytania ihr geholfen hat. Wenn sie das verleugnet, soll sie es uns gern beweisen. Sytania wird sich fein raushalten, denn sie wird nicht riskieren wollen, dass man ihr auf die Schliche kommt.“

Ein Raunen ging durch die Reihen. Dann sagte der dicke Mann: „Wir werden sehen, was Kairon davon hält. Wo ist er jetzt?“ „An Bord meines Schiffes.“, sagte Tchey. „Aber ich kann gern dafür sorgen, dass er herkommt.“ Damit zog sie ihr Sprechgerät: „Sharie, beam’ Kairon her!“

Staunend beobachteten alle die Materialisierung ihres abgeschriebenen Kollegen. „Machen wir es kurz.“, sagte der Dicke in Kairons Richtung. „Da du ihren Plan ja sicher kennst, brauchen wir ja nur noch zu klären, ob du damit einverstanden bist.“ „Das bin ich.“, sagte Kairon und lächelte Tchey an. „Tolea und Sytania muss eindeutig das Handwerk gelegt werden.“ „Dann sei es so.“, sagte der Dicke, dessen Äußerung alle anderen mit einem Kopfnicken bestätigten. „Ich werde Tolea eine telepathische Botschaft hinterlassen.“, sagte Kairon. „Oh, ich schätze, das wird nicht nötig sein.“, meinte Tchey. „Wie ich Tolea kenne, wird sie das alles hier schon längst beobachtet haben und sicher bald hier aufschlagen. Ihre Herausforderung wird sie sich doch nicht entgehen lassen, Kairon.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Kairon. „Zumal sie sicher nicht gedacht hätte, dass ich jemals wieder so weit komme.“

Ende des 1. Teils

Kapitel 41 - Revanche

von Visitor

 

Die plötzliche Genesung der Mitglieder des Hohen Rates hatte Tolea in Alarmbereitschaft versetzt. Sofort war sie zu Sytania in deren Palast geeilt. „Was hast du, edle Freundin.“, heuchelte die imperianische Königstochter Mitleid vor. „Sieh durch den Kontaktkelch!“, erwiderte Tolea hektisch. „Dann wirst du es selbst sehen.“

Sytania nahm den Kelch zur Hand und sah hindurch. „Tchey Neran.“, sagte sie. „Ich hätte mir denken können, dass sie sich einmischen wird. Aber ich hätte nicht geglaubt, dass sie so einen verwegenen Plan entwickeln könnte.“ „Anscheinend kann sie das wohl doch.“, sagte Tolea mit ängstlicher Stimme. „Was ängstigt dich so, Tolea?“, fragte Sytania. „Ich mache mir Sorgen um die Ausführung des Vorschlags, den mein Bruder gemacht hat.“, sagte Tolea. „Ich meine, wenn ich dem Duell fern bleibe, ist das so etwas wie ein Schuldeingeständnis.“ „Mach dir keine Sorgen.“, sagte Sytania. „Ich werde dich schon unterstützen. Schließlich sind wir befreundet und Freundinnen helfen sich in der Not. Du kannst also getrost zu dem Duell gehen. Deinem großmäuligen Bruder wird es nicht anders ergehen wie beim letzten Mal auch. Mal sehen, was Tchey Neran und ihre Verbündeten dann sagen.“ „Ich danke dir, Sytania.“, sagte Tolea erleichtert und verschwand in einem schwarzweißen Blitz.

Telzan hatte das Gespräch der Frauen mitbekommen und schlich nun langsam auf den Thron seiner Herrin zu. „Warum schleichst du dich an wie ein reumütiges Kind, das etwas angestellt hat?“, fragte die Prinzessin. „Weil ich das Gefühl habe, dass meine Frage bei Euch nicht gut ankommen wird, Gebieterin.“, begründete der Vendar. „Du hast es doch noch gar nicht versucht.“, ermutigte ihn Sytania. „Also kannst du auch nicht wissen, wie ich zu deiner Frage stehen werde oder auch nicht.“ „Also gut.“, meinte Telzan. „Habt Ihr tatsächlich vor, ihr zu helfen? Ich meine, Tchey Neran ist bestimmt nicht zu Fuß ins Kontinuum gegangen. Sie wird ein Schiff haben und das wird alles aufzeichnen. Also auch Eure eventuelle Einmischung. Dann wissen doch alle …“ „Du enttäuschst mich, Telzan!“, unterbrach sie ihn harsch. „Hast du wahrhaftig gedacht, ich würde riskieren, dass sie mir draufkommt? Kennst du deine Herrin etwa so schlecht? Nein! Ich werde mich brav aus der Sache raushalten. Dieses naive Dummchen wird noch früh genug merken, dass ich sie auch nur benutzt habe wie ihren einfältigen Neffen, dem ich ja auch nur so lange geholfen habe, wie es mir selbst genützt hat. Seine Liebelei mit Eldisa ist mir doch egal.“ „Aber Tolea wird das Duell verlieren, Milady.“, redete ihr Telzan ins Gewissen. „Und dann werden alle wissen, dass sie mit Euch zusammengearbeitet hat. Wenn Ihr ihr nicht helft, könnte es auch sein, dass sie eine Mordswut auf Euch entwickelt und die schwarze Macht, die Ihr ihr gegeben habt, gegen Euch einsetzt. Das würde dafür sorgen, dass sie erwacht und merkt, was sie getan hat.“ „Das soll sie versuchen.“, sagte Sytania. „Wenn sie das versucht, dann läuft sie Gefahr, ihren geliebten Neffen Clytus nie mehr zurückverwandeln zu können, weil sie ihn auch gemeinsam mit mir in einen Genesianer verwandelt hat. Wir haben es damals so gemacht, dass wir ihn auch nur gemeinsam wieder zurückverwandeln können. Also wird sie sich schwer überlegen, was sie tut, mein guter Telzan. Komme was wolle, ich habe sie in der Hand.“ Sie kicherte wie eine Hexe. „Ihr seid so eine geniale Strategin, Milady!“, freute sich Telzan.

Erwartungsvoll hatten Tchey, Tchian, Kairon und die Mitglieder des Hohen Rates der Dinge geharrt, die da kommen würden. „Sie ist unterwegs.“, sagte Kairon, nachdem er mit Hilfe seiner seherischen Fähigkeiten den Verbleib seiner Schwester ermittelt hatte. „Ich denke, sie wird annehmen.“ „Hoffentlich hilft Sytania ihr nicht wirklich.“, sagte Tchian ängstlich. „Die!“, sagte Tchey spöttisch. „Die wird sich fein raushalten. Sie wird ja schließlich nicht riskieren wollen, dass wir ihr draufkommen und die Infos womöglich noch an Leute schicken, die was damit anfangen können. Ne, ne. Das riskiert sie nicht.“

Im gleichen Augenblick sahen alle einen schwarzweißen Blitz und eine Stimme sagte: „Hier bin ich, Bruder! Wenn du willst, können wir gleich beginnen. Ruf ein paar Vendar her, die sich um den Bau der Arena kümmern werden. Dann werde ich gern mit dir etwas schieb den Felsen spielen, wenn du unbedingt noch einmal verlieren willst!“ „Wer hier verliert, das werden wir ja noch sehen, Schwester.“, sagte Kairon ruhig. „Aber mit solchen Kindereien wie Felsen gebe ich mich schon lange nicht mehr ab. Wie wäre es, wenn wir die gesamte Halle zu verschieben versuchen? Oder traust du dir das etwa nicht zu?“ „Und ob ich mir das zutraue!“, rief Tolea aus. „Nur werden wir auch ein entsprechend größeres Quadrat benötigen, das mit einem Handphaser wohl schlecht zu erstellen ist. Die Linien müssten viel dicker sein, damit man sie im Verhältnis zum Gebäude besser sieht.“ „Kein Problem.“, sagte Tchey. „Mein Schiff hat einen großen dicken Phaser.“ „Dann wirst du das Quadrat um die Halle ziehen, Tchey.“, sagte Tolea. „Auch sollte dir und deinem Schiff die Ere zuteil werden, das Amt der Schiedsrichter zu übernehmen.“ „Wie großzügig.“, flapste Tchey. „Aber wir sollten die Halle evakuieren. Wer weiß, ob ihre Statik das aushält.“ „Also gut.“, meldete sich der dicke Mann, der offensichtlich in Toleas und Kairons Abwesenheit den Vorsitz des Hohen Rates inne hatte, zu Wort. „Ihr habt sie gehört. Alle raus hier und in Deckung!“

Tchian schmiegte sich ängstlich an Tchey. „Und was ist mit mir?“, fragte er. „Du?“, flüsterte sie ihm zu. „Du kriegst einen Ehrenplatz.“ Dann zog sie ihn näher an sich und befahl ins Mikrofon ihres vorher aus der Tasche gezogenen Sprechgerätes: „Sharie, zwei zum Beamen!“

An Bord ihres Schiffes setzte Tchey sofort wieder ihren Neurokoppler auf und befahl ihrem Schiff, die Atmosphäre wieder von dem Rosannium zu reinigen. Es war jetzt ja nicht mehr notwendig, die Zwangslage für Kairon aufrecht zu erhalten. Sie war sicher, er hatte verstanden, was sie ihm sagen wollte. Außerdem hatte sie jetzt einen Vendar-Jungen bei sich, der unter Umständen ein Energiefeld trug, für das Rosannium auch hätte das Ende bedeuten können.

Sie setzte einen parallelen Kurs zur Hallenwand. „Was wird das, wenn es fertig ist, Tchey.“, fragte Sharie. „Wir werden gleich in einiger Entfernung zur Halle ein Quadrat aus Linien in den Sand schießen, Sharie.“, erklärte die versierte Pilotin. „Kairon und Tolea werden versuchen, die Halle von der einen Hälfte in die andere zu schieben.“ „Das kann doch nicht wahr sein!“, meinte Sharie und ihr Avatar schlug vor Tcheys geistigem Auge die Hände über dem Kopf zusammen. „Mancher Größenwahn kennt wohl keine Grenzen. Von wem kam der Vorschlag?“ „Von keinem Geringeren als von Kairon, Sharie!“, meinte Tchey col. „Aber uns wird dabei schon nichts passieren. Dafür sorge ich schon. Oder vertraust du mir etwa nicht?“ „Doch!“, sagte Sharie fest.

Tchey zog den zweiten Neurokoppler hervor und gab ihn Tchian, bevor sie Sharie das Erstellen einer Neurotabelle für den Jungen befahl. „Ich hab’ 'ne kleine Überraschung für dich, Tchian.“, lächelte sie ihm zu und sagte dann in Richtung Sharie: „Gib ihm die Waffenkontrolle!“ „Ich darf schießen?“, fragte Tchian irritiert. „Jops!“, machte Tchey und klopfte ihm einmal mit ihrer rechten Hand auf die Schulter. „Reagiert sie, wenn ich mir einfach das Zielen und das Drücken der Feuertaste vorstelle?“, fragte der kleine Vendar. „Sicher tue ich das.“, antwortete Sharie selbst. „Sind jetzt alle Unklarheiten beseitigt?“, fragte Tchey. „Jops.“, lächelte Tchian. „Na endlich sprechen wir die gleiche Sprache.“, atmete sie auf und gab Sharie den Gedankenbefehl zum Geradeausflug. Tchian stellte den Phaser auf Dauerfeuer und die benötigten Zielkoordinaten ein und feuerte.

„Wer war Tom Paris, Tchey?“, fragte er nach einer Weile, in der sie nur stumm nebeneinander gesessen und dem Quadrat beim Werden zugesehen hatten. „Der.“, sagte Tchey. „Der war genau so 'n cooles Fliegerass wie ich. Aber der war einmal und ist nicht mehr. Wenn du ihn besuchen wolltest, dann müsstest du ungefähr 800 Jahre in die Vergangenheit reisen.“ „Lieber nicht.“, sagte Tchian. „Zeitreisen machen mir immer solche Kopfschmerzen.“ Tchey grinste.

„Das Quadrat ist fertig, Tchey.“, meldete Sharie und stellte den Phaser ab. „OK.“, sagte Tchey. „Dann sollten wir mal unsere Position einnehmen. Na komm!“

Genau über der Mitte des Hallendaches setzten sie zur Landung an. Tchian wurde angesichts von Tcheys Vorhaben leicht übel. „Denkst du, dass das gut geht?“, fragte er besorgt. „Ich meine, was ist, wenn die Statik der Halle dem Druck nicht Stand hält und die Halle unter uns einstürzt.“ „Oh, bis dahin sind wir schon längst wieder weg.“, meinte Tchey fast verächtlich. „Sharie, du meldest jeden kleinen Riss, OK?!“ „OK.“, sagte das Schiff, dessen Landestützen gerade das Dach berührt hatten. „Soll ich das Signal geben?“, fragte Sharie. „Unbedingt.“, meinte Tchey. „Wie ich unsere zwei Mächtigen da unten einschätze, können sie es kaum noch erwarten.“ „Also gut.“, sagte das Schiff und ließ ihre Positionslichter drei mal aufblitzen.

„Allrounder Tchey und ihr Schiff haben das Signal gegeben, Bruder.“, sagte Tolea. „Also schön.“, erwiderte Kairon. „Fangen wir an!“ Damit begannen beide, sich auf das Verschieben der großen Halle zu konzentrieren, was einen ziemlichen Druck auf die Wände des Gebäudes erzeugte. Davon merkten Tchian und Tchey in Sharies Cockpit allerdings nur starke Vibrationen, die dem Vendar-Jungen die Knie weich werden ließen. „Was sind das für Vibrationen, Tchey?!“, fragte Tchian mit Sorge in der Stimme. „Die Frage gebe ich gern weiter.“, lächelte Tchey und sah im Geist Sharies Avatar an. „Die Vibrationen entstehen, weil zwei gleich starke Kräfte auf die Halle einwirken.“, erklärte Sharie. „Aber noch droht uns keine Gefahr. Ich soll zwar von Tchey aus jeden Krümel Putz melden, der aus der Wand fällt, aber bisher ist nichts passiert. Buchstäblich nichts. Wir sind alle drei noch immer sicher.“ „Nicht übertreiben, Sharie.“, sagte Tchey im Hinblick auf die Interpretation ihrer Befehle. „Wie steht es mit der Position der Halle, Sharie?“, wollte sie wissen. „Ich zeige euch die Sensorenbilder.“, sagte Sharie und stellte sie auf beide Neurokoppler. Auch Tchian sollte sehen, was in diesem doch für den Lauf der Geschichte so wichtigen Duell geschah. „Vergrößere das bitte, Sharie.“, bat Tchey. „Man sieht ja gar nicht, dass sich überhaupt etwas bewegt.“ „Wie du willst.“, antwortete das Schiff. „Aber ich denke, auch eine Vergrößerung wird nicht viel bringen. Wenn, dann bewegt sich die Halle nur um einige Millimeter zu der einen oder der anderen Seite. Aber das ist kaum sichtbar und dauert jeweils nur einige Sekunden.“ „Die zwei schenken sich wirklich nichts.“, bemerkte Tchey. „Da pflichte ich dir bei.“, sagte Sharie.

Unten an der rechten und der linken Wand der Halle waren Kairon und Tolea verbissen damit beschäftigt, sie per mentaler Kraft in die eine oder die andere Richtung zu schieben, ohne darauf zu achten, ob dies der eigenen Gesundheit und der Statik des Gebäudes wegen überhaupt noch zumutbar war. Tolea wusste durchaus, was auf dem Spiel stand und Kairon wollte ihre Schuld unbedingt nachweisen. Allerdings wunderte ihn doch, warum sie nicht mit voller Intensität kämpfte. Er hatte das Gefühl, dass sie noch auf jemanden warten würde, der oder besser die ihren letzten Schlag mit der eigenen Einmischung krönen würde. Er konnte sich denken, wer das war, aber das war ihm ganz recht so. Auf diese Weise würde er die damalige Zusammenarbeit mit Sytania noch viel eher beweisen können. „Pass auf dein neues Telepathiezentrum auf, Bruder!“, spottete Tolea. „Du willst es doch nicht gleich wieder verlieren, oder?“ „Pass du lieber auf, dass sie dir nicht doch noch draufkommen, Schwester!“, spottete Kairon zurück. „Mit ihrem Erfasser wird Sharie ganz genau sehen, dass du auf jemanden wartest. Wenn es dir wirklich wichtig ist, zu beweisen, dass Sytania nichts hier mit zu tun hat, dann würde ich diese Haltung an deiner Stelle ganz schnell aufgeben!“

Die Vibrationen nahmen zu. „Ich habe Angst, Tchey.“, flüsterte Tchian besorgt und rückte näher an seine neue schuppige Freundin heran. „Solange Sharie oder ich nicht sagen, dass es hier nicht mehr sicher ist, brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“, tröstete die Reptiloide. Sie wandte sich an den Avatar: „Sag’s ihm, Sharie.“ „Es ist alles in Ordnung.“, versicherte auch das Schiff gegenüber dem Jungen.

Einige Dachziegel, die sich durch die starken Vibrationen bedingt gelöst hatten, fielen vom Dach und landeten mit lautem Gepolter auf dem Boden, worauf sie sofort in tausend Scherben zersprangen. „Das nennst du sicher?!“, äußerte Tchian seine Angst. „Ich hab’ dir doch erklärt, dass Sharie und ich uns hier rechtzeitig wegbringen werden.“, sagte Tchey tröstend. „Solange sie mir nicht meldet, dass wir starten müssen, werden wir das auch nicht tun. Oh, ich glaube, da braucht jemand eine Ablenkung.“

Sie gab Sharie einige Gedankenbefehle, die diese sofort an ihren Replikator weitergab. Das Ergebnis dieser Aktion waren zwei geschlossene Becher mit einem auf Milch und Kaffee basierenden Getränk mit Strohhalm, die Tcheys rechte Hand aus dem Auswurffach fischte und von denen sie dem Jungen einen gab, um den anderen für sich zu behalten. „Wir können doch nicht heimlich still und leise einen heben, während unter uns alles zusammenfällt!“, mahnte Tchian. „Oh, doch, das können wir.“, sagte Tchey und steckte ihren Halm in den Becher. Dann sagte sie mit grinsendem Gesicht: „Prost, Tchian! Auf die zwei Wahnsinnigen da unten!“

Das Schütteln und Rütteln hatte bald das gesamte Dach der großen Halle abgedeckt. Aber das schien Kairon und Tolea nicht im Geringsten zu stören. Im Gegenteil! Beide verstärkten ihre Bemühungen jetzt noch, was auch das Zittern der Hallenwände stärker werden ließ. Sorgenvoll betrachteten die anderen Mitglieder des Hohen Rates, die drum herum standen, die immer stärker Einsturz gefährdet wirkende Halle. „Wir sollten beide aufgeben und es bei einem Unentschieden belassen, Bruder.“, sagte Tolea. „Wenn wir so weitermachen, wird allenfalls die Halle einstürzen. Aber keiner von uns wird es vermögen, sie irgendwo hinzuschieben.“ „Das sagst du nur, weil dir langsam die Kräfte schwinden und deine erhoffte Hilfe von Sytania ausbleibt, Schwester!“, sagte Kairon teils angestrengt, teils Schadenfroh. Er wusste, ohne Sytania waren Tolea und er gleichstark, was sich jetzt auch sehr eindrucksvoll bewies.

„Denkst du, sie werden bis zur Überlastung ihrer Telepathiezentren kämpfen, Tchey?!“, fragte Tchian sorgenvoll. „Gehe ich nicht von aus.“, meinte Tchey flapsig und spielte mit dem Strohhalm zwischen ihren Zähnen. „Dafür sind ihnen ihre Kräfte zu heilig.“

Ein gut spürbarer Ruck ging plötzlich durch das Schiff. „Sharie, hast du …?“, setzte Tchey zu einer Frage an. „Ich habe gar nichts gemacht.“, antwortete das Schiff. „Aber die Halle hat sich bewegt. Sie steht jetzt 20 cm in Toleas Hälfte des Quadrates. Kairon muss ihr Warten auf Sytania ausgenutzt haben.“ „Also gut.“, sagte Tchey. „Starten wir mal ganz vorsichtig und du suchst uns einen schönen neuen Landeplatz mit deinen scharfen Sensoren. Mal sehen, was sie dazu sagen, wenn wir sie mit den Ergebnissen konfrontieren.“ „Du meinst wohl, was vor allem Tolea dazu sagt.“, grinste Tchian, der langsam seinen Mut wieder gefunden hatte. „Genau.“, grinste Tchey zurück und ließ Sharie starten.

Kairon hatte registriert, dass er seine Schwester besiegt hatte und sah sie jetzt mild an. „Auf die Hilfe deiner Freundin Sytania hast du wohl vergeblich gehofft, Tolea, was?“, sagte er freundlich. Er war keineswegs schadenfroh, wusste er doch, dass sie nur verblendet und ihr Verstand von der schwarzen Macht eingenebelt war. Aber er konnte sich auch denken, dass sich dies bald ändern würde. „Ja, auf die Hilfe Sytanias habe ich umsonst gewartet!“, gab Tolea zu und Kairon glaubte, eine aufkeimende Wut in ihrer Stimme wahrzunehmen. „Aber das wird Sytania mir büßen! Sie scheint nicht viel von unserer Freundschaft zu halten, sonst hätte sie …!“ „Du weißt, Schwester.“, sagte Kairon, um ihre Wut noch weiter anzustacheln. „Dass Sytania nur eine Freundschaft vorheuchelt, solange diese ihr nützt. Aber sobald sie Gefahr läuft, …!“ „Ich weiß!“, schrie Tolea. „Aber wie gesagt, das wird sie mir jetzt büßen!“ Sie verschwand in einem schwarzweißen Blitz. Kairon blieb lächelnd zurück. Er wusste, dass die Voraussetzungen für den zweiten Teil von Tcheys und Sharies Plan jetzt gegeben waren.

Tchey hatte Sharie auf einer Waldlichtung in der Nähe der großen Halle gelandet und hatte ihr Cockpit gemeinsam mit Tchian verlassen. Hand in Hand gingen sie jetzt den Weg zurück zur Halle. Tchey hatte dies mit Absicht so gemacht, weil sie allen deutlich machen wollte, dass man jetzt viel Zeit hätte und ja keine Hektik aufkommen sollte. „Hätte ich mit diesem Tom Paris zusammen auch solche coolen Abenteuer erleben können wie mit dir?“, fragte Tchian stolz, denn jetzt war er sich sicher, dass sie ihn niemals in Gefahr gebracht hätte und er war auch stolz auf sich, dass er diese Situation durchgestanden hatte. „Oh, sicher.“, sagte Tchey flapsig. „Aber wie gesagt, der war einmal und ist nicht mehr.“ „Aber dafür habe ich ja jetzt dich getroffen.“, sagte Tchian. „Mit Ausbilder Diran hätte ich so was nie erleben können.“ „Wer ist jetzt also hier die coole Sau, he?“, fragte Tchey und sah lässig zu, wie der Junge auf sie zeigte. „Das will ich doch wohl meinen.“, grinste sie.

Sie hatten die jetzt doch von unten noch viel baufälliger wirkende Halle erreicht. Kurz davor trafen sie auf Kairon. „Wo ist denn Ihre Schwester?“, fragte Tchey. „Tolea will sich an Sytania rächen, Allrounder.“, meinte Kairon lapidar. „Ich denke, der zweite Teil Ihres Plans wird …“ „Davon gehe ich auch aus.“, unterbrach ihn Tchey und zog ihr Sprechgerät. Dann sah sie Tchian an. „Willst du mit, oder willst du lieber hier bleiben.“, stellte sie ihn vor die Wahl. „Wo immer du jetzt hin willst, möchte ich auch hin.“, sagte Tchian. „Das wird sicher genau so cool.“ „Oh, da ist wohl jemand auf den Geschmack gekommen.“, grinste Tchey und tippte Sharies Rufzeichen in ihr Sprechgerät ein.

Tchian warf einen Blick auf die Furcht einflößend schwankenden Wände der Halle. „Was wird damit?“, fragte er und zeigte darauf. „Oh, keine Panik auf der Titanic.“, tröstete Tchey. „Das werden die Mächtigen hier sicher ganz schnell wieder repariert haben. Und zwar so!“ Sie schnippte mit den Fingern und grinste. „Dann ist ja gut.“, sagte Tchian.

Tchey nahm das Mikrofon ihres Sprechgerätes näher an ihren Mund, nachdem es ihr signalisiert hatte, dass Sharie die Verbindung entgegengenommen hatte und sagte: „Zwei zum Beamen, Sharie und dann stell schon mal deinen Interdimensionsantrieb auf das Dunkle Imperium ein. Ich weiß nämlich, wo Tolea hin will.“ „OK, Tchey.“, kam es zurück und Kairon sah zu, wie Tchian und Tchey in zwei immer durchsichtiger werdenden Säulen verschwanden.

Auf Tcheys Befehl hatte sich Sharie bald in die Luft erhoben und war dabei, auf eine Flughöhe zu steigen, aus der sie ohne Probleme den interdimensionalen Antrieb benutzen konnte. „Warum hat Kairon dich mit einem Sternenflottenrang angesprochen?“, fragte Tchian. „Neugierig bist du gar nicht.“, flapste Tchey. „Aber ich will es dir erklären, weil heute Sonntag ist. Ich habe mal für den Verein gearbeitet. Weißt du von der Scientiffica?“ „Davon weiß ich.“, sagte Tchian. „Ausbilder Diran hat mir davon berichtet. Aber sie haben deinem Commander Unrecht getan, wenn du mich fragst.“ „Das denke ich auch.“, sagte Tchey. „Aber am Ende konnten wir ja beweisen, dass …“ „Tchey, wir sind gleich auf Höhe.“, meldete Sharie. „Na dann los!“, sagte Tchey. „Lass uns Tolea aus ihrer Verzweiflung holen, bevor sie sich noch etwas antut!“

Schäumend vor Wut war Tolea in Sytanias Palast aufgeschlagen und hatte sich den Weg an deren verdutzten Wachen vorbei direkt zu ihr gebahnt. „Was ärgert dich so, edle Freundin?“, schleimte Sytania. „Die edle Freundin kannst du dir sonst wo hin schieben!!!!“, schrie Tolea sie an. „Aber, aber.“, krähte Sytania. „Warum denn so hitzig? Verrate mir doch erst einmal, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist.“ „Das wagst du noch zu fragen?“, fragte Tolea. „Das wagst du allen Ernstes noch zu fragen?! Du hattest versprochen, mir gegen meinen Bruder zur Seite zu stehen! An dieses Versprechen hast du dich nicht gehalten und darüber soll ich nicht wütend sein?!“ „Ach.“, machte Sytania abfällig. „Hast du wirklich geglaubt, ich würde dir helfen? Dachtest du ernsthaft, ich würde riskieren, dass jemand meine Beteiligung an dem Ganzen hier schwarz auf weiß beweisen kann? Wenn du das geglaubt hast, dann bist du genau so dumm wie manch Sterblicher, der mir schon auf den Leim gegangen ist!!!“ Sie lachte laut auf und Telzan, der wie fast immer in ihrer Nähe war, klatschte in die Hände: „Na so was! Selbst die mächtige Tolea fällt auf meine Herrin herein. Ja, ja. Wut kann zu so manchem unüberlegten Schritt verleiten.“ Auch er fiel in das gemeine Lachen seiner Herrin ein. „Du wirst gleich sehen, wer zuletzt lacht!“, rief Tolea und bereitete ihren Geist darauf vor, Sytania all die schwarze Macht, die diese ihr gegeben hatte, entgegenzuschleudern. „Vergiss nicht!“, krächzte Sytania ihr mit ihrer gemeinen Stimme entgegen. „Dass ich die Einzige bin, mit deren Hilfe du deinen ach so geliebten Neffen zurückverwandeln kannst. Denke dran, du hast dich damals mit diesem Vertrag einverstanden erklärt und so gibt es heute keine andere Möglichkeit. Bedenke das wohl, bevor du etwas tust, das du bitter bereuen wirst.“ „Damals!“, begann Tolea. „Damals war ich geistig umnebelt und nicht Herrin meiner Sinne, einen Zustand, den Ihr eiskalt ausgenutzt habt. Aber heute, heute sehe ich klarer als jemals zuvor! Da!!!!“

Ein schwarzer Blitz zerriss die Luft und dann fiel Sytania von ihrem Thron. Telzan konnte sie gerade noch auffangen. Erleichtert sah sich Tolea im Palast um. „Beweine sie nur, Vendar.“, sagte sie abfällig zu Telzan. „Und vor allem, beweine euren Plan. Aus dem wird jetzt nämlich nichts mehr werden. Dafür werde ich sorgen!“

Sytania kam zu Bewusstsein. „Das wird dir alles nichts nützen, Tolea.“, sagte sie leise und immer noch sehr geschwächt. „Jetzt hast du dir jede Möglichkeit verbaut, deinen Neffen je wieder zurückzuverwandeln. Jede, hörst du, jede! Es gibt kein zweites Wesen mit meiner Neuralsignatur. Also kann dir auch niemand helfen!“

Sharie, Tchian und Tchey hatten die Vorgänge beobachtet. „Beam’ sie an Bord, Sharie!“, befahl Tchey. „OK.“, sagte das Schiff und führte den Befehl aus. Im nächsten Moment stand vor Tchey und Tchian eine völlig verzweifelte Tolea, die Sytania auf keinen Fall hatte spüren lassen wollen, wie es ihr ging, Tchey und dem Jungen gegenüber aber um so offener war. „Lassen wir diesen Ort hinter uns.“, sagte Tchey. „Bringen wir sie nach Hause.“ Sharies Avatar nickte und das Schiff setzte sich in Bewegung.

Tchian hatte der bitterlich weinenden Mächtigen einige Taschentücher gereicht. „Was ist Euch, Gebieterin?“, fragte der Junge sorgenvoll. „Was mir ist?!“, fragte Tolea verzweifelt zurück. „Mir ist gerade klar geworden, was ich für einen riesigen Bockmist gebaut habe!“, stieß Tolea verzweifelt hervor. „Ich hätte mich niemals auf Sytanias Vorschlag einlassen dürfen! Aber damals war ich so wütend auf Clytus, dass … Oh, mein armer Clytus! Mein armer geliebter Neffe! Wieso habe ich … Wie konnte ich … Nein, wie konnte ich nur? Jetzt kann ich zwar sehen, was mit ihm passiert, aber ich kann ihm nicht helfen, weil nur Sytanias und meine gemeinsame Neuralsignatur das vermögen. Oh, nein, worauf habe ich mich da nur eingelassen?!“

Ihr durch die eigenen Tränen vernebelter Blick fiel auf Tchey. „Das Ganze war Ihr Plan, Allrounder, nicht wahr?“, fragte sie. „Um ehrlich zu sein, war es der von meinem Schiff.“, gab die Reptiloide zurück. „Sie hat gemeint, wir müssten Ihnen mal 'ne mentale kalte Dusche verpassen, Tolea, damit Sie endlich wieder aufwachen.“ „Das ist euch zweien auch gelungen.“, sagte Tolea. „Ich fühle mich, als wäre ich aus einem langen Albtraum erwacht. Aber geholfen hat uns das nicht wirklich. Sytania hat Recht, was Clytus angeht.“ „Da werden wir sicher auch einen Weg finden.“, tröstete Tchey. „Wie soll der denn aussehen?!“, antwortete Tolea betrübt. „Es wird keinen geben. Aber das ist wohl der Preis, den ich für meinen Leichtsinn bezahlen muss. Bitte bringen Sie mich heim, Tchey und lassen Sie mich dann mit meiner Schmach allein. Tchian, du wirst mich zurück ins Kontinuum begleiten.“ „Also gut.“, sagte Tchey und wandte sich an Sharie: „Du hast die Lady gehört!“

Sharie löschte plötzlich Tchians Tabelle aus dem Arbeitsspeicher. Jetzt war sie - zumindest aus ihrer Sicht - mit Tchey allein. „Kannst du mir mal verraten, wieso du Tolea ein X für ein U vormachst, Tchey?!“, wendete sie sich ernst an ihre Pilotin. „ Etwas mehr Optimismus, Sharie.“, entgegnete Tchey. „Pass auf. Du setzt mich, sobald wir Tolea und Tchian abgesetzt haben, irgendwo auf 281 Alpha ab. Dann fliegst du in deine Dimension und meldest deinem Schatz Kamurus, dass wir unseren Teil des Plans erfolgreich abgeschlossen haben. Für das andere Problem wird sicher eine gewisse Techniker McKnight eine Möglichkeit finden, wenn ich mich nicht täusche.“ „Ich soll dich wohl absetzen, damit sie dich nicht so einfach an Bord von mir zurück …“ „Genau.“, sagte Tchey. „Beam’ mich dem Sicherheitsoffizier am besten direkt vor die Nase und dann hau ab!“ „Wie du willst.“, sagte Sharie resignierend. Sie musste zugeben, selbst ja auch keine Lösung zu haben, und so kam ihr Tcheys gerade recht. „Bringen wir also zuerst einmal unsere Passagiere heim.“, sagte sie.

Kapitel 42 - Teufelswerk?

von Visitor

 

Kissara und Mikel hatten sich zu einer Besprechung in Kissaras Bereitschaftsraum getroffen. Der Agent hatte seiner Vorgesetzten die letzten Ergebnisse seiner Ermittlungen bezüglich Kairon mitgeteilt. „Das bedeutet also, Agent, Kairon geht davon aus, dass Tolea und Sytania den Hohen Rat irgendwie überrascht haben und jetzt sind sie in irgendeiner Situation gefangen, in die Sytania und Tolea sie gebracht haben?“ „Genau davon gehe ich aus.“, bestätigte Mikel. „Ansonsten hätte er sicher nicht so übereilt die Flucht ergriffen. Ich habe mich sowieso schon gewundert, warum keiner der anderen Mächtigen eingegriffen hat.“ „Für die Bewohner des Kontinuums haben wir also eine Entschuldigung.“, sagte Kissara. „Aber eigentlich hätte ich von Logar schon erwartet, dass er seine Tochter nicht einfach mit ihrem Vorhaben durchkommen lässt.“ „Sicher hätte er eingegriffen.“, vermutete der Agent. „Wenn seine Tochter den Löwenanteil hieran hätte. Aber wie ich schon einmal sagte, gehe ich davon nicht aus. Vielleicht denkt Logar auch, dass wir damit allein fertig werden.“

Die Sprechanlage riss die Beiden aus ihren Gedanken. „Was gibt es, Mr. Kang?“, fragte Kissara, nachdem sie das Rufzeichen des strategischen Offiziers im Display abgelesen hatte. „Vor uns ist ein genesianisches Schiff aufgetaucht.“, sagte der Klingone. „Allerdings habe ich das Gefühl, dass die Prätora geistig verwirrt ist. Ich denke, Loridana sollte sich das auch mit ansehen.“ „Verständigen Sie den Scientist, Warrior!“, befahl Kissara. „Agent Mikel und ich sind unterwegs.“ Dann nahm sie Mikel bei der Hand und sagte: „Kommen Sie.“

Nicht nur Kang hatte das Gefühl, dass mit der Prätora des Schiffes, das ich mittlerweile per Transponder als die Canara identifiziert hatte, etwas nicht stimmte. Angesichts des (entschuldigt bitte) Mülls, den sie von sich gab, konnte man fast zu keinem anderen Schluss kommen. Immer wieder sprach sie davon, dass wir noch eine Chance hätten, wenn wir der Verbündeten des Herrschers der Zwischenwelt unsere Treue versagen und umkehren würden. Wenn sie uns damit nicht eigentlich zur Meuterei angestiftet hätte, hätten ihre Worte, die sie mit fast kippender Stimme vortrug, ja wenigstens noch etwas Lustiges gehabt. Ich musste mich arg zusammenreißen, damit ich nicht laut loslachte.

Zeitgleich mit Mikel und Kissara hatte auch Loridana, die Kang befehlsgemäß verständigt hatte, die Brücke betreten. „Setzen Sie sich neben Allrounder Betsy, Scientist!“, wies Kissara die Ärztin an. Dann forderte sie: „Bericht, Warrior!“ „Die Genesianer haben sich uns mitten in den Weg gestellt, Commander.“, begann Kang. „Dann haben sie uns gerufen und Prätora Yanista hat uns offen zur Meuterei aufgefordert, weil Sie angeblich mit dem Teufel im Bunde seien.“

Kissara schlug die Hände vor das Gesicht. „Diesen Wahnsinn möchte ich selbst hören.“, sagte sie, der wohl auch klar war, dass Yanista entweder verrückt oder von irgendjemandem eingelullt sein musste. „Auf Audio, Allrounder!“

Ich stellte Yanista, die ohnehin nicht müde wurde zu reden, auf den Hauptlautsprecher. „Oh, ihr Sünderlein.“, bekamen jetzt auch die zu hören, die bis dahin nicht auf der Brücke gewesen waren. „Eure Kommandantin hat sich dem Herrscher der Zwischenwelt verschrieben, aber für euch ist es noch nicht zu spät. Wenn ihr reinen Herzens seid, dann entsagt dieser Hexe! Entsagt und lebt! Sonst müssen wir euch mit ihr töten! Entsagt! Entsagt! Entsagt! Ich gebe euch 20 Minuten, um euch von jenem Teufelswerk reinzuwaschen!“ Die Verbindung wurde beendet. „Gott sei Dank.“, sagte Kissara. „Ich wollte Ihnen gerade befehlen, diesen Unsinn abzustellen, Betsy. Davon kriegt man ja Kopfschmerzen!“

„Ich bin gespannt, ob sie die Torpedos mit den silbernen Kugeln schon geladen hat.“, lästerte Mikel. „Und was ist mit den Holzpflöcken und den Knoblauchkränzen?“, fragte Kang ebenfalls im Lästerton, der wohl mit seinem Wissen über terranische Mythologie glänzen wollte. „Nicht so spöttisch, Gentlemen!“, ermahnte Kissara beide. „Ich bin sicher, diese Prätora ist irgendwie manipuliert. Sie mag sehr gläubig sein und ich habe das Gefühl, dass dieser Umstand einfach von irgendjemandem eiskalt ausgenutzt wurde, der aus dieser Situation Profit schlagen will. Dem sind wir wohl im Weg. Betsy, rufen Sie das Schiff und stellen Sie mich an Prätora Yanista durch!“ „Eye, Commander.“, sagte ich und gab das Rufzeichen der Canara ins Sprechgerät ein. „Sollen Kang und ich uns unter den Pulten verstecken?“, fragte Mikel. „Keinesfalls!“, sagte Kissara. „Sie bleiben wo Sie sind. Betsy, was macht meine Verbindung?“ „Unser Ruf wird ignoriert, Ma’m.“, erwiderte ich. „Dann gehen Sie ihnen eben auf die Nerven!“, antwortete Kissara.

Die Canara wendete plötzlich und hob ihre Schilde, um im nächsten Moment einen Phaserschuss auf unsere noch ungeschützte Hauptenergieleitung für die Waffen und Schilde abzugeben. Kang gab einen Fluch auf Klingonisch von sich, den sogar Mikel nicht missverstehen konnte. „Mäßigen Sie sich, Warrior!“, sagte er. „Hier sind mindestens drei Damen anwesend!“ „Tut mir leid, Sir.“, entschuldigte sich Kang mit für einen Klingonen doch sehr leiser Stimme. „Die wissen ganz genau, wo sie uns treffen müssen.“ „Das stimmt.“, sagte Kissara. „Aber das ist nicht das Verhalten von Genesianern, das wir gewohnt sind. Eigentlich empfinden sie es auch als ehrlos, auf ein ungeschütztes Schiff zu schießen. Loridana, was halten Sie vom Geisteszustand der Prätora. Ist sie in der Lage, Verhandlungen zu führen oder nicht?“ „Ich denke, dass schon etwas Wahnsinniges in ihren Worten und Handlungen liegt, Commander.“, sagte die Ärztin. „Aber ich denke, dass dies aus ihrer tiefen Gläubigkeit entspringt und dass jemand, der das genau weiß, sie für seine Zwecke manipuliert hat.“ „Sie denken also, wenn wir ihr Beweise präsentieren würden, dann wäre sie zugänglich?“, fragte Kissara. „Wir könnten es in jedem Fall versuchen.“, antwortete Loridana.

„Die Genesianer machen sich erneut feuerbereit, Commander!“, meldete Kang. „Im Normalfall würde ich Ihnen jetzt befehlen, die Schilde zu heben, Kang.“, sagte Kissara. „Aber die Genesianer scheinen die Leitung so schwer beschädigt zu haben, dass die Ingenieure sie noch nicht repariert haben. Betsy, weichen Sie aus!“

Kamurus war der individuellen Mischung unserer Biozeichen gefolgt, die er schon aus der interdimensionalen Schicht heraus ausgemacht hatte. Jetzt hatte auch er die Koordinaten erreicht, an denen sich unser Schicksal zu erfüllen drohte. Schnell hatte er die Situation erkannt und zielte mit dem Phaser auf einige Hauptenergieknoten für die Lebenserhaltung des genesianischen Schiffes. Im gleichen Zug rief er es aber: „Mein Name ist Kamurus. Ich bin ein selbstständig denkendes Raumschiff aus einer fremden Dimension. Ich sah gerade, wie Ihr erneut auf ein bereits wehrloses Schiff schießen wolltet, Prätora. Empfindet Ihr das etwa als ehrenhaft? Aber schön! Unfair kann ich auch. Ich weiß, dass die, die keinen ehrenvollen Tod im Kampf finden, sondern zum Beispiel jämmerlich ersticken, automatisch in der Zwischenwelt und nicht im Gore landen. Dafür könnte ich sorgen.“ Er feuerte auf einen Reserveknoten. „Das war nur eine Warnung, damit ihr seht, dass ich es ernst meine.“

Er beendete die Verbindung, um abzuwarten, was die Genesianer tun würden. Tatsächlich wurde er bald von der Prätora der Canara persönlich gerufen. Sie hatte wohl doch Angst, dass er dafür sorgen könnte, dass sie ins falsche Totenreich kämen. „Bitte vergib uns, selbstständig denkendes Schiff.“, sagte sie. „Aber wir müssen das Universum von einer Hexe befreien, die mit dem Herrscher der Zwischenwelt im Bunde ist.“ „Faszinierend.“, sagte Kamurus sachlich. „Merkt Ihr, wie leicht Ihr zu manipulieren seid, Prätora? Derjenige, der Euch ins Ohr geflüstert hat, dass Commander Kissara mit dem Teufel im Bunde sei, hat Euch dazu gebracht, auf sie zu schießen und ich habe mit einem ähnlichen Argument Eure Waffen schweigen lassen. Ihr wollt dort ja auch nicht enden. Wenn Ihr wie ehrenvolle Kriegerinnen und nicht wie Betschwestern behandelt werden wollt, rate ich dringend davon ab, die Granger weiter zu bedrohen. Sonst mache ich meine Drohung auch wahr. Die einzige Möglichkeit für Euch zu beweisen, dass ihr keine verängstigten Nonnen, sondern ehrbare und stolze Kriegerinnen seid, die sich nicht vor irgendwelche Karren spannen lassen ist, jetzt einfach eurer Wege zu fliegen. Denkt drüber nach!“

Wenig später sah Kamurus, wie die Canara die Zielerfassung auflöste und sich langsam von der Granger entfernte. „Na also.“, sagte er zufrieden. „Psychologie kann ich auch. Weiß der Himmel, wer denen das eingeredet hat.“

Der Computer hatte mir beschrieben, was im Weltraum zu unserer Rechten geschehen war. Jetzt, so konnte ich mir ausrechnen, würden meine sehenden Kameraden sicher erstaunt über das sein, was sie gleich sehen würden. „Ich denke, das hier sollten sich alle mal von Nahem betrachten.“, sagte ich und stellte alles auf den Hauptschirm. Jetzt sahen Kissara und Kang, wie das genesianische Schiff abdrehte und Kamurus langsam aber sicher dessen Platz an unserer rechten Seite einnahm.

„Wie ist das möglich?“, fragte Kissara erstaunt und zeigte auf den Schirm. „Und vor allen Dingen wüsste ich gern, was das für ein Schiff ist und woher es kommt. Betsy, erhalten wir ein Transpondersignal?“ „Ja, Commander.“, erwiderte ich. „Mit Verlaub, ich kenne dieses Schiff sogar. Und, bei allem Respekt, Sie sollten sich auch noch an Kamurus erinnern.“ „Kamurus?“, fragte Kissara. „Das ist doch das Schiff, das dieser celsianischen Zivilistin gehört. Wie hieß sie doch gleich? Ginalla, nicht wahr?“ „Genau.“, entgegnete ich. „Wir alle haben sie auf der mirayanischen Hochzeit kennen gelernt.“

„Mich würde wirklich interessieren, wie er die Genesianer vertrieben hat.“, warf Mikel ein. „Mr. Kang, gibt es Anzeichen für ein Feuergefecht zwischen dem fremden Schiff und den Genesianern?“

Kang überprüfte die Werte der zum Waffenpult gehörenden Sensoren. Dann sagte er: „Nein, das gab es nicht. Die Genesianer scheinen einfach so ihre Zielerfasser von uns genommen zu haben, Sir.“

„Es fällt mir schwer, das einfach so zu glauben.“, sagte Kissara. „Betsy, gab es zwischen ihnen SITCH?“ „Das ist schwer zu sagen.“, erklärte ich. „Die Sensoren hatten ja erst Kontakt mit Kamurus, als die Genesianer schon auf dem Rückzug waren. Was davor geschehen ist, kann ich ihnen nicht sagen, Commander.“ „Na gut.“, meinte Kissara. „Dann rufen Sie ihn. Ich wollte mich ohnehin bei ihm für unsere Rettung bedanken.“ Ich nickte und bestätigte Kamurus’ Rufzeichen im Display des Sprechgerätes.

„Anscheinend gibt es an Bord dieses Schiffes keinerlei Biozeichen.“, flüsterte Kang Mikel zu. „Halten Sie für möglich, dass dieses Schiff allein operieren kann?“ „Warum sollte das nicht möglich sein?“, fragte der Agent. „Sie haben es doch bei Lycira gesehen.“ Gleich darauf korrigierte sich Mikel aber wieder und meinte flapsig: „Tut mir leid, Warrior. Ich hatte wohl vergessen, dass Ihnen eine solche Tatsache mittleres Fracksausen bereitet.“

Bevor Kang erwidern konnte, hatte ich Kamurus’ Antwort auf meinen Ruf auf den Hauptschirm gestellt. „Ich grüße Sie, Commander Kissara und auch den Rest Ihrer Brückenbesatzung.“, sagte die tiefe warme Stimme des Schiffes. „Vielleicht wird es Sie wundern, dass Sie kein Bild zu sehen bekommen, aber das ist eben so, wenn man wie ich ohne Pilot unterwegs ist. Ich musste meine Pilotin an einem für sie sicheren Ort zurücklassen. Sie trägt eine Information, die ich auch habe und die ich liebend gern Ihnen zur Verfügung stellen würde, Agent Mikel. Ich weiß, wer das hier alles angezettelt hat und wie das Ganze angefangen hat. Eines ist sicher: Sytania, die im Moment die Kontrolle hat, ist nicht die eigentliche Urheberin. Aber der eigentliche Verursacher hat schon lange die Kontrolle über die Situation verloren. Was macht übrigens Ihre Ärztin bei Ihnen auf der Brücke, die ich natürlich auch herzlich begrüße. Haben Sie befürchtet, mein Auftauchen könnte einige Ohnmächte verursachen?“ Ich musste leise lachen.

„Stellen Sie mich durch, Betsy!“, verlangte Kissara. „Sofort, Ma’am.“, sagte ich und nahm die entsprechenden Schaltungen vor. Dann informierte ich sie: „Sie können sprechen.“ „Kamurus, ich bin Commander Kissara.“, stellte sie sich gegenüber dem Schiff vor. „Vielen Dank, dass du die Genesianer vertrieben und uns somit gerettet hast. Mich würde nur interessieren, wie du mit deiner leichten Bewaffnung ein schwer bewaffnetes Kriegsschiff besiegen konntest.“ „Ihr Stratege, Commander, wird Ihnen erklärt haben, dass kein einziger Schuss zwischen den Genesianern und mir gefallen ist.“, entgegnete Kamurus. „Es war alles nur eine Frage der Psychologie. Irgendjemand hat den Glauben der Prätora ausgenutzt und hat ihr eingeredet, Sie, meine Beste, seien mit dem Teufel im Bunde. Aber genau so gut wie dieser Jemand konnte ich ihren tiefen Glauben benutzen, um ihr einzureden, dass sie in die Zwischenwelt und nicht ins Gore käme, wenn sie auf ein unbewaffnetes Schiff feuerte. Gut, ich habe meine Worte mit einer leichten Drohung untermauert, indem ich auf ihre Lebenserhaltung gezielt habe und ihr gesagt habe, ich würde feuern, wenn sie Ihr Schiff nicht in Ruhe ließe. Das hat sie auch geängstigt, weil Kriegerinnen, die nicht in einem ehrenvollen Kampf sterben, sondern die jämmerlich ersticken, auch in der Zwischenwelt landen. Da will aber mit Sicherheit keine gern hin. So habe ich ihren Glauben auch für mich ausgenutzt und ihnen hoffentlich klar gemacht, wie leicht sie doch dadurch zu manipulieren sind. Ich hoffe, das war ihnen eine Lehre. Ich sagte ihnen, wenn sie stolze Kriegerinnen und keine Betschwestern sein wollten, sollten sie darauf achten, dass sie ihren Glauben vielleicht etwas mehr hinterfragen. Dann werden sie auch nicht so leicht zum Opfer gewisser Kräfte und Personen.“ „Ein sehr guter Ansatz, Kamurus.“, lobte Kissara. „Du hast ihre Situation nicht nur ausgenutzt, sondern ihnen auch am eigenen Beispiel Hilfe zur Selbsthilfe gegeben. Du hast dich verhalten, wie sich ein Sternenflottenschiff in deiner Situation verhalten würde.“ „Natürlich, Commander.“, sagte Kamurus. „Ginalla und mir ist längst klar, dass wir hier alle benutzt werden sollen. Aber ein paar Marionetten wehren sich gegen ihre Puppenspieler.“ „Ganz recht.“, schmeichelte Kissara. „Wie können wir uns für deine Rettung erkenntlich zeigen? Ich meine, dass du unseren Weg gekreuzt hast, war ja sicher kein Zufall.“ „Nein, Commander, dass war es nicht.“, sagte Kamurus. „Wie gesagt, ich habe eine Information, die Ihnen, Agent Mikel, sicher sehr bei Ihren Ermittlungen helfen wird. Ich brauche also nichts, außer einen Platz im Hangar und eine Vernehmung.“ „Ich bin sicher, das lässt sich einrichten.“, sagte Kissara. „Aber du könntest auch noch eine Wartung gratis bekommen, wenn du willst.“ „Da sage ich nicht nein.“, sagte Kamurus. „Also dann.“, sagte Kissara und wies mich an: „Weisen Sie ihn nach Andockport fünf , Allrounder.“ Ich ließ die Positionslichter die entsprechenden Signale erzeugen.

„Warum haben Sie das mit der Wartung angeboten, Kissara.“, fragte Mikel leise. „Weil ich einen gewissen Techniker gut genug kenne, um zu wissen, dass er zu gern mal einen Blick in ein selbstständig denkendes Raumschiff, das einer solchen Rasse entstammt, werfen würde. So wird Kamurus versichert, dass bei ihm alles in Ordnung ist und ich mache meinem Chefingenieur auch noch eine Freude. Das ist eine Win-Win-Situation für beide. Wie gesagt, ein guter Commander muss wissen, wann und wie er seine Truppe glücklich machen kann. Merken Sie sich das, Mikel, falls sie mal Lust haben sollten, die Karriereleiter heraufzuklettern.“ „Ich fühle mich im Moment auf meinem Posten als Ihr erster Offizier sehr wohl, Kissara.“, flüsterte Mikel zurück.

„Kamurus ist an Bord.“, meldete ich. „In Ordnung, Allrounder.“, erwiderte Kissara. „Dann sollten wir machen, dass wir hier wegkommen. Warp acht, Kurs halten und los!“ Ich nickte ihren etwas unkonventionell formulierten Befehl ab und führte ihn aus.

„Dann sollte ich mich auf die Socken machen, um meinen ungewöhnlichen Zeugen zu vernehmen.“, sagte Mikel. „Ich habe ja schon viele Mitglieder vieler verschiedener Spezies vernommen, aber das hier wird mein erstes Raumschiff.“ „Tun Sie, was Sie tun müssen, Agent.“, meinte Kissara lächelnd. Mikel verließ die Brücke.

Kapitel 43 - Wahrheit im Schatten der Angst

von Visitor

 

Minerva war zu Kirin alias Sedrin geeilt, mit der sie sich ein Quartier teilte. Da beide Kriegerinnen in Ausbildung waren, war dieser Umstand nicht ungewöhnlich. Verwirrt setzte sich die Genesianerin jetzt auf ihre Bettkante und sah die entspannt auf ihrem Bett liegende Demetanerin an. „Was ist los, Minerva?“, fragte Sedrin und drehte sich zu ihr um. „Ich war gerade auf der Brücke bei meiner Mutter!“, stieß Minerva hervor. „Da ist etwas geschehen, das mich sehr stark an der Tatsache zweifeln lässt, dass die Wächterin von Gore tatsächlich zurückgekehrt ist.“

Sedrin stand auf und ging zu Minerva hinüber, um sich zu ihr zu setzen und ihr eine Möglichkeit zum Abstützen zu geben. Sie wusste, körperlich war mit Minerva alles in Ordnung, aber ihre Seele musste aus irgendeinem unbekannten Grund sehr gelitten haben. Die Demetanerin spürte, dass ihr Gegenüber sehr stark zitterte und ihr Körper fast zu zerbersten drohte, wenn sie nicht bald reden würde. „Ich weiß, dass es sich für eine Genesianerin nicht gehört, sich auszuweinen. Aber hier sind einige merkwürdige Dinge passiert, für die ich gern eine Erklärung hätte. Ich hörte, wir seien in ein Gefecht mit einem Sternenflottenschiff verwickelt gewesen und dann sei ein Geisterschiff aufgetaucht, das …“, setzte Sedrin an. „Das ist kein Gerücht!“, schluchzte Minerva. „Das Gefecht und das Schiff hat es wirklich gegeben! Nur, dieses Schiff hat etwas gesagt, was mich sehr nachdenklich gemacht hat. Es hat nur zu erwähnen brauchen, dass wir nicht ins Gore, sondern in die Zwischenwelt kommen, wenn wir auf ein unbewaffnetes Schiff schießen würden und dass es selbst dafür sorgen könnte und meine Mutter, Hera und Lynea wurden weiß wie die Wand und meine Mutter befahl, von dem Schiff abzulassen. Sind wir aufgrund unseres Glaubens denn so leicht zu manipulieren, Demetanerin? Ist Glaube eine solche Schwäche, dass der Clan der Vetash einbricht, sobald er dadurch manipuliert wird? Macht Glaube so manipulierbar und schwach?“ „Möchtest du eine tröstende Antwort oder die Wahrheit?“, fragte Sedrin. „Wenn es geht, dann hätte ich gern beides.“, antwortete Minerva. „Also gut.“, sagte Sedrin. „Weißt du, mit dem Glauben ist das so eine Sache. Wenn man ihn zu wörtlich nimmt, kann er schon manipulierbar machen, weil es dann nur einiger Showeffekte bedarf, um wahrhaft Gläubige von diesem oder jenem zu überzeugen und ich schätze, dass dies von Anfang an passiert ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass eure Göttin nicht zurückgekehrt ist, sondern dass alles ein Spiel irgendeines Mächtigen ist, in das andere, die ebenfalls daraus Profit schlagen wollen, eingestiegen sind und euch jetzt nach Herzenslust herumschupsen und benutzen können.“

Ihre Worte hatten Minerva in Wut versetzt. „Niemand benutzt und manipuliert Minerva, die Erbprätora des Clans der Vetash!!!“, schrie sie und stellte sich stolz und aufrecht vor Sedrin hin. „Genau das wollte ich hören.“, sagte die Demetanerin ruhig im Vergleich zu Minerva, die sich gleich wieder zu ihr setzte. „Du strahlst so eine Ruhe aus, Kirin.“, stellte sie fest. „Du scheinst dir sehr sicher zu sein. Kannst du etwa beweisen, was du gerade gesagt hast?“ „Vielleicht kann ich das, Erbprätora.“, sagte Sedrin ruhig. „Ist die Signatur des Neuralabdrucks, den ihr bei der Mondfinsternis genommen habt, noch im Computer gespeichert?“ „Ja.“, sagte Minerva, der immer noch nicht klar war, worauf Kirin hinaus wollte. „Aber das haben wir doch schon versucht.“, sagte sie. „Ihr habt aber anscheinend nicht die richtige Frage gestellt.“, erwiderte die Demetanerin. „Dann zeig mir, wie die Frage lauten muss!“, äußerte Minerva kämpferisch. „Na schön!“, antwortete Kirin fest. „Dann ruf du die Datei auf und ich mache den Rest!“

Minerva nickte und tat, worum Kirin sie gerade gebeten hatte. Die Demetanerin war froh, dass Veleta ihr bereits den Stimmabdruck abgenommen hatte. So konnte sie dem Rechner gleich selbst die Frage aller Fragen stellen. Sie wusste ganz genau, wonach sie ihn fragen würde.

„Hier ist die Datei.“, sagte Minerva und deutete auf den Schirm. „Jetzt zeig mal, was du kannst.“ „Sicher.“, sagte Kirin, nahm das Mikrofon in die Hand und fragte: „Computer, gibt es in dieser Neuralsignatur Hinweise auf mehrere Mächtige?“ „Affirmativ.“, gab der Rechner zurück. „Das ist schon mal das erste Indiz, dass eure Göttin hiermit nichts zu tun hat.“, sagte Kirin. „Aber wie gesagt, nur ein Indiz. Eure Göttin ist ja nur eine Person, nicht?“ „Ja.“, sagte Minerva staunend. „Soll das heißen, wir sind nur in diese Situation geraten, weil wir die falschen Fragen gestellt haben?“ „Die Antwort wirst du dir gleich selbst geben können.“, sagte Kirin und befahl weiter: „Computer, die einzelnen Signaturen filtern, benennen und ihre prozentuale Beteiligung angeben!“ „Bitte warten.“, sagte der Computer freundlich.

Minerva wurde es flau im Magen. Wenn stimmte, was Kirin vermutete, dann würde alles in Frage gestellt, an das sie bisher geglaubt hatte. Wer war diese Frau? Ihre Methoden, etwas herauszufinden, grenzten schon an wissenschaftliches Tun! Dass sie die einfache Kirin vom Lande war, die von nichts eine Ahnung hatte, nahm sie ihr nicht mehr ab.

Ein Signal verriet, dass der Computer die ihm von Kirin aufgetragene Analyse beendet hatte. „Es handelt sich zu 80 % um eine zeitländisch kontinuanische Mischsignatur mit einem imperianischen Anteil von weiteren 20 %.“, begann der Rechner. „Die Signaturen konnten Clytus und Sytania zugeordnet werden. Der Anteil von Clytus beträgt 80. Der Anteil von Sytania 20 %.“ „Was?!“, schrie Minerva auf. „Die beiden Mächtigen haben uns benutzt, um …!“ „Stimmt genau.“, sagte Kirin ruhig, die Minerva kaum noch zurückhalten konnte. „So sieht es wohl aus.“, erklärte sie. „Aber ich kenne Clytus. Er ist der Sohn von Lady Miranda, einer zeitländischen Adeligen, und Kairon aus dem Kontinuum. Er ist nicht bösartig. Böse wurde das alles erst, als sich Sytania eingemischt hat. Ich bin sicher, dass sie nur an dem Kuchen mit gebacken hat, um sich nachher das größte Stück sichern zu können. Könnt Ihr mir folgen, Erbprätora?“ „Das kann ich.“, sagte Minerva. „Unfassbar, dass wir auf diesen Tchekach hereingefallen sind! Wir müssen meiner Mutter das unbedingt beweisen!“ „Ich will aber nicht, dass sich Eure Wut gegen Clytus richtet.“, sagte Sedrin. „Er ist ein 13-jähriger Junge und 13-jährige Jungen machen Dummheiten. Dass diese bei Mächtigen eine Nummer größer ausfallen kann, ist doch nur logisch. Wie gesagt, böse wurde es erst, als Sytania …“ „Erwähne diesen Namen nicht, Kirin!“, befahl Minerva. „Sonst fahre ich aus der Haut! Natürlich mache ich einem 13-jährigen Jungen keinen Vorwurf. Männer sind ja eh unzurechnungsfähig. Aber Sytania, die wird mich kennen lernen!“ „Wenn Ihr das wirklich wollt, Erbprätora.“, sagte Kirin. „Dann geht das nicht ohne mich. Ich weiß, wie wir sie treffen können. Bitte vertraut Euch meiner Führung an.“ „Das will ich gern tun.“, sagte Minerva, die nicht nur eine sehr kämpferische, sondern auch eine sehr intelligente junge Kriegerin war und wusste, dass sie auf die offensichtliche Erfahrung dieser Frau zählen konnte, die sie zwar erst wenige Augenblicke kannte, zu der sie aber bereits eine starke Freundschaft fühlte.

„Meine Mutter wird uns das hoffentlich glauben, wenn wir ihr deine Beweise präsentieren.“, sagte Minerva. „Aber was tun wir, wenn nicht?“ „Dann müssen wir die Herrschaft deiner Mutter über den Clan der Vetash beenden!“, sagte Kirin fest und ihr Gesicht verriet, dass sie keinen Widerspruch duldete. „Du hast Recht, Kirin.“, sagte Minerva. „Eine geistig verwirrte oder unter dem Einfluss eines Mächtigen stehende Prätora darf keinen Clan führen! Sie wird uns alle noch ins Verderben führen!“ „Geben wir ihr zunächst noch eine Chance.“, sagte Kirin. „Bitte geh zu ihr und berichte ihr, was wir herausgefunden haben. Ich bin gern bereit, es vor ihr noch mal zu wiederholen.“ „OK.“, sagte Minerva und stand auf.

Sedrin konnte das Geräusch der ins Schloss fallenden Tür kaum erwarten und atmete auf, als dies endlich geschehen war. Sie wusste, dass sie soeben die Erbprätora zur offenen Meuterei gegen ihre Mutter und Clanführerin aufgefordert hatte, aber wenn die Geschichte irgendwie gerettet werden sollte, musste sie alles tun, das in ihrer Macht stand, damit die Genesianer Sytania nicht länger willfährig waren. Sicher, aus den Daten ging hervor, dass Clytus der eigentliche Urheber war, von dem sie sich nicht wirklich vorstellen konnte, dass er Böses geplant hatte. Aber Clytus war ein naives Kind und diesen Umstand hatte Sytania ausgenutzt, eine Tatsache, die weder Sedrin noch die Xylianer, für die sie jetzt arbeitete, dulden durften. Die Xylianer schienen aber auch mit ihrer bisherigen Vorgehensweise einverstanden, zumindest hatte die Agentin über die Implantate keine gegenteiligen Signale gehört. Sie war ja die gesamte Zeit sozusagen online gewesen und den Testsignalen zur Folge, die sie in regelmäßigen Abständen von den Xylianern bekam, war auch mit den Implantaten alles in Ordnung. Sedrin war also auf der sicheren Seite.

Minerva hatte inzwischen das Quartier ihrer Mutter erreicht und betätigte voller Nervosität die Sprechanlage. Sie kannte Yanistas tiefen Glauben und konnte nur hoffen, dass jenes fremde Schiff ihren Verstand erreicht hatte. Sonst würde sie bestimmt keine Möglichkeit finden, zu ihrer Mutter durchzudringen. Wenn ihr das nicht gelingen sollte und Kirin und sie Yanista auch mit Hilfe der Beweise nicht überzeugen würden, dann gebe es tatsächlich nur noch die von der Demetanerin angesprochene Möglichkeit. Allerdings hoffte Minerva inständig, es würde nicht dazu kommen, denn auch ein genesianisches Kind liebte seine Mutter.

„Wer ist draußen?!“, fragte Yanista von drinnen streng. „Ich bin es, Mutter.“, sagte Minerva kleinlaut. „Ich muss mit dir über eine ernste Angelegenheit reden.“ „Dann komm herein!“, erwiderte die Prätora.

Mit laut klopfendem Herzen betätigte Minerva den Türsensor. Dann schritt sie vorsichtig in den Flur von ihrem und Yanistas gemeinsamen Quartier. „Was schleichst du dich an?!“, wollte Yanista wissen, die ihr in voller Bewaffnung entgegengetreten war. „Es ist nur wegen der Sache, die ich mit dir besprechen muss, Mutter.“, erwiderte Minerva. „Um welche Sache geht es?“, fragte Yanista. „Es geht noch einmal um das Gespräch zwischen dem Geisterschiff und dir.“, erklärte die Jungkriegerin. „Dieses Schiff hat uns gezeigt, wie leicht wir doch durch unseren Glauben zu manipulieren sind und genau das hat Agatha von Angel One getan, als sie uns kontaktierte, um uns auf Commander Kissara zu hetzen. Aber das war nicht alles. Kirin kann beweisen, dass wir schon früher, viel früher, manipuliert worden sind. Aber nicht nur wir, nein, alle Genesianer.“

Yanista rief sich die Situation noch einmal in Erinnerung. Tatsächlich fiel ihr auf, wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dass sie sich doch schon hatte ziemlich herumschupsen lassen. Sowohl Agatha, als auch Kamurus hatten sie mit dem gleichen Argument dazu gebracht, ihnen nach dem Willen zu handeln. Das war eigentlich nicht das Bild, das man von starken und stolzen und vor allem ehrenhaften Genesianerinnen haben sollte. Die Frage, die das Schiff gestellt hatte, nämlich, ob sie sähe, wie leicht sie doch durch ihren Glauben zu manipulieren sei, musste sie also mit einem eindeutigen Ja beantworten. Aber welchen Beweis sollte ausgerechnet Kirin haben, der eine weitere Manipulation erklären würde. Ausgerechnet Kirin, die laut eigener Aussage doch nur eine einfache Frau vom Lande war! Aber vielleicht war das ja wieder ein Versuch, die stolze Prätora der Vetash in eine bestimmte Richtung zu manipulieren. Sie würde Kirin zwar entgegentreten, würde aber genau darauf achten, was sie ihr für angebliche Beweise vortragen würde. Kamurus’ Äußerungen hatten sie wachgerüttelt, allerdings in eine Richtung, die von dem Schiff nicht beabsichtigt war.

„Ich werde mit dir gehen und mir anhören, was Kirin zu sagen hat.“, sagte Yanista. „Allerdings werde ich ihre Beweise genau prüfen.“ „Das ist dein Recht als Prätora, Mutter.“, sagte Minerva. Dann ging sie voran aus der Tür.

Kirin hatte in ihrem und Minervas Quartier gewartet und die Datei auf dem Schirm nicht aus den Augen gelassen. Die Demetanerin war auf die Reaktionen der Prätora sehr gespannt, konnte sich aber auf der anderen Seite bereits denken, wie diese ausfallen würden. Vielleicht würden die Beweise Yanista zum Nachdenken bringen, vielleicht aber auch nicht. Wenn die Genesianerin wirklich so tief gläubig war, konnte es sein, dass sie darauf gar nicht einging, ein Umstand, der unter Umständen sehr gefährlich sein konnte.

Die Tür öffnete sich und Yanista und ihre Tochter betraten den Raum. Sofort ging die Prätora auf Kirin zu. „Meine Tochter sagte, du hättest Beweise, dass unsere Göttin nicht zurückgekehrt ist und wir alle nur von zwei Mächtigen an der Nase herumgeführt würden, Kirin?!“, fragte Yanista streng. „Die habe ich tatsächlich, Prätora.“, sagte die Demetanerin ruhig und zeigte auf den Bildschirm.

Yanista ging näher zum Monitor und schaute sich die Graphik an. „Das ist das Bild des Neuralabdrucks, den wir bei der Mondfinsternis genommen haben.“, erkannte sie. „Was ist an diesem so besonders?“ „Das werde ich Euch gern zeigen, Prätora.“, erwiderte Kirin und fragte den Rechner: „Computer, gibt es in dem vorliegenden Neuralabdruck Hinweise auf mehr als eine Person, von der er stammen könnte?“ „Affirmativ.“, kam es zurück. „Siehst du, Mutter?“, meinte Minerva. „Das ist schon mal ein Indiz, dass die Wächterin von Gore hiermit nichts zu tun haben kann! Sie ist ja nur eine Person.“

Kirin stieß ihr ihren Ellenbogen in die Seite: „Lass mich machen.“

Yanista hatte Kirins Worte auf sich wirken lassen. Dann sagte sie: „Und ich dachte, die Vulkanier wären die gottlosen Logiker und nicht dein Volk. Eine Göttin kann sich in vielerlei Weisen darstellen. Also warum soll sie nicht auch als mehrere Personen auftreten können?“ „Aber sicher nicht gleichzeitig, Prätora!“, sagte Kirin mit Überzeugung. „Aber wenn Euch das nicht reicht, habe ich noch einen viel schlüssigeren Beweis. Computer, die Neuralmuster filtern, benennen und ihren prozentualen Anteil anzeigen!“ „Bitte warten.“, sagte der Rechner, um bald darauf auszuspucken: „Es handelt sich um eine zeitländisch kontinuanische Mischsignatur mit imperianischem Anteil. Der imperianische Anteil beträgt 20 %, der zeitländisch kontinuanische Anteil beträgt 80 %. Die Neuralmuster konnten Clytus aus dem Raum-Zeit-Kontinuum und Sytania aus dem dunklen Imperium zugeordnet werden.“ „Verstehst du jetzt, Mutter, dass wir nur Marionetten sind?“, fragte Minerva. Yanista erwiderte nichts. Sie sank nur blass in ihren Stuhl, den ihr Kirin eilig hingeschoben hatte. Dann aber besann sie sich und richtete sich auf, um im nächsten Atemzug zu sagen: „Glaube ist nichts, was man mit Logik erklären kann. Dass unsere Göttin ihre Signatur so aussehen lassen hat, wird eine Prüfung unseres Glaubens sein. Aber wir werden uns davon nicht beeindrucken lassen und uns auch von ihr nicht abwenden. Im Gegenteil! Jetzt, wo ich ihre Prüfung hoffentlich bestanden habe, weil ich mich nicht von dir habe von meinem Glauben abbringen lassen, werde ich Veleta befehlen, die Rosannium-Waffe zu demontieren und zwar vollständig. Wir brauchen sie nicht, denn wir stehen unter dem Schutz der Wächterin von Gore! Genau so soll sie mit den normalen Waffen verfahren!“ Damit ging Yanista.

Minerva warf sich an Kirins Brust. „OH, Kirin, was ist nur mit ihr los?!“, fragte sie mit angstvollem Blick. „Deine Mutter ist wahnsinnig.“, erklärte die Demetanerin. „Sie ist wahnsinnig vor Glaube. Deshalb müssen wir ihre Führung …“ „Aber ich bin doch noch viel zu jung.“, sagte die Erbprätora. „Ich weiß doch noch gar nicht genug, um einen Clan führen zu können und meine Mutter im Kampf herausfordern kann ich auch noch nicht.“ „Dann wird es Zeit, dass ihr das lernt, Erbprätora.“, sagte Kirin. „Trefft mich heute Nacht in der Simulationskammer. Ich werde Euch heimlich trainieren!“ Minerva nickte ihrer neuen Freundin zu, aber gleichzeitig fragte sie sich, woher diese Frau soviel über genesianische Sitten und Gebräuche wissen konnte und woher sie auch so gut mit dem Computer umgehen konnte. Was sie getan hatte, grenzte wie gesagt schon fast an wissenschaftliche oder kriminalistische Ermittlungen. Woher wusste sie das alles? „Wer bist du wirklich, Kirin?“, fragte sie. „Nur eine Freundin.“, antwortete die Demetanerin. „Eine Freundin, der genug an euch liegt, um euch auf den rechten Weg zurückführen zu wollen.“ Minerva gab sich damit zunächst zufrieden. Sie wusste, mehr als die geheimnisvollen Andeutungen würde sie nicht zu hören bekommen. Aber in ihrer augenblicklichen Lage war ihr das auch egal. Sie wusste nur, dass sie in Kirin eine verlässliche Freundin hatte, die ihr durch dieses Problem helfen würde.

Shimar, Scotty und Clytus waren nach einer Mütze Schlaf wieder erwacht. „Wie sieht es aus?“, fragte Clytus. „Kannst du das jetzt bei mir machen, Shimar?“ „Versuchen können wir es auf jeden Fall.“, antwortete der Tindaraner. „Aber stell es dir bitte nicht zu angenehm vor. Ich werde vielleicht Dinge aus deiner Seele holen, die für dich sehr unangenehm sind.“ „Das macht mir nichts.“, meinte Clytus mit tapferer Miene. „Wenn wir die Wahrheit finden wollen, muss ich da wohl durch.“ „Also gut.“, erwiderte Shimar und setzte sich Clytus gegenüber, um ihm genau in die Augen zu sehen. „Setz dich bitte hinter ihn und stütz’ ihn ab.“, sagte er zu Scotty. „Na komm, Kleiner.“, sagte Scotty und tat, worum er gerade gebeten worden war. Dann nahm er Clytus von hinten in den Arm. „Lass dich ruhig dem alten Scotty in die Arme fallen, wenn’s zu schlimm wird.“, flüsterte er. „Pack deinen Kopf auf meine Schulter.“

Shimar zählte leise bis drei und dann spürte Clytus, wie er die telepathische Verbindung aufbaute. Was ist vor einem halben Jahr geschehen, Clytus?, fragte Shimars Geist. Zeig es mir, Clytus! Zeig es mir! Führe mich zur Wahrheit! Führe mich zur Wahrheit über dein Schicksal! Zeig mir, ob du wirklich Clytus aus dem Kontinuum bist!

Sie glitten in jenen schlafähnlichen Zustand ab und bald sah sich Shimar in der Situation mit Eldisa, Clytus und mir im Wald in Zeitland. Allerdings schien er alles aus einer Art Zuschauerperspektive wahrzunehmen, als säße er in einem Theater. Mich sah er nur im Hintergrund, wie ich mich um die Pferde kümmerte. Deshalb richtete er sein Augenmerk jetzt eher auf Clytus und Eldisa, die aufrecht und stolz vor Clytus stand und sagte: „Lass mich in Ruhe!“, sagte sie laut und deutlich und selbst ein Tauber hätte gehört, dass es ihr ernst war. „Aber warum denn, Eldisa?“, fragte Clytus, der nicht viel älter war als sie. „Warum?!“, erwiderte Eldisa empört. „Weil ich dich nicht liebe! Ich habe dich nie geliebt und ich will tot umfallen, sollte ich dies je tun! Du bist ein nerviges lästiges Anhängsel und mehr nicht! Sogar die Jagdhunde meines Vaters erfreuen mich mehr, wenn sie hinter mir her wuseln und nun zisch ab!“ „Wir werden ja sehen.“, sagte Clytus kleinlaut und war in einem weiteren weißen Blitz verschwunden.

Shimar blieb auf Clytus konzentriert und beobachtete, wie sich dieser im Raum-Zeit-Kontinuum in eine stille Ecke zurückzog. Hier formte der Junge das Bild eines körperlosen Wesens in seinem Kopf, das bald in Form einer Energiewolke vor ihm auftauchte. Sei gegrüßt, mein Schöpfer., wendete sich das offensichtlich weibliche Wesen telepathisch an Clytus. Auch ich grüße dich, meine Schöpfung., gab Clytus auf gleichem Wege zurück. Ich habe einen Auftrag für dich. Gehe in die Vergangenheit und bemächtige dich dort des Körpers der obersten Prätora der Genesianer. Dann wirst du sie benutzen, um das Universum der Föderation und der Tindaraner für mich zu erobern. Du wirst dich als die Wächterin von Gore ausgeben! Für den Rest werde ich schon sorgen. Sieben Mondfinsternisse sind ein Kinderspiel für mich! Darf ich wissen, warum ich das für dich tun soll?, fragte das Wesen. Für das höchste und edelste Ziel, das es überhaupt gibt., antwortete Clytus. Für die Liebe. Wenn die beiden Universen genesianisch sind, dann darf Allrounder Betsy Scott von der Sternenflotte sowohl Montgomery Scott von der Erde, als auch Shimar von Tindara heiraten. Diese Situation beabsichtige ich herzustellen, um sie meiner Freundin Eldisa von Zeitland zum Geschenk zu machen. Wenn sie sieht, dass ihre beste Freundin jetzt alle heiraten darf, die sie liebt, dann wird sie das so romantisch finden, dass sie sich vom Fleck weg in mich verliebt, denke ich. Ich verstehe und gehorche., erwiderte das Wesen. Und ich werde dich nicht enttäuschen, mein Schöpfer! Damit verschwand sie.

Shimar musste sich extrem zusammennehmen! Was er da gerade gesehen hatte, hatte ihm fast den Boden unter den Füßen weggerissen. Aber auf der anderen Seite wusste er auch, dass Clytus eben ein 13-jähriger Junge war und 13-jährige Jungen machten nun mal Dummheiten. Seine eigenen Emotionen durften jetzt nicht in seinen Weg geraten, damit sie ihn nicht bei seinem Vorhaben, die Wahrheit herauszufinden, stören würden. Das war aber extrem schwer für ihn, da er Clytus am liebsten auf der Stelle eine Gardinenpredigt gehalten hätte.

Irgendwie gelang es ihm dann aber doch, die Gefühle beiseite zu schieben. Jetzt sah er durch Clytus’ geistiges Auge, wie dessen Schöpfung seine Befehle ausführte und wie fast alle Genesianerinnen, denen Shashana als Wächterin von Gore begegnete, auf sie hereinfielen. Auch alle Schlachten um die Universen sah er. Aber er hatte das Gefühl, dass der Kontaktkelch, den Clytus benutzte, in ihm aus irgendeinem Grund ein schlechtes Gewissen verursachte. Er schaute ihn sich näher an und erkannte Toleas Weihezeichen auf dem Fuß. Clytus musste ihn ihr gestohlen haben.

Je weiter Clytus und Shimar zur Wahrheit vordrangen, desto mehr verkrampfte sich Clytus und desto stärker sperrte er sich gegen Shimars Suche. Schließlich drehte sich der inzwischen schweißnasse Tindaraner erschöpft fort. „Ich muss abbrechen!“, sagte er atemlos. „Was is’n?“, fragte Scotty flapsig. „Es geht nicht.“, sagte Shimar. „Ich komme an den Rest nicht ran. Er hat zu viel Angst.“

„Das haben wir gern.“, wendete sich Scotty an Clytus. „Erst sagen, man will die Wahrheit und dann feige den Schwanz einkneifen!“ Dabei sah der Terraner streng drein. Clytus begann zu weinen. „Es tut mir leid.“, schluchzte er. „Ich will das ja. Aber ich kann nicht.“

Shimar nahm das zitternde Nervenbündel in den Arm. „Hey, ist ja gut.“, tröstete er. „Wie jetz’?“, fragte Scotty und tat, als würde er die Welt nicht mehr verstehen. „Du tröstest ihn auch noch?“ „Ja, wie du sehen kannst!“, erwiderte Shimar und stellte sich bedrohlich vor Scotty hin. „Er hat ’ne Menge Scheiße gebaut, aber sicher auch einen mindestens genau so großen Haufen durchgemacht. Wenn du mich fragst, dann hat er seine Strafe schon lange abgesessen! Was immer die auch war! Uns fehlt zwar noch ein Stück des Puzzles, aber wenn er nicht mehr kann, dann müssen wir uns wohl eine andere Methode …!“ „Kannst du es nicht einfach aus ihm …?“, fragte Scotty. „Mentale Vergewaltigung liegt mir nicht, klar!!!“, schrie Shimar ihn an. „Auch wenn er für dieses ganze Elend hier verantwortlich ist, hätte er das nicht verdient! Außerdem geht das wie gesagt so nicht. Zumindest nicht bei mir!“

„Hört auf zu streiten, bitte!“, mischte sich Clytus erneut weinend ein. Er sorgte sich, dass die Freundschaft zwischen den Beiden, die er inzwischen sehr lieb gewonnen hatte, auseinandergehen könnte und er hatte Angst, unter Umständen daran schuld zu sein. „Keine Angst.“, tröstete Shimar. „Wir streiten ja gar nicht. Ich musste Mister Holzhammer nur mal in die Schranken weisen.“ „Ach so.“, erwiderte der Junge und beruhigte sich langsam wieder. „Ich dachte schon, eure Freundschaft ist im Eimer und ich wäre schuld.“ „Du magst zwar an einigem schuld sein.“, deutete Shimar an. „Aber bestimmt nicht am Ende unserer Freundschaft.“ Er strich Clytus über den Kopf.

Scotty hatte sich zum Nachdenken in eine Ecke zurückgezogen. Den Mister Holzhammer wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Irgendwie musste ihm doch etwas einfallen, wie er die Sache für Shimar und Clytus derart erleichtern konnte, dass beide nicht mehr befürchten mussten, dem anderen zu viel zuzumuten. Er hoffte, dass ihm seine alte Freundin, die Physik, hier wieder eine Idee liefern würde und genau das geschah auch bald. „Hört mal her!“, sagte er scherzend und stellte sich mit stolz geschwellter Brust vor die anderen Beiden hin. „Jetzt habe ich ’ne Diät!“ Clytus lachte und Shimar sagte: „Dann lass mal hören.“ „Kannst du das so machen, dass eure Verbindung nur dann besteht, wenn ihr euch an den Händen haltet?“, fragte Scotty in Shimars Richtung. „Ja, das geht.“, antwortete der Tindaraner. „Worauf willst du hinaus?“ „Wenn ihr euch an den Händen haltet und in diesem Schlafzustand seid.“, erklärte Scotty. „Dann müsste ich doch eure Hände trennen können. Das wäre doch dann, als würde man einen Stecker ziehen. Wenn’s also einem von euch zu fiel wird, dann …“ „Großartig!“, meinte Shimar. „Dafür nehme ich auch den Mister Holzhammer wieder zurück.“ „Ich bin auch einverstanden.“, meinte Clytus und streckte Shimar seine Hände entgegen. „Aber gebt mir bitte zehn Minuten.“, sagte Shimar. „Wenn ich unausgeruht bin und es kommt zu Komplikationen, könnten wir beide daran zu Grunde gehen.“ „Also gut.“, sagte Clytus. „Ich verspreche auch, dir alles zu zeigen.“ „Versprich das besser nicht.“, sagte Shimar. „Ich kann mir vorstellen, dass es für dich noch sehr schlimm werden wird.“ „Das stehe ich schon durch!“, meinte der Junge zuversichtlich. „Scotty wird ja da sein.“

Mikel hatte das Hangardeck unseres Schiffes betreten und bewegte sich jetzt auf den Platz zu, an dem Kamurus gedockt hatte. Zuerst traf er aber auf einen vor Staunen starren Jannings, der mit weit geöffnetem Mund vor dem Schiff stand. „Ist alles in Ordnung, Techniker?“, fragte Mikel. „Was?“, gab Jannings zurück. „OH, ja, alles klar, Sir.“ „Danach sah mir Ihr Gestammel aber gerade nicht aus.“, erwiderte Mikel. „Es war nur.“, rechtfertigte sich der Chefingenieur. „Weil ich von Kissara selbst eine SITCH-Mail erhalten habe, in der steht, dass ich dieses Schiff warten soll. Ich habe noch nie ein selbstständig denkendes Raumschiff gewartet. Aber das war schon immer mein Traum. Mindestens seit meiner Zeit als Kadett.“ „Tja.“, grinste Mikel. „Manchmal werden Träume eben wahr.“

Er ging an Jannings vorbei und legte seinen Finger in die Mulde für den Türsensor, worauf sich Kamurus’ Luke mit leisem Summen öffnete. Dann stieg er ins Cockpit. „Der Neurokoppler liegt genau gerade vor Ihnen, Agent Mikel.“, hörte der Agent die warme und tiefe Stimme Kamurus’ aus dem Bordlautsprecher. „Ich habe Sie gescannt und weiß daher, dass Sie kein Augenlicht besitzen. Also müssen meine Anweisungen um so genauer sein.“

Mikel griff nach dem wie ein halber Haarreif anmutenden Gegenstand auf der Konsole. „Setzen Sie ihn bitte so auf, dass die beiden Enden an Ihren Schläfen anliegen.“, erklärte Kamurus weiter. „Ich weiß, wie man mit einem Neurokoppler umgeht.“, sagte Mikel zuversichtlich. „Wir haben Simulationskammern.“ „Um so besser.“, sagte Kamurus. „Dann wird Ihnen das, was jetzt kommt, wohl nicht fremd sein.“

Gleichmütig ließ Mikel Kamurus’ Untersuchung über sich ergehen. Dann sah er den backenbärtigen Schiffsavatar vor sich. „Hi, Agent.“, meinte dieser. „Endlich sehen wir uns von Angesicht zu Angesicht. Oh, sorry!“ „Das macht nichts.“, lächelte der erste Offizier. „Und du kannst mich im Übrigen ruhig mit Mikel ansprechen. Wie ich hörte, duzt du ja deine Pilotin auch.“ „Was ich hier zu tun habe.“, begann Kamurus darauf. „Ist aber mehr ein formeller Akt. Könnten wir uns vielleicht daher auf Mikel und Sie einigen?“ „Also gut.“, sagte Mikel. „Wenn du deine Aussage als so formell betrachtest.“ „Das tue ich in der Hoffnung, dass Sie meine Aussage stärker würdigen, als es Ihr Kollege Maron mit der Aussage meiner armen Pilotin getan hat. Ich meine, Ginallas und meine Aussage werden sich in gewisser Weise decken, aber hoffentlich glauben Sie zumindest mir. Aber ich würde gern dabei einige Runden mit Ihnen drehen. Ich weiß, dass Sie mich gern einmal fliegen würden.“ „Meine Gedanken sind ja jetzt für dich ein offenes Buch.“, lächelte Mikel. „OK, ich werde alles veranlassen.“ Damit gab er das Rufzeichen der Brücke in sein Handsprechgerät ein, wo ich den Ruf entgegennahm. „Löse bitte die Andockklammern an Andockrampe fünf, Betsy.“, sagte Mikel. „Kamurus spricht wohl lieber an der frischen Luft, pardon, im Weltraum.“ „Kannst du haben.“, grinste ich und kam seiner Bitte nach. Kissara würde nichts dagegen haben. Seinen Witz hatte ich auch verstanden. Schließlich waren die frische Luft und der Weltraum ja das volle Gegenteil voneinander.

„Ich werde die Startsequenz übernehmen.“, sagte Kamurus. „Ab dann können Sie es ja tun, wenn Sie möchten.“ „Das würde ich gern.“, sagte Mikel. „Nur bin ich nicht multi-tasking-fähig wie du. Was hältst du davon, wenn wir stattdessen folgendes machen: Du startest und fliegst auf Automatik, während du mir deine Aussage präsentierst und ich bringe uns dann in die Andockbucht zurück.“ „In Ordnung.“, sagte Kamurus und ließ seinen Antrieb aufsummen.

Sie bewegten sich nicht weit vom Schiff fort. Kamurus hatte einen Kurs eingeschlagen, der sie die Granger immer wieder umrunden ließ. „Also.“, sagte Mikel und zog sein Pad. „Was haben du und Ginalla gesehen und was sollten deine Andeutungen mit Maron und der Art, wie er sie behandelt hat.“ „Das würde ich Ihnen gern alles zeigen, Mikel.“, sagte das Schiff. „Zumindest soweit es mir möglich ist. Ich weiß nur von Ginalla selbst, dass Ihr Kollege ihr kein Gehör geschenkt hat, weil …“ „Wie bitte!“, erwiderte Mikel. „Aber na ja. Dazu werden wir wohl noch früh genug kommen. Zeig mir erst einmal, was du selbst weißt.“

Kamurus zeigte Mikel alles von der Begegnung mit dem Geistwesen über Datas Schmuggel zur Erde bis zu Ginallas Aussageversuch auf Zirells Station, was Mikel eilig in Stichworten in sein Pad schrieb. Über das Verhalten seines Kollegen war der Agent mehr als bestürzt. Aber noch eine andere Sache machte ihm Kopfzerbrechen. „Es ist sehr löblich, dass du das alles aufgezeichnet hast, Kamurus. Nur wird es ohne physische Beweise für die Existenz des Geistwesens unmöglich sein, die Regierung der Föderation von der Wahrheit zu überzeugen. Deine Aufzeichnung könnte ja rein Theoretisch von uns technisch manipuliert worden sein. Die Halbwertzeit von neuraler Energie beträgt 24 Stunden. Unter kurzzeitiger Ionisierung 48. Aber das ist ja alles schon lange vorbei. Aber wegen Ginalla sollte ich meinem Kollegen Maron mal kräftig die Leviten lesen. Ein Kriminalist muss eine Zeugenaussage ohne Ansehen der Person werten, die sie trifft. Eine Aussage wird nicht deshalb zu einer Lüge, weil sie eben von einer Frau kommt, die im Weltraum herumgezogen ist und früher mal einige nicht ganz legale Geschäfte getätigt hat. Auch so jemand kann mal die Wahrheit sagen und nur die Beweise dürfen das einzige Kriterium sein, nach dem eine Aussage beurteilt wird und nicht Herkunft oder Ruf des Zeugen! Hat Maron bei diesem Kapitel auf der Akademie etwa geschlafen?!“, erklärte Mikel aufgeregt und gleichermaßen empört. „Das kann ich nicht beurteilen.“, versuchte Kamurus, den sich immer mehr in Rage redenden Mikel zu beruhigen. „Aber die Logik lässt wohl keinen anderen Schluss zu.“

Der Agent ließ das Pad sinken, nachdem er seinen Bericht noch einmal auf Vollständigkeit überprüft hatte. Wieder auf dem Schiff würde er seine Stichworte ausformulieren und den daraus entstandenen Bericht dann Kissara zukommen lassen. „Ich fürchte, ich schaffe es nicht, uns zurückzufliegen, so aufgeregt, wie ich bin. Ich kann mich nur schlecht konzentrieren und du würdest mich nicht verstehen. Ich glaube, dass es für uns alle beide besser wäre, wenn du das übernehmen würdest.“, gestand Mikel. „OK.“, sagte Kamurus und brachte sie an den Andockplatz zurück.

Immer noch geladen über Marons Verhalten hatte Mikel den Bericht formuliert und ihn Kissara gemailt, bevor er seinen Dienst auf der Brücke aufgenommen hatte. Die Kommandantin hatte sich den Bericht durchgelesen. „Schade, dass alle physischen Beweise der natürlichen Zerfallsrate zum Opfer gefallen sind.“, meinte sie. „Aber auf die Tindaraner hinzuweisen war ein sehr guter Schachzug von Kamurus. Abgesehen davon, dass Sie dann Agent Maron endlich auch die Leviten lesen könnten, halte ich es für gut, wenn wir mit Zirell die Köpfe zusammenstecken. Ich bin sicher, sie wird sich der falschen Zeitlinie auch nicht beugen. Also, Betsy, bringen Sie uns hin!“ Ich nickte ihren Befehl ab und gab die entsprechenden Koordinaten in das Menü für den interdimensionalen Antrieb ein.

Kapitel 44 - Marons „Albtraum“

von Visitor

 

Im toten Winkel der Sensoren hatten Tchey und Sharie Zirells Station erreicht. „Ich finde es erstaunlich, wie du auf so etwas kommen konntest, Sharie.“, lobte die Reptiloide. „Jetzt wird mir auch klar, warum die Genesianer dich nicht bemerkt haben, als du nach Terra kamst.“ „Warum sollte ich nicht darauf kommen können?“, entgegnete das Schiff. „Schließlich hast du mir all diese Verhaltensweisen beigebracht.“ „Ich?“, fragte Tchey lang gezogen. „Ich soll dir so etwas Fieses beigebracht haben? Ich, die anständige und brave Tchey?“ „Ausgebufft trifft es wohl eher.“, grinste Sharie. „Du und Tom Paris habt echt ’ne Menge mehr gemeinsam, als du zugeben willst.“

Sie hatten einen Platz erreicht, von dem aus Sharie gut die Station scannen konnte, ohne selbst von der IDUSA-Einheit wahrgenommen werden zu können. „Was machen die gerade, Sharie?“, wollte Tchey wissen, nachdem ihr Schiff den Antrieb ausgeschaltet hatte. „Anscheinend sind wohl gerade alle in der Offiziersmesse am Frühstücken.“, erwiderte Sharie und zeigte Tchey ihre Sensorenbilder. „Na dann werden wir sie mal überraschen.“, sagte Tchey, legte den Neurokoppler ab und stand vom Sitz auf: „Beam’ mich hin!“

Sharie ließ ein Lämpchen in der Nähe des Auswurffaches des Replikators aufleuchten. „Bevor du gehst.“, erklang ihre Stimme aus dem Bordlautsprecher. „Solltest du das hier mitnehmen.“

Tchey drehte sich zum Fach und entnahm diesem einen Datenkristall. „Was ist da drauf?“, fragte sie. „Der Kristall enthält die Daten, die mir Kamurus gegeben hat und auch das, was wir bezüglich Kairon, Tolea und Sytania erlebt haben.“, antwortete Sharie. „Ich glaube, Agent Maron wird sich über diese Art von Schützenhilfe sehr freuen.“ „Hoffentlich nimmt er mich ernster als Ginalla!“, meinte Tchey. „Davon gehe ich aus.“, sagte Sharie. „Schließlich bist du eine ehemalige Sternenflottenoffizierin. Wenn er schon so einen Dünkel hat, dann werden wir dem auch Genüge tun und jetzt halt dich bitte bereit. Gilt dein Befehl eigentlich immer noch, dass ich abzischen soll, sobald ich dich abgesetzt habe?“ „Aber sicher.“, flapste Tchey. „Also gut.“, sagte Sharie und beamte sie mitten in die Messe.

Tcheys Blick suchte kurz die Tischreihen ab, bevor sie sich forschen Schrittes genau auf den Tisch, an dem Zirell, Maron und Joran saßen, zu bewegte. Genau hinter Marons Stuhl blieb sie stehen und tippte ihm mit ihrer schuppigen Hand auf die rechte Schulter. „Guten Morgen, Agent.“, flapste sie ihm zu. Maron, der fast seinen Kaffee vor Schreck fallen lassen hatte, gab nur ein leises: „Huch.“, von sich. Zu mehr war er vor Schreck nicht in der Lage. Erst als er sich umgedreht hatte, sah er in das Gesicht der ihm offensichtlich fremden Frau. „Wer bitte sind Sie und wie kommen Sie hier herein, ohne dass IDUSA Sie bemerkt hat?“, fragte er dann schließlich doch, nachdem er seine Stimme wieder unter seine Kontrolle gebracht hatte. „Mein Name ist Tchey Neran.“, stellte sich Tchey vor. „Genauer Allrounder Tchey Neran. Ich habe einmal für die Sternenflotte gearbeitet, fliege jetzt aber das zivile Rettungsshuttle, das auf der Erde stationiert ist. Aber keine Angst, das habe ich nicht missbraucht, um hierher zu kommen. Hergekommen bin ich mit meinem eigenen Schiff, das aber Befehl hatte, hier so schnell wie möglich abzuhauen, sobald es mich abgesetzt hatte. Geben Sie sich also keine Mühe. So schnell werden Sie mich nicht los.“ „Schön, Allrounder!“, meinte Maron förmlich. „Also, was wollen Sie? Jetzt, wo Sie sich vorgestellt haben, kann ich mir schon so einiges denken. Sie sind ja für Ihre Eskapaden im gesamten bekannten Universum berühmt und berüchtigt.“ „Ich würde gern Ihnen gegenüber eine Aussage machen, Agent.“, sagte Tchey. „Ich kann nämlich beweisen, dass Tolea mit Sytania zusammengearbeitet hat.“

„Sie ist schon die Dritte, die das sagt, Maron.“, mischte sich jetzt auch Zirell ins Gespräch. „Du hättest Ginallas Aussage wirklich mehr Beachtung schenken sollen.“ „Nur weil mehrere Leute es behaupten, wird es nicht automatisch zur Wahrheit, Zirell.“, sagte der Agent.

„Aber nur weil Sie es ignorieren, wird es auch nicht zu einer Lüge, Sir.“, meinte Jenna von hinten, die an einem Tisch an der Rückwand des Raumes saß. „McKnight!“, rief Maron aus und drehte sich dabei so schnell nach ihr um, dass sogar Joran sich erschreckte und sein Käsebrötchen mit lautem Platsch auf seine Uniformhose fallen ließ, was er mit einem lauten: „Kelbesh!“, kommentierte. „Igitt!“, rief Tchey flapsig aus, die sich der wahren Bedeutung dieses Wortes durchaus bewusst war. „Und so was isst du?! Aber gut, dass ich das jetzt weiß. Ich hatte es für Käse gehalten!“ „Hey!“, flapste Shannon jetzt aus der gleichen Ecke, in der auch Jenna mit ihr saß, weil die Beiden noch etwas Technisches zu besprechen hatten, das nicht bis nach dem Frühstück warten konnte. „Sprüche sind mein Job hier! Da kommt einfach ’ne Fremde und macht mir mein Revier streitig! Unverschämtheit!“ „Na dann los!“, ermunterte Zirell sie. „Dann lass dir was einfallen, Shannon, damit du mit ihr wieder gleichziehen kannst!“

Maron hatte sich jetzt einigermaßen beruhigt und auch eingesehen, dass Jenna mit ihrer Äußerung von vorhin Recht gehabt hatte. Er hatte sich ja wirklich gegenüber Ginalla inkorrekt verhalten. Dafür, eine Zeugin so zu behandeln, hätten ihm seine Professoren auf der Akademie die Ohren lang gezogen. „Was sind das für Beweise, von denen Sie gesprochen haben, Tchey?“, wendete er sich schließlich doch an die Fremde, die ihm erwartungsvoll den Datenkristall hinhielt. „Schauen Sie sich das hier ruhig alle an.“, sagte Tchey. „Ich bin sicher, dann wird Ihnen einiges klarer.“

Der Demetaner nahm ihr den Kristall ab und legte ihn in das Laufwerk einer nahen Konsole. Dann befahl er IDUSA, alle Tabellen zu laden und die Datei abzuspielen. Staunend sahen sich alle den Inhalt an.

„Das deckt sich in gewisser Hinsicht mit Ginallas Aussage.“, gab Maron verschämt zu. „Aber die anderen Gegebenheiten machen erst ihre Aussage stimmig. Mutter Schicksal sei Dank ist es Ihnen aber wohl auch gelungen, Sytania und Tolea wieder zu trennen, oder? Ich habe nur noch nicht verstanden, wie Sie das angestellt haben.“

Jenna trat hinzu. Die hoch intelligente Halbschottin hatte natürlich längst verstanden, dass sie gebraucht wurde und hatte auch schon eine Idee, wie sie Agent Maron das mit der energetischen Rückkopplung erklären würde. „Was passiert, wenn zwei Kontakte falsch überbrückt werden, Agent?“, fragte die Chefingenieurin. „Dann gibt es einen Kurzschluss, McKnight.“, sagte Maron. „Genau.“, sagte Jenna. „Genau so müssen Sie sich das hier auch vorstellen. Tolea hat durch das Nutzen der schwarzen Macht gegen Sytania selbst, die Sytania ihr ja gegeben hatte, in ihrem Gehirn einen Kurzschluss verursacht, der sie wieder von ihr getrennt hat.“ „Ach so.“, sagte Shannon. „Dass Sytanias Plan in die Hose gegangen ist, dürfte der alten Hexe also schlagartig klar geworden sein. Energieschlagartig!“ „Ich denke, jetzt sind wir beide quitt, Technical Assistant.“, sagte Tchey und gab Shannon die Hand. Auch alle anderen Umstehenden klatschten Beifall.

„Sie werden sicher zu diesem Beweismittel noch einiges zu sagen haben, Allrounder.“, sagte Maron. „Ich halte es daher für gut, wenn Sie zunächst im Gästequartier untergebracht werden. Verlassen Sie nicht die Station, bis ich Sie vernommen … Ach, das geht ja nicht.“ „Oh, ich kann Sharie zurückrufen.“, meinte Tchey. „Das liegt ganz daran, wann Sie belieben, mit mir Urlaub auf den Verhörinseln zu machen, Agent. Aber bis dahin bin ich mit einem Gästequartier zufrieden.“

Maron sah zu Zirell hinüber, die ihm zunickte. „Joran, zeig ihr den Weg!“, befahl er dann in Richtung des neben ihm sitzenden Vendar. Dieser stand auf und fragte höflich an Tchey gewandt: „Tchey Neran, würdest du mir bitte folgen?“ „Sicher.“, flapste die Angesprochene zurück und war mit ihm durch die Tür verschwunden.

Shimar hatte Scotty und Clytus signalisiert, dass er seine Ausruhphase für beendet erklären konnte. „Wie willst du uns überwachen, Scotty?“, fragte Clytus, dem angesichts dessen, was auf ihn zukommen würde, etwas mulmig wurde. „Ich meine, die Erfasser nehmen uns die Genesianerinnen ja jedes Mal weg.“ „Oh, das is’ kein Problem.“, flapste der Schotte. „Ich habe zwei angewachsene Erfasser.“ „Die will ich sehen.“, staunte Clytus und sah zu, wie ihm der breit grinsende Scotty seine Hände hinhielt. Irritiert warf der Junge den Kopf zurück. „Das sind die einzigen Erfasser, die wir brauchen.“, sagte Scotty. „Mit meinen Händen kann ich bei euch zweien prima den Puls an der Halsschlagader fühlen. Wenn der zu hoch geht, weiß ich, dass etwas nicht stimmt und ziehe eure Hände auseinander. Würde ich an den Handgelenken fühlen, würde ich wie eine Art Überbrückungskabel funktionieren und Shimar würde keine Verbindung zustande kriegen.“

„Das könnte durchaus passieren, bei der Technik, die ich anwenden werde.“, sagte Shimar, der bereits dabei war, seine telepathischen Fähigkeiten temporär bewusst auf das Level eines Berührungstelepathen zu drosseln.

„Ich werde jetzt meinen rechten Zeigefinger auf deinen Hals legen, Clytus.“, erklärte Scotty. „Wenn ich beurteilen will, wie dein Puls normal geht, dann brauche ich ja ein Referenzmuster. Wenn du so weit bist, mache ich das Gleiche bei dir mit links, Shimar.“ „Du kannst ruhig schon.“, sagte Shimar einladend. „Ich habe mich vorbereitet und ab jetzt hat das, was ich noch tun muss, keine körperlichen Konsequenzen mehr.“ „Also gut.“, sagte Scotty und tat, was er gerade vorgehabt hatte.

Wenige Sekunden darauf sah Scotty beide triumphierend an. „Jetzt weiß ich Bescheid.“, sagte er. „Ich glaube, wir können anfangen. Ihr seid bei mir in guten Händen, Kumpels.“ „Na dann!“, sagte Shimar und griff nach Clytus’ Händen. „Soll ich wieder zählen?“, fragte er. „Das wäre ganz gut.“, sagte der Junge, der ja genau wusste, was gleich passieren würde und dem es angesichts dessen etwas schummerig wurde. „OK.“, sagte der Tindaraner und zählte: „Eins, zwei, drei.“, bevor er die Verbindung initiierte. Zeig es mir, Clytus!, insistierte Shimars Geist. Führe mich zur Wahrheit! Zeig mir, ob du wirklich Clytus aus dem Kontinuum bist! Zeig mir, was dich zu dem gemacht hat, der du heute bist!

Scotty sah, wie beide die Augen schlossen. Sofort waren seine Hände an ihren Hälsen und seine Ohren in Richtung ihrer Lungen gewandt. „Jetzt sei auf der Hut, Scotty!“, schärfte er sich selbst im leisen aber bestimmten Flüsterton ein. „Ein Fehler kann dich für den Tod von zwei Wesen verantwortlich machen, also pass gefälligst auf sie auf!“

Zufrieden saß Clytus im Raum-Zeit-Kontinuum vor einem Kontaktkelch und sah sich die Geschicke im Universum der Tindaraner und der Föderation an. Über die geänderte Vergangenheit bis in die Gegenwart hatte er alles beobachtet und war zu dem Schluss gekommen, Eldisa ein Geschenk gemacht zu haben, zu dem sie nicht nein sagen konnte und das sie ihm auch nicht einfach so zurückgeben konnte. Er hatte es nämlich so eingerichtet, dass nur er die Veränderungen rückgängig machen konnte, wenn er denn wollte. Siehst du., wendete er sich telepathisch an Eldisa. Jetzt habe ich dir ein Geschenk gemacht, das du dir für deine Freundin Betsy schon immer gewünscht hast. Bin ich nicht romantisch? Ich habe dabei weder an dich noch an mich gedacht. Jetzt musst du mich doch total süß finden.

„Neffe!!!“ Die weibliche wütende ältere Stimme, die ihm dies entgegen geschrieen hatte, ließ Clytus glauben, dass ihm das Blut in den Adern gefriere. Dann tauchte in einem weißen Blitz Tolea vor ihm auf. Sie machte ein strenges Gesicht! „Was hast du dir da erlaubt?!“, tadelte sie ihn. „Mit der Zeitlinie der Sterblichen herumzuspielen, nur aus eigensüchtigen Motiven! Was hast du dir dabei gedacht?!!! Nein, du hast wahrscheinlich gar nicht gedacht!!! Aber diese Flausen werden dir noch vergehen!!! Ich werde dich bestrafen!!!!“ Clytus wurde Angst und Bange. Er hatte sehr gute Vorstellungen davon, wie seine Strafe aussehen konnte. Seine Tante war dafür bekannt, dass sie sehr hart sein konnte. Bei der Verwandlung in eine Amöbe würde sie es nicht belassen. Aber was sie mit ihm tatsächlich machen würde, davon machte selbst Clytus sich keine Vorstellung. Er wusste nur, wäre er ein Sterblicher, der das gleiche Verbrechen verübt hätte, dann würde sie weitaus freundlicher mit ihm umgehen. Aber bei ihresgleichen setzte Tolea viel härtere Maßstäbe an.

„Halt, Schwester!“, hörte Clytus plötzlich die Stimme seines Vaters, von der er sich Erlösung erhoffte. Dann tauchte auch Kairon vor ihm auf. „Ihn zu strafen ist einzig und allein meine Sache. Du bist nur seine Tante. Ich bin sein Vater und, nachdem seine Mutter mir das Sorgerecht gegeben hat, sein Erziehungsberechtigter.“ „Du!!“, lachte Tolea und man konnte gut ein schon fast wahnsinniges Blitzen in ihren Augen sehen. „Du bist viel zu lasch mit ihm! Das sieht man ja! Bei mir hätte sich dieser Lausejunge solche Streiche nicht getraut. Dafür hätte ich schon gesorgt! Aber gut, erkläre deinem Vater und mir, warum du die armen Sterblichen missbraucht und Dill fast getötet hast, Clytus!“ „Ich, ich, ich.“, stammelte Clytus. „Ich habe aus Liebe gehandelt.“ „Aus Liebe?“, fragte Kairon. „Erkläre mir das.“

In den Wäldern in der Nähe war Diran mit Tchian, einem seiner Novizen, mit dem Kampftraining beschäftigt. Aber der Vendar-Junge mit dem weißen kurzen Jugendfell konnte sich einfach nicht konzentrieren und Diran hatte ihm bereits zum zwölften Mal eine Taktik erklären müssen. „Was ist nur los mit dir, Tchian?“, fragte der Ausbilder, der im Allgemeinen als sehr geduldig galt. „Vergib mir, Ausbilder, aber ich kann mich nicht konzentrieren, weil das ängstliche Wehklagen unseres jungen Gebieters Clytus an mein Ohr dringt. Ich bin sicher, etwas stimmt nicht. Bitte, Ausbilder, lass uns nachsehen.“ „Das sind interne Angelegenheiten unserer Gebieter.“, verneinte Diran. „Es steht uns sicher nicht zu, uns hier einzumischen, außer wir werden dazugerufen.“ „Aber ich will doch gar nicht, dass wir uns einmischen.“, erklärte Tchian spitzfindig. „Ich will doch nur, dass wir nachsehen.“

Diran überlegte. Er wusste, dass das Training mit Tchian so keinen Sinn hatte. Er würde sich nicht darauf konzentrieren können, solange er Angst um Clytus hatte. Auch dem Ausbilder, der Toleas direkter Vertrauter war, leuchtete längst ein, dass hier etwas im Gange war. Dafür kannte er seine Herrin gut genug. Also sagte er: „Ist gut. Wir werden hingehen und uns das Geschehen ansehen. Aber danach musst du mir versprechen, dass wir mit dem Training fortfahren können.“ „Ich verspreche es, Ausbilder.“, lächelte Tchian und hob sogar feierlich die Hand zum Schwur.

Sie verließen den Wald und durchquerten einen kleinen Fluss, der sie von dem Platz, an dem Clytus, Tolea und Kairon sich aufhielten, getrennt hatte. „Du lässt mich reden!“, schärfte Diran seinem Schüler ein. Tchian nickte. Aufmerksam beobachtete er, wie sich Diran auf den Weg zu Tolea machte und sie unterwürfig ansah. „Vergebt mir, Gebieterin.“, sagte er leise und fast sorgenvoll. „Mein Novize und ich kamen gerade vorbei und wurden Zeugen dieses Tumultes hier. Dürften wir erfahren, was der Grund dafür ist?“

Toleas Blick wurde weich und freundlich, als sie Diran ansah. „Das darfst du von mir aus, mein treuer Diran.“, sagte sie. „Ich bin kurz davor, meinen Neffen zu strafen, weil er die Sterblichen zum Erreichen seiner Ziele missbraucht hat. Er hat ihre Zeitlinie verändert. Dann hat er sich auch noch erdreistet, meinen Kontaktkelch zu stehlen, um sein Werk zu betrachten. Findest du nicht auch, dass er eine Strafe verdient hat?“ „Dieses Urteil steht mir nicht zu, Gebieterin.“, erwiderte Diran. „Obwohl ich auch sterblich bin und sicher mit den Missbrauchten fühle. Aber ich kann bei Weitem nicht das Verständnis für solche Situationen aufbringen, das Ihr in Eurer Allwissenheit habt. Also bitte ich Euch um Vergebung dafür, dass ich hierzu keine Meinung äußere.“ „Du wählst deine Worte wohl, Vendar.“, lobte Kairon. „Deshalb werden du und dein Novize auch in die Entscheidung, wer Clytus bestrafen darf, eingebunden werden. Ruf den Jungen her, dann muss ich nicht alles zweimal erklären!“ Diran nickte und winkte Tchian, der sofort angelaufen kam. „Welche Rolle sollen die Vendar übernehmen, Bruder?“, fragte Tolea fast lästernd. „Sie sollen eine Art Schiedsrichter sein und sie werden die Arena bauen, in der wir uns um das Recht duellieren werden, Clytus zu bestrafen.“, antwortete Kairon. „Faszinierend.“, spottete Tolea. „Bin mal gespannt, wie das aussehen wird.“

Kairon wendete sich an Diran: „Nimm deine Waffe und brenne mit ihr ein Quadrat aus Linien in den Sand. Dann ziehst du in der Mitte des Quadrates eine weitere Querlinie. Den Platz dazu kannst du selbst wählen.“ „Wie Ihr wünscht, Gebieter.“, erwiderte Diran, ging einige Meter weg, zog seine Waffe, richtete sie gegen den Boden, stellte sie auf Dauerfeuer und drückte ab. Seine Schritte zählend ging er zunächst einfach geradeaus, um dann abrupt nach links abzubiegen. Dies wiederholte er so lange, bis die schwarzen Linien im Sand das gewünschte Quadrat bildeten. Dann stellte er sich in die Mitte einer der Linien, um von dort aus das gleiche Spiel quer über das Quadrat zu wiederholen. Jetzt hatten sich zwei gleiche Hälften gebildet.

Kairon kam herüber und sah sich alles an. „Sehr gut.“, lobte er. „Jetzt sag deinem Novizen, er soll zwei Äste suchen. Einen Kurzen und einen Langen. Tolea und ich werden um die rechte Hälfte des Quadrates losen. Wir wollen ja nicht, dass hier irgendwas mit ungerechten Mitteln zugeht.“ Diran nickte und erteilte Tchian den entsprechenden Auftrag. Ihn störte an dieser Sache etwas ganz gewaltig! Der intelligente Vendar-Krieger, der auch schon Sytania gedient hatte, wusste genau, dass die Art von Duell, auf die sich Kairon und Tolea geeinigt haben mussten, ein Duell der geistigen Kräfte nach imperianischer Sitte war. Aber warum sollten sie sich nach imperianischer Sitte duellieren? Langsam wurde das, was Diran vorher eher unbewusst wahrgenommen hatte, zur Gewissheit. immer mehr hatte er das Gefühl, dass Sytania hier im Hintergrund die Fäden zog. Aber wie sollte das von Statten gehen? Seine Gebieterin würde sich doch nie auf eine Zusammenarbeit mit ihr einlassen, oder etwa doch? Wut konnte zu den gefährlichsten Dingen verleiten. Das wusste der Vendar. Er hoffte so sehr, dass sein Bauchgefühl ihn getäuscht hatte. Er hoffte es so sehr! Sein Novize sollte in diese ungeheuerliche Vermutung aber nicht eingeweiht werden. Es könnte sein gesamtes Weltbild durcheinander bringen. Diran würde damit allein klar kommen müssen und weiter Beweise sammeln müssen. Aber dazu hatte er ja jetzt auch Gelegenheit, denn beim Herumgehen war er fast über einen stattlichen Stein gestolpert, den er jetzt aufhob. Er hatte ein solches Gewicht, dass fünf durchschnittliche Humanoide notwendig gewesen wären, um ihn zu heben. Aber das stellte für Diran kein Problem dar. Er platzierte den Stein auf der Linie in der Mitte des Quadrates. Er hoffte, sich mit dieser Aktion derart bei den beiden Mächtigen einschmeicheln zu können, dass sie ihn für geeignet genug hielten, noch mehr über das große Geheimnis zu erfahren.

Tolea kam hinzu und sah sich alles an. „Sehr gut mitgedacht, Diran.“, lobte sie und strich ihm über das Haar. Als sie ihn berührte, erschauerte Diran instinktiv und wich zurück. Wieder hatte sein Unterbewusstsein ihm den Eindruck vermittelt, er würde Sytania wahrnehmen. Schnell versuchte er, diesen Eindruck zu überspielen. Er befürchtete nämlich, dass seine Schmeicheltaktik nicht aufgehen würde, wenn er zu früh verraten würde, dass er etwas spürte, das normalerweise nicht sein konnte und nicht sein durfte. „Was ist?“, fragte Tolea Anteil nehmend. „Du schreckst doch sonst nicht vor meiner Hand zurück.“ „Vergebt mir, Gebieterin, aber ich bin angesichts des Duells etwas nervös. Ich hoffe aber, dass Ihr den Sieg davontragt.“, log Diran. Er hoffte, dass Tchian nicht mehr lange mit den Ästen auf sich warten lassen würde. Es konnte doch nicht so schwer sein, zwei verschieden lange Äste in einem bewaldeten Gebiet zu finden.

Endlich war der Junge am Horizont zu sehen. Wie zwei Trophäen trug er stolz zwei starke verschieden lange Äste vor sich her. „Was hat so lange gedauert?“, fragte Diran. „Ich wollte die besten Äste finden, Ausbilder.“, antwortete Tchian. „Es sollten nicht irgendwelche morschen Dinger sein.“ „Dein Verhalten ehrt dich, Vendar-Novize.“, sagte Kairon. „Und nun entscheide, wer zuerst einen Ast ziehen darf. Meine Schwester oder ich. Halte die Äste so, dass wir nicht sehen können, welcher der Kurze und welcher der Lange ist.“

Tchian schob die Äste in seiner Hand so hin, dass jeweils eines ihrer Enden mit dem anderen auf gleicher Höhe war. Dann hielt er den Mächtigen diese Seite der Äste hin. Die ungleiche Seite zeigte in seine Richtung. „Lady Tolea, Ihr seid als Erste dran.“, sagte er mit klopfendem Herzen. Tolea griff nach einem der Äste und zog ihn heraus. Tchian gab Kairon den anderen. „Damit dürfte ja wohl klar sein, dass ich die rechte Hälfte bekomme!“, sagte Tolea und hielt den längeren Ast in die Höhe. „Diran, stelle dich an den einen Scheitelpunkt, an dem die Querlinie sich mit den Grenzen des Quadrates trifft und du, Tchian, dich an den anderen.“, instruierte Kairon die beiden Vendar. Diese nickten und führten seinen Befehl aus. „Achtet gut auf den Fels.“, sagte Tolea und nahm, genau wie ihr Bruder auch, ihre Position ein. „Sollte es einer von Euch schaffen, den Felsen per Gedankenkontrolle in das Gebiet des anderen zu schieben, erklären wir ihn oder sie zum Sieger oder zur Siegerin.“, erklärte Diran und zählte auf Vendarisch bis drei.

Ängstlich sah Tchian die Gesichter der vor Konzentration und Anstrengung wie versteinert wirkenden Mächtigen. „Diese Situation macht mir Angst, Ausbilder.“, flüsterte er Diran zu. „Mir ist das auch nicht geheuer.“, gab Diran ähnlich leise zurück. „Aber wir müssen erfahren, was hier vorgeht und deshalb müssen wir wohl mitmachen. Beobachte gut, mein Schüler und vor allem höre auf deine Instinkte.“ „Die sagen mir, oh, ich mag es gar nicht aussprechen.“, erwiderte Tchian voller Furcht. „Sie sagen dir, dass Sytania hier involviert ist.“, brachte Diran seinen Satz zu Ende. „Aber wir müssen wissen, was genau sie damit zu tun hat, bevor wir weitere Schritte einleiten.“

„Da sieht man mal, wie weit es mit deiner Vaterliebe hin ist.“, lästerte Tolea über den Stein hinweg, der sich immer weiter in Richtung von Kairons Hälfte schob. „Ich dachte, um deinen Sohn meiner strengen Hand zu entziehen, würdest du dich etwas mehr anstrengen!“ „Du hast ja gar keine Ahnung, Schwester!“, erwiderte Kairon. „Ich mache mich ja erst warm!“ Tatsächlich gelang es ihm, den Stein auf die Linie zurückzuschieben. „Was sagst du jetzt?!“ „Pah!“, machte Tolea. „Das hast du ja nur geschafft, weil ich so großzügig war, dir eine Chance zu geben!“ „Das kannst du gegenüber Sterblichen behaupten!“, sagte Kairon mit Überzeugung. „Aber selbst die würden mit einem Erfasser feststellen, dass deine Konzentration nicht gewollt abgenommen hat. Auch eine Art auszudrücken, dass man bald nicht mehr kann, weil man sich am Anfang total übernommen hat. Was glaubst du, warum ich dich erst mal so weit herankommen lassen habe! Die Sterblichen haben ein interessantes Bild! Du kennst doch sicher auch die Geschichte vom Fuchs und den Trauben!“ „Interessant!“, meinte Tolea. „Aber du kennst doch dann hoffentlich auch das Sprichwort der Sterblichen, dass Hochmut vor dem Fall kommt!“

Stunden hatte jenes Duell jetzt schon gedauert und Tchian hatte im Geheimen seinen Erfasser gezogen. Damit hatte er festgestellt, dass sich bereits beide Mächtigen ziemlich verausgabt hatten. „Sie werden doch nicht etwa bis zum Tode kämpfen, Ausbilder.“, wendete er sich sorgenvoll an Diran. „Nur die Ruhe, mein Schüler.“, beruhigte dieser ihn. „Dazu ist jedem das eigene Leben viel zu lieb.“ „Hoffen wir das.“, erwiderte Tchian mit zitternder Stimme.

Plötzlich gab es einen seltsamen schwarzweißen Blitz und der Stein landete auf Kairons Seite des Quadrates. Der Blitz hatte auch den Erfasser derart in Mitleidenschaft gezogen, dass der entstandene Kurzschluss Tchian die Hand versengt hätte, wenn ihm sein Ausbilder das Gerät nicht in letzter Sekunde aus der Hand geschlagen hätte. „Was war das?“, fragte Tchian erschrocken. „Das weiß ich auch nicht genau.“, entgegnete Diran. „Aber zeig mir erst mal deine Hand. Hast du Schmerzen?“ Tchian verneinte und streckte seine Hand aus. Diran betrachtete sie lange und sagte dann: „Ist nur das Fell. Spätestens, wenn du heiratest, ist alles wieder gut.“ Er sah zu Boden auf die Trümmer des Erfassers: „Das Gerät kann niemand mehr gebrauchen.“ „Dabei würde es alles beweisen.“, sagte Tchian traurig. „Ich glaubte, ich hätte einen schwarzweißen Blitz gesehen.“

Tolea kam stolz auf sie zu. „Alles, was du gesehen hast, war mein Sieg, Vendar-Novize. Also darf ich auch meinen Neffen nach meinem Willen bestrafen. So war es vereinbart.“ Sie sah auf die andere Seite zu ihrem ohnmächtigen Bruder herüber. „Von ihm werde ich wohl keinen Einspruch zu erwarten haben. Diran, schaff ihn mir aus den Augen.“ „Wohin soll ich Euren Bruder Bringen, Gebieterin?“, fragte Diran. „Ist mir gleich.“, sagte Tolea. „Ich habe jetzt erst mal Wichtigeres zu tun! Komm her, Clytus!“

Kapitel 45 - Bis an die Grenze und noch weiter

von Visitor

 

Scotty war unsicher, wie er mit der Situation, so wie sie sich für ihn jetzt darstellte, umgehen sollte. Er sah, wie sich sowohl Shimar, als auch Clytus stark verkrampften und wollte am liebsten eingreifen, konnte sich aber auch vorstellen, dass die zwei vielleicht gerade Clytus’ Verwandlung in einen Genesianer erlebten. Wenn er Shimar jetzt zwingen würde, die Verbindung zu unterbrechen, wäre das vielleicht nicht sehr angebracht. Andererseits waren ihre Biozeichen, die Scotty jetzt wahrnahm, ein eindeutiger Indikator dafür, dass sie unter extremem Stress stehen mussten. Wie soll ich mich jetzt nur entscheiden?, fragte er sich im Geiste. Wenn doch nur ein Mediziner hier wäre, der mir diese Entscheidung abnehmen könnte. Ich habe den Mund wohl etwas voll genommen.

Plötzlich bemerkte er, wie die Beiden sich aus ihrer verkrampften Haltung lösten und Shimar einen erleichterten Seufzer von sich gab. Sofort war der ältere terranische Ingenieur auf seinen Füßen und half dem jungen tindaranischen Flieger ebenfalls auf selbige. „Nu mal janz langsam.“, tröstete Scotty. „Bin schon da. Was is’ passiert? Weißt du es jetzt?“ „Allerdings.“, sagte Shimar erschöpft. „War kein Spaziergang, aber hat sich gelohnt. Aber kümmere dich lieber um Clytus! Der ist schlimmer dran! Du könntest mir nur eine Frage beantworten. Sehe ich irgendwie genesianisch aus?“ „Ne!“, lachte Scotty. „Du bist in meinen Augen noch genau so tindaranisch wie eh und je.“ „Alles klar.“, sagte Shimar. „Ich dachte nur. Aber anscheinend habe ich dann wohl nur Clytus’ Verwandlung erlebt.“ „Na für ’n Telepathen kannst du aber im Moment sehr schlecht deine Gedanken von fremden Erinnerungen unterscheiden.“, flapste Scotty. „Entschuldige mal!“, meinte Shimar. „Aber ich habe gerade zwei Reisen in die Seele mit zehn Minuten Abstand hinter mir. Da kann man schon mal erschöpft sein und seine Konzentration nicht mehr ganz so beieinander haben.“ „Schon gut.“, meinte Scotty. „Du müsstest mich eigentlich gut genug kennen, um zu wissen, dass der alte Scotty vielleicht gerade gescherzt haben könnte. Also, warum so ernst?“

Shimar deutete nach unten. „OK, setzen wir uns.“, erklärte sich Scotty einverstanden. „Also, was weißt du?“ „Die Sache ist hoch gefährlich.“, sagte Shimar. „Wenn die Informationen in die falschen Hände kommen, könnte es sein, dass es einen Krieg zwischen den Q und den Genesianern gibt. Wir müssen ...“

Clytus war erwacht. „Was ist los?“, fragte er. „Warum schaut ihr so ernst? Habe ich was falsch gemacht?“ „Wie man’s nimmt.“, sagte Shimar. „Aber das, was du falsch gemacht hast, das kann man schon mal falsch machen, wenn man erst 13 und das erste Mal verliebt ist.“ „Hör auf, wie eine Katze um den heißen Brei zu schnurren.“, meinte Scotty. „Was hast du herausgekriegt?“ „Das Wichtigste zuerst.“, sagte Shimar. „Er ist Clytus. Ja, er ist es wirklich. Aber ich sollte vielleicht lieber am Anfang beginnen. Also: Unser kleiner Mächtiger hier hatte sich in Eldisa von Zeitland verliebt, die aber nichts von ihm wissen will. Sie hat ihn abblitzen lassen und er meinte in seiner kindlichen Naivität, dass er nur dafür sorgen muss, dass ein Zustand im Heimatuniversum von Allrounder Betsy, die Eldisas beste Freundin ist und deiner Heimat, sowie in meiner eintreten muss, der uns dreien ermöglicht, auf legalem Wege zu heiraten. Dazu mussten beide Dimensionen genesianisch werden, damit Betsy mehrere Männer haben darf. Somit hätte die Liebe alle Konventionen gesprengt. Er meinte wohl, das ist eine Sache, die bei 13-jährigen Mädchen gut ankommt, die ja noch sehr romantisch veranlagt sind. Er meinte, dann würde sich Eldisa vom Fleck weg in ihn verlieben.“ „Aber er hat nicht bedacht, dass dieses 13-jährige Mädchen die zukünftige Herrscherin von Zeitland ist, die ja auch die Zeit und die Zeitlinie beschützen muss und deshalb nie zulassen wird, dass sie verbogen wird.“, meinte Scotty. „Aber was ist dann passiert? Warum sollten die Genesianer die Q angreifen?“

„Weil ich ein Geistwesen geschaffen habe, das die oberste Prätora für meine Zwecke instrumentalisiert hat.“, sagte Clytus benommen, der inzwischen aufgestanden war. „Tante Tolea und mein Vater Kairon haben sich um das Recht duelliert, mich bestrafen zu dürfen. Tante Tolea hat gewonnen, weil Sytania ihr geholfen hat, die sie wohl irgendwie dazu gekriegt haben muss, mit ihr zusammenzuarbeiten. Dann haben mich Sytania und Tante Tolea zu einem Genesianer gemacht.“ „Wie sie das geschafft hat, kann ich mir schon denken.“, tröstete Shimar. „Deine Tante wird stinksauer auf dich gewesen sein, als du das gemacht hast. Die Wut wird sie ausgenutzt haben. Wenn man wütend ist, macht man oft Dinge, die man später bitter bereut. Aber ich denke, dass Sytania auch dir geholfen hat, um überhaupt erst einmal eine Situation zu schaffen, in der eine Strafe notwendig ist. Dann wäre auf jeden Fall sie die lachende Dritte, wenn wir ihr nicht dazwischen funken. Ich muss so schnell wie möglich meinen Körper verlassen, um unseren anderen Plan durchzuziehen. Die Informationen müssen zu Zirell. Sie kann leicht in meinem Kopf nachprüfen, dass ich die Wahrheit gesagt habe.“ „Kannst du dich denn gut genug konzentrieren?“, fragte Scotty. „Heute wohl nicht mehr.“, sagte Shimar. „Aber morgen nach der Schicht werde ich es versuchen.“

„Um so besser.“, erklang plötzlich Clytus’ Stimme aus einer anderen Ecke. „Dann habe ich ja noch bis morgen Zeit, ein Hilfsmittel zu basteln.“

Scotty, der neugierig geworden war, schlich zu dem Jungen hinüber, der aus Strohhalmen, die er mit dem eigenen Speichel befeuchtete, damit sie nicht brachen, etwas zu flechten schien. „Was wird das, wenn’s fertig ist, Kumpel?“, fragte Scotty. „Ich baue ein Pendel!“, sagte Clytus stolz. „Damit kann ich Shimar helfen, sich zu entspannen. das muss er ja wohl, wenn er seinen Körper verlassen will.“

Shimar war jetzt auch zum Ort des Geschehens gekommen. „Echt cool von dir.“, sagte er. „Aber womit habe ich denn das verdient?“ „Ich dachte, ich schulde dir was.“, antwortete der Junge. „Immerhin hast du von Anfang an zu mir gehalten.“ „Das war doch nichts Weltbewegendes.“, sagte Shimar. „Das war nur ein Instinkt.“ „Den solltest du aber dringend kultivieren.“, sagte Scotty und fügte hinzu: „Da ist wohl dringend eine Entschuldigung fällig. Was hältst du davon, wenn ich dir beim Basteln helfe?“ „OK, alter Brummbär.“, grinste Clytus.

Shimar zog sich wieder in eine Ecke zum Ausruhen zurück. „Mein Gott, die arme Shashana.“, sagte er leise. „Wie mag die sich wohl gefühlt haben? Ich habe ja alles gesehen. Clytus, du darfst nicht einfach …“ „Ich habe meine Lektion gelernt.“, sagte der Junge. „Mit eurer Zeitlinie spielen darf man nicht. Oh, ich habe alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Eldisa wird mich hassen, statt mich zu lieben, ich bin bis ans Ende meines Lebens zu dieser Existenz verdammt und der Rest?“ „Es gibt sicher eine Lösung, sobald ich den richtigen Leuten Bescheid geben kann.“, sagte Shimar. „Nicht aufgeben.“

„Aber wie soll die denn aussehen?“, fragte Scotty. „Ich meine, er kann sicher nicht von Tolea allein zurückverwandelt werden. Wie ich die Hexe Sytania kenne, hat die ’ne Knebelklausel in den Vertrag mit Tolea eingebaut. Ich meine, sie profitiert doch bestimmt von der Situation, wie sie jetzt ist.“ „Denke ich auch.“, sagte Shimar. „Aber gerade deshalb muss das klappen. Aber dazu muss ich ausgeruht sein.“ „Schon OK.“, sagte Scotty und widmete sich mit Clytus der gemeinsamen Bastelei.

Wir waren im tindaranischen Universum angekommen, nachdem wir Kamurus auf eigenen Wunsch seiner Wege geschickt hatten. Ich ließ den Kursrechner das tindaranische Sonnensystem lokalisieren und setzte Kurs dort hin. „Ich werde Maron ganz schön ins Gewissen reden, Betsy!“, sagte Mikel noch immer sehr zornig, als wir kurzzeitig auf der Brücke allein waren. „Man behandelt einen Zeugen nicht so. Auch nicht, wenn sie eine Weltraumvagabundin ist.“ „Kann ich mir denken.“, erwiderte ich im Vergleich dazu sehr ruhig. „Ihr müsst alle Aussagen schließlich gleich werten.“ „Das stimmt.“, meinte Mikel. „Alles andere würde nicht auf einen Rechtsstaat, sondern auf Willkürjustiz hindeuten. Das hatten wir erst im Mittelalter und das ist weiß Gott kein Zustand, in den ich wieder geraten will.“

Maron beschäftigte sich inzwischen mit der Vernehmung von Tchey. Im Grunde hatte diese alles noch einmal bestätigt, was der Demetaner auch in der Datei gesehen hatte. „Ich denke, dass wir uns da selbst einen Fallstrick gebaut haben, Allrounder.“, sagte Maron. „Wovon sprechen Sie, Agent?“, fragte Tchey interessiert.“ „Ich rede davon, dass Tolea jetzt zwar wieder einen klaren Kopf hat, aber im Prinzip die Verbindung zwischen ihr und Sytania notwendig gewesen wäre, damit Clytus zurückverwandelt werden kann.“

Tchey stand auf: „Denken Sie wirklich, dass wir Tolea unter den genannten Umständen dazu bekommen hätten, Agent! Ich meine, die war so von Sytania eingelullt, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Die hätte Clytus unter den Voraussetzungen nie zurückverwandelt. Aber jetzt können wir zumindest wieder mit ihr reden und es besteht die Möglichkeit, dass wir eine andere Möglichkeit finden. Haben Sie Ihren Techniker Oberschlau schon mal gefragt?“ „Das habe ich nicht, Allrounder.“, sagte der erste Offizier. „Aber ich denke, auch sie kann keine Möglichkeit finden, die Kräfte von Mächtigen auf eine so spezifische Art und Weise ersetzt.“ „Sie haben es ja noch gar nicht versucht!“, entgegnete Tchey.

Das Signal der Sprechanlage riss beide aus ihrer Diskussion. „Alarm rot!“, erklang Zirells Stimme aus dem Lautsprecher. „Alle sofort auf ihre Posten!“ „Wir werden unser Gespräch ein anderes Mal fortsetzen müssen, Tchey!“, sagte Maron. „Schon klar.“, grinste die Reptiloide und machte sich auf den Weg vom Verhörraum aus zu ihrem momentanen Quartier. Auch Maron machte sich auf den Weg zur Brücke.

Zirell und Joran beobachteten jenes sich langsam von vorn nähernde fremde Schiff, dessen Transpondersignal niemand wirklich einordnen konnte. „Kannst du dir vorstellen, wer so eine Taktik benutzen könnte, Joran?“, wendete sich Zirell an den Vendar, der ihrer Meinung nach das Universum am besten kannte. „Tut mir leid, Anführerin.“, gab er zurück. „Die Einzigen, die mir da einfallen würden, wären Raumpiraten, aber die fliegen an sich keine Sternenflottenschiffe und dass eines gestohlen worden ist, ist mir nicht bekannt.“

„Vielleicht handelt es sich um eine neuartige genesianische Spionagetaktik.“, vermutete IDUSA. „Bitte rufen Sie dieses Schiff bloß nicht. Am Ende werde ich noch mit irgendeinem Computervirus angesteckt, dass mich dazu bringt, Sie alle den Genesianern auszuliefern.“ „Mach dir keine Sorgen, IDUSA!“, sagte Zirell zuversichtlich. „Wenn dies eine neue Taktik sein sollte, unsere Neugier zu wecken, um uns dann was unterzujubeln, werde ich selbstverständlich nicht darauf hereinfallen.“

Joran hatte bemerkt, dass von dem fremden Schiff aus ein Ruf an die Station gegangen war. „Wir werden das fremde Schiff vielleicht nicht rufen.“, sagte er. „Aber dafür ruft es uns.“ „Ignorieren, Joran!“, entschied die Kommandantin.

Maron hatte die Brücke erreicht. „Was ist los, Zirell?“, fragte er. „Da draußen ist ein fremdes Schiff, Maron.“, antwortete die Tindaranerin. „Es sieht aus wie ein Sternenflottenschiff, hat aber ein völlig merkwürdiges Transpondersignal.“ „Wird uns ein Rufzeichen übersandt?“, fragte Maron. „Das schon.“, sagte Zirell. „Aber ich würde es nicht ausprobieren. IDUSA hat geäußert, dass es eine neue Art von Spionagetrick der Genesianer sein könnte und ich teile ihre Meinung.“ „Eine Art Köder, auf den wir hereinfallen sollen und der ihr dann ein Virus oder so etwas übermittelt?“, fragte Maron. „Genau das.“, sagte Zirell. „Du darfst nicht vergessen, dass die Genesianer völlig vom Pfad der Ehre abgewichen sind und dass ihnen im Moment alles zuzutrauen wäre.“

Maron hatte ein unbestimmtes Gefühl, dem nach von diesem fremden Schiff wohl doch keine Gefahr ausgehen würde, wollte dies aber dann doch bestätigt haben. „Kannst du mir das Bild des Schiffes zeigen, Joran?“, wendete er sich an den Vendar. „In der Tat, Agent Maron.“, gab dieser zurück und stellte ihm das Sensorenbild auf den Schirm.“ „Sieht aus wie die Granger.“, sagte Maron, der sich ja mit Sternenflottenschiffen auskennen musste. „Ich denke, von denen haben wir nichts zu befürchten.“ „Das könnte alles immer noch eine optische Täuschung sein.“, sagte Zirell. „Ich denke an Holographie oder so etwas.“ „Das werden wir gleich haben.“, entgegnete Maron und Befahl dem Stationsrechner: „IDUSA, den Gegenstand außerhalb der Station an Backbord analysieren! Besteht er aus Photonen?“ „Negativ.“, gab der Schiffsavatar lächelnd zurück. „Der Gegenstand besteht aus Materie. Er besteht aus den gleichen Materialien, aus denen auch Sternenflottenschiffe bestehen. Ich könnte die Liste vorlesen, aber …“ „Um Mutter Schicksals Willen!“, rief Maron aus. „Das würde allenfalls Techniker McKnight interessieren, aber für mich sind die meisten dieser Namen böhmische Dörfer. Es reicht mir, wenn du mir bestätigst, dass es sich um ein Sternenflottenschiff handelt.“ „Bauweise und verwendete Materialien weisen darauf hin.“, sagte IDUSA. „Die individuelle Zusammensetzung der Biozeichen der Besatzung lässt mich sogar vermuten, dass es sich tatsächlich um die Granger handelt.“ „Trotzdem könnte das immer noch ein Trick sein.“, sagte Zirell. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Genesianer die Granger aufgebracht haben könnten. Immerhin hat sie nur leichte Bewaffnung und gegen ein waffenstarrendes Genesianerschiff sicher keine Chance. Die Biozeichen können ebenso gut mit Hilfe von Täuschgeräten erzeugt werden. Die Genesianer müssten ja nur das Manifest in die Hände bekommen.“ „Aber solche Strategien lehnen sie doch normalerweise ab.“, sagte Joran. „Die Genesianer spielen doch sonst immer nur mit offenen Karten, weil alles andere für sie als unehrenhaft gilt.“ „Normalerweise mag das hinkommen, Joran.“, sagte Zirell. „Aber du darfst nicht vergessen, dass die Genesianer unberechenbar geworden sind.“ „Das habe ich nicht vergessen, Anführerin Zirell.“, versicherte Joran. „Aber ich könnte mir dieses Schiff mit dem Shuttle mal von Nahem ansehen. Vielleicht werden wir daraus schlauer.“ „OK.“, sagte Zirell, der im Moment auch nichts Besseres einfiel, um diese vertrackte Situation zu lösen. „Sag deiner Freundin Bescheid, sie soll dir das Shuttle geben.“ Joran nickte und verließ die Brücke.

Kissara hatte mir am äußersten Rand der Sensorenreichweite einen vollen Stopp des Schiffes befohlen, nachdem klar war, dass niemand unsere Rufe beantworten würde. „Das ist merkwürdig.“, stellte sie fest. „Zirell müsste uns doch erkennen.“ „Mit Verlaub, Commander.“, erwiderte ich. „Wir senden nicht mehr unser gewohntes Transpondersignal. IDUSA hat keine Möglichkeit, uns als USS Granger zu identifizieren.“ „Stimmt ja auch.“, bemerkte Kissara. „Aber wie können wir ihnen sonst noch deutlich machen, dass sie von uns keine Gefahr zu erwarten haben? Denken Sie nach, Ladies und Gentlemen!“

Jenna hatte das Shuttle gewartet und Joran war von der Station weggeflogen. „Wer, glauben Sie, ist da draußen, Joran?“, fragte der Schiffsavatar. „Denken Sie, dass es die Granger ist, oder glauben Sie, dass uns die Genesianer eine Falle stellen?“ „Ich weiß es nicht, IDUSA.“, gab Joran freimütig zu. „Aber wenn mich nicht alles täuscht, werden wir das bald wissen.“

Er gab ihr den Gedankenbefehl, neben dem fremden Schiff längsseits zu gehen. „Beobachte genau, was sich an Bord des Schiffes tut, IDUSA.“, flüsterte er ihr zu. Befehlsgemäß richtete sie ihre Sensoren auf das Innere des Schiffes und zeigte ihrem Piloten genau die Bilder. „Das ist die normale Besatzung der Granger.“, stellte Joran fest. „Gibt es Hinweise auf genesianische Biozeichen?“ „Negativ.“, sagte IDUSA, nachdem sie das gesamte Schiff ein zweites Mal abgesucht hatte. „Soll ich noch sichergehen, dass hier keine Genesianerin in jemanden von der Granger verwandelt wurde?“ „Das wäre gut.“, sagte Joran. „Wenn das der Fall wäre, würde ich ja auch ihre Energie spüren und du würdest sie mit deinen Sensoren erkennen.“ „Das ist korrekt.“, sagte das Schiff und startete eine weitere Suche nach Sytanias Energie, die auch erfolglos blieb. „Dann gibt es nur noch die Möglichkeit, dass es die Granger ist.“, sagte Joran. „Ruf das Schiff, IDUSA!“ „Also gut.“, sagte der Schiffsrechner. „Wenn Sie meinen, dass es sicher ist. Aber ich sollte Sie zunächst mit Ihrer Freundin verbinden, damit sie ein Datenlink zu mir aufbauen kann, um im Notfall einen von einem Virus befallenen Prozessorkern aus mir heraus zu beamen, bevor das Virus sich weiter verbreiten kann.“ „Wie du willst.“, sagte Joran.

Ich hatte bemerkt, dass wir gerufen wurden. „Commander, ein kleines Shuttle auf unserer Steuerbordseite ist gerade in Sensorenreichweite gekommen und ruft uns. Der Computer identifiziert es als die IDUSA-Shuttleeinheit von Basis 281 Alpha.“ „Etwas anderes konnte ich mir in der kurzen Zeit auch nicht denken.“, antwortete Kissara. „Antworten Sie!“

Ich drückte die Sendetaste, wodurch die angefragte Verbindung bestätigt wurde und sagte: „Ich bin Allrounder Betsy Scott vom Raumschiff Granger. Mit wem spreche ich bitte?“ „Sei gegrüßt, Betsy El Taria!“, kam die Antwort einer lauten aber dennoch freundlichen tiefen Stimme zurück. Dise Stimme kannte ich! „Joran!“, freute ich mich. „Was bin ich froh, von dir zu hören! Wenn du hier eine Patrouille fliegst, dann gehe ich davon aus, dass Zirell sich der neuen falschen Zeitlinie auch nicht gebeugt hat.“ „In der Tat hat sie das nicht, Betsy El Taria.“, sagte mein vendarischer Freund. „Sie hat Shimar und mich aber auch Maron und Ishan weiter in ihrer Truppe beschäftigt.“ „Wo ist Shimar?!“, wollte ich aufgeregt wissen.

Joran machte eine Pause. Anscheinend hatte er mit meiner Frage nicht gerechnet und sie bereitete ihm jetzt Kopfzerbrechen. „Ihr solltet docken und dann werden wir alles besprechen, wenn ihr da seid.“, sagte Joran. „Ich werde Zirell El Tindara melden, dass von euch keine Gefahr ausgeht.“ „OK.“, erwiderte ich und beendete die Verbindung.

„Also doch die Granger.“, stellte IDUSA fest. „In der Tat die Granger, IDUSA.“, entgegnete Joran erleichtert. „Und jetzt verbinde mich mit Anführerin Zirell! Ich werde ihr sagen, dass wir hier keinen Feind, sondern eher eine Verbündete vor uns haben. Aufgrund der Lage von Betsys Platz konnte ich feststellen, dass Agent Mikel und Warrior Kang ebenfalls noch auf der Brücke sein müssen. Ich finde, das ist ein eindeutiges Zeichen.“ „Sie haben Recht.“, gab das Schiff zurück und initiierte die verlangte Verbindung.

Jenna hatte Maron und Zirell den Bericht ihrer technischen Überwachung zukommen lassen. Eigentlich konnte man das gar keinen Bericht nennen, denn die Sache war mit den Worten: „Keine besonderen Vorkommnisse.“, abgehakt. „Also gab es auch kein Virus.“, sagte Maron. „Nein, Sir.“, gab die Chefingenieurin über die Sprechanlage zurück. „Es war eine ganz harmlose Sprechverbindung ohne jeden bösen Hintergedanken. Jetzt sollte allen klar sein, dass es sich tatsächlich um die Granger handelt.“

Zirell, die alles mitgehört hatte, atmete erleichtert auf. „OK, Joran. Dann weise sie nach Andockport drei. Ich denke, Kissara und ich werden einiges zu besprechen haben. Ich werde sie persönlich empfangen. Maron, du hast die Brücke!“ Damit stand sie auf und verließ ihren Arbeitsplatz.

„Sie können mir nicht zufällig sagen, ob die männlichen Mitglieder von Zirells Crew noch in Amt und Würden sind?“, fragte Kissara mich, während ich mir vom Computer die Anweisungen der Positionslichter vorlesen ließ. „Doch, das kann ich, Commander.“, erwiderte ich. „Joran hat es mir gegenüber bestätigt. Es tut mir leid, ich hätte es auf den Hauptschirm stellen sollen, aber …“ „Schon gut.“, erwiderte Kissara. „In der Aufregung kann so etwas schon einmal passieren. Bringen Sie uns jetzt am besten gleich zu unserem Platz.“ Ich nickte und manövrierte uns in die Andockbucht.

„Werden wir gleich alle von Bord gehen?“, fragte Mikel. „Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen.“, beruhigte ihn Kissara. „Aber zunächst sollte ein einzelnes Außenteam vorgehen und die Lage sondieren. Angesichts der Genesianer im Nacken finde ich es besser, wenn zumindest die Techniker und die Ärzte hier an Bord bleiben, damit wir schnell Vorbereitungen zum Ablegen treffen können, falls sie unsere Ankunft bemerkt haben sollten. Falls wir auch sonst auf Genesianer treffen sollten, ist es besser, wenn jeder weiß, wo die zu finden sind, die im Notfall unsere Verletzungen behandeln können.“

„Auch ich werde hier bleiben, Ma’am.“, sagte Kang. „Falls die Genesianer angreifen, kann ich von hier aus prima helfen, die Station zu verteidigen. Commander Zirell hat einen strategisch sehr guten Platz für uns ausgesucht.“ „In Ordnung.“, erwiderte Kissara. „Mikel, wenn Sie mit Ihrem Kollegen reden wollen, nur zu. Betsy, Sie begleiten mich!“ „Eye, Commander.“, nickten Mikel und ich und reihten uns hinter ihr ein, bevor wir die Brücke verließen.

Für mich war das Betreten der tindaranischen Basis eigentlich nichts Besonderes. Ich hatte hier schon des Öfteren Shimar besucht. Aber heute schien irgendetwas anders. Schon allein die Tatsache, dass Joran mit Shimars Aufenthaltsort nicht herausrücken wollte, irritierte mich. Hoffentlich war ihm nichts geschehen! Den Kelch mit dem Savarid-Strahlung aussendenden Stein, der mir diese Frage hätte beantworten können, hatte ich drei Monate lang nicht benutzen dürfen, um mein eigenes Gehirn nicht zu schädigen. Aber jetzt rückte der Zeitpunkt immer näher, ab dem ich ihn wieder benutzen konnte. Dann würde ich bald wieder beginnen, von ihm zu träumen und dann …

„Kissara!“, schallte uns eine fröhliche bekannte Stimme entgegen, als wir den Gang von der Andockrampe hinuntergingen. Dann kam eine zierliche Gestalt auf uns zu. „Zirell!“, erwiderte Kissara ebenso fröhlich. „Was bin ich froh, dass wir uns endlich sehen, um miteinander planen zu können! Ach, mein erster Offizier hat mit deinem noch ein Hühnchen zu rupfen. Wo ist Maron?“ „Der wird auf der Brücke sitzen und zittern.“, erwiderte die Tindaranerin zynisch. „Ich denke, er weiß schon, was ihm blüht.“ „Wo ist das?“, fragte Mikel. „IDUSA soll Ihnen den Weg mittels der Sprechanlagenterminals zeigen.“, sagte Kissara. „Oder ich bringe ihn hin.“, sagte ich. „Falls Maron durch IDUSAs Tun eventuell gewarnt würde, wäre das sicher nicht so gut.“ „Also gut.“, sagte Kissara. „Wenn Sie das so genau wissen, Allrounder.“ „Oh, ja, das weiß sie!“, mischte sich Zirell ein. „Shimar hat ihr bei ihrem letzten Besuch alle Wege hier auf der Station beigebracht.“ „Dann sollten wir schon einmal vorgehen in den Besprechungsraum.“, sagte Kissara. „Betsy, wenn Sie Mikel abgeliefert haben, stoßen Sie am besten zu uns.“ „OK, Commander.“, sagte ich und nahm Mikel bei der Hand, um mit ihm einen Turbolift zu besteigen.

Auch Zirell und Kissara hatten einen Schacht weiter einen Lift bestiegen, der sie einige Ebenen weiter hinauf brachte. Hier schlugen sie den Weg zu Zirells Bereitschaftsraum ein. „Mir ist aufgefallen, dass du sehr traurig geschaut hast, als du über Shimar gesprochen hast.“, bemerkte Kissara, als sie sich neben Zirell an deren Schreibtisch gesetzt hatte. „Deinem grünäugigen Katzenblick entgeht wohl gar nichts.“, sagte die Tindaranerin. „Da magst du Recht haben.“, schmeichelte Kissara. „Jedenfalls ist mir nicht entgangen, dass hier gewaltig etwas nicht stimmt. Um nicht zu sagen, dass mit dir gewaltig etwas nicht stimmt.“

Die sonst immer recht diszipliniert wirkende Zirell konnte nicht mehr an sich halten. Sie machte eine Bewegung, als würde sie einen Zusammenbruch erleiden und schlug die Hände vor das Gesicht. „Du hast Recht, Kissara!“, schluchzte sie. „Du hast so Recht! Ach, ich habe einen riesigen Fehler gemacht und jetzt lassen mich die Götter dafür schwer büßen. Ich habe versucht, die Genesianer zu veralbern und sie sind mir doch drauf gekommen. Gut, es gab eine Verräterin in den Reihen des tindaranischen Militärs, aber das ist eine andere Geschichte. Sie hat den Genesianern gesteckt, was ich getan habe. Dann haben sie Shimar entführt und keiner weiß, wo er ist. Noch nicht mal ich kann ihn spüren.“ „Vielleicht bist du im Moment dazu einfach zu nervös.“, tröstete Kissara. „Aber wenn die Genesianer ihn haben, dann sollten wir so schnell wie möglich versuchen, ihn zu finden.“

„Ich könnte ihn finden!“ Weder Kissara noch Zirell hatten bemerkt, dass ich in den Raum gekommen war, nachdem ich Mikel abgeliefert hatte. „Entschuldigen Sie, Commanders, aber ich habe schon wieder lange Ohren gemacht.“, entschuldigte ich mich. „Ihre langen Ohren waren mal wieder sehr nützlich, Allrounder.“, schnurrte Kissara konspirativ. „Kommen Sie ruhig her und setzen Sie sich zu uns. Wenn Sie da an der Tür stehen, sieht das sehr ungemütlich aus.“

Ich schritt auf den Tisch zu und Kissara führte mich mit ihrer samtigen rechten Hand zu einem Stuhl. „Was meint sie?“, wendete sich Zirell an ihre Kollegin. „Sie hat da eine Möglichkeit, von der du doch auch wissen solltest.“, erwiderte Kissara. Dann wendete sie sich an mich: „Sie sprechen von Korelems Kaffeebecher.“ „Genau.“, sagte ich. „Ich muss mir nur noch das OK von den Ärzten holen. Dann könnte ich …“ „Gute Idee!“, lobte Kissara. „Fangen Sie am besten gleich damit an!“ „Sofort, Ma’am!“, strahlte ich und verließ den Raum, um mich auf die Krankenstation unseres Schiffes zu begeben.

Kapitel 46 - „Kopfwäsche“

von Visitor

 

Mit entschlossener Körperhaltung – die Hände in die Hüften gestemmt – stand Mikel vor der Tür zur Brücke, wo ich ihn abgesetzt hatte. Er überlegte sich, was er Maron bezüglich der Behandlung von Ginalla alles an den Kopf werfen würde, als ihn plötzlich eine künstlich anmutende Stimme von hinten ansprach und der Agent das Gefühl bekam, von einer wohl bekannten Frau angesprochen zu werden, deren Bild er aber direkt in seinem Geist sah. „Agent?“, sagte die Stimme und Mikel drehte sich instinktiv um. „Was gibt es, IDUSA?“, fragte er, der sie längst als den Avatar des Schiffsrechners identifiziert hatte. „Ich registrierte, dass Sie hier stehen und habe mich gefragt, ob ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann.“, antwortete die Simulation. „Das kannst du vielleicht tatsächlich.“, sagte der erste Offizier der Granger. „Du könntest mir sagen, was genau zwischen Agent Maron und Ginalla während ihrer Vernehmung vorgefallen ist.“ „Damit Sie ihm ordentlich die Hölle heiß machen können, nicht wahr?“, fragte sie konspirativ und ließ es sich für Mikel anfühlen, als hätte sie sich seinem rechten Ohr genähert, um es ihm direkt dort hinein zu flüstern. „Genau.“, sagte Mikel. „Aber warum hilfst du mir? Ich meine, du bist der Rechner dieser Basis und deine Loyalität sollte in erster Linie der Crew dieser Station gehören.“ „Meine Loyalität sollte in erster Linie der Wahrheit gehören, Agent.“, erwiderte der Rechner. „Meiner Definition nach hat sich Agent Maron eines Vergehens schuldig gemacht. In einem Rechtsstaat ist es meiner Programmierung nach nicht rechtens, die Aussage einer Zeugin gleich als unwahr abzustempeln, nur weil sie eine Art Zigeunerin ist. Ginalla mag im Weltraum herumgezogen sein, sie mag gelogen und betrogen haben, um sich durchzuschlagen, aber wir wissen auch, was sie dazu gebracht hat und dass sie sich geändert hat. Aber Maron hat sie gleich verurteilt, bevor er sie überhaupt angehört hat. Das ist meines Wissens im tindaranischen Rechtssystem und auch in dem der Föderation nicht die adäquate Vorgehensweise für ein Organ des Gesetzes. Also, warum sollte ich Ihnen nicht helfen, diesen Umstand zu bereinigen?“ „Du hast Recht.“, sagte Mikel. „Aber jetzt sag mir doch, was du beobachtet hast.“

Eine Weile verging, ohne dass IDUSA einen weiteren Satz gesagt, oder Daten übermittelt hatte. „Du kannst es ruhig sagen.“, versuchte Mikel, sie zu ermutigen. „Das tue ich die ganze Zeit, Agent.“, erwiderte der Rechner. „Aber du hast nichts getan oder gesagt.“, meinte Mikel leicht verwirrt. „Das ist es ja gerade.“, sagte IDUSA. „Zwischen den Beiden ist nichts vorgefallen. Absolut gar nichts. Er hat noch nicht einmal begonnen, sie zu vernehmen. Schon als sie sagte, dass Tolea mit Sytania zusammenarbeiten würde, hat er sie eiskalt abserviert. Er hat ihr gesagt, dass er ihr auf keinen Fall Glauben schenken würde und ihr sogar unterstellt, irgendeinen bösen Plan zu haben, um …“ „Das reicht.“, unterbrach der Agent sie. „So eine unprofessionelle Haltung hätte ich von Maron nicht erwartet. Öffne diese Tür für mich, IDUSA!“ „Agent Maron ist nicht allein, Agent Mikel.“, erklärte der Rechner. „Das ist mir egal.“, sagte Mikel. „Wenn es noch jemand mitkriegt, hat Maron noch einen Grund mehr, sich für seine Taten gehörig zu schämen. Wer ist bei ihm?“ „Joran ist bei ihm.“, antwortete sie. „Um so besser.“, sagte Mikel. „Es sind ja gerade die Vendar, die Professionalität und Pflichtbewusstsein sehr zu schätzen wissen. Und jetzt mach bitte diese Tür auf.“

Der Avatar lachte halblaut und kam seiner Bitte nach. Mikel schritt in den Raum. Er kannte sich zwar im Inneren nicht aus, konnte sich aber in etwa denken, wo er Marons Arbeitsplatz finden konnte. Die Strukturierung einer tindaranischen Brücke unterschied sich nicht sehr von der auf einem Schiff der Föderation oder deren Stationen. Also ging Mikel auf die Konsole in der Raummitte zu, vor der er tatsächlich auf Maron traf.

„Hi.“, begrüßte ihn der Demetaner. „Nett, dass du mich einmal besuchen kommst. Dein Schiff hat ja gerade hier angedockt und ich hörte, wir wollen gemeinsam planen, wie wir die Zeitlinie …“ „Da hast du mir ein interessantes Stichwort gegeben!“, fiel ihm Mikel verärgert ins Wort. „Wir hätten schon längst weiter im Korrigieren der Zeitlinie sein können, wenn du die Aussage einer wichtigen Zeugin nicht unter den Tisch fallen lassen hättest, nur weil dir ihr Ruf nicht zugesagt hat. Hätte Nugura ausgesagt, was Ginalla aussagen wollte, dann hättest du ihr sicher geglaubt, auch wenn sie dir einen vom Pferd erzählt hätte, was?!“ „Das hast du getan, Agent Maron?“, fragte Joran aus dem Hintergrund.

Maron kam gewaltig ins Schwimmen. Gerade vor dem doch sehr pflichtbewussten Vendar hatte er eigentlich gehofft, diesen Fehler seiner Selbst nie offen legen zu müssen. „Ja, das habe ich getan.“, gab er schließlich doch zu. Er wusste, dass ihm in der gegenwärtigen Situation nur die Flucht nach vorn blieb. „Zirell hat mich schon entsprechend abgestraft. Ich versichere, dass das nie wieder vorkommen wird. Aber Ginalla hat Dinge behauptet, die einfach nicht sein können. Tolea und Sytania arbeiten zusammen. Das ist ein Faktum, das einfach meiner Meinung nach nicht sein kann.“ „Für dieses unmögliche Faktum habe ich aber Beweise.“, sagte Mikel und holte den Datenkristall mit Kamurus’ Aussage aus der Tasche, den ihm Joran mit einem lächelnden Gesicht abnahm. „Bitte erlaube, dass ich dir behilflich bin, Agent Mikel.“, bot der Vendar an. Mikel nickte und sah zu, wie er den Kristall in ein Laufwerk steckte. Dann spielte IDUSA die sich darauf befindende Datei ab. Erschrocken nahm Maron ihren Inhalt zur Kenntnis. „Das kann doch nicht wahr sein.“, sagte der Demetaner niedergeschlagen. „Und das habe ich übersehen? Ich denke, da muss ich mich dringend bei Ginalla entschuldigen. Wo ist sie? Weißt du das?“ „Laut Kamurus ist sie an einem sicheren Ort, den er nicht preisgegeben hat.“, sagte Mikel. „Ist vielleicht in Anbetracht ihrer Situation auch besser so.“, sagte Maron. „Ich mag mir gar nicht vorstellen, was Sytania mit ihr machen würde, wenn sie ihr habhaft werden würde und alles herausfinden würde über ihr kleines Geheimnis.“ Mikel stimmte nickend zu.

„Du hast Glück, dass wir nicht auf einer Basis der Vendar sind, Agent Maron.“, sagte Joran. „Für deinen Verstoß müsste ich dir als meinem Vorgesetzten jetzt meine Loyalität entziehen und hätte sogar das Recht, offen zur Meuterei gegen dich aufzurufen und sie sogar durchzuführen.“ „Oh, ja, da habe ich wohl wirklich Glück gehabt.“, lachte Maron, der die Einlassung des Vendar für einen Scherz hielt. „Nein, Maron.“, sagte Mikel. „Ich glaube, er meint es verdammt ernst.“ „Tust du das?“, wandte sich Maron an Joran. „Oder wolltest du mich nur erschrecken?“ „Ich pflege in solchen Situationen, in denen ich euch meine Kultur erkläre, nicht zu scherzen, Agent Maron.“, erwiderte der Vendar. Dem Demetaner entgleisten die Gesichtszüge.

Die Sprechanlage löste ihn aus seiner versteinerten Haltung. „Maron hier.“, meldete er sich mit noch immer leicht zitternder Stimme. „O’Riley, Sir.“, meldete sich eine kesse helle Stimme von außen. „Sie hatten mich doch gebeten, die Regenbogenpresse nach Liebesbeziehungen von Eldisa zu durchforsten. Was soll ich sagen, ich bin tatsächlich fündig geworden.“ „Kommen Sie rein und zeigen Sie her, Technical Assistant.“, sagte Maron.

Die Türen glitten auseinander und die blonde Irin betrat die Brücke. In ihrer rechten Hand trug sie einen Datenkristall, der sofort in ein weiteres Laufwerk geschoben wurde. „IDUSA, stell den Inhalt auf den Hauptschirm!“, befahl sie flapsig.

Maron sah eine reich verzierte und bunt aufgemachte Seite, in deren oberster Zeile eine hoch dramatische Überschrift prangte: „Arme Prinzessin Eldisa von Zeitland! Ein Stalker macht ihr das Leben schwer!“ Darunter sah Maron einen schwülstigen Text und darunter ein Bild von eben jener Situation im Wald vor Dills Schloss. Die Aufnahme musste von einer automatischen Photodrohne gemacht worden sein, einer Sonde, wie sie manche Reporter gern benutzten. „Das hier untermauert genau Ginallas Aussage.“, musste Maron zugeben. „Gute Arbeit, O’Riley. Sie können gehen.“ „Danke, Agent.“, sagte Shannon schmissig und verließ den Raum. „Das war dann wohl das Problem, bei dem Betsy Eldisa helfen wollte.“, flüsterte Mikel. „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Maron, der in der Stille des Raumes wirklich alles gehört hatte. „Offensichtlich lässt Eldisa Clytus hier gerade gehörig abblitzen. Das könnte ihn dazu bewogen haben, etwas zu tun, das …“ „Das 13-jährige Mädchen im Allgemeinen sicher sehr romantisch finden würden.“, ergänzte Mikel. „Nach dem Motto, die Liebe besiegt alles, könnte Clytus sich gedacht haben, ich mache, dass die beste Freundin von Eldisa jeden heiraten kann, den sie liebt, und dann findet sie das so romantisch, dass sie sich vom Fleck weg in mich verliebt.“ „Die Krux ist nur.“, erwiderte Maron, dass dieses 13-jährige Mädchen nicht wie andere 13-jährige Mädchen ist, weil sie einmal Hüterin und Beschützerin der Zeit sein wird und schon quasi seit ihrer Geburt auf dieses Amt vorbereitet wurde.“ „Genau das war sein Denkfehler.“, bestätigte Mikel. „Wie sich Sytania da dran gehängt hat, weiß ich unter anderem von Allrounder Tchey. Aber Sytania und Tolea sind wieder getrennt. Das mit ihrer Zusammenarbeit war einmal.“, sagte Maron. „Dann hat ja Tolea jetzt wieder einen klaren Kopf.“, atmete Mikel auf.

Er drehte sich zur Tür. „Ich würde gern wissen, was Commander Kissara und Commander Zirell besprechen.“, sagte er. „Das würde ich auch.“, sagte Maron. „Lass uns zusammen hingehen. Dann wissen sie wenigstens, dass wir uns ausgesprochen haben.“ „OK.“, sagte Mikel und hakte sich bei seinem Kollegen unter.

Eldisa hatte sich vom Stallburschen Lucinda und für Crimach, ihre oberste Vendar, die vorher Dill gedient hatte, ein weiteres Pferd satteln lassen. Dann waren die Frauen zum See in der Nähe des Schlosses geritten, den sie jetzt gemeinsam umrundeten. „Warum habt Ihr mich mit hier heraus genommen, Herrin?“, wollte die Vendar wissen. „Weil ich etwas mit dir zu besprechen habe.“, antwortete die Prinzessin. „Was habt Ihr denn mit mir zu besprechen, Gebieterin?“, fragte Crimach. „Ich werde heiraten!“, erwiderte Eldisa.

Crimach nahm die Zügel ihres Pferdes, eines schlanken hoch gewachsenen Rappen, auf. „Bitte haltet an, Herrin.“, bat sie. Eldisa wandte sich kurz um und kam dann der Bitte ihrer Dienerin mit lächelndem Gesicht nach. „Was ist?“, fragte sie freundlich. „Denkt Ihr nicht, dass Ihr zum Heiraten noch etwas jung seid, Hoheit?“, fragte Crimach. „Nein, das denke ich nicht.“, antwortete Eldisa. „Zumal der, den ich heiraten werde, auch im gleichen Alter ist wie ich.“ „Wer ist der Auserwählte?“, fragte die Vendar. „Es ist Clytus aus dem Kontinuum.“, antwortete Eldisa ernst, ja fast kühl. „Clytus?“, fragte die irritierte Crimach. „Heißt das, Ihr liebt ihn doch?“ „Nein, Crimach.“, erwiderte Eldisa. „Ich liebe ihn nicht! Ich hasse ihn sogar dafür, was er meinem Vater und der Zeit angetan hat. Aber ich werde ihn trotzdem heiraten und er wird erfahren, dass ich ihn nicht liebe. Unsere Ehe soll für ihn ein genau solches Gefängnis sein wie das, in dem er sich jetzt befindet. Oh, ja. Er wird sich sogar dort hin zurückwünschen.“

Die Vendar ließ mit blassem Gesicht die Zügel sinken, nahm langsam die Füße aus den Steigbügeln und stieg ab. Sie hoffte so zu vermeiden, dass sich ihre eigene Unruhe auch noch auf ihr Pferd übertrug. „Bitte überlegt Euch das wohl, Herrin.“, bat sie. „Findet Ihr es nicht auch frevelhaft, nur heiraten zu wollen, um Eure eigenen Rachegefühle zu befriedigen?“ „Ganz und gar nicht, Crimach.“, sagte Eldisa. „Clytus hat meinen Vater getötet. Er ist mir was schuldig. Aber kein Wort zu meiner Mutter. Sie würde mir alles vermiesen.“ „Mit Verlaub, Herrin.“, setzte Crimach an. „Dazu hätte Lady Messalina auch allen Grund. Erinnert Ihr Euch noch an Kissaras Warnung? Die kann ich nur unterstreichen.“

Auch Eldisa stieg vom Pferd und baute sich vor Crimach auf, um zu sagen: „Tshê, Vendar! Du wirst ins Dorf zu deinen Verwandten gehen und deine Verwandte aufsuchen, die Priesterin ist. Sie soll Clytus und mich verheiraten, wenn es so weit ist. Wenn ich den Zeitpunkt als gekommen erachte, werde ich ihn mittels meiner Kräfte aus dem Gefängnis der Genesianer entführen.“

Wie hypnotisiert nickte Crimach den Befehl ab. Mit dem Bannwort, auf das alle Vendar aufgrund ihrer Genetik gleich reagierten, hatte Eldisa dafür gesorgt. Eigentlich war es nicht der Umgang mit den Vendar, den die zeitländischen Mächtigen pflegten. Aber im Augenblick war ihr alles recht, was ihr zum Erreichen ihres Zieles nützlich sein konnte. Dass sie eventuell einen Krieg zwischen den Genesianern und den Mächtigen heraufbeschwor, schien sie nicht zu kümmern.

Ich hatte mich auf die Krankenstation der Granger begeben. Hier wollte ich mir das OK für die Benutzung von Korelems Kaffeebecher holen, auch wenn dies noch ein paar Tage zu früh war. Aber ich dachte mir, dass Learosh und Loridana schon eine Möglichkeit finden würden.

Der Taskonianer erwartete mich bereits an der Tür. „Wo tut es Ihnen denn weh?“, fragte er fürsorglich. „Ich habe keine Schmerzen, Mr. Learosh.“, entgegnete ich lächelnd. „Ich möchte nur untersucht werden, damit ich weiß, ob ich Korelems Kaffeebecher schon wieder benutzen darf oder nicht.“ „Sie wissen, dass der Zyklus laut Kalender noch nicht ganz rum ist, Allrounder.“, erinnerte er mich. „Das ist mir bekannt, Mr. Learosh.“, sagte ich. „Aber ich dachte, wir könnten vielleicht einmal eine kleine Ausnahme machen?“

Ich spitzte den Mund und versuchte, ihn mit den Augen anzuschmeicheln. Da ich aber nie gesehen hatte, wie so etwas auszusehen hat, wusste ich nicht, ob es mir gelungen war. „Im Interesse Ihrer Gesundheit würde ich es vorziehen, wenn Sie bis zum Ende des roten Zyklus warten würden, Ma’am.“, sagte Learosh. Wir hatten das Ganze in einen roten und einen grünen Zyklus aufgeteilt. Rot hieß, ich durfte nicht, grün bedeutete, ich durfte den Becher benutzen.

„Warum wollen Sie den Becher früher benutzen, Allrounder?“, fragte Loridana, die hinzugekommen war. „Weil ich die Einzige bin, die Shimar finden kann. Er ist von den Genesianern entführt worden und wir werden ihn mit Sicherheit brauchen, wenn wir die Zeitlinie berichtigen wollen.“, erklärte ich. „Also gut.“, sagte Loridana. „Führen Sie den Allrounder zu Biobett eins, Assistant.“

Learosh nahm mich bei der Hand und führte den Befehl seiner Vorgesetzten aus. Dann begann Loridana, mich mit ihrem Erfasser zu scannen. „Von außen betrachtet sieht alles sehr gut aus.“, sagte sie. „Aber wir sollten sicher gehen. Schließlich geht es hier um Ihr Gehirn, Betsy. Learosh, holen Sie die Nasalsonde!“ Er nickte und wandte sich dem Schrank mit der medizinischen Ausrüstung zu. „Es tut mir leid.“, entschuldigte sich Loridana im Vorhinein. „Das muss es nicht.“, entgegnete ich. „Bei Ihnen oder Mr. Learosh habe ich keine Angst.“ „Danke für das Kompliment.“, lächelte sie.

Learosh war mit der Sonde zurückgekehrt und reichte sie nun Loridana, die sie an ihren Erfasser anschloss. Dann spreizte Learosh meine Nasenflügel mit den Worten: „So und jetzt ganz ruhig bleiben.“, auseinander und führte die Sonde ein, deren Ende ich bald darauf in meiner Stirnhöhle wahrnahm.

Loridana befahl ihrem Erfasser, mit dem Scannen zu beginnen. „Tja, wie es aussieht, dürfen Sie den Becher wirklich schon benutzen.“, sagte sie. „Willkommen im grünen Zyklus, Allrounder!“ „Wirklich?“, strahlte ich. „Ja, wirklich.“, bestätigte die Zeonide. „Es scheint, als hielte sich Ihr Gehirn nicht immer genau an die Fristen. Es kann aber auch damit zu tun haben, dass die Monate oft verschieden lang sind.“ „Danke, Scientist.“, strahlte ich, stand vom Biobett auf und machte mich auf den Weg zur Tür, um Kissara die freudige Nachricht zu überbringen.

Mikel und Maron kreuzten meinen Weg. Ich hatte die beiden Agenten im Turbolift getroffen. Maron fiel sofort mein Gesichtsausdruck auf und Mikel der Umstand, dass ich leise vor mich hin summte. „Was macht Sie so fröhlich, Allrounder?“, wollte Maron wissen. „Ich darf den Becher tatsächlich jetzt schon benutzen!“, lächelte ich. „Loridana und Learosh haben mir gerade das OK gegeben.“ „Herzlichen Glückwunsch!“, gratulierte Mikel.

Die Fahrt verging und wir stiegen einhellig zu dritt aus dem Lift. „Mir fällt auf, dass ihr zwei auch wieder ziemlich gelöster Stimmung seid.“, flapste ich den Männern zu. „Habt ihr euch ausgequatscht?“ „Ja, das haben wir.“, antwortete Mikel. „Und jetzt werden wir Zirell unsere Ermittlungsergebnisse präsentieren.“ „Wir haben nämlich einen richtigen Durchbruch erzielt.“, fügte Maron stolz bei.

Ich spürte, dass sich seine freie Hand meinem Arm näherte. „Die Versuchung ist verdammt groß, Sie führen zu wollen, Allrounder.“, gab Maron zu. „Falls Sie sich das mit Mikel und mir gleichzeitig zutrauen, gern, Sir.“, lächelte ich. „Aber ich würde mich gern bei Ihnen einhaken. Sonst fühle ich mich geschoben und denke, dass ich die Erste bin, die fällt.“ „Dass wollen wir natürlich nicht.“, sagte Maron und blieb stehen, damit ich mich einhängen konnte. „Dadurch, dass Sie sich einhängen.“, stellte er fest. „Bestimmen auch Sie, wer Sie führen darf.“ Ich nickte. „Auf die Art selektieren Sie auch genau, wem Sie vertrauen.“, analysierte er. Ich bejahte erneut.

Zirell und Kissara waren überrascht, uns drei in derart trauter Dreisamkeit den Bereitschaftsraum betreten zu sehen. „Na, da haben sich wohl zwei ausgesprochen, nicht wahr, Gentlemen?“, fragte Kissara neugierig. „Ja, das haben wir, Ma’am.“, erklärte Mikel. „Außerdem haben wir einen ermittlerischen Durchbruch erzielt.“ „Den würde ich gern sehen.“, sagte Zirell. „Wie Sie wollen, Commander.“, sagte Mikel und zog den Datenkristall mit Shannons Suchergebnis aus der Tasche, um ihn in eines der Laufwerke zu legen. Dann befahl Maron IDUSA, die Datei auf den Schirm zu stellen. „Du lieber Himmel!“, rief Zirell aus. „Das ist ja ein Artikel aus der Regenbogenpresse. Maron, du weißt, dass ich diese Art der Journale nicht wirklich schätze. Es wird zwar immer behauptet, es seien typische Frauenthemen, die dort behandelt werden, aber ich …“ „Ich verlange ja gar nicht, dass du den ganzen schrecklichen Artikel liest, Zirell.“, beruhigte Maron sie mit etwas bissigem Humor in der Stimme. „Ich will ja nur, dass du mal dort hin schaust.“ Er zeigte auf das untere Drittel des Schirms.

Zirell trat näher und besah sich das Bild. „Sieht aus, als würde da jemand gewaltig einstecken müssen.“, sagte sie. „Das Mädchen lässt den Jungen wohl gerade abblitzen. Aber wer ist die Frau im Hintergrund?“

„Ich fürchte, das bin ich.“, sagte ich, die ich die Situation, die das Bild zeigte, auch an Hand der Äußerungen der anderen interpretieren konnte und trat vor. „Ich denke, dass ich eine gewisse Mitschuld an dem ganzen Schlammassel trage.“ „Wie kommen Sie denn darauf, Betsy?“, fragte Kissara. „Weil ich Eldisa gesagt habe, sie soll Clytus gehörig die Meinung geigen, damit er sie endlich in Ruhe lässt.“ „Aber du hast Clytus keine Anleitung zum Verändern der Zeitlinie gegeben oder so.“, sagte Mikel. „Wovon reden Sie zwei da.“, fragte Kissara. „Unsere Theorie ist.“, begann Maron. „Dass Clytus aufgrund der Tatsache, dass er bei Eldisa nicht landen konnte, versucht hat, ihr ein sehr romantisches Geschenk zu machen, bei dem der Allrounder und ihre Beziehung zu zwei Männern instrumentalisiert wurde.“

Die Tindaranerin ließ sich den letzten Satz ihres ersten Offiziers noch einmal durch den Kopf gehen. Dann sagte sie: „Was meinst du denn damit, Maron. Mach es für einen kriminalistischen Laien doch nicht so schwer!“ „Denk mal nach, Zirell.“, sagte Maron. „Wenn sie beide Männer heiraten dürfte, dann hätte die Liebe alle Konventionen gesprengt und das ist ein Umstand, den 13-jährige Mädchen im Allgemeinen sehr romantisch finden. Um das zu erreichen, mussten beide Universen, in denen die Beteiligten leben, genesianisch werden. Bei den Genesianern darf eine Frau ja so viele Männer haben, wie sie will, die Männer dürfen aber nur ihr treu sein. Dazu musste allerdings die Vergangenheit verändert werden, damit Sachometh auch auf den in der genesianischen Zeitrechnung vorgesehenen Tag fallen kann. Anderenfalls hätten die Genesianer vielleicht doch noch was gemerkt. Das Einzige, was Clytus nicht bedacht hat, ist der Umstand, dass seine Angebetete die spätere Hüterin und Beschützerin der Zeit sein wird und das deshalb gar nicht gut heißt. Ich denke, die Sache ist gründlich in die Hose gegangen und zwar nicht erst, nachdem Sytania sich eingemischt hat.“ „Ich hoffe, du hast dafür noch seriösere Beweise, als dieses Pamphlet!“, sagte Zirell und deutete mit einem spöttischen Gesicht auf den Schirm. „Ich habe die Aussagen von Ginalla und ihrem Schiff.“, sagte Maron. „Ginalla!“, erwiderte Zirell. „Es überrascht mich, dass du ihre Aussage auf einmal zu den Seriösen zählst.“ „Das tue ich, seit mir Mikel gehörig den Kopf gewaschen hat.“, erwiderte Maron verschämt.

Kissara war von ihrem Stuhl aufgestanden und kam nun auf mich zu. „Sie lächeln ja auch die ganze Zeit, Allrounder.“, schnurrte sie. „Darf ich wissen, warum Sie das tun?“ „Ma’am.“, begann ich förmlich. „Allrounder Betsy Scott ist erfreut, melden zu dürfen, dass die Ärzte das OK zur Benutzung des Bechers gegeben haben!“ „Herzlichen Glückwunsch!“, lächelte sie zurück. „Darauf sollten wir gleich mal einen trinken.“, meinte Mikel flapsig. Ich hatte verstanden und erwiderte: „Ich werde Jannings sagen, er soll den Becher aus meinem Quartier hierher beamen.“ „Genau darauf wollte ich hinaus.“, sagte Mikel.

Ich ließ Techniker Jannings die entsprechende Nachricht zukommen und bald stand der Becher vor mir. Zirell aber nahm ihn mir ab und gab IDUSA einige Instruktionen auf Tindaranisch, die ich aufgrund ihres schnellen Sprechens nicht wirklich verstand. Aber anscheinend hatte IDUSA sie verstanden, denn ihr Replikator füllte den Becher gleich darauf mit Shimars Lieblingsgetränk, das inzwischen auch zu meinem geworden war. Leider waren Sternenflottenreplikatoren bisher nicht in der Lage gewesen, es herzustellen. Das bedeutete, ich konnte es nur hier bekommen. Dann replizierte sie auch für alle anderen Getränke. Ihre Wünsche zu erkennen, war für sie als geübte Telepathin kein Problem. „Auf Mikels und Marons Erfolg!“, sprach sie einen Toast aus. „Auf den Erfolg.“, wiederholte ich. „Und, dass wir Shimar bald wiederfinden.“ „Das liegt ja wohl ganz bei dir.“, sagte Mikel. „Und bei dir.“, erwiderte ich. „Du solltest mich jeden Tag vernehmen, wenn es los geht. Vielleicht kriegen wir so ein Puzzle zusammen, das uns zu Shimar führt.“ „OK.“, nickte Mikel, nachdem er einen großen Schluck aus seinem Glas Kölsch genommen hatte.

„Ihr solltet in der Simulationskammer nachstellen, was sie sieht.“, schlug Maron seinem Kollegen vor. „Dann dürftet ihr noch eher darauf kommen.“ „Das hatte ich eh vor.“, sagte Mikel. „Aber ich werde noch mal mit Jannings reden müssen. Er wird mir noch mal Nachhilfe in der Benutzung des Programmierassistenten geben müssen.“ „Warum macht ihr das nicht zunächst hier?“, lud Zirell uns ein. „Noch habt ihr ja kein Ziel, zu dem ihr fliegen müsst und dann könnten sich Mikel und Maron bei Allrounder Betsys Vernehmung auch abwechseln. So bleibt die Arbeit nicht an einem allein hängen.“ „Geht klar.“, sagte Mikel. „Du hast Recht.“, stimmte Kissara zu. Auch ich nickte.

„Wann setzen Ihre Träume von Shimar normalerweise ein, Allrounder?“, fragte Maron. „Sobald ich anfange, den Becher zu benutzen, Sir.“, antwortete ich. „Dann werden wir also keine unnötige Zeit verlieren, wenn ich mit den Vernehmungen heute Nacht schon beginnen würde.“, bot Maron an. „Wenn Sie von Ihrem Freund geträumt haben, dann rufen Sie mich am besten sofort, Allrounder. Ich werde Sie dann abholen und wir gehen hier in die Simulationskammer. Ich weiß, wie man mit dem Programmierassistenten von IDUSA umgeht. Dann hast du noch genug Zeit, bei eurem Ingenieur Nachhilfe zu nehmen, Mikel. Ich werde es so einrichten, dass auch du später auf die Datei zugreifen und mit ihr fortfahren kannst.“

„Sehr liebenswürdig.“, sagte Mikel. „Ich werde dann auf der Granger sein, Sir.“, sagte ich. „In meinem eigenen Quartier schlafe ich immer noch am besten und das soll ja auch förderlich fürs Träumen sein.“ „Also gut.“, sagte Maron. „Dann weiß ich ja, wo ich Sie finden kann, wenn Ihr SITCH kommt.“ „Damit sind wir uns ja wohl über das weitere Vorgehen einig.“, sagte Kissara und stand auf, um im gleichen Moment auf das Display ihres Sprechgerätes zu deuten. „Es ist spät. Ich werde Sie gleich mitnehmen, Betsy.“ „In Ordnung, Commander.“, sagte ich und folgte ihr. „Ich werde Sie gleich vor Ihrem Quartier absetzen.“, sagte sie. „Nur weiß ich nicht, ob ich Ihnen erfolgreiche oder süße Träume wünschen soll.“ „Bezüglich Shimar kommt das auf das Gleiche heraus, Madam.“, lächelte ich und verschwand hinter meiner Tür.

Kapitel 47 - Die fast letzte Reise

von Visitor

 

Shimar lag auf einem Strohlager und versuchte, sich in jenen Zustand zu versetzen, in dem er das letzte Mal seinen Körper verlassen hatte. Er wusste, dieses Mal würde es schwieriger werden, denn er hatte ja das Medikament nicht, das beim letzten Mal sein Gehirn vergiftet und es gezwungen hatte, seine neurale Energie freizugeben. Auch das Pendel, das Clytus und Scotty gebastelt hatten, kam jetzt zum Einsatz. Abwechselnd bewegten der Junge und der ältere Mann es vor Shimars Augen hin und her, was dessen Entspannung fördern sollte. „Ich wüsste gern, ob er vorankommt.“, flüsterte Clytus Scotty zu. „Wart’ mal.“, sagte der Ingenieur und beugte sich über Shimar, um dessen Puls und Atmung zu kontrollieren. „Sieht für mich aus, als würde nichts passieren oder die ganze Sache ziemlich zähflüssig laufen.“, interpretierte er. „Woran kann das liegen?“, fragte Clytus. „Weiß ich nich’.“, flapste Scotty. „Ich bin Ingenieur und kein Arzt. Aber du bist doch ‚ ’n ehemaliger Mächtiger. Vielleicht kannst du’s mir ja erklären.“ „Ich wäre froh, wenn ich das könnte.“, sagte Clytus. „Dann hätten wir auch eine Erklärung für ihn und könnten ihm vielleicht sagen, was er falsch macht, wenn er überhaupt etwas falsch macht.“

Ihre Stimmen hatte Shimar immer leiser und entfernter wahrgenommen. Das lag nicht nur an dem Flüsterton, den beide benutzten, sondern auch an der Tatsache, dass er endlich seinem Ziel näherzukommen schien. Die Wahrnehmung des Strudels, an die er sich erinnert und auf die er sich konzentriert hatte, wurde immer deutlicher und bald hatte er das Gefühl, von diesem angezogen zu werden. Na geht doch., dachte er. Weiter so, Junge, konzentriere dich!

Noch nicht, Bruder! Die telepathische Stimme, die ihm das zugerufen hatte, kannte Shimar wohl. Dann trat aus dem Dunkel eine Frauengestalt auf ihn zu. Shinell!, wendete er sich entschlossen an sie. Wenn du wieder einmal versuchen solltest, meine Mission zu sabotieren, hast du kein Glück! Ich will gar nichts sabotieren!, erwiderte die junge Tindaranerin. Dieses Mal nicht. Dieses Mal bin ich hier, um dir zu helfen und dich anzuleiten, damit du überhaupt zu uns kommen kannst. Wenn du dich zu früh in den Strudel fallen lässt, ist der Zug deiner Silberschnur noch zu stark und sie wird dich in deinen Körper zurückziehen. Dann wachst du auf, bist alarmiert und musst wieder ganz von vorn beginnen. Woher sollte dein plötzlicher Sinneswandel kommen?, erkundigte sich der skeptische Shimar. Du hast mich sehr beeindruckt., gab Shinell zu. Damals hast du mich sehr beeindruckt, wie du dich gegen mich gewehrt hast. Zu meinen Lebzeiten hast du das nie getan, kleiner Bruder. Außerdem haben sie mir gesagt, dass du damals richtig gehandelt hast und haben mir eine Chance gegeben, indem sie mir erlaubt haben, dir jetzt zu helfen. Wer sind sie?, fragte Shimar. Wesen, die viel mächtiger sind, als alle Wesen, die in den Dimensionen der Lebenden daheim sind., erwiderte Shinell. Wir nennen sie die Quellenwesen. Ich kann dir jemanden vorstellen, der dir sogar sagen kann, wo ihr physische Beweise für das momentane Dilemma finden könnt. Aber jetzt müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass du aus deinem Körper kommst. Du musst abwarten, bis der Strudel so sehr an dir zieht, dass du dich wirklich nicht mehr halten kannst. Sonst ist deine Silberschnur wie gesagt zu stark.

Shimar sah unter sich den Rand eines Abgrunds, an den er sich klammerte. Sehr gut, Bruder., lobte Shinell. Halt dich fest! Halt dich so lange fest, bis deine Hände von allein nachgeben. Ich weiß, das ist anstrengend. Aber seinen Körper ohne Medikamente zu verlassen ist beim ersten Mal nicht wirklich leicht. Das wird dir Mikel von der Granger auch gesagt haben. Dafür hatten wir damals keine Zeit!, entgegnete Shimar angestrengt, dem langsam die Kräfte schwanden. Dann rutschten seine Hände plötzlich gegen seinen Willen ab und er fiel in den Strudel, wo Shinell sofort seine Hand fasste.

Der Strudel hatte beide bald darauf auf der gleichen Ebene freigegeben, die Shimar schon kannte. Auch Shinell nahm er jetzt als körperliche Gestalt wahr. „Jetzt sind wir im wahrsten Sinne des Wortes auf der gleichen Ebene.“, sagte Shimar. „Allerdings.“, bemerkte Shinell. „Mach dir übrigens keine Sorgen um deine Silberschnur.“

Er fühlte etwas wie eine seltsame Energie, die ihn durchflutete und dann hatte er das Gefühl, seine Silberschnur sei sehr flexibel geworden. „Was war das?“, fragte er. „Das war ich.“, entgegnete Shinell. „Die Quellenwesen haben mir die Macht dazu gegeben, weil du noch etwas hier zu erledigen hast.“ „Ach ja.“, sagte Shimar. „Du wolltest mich doch jemandem vorstellen.“ „Das wollte ich allerdings.“, sagte Shinell. „Nur ist er im Moment nicht hier. Er kommt ab und zu nach Tindara. Aber ich werde ihn wissen lassen, dass du hier bist.“ „Natürlich.“, sagte Shimar. „Dimensionale Grenzen sind ja für dich nicht mehr maßgebend als Tote. Also kannst du sicher auch Leute außerhalb dieser Dimension telepathisch erreichen.“ „Hat dir das höhere Selbst deines Schiffes damals nicht gesagt, dass das Totenreich ein Superuniversum ist?“, fragte Shinell. „Doch, das hat sie.“, gab Shimar zu und versuchte aufzustehen. Allerdings war ihm durch die schwierige Reise hierher noch sehr schwindelig. „Na, du brauchst erst mal ’ne Stärkung.“, flapste Shinell. „Komm mit! Unsere Eltern werden sich freuen!“

Scotty und Clytus hatten Shimars Überwachung fortgesetzt, ohne allerdings wirklich eine Ahnung zu haben von dem, was sie da taten. Scotty hatte das Pendeln und Clytus das Lauschen übernommen. Plötzlich hob der Junge erschrocken den Kopf: „Scotty, er hat aufgehört zu atmen!“

Der Schotte ließ das Pendel fallen und beugte sich ebenfalls über Shimars jetzt leblosen Körper. „Hast Recht!“, flapste er. „Er hat’s doch tatsächlich hingekriegt !Los, drück auf die Klingel und dann üb’ schon mal den entsetzten Gesichtsausdruck für die Genesianerinnen. Die dürfen ja nich’ wissen, was hier gespielt wird!“ „Ich kann gut den Panischen geben.“, sagte Clytus. „Und du scheißt mich am besten ordentlich zusammen. Dann denken die auf keinen Fall, dass wir hier gemeinsame Sache machen. Wir sollten ihn sogar umdrehen, damit es aussieht, als wäre er am Stroh erstickt oder so.“ „OK.“, lachte Scotty. „Ich kann gut Leute zusammenscheißen!“

Sie drehten Shimars Körper um und legten ihn so hin, dass es wirklich aussehen musste, als sei er gerade unglücklich ins Stroh gefallen, um dann zu ersticken, weil er es in Nase und Mund bekommen hatte. Dann drückte Clytus auf den Klingelknopf, worauf bald zwei Wärterinnen die Zelle betraten. „Was!!!“, schrie eine von ihnen die Beiden an. „Er is’ tot!!“, schluchzte Clytus. Er hatte an das schlimmste Erlebnis seines Lebens gedacht, um echte Tränen hervorbringen zu können. „Ja, das is’ er!!!“, wetterte Scotty. „Dabei hab’ ich dir gesagt, du sollst auf ihn aufpassen, du Taugenichts! Der war so erschöpft, dass er umgefallen is’ wie ’n nasser Sack! Und du, statt dafür zu sorgen, dass ihm nix passiert, was machst du?! Sitzt da und schaust ihm beim Ersticken zu!!! Mit dir kann man aber auch rein gar nix anfangen!!!“

Wortlos luden die Wärterinnen Shimars Leiche auf ihre Schultern und gingen. Erleichtert sehnten Scotty und Clytus das Schließen der Tür herbei. „Die haben uns das echt abgenommen!“, freute sich Clytus. „Oh, ja.“, lobte Scotty und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich wusste gar nicht, was du für ein guter Schauspieler sein kannst.“ Er begann, dem Jungen mit ein paar Lumpen die Tränen zu trocknen. „Und ich wusste gar nicht, dass du so böse werden kannst.“, erwiderte Clytus. „Wenn du mit den Leuten im Maschinenraum der Enterprise früher genau so umgegangen bist, war das sicher die reinste Freude.“, fügte er ironisch bei und grinste. „Hast du ’ne Ahnung.“, frotzelte Scotty. „Uhurah hat mal vorgeschlagen, das Sprechanlagenterminal im Maschinenraum ganz auszubauen, weil man, zumindest sie, mich auch so gut bis zur Brücke hören könnte.“ Clytus lachte. Dann wurde er aber gleich wieder ganz still und ernst. „Was glaubst du, werden sie mit Shimars Körper machen?“, fragte er. „Die werden ihn verscharren, wie es Amidala gesagt hat.“, antwortete Scotty. „Dann muss nur noch das mit den Cobali stimmen.“, meinte Clytus. „Ach, ich bin sicher, das stimmt.“, beruhigte ihn Scotty. „Du musst einfach auf unser Glück vertrauen.“

Im gleichen Moment nahmen beide einen weißen Blitz wahr, der sie sich in einem hellen und freundlichen Zimmer wieder finden ließ. Vor ihnen standen Eldisa und Crimach. Scotty war sofort klar, dass sie sich im zeitländischen Palast befinden mussten. „Seit gegrüßt!“, sagte die Prinzessin und nahm eine entschlossene Haltung ein. „Dies ist mein Palast. Ich habe euch errettet. Dir, Terraner, schenke ich die Freiheit, aber wir zwei, Clytus, wir werden heiraten in der Hoffnung, dass du dann alles wieder rückgängig machst, was du verbockt hast!“ „Ich habe meine Kräfte verloren.“, sagte Clytus. „Du siehst mich in der Gestalt eines Genesianers vor dir. Was soll ich schon ausrichten können? Aber liebst du mich etwa doch?“ „Nein!“, sagte Eldisa. „Aber das werden wir auch nicht vor ihm besprechen! Crimach, gib Scotty eines eurer Schiffe. Er ist da ja nur reingeraten und muss nicht unbedingt hören, wenn es unangenehm wird!“ „Wie Ihr wünscht, Hoheit.“, sagte die Vendar und nahm Scotty mit sich fort. Der Terraner folgte ohne Argwohn. Er wusste, dass das hier nicht rechtens war und auch um die Konsequenzen, die es haben könnte. Aber gerade deshalb erachtete er es als extrem wichtig, diese Informationen an die richtigen Leute zu bringen. Dafür würde er ein Schiff benötigen und diese Frau war der Schlüssel dazu. Also, warum sollte er ihr nicht folgen?

Crimach führte ihn auf ein nagelneues Schiff zu und gab ihm einen Schaltschlüssel. „Sie ist dein, Scotty El Taria!“, sagte sie stolz. „Betrachte sie als ein großzügiges Geschenk meiner Herrin. Lass mich nur kurz noch etwas einstellen.“

Mit Hilfe ihres Sprechgerätes programmierte sie den Computer des Shuttles auf Englisch um. „Nun ist alles bereit.“, sagte sie. „Danke, Crimach.“, sagte Scotty, stieg ins Shuttle und startete. Sein Ziel war ihm längst klar. Er musste die Granger und damit auch mich finden!

Shinell führte ihren Bruder einen von vielen bunten jetzt in voller Blüte stehenden tindaranischen Büschen gesäumten Pfad entlang, der beide zu einem kleinen Haus mit einem Garten brachte. Dieses Haus erinnerte den jungen Tindaraner sehr stark an das eigene Elternhaus, das er aufgrund seiner grün gestrichenen Wände und den beiden kleinen roten Zwiebeltürmen rechts und links der Einfahrt sofort wieder erkannte. „Sieht aus wie unser Elternhaus.“, stellte er gegenüber Shinell fest. „Es ist unser Elternhaus.“, sagte sie. „Hast du etwa immer noch nicht verstanden, dass wir hier alles haben können, was wir wollen? Könntest du dich zur Abwechslung nicht einmal ein bisschen weniger wie ein Besucher benehmen?“ „Tut mir leid.“, lächelte Shimar. „Ich bin einer.“

Aus dem von einem Rundbogen umspannten Eingang lächelte ihnen das Gesicht eines hageren Tindaraners mit leicht grauen Haaren und von einer mit 1,70 m doch schon fast für seine Rasse überdurchschnittlichen Größe entgegen. „Mein Sohn.“, lächelte er Shimar zu. „Da bist du ja. Sie haben dich angekündigt.“

Jetzt erschien hinter dem Mann auch eine ungefähr 1,60 messende Tindaranerin mit langen schwarzen Haaren und einer schlanken Figur. „Du solltest wirklich nicht so mit der Tür ins Haus fallen, Suvar.“, ermahnte sie den Mann. „Lass Shimar doch erst einmal ankommen. Außerdem sollten wir ihn zunächst einmal aufklären.“ „Das hat doch bestimmt Shinell schon getan, Tanell.“, erwiderte Suvar.

Sie ging an ihrem Mann vorbei und nahm Shimar bei der Hand. „Komm erst mal an den Tisch.“, sagte sie. „Dort werden wir dir alles erzählen.“ Der junge Tindaraner nickte und folgte seiner Mutter zu einem reich gedeckten Tisch, der sich unter den ganzen tindaranischen Köstlichkeiten regelrecht bog. Leider sah er aber auch eine Schüssel mit der von ihm so gehassten Wachsbaumblütensuppe. „Deine Schwester liebt dieses Gericht.“, erklärte Suvar. „Du hast schon immer an Geschmacksverirrung gelitten, Schwesterlein.“, frotzelte Shimar Shinell zu. Diese lächelte nur.

Alle bedienten sich, als gebe es ein großes Fest zu feiern. Nur Shinell leerte hastig ihren Teller, um danach zu sagen: „Bitte entschuldigt mich. Ich muss noch jemanden erreichen.“ Dann stand sie vom Tisch auf und ging.

„Wie hat sie aufgenommen, dass die Quellenwesen sie auserwählt haben, mir bei diesem Teil meiner Mission behilflich zu sein?“, fragte Shimar in die Runde. „Nun, zuerst war sie gar nicht einverstanden, weil sie die Schlappe, die sie gegen dich erlitten hatte, noch nicht weggesteckt hatte, mein Sohn.“, antwortete Suvar. „Aber mittlerweile hat sie sich damit arrangiert.“, fügte Tanell bei. „Ihr habt sehr viel Respekt vor diesen Quellenwesen.“, stellte Shimar fest. „Ihr sprecht ihren Namen nur hinter vorgehaltener Hand aus. Ich habe mich immer schon gefragt, ob die Toten noch Götter haben.“ „Ich denke, diese doch sehr philosophische Frage dürfte jetzt für dich beantwortet sein, Sohn.“, sagte Suvar fast schon etwas stolz auf die Tatsache, dass sein Junge sich derart hoch geistige Fragen überhaupt stellte.

Shinell kam an den Tisch zurück. „Ich habe Time erreicht.“, sagte sie. „Er wird in einer Stunde hier sein. Er wird Warrior Shorna mitbringen. Also bitte wundere dich nicht über eine Genesianerin in Sternenflottenuniform.“ „Time?“, fragte Shimar ungläubig. „Commander Peter Time? Was macht er hier im Totenreich?“ „Er starb bei der Verteidigung des Universums der Föderation.“, erklärte Shinell. „Aber sein erster Offizier, seine Chefingenieurin und er haben zu Lebzeiten einen Plan gefasst, der deiner Freundin und ihren Leuten ermöglichen wird, physische Beweise für das alles hier zu finden, die niemand leugnen kann. Yetron und Cenda leben beide noch, deshalb sind sie logischerweise nicht hier. Deshalb schwänzelt Shorna jetzt ständig um Time herum. Das mit dem Wünschen in andere Welten hatte sie schneller drauf als er. Sie ist öfter auf seiner Welt als im Gore. Manche sagen, da ginge was!“ „Shinell!“, ermahnte Tanell ihre Tochter. „Selbst wenn.“, mischte sich Shimar ein. „Hier sind doch jegliche Schranken nicht existent, oder? Ich meine, dann darf auch ein terranischer Commander mit einer genesianischen Strategin.“ „Trotzdem glaube ich nicht an diese Gerüchte!“, erwiderte die Mutter fest.

Shimar wischte sich den Mund ab und stand vom Tisch auf, wonach er seiner Schwester einen viel sagenden Blick zuwarf. „Wo werden Time und Shorna uns treffen?“, fragte er. „Sie werden uns im Wald hinter dem Dorfplatz treffen.“, sagte Shinell. „Da habe ich sie auch das erste Mal getroffen.“ Sie nahm telepathischen Kontakt zu ihrem Bruder auf, um ihm zu sagen: Sie finden, dass es hier auf Tindara so viele schöne lauschige Plätze gibt. Also doch., gab Shimar auf gleichem Wege zurück. Dann verließen beide schweigend das Haus.

Mit hasserfülltem Blick hatte Telzan in den Kontaktkelch gestarrt und jene Situation um Shimar, seine Reise ins Totenreich und seine Familie beobachtet, die sich ihm jetzt darbot. „Verdammter Tindaraner!“, rief er aus. „Aber warte es ab. Die Suppe werden meine Gebieterin und ich dir gehörig versalzen!“

Er nahm den Kelch und ging damit zu Sytania hinüber, die in ihrem mit Gold beschlagenen Bett in ihrem Gemach lag. Vorsichtig rüttelte er sie an ihren Schultern, nachdem er den Kelch sorgfältig auf dem Nachttisch abgestellt hatte. „Warum holst du mich aus meinem wohl verdienten Schlaf?!“, sagte Sytania benommen, als sie ihm ansichtig wurde. „Weil ich gerade etwas durch den Kontaktkelch beobachtet habe, das unsere Pläne mit einem Schlag zunichte machen kann.“, antwortete der Vendar und hielt ihr den Kelch hin. „Also gut.“, murmelte die Königstochter und stand auf, um sich mit ihm an den kleinen marmornen Tisch zu Füßen ihres Bettes zu setzen. Dort legten beide die Hände auf den Kelch. Jetzt sah auch Sytania, was ihren Diener so in Alarmbereitschaft versetzt hatte. „Du hast Recht.“, stellte sie fest. „Das müssen wir um jeden Preis verhindern und ich weiß auch schon wie!“

Es gab einen schwarzen Blitz und sie hatte eine fledermausartige riesige Gestalt geschaffen, die sich bald auf einen Vorsprung der Mauer setzte. „Zieh deine Waffe und töte sie!“, befahl Sytania in Richtung Telzan. „Nur wenn sie von einem Sterblichen getötet wird, gelangt sie ins Reich der Toten und wird dort Hackepeter aus Peter Time machen, noch bevor er diesem Tindaraner die Informationen geben kann. Dass diese Shorna ständig mit dem Phaser bei Fuß um ihn herumstreicht, muss uns nicht kümmern. Wenn sie auf meine Schöpfung schießen sollte, macht sie diese nur noch stärker, weil sie Energie absorbiert!“ „Wie überaus genial von Euch, Milady.“, schleimte Telzan und zog seinen Phaser, um ihren Befehl auszuführen. „Sehr gut.“, sagte Sytania und deutete auf den leblosen Körper ihrer Schöpfung. „Und jetzt schaff die Leiche fort. So ein Anblick kann einem den ganzen Tag vermiesen.“ Telzan nickte, lud sich das tote Wesen auf die Schulter und verließ den Raum.

Scotty hatte sich mit dem Shuttle jetzt in die interdimensionale Schicht begeben. Er dachte sich, dass es ihm von hier aus möglich sein müsste, uns aufzuspüren. Leider hatte das Sprechgerät die Existenz des bekannten Transpondersignals der Granger verneint. Er musste also einen anderen Weg finden. Unsere Biozeichen kamen ihm in den Kopf, aber er konnte ja weder all unsere Herzfrequenzen, noch alles andere, was im Allgemeinen unter Biozeichen fiel, wirklich in Zahlen angeben. Der Computer würde ihm wahrscheinlich zu viele Treffer ansagen, die an den verschiedensten Orten sein konnten. „Komm schon.“, versuchte er, sich zu motivieren. „Denk nach. Was könnte Besonderes an den Biozeichen der Besatzung der Granger sein?“

Seine Überlegungen führten ihn schließlich zu dem Umstand, dass ja aufgrund meiner toten Sehnerven hier ein Teil meiner Nervensignale fehlen musste und dass ich aber keinen Visor zur Kompensation trug. Das musste sich doch auswirken und das gab es ja seines Wissens nur einmal in der gesamten Sternenflotte. „Computer.“, befahl er. „Such nach einem weiblichen terranischen Biozeichen einer Mittdreißigerin, in deren Neuralprofil die visuelle Bandbreite fehlt und die keinen Visor trägt! Suche auf das Föderationsuniversum, das Dunkle Imperium, Zeitland und die tindaranische Dimension beschränken!“ „Bitte warten.“, kam es zurück.

Scotty lehnte sich zurück. Es war ihm klar, dass er dem Rechner keine sonderlich leichte Aufgabe gegeben hatte, aber egal wie lange es dauern würde, er würde abwarten. Er dachte sich, dass ein vendarischer Rechner ein solch spezifisches Suchmuster heute wohl zum ersten Mal bearbeiten würde. Nervös trommelte er mit den Fingern auf das Gehäuse des Steuerpultes. „Komm raus, Darling.“, flüsterte er. „Wo hast du dich versteckt?“

Ein Signal ließ ihn aufhorchen und die Steuerkontrollen fassen. „Was ist los, Computer?“, fragte er. „Zu den von Ihnen angegebenen Suchparametern wurde ein Treffer gefunden.“, sagte die männliche Rechnerstimme sachlich. „Nur ein Treffer?“, verifizierte der Schotte. „Affirmativ.“, gab der Rechner zurück. „Welche Dimension?“, fragte Scotty. „Die tindaranische Heimatdimension.“, erwiderte der Computer. „Autopilot aktivieren und die Koordinaten anfliegen!“, befahl Scotty. „Befehl wird ausgeführt.“, kam es zurück. Dann setzte sich das Shuttle in Bewegung. „Ach, wie schön hab’ ich das wieder hingekriegt!“, freute sich Scotty über die Tatsache, dass es ihm offensichtlich gelungen war, die Suchparameter so weit einzugrenzen, dass nur noch meine Biozeichen übrig bleiben konnten. Darauf replizierte er sich erst einmal einen original schottischen Whisky.

Shimar und Shinell hatten sich in den Wald begeben, in dem sie sich mit Time und Shorna, die offensichtlich Informationen hatten, treffen wollten. Unruhig sah die junge Tindaranerin auf ihre Uhr. „Er ist sonst nie unzuverlässig.“, sagte sie. „Hoffentlich ist den Beiden nichts geschehen.“ „Du machst mir Spaß.“, sagte Shimar. „Ich dachte, Tote kann man nicht verletzen.“ „Lebende können das nicht.“, sagte Shinell. „Aber Tote untereinander schon.“ „Was passiert denn, wenn ein Toter stirbt?“, fragte Shimar. „Seine neurale Energie löst sich auf.“, antwortete seine Schwester und warf ihm einen vorwurfsvollen Seitenblick zu. „Ich weiß.“, sagte Shimar. „Ich benehme mich schon wieder wie ein Besucher.“

Plötzlich wurden beide auf einen Tumult aufmerksam, der sich ihnen von Westen näherte. Dann sahen sie, wie eine bekannte Genesianerin ihnen schnellen Fußes näher kam. Sie hatte einen Phaser in der rechten Hand, mit dem sie immer und immer wieder auf eine fledermausartige Gestalt feuerte, die mit Time in den Krallen hoch über ihr flog. „Hör auf zu feuern, Shorna!!!“, schrie ihr der offensichtlich vom Schmerz arg gebeutelte Terraner zu. „Sie absorbiert Energie!!! Du machst sie nur noch stärker!!! Hör auf!!!! Hör auf!!!!“

„Um Himmels Willen!“, rief Shinell. „Das ist Sytanias Schöpfung!“ Sie begann, sich auf das Wesen zu konzentrieren. „Nein, Shinell.“, sagte Shimar. „Das ist nicht der richtige Weg. Es wird auch deine Energie absorbieren. Energie ist hier nicht das Mittel der Wahl, sondern Materie!“ „Was hast du vor?“, fragte Shinell. „Ich werde uns jetzt erst mal die richtige Waffe besorgen.“, sagte der junge Tindaraner und wünschte sich einen amerikanischen 45er Revolver, wie er sie in den Western, die er sich von N’Cara geliehen hatte, gesehen hatte, sowie die Fähigkeit, damit umgehen zu können. Außerdem wünschte er sich noch Kugeln mit Rosannium-Kern und für sich selbst strahlungsdichte Handschuhe, weil das Rosannium ihm als Telepathen ja auch hätte gefährlich werden können. Außerdem Schießpulver. Eigentlich hatte Shimar nie verstanden, wie seine Freundin etwas an diesen Western finden konnte. Für ihn war die Devise, wer die größere Waffe hat, hat Recht, noch nie ein Argument gewesen. Überhaupt empfand er diese Western als sehr barbarisch. Aber jetzt würden sie ihm ja sogar noch helfen können.

Er lud die Waffe und zielte damit auf das Wesen. Vorbeischießen wollte er auf keinen Fall! Das hier musste einfach gelingen! Times Informationen waren zu wertvoll! „Ich bin mal neugierig, wie es dir geht, wenn du das hier zu absorbieren versuchst.“, zischte er dem Wesen zu. Dann wendete er sich an Shinell: „Du musst Time telekinetisch auffangen, wenn er fällt.“ „OK.“, sagte sie und konzentrierte sich auf dieses Vorhaben. „Ich bin bereit, Bruder!“, sagte sie. „Na dann!“, sagte Shimar, holte tief Luft, um das Ziel nicht durch die eigene Atmung zu verwackeln, zog den Griff der Waffe fest an seine Schulter, sah konzentriert am Lauf entlang und drückte auf den Abzug. Hilf mir, N’Cara!, dachte er. Hilf mir zu treffen! Es gab einen lauten Knall und dann spritzte das Blut des Wesens nach allen Seiten. Er musste eine Hauptader, wenn nicht sogar das Herz selbst, getroffen haben. Auch bedingt durch das Rosannium wurde das Wesen immer schwächer, trudelte und musste schließlich Time fallen lassen, um landen zu können, bevor es starb und sich auflöste.

Durch Shinells telekinetische Energie getragen schwebte Time langsam zur Erde, wo er sich gleich vor Shimar hinstellte, der zufrieden die Waffe mit den Worten: „Danke, N’Cara!“, sinken ließ.

Der Amerikaner drehte sich dem jungen Tindaraner zu und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Das war großartig, junger Mann!“, lobte er. „Wir denken immer, unsere Energiewaffen wären das Non-Plus-Ultra. Aber genau das hat Sytania wohl auch gedacht, als sie dieses Wesen erschuf! Nur du, du hast nicht so gedacht! Du bist auf etwas gekommen, das gleichzeitig primitiv, aber deshalb auch so genial ist, eine Projektilwaffe! Damit hat Sytania nicht gerechnet! Definitiv nicht! Wenn das tindaranische Militär noch mehr so geniale Köpfe hat wie dich, dann hat Nugura mit euch als Verbündeten wirklich einen klasse Fang gemacht! Oh, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt! Time, Electronica!“ Shimar grinste flapsig: „Shimar, tindaranische Streitkräfte.“

Shinell, die alles mitbekommen hatte, musste verschmitzt lachen. Sie, der die Historie aus den Geschichtsbüchern durchaus bekannt war, fühlte sich an jene Szene erinnert, in der sich Captain Kirk auch nur mit den Worten: „Kirk, Enterprise!“, bei der klingonischen Kanzlerin vorgestellt hatte. „Sehr erfreut, Commander.“, sagte Shimar und gab dem Terraner fest die Hand. „Ich hörte, Sie hätten Informationen für uns.“ „Das stimmt, mein Junge, das stimmt.“, sagte Time und zog ihn mit sich ins Gras. „Hör mir jetzt genau zu.“, sagte er. „Unsere Körper sind in Stasekammern, die aufgrund ihres Versteckes zwischen den Schiffswenden der Electronica und der Strahlung, die nach dem Kampf herrschte, nicht leicht zu finden sind. Aber je länger die Electronica auf dem Schiffsfriedhof im Qualor-System liegt, desto leichter wird es. Du musst diese Information zu Allrounder Betsy bringen. Ich bin sicher, sie träumt gerade von dir. Die Granger muss unsere Körper finden. Dann kann bewiesen werden, dass Shashana von einem anderen Wesen besetzt war, als sie uns angriff. Oder hast du geglaubt, ihre Kräfte kämen von ungefähr?“ „Niemals, Sir!“, meinte Shimar fest. „Dann sind wir ja einer Meinung.“, sagte Time und versuchte aufzustehen. „Warte, Peter.“, sagte Shorna und legte ihm ihren Arm um die Schulter. „Du hast viel Blut verloren. Es wird besser sein, wenn ich dich stütze.“ „Na gut, du Liebes.“, lächelte Time und ließ sich bereitwillig von ihr aufhelfen. Dann verschwanden beide lächelnd im Wald.

„Das glaubt uns kein Mensch.“, sagte Shimar. „Shorna und Time.“ „Ja, Shorna und Time.”, bestätigte Shinell. „Aber hier existieren die Grenzen der Lebenden ja nicht.“ „Schon verstanden.“, erwiderte Shimar und folgte seiner Schwester zum Haus zurück.

Kapitel 48 - Informationen aus dem Jenseits

von Visitor

 

Ein Mensch, und zwar im Wortsinn, würde ihm das aber sehr wohl glauben, denn dieser Mensch hatte grenzenloses Vertrauen in ihn, weil sie ihn über alles liebte und alles mitbekommen hatte, weil sie gerade von ihm geträumt hatte. Ich stieg also aus dem Bett und ging zum nahen Computermikrofon. „Computer.“, begann ich. „Ich benötige eine Verbindung mit einem externen Rufzeichen.“ „Bitte geben Sie das gewünschte Rufzeichen ein.“, wurde ich aufgefordert. Das tat ich dann auch. Ich wusste, Agent Maron würde noch wach sein. Schließlich hatte er mir versprochen, mich in dieser Angelegenheit zu vernehmen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich schließlich eine bekannte Stimme: „Maron hier.“ „Agent, hier ist Allrounder Betsy.“, erwiderte ich. „Ich glaube, es geht los!“ „Halten Sie Ihre Erinnerungen frisch, Betsy.“, entgegnete er ruhig. „Ich bin unterwegs.“ Er beendete die Verbindung.

Ich zog meine Nachtkleidung aus und meine Uniform an. Schließlich war er dem Rang nach mein Vorgesetzter und dem wollte ich auch standesgemäß entgegentreten. Dann wartete ich auf meinem Bett sitzend auf ihn. Dabei wurde ich immer aufgeregter, denn ich konnte mir nicht erklären, wie es mir gelungen war, mir die ganzen Details meines Traums so genau zu merken. Ich wusste, dass ich nicht in der Lage war, Licht zu träumen, doch ein gewisser Tindaraner hatte sicher auch schon längst gespürt, was hier los war und hatte die Informationen vielleicht so in meinem Gehirn verankert.

Wenige Minuten nur waren vergangen, als ich die Sprechanlage für die Tür wahrnahm. „Hier Allrounder Betsy.“, meldete ich mich. „Ich bin es.“, erwiderte eine ruhige mir sehr gut bekannte demetanische Stimme. „Ich bin so weit, Sir.“, sagte ich. „Warten Sie bitte, ich komme heraus.“ Damit hängte ich das Mikrofon ein und verließ mein Quartier.

Auf dem Korridor nahm mich Maron bald in Empfang. „Haben Sie von Shimar geträumt?“, wollte er wissen. „Ja, Agent.“, nickte ich. „OK.“, sagte er. „Dann lassen Sie uns mal in die Simulationskammer gehen.“ „OK.“, sagte ich zögerlich und an der verkrampften Haltung, die ich offensichtlich angenommen hatte, merkte er, dass mit mir etwas nicht stimmen musste. „Was ist denn los?“, fragte er. „Man muss kein Empath sein, um zu spüren, dass Ihnen noch etwas auf der Seele brennt. Wenn Sie verkrampfen, können Sie nicht frei reden und blockieren sich selbst. Das dürfte unserer Zusammenarbeit nur im Weg sein. Also, was haben Sie?“ „Es ist nur.“, suchte ich nach Worten, „Weil Sie mich als Sehender vernehmen. Ich kann Ihnen leider nicht mit Informationen über Farben dienen.“ „Das macht doch nichts.“, sagte Maron. „Mir ist doch längst bekannt, dass Shimar diese Art von Informationen weglässt, sowohl auf der bewussten, als auch auf der unterbewussten Ebene, wenn er Ihnen etwas übermittelt. Als ein geübter Telepath hat er ja so viel Kontrolle über seinen Geist.“ „Dann ist ja gut.“, sagte ich.

Wir gingen vom Schiff auf die Station und suchten dort die nächste Simulationskammer auf. Maron führte mich zu einem der beiden Stühle und setzte sich selbst auf den anderen. Dann legten wir die Köpfe in die Mulden. „IDUSA, Allrounder Betsys und meine Reaktionstabelle laden!“, befahl Maron. „Dann den Programmierassistenten aktivieren!“

Der Stationsrechner kam seinen Befehlen nach und dann fragte Maron mich: „Was haben Sie gesehen? Wo ist Shimar?“ „Wollen Sie wissen, wo er zu Anfang meines Traumes war, oder wo er jetzt ist, Sir?“, fragte ich zurück. „Hat sich denn seine Position zwischendurch geändert?“, fragte Maron. „Ja.“, bestätigte ich. „Dann lassen Sie uns herausfinden, wo er jetzt ist.“, sagte er. „Die Vergangenheit ist die Vergangenheit.“ „Ich habe eine Umgebung wie auf einem Planeten gesehen, Agent.“, sagte ich. „Da war eine wohl riechende Atmosphäre und es war warm wie im Sommer. Es gab Vogelgezwitscher. Ich habe auch Pflanzen rascheln hören und da waren Leute. Ich glaube, es war ein Dorf.“ „Auf welchem Planeten war das Dorf?“, fragte Maron. „Konnten Sie die Sprache der Leute erkennen, die sie sprachen? Ich meine, als ausgebildete Kommunikationsoffizierin müsste Ihnen das ja eigentlich möglich sein.“ „Es war Tindaranisch.“, antwortete ich. „Sie haben Tindaranisch gesprochen.“ „Na das ist ja schon einmal ein guter Anfang.“, lobte Maron. „Damit können wir arbeiten. IDUSA, ein tindaranisches Dorf an einem Sommertag mit seinen Bewohnern generieren. Wo standen Sie?“ „Wir waren, beziehungsweise Shimar war auf einem Kiesweg zu einer Hofeinfahrt.“, sagte ich. Auch dieses Detail fügte Maron hinzu. Dann befahl er IDUSA, das Programm, wie es jetzt war, zu starten. „Kommen Sie.“, sagte er und führte mich einige Schritte den Weg auf und ab. „War es so?“, fragte er. Ich nickte.

Mit dem Befehl: „IDUSA, alterieren!“, ließ er das Programm einfrieren. Dann fragte er: „Das Haus, was können Sie mir über das Haus verraten?“ „Es war ein kleines durchschnittliches Ein-Familien-Haus.“, sagte ich. „Der Weg dort hin wurde von duftenden tindaranischen Büschen gesäumt. Rechts und links der Hofeinfahrt waren zwei kleine Zwiebeltürme.“ „War Shimar dort allein?“, fragte Maron, nachdem er IDUSA das Hinzufügen der Details befohlen hatte. „Nein.“, sagte ich. „Da war eine Frau. Eine Tindaranerin. Er nannte sie Shinell. Es muss seine tote Schwester gewesen sein. Außerdem hat er mit seiner gesamten Familie gegessen und sie haben ein Treffen mit Time arrangiert, der offensichtlich bei dem Kampf um die Föderation ums Leben gekommen ist.“

Eilig fügte Maron die Farbe der Hauswand und der beiden roten Zwiebeltürme hinzu, obwohl ich ihm diese Informationen gar nicht gegeben hatte. „Woher wissen Sie das, Sir?“, fragte ich. „Weil mir klar ist, wo Shimar ist.“, sagte er. „Er ist im Reich der Toten. Offensichtlich hat er versucht, seine Wärterinnen zu narren, indem sie denken sollten, er sei tot.“ „Um Himmels Willen!“, rief ich aus. „Aber dann werden Sie ihn irgendwo verscharren und dann wird er, wenn er in seinen Körper zurückkehrt …“ „Ganz ruhig.“, unterbrach mich Maron. „Ich denke, für derartige Fälle hat Ihr Freund Vorsorge getroffen.“ „Das hoffe ich.“, sagte ich beunruhigt. „Aber damit haben Sie mir die Frage immer noch nicht beantwortet, woher Sie das alles wussten, Agent.“ „Sie erwähnten Shinell, Shimars Familie und Time.“, sagte Maron. „Schon, als Sie Shinell erwähnten, war es mir klar. Im Totenreich wird alles so dargestellt, wie man es sich wünscht.“, sagte er. „Und ich weiß, wie Shimars Elternhaus ausgesehen hat. Er hat ein Bild davon in seinem Quartier und das habe ich schon mal gesehen. Aber was für Informationen hat Times Geist ihm gegeben?“ „Es geht um die Körper der Besatzung der Electronica.“, sagte ich. „Mit deren Hilfe kann bewiesen werden, dass die oberste Prätora der Genesianer von einem fremden Wesen besessen war, als sie uns angriff. Sie sind in Stasekammern, die sich zwischen den Schiffswenden verstecken. Die Electronica ist im Qualor-System.“ „Dort ist ein Raumschiffriedhof der Sternenflotte.“, sagte Maron. „Ja.“, bestätigte ich. „Da müssen wir hin.“ „Langsam.“, bremste er meinen Tatendrang. „Sie gehen nirgendwo hin. Sie bleiben hier und halten sich für weitere Vernehmungen zur Verfügung. Ich werde die Informationen an Ihren Commander weitergeben.“ „Also gut.“, sagte ich.

Er ließ IDUSA das bisherige Bild unter einem bestimmten Namen abspeichern und betrachtete es erneut, bevor er zu mir sagte: „Das war sehr gute Arbeit, Allrounder. Auf diese Weise können wir uns immer über Shimars Aufenthaltsort informieren. Ich hoffe, Ihre Träume bringen noch mehr Details hervor. Aber jetzt sollten Sie erst einmal wieder schlafen gehen. Und, sollten Sie noch etwas träumen, merken Sie es sich gut. Wer weiß, wozu es gut ist. Ich bringe Sie jetzt auf Ihr Schiff zurück.“ „Danke, Sir.“, sagte ich. „Aber was ist, wenn es um Informationen geht, die Sie nicht ergänzen können, Agent? Was ist, wenn wir aufgrund dessen nicht weiterkommen?“ „Dann ist das auf keinen Fall Ihre Schuld!“, sagte er fest. „Sie dürfen eines nicht vergessen: Sie sind die mit dem Wissen. Wenn ich sprachamputierter Vollpfosten es nicht schaffe, Ihnen die richtigen Fragen zu stellen, dann ist das mein Problem und nicht Ihres! Haben Sie mich verstanden?“ Ich nickte und musste lachen. Aber im gleichen Moment riss ich mich zusammen und entschuldigte mich. „Sie müssen sich nicht entschuldigen, wenn Sie über einen Witz lachen, den Ihr Vorgesetzter extra zu diesem Zweck gemacht hat.“, sagte Maron. „Ach so.“, atmete ich auf. „Aber Sie sind mit Sicherheit kein sprachamputierter Vollpfosten, Agent.“ „Na, wenn Sie meinen.“, lächelte Maron und dann setzten wir uns in Richtung Schleuse in Bewegung.

Gleich am nächsten Morgen suchte Maron Zirell in deren Bereitschaftsraum auf, um ihr von dem Verhör mit mir zu berichten. Auch Kissara und Mikel waren anwesend, nachdem der Demetaner ihre Anwesenheit ausdrücklich erwünscht hatte. „Was hat deine erste Befragung von Betsy ergeben, Maron?“, fragte Mikel. „Sie hat mir berichtet, dass sich Shimar im Reich der Toten befinden muss.“, erwiderte der erste Offizier der Basis 281 Alpha. „Dann werde ich wohl eine Meldung an die Zusammenkunft absetzen müssen.“, fügte Zirell bei. „Das mit der Vermisstenmeldung würde ich an deiner Stelle fein lassen.“, sagte Maron und lächelte verschmitzt. „Was soll das heißen?!“, empörte sich die Kommandantin. „Ich glaube, ich höre nicht recht!“

Viel sagend stupste Maron Mikel kurz unter dem Tisch mit dem eigenen Knie gegen das Seine. Er wusste, der blinde Mann würde mit einem konspirativen Blick nichts anfangen können. Mikel erwiderte das Stupsen und grinste Maron an. „Darf ich wissen, was Sie zwei da Geheimes zu bestupsen haben, Gentlemen?“, fragte Kissara, deren scharfem Blick die Situation nicht entgangen war. „Willst du oder soll ich?“, fragte Mikel in Marons Richtung. „Ich denke, du bist der Experte für das Körperverlassen.“, entgegnete Maron. „Also solltest du ihnen auch erklären, dass Shimar zwar im Reich der Toten, aber nicht tot ist.“ „Jetzt kenne ich mich gar nicht mehr aus.“, gab Zirell zu. „Erinnerst du dich noch an die Art und Weise, wie Shimar das letzte Mal die Informationen über das Tor zum Himmel besorgt hat?“, fragte ihr erster Offizier und sah sie dabei fast mitleidig an. „Daran erinnere ich mich.“, bestätigte die Tindaranerin. „Aber was hat das mit der jetzigen Situation zu tun?“

Mikel stand auf. „Ich gehe davon aus, Commander Zirell, dass Ihr Patrouillenflieger sich an meine Anleitung zum Verlassen seines Körpers erinnert hat und das jetzt praktiziert hat, um die Genesianer zu narren. Wahrscheinlich wird er wollen, dass sie ihn für tot halten und wird in irgendeinem günstigen Moment seinen Körper wieder aufsuchen.“ „Was für eine geniale Art, aus einem Gefängnis zu flüchten.“, mischte sich Kissara ein. „Günstiger Moment?!“, empörte sich Zirell. „Die Genesianer werden seinen toten Körper sechs Fuß tief irgendwo auf einem Planetoiden unter die Erde beamen. Wahrscheinlich ist die Atmosphäre noch nicht einmal atembar. Da kann sich niemand befreien. Sechs Fuß Erde kann man über sich nicht einfach aufgraben!“ „Wenn Shimar so einen Plan fast, dann wird er auch über Informationen verfügen, die dafür sorgen könnten, dass dieser Plan eine reale Aussicht auf Erfolg hat.“, mutmaßte Mikel. „Da stimme ich dir zu.“, bestätigte Maron. „Zumal deine Freundin in ihrem Traum auch gesehen hat, dass er im Totenreich auf Commander Time getroffen ist, der ihm einige wichtige Informationen gegeben hat. Wir wissen jetzt, wo sich die Körper der Toten Mitglieder der Besatzung der Electronica befinden.“ „Offiziell gab es keine Leichen.“, widersprach Kissara. „Wir kennen die Daten. Man ging davon aus, dass alle nach dem Kampf durch die merkwürdige telepathische Energie von Prätora Shashana verdampft worden sind. Die Wracks wurden durchsucht, bevor sie …“ „Die Suche fand von weit weg und nur mit den Erfassern der durchsuchenden Schiffe statt.“, vermutete Maron. „Wenn man etwas nicht einordnen kann, ist dies die beste und risikoärmste Variante. Aber vor lauter Strahlung werden sie nichts gesehen haben und das war ihnen wohl auch ganz bequem.“ „Und du meinst, dann haben sie einfach etwas übersehen?“, sagte Zirell. „Genau.“, nickte Maron. „Aber das ist ein Umstand, mit dem Time wohl gerechnet hat, als er mit seinen Leuten den Plan fasste, dass die Überlebenden die Leichen in Stasekammern schaffen sollten, die zwischen den Energieleitungen in den Wänden des Schiffes versteckt werden sollten.“

Kissara drehte sich zur Raummitte. Dann starrte sie eine ganze Zeit bewundernd dort hin. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Time da allein …“ „Das ist er sicher auch nicht, Kissara.“, sagte Mikel. „Aber wir sollten die Electronica so schnell wie möglich finden, bevor die autarken Versorgungen für die Stasekammern ihren Geist aufgeben und die schönen Beweise doch noch flöten gehen.“

„Sie hat gesagt, die Electronica sei im Qualor-System.“, berichtete Maron weiter. „Ach du lieber Himmel!“, rief Kissara aus. „Der Raumschifffriedhof dort wird, wie die Meisten von den Zagdorn verwaltet. Das sind die schlimmsten Bürohengste, die man sich vorstellen kann! Da werde ich sicher erst mal einen Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars zur Bestätigung eines noch nicht angemeldeten Termins oder so etwas stellen müssen. Selbst wenn ich ihnen eine SITCH-Mail sende, in der ich formlos um einen Besichtigungstermin für ein altes Schiff bitte, finden sie sicher irgendeine Art von Fallstrick, weshalb sie es dann doch nicht genehmigen. Sie werden nicht umsonst als die deutschen Beamten des Universums bezeichnet. Wenn nur irgendeinem Miniparagraphen keine Aufmerksamkeit geschenkt wird, dann …“

Mikel stellte sich vor sie. „Sie haben ganz Recht, Kissara.“, sagte er. „So sind die Zagdorn. Und Sie haben auch mit allem anderen Recht, was Sie gesagt haben. Allein würden Sie sich hoffnungslos verlaufen in deren Paragraphendschungel. Aber ich bin das gewohnt und Allrounder Betsy auch. Sie und ich sind beide Deutsche. Wir sollten uns mit Beamtentum und Bürokratie auskennen. Nur ist sie leider mit einer anderen Sache betraut. Aber ich bin ja noch da.“ „Verstehe.“, schnurrte Kissara konspirativ. „Sie meinen also, ich sollte mir für den Paragraphendschungel der Zagdorn sozusagen einen einheimischen Führer nehmen.“ „Ganz genau.“, lächelte Mikel.

Er drehte sich zur Tür. „Ich werde aber auch das mit den falschen Identitäten für uns zwei übernehmen, Commander.“, sagte er. „Schließlich bin ich Geheimagent und kann so etwas daher sehr gut. Bevorzugen Sie irgendeinen Thundarianischen Vornamen außer dem Eigenen?“ „Naralinn!“, sagte Kissara. „So hieß eine alte Nachbarin von uns, die ich in meiner Kindheit sehr geschätzt habe.“ „OK, Naralinn.“, sagte Mikel. „Dann bin ich ab sofort für dich Markus. Den Rest unserer Legende erfährst du, wenn ich damit fertig bin.“ „Alles klar, Markus.“, sagte Kissara alias Naralinn und sah zu, wie er leise pfeifend den Raum verließ.

„McKnight und Jannings sollten sich wegen einem Shuttle für euch zwei zusammensetzen.“, schlug Maron vor. „Immerhin werdet ihr ja wie zwei Zivilisten auftreten, die einfach nur an alten Schiffen interessiert sind. Niemand darf schließlich wissen, wer ihr wirklich seid.“ „Das habe ich mir auch schon denken können.“, sagte Kissara. „Dann werde ich Jenna verständigen.“, sagte Zirell. „Und ich werde unter falschem Namen eine SITCH-Mail an die …“ „Ich denke, Commander Kissara.“, sagte Maron, „dass Sie das ruhig alles in Mikels versierten Händen lassen können. Er wird ja nicht umsonst angeboten haben, das ganze Konstrukt zu fertigen.“ „Sie haben sicher Recht, Maron.“, sagte Kissara und ließ sich erleichtert auf einen Stuhl fallen. „Manchmal bin ich aber auch zu übereifrig.“

Scotty hatte sich mit seinem Shuttle der tindaranischen Basis genähert und bemerkt, dass an ihr ein merkwürdiges fremdes Schiff gedockt hatte, das er beim besten Willen nicht einordnen konnte. Es sah aus wie die bekannte Granger, aber das seltsame Transpondersignal, das von seinem Sprechgerät ausging, wollte nun so gar nicht zu dieser Annahme passen. „Wer weiß, mit wem Zirell wieder flirtet.“, flapste er. Dann wendete er sich scherzend an sein Schiff: „Dann wollen wir dir mal ’n gescheiten Parkplatz suchen. Am besten gleich neben dem fremden Schiff da.“ Damit manövrierte er sein Schiff in die freie Andockbucht. Im gleichen Moment wurde er auf einen eingehenden Ruf aufmerksam gemacht. Er nahm das Mikrofon in die Hand und erwiderte auf das Signal: „Hier ist Techniker Scott!“ „Sei gegrüßt, Scotty El Taria!“, meldete sich ein erfreuter Joran. „Hi, Joran, altes Pelztier.“, flapste Scotty. „Is’ dein Commander zu sprechen? Ich muss ihr dringend etwas sagen. Prinzessin Eldisa von Zeitland hat den Verstand verloren. Sie will Clytus zwingen, sie zu heiraten. Im Moment könnte sie das durchaus. Er is’ gerade nix weiter, als ’n Genesianer. Seine Tante hat … Ach, ich würde alles viel lieber vor Zirell zum Besten geben.“ „Anführerin Zirell ist in einer Konferenz.“, erklärte der Vendar. „Dann stör’ sie bitte!“, insistierte Scotty. „Es is’ verdammt dringend, das sag’ ich dir! Wir sitzen auf einem Pulverfass. Wenn das so weiter geht, dann gibt es einen Krieg zwischen Zeitland und den Genesianern. Die werden Eldisa ja sicher nicht ungestraft davonkommen lassen wollen!“ „Sei ohne Sorge, Scotty El Taria.“, tröstete Joran. „Die Genesianer werden sich nicht mit einer Mächtigen anlegen. Sie wissen, dass sie diesen ungleichen Kampf nicht gewinnen können und Kriegerinnen, die sich überschätzen, landen nicht im Gore, sondern in …“ „Die verdammten Genesianer halten sich für unverwundbar.“, sagte Scotty. „Die denken, sie stehen unter dem Schutz ihrer Göttin. Die werden in ihr Verderben rennen und uns alle mitreißen. Das Ganze wird mit einem Krieg zwischen den Mächtigen und den Sterblichen enden, wenn wir nicht aufpassen und jetzt gib mir gefälligst Zirell!“ „Kelbesh.“, flüsterte Joran, dem auch längst die Konsequenzen klar waren. Dann nahm er das Gespräch wieder auf um zu Scotty zu sagen: „Ich tue, was ich kann.“ Scotty lehnte sich zurück. Er ahnte, dass das jetzt dauern konnte, aber er hatte Zeit.

Zirell hatte sich nach der Konferenz in den Maschinenraum der Station begeben, um mit Jenna das Notwendige zu besprechen. „Du willst also, dass George und ich ein Shuttle der Granger auf zivil trimmen, damit Kissara und Mikel unter falscher Identität die Beweise besorgen können.“, fasste die hoch intelligente Halbschottin das Gespräch zusammen. „Genau das.“, sagte die tindaranische Kommandantin. „Also gut.“, sagte Jenna. „Dann sollte ich mal zu meinem Kollegen …“

Die Sprechanlage hatte sie unterbrochen. „Es ist dein Arbeitsplatz.“, entgegnete Zirell auf Jennas fragenden Blick. „OK.“, sagte die Chefingenieurin und nahm das Gespräch entgegen. Am Rufzeichen im Display sah sie, dass es von Jorans Arbeitsplatz kam. „Was gibt es, Joran?“, fragte sie mit fast zärtlicher Stimme. „Ist Anführerin Zirell bei dir, Telshanach?“, fragte der Vendar.

Jenna drehte sich Zirell zu: „Für dich.“ Wortlos nahm die Tindaranerin ihr das Mikrofon ab: „Ja, Joran!“ „Ich habe Techniker Scott für dich, Anführerin Zirell.“, meldete Joran. „Er hat mir gerade etwas erzählt, was wohl unsere direkte Einmischung erfordert, wenn wir einen Krieg zwischen den Mächtigen und den Sterblichen verhindern wollen!“ „Was soll das heißen?“, fragte Zirell. „Aber gib ihn erst mal her. Ich denke, die Frage kann er mir selbst beantworten.“ „Wie du wünschst, Anführerin.“, entgegnete Joran und schaltete die Verbindung.

Bald sah Zirell in Scottys von großer Angst gezeichnetes Gesicht. „Scotty, was gibt es?“, fragte sie sachlich. „Ich muss dringend mit Ihnen reden, Commander.“, sagte Scotty. „Ich muss Sie warnen. Eldisa von Zeitland hat sich durch ihre Rachegelüste zu einem Schritt hinreißen lassen, der uns alle in einen Krieg zwischen Sterblichen und Mächtigen stürzen könnte!“ „Langsam, Scotty.“, sagte Zirell beruhigend. „Ich würde sagen, Sie kommen erst mal hier auf die Station. Dann können wir uns in meinem Bereitschaftsraum weiter unterhalten.“ „Is’ gut.“, sagte Scotty. „Ich werde Joran, das alte Pelztier, bitten, mich da abzuladen. Der weiß ja sicher, wo das is.“ „Oh, ja.“, sagte Zirell. „Das weiß er.“

Sie wandte sich wieder Jenna zu, die Shannon bereits auseinandergesetzt hatte, dass sie den Maschinenraum übernehmen sollte. „Ich werde jetzt gehen.“, sagte sie. „Den Grund dafür hast du ja sicher mitbekommen.“ „Der ist mir nicht verborgen geblieben.“, erwiderte Jenna. „Nur sollten wir vorsichtig damit sein, was davon an die Außenwelt gelangt.“ Sie warf einen ernsten Blick zu ihrer Assistentin hinüber. „Schon kapiert.“, flapste Shannon zurück. „Ich werde ausnahmsweise versuchen, meinen großen Mund zu halten.“ „Das will ich Ihnen auch geraten haben, Assistant!“, entgegnete Jenna scharf.

Wie abgesprochen hatte sich Scotty von Joran in Zirells Bereitschaftsraum absetzen lassen. Bald traf dort auch die tindaranische Kommandantin ein. Beide setzten sich an Zirells Schreibtisch gegenüber. Der Telepathin war bewusst, dass etwas Scotty sehr aufwühlen musste. Jedenfalls empfing sie starke Angst von ihm. Angst, die wohl etwas mit den Andeutungen zu tun haben musste, die er ihr gegenüber am SITCH gemacht hatte. „OK, Scotty.“, sagte Zirell. „Was war das mit Eldisa und warum sollte es einen Krieg zwischen den Sterblichen und den Mächtigen geben, wenn wir nicht aufpassen?“ „Eldisa hat … Der Junge … Oh, Gott!“, stammelte Scotty, ein Umstand, den Zirell von dem terranischen Raubein eigentlich nicht gewohnt war. Das zeigte ihr allerdings, dass es schon gehörig schlecht um alles stehen musste, wenn die Situation sogar einen Montgomery Scott umhaute.

Ein Lämpchen am Auswurffach von IDUSAs Replikator im Raum zeigte Zirell, dass hier etwas im Gange war. Sie drehte sich um und erblickte im Fach ein Glas Whisky. „Danke, IDUSA.“, sagte sie in Richtung des Mikrofons. Aus Höflichkeit dem Terraner gegenüber hatte sie es vermieden, ihren Neurokoppler für die Verständigung mit IDUSA zu benutzen. „Immer doch gern, Commander.“, kam eine sachliche Antwort zurück.

Zirell nahm das Glas und stellte es vor Scotty ab. „Woher wusste sie …?“, stammelte Scotty. „Das kommt davon, wenn man seinen Stationsrechner zum Mitdenken erzieht.“, flapste Zirell. „Ich weiß ja, dass ihr Tindaraner Eure Rechner genau so behandelt, als seien sie Lebensformen, zumindest, was ihren Rechtsstatus angeht.“, sagte Scotty. „Also darf IDUSA auch eine eigene Meinung haben und nach dieser handeln.“ „Genau.“, sagte Zirell. „Und sie war der Meinung, Sie brauchen jetzt erst mal eine Stärkung.“ „Da war sie der richtigen Meinung.“, flapste Scotty und leerte sein Glas in einem Zug.

„Also, was ist los?“, meinte Zirell und sah ihn neugierig über den Rand seines Glases hinweg an. „Eldisa hat Clytus und mich aus dem genesianischen Gefängnis befreit.“, begann Scotty. „Mir hat sie die Freiheit und ihre oberste Vendar ein Shuttle geschenkt.“ „Deshalb das vendarische Schiff mit zeitländischer Kennung, mit dem Sie gekommen sind.“, begriff Zirell. „Genau.“, sagte Scotty. „Sie will Clytus zwingen, sie zu heiraten. Aber das is’ noch nich’ alles. Die Genesianer werden das nich’ so einfach hinnehmen. Die werden auf Rache sinnen.“ „Du liebe Zeit!“, sagte Zirell. „Das könnte durchaus sein. Sie halten sich ja sicher für unverwundbar, weil sie ja angeblich unter dem Schutz ihrer Göttin stehen. Shashana könnte durchaus befehlen, Zeitland anzugreifen. Die rennen in ihr Verderben.“ „Das stimmt.“, sagte Scotty. „Und das Ganze wird noch weitere Kreise ziehen. Wenn die Genesianer diese erste Schlacht schlagen und verlieren, dann werden auch einige andere kriegerische Völker wie die Klingonen sich einmischen, weil sie dann erkennen werden, dass sie nur von den Mächtigen als Spielball missbraucht worden sind. Auch die haben Rosannium, was wieder dazu führen wird, dass sich Eldisa Verbündete sucht …“ „Und die Gewaltspirale dreht sich.“, verstand Zirell. „Aber falls die Genesianer gewinnen sollten, wäre das nicht viel anders. Lady Messalina würde Rache fordern und … Nein, dazu darf es nicht kommen! Sie haben Recht, Scotty. Allerdings hätte ich Sie nicht für so einen messerscharfen Analytiker politischer Gegebenheiten gehalten.“ „Ach, zwischen einem Raumschiffantrieb und der Politik gibt es gar nicht so große Unterschiede, Commander.“, sagte Scotty. „Bei beiden hakt es ab und zu und man muss den Fehler suchen.“ „Das könnte durchaus hinkommen.“, lachte die Tindaranerin.

Zirell sah auf die Datumsanzeige der Arbeitskonsole. „Wie haben Sie uns eigentlich so schnell gefunden?“, fragte sie. „Ich meine, Ihre Befreiung kann ja noch keine 24 Stunden her sein.“ „Ich habe mich an den Biozeichen meiner Frau orientiert.“, sagte Scotty. „Die sind in der Sternenflotte so einzigartig, dass ich sie gut als Leitfaden nehmen konnte. Aber wo is’ sie?“ „Gar nicht so schlecht.“, lobte Zirell. „Ihre Frau befindet sich an Bord der Granger und die ist hier angedockt. Gleich neben Ihrem Shuttle.“ „Also doch.“, sagte Scotty. „Ganz genau.“, sagte Zirell. „Ich werde gleich mal veranlassen, dass Sie zu ihr gebracht werden. Ich glaube, Sie benötigen dringend eine Ablenkung.“ „Aber der Krieg!“, bemerkte Scotty. „Dass lassen Sie ruhig unsere Sorge sein.“, tröstete Zirell. „Den Krieg wird es nicht geben. Zumindest nicht, wenn wir da noch ein Wörtchen mitzureden haben.“ „Also gut.“, sagte Scotty erleichtert. Er glaubte ihr. Sie hatte schon so oft bewiesen, dass sie die richtigen Register ziehen konnte.

Kapitel 49 - Im Vorhof zum Unheil

von Visitor

 

Ich hatte mich auf die Brücke der Granger begeben. Zwar würden wir so schnell nirgendwo hinfliegen und ich würde auch, zumindest, nicht dass ich damit rechnete, so schnell keinen SITCH beantworten müssen, trotzdem hatte es mich an meinen Arbeitsplatz gezogen. „Sie können wohl auch nicht von Ihrem Dienst lassen, Allrounder.“, scherzte Kang. „Das ist eben meine deutsche Gründlichkeit, Warrior.“, scherzte ich zurück.

Im gleichen Moment empfing der Computer einen Ruf, den er mir sofort ankündigte. „Stell durch, Computer!“, befahl ich. „Betsy?“, hörte ich eine bekannte Stimme. „Ja, Zirell.“, antwortete ich den tindaranischen Sitten gemäß. „Ich habe deinen Mann hier.“, sagte sie. „Ich glaube, es wäre ganz gut, wenn du ihn abholen und dich etwas um ihn kümmern könntest. Er hat ziemliche Angst, aber wenn ich wüsste, was er weiß, dann hätte ich die wohl auch.“ „Ich bin unterwegs!“, sagte ich hektisch und dachte, während ich mich aus dem System abmeldete: Oh, Scotty, wo bist du da nur wieder rein geraten!

Wie Recht Scotty mit seiner Vermutung haben sollte, würde sich im gleichen Zeitraum bereits in der Gefängniszelle abzeichnen, aus der er und Clytus entführt worden waren. Natira, eine der beiden zuständigen Wärterinnen, hatte nämlich Amidala Bescheid gegeben und jetzt standen beide vor der leeren Zelle. „Was hast du gesehen?“, fragte die ältere Wärterin ihre Untergebene. „Ich sah nur die leere Zelle.“, erwiderte Natira. „Wie die Beiden entführt wurden, kann ich nicht sagen.“

Amidala zog ihren Erfasser und scannte das Stroh in der Zelle. „Es gibt Hinweise auf die Energie eines Mächtigen.“, sagte sie. „Eines Mächtigen?“, horchte Natira auf. „Ja.“, bestätigte ihre Vorgesetzte. „Welcher Mächtige sollte so eine ehrlose Tat begehen?!“, fragte Natira entrüstet. „Welcher Mächtige sollte uns einfach zwei unserer Gefangenen stehlen?!“ „Das werden wir gleich wissen.“, tröstete Amidala und schloss ihren Erfasser an ihr Sprechgerät an, mit dessen Hilfe sie die Daten an die zentrale Datenbank überspielte, die bald darauf ein Ergebnis ausspuckte. „Es handelt sich um Eldisa von Zeitland.“, sagte sie und hielt Natira das Gerät unter die Nase.

Die junge Kriegerin stemmte die Fäuste in die Hüften. „Eldisa von Zeitland.“, sagte sie. „Eine solch ruchlose Tat hätte ich ihr nicht zugetraut! Aber wahrscheinlich ist sie nicht besser, als es alle anderen Mächtigen auch sind! Irgendwann zeigen sie alle ihre ehrlose Seite! Irgendwann zeigen sie alle, dass sie uns nur als ihre Spielbälle sehen! Ich werde keinem Mächtigen mehr glauben, wenn er mir vorheuchelt, auf meiner Seite zu sein!“ „Wir werden es der Prätora melden.“, beschwichtigte Amidala den Tatendrang ihrer jungen Kollegin. „Yanista soll entscheiden, was wir tun.“ „Einverstanden.“, sagte Natira. „Hoffentlich entscheidet sie richtig!“

Auf der Canara nahm Hera den Ruf entgegen. „Prätora, wir werden von der obersten Wärterin von Nura vier gerufen.“, meldete sie. „Gib Amidala her!“, entgegnete Yanista. Die junge Kriegerin an der Flug- und Kommunikationskonsole nickte und führte den Befehl aus. „Könnte ich vielleicht besser in Eurem Raum mit Euch reden, Prätora?“, fragte Amidala. „Warum?“, fragte die Oberste der Vetash. „Ist das Geschehen, das du mir melden musst, etwa so schrecklich, dass du meinst, meine Kriegerinnen könnten es nicht verkraften?“ „Darum geht es nicht.“, entgegnete Amidala. „Aber es ist … Wir sind bestohlen worden, Prätora.“

Yanista ließ einige Sekunden vergehen, in denen in ihr eine ungeheure Wut aufstieg. Dann fragte sie mit bösem Funkeln in den Augen: „Bestohlen? Was wurde gestohlen und welcher dreckige Ferengi hat …?“ „Kein Ferengi.“, verneinte Amidala. „Es war eine Mächtige. Ihr Name ist Eldisa von Zeitland.“ Sie ließ dem Rechner der Canara die Daten zukommen.

Yanistas Stimmung wurde immer negativer. „Was erdreistet diese Eldisa sich?!“, wollte sie wissen. „Aber ich denke, dass die Mächtigen das nur tun, weil sie eifersüchtig auf unsere große Göttin sind! Aber wir werden uns das nicht gefallen lassen! Ich werde die oberste Prätora drängen, dass wir einen Krieg gegen Zeitland führen! Niemand bestiehlt den Clan der Vetash! Niemand nimmt uns Gefangene weg, die unser Eigentum sind! Gut, es waren nur Männer, aber es geht ums Prinzip! Die stolze Rasse der Genesianer sollte und wird sich diese Spielchen von den Mächtigen nicht länger gefallen lassen!“ „Ich stimme dir zu!“, bestätigte Amidala, die sich von der hetzerischen Stimmung ihrer Prätora bereits anstecken lassen hatte. „Aber wie sollen wir einen solchen Krieg gewinnen können?“ „Das ist für mich keine Frage, du Närrin!“, erwiderte Yanista erregt. „Wir stehen unter dem Schutz der Wächterin von Gore! Wo ist dein Glaube?!“ „Ich glaube, was ich sehe.“, erwiderte Amidala provokativ. „Und im Augenblick sehe ich, dass wir uns nur in Rage reden. Wo war denn die Wächterin von Gore, als Eldisa die Gefangenen entführt hat? Warum hat sie das nicht verhindert, wenn sie doch auf unserer Seite ist?“ „Weil sie unseren Glauben prüft.“, sagte Yanista und klang dabei schon fast wie eine Missionarin, die irgendwelche Leute von ihrem Glauben überzeugen wollte. „Sie will wissen, ob wir ihren Schutz weiterhin verdienen. Sie will wissen, ob wir Willens sind, nur allein unter ihrem Schutz gegen die Mächtigen in den Kampf zu ziehen. Ich habe Veleta sämtliche Waffen demontieren lassen.“

Erschrocken ließ Amidala fast das Mikrofon fallen. „Ihr habt was getan, Prätora?“, fragte sie nach. „Ja, du hast richtig gehört.“, erwiderte Yanista. „Wir werden ohne Waffen in diesen Krieg ziehen. Uns kann nichts passieren. Wir stehen unter dem Schutz der Göttin!“ Damit beendete sie die Verbindung. „Ich denke, dass Amidala Recht hat.“, meldete sich Lynea zu Wort. „Ohne unsere Waffen könnten uns die Mächtigen sehr schnell …“ „Pass auf, was du sagst!“, drohte Yanista. „Oder willst du enden wie Shira? Veleta kann sicher im Maschinenraum noch so manche Hand gebrauchen, die Warpgondeln schrubbt!“ „Ich meinte doch nur, dass wir darauf achten sollten, dass wir uns den Mächtigen nicht in die Hände spielen.“, wandte die Waffenoffizierin ein. „Die Tatsache, dass die Göttin die Entführung der Gefangenen nicht verhindert hat, hat mir zu denken gegeben.“ „Das reicht!“, rief Yanista aus. „Du wirst auf der Stelle deinen Posten verlassen und dich bei Veleta melden!“

Sie schritt zu Lynea hinüber und riss ihr die Schärpe vom Nacken, die sie als Brückenoffizierin auswies. Dann kassierte die gerade Degradierte noch eine Ohrfeige, dass es knallte und wurde mit Gewalt von Yanista und Minerva von ihrem Platz entfernt. Gesenkten Hauptes ging Lynea. Die an ihr vorgenommenen Handlungen waren unter Genesianerinnen normal. Daher wusste sie auch genau, was sie bedeuteten. Bei Widerspruch wäre sie womöglich noch getötet worden. „Wer soll jetzt ihren Posten übernehmen, Mutter?“, fragte Minerva. „Hol deine Freundin Kirin her!“, entschied Yanista. „Sie hat in der Ausbildung große Fortschritte gemacht. Ich halte sie für fähig, das Amt der Waffenoffizierin zu übernehmen.“ „Ja, Mutter.“, nickte Minerva und verließ die Brücke.

Yanista wandte sich wenig später an Hera: „Wir müssen der obersten Prätora sagen, was auf Nura vier geschehen ist. Sie wird bestimmt auch nicht tatenlos zusehen können. Verbinde mich auf der Stelle mit ihr!“ „Ja, Prätora.“, nickte Hera und gab das Rufzeichen in das Sprechgerät des Schiffes ein.

Kirin hatte Shira auf dem Korridor getroffen. Die zur technischen Assistentin degradierte Kriegerin hatte der Demetanerin völlig außer sich von den Befehlen bezüglich der Waffen berichtet. Die Demetanerin war in großem Zweifel, ob sie mit ihrem Wissen über die ganze Angelegenheit herausrücken sollte oder nicht. Sie wusste, wenn die Genesianer keine Waffen mehr hätten, dann würden sie zur leichten Beute für ihre Feinde. Das mit dem Schutz der Göttin stimmte nicht. Das wusste Kirin längst und zwar ja nicht erst, seit sie es Minerva bewiesen hatte. Andererseits konnte die zu frühe Preisgabe des Wissens auch dafür sorgen, dass sie wie Shira zum Schrubben der Warpgondeln verurteilt würde und dann quasi keine Möglichkeit mehr hätte, ihren Spionageauftrag zu Ende zu führen. Also entschied sie, dass sie das Wissen zunächst nicht an die große Glocke hängen würde. „Was?!“, tat Kirin erschrocken. „Aber das bedeutet, wir sind ohne Verteidigung.“

Bevor Shira etwas erwidern konnte, kam Minerva um die Ecke. „Kirin, komm bitte sofort mit mir.“, sagte sie hektisch. „Die Prätora will, dass du Lyneas Posten übernimmst.“ Die Demetanerin nickte und folgte ihr. Um Shira nicht weiter zu kompromittieren, hatte sie vermieden, durchblicken zu lassen, dass sie bereits über die Information bezüglich der deaktivierten und demontierten Waffen verfügte. Aber jetzt, wo sie um einige Ecken verschwunden waren, machte sie ihrer Empörung Luft. „Kannst du mir mal sagen, ob deine Mutter noch alle Latten am Zaun hat?!“, fragte sie außer sich. „Das kann ich!“, sagte Minerva fest. „Und meine Antwort lautet nein! Wir beide haben ihr die Fakten dargelegt und sie ist nicht im Geringsten darauf eingegangen. Im Gegenteil! Sie hat in ihrem Wahn noch was von Glaubensprüfung und so gefaselt, das niemand auch nur annähernd für voll nehmen kann, der noch einigermaßen bei Verstand ist. Sogar ein Mann würde merken, dass wir hier gründlich verarscht worden sind! Hoffentlich kriegt sie Shashana nicht zu diesem Krieg herum!“

Kirin blieb erschrocken stehen. „Was für ein Krieg?“, fragte sie. „Was hat deine Mutter vor?“ „Sie will einen Krieg gegen Zeitland führen.“, sagte Minerva. „Prinzessin Eldisa hat zwei Gefangene von Nura vier entführt. Das betrachtet Yanista als Diebstahl und ist so wütend auf die Mächtigen, dass …“ „Und was soll ich dabei?“, fragte Kirin und tat dabei unwissend. „Ich meine, wenn die Waffen demontiert sind, braucht Yanista doch eigentlich auch keine Waffenoffizierin. Oder hofft sie, dass ich die Zeitländer mit einem Augenzwinkern zur Strecke bringen kann?!“ „Ich weiß es nicht.“, sagte Minerva. „Sei’s drum.“, wischte Kirin die eigenen Zweifel schließlich doch weg. „Ich komme erst mal mit.“

Das wahre Motiv für ihr Mitkommen hatte die ausgebildete Agentin allerdings verschwiegen. Sogar Minerva durfte nicht wissen, dass sie nur mitgekommen war, um ein Auge auf das Geschehen auf der Brücke zu haben und im richtigen Moment eingreifen zu können. Was Sedrin tun musste, war zwar völlig gegen die Oberste Direktive, aber um dieses Problem zu lösen, musste sie im Notfall wohl auch eine Meuterei auf einem Genesianerschiff unterstützen. Sie ahnte allerdings nicht, wie schnell dieser Moment kommen würde.

Shashana saß in der großen Halle, als der SITCH von der Canara eintraf. Meduse, ihre Leibwächterin, war die Einzige, die zu diesem Zeitpunkt in der Nähe der obersten Prätora weilte. „Hier ist Shashana.“, meldete sie sich über die in den Tisch, vor dem sie saß, eingebaute Konsole. „Was gibt es, Yanista?“ Am Rufzeichen hatte sie längst erkannt, von wo und von wem der Ruf gekommen war. „Ich muss Euch etwas sagen, oberste Prätora.“, setzte die Prätora der Vetash an. „Aus unserem Arbeitslager auf Nura vier sind zwei Gefangene gestohlen worden. Eine Mächtige hat sie entführt. Es war Prinzessin Eldisa von Zeitland. Das ist eine ehrlose Handlung, die wir uns nicht gefallen lassen dürfen. Es waren zwar nur Männer, aber es geht ums Prinzip. Ich bin sicher, die Mächtigen lachen jetzt über uns. Aber wir sollten ihnen zeigen, dass wir unter dem Schutz einer noch viel mächtigeren Kreatur stehen, als sie es selbst sind, nämlich unter dem Schutz unserer obersten Göttin, der Wächterin von Gore!“ „Aber warum, frage ich dich, hat die Göttin nicht eingegriffen, als die Gefangenen entführt worden sind?“, fragte Shashana nach. „Weil sie unseren Glauben prüfen will.“, antwortete Yanista voller Zuversicht. „Deshalb habe ich meiner Chefingenieurin auch befohlen, alle Waffen zu deaktivieren und zu demontieren. Die Göttin allein wird uns für unseren starken Glauben mit ihrem Schutz belohnen.“ Sie beendete die Verbindung.

Starr saß Shashana da. Sie konnte nicht fassen, was ihr da gerade zu Ohren gekommen war. Blass winkte sie Meduse, die sogleich zu ihr eilte. „Was gibt es, oberste Prätora?“, fragte die Wächterin. „Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich mich entscheiden soll, Meduse.“, vertraute sich Shashana ihr an. „Ich kann mich einfach nicht so blind in die Hände der Göttin begeben, wie Yanista es tut. Ein Krieg mit den Mächtigen wäre kein ehrenhafter Krieg, denn sie kämpfen ohne Ehre. Andererseits dürfen wir uns die Entführung von Gefangenen durch sie auch nicht einfach gefallen lassen, denn dann würden wir zum Gespött des gesamten Universums. Also, was soll ich tun?!“

Mit gesenktem Kopf, ihren Respekt anzeigend, näherte sich die Leibwächterin und setzte sich neben Shashana. „Vergebt einer einfachen Leibwache.“, begann sie. „Aber ich finde, Ihr solltet den Krieg gegen Zeitland ruhig befehlen. Allerdings sollten wir nicht so blauäugig in ihn hineinstolpern ,wie es die Besatzung der Canara tut. Wir sollten unsere Waffen schon noch aktiv halten und der Canara nach Möglichkeit zur Hilfe kommen, wenn sich Yanista überschätzt. Auch ich habe zu viel gesehen, um an unsere Unverwundbarkeit und den Schutz der obersten Göttin zu glauben, wie sie es tut. Immerhin haben uns die Götter zu Kriegerinnen und nicht zu wehrlosen Schafen gemacht, die andere benötigen, um sich zu schützen. Das sollten wir Yanista ins Gedächtnis rufen.“ „Du hast Recht.“, sagte Shashana. „Also, dann geh zu meiner Ingenieurin und sage ihr, sie soll die Rapach warten. Es geht in den Krieg!“ Die Leibwächterin nickte und verließ die große Halle.

Im Dunklen Imperium hatte Telzan alle Hände voll damit zu tun, seine Herrin von den Folgen des Angriffs auf ihre Schöpfung zu heilen. „Dieser verdammte Tindaraner!“, fluchte er. „Die Götter mögen wissen, woher er die nötigen Informationen hatte. Hätte ich doch nur …“ „Mach dir keinen Vorwurf, Telzan.“, tröstete Sytania mit noch immer schwacher Stimme. Das Rosannium, das gegen ihre Schöpfung eingesetzt worden war, hatte ihr doch durch die telepathische Verbindung bedingt auch sehr stark zugesetzt. „Weder du noch ich haben geahnt, dass er zu einem solch primitiven, aber gleichzeitig wirkungsvollen Mittel greifen würde.“ „Das stimmt, Herrin.“, erwiderte der Vendar. „Aber das hätten wir voraussehen müssen.“ „Mit wir meinst du wohl eher ich.“, sagte Sytania. „Aber ich war wohl auch zu sehr der Überzeugung, dass er zu sehr an fortschrittliche Waffen glaubt, um so etwas überhaupt in Betracht zu ziehen.“ „Bitte grämt Euch nicht länger, Gebieterin.“, bat Telzan. „Dieses Mal mögen wir versagt haben. Aber der Zeitpunkt der Rache für uns wird kommen, das fühle ich. Er wird kommen!“

Er zupfte ihr Kissen zurecht und half ihr, sich wieder vorsichtig hinzulegen. Die ganze Zeit davor hatte sie während des Gespräches halb sitzend verbracht. „Du bist so fürsorglich zu mir.“, sagte Sytania. „Du verstehst es, aus jeder Niederlage doch noch das Beste herauszuholen. Ich habe dich nicht umsonst zum Anführer meiner Vendar gemacht. Nicht umsonst.“ Sie gab noch einen Seufzer von sich und schlief ein.

Sharie hatte Tchey nach deren Aussage zur Erde zurückgebracht und war dann wieder in Richtung ihrer Heimat geflogen. Dort war sie auf Kamurus getroffen, der ihr von seinem Teil der Mission berichtet hatte. Dann hatte er Ginalla wieder von seinem Adoptivsohn übernommen. „Wie ist es dir bei Conus ergangen?“, wollte er wissen. „Sehr gut.“, antwortete die junge Celsianerin. „Ich hatte bei deinem Sohn das Rund-um-sorglos-Paket. Er hat echt Talent. Es könnte sein, dass ihr ihn sogar noch viel früher losschicken könnt, sich einen biologischen Piloten zu suchen, als ihr ahnt. Aber wie war’s bei dir? Konntest du aussagen?“ „Das konnte ich.“, sagte Kamurus. „Agent Mikel hat mir geglaubt. Aber die Situation ist noch zu gefährlich für dich. Wir werden hier bleiben und erst dann an der 281 Alpha auftauchen, wenn es sicher für dich ist. Ich weiß, du liebst das Risiko, aber Sytania …“ „Schon klar.“, sagte Ginalla. „Von der alten Schreckschraube gekillt werden möchte ich auch nich’.“ „Na also.“, sagte Kamurus. „Dann sind wir uns ja einig.“

Shimar und seine Schwester hatten sich ins Wohnzimmer begeben. Hier warteten bereits Suvar und Tanell auf ihre Kinder. „Wie ist es gelaufen!“, fragte der Vater, der aus Shimars stolzem Blick bereits eine Richtung ablesen konnte, in die es gegangen sein musste. „Es ist super gelaufen.“, sagte Shinell und zischte ihrem Bruder zu: „Zeig ihnen den Revolver.“

Langsam holte der junge Tindaraner die Waffe hinter seinem Rücken hervor und legte sie grinsend auf den Tisch. Dann folgte auch alles andere, was noch dazu gehörte. „Na, das ist auf keinen Fall ein Phaser.“, stellte Tanell fest. „Nein.“, sagte Shinell. „Das ist ’ne Waffe von der Erde. Sie wurde dort im so genannten Wilden Westen benutzt. Wir mussten so etwas benutzen, weil Sytanias Schöpfung Energie absorbiert hätte. Nur so konnten Shimar und ich Time retten.“

Shimar stieß ihr den Ellenbogen in die Seite: „Im Allgemeinen fängt man am Anfang an, Schwesterchen und nicht am Ende.“ „Dann erzähl du doch!“, stieß Shinell hervor. „Wenn du es besser kannst.“

Dann berichtete Shimar, was sich im Wald zugetragen hatte. Angespannt lauschten die Eltern jedem seiner Worte. Auch eine genaue Schilderung der Rettungsaktion für Commander Time ließ er nicht aus. „Um ehrlich zu sein, waren deine Mutter und ich nicht wirklich damit einverstanden, dass ihr zwei zum Militär geht.“, gab Suvar schließlich zu. „Wir hatten viel zu große Angst, dass euch dort etwas geschehen könnte. Aber anscheinend kann man ja dort auch viel lernen.“ „Oh, ja.“, nickte Shinell. „Es fördert das taktische Denken und man kommt ziemlich herum, wenn man nicht vorher das Pech hat, abgeschossen zu werden. Mein Bruderherz hier hatte da wohl mehr Glück. ER hat jemanden getroffen, die ihn zu dieser Idee inspiriert hat. Der Rest war ein Kinderspiel.“

Tanell erhob sich von ihrem Stuhl. „Es ist spät.“, sagte sie. „Wir sollten alle schlafen gehen.“ „Also gut.“, sagte Shinell und nahm ihren Bruder bei der Hand: „Ich zeige dir, wo du unterkommen kannst.“ Dann schritten sie die Treppe zu den Schlafzimmern hinauf. Die Eltern sahen ihnen noch stolz nach. „Ich hätte nie gedacht, dass unsere Kinder einmal in der Lage währen, ganz allein Sytania zu besiegen.“, wandte sich Suvar an seine Frau. „Stell dir das vor. Unsere Kinder, Tanell!“ „Ja, unsere Kinder, Suvar.“, entgegnete sie stolz und strich verliebt über seine Hand.

Ein alter rostiger genesianischer Müllfrachter hatte Shimars Körper auf einem der unzähligen Planetoiden in der Nähe von Nura vier abgeladen. Nachdem man ihn sechs Fuß unter der Erde gelassen hatte, war man wieder abgeflogen. Da auch die Sensoren des Schiffes nicht wirklich effizient waren, war seiner Besatzung auch das kleine Shuttle entgangen, das sich in seinem Schatten immer näher an den Planetoiden schob. Bei dem Shuttle handelte es sich um ein Schiff der Cobali, das mit einem Mann, dessen Statur mit viel Fantasie an einen Terraner erinnerte und einer Frau, deren Erscheinungsbild noch Reste einer Betazoiden aufwies, besetzt war. „Hast du das gesehen, Marak?“, fragte die Frau und schaute fast entzückt auf den Schirm. „Das habe ich, Aglaia.“, antwortete der Mann. „Aber wir sollten warten, bis sich die Genesianer vollständig verzogen haben. Dann können wir ihn bergen.“

Aglaia nahm einige Einstellungen am Erfasser vor. „Er ist Tindaraner gewesen.“, sagte sie dann. „Normalerweise können wir sie nicht zur Fortpflanzung benutzen, weil ihre Körper sofort nach dem Tod versteinern. Aber bei diesem ist das nicht der Fall. Wir scheinen unheimliches Glück zu haben, Marak.“ „An so eine Art von Glück glaube ich nicht einfach so.“, erwiderte der Mann skeptisch. „Wir sollten ihn auf jeden Fall zunächst gründlich untersuchen, bevor wir vielleicht etwas tun, was wir später sehr bereuen.“ „Aber er könnte der Sohn werden, den wir uns immer gewünscht haben, Marak.“, sagte Aglaia. „Trotzdem musst du dir in Erinnerung rufen, dass wir zwar die Toten anderer Völker bergen, um uns fortzupflanzen, aber nicht dafür morden. Sollte er noch leben, dürfen wir es nicht. Jedenfalls werde ich nicht den letzten Funken Leben in ihm auslöschen. Das hat noch nie ein Cobali getan und ich werde nicht der Erste sein!“

Angesichts seiner harten Worte kamen Aglaia die Tränen. Ihr Kinderwunsch war schon immer stärker als der ihres Mannes gewesen, aber was er ihr jetzt quasi unterstellte, war zu viel für sie. Auch Marak sah seinen Fehler schließlich ein. „Es tut mir leid.“, entschuldigte er sich und strich ihr über die Wange, an der seine große Hand auch gleich einige Tränen auffing. „Ich habe doch auch nicht verlangt, dass du mordest, um uns den Kinderwunsch zu erfüllen.“, sagte Aglaia. „Es ist nur …“ „Sch.“, machte Marak und strich ihr über das Haar. „Es ist nur, weil wir auf der Suche nach einem Kind schon seit Monaten ohne Erfolg durch die Galaxie streifen, was?“, sprach er ihr aus der Seele. „Ich kann deine Motivation nachvollziehen, aber ich handle nicht nur als ein eventueller Vater, sondern auch als Arzt, dem die verantwortungsvolle Aufgabe in die Hände gelegt wurde, die Toten anderer Völker in ihr Leben als unsere Kinder zu überführen. Die Kommission hat mir die private Reise mit dir zum Finden eines Kindes auch nur erlaubt, weil sie aufgrund meiner Vernunft davon ausgingen, dass ich mit diesem Gewissenskonflikt fertig würde.“ „Und deine Art, damit fertig zu werden ist also, dass du mir unterstellst, ich würde jemanden ermorden wollen.“, erwiderte Aglaia. „Ich wollte dir nicht wehtun.“, entschuldigte sich Marak nochmals mit mildem Blick. „Es ist nur für mich auch schwierig.“ „Kann ich mir vorstellen.“, sagte Aglaia, um einen Schritt auf ihn zuzugehen. „Verzeih mir bitte.“ „Ich verzeihe dir, wenn du mir verzeihst.“, antwortete der Cobali. Seine Frau nickte.

Marak warf einen erneuten Blick auf den Erfasser. „Warum ist er nicht versteinert?“, fragte er jetzt auch sich. „Wir sollten ihn auf jeden Fall untersuchen.“ Er befahl dem Computer, Shimars Körper auf den Operationstisch im hinteren Teil des Schiffes zu beamen.

Shinell hatte ihren Bruder ins Schlafzimmer zu einem Möbel geführt, das in gewisser Weise an eine überdimensionierte Schlafhöhle für Haustiere erinnerte, die an einem Gestell für einen Wohnzimmertisch befestigt war. Das für uns vielleicht merkwürdig anmutende Polster maß 2,00 m in der Länge und einen Meter in der Breite. Es war aus weichem bunten Stoff und hatte eine ebenso weiche Matratze. Auch das Kissen und die Decke waren sehr weich. „Hey.“, lächelte Shimar. „Ihr habt mein altes Zimmer hergerichtet?“ Shinell schnaubte nur verächtlich durch die Nase. „Ich weiß, ich weiß.“, beschwichtigte Shimar sie. „Was man sich hier wünscht, wird wahr.“

Shinell setzte sich auf eines der neben dem Bett herumstehenden zylindrischen Sitzkissen und beobachtete, wie sich Shimar hinlegte. „Versuch bitte, nicht so überrascht zu tun.“, lächelte sie. „Ich habe dir doch schon immer beim Einschlafen zugesehen. Schon als du klein warst. Erinnerst du dich nicht mehr?“ „Oh, doch.“, sagte Shimar. „Ich bin es nur nicht mehr gewohnt.“

Er zog die Decke über sich und schloss die Augen. Aber sein Ziel war nicht der Schlaf. Immer wieder fragte er sich im Geist: Wo ist mein Körper?

Die Antwort auf diese Frage würde er auch bald sehen. Shimar sah sich auf dem Operationstisch der Cobali liegen. Er wusste, wenn er jetzt nicht in seinen Körper zurückkehren würde, dann würden sie ihn zu einem ihrer Kinder machen. „Ich muss gehen, Shinell.“, sagte er. „Bitte sag Mutter und Vater, dass es mir leid tut, aber ich kann nicht länger bleiben. Ich muss zurück in meinen Körper. Bitte mach das wieder rückgängig, was du mit meiner Silberschnur gemacht hast.“ „Das brauche ich nicht.“, sagte Shinell. „Versuche einfach nur, deine Silberschnur wahrzunehmen und lass dich von ihr zurückbringen.“ „Also gut.“, sagte Shimar. „Ich versuche es.“

Er begann, sich auf seine Silberschnur zu konzentrieren. Tatsächlich sah er sich bald durch das Dach des Hauses schweben und dann dauerte es nur eine Sekunde und er hatte das Gefühl, wieder in seinem Körper zu sein. Jetzt musste es ihm nur noch gelingen, die Cobali auf sich aufmerksam zu machen.

Marak hatte seinem Schiffsrechner die Steuerkontrolle übergeben und war gemeinsam mit seiner Frau in den hinteren Teil des Schiffes gegangen. Hier standen sie jetzt vor dem Operationstisch und betrachteten die Monitore. „Es ist merkwürdig.“, sagte Marak. „Der Computer zeigt einwandfrei an, dass er noch Reflexe hat. Also lebt er. Warum die Genesianer ihn trotzdem begraben haben, ist mir ein Rätsel.“ „Das heißt, wir können ihm wirklich keine neue neurale Energie implantieren, die …?“, fragte Aglaia. „Nein!“, antwortete Marak mild. „Aber ich schätze, er wird uns gleich alles erklären.“

Im gleichen Moment holte Shimar tief Luft und öffnete die Augen. „Danke für eure Hilfe.“, sagte er. Verwirrt sahen die beiden Cobali ihn an. „Ich weiß, dass ich euch für meine Flucht benutzt habe.“, gestand Shimar. „Aber es ist extrem wichtig. Ich habe Informationen, die bestimmte Leute unbedingt haben müssen.“

Er versuchte aufzustehen. „Langsam.“, bremste ihn Marak. „Du bist nicht ganz gesund. In deiner Stirnhöhle befinden sich Reste einer Entzündung, die wir entfernen werden. Dann kannst du uns alles erklären. Wir sind dir nicht böse. Du scheinst keine bösen Absichten zu verfolgen. Aber du scheinst sehr in Not gewesen zu sein. Warum sonst würdest du eine so abenteuerliche Flucht geplant haben und riskiert haben, dass wir dich zu einem unserer Kinder machen? Wir sollten so schnell wie möglich die Entzündungsreste aus dir herausholen, bevor sie noch Schaden anrichten. Aber du kannst mir vertrauen. Mehr wird an dir nicht operiert.“ „Ist OK.“, sagte Shimar und sank in die Kissen zurück.

Kapitel 50 - Rettende Meuterei

von Visitor

 

Mittels ihrer seherischen Fähigkeiten hatte Eldisa das Herannahen des genesianischen Kampfverbandes durchaus wahrgenommen. „Sie sollen nur kommen.“, flüsterte sie Crimach zu. „Ich werde ihnen einen würdigen Empfang bereiten.“ „Bitte überlegt Euch, was Ihr da tut, Gebieterin.“, versuchte Crimach, sie zu beschwichtigen. „Ihr werdet einen Krieg zwischen Sterblichen und Mächtigen heraufbeschwören.“ Die Prinzessin winkte nur müde lächelnd ab.

An vorher vereinbarten Koordinaten hatten sich die genesianischen Schiffe getroffen und waren gemeinsam nach Zeitland geflogen. Die Canara war dem Verband als Führungsschiff vorangestellt. Schließlich waren auch die Vetash der Clan, der in erster Linie das Recht hatte, gegen Eldisa vorzugehen. „Da liegt unser neues Herrschaftsgebiet, meine Kriegerinnen!“, begann Yanista eine Ansprache. „Wir werden es dieser feigen Prinzessin schon zeigen! Hera, bring uns nach …“

Weiter kam sie nicht, denn im nächsten Moment zerrissen Blitze die Luft um sie und auch alle anderen herum. Die Blitze waren das Resultat berstender Energieleitungen. Gleichzeitig hatte ein starker Ruck die Canara zum Stoppen gebracht.

„In Deckung, Prätora!“, rief Kirin ihrer Kommandantin zu, denn sie hatte aus dem Augenwinkel eine Stichflamme beobachtet, die aus der Kommandokonsole kam. Dann explodierte das Gerät vor Yanistas Augen. Im dichten auf der Brücke herrschenden Rauch konnte niemand auch nur die Hand vor Augen sehen! „Bericht, Hera!“, forderte Yanista aus ihrem Versteck. Als tapfere Kriegerin hätte sie es zwar vorgezogen, jetzt stolz aufrecht und mutig vor ihrer Besatzung zu stehen, aber den Elementen und den Naturgesetzen musste sich auch eine Genesianerin geschlagen geben. Am Boden war sie immer noch am sichersten. Rauch und Strahlung ziehen ja bekanntlich zuerst nach oben. „So weit ich das beurteilen kann, Prätora.“, setzte die junge Pilotin an. „Sind wir in irgendeine Art von Phänomen geraten, das die Sensoren nicht vorher gemeldet haben. Wahrscheinlich war es vorher auch noch nicht da. Ihr wisst, wozu Mächtige in der Lage sind.“ „Was hat dieses Ding mit meinem stolzen tapferen Schiff gemacht?!“, erkundigte sich Yanista. „Veleta sagt, die Energie des Phänomens hatte direkten Kontakt mit dem Antrieb und auch mit vielen anderen Energiesystemen. Der Kurzschluss frisst sich weiter.“, erklärte Hera.

Jetzt musste sich auch Kirin ducken, denn der Kurzschluss hatte das Waffenpult erreicht und dort zu genau der gleichen Explosion geführt, die auch die Kommandokonsole in Schutt und Asche gelegt hatte. Hoffentlich kriegt ihr das hier mit., dachte Sedrin an die Xylianer gewandt. Dann meldete sie: „Die automatischen Feuerlöschsysteme reagieren, Prätora!“ „Na wenigstens etwas.“, gab Yanista zurück.

„Warum hat uns die Göttin nicht geschützt, Mutter?!“, meldete sich jetzt plötzlich Minerva zu Wort. Sie stand mit gezogenem Phaser vor ihrer Mutter, ein eindeutiges Zeichen für eine Herausforderung. „Du wagst es, in so einer Situation deine Mutter und Prätora offen zu fordern?!“, erwiderte Yanista. „Ja, das wage ich!“, sagte Minerva fest. „Du bist wahnsinnig, Mutter. Wahnsinnig vor Glaube. Kirin und ich haben es dir versucht zu beweisen. Aber du hast nicht auf uns gehört. Statt dessen führst du uns in diesen sinnlosen Krieg, in dem du glaubst, dass eine nicht existierende Gestalt uns schützt. Aber jetzt siehst du, was du davon hast! Wer will dieser Wahnsinnigen entsagen? Wer schließt sich mir an!“

Kirin und Hera standen gemeinsam auf und stellten sich neben Minerva. „So ist das also!“, bemerkte die Prätora. „Ihr alle beide verleugnet euren Glauben, sobald es unbequem wird. Aber dafür wird euch die große Göttin bestrafen. Mich aber wird sie belohnen!“ Damit verließ Yanista die Brücke.

Minerva schlotterten die Knie, ein Umstand, den sie so gut es ging vor den anderen Kriegerinnen geheim zu halten versuchte. Aber der sehr aufmerksamen Kirin konnte sie nichts vormachen. Kirin, die wohl schon ahnte, was Yanista tun würde. Jedenfalls nahm die Demetanerin das Mikrofon der noch funktionierenden Sprechanlage in die Hand und betätigte den Knopf, der sie mit dem Maschinenraum verband. Hier meldete sich Shira. „Sag mir sofort, ob die Prätora noch an Bord ist!“, forderte Kirin. „Nein, Kirin.“, sagte die technische Assistentin. „Sie hat sich ein Shuttle genommen und ist damit fortgeflogen.“ „Danke.“, sagte die Demetanerin jetzt sehr sachlich. Sie wollte nicht, dass Minerva etwas von dem mitbekam, was sie längst vermutete.

„Erbprätora!“, wendete sich Hera plötzlich an Minerva. „Ich habe gerade ein Shuttle gesehen, das sich von uns weg auf den Kern des Phänomens zu bewegt. Eure Mutter ist an Bord!“ „Ruf das Shuttle, Hera und verbinde mit mir!“, forderte Minerva. „Ja, Erbprätora!“, erwiderte Hera schmissig und führte den Befehl des jungen Mädchens aus.

Bald sahen alle das Gesicht der Prätora auf dem Hauptschirm. Ihre Augen funkelten. Es war ein Funkeln, wie man es im Allgemeinen bei Verrückten antrifft. Kirin konnte sich denken, wohin das führen würde. Sie setzte sich neben Minerva und hielt ihre Hände in die Höhe, bereit der Erbprätora die Augen zuzuhalten, falls es zu schlimm werden sollte. Minerva war zwar eine genesianische Kriegerin, aber sie war auch erst ein 14-jähriges Mädchen, das ihrer Ansicht nach noch viel zu jung war, um zu sehen, was sie gleich sehen würde, wenn der Gedankengang der Demetanerin nicht völlig falsch war, wovon sie nicht ausging.

„Was tust du da, Mutter?!“, fragte Minerva mit fast ängstlich anmutender Stimme. „Bitte dreh um! Wenn du in das Phänomen fliegst, wirst du sterben!“ „Das werde ich nicht!“, erwiderte Yanista. „Die Göttin selbst wird mich schützen und meinen Körper zu ihrem Werkzeug machen, um dieses Phänomen zu zerstören! Oh, große Göttin, lass mich dein Werk …“

Weiter kam sie nicht. Kirin und Minerva hörten nur noch eine Mischung aus einem lauten Schrei und einigen Explosionen. Geistesgegenwärtig hatte Sedrin der Erbprätora die Augen zugehalten, um sie vor dem größten Teil des Schocks zu bewahren.

„Vor uns sind Leichenteile und Trümmer zu sehen, Erbprätora.“, meldete Hera. Starr vor Entsetzen saß Minerva da. „Was sollen wir tun?“, fragte die Pilotin und Kommunikationsoffizierin weiter.

„Hilf mir, Kirin.“, flüsterte Minerva ihrer Freundin mit zitternder Stimme zu. „Ich bin doch noch viel zu jung, um einen Clan zu führen.“

Die Demetanerin stellte sich mit geradem Kreuz und fester Haltung vor alle hin. „Hört her!“, sagte sie. „Ich bin soeben von der Erbprätora zu ihrer Interimsprätora ernannt worden! Hera, welche Systeme funktionieren noch?“ „Der Heckantrieb und der SITCH, Prätora Kirin!“, meldete die Angesprochene. „Dann wirst du beides jetzt benutzen!“, befahl Kirin. „Leite einen Rückwärtsflug ein und dann stell mich an das Rufzeichen durch, was ich dir gerade an deine Konsole übermittelt habe!“ „Wie Ihr befehlt.“, sagte Hera und führte die Befehle aus. „Stell die Verbindung auf den Hauptschirm!“, befahl Kirin. Auch das tat Hera.

Mit Staunen sahen bald alle das Gesicht Eldisas. „Ich bin Prinzessin Eldisa von Zeitland.“, stellte sich die Mächtige vor. „Ich hoffe, ihr habt eure Lektion gelernt.“ „Ich bin Kirin, Interimsprätora des Clans der Vetash.“, stellte sich die Demetanerin ihrerseits vor. „Die Prätora ist tot und die Erbprätora noch zu jung, um diesen Clan allein zu führen. Ich bitte Euch daher, Euer Phänomen abzuziehen, Prinzessin. Ihr hattet Eure Rache. Durch Euer Phänomen ist die Mutter dieses Mädchens zu Tode gekommen, das nicht viel älter ist als Ihr. Ich weiß, dass Ihr wisst, wie es ist, wenn man einen Elternteil verliert. Ihr habt Euren Vater durch diese Situation verloren. Aber jetzt würde ich sagen, seid Ihr und die Genesianer mehr als quitt.“

Quälende fünf Minuten vergingen. Dann meldete Hera die Auflösung des Phänomens. Erstaunt sah Minerva Kirin an. „Du scheinst nicht nur in der Kunst der Wissenschaft, sondern auch in der Kunst der Diplomatie sehr bewandert zu sein.“, stellte sie fest. „Das war doch gar nichts.“, sagte Kirin. „Ich habe doch nur festgestellt, dass ihr beide eine Gemeinsamkeit habt und meine Vermittlung darauf aufgebaut.“ „Aber das hätte eine einfache Frau vom Lande, die du sein willst, sicher nicht hinbekommen.“, sagte Minerva. „Wer bist du wirklich, Kirin?“

Der SITCH rettete Sedrin aus dieser doch für sie sehr beklemmenden Situation. Am anderen Ende der Verbindung war Shashana. „Die oberste Prätora wünscht mit der Interimsprätora der Vetash zu sprechen.“, meldete Hera. „Verbinde!“, befahl Kirin. „Kirin, wir werden dein Schiff in Schlepp nehmen!“, hörte Sedrin bald darauf eine vertraute Stimme. „Ich möchte dich an Bord meines Schiffes treffen und mit dir reden. Ich möchte wissen, wie es dir möglich war, ohne das Einsetzen der Waffen das Phänomen zu zerstören.“ „Wie Ihr wünscht, oberste Prätora.“, gab Sedrin zurück. Dann befahl sie Hera, sämtliche Antriebssysteme der Canara zu deaktivieren, wonach die Rapach das beschädigte Schiff in den Traktorstrahl nahm und der gesamte genesianische Verband die Dimension Zeitland wieder verließ.

Weinend stand Eldisa vor den Scherben ihres Plans. Dass diese Fremde sie an den Tod ihres Vaters erinnert hatte, schmerzte die Prinzessin sehr. Deshalb nahm sie die Gestalt, die sich ihr langsam näherte, auch erst sehr spät wahr. „Eldisa?“, fragte die Frau freundlich und Eldisa erkannte, dass es sich um ihre über alles geliebte Mutter handelte. „Oh, Mutter.“, schluchzte sie und ließ sich in Lady Messalinas Arme fallen. „Ich bereue so sehr, was ich den Genesianern tun wollte. Ich bereue es so sehr. Mit einem einzigen Gedanken hätte ich sie vernichten können und sie hätten sich nicht wehren können. Ich hätte sie nur für meine Rachegelüste bluten lassen. Ich wäre nicht besser gewesen als Clytus, der ja die Sterblichen auch nur zum Durchsetzen seiner Ziele …“ „Clytus hat seine Lektion gelernt.“, tröstete Messalina. „Und wie es aussieht, hast du das auch. Ich habe mit Absicht nicht eingegriffen, um dich auflaufen zu lassen. Wir dürfen die Sterblichen nun mal nicht missbrauchen.“ „Das weiß ich jetzt, Mutter.“, entgegnete die Prinzessin. „Aber was machen wir mit Clytus?“ „Wir werden ihn zu seiner Tante und seinem Vater zurückschicken.“, entschied Messalina. „Dort ist er wohl immer noch am sichersten, bis eine Lösung wegen seiner Rückverwandlung gefunden ist.“ „In Ordnung.“, nickte Eldisa.

Meduse führte Kirin, die von Veleta an Bord der Rapach gebeamt worden war, den Gang zum Bereitschaftsraum der obersten Prätora entlang. Sedrin ahnte, dass ihr Verhalten dazu geführt haben musste, dass Shashana sie enttarnt hatte. Aber das durften die anderen auf keinen Fall wissen! Die Agentin machte sich aber über diesen Umstand keine Sorgen. Laut ihrer Absprache mit den Xylianern war das ja auch alles so geplant. Die Xylianer hatten schon lange die Vermutung, dass Shashana, während sie die Eroberungsfeldzüge geführt hatte, nicht mehr Herrin ihrer Sinne war und dass dies keinesfalls auf das Eingreifen ihrer Göttin zurückzuführen war. Aber das galt es jetzt zu beweisen.

Vor der Tür des Raumes blieb die Leibwache stehen und bedeutete Kirin, das Gleiche zu tun. Dann meldete sie sich und die Demetanerin auf Genesianisch bei ihrer Prätora an, worauf die Türen des Raumes auseinander glitten und den Blick für Sedrin auf einen karg und farblos eingerichteten Raum mit nichts als einem Schreibtisch, einem Replikator und einer harten Bank frei gaben. Die Demetanerin wusste, dass dies die normale Einrichtung auf einem Genesianerschiff war. Wie die Klingonen auch hielten die Genesianer nicht viel davon, ihre Körper mit Polstern zu verwöhnen.

Shashana winkte Kirin, in den Raum zu kommen. Meduse aber wies sie schroff ab. Dann schlossen sich die Türen zwischen ihr und der Demetanerin auf der einen und der ausgesperrten Leibwache auf der anderen Seite. „Setz dich zu mir.“, bot die oberste Prätora Sedrin in akzentfreiem Englisch einen Platz an. Ihre Stimme klang dabei für eine Genesianerin sehr freundlich. Dann replizierte sie beiden eine Schüssel mit Veddach, einer auf Genesia Prime sehr bekannten Quarkspeise, die drei mal so stark wie durchschnittliches terranisches Zaziki ist. „Ich hoffe, dass du deine Tabletten genommen hast.“, deutete sie an. „Dies hier ist nämlich repliziertes Essen.“ „Ich weiß beim besten Willen nicht, wovon Ihr redet, oberste Prätora.“, versuchte Sedrin, ihre Tarnung, die schon lange keine mehr war, aufrecht zu erhalten. „Oh, doch.“, grinste Shashana. „Das weißt du ganz genau. So viele Demetanerinnen mit der Replikatorkrankheit arbeiten nicht für die Sternenflotte, Sedrin!“

Eigentlich hatte Shashana wohl damit gerechnet, dass Sedrin leugnen würde, aber die Agentin ließ ruhig und besonnen ihren Löffel in die Schüssel fallen. „Ja, ich bin es.“, gab sie zu. „Nur in einem hast du unrecht. Ich arbeite nicht für die Sternenflotte. Ich arbeite für die Xylianer. Sie haben mich bei euch eingeschleust, weil sie wissen wollen, warum ihr auf einmal so verrückte Dinge tut. Sie haben alles beobachtet. Alles von Anfang an.“

„A/1 macht sich keine Vorstellung!!!“, schrie Shashana und stand auf, um ihre Schüssel im nächsten Augenblick gegen die Wand zu werfen und einige Flüche auf Genesianisch auszustoßen. Sedrin beobachtete das Verhalten ihrer Freundin ruhig gelassen und reserviert. Sie hatte geahnt, dass es hierzu kommen würde, denn das war für Genesianerinnen normal. Aber es war auch die Vorstufe dazu, dass sie reden würde. „Dann sollten wir ihm helfen, sich eine Vorstellung zu machen.“, sagte Sedrin und nahm beide Hände der Genesianerin in die Ihren. „Reden Sie mit mir, Shashana. Sagen Sie mir, was Ihnen passiert ist!“ „Du willst, dass ich rede!!!“, schrie Shashana. „Also gut, dann rede ich! Ich war gerade ins Bett gegangen, als ich von einer merkwürdigen Kreatur in energetischer Form überwältigt wurde. Sie bemächtigte sich meines Körpers und verpasste mir ein telepathisches Zentrum. Sie ließ mich Dinge tun, die ich zutiefst verabscheue. Eine genesianische Kriegerin benutzt keine Gedankenbefehle im Kampf und überfällt keine Außenposten hinterhältig. Sie gibt sich auch nicht als Göttin aus. Als mich dieses Ding nicht mehr brauchte, hat es das Zentrum wieder entfernt und sich meiner entledigt. Ich wusste, das kann nicht die Wächterin von Gore sein, denn sie hat uns ja den Pfad der Ehre gezeigt, aber sie würde uns nie von ihm abbringen! Ich wusste das, aber ich habe nichts tun können! Aber warum interessieren sich die Xylianer dafür?“ „Sie sind künstliche Lebensformen.“, sagte Sedrin. „Sie dachten, dass sie uns helfen müssten, weil sie die Einzigen wären, die dazu in der Lage seien. Sie können keine Telepathie empfangen.“ „Verstehe.“, sagte Shashana. „Und falls du wissen willst, ob ich meine Medikamente genommen hatte. Ja, das hatte ich leider. Hätte ich sie vergessen, hätte dieses Ding keine Chance gehabt, mich zu übernehmen. Hätte ich sie doch nur vergessen! Eigentlich müsste ich alle eroberten Gebiete zurückgeben. Aber dann würde ich mein Gesicht verlieren. Was können wir tun, Sedrin? Was können wir tun?“ „Ich habe Freunde, die sicher eine Lösung finden werden.“, sagte die Agentin zuversichtlich. „Ihr müsst mich nur gehen lassen.“ „Ich werde nicht nur dich gehen lassen.“, sagte Shashana und zog ihr Sprechgerät: „Meduse, führe ihn herein!“

Die Türen öffneten sich und die Wächterin führte einen Demetaner höheren Alters in den Raum. „Er gehört dir!“, sagte Shashana. „Er ist deine Belohnung für die Rettung der Vetash aus dieser unehrenhaften Situation! Außerdem wird ein Shuttle auf dich warten. Meduse wird euch hinbringen.“

Sedrin, die Yetron längst erkannt hatte, verpasste ihm einen Schlag in den Nacken und sprach eine genesianische Formel, deren Übersetzung: „Betrachte dich als meinen Ehemann!“, lautete. Wie er es gelernt hatte, nickte Yetron dies ab und folgte ihr in 10 Schritten Abstand.

Mikel und Kissara hatten mit dem von Jannings und McKnight als zivil „verkleideten“ Shuttle den Weg ins Qualor-System angetreten. Aber auch sie waren nicht minder kostümiert. Kissara trug einen schwarzen Samtrock und eine weiße Bluse mit Blumenmotiven. Ihre Füße steckten in ebenfalls schwarzen Schuhen mit hohen Pfennigabsätzen, die jeweils auf dem Spann von einer weißen Rosette geziert wurden, die eine Rosenblüte emittierte. Außerdem trug sie eine rote Damenhandtasche bei sich, in der sich außer einem Schminkköfferchen auch noch ein als Simu-Cam getarnter Erfasser befand. Mikels Outfit bestand aus einem schwarzen Anzug aus Jeans und braunen Herrenschuhen. Auch er hatte eine Tasche mit einem getarnten Erfasser bei sich. Nur befand sich in der Seinen auch noch der Datenkristall mit der Bestätigung des Termins.

„Wie ist es gelaufen, Agent?“, fragte Kissara, der Mikels stolzer Blick nicht entgangen war. „Es ist sehr gut gelaufen, Commander.“, erklärte der Geheimdienstler ruhig. „Ich wurde zwar von Pontius bis Pilatus verbunden und musste ebenso viele Mails mit Formularen bearbeiten, aber sich durch den Wust zu kämpfen, hat sich schließlich doch gelohnt.“ „Das konnte ich mir denken, Mikel.“, sagte Kissara und klopfte ihm mit ihrer samtigen rechten Hand auf die Schulter. „Schließlich haben Sie und die Zagdorn einiges gemeinsam.“ Sie lächelte.

„Ich habe mir gedacht, dass wir folgendermaßen vorgehen.“, erklärte Mikel. „Sie geben vor, ein echter Fan von Commander Time zu sein und unbedingt an seinen Wirkungsstätten abgelichtet werden zu wollen. Das wird unser Museumsführer sicher gern für Sie tun, wie ich ihn einschätze. Der Verwalter persönlich will uns über die Electronica führen. Er sagte mir, dass ihn ein Ferengi darauf gebracht hätte, aus dem ersten Flagschiff der Sternenflotte ja schließlich noch etwas Gewinn herausschlagen zu können.“ „Ein Ferengi.“, grinste Kissara. „So, so. Ich nehme an, der will auch später den Schrott aufkaufen. Wenn das Ding vorher ein Museumsschiff war, wird der Wert sicher noch um ein Vielfaches steigen.“ „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Mikel. „Die Electronica ist ja schon allein dadurch sehr wertvoll, dass sie das Flagschiff der Sternenflotte war.“ „Ganz recht.“, bestätigte Kissara. „So eine Geldanlage hat sicher nicht jeder Ferengi im Garten.“

Sie flogen in das Qualor-System ein. „Ich werde jetzt SITCHen.“, sagte Mikel. „Wir werden jemanden an Bord beamen, der uns begleitet. Es wird Mr. Ducatchin sein. Der wird uns auch führen, oder besser du wirst ihm auf den Sender gehen, damit ich in Ruhe schnüffeln kann, Naralinn.“ „Aber sicher werde ich ihn gern für dich ablenken, Markus.“, lächelte Kissara.

Mikel gab ein Rufzeichen in das Sprechgerät des Shuttles ein. Bald meldete sich ein älterer Zagdorn. „Mein Name ist Semm Ducatchin.“, sagte er. „Angenehm.“, sagte Mikel und legte einen starken deutschen Akzent in sein Englisch. „Ich bin Markus Meier von der Erde. Meine thundarianische Freundin und ich sind hier, weil ich ihr zu unserem 20. Jahrestag gern einen lang gehegten Wunsch erfüllen wollte. Sie sagt zwar, sie liebt mich, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich sie mit Commander Time teilen muss. Sie kommt damit gar nicht klar, dass er ins Gras gebissen hat.“ „Ah, ja.“, sagte der Zagdorn. „Wir haben per SITCH-Mail Kontakt gehabt. Ich erinnere mich. Seien Sie versichert, bei mir wird Ihre Freundin alles noch so vorfinden, wie es war, als Time gestorben ist. Bei uns wird so schnell nichts verändert. Darauf passen wir schon auf. Meine Familie verwaltet diesen Raumschifffriedhof schon seit rund 800 Jahren und noch nie ist etwas passiert! Bitte deaktivieren Sie jetzt den Antrieb, damit ich zu Ihnen an Bord beamen kann.“ „Machen wir.“, flapste Mikel und tat, worum der Zagdorn ihn soeben gebeten hatte.

„Ducatchin.“, überlegte Kissara. „Den Namen kenne ich.“ „Ich auch.“, sagte Mikel. „Und dann wissen Sie ja auch um die kleine peinliche Affäre, wegen der ich ihm seine Angeberei nicht abnehme.“ „Oh, ja.“, sagte sie. „Aber bei so einem aufgeblasenen Ego sollte es mir leicht fallen, ihn abzulenken. Übrigens sollten Sie das Steuer behalten, Mikel. Sie dürften mit den Maßeinheiten, die sie für die Geschwindigkeit benutzen, vertrauter sein.“ „Schon gut.“, sagte Mikel. „Du willst dich ja sicher noch frisch machen, Naralinn.“ „Aber sicher, Markus.“, antwortete sie. „Schließlich will ich an der Wirkungsstätte meines Idols nicht wie ein Bauerntrampel auftreten.“

Der Zagdorn wurde an Bord gebeamt und Kissara verschwand in den hinteren Teil des Shuttles. Hier würde sie warten, bis Mikel sie über die Sprechanlage darüber informiert hätte, dass sie am Liegeplatz der Electronica angekommen waren. Während die Männer das Schiff dorthin brachten, würde sie viel Zeit haben, über ihre Rolle nachzudenken und sich noch besser dort hineinzufühlen. Die etwas dümmliche Rolle, die Mikel ihr bei dieser Aktion zugedacht hatte, störte Kissara nicht. Sie einzuhalten würde sogar von enormer Wichtigkeit sein. Ducatchin durfte ja auf keinen Fall sehen, was im Hintergrund passierte.

Fasziniert hatte Ducatchin Mikel beim Fliegen des Shuttles zugeschaut. „Ich benutze ein Hilfsprogramm, das mir alle Hindernisse ansagt.“, erklärte der blinde Agent. „Na dann ist ja gut.“, stöhnte Ducatchin erleichtert. „Ich hatte schon befürchtet, Sie permanent dirigieren zu müssen.“

Der Liegeplatz der Electronica war erreicht und Mikel dockte das Shuttle an einem ausgewiesenen Dock daneben. Dann benutzte er die Sprechanlage: „Mausi, bist du so weit? Wir wären dann da.“ „Einen Moment noch, Schatzi.“, quietschte Kissara übertrieben hoch zurück. „Ich kann mich einfach nicht für eine Farbe Lippenstift entscheiden. Ach, da kannst du mir ja nicht helfen. Das siehst du ja nicht. Das habe ich total vergessen. Verzeihst du mir noch mal, Bärchen?“ „Aber sicher doch, Mausezahn.“, sagte Mikel und versuchte, ein genervtes Gesicht zu machen. „Ja, ja.“, stöhnte er. „Die Frauen. Man kann nicht mit ihnen und man kann nicht ohne sie.“ „Wem sagen Sie das.“, erwiderte der Zagdorn.

Wenig später betrat Kissara wieder das Cockpit. „Ihre Freundin sieht umwerfend aus.“, flüsterte Ducatchin Mikel zu. „Wenn ich nicht wüsste, dass Sie mir nur helfen wollten, würde ich dies jetzt als Grund für eine handfeste Prügelei betrachten!“, spielte Mikel den Eifersüchtigen. „Ihr macht niemand Komplimente, außer mir! Ist das klar?!“ Ducatchin nickte. Kissara aber nahm dies gleich zum Anlass, um, wie vorher mit Mikel abgesprochen, mit ihrer Ablenkung zu beginnen. „Oh, er ist immer so aufbrausend, mein Schatzi. Aber das muss Sie nicht kümmern. Er weiß, dass ich keinen anderen Mann liebe außer ihm. Noch nicht mal Time. Ich bin nur ein großer Fan. Ach, könnten wir zur Brücke gehen, damit ich ein paar Simu-Photos machen kann?“ „Natürlich.“, sagte Ducatchin. „Passen Sie aber gut auf sie auf!“, sagte Mikel energisch. „Sonst kriegen Sie Probleme, die Sie sich wünschen lassen, Sie wären mir nie begegnet!“ „Keine Angst, Schatzi.“, flötete Kissara. „Bei ihm bin ich sicher. Schau du dir ruhig das Schiff an. Ich werde für ein paar Bilder sorgen, die unsere Nachbarn daheim vor Neid erblassen lassen.“ Damit stöckelte sie voran zur Transporterplattform und Mikel und Ducatchin folgten, nachdem der Terraner den Transporter eingestellt hatte.

Auf der Brücke des schrottreifen Schiffes angekommen zog Kissara sofort die Simu-Cam aus der Tasche. „Könnten Sie einige Bilder von mir machen, Mr. Ducatchin?“, fragte sie. „Vielleicht sogar von uns beiden? Ich meine, von Ihnen und mir? Der Selbstauslöser ist …“ Sie klickte umständlich in den Menüs herum. „Geben Sie mal her!“, meinte Ducatchin ungeduldig. Ihr (entschuldigt bitte nochmals) tussenhaftes Gehabe ging ihm schon gewaltig auf die Nerven. Dadurch abgelenkt bemerkte der Zagdorn allerdings nicht, dass sich Mikel davongeschlichen hatte. Mit flinken Fingern hatte sich der Agent Zugang zu einer Jeffriesröhre verschafft und war darin verschwunden, um herunter zum Maschinendeck zu kriechen. Der Agent dachte sich, dass hier wohl am ehesten die Stasekammern zu finden wären. Hier musste nach dem Kampf ja die meiste Strahlung geherrscht haben, die ein Auffinden unmöglich machen würde. Jetzt müsste diese aber schon wieder abgeebbt sein.

Seinen Erfasser auf das Signal des Abdrucks eingestellt, den er von Kamurus bekommen hatte, kroch er langsam die Röhre entlang. In den Röhren war es zwar finster, weil ja jegliche Beleuchtung nicht mehr funktionierte, aber das machte es ihm sogar noch leichter als jedem Sehenden. Im Dunkeln war der blinde Mann eindeutig im Vorteil.

Ein bestätigendes Piepen ließ ihn plötzlich innehalten. Der Erfasser musste auf eine Quelle des gesuchten Signals getroffen sein. Da Mikel klar war, dass es das Signal des Geistwesens sein musste, stellte er keinen erneuten Vergleich an, sondern befahl dem Erfasser sofort, das Signal aufzuzeichnen und zu speichern. Dann erkundigte er sich noch, wer hinter der Wand zu finden war. „Die Überreste werden als die von Warrior Shorna identifiziert.“, sagte der Erfasser nüchtern. „Sie sind nicht umsonst gestorben, Warrior.“, flüsterte Mikel. „Jetzt aber raus hier.“ Er machte sich auf den Weg zurück.

In allerlei fast schon grotesk anmutenden Posen hatte sich Kissara ablichten lassen, als Mikel wieder die Brücke betrat und ernst zu ihr sagte: „Nun ist es aber genug, Naralinn! Der Mann ist Verwalter für diesen Raumschifffriedhof und kein Modephotograph!“ „Bitte noch ein Bild, Schatzi.“, bat Kissara. „Nein, jetzt ist es genug.“, setzte sich Mikel schließlich durch und meinte zu Ducatchin: „Hoffentlich ist sie Ihnen nicht all zu sehr auf die Nerven gegangen.“ „Es war gerade noch im Rahmen des Erträglichen.“, sagte der Zagdorn und übergab Mikel die Simu-Cam. Gott sei Dank verstand er nicht, welcher Code hinter dem letzten Dialog zwischen Naralinn und Markus steckte.

Die Beiden kehrten auf ihr Schiff zurück und starteten. Nervös tastete Kissara sich ab. „Suchen Sie nach einer Wanze?“, erkundigte sich Mikel. „Offen gesagt ja.“, sagte Kissara. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mich nicht überwacht haben, Agent. Sie hätten ja schließlich wissen müssen, wenn etwas mit dem Ablenkungsmanöver nicht läuft wie es soll und wir die Aktion hätten abbrechen müssen.“ „Ich war über jedes Wort informiert, Kissara.“, grinste Mikel und sagte dann: „Schauen Sie sich mal ihren Schminkkoffer genau an.“

Sie öffnete den Deckel und sah tatsächlich hinter dem Spiegel einen kleinen Würfel, der aber genau so gut eine Verzierung sein hätte können. „Faszinierend.“, sagte sie. „Und wie fanden Sie mich als Tussi?“ „Umwerfend.“, erklärte Mikel. „Ich wusste gar nicht, dass so eine gute Schauspielerin in dir steckt, Naralinn.“ Er grinste. „Ich auch nicht, Markus.“, grinste sie zurück. Dann aktivierten sie den interdimensionalen Antrieb, um zu Zirells Basis zurückzufliegen.

Kapitel 51 - Motivbestätigung im Lichte der Ereignisse

von Visitor

 

Auf dem gleichen Weg waren auch Yetron und Sedrin. Die Demetanerin hatte ihrem Landsmann natürlich jene genesianischen Fesseln abgenommen, die ein genesianischer Ehemann normalerweise hatte tragen müssen. Auch zu sprechen hatte sie ihm erlaubt. Schließlich war er jetzt frei.

„Ich hoffe, du hast Shashana von der Rückgabe der eroberten Gebiete abgeraten.“, sagte der Demetaner. „Das habe ich.“, erwiderte Sedrin. „Wenn ich ihr dazu geraten hätte und sie hätte es getan, hätte das zu ihrer Absetzung geführt und das hätte Genesia Prime instabil gemacht.“ „Da hast du Recht.“, antwortete Yetron. „Die Tatsache, dass ich nicht sprechen durfte, bedeutete ja nicht, dass ich nichts gehört habe. Turia hat mir genug Informationen gegeben, die mich denken lassen, dass Genesia Prime kurz vor einem religiös motivierten Bürgerkrieg steht. Es ist viel geschehen, Sedrin. Es gibt Genesianerinnen, die offen anzweifeln, dass die Wächterin von Gore zurückgekehrt ist und es gibt solche, die trotz der eindeutigen Fakten immer noch am Glauben an ihre Rückkehr festhalten. Wenn Shashana abgesetzt würde, dann …“ „Ich kann es mir denken.“, unterbrach Sedrin ihn. „Die Lager würden unter sich ausfechten, wer die neue oberste Prätora wird. Das würde auf beiden Seiten zu enormen Verlusten führen, ein Umstand, an dem wir, die Föderation, nicht schuld sein dürfen.“ „Und an dem Clytus sicher auch nicht schuld sein wollte.“, sagte Yetron.

Sedrin, die das Steuer bediente, deaktivierte den Antrieb und setzte den Ankerstrahl. „Was weißt du?!“, fragte sie. „Sicher weiß ich gar nichts.“, entgegnete Yetron in seiner ruhigen besonnenen Art, die manchmal etwas an Mr. Spock erinnerte, obwohl Yetron kein Vulkanier, sondern Demetaner war. Aber diese konnten ja sowohl sehr gefühlsbetont, als auch sehr sachlich sein. „Ich habe nur eine Theorie, die da lautet, dass Clytus das Ganze hier inszeniert hat, um Eldisa von Zeitland eine Situation zum Geschenk zu machen, die jedes 13-jährige Mädchen wohl sehr romantisch finden würde, wenn es nicht gerade die zukünftige Hüterin und Beschützerin der Zeit ist. Denk mal nach. Wer stellt ein Bindeglied zwischen den betroffenen Universen dar und ist gleichzeitig eine gute Freundin der Prinzessin?“

Bevor Sedrin weiter darüber nachdenken konnte, kreuzte ein kleines Schiff ihren Weg und jemand beamte ungefragt an Bord des Shuttles. Yetron identifizierte einen Xylianer. „Bioeinheit Sedrin Taleris-Huxley.“, wendete sich der Xylianer an die ruhig dasitzende Demetanerin. „Du hast deine Aufgabe mit der höchsten Effizienz erfüllt. Dein neues Ziel lautet Basis 281 Alpha. Hier werden alle zusammentreffen, die eine Lösung für dieses Problem suchen, soweit es ihnen möglich ist. Cupernica ist im Entfernen deiner Implantate unterwiesen. Sollte es notwendig sein, suche sie zu diesem Zweck nach Ende der Mission auf Terra auf.“ Sedrin nickte und der Xylianer verschwand wieder auf dem gleichen Weg, auf dem er gekommen war.

„Ich denke, du musst mir da etwas erklären.“, sagte Yetron. „Das muss ich und das werde ich auch.“, erwiderte Sedrin. „Ich arbeite im Moment nicht für die Sternenflotte, sondern für die Xylianer. Sie hatten gemerkt, dass etwas gewaltig nicht stimmt und mich sozusagen angeheuert.“ „Interessant.“, sagte Yetron. „Und der Xylianer da eben war so etwas wie dein Führungsoffizier.“ „Richtig.“, sagte die demetanische Agentin. „An ihn gingen alle Informationen zuerst, die ich bei den Genesianern sammeln sollte.“ „Faszinierend.“, meinte Yetron. „Ich wette, er war auch während unseres gesamten Fluges sozusagen dabei.“ „Das ist richtig.“, entgegnete Sedrin. „Ich hatte meine Implantate aktiviert. Ich kann sie durch Gedankenbefehle steuern.“ „Gut, dass die Genesianer keine Telepathen sind.“, lächelte Yetron. „Aber wie sieht es aus mit dem Rätsel, das ich dir gestellt habe. Hast du schon drüber nachgedacht?“ „Dazu bin ich, wie du weißt, noch nicht gekommen.“, antwortete Sedrin und lehnte sich nachdenklich zurück.

„Allrounder Betsy Scott!“, fiel es Sedrin wenig später wie Schuppen von den Augen. „Aber natürlich! Wenn sie alle heiraten dürfte, die sie liebte, dann hätte die Liebe alle Konventionen gesprengt. Eigentlich ein sehr romantischer Gedanke, aber …“ „Genau.“, sagte Yetron. „Eldisa weiß zu viel über die Konsequenzen, um wildromantisch dahin zu schmelzen. Im Gegenteil. Sie wird ihn sogar dafür hassen, denn Dill wird beim Versuch, die Zeitlinie zu verteidigen, gestorben sein.“ „Das glaube ich auch.“, sagte Sedrin. „Anderenfalls wäre es nie so weit gekommen. Dass das Ganze schlussendlich doch in eine so böse Richtung gegangen ist, schreibe ich Sytania zu, die sicher auch ihr Motiv hatte, sich irgendwo einzumischen.“ „Dills Tod brächte ihr einen Vorteil.“, sagte Yetron. „Du hast Recht. Wir sollten wirklich nach Tindara fliegen. Vielleicht können wir dort schon mit einigen unserer Freunde beraten. Die blutjunge politische Beziehung mit den Tindaranern soll ja schon für manche gute Lösung gesorgt haben. Selbst wenn die Genesianer die eroberten Gebiete irgendwann zurückgäben, dann wäre doch die Vergangenheit fehlerhaft. Es muss eine andere Lösung geben! Nicht nur wegen Shashana und dem genesianischen Bürgerkrieg. Turia sprach von Gerüchten über eine rebellierende tindaranische Kommandantin Namens Zirell.“ „Dieser Name ist Musik in meinen Ohren.“, sagte Sedrin und reaktivierte den normalen Warpantrieb, um wenig später dem Shuttle den Befehl zum Übertritt in den Interdimensionsmodus zu geben.

Jenna war mit IDUSAs Wartung beschäftigt. Die Ingenieurin, die das Schiff, das sie betreute, mittlerweile sehr gut kannte, hatte fast das Gefühl, dass ihr etwas auf der nicht vorhandenen Seele brennen würde. „Na raus damit, IDUSA.“, ermunterte sie das Schiff. „Irgendwas ist doch seit einigen Tagen.“ „Sie haben Recht, Jenna.“, sagte das Schiff. „Wie Sie wissen, werde ich ja auch permanent über die Verhöre Agent Marons mit Allrounder Betsy informiert. Die IDUSA-Einheit der Station findet, dass ich auf dem Laufenden sein sollte.“ „So, findet sie das.“, grinste die hoch intelligente Halbschottin. „Aber warum druckst du herum? Ist das, was du aufgrund dessen beschlossen hast, etwa so schlimm?“ „Ich habe mich gefragt.“, sagte die Simulation zögerlich. „Ob Sie wohl so freundlich wären, Commander Zirell zu bitten, mich hinter Shimar herzuschicken. Er kann meine Hilfe sicher gut gebrauchen. Durch den Allrounder wissen wir ja, dass er noch lebt.“

Die Tür zum Maschinenraum öffnete sich und wie auf Stichwort betrat Zirell Jennas Arbeitsraum. „Jenn’, da kommt gleich ’ne Menge Arbeit auf dich zu.“, sagte Zirell. „Joran hat zwei Shuttles gemeldet, die zu uns fliegen. Das eine ist das Shuttle der Granger und das andere ein genesianisches Schiff, das mit zwei Demetanern besetzt ist. Was ich davon halten soll, weiß ich nicht. IDUSA hat die Demetaner identifiziert. Es sind Agent Yetron und Agent Sedrin. Ich möchte, dass du dir beide Shuttles ansiehst.“ „Sicher.“, lächelte Jenna. „Aber ich muss dir auch noch etwas sagen. Die IDUSA-Einheit des Shuttles möchte hinter Shimar hergeschickt werden. Sie sagt, er könnte vielleicht ihre Hilfe …“ „Das hatte ich genau so geplant.“, sagte Zirell. „Aber warum sagt sie mir das nicht selbst?“ „Ich denke, sie hat Manschetten, weil sie meint, sie könnte hier auch gebraucht werden.“, antwortete Jenna. „Außerdem sind die Sternenflottenoffiziere hier. Sie denkt wohl, dass es denen sauer aufstoßen würde, wenn du ein Schiff allein …“ „Die haben sich gefälligst daran zu gewöhnen, dass unsere Schiffe auch allein ohne Crew agieren können und dürfen!“, sagte Zirell energisch. „Wenn Nugura damit solche Probleme hat, dann hätte sie keine politische Beziehung mit uns anfangen dürfen. Aber Kissaras Leute sehen das doch eh nicht so verklemmt. Lass sie einfach fliegen, wenn sie will, Jenna.“ „Danke, Zirell.“, sagte Jenna. „Und auch im Namen von IDUSA.“ „Gern doch.“, sagte Zirell und drehte sich wieder zur Tür, um in den Konferenzraum zurückzukehren, wo inzwischen auch Mikel und Kissara nebst Yetron und Sedrin eingetroffen waren.

Shimar hatte den Cobali alles erklärt. „Eine höchst ungewöhnliche Art, aus einem Gefängnis zu flüchten.“, stellte Marak fest. „Das stimmt.“, stimmte Aglaia zu. „Aber anscheinend konntest du nicht anders. Den Genesianern alles erklären konntest du nicht. Sie hätten dich nicht im Geringsten angehört.“ „Nein.“, sagte Shimar. „Aber wir müssen irgendeinen Weg finden, es zu beweisen und die Zeitlinie zu korrigieren.“ „Vielleicht könnte Logar aus dem Dunklen Imperium helfen.“, schlug Aglaia vor. „Ich meine, seine Tochter benutzt den Plan von Clytus für ihre eigenen Zwecke und er schaut einfach zu. Das geht meiner Ansicht nach überhaupt nicht! Jemand sollte seiner Majestät mal die Löffel lang ziehen!“ „Aglaia!“, ermahnte Marak sie. „Im Prinzip hat sie ja gar nicht so Unrecht.“, sagte Shimar. „Sie hat es zwar sehr drastisch ausgedrückt, aber ihr Gedanke ist ganz richtig. In Anbetracht des riesigen Chaos, was wir hier vor uns haben, denke ich sogar, dass jemand von uns so schnell wie möglich Logar aufsuchen sollte.“ „Dann komm mit.“, sagte Aglaia und führte ihn einmal durch das gesamte Schiff.

Sie kamen an einer Art Shuttlerampe an. „Leider lässt unsere Mission nicht zu, dass wir dich ins Dunkle Imperium begleiten.“, sagte die Cobali. „Aber wir schenken dir unser Rettungsshuttle. Sie ist zwar etwas langsam, aber sie kann dich durch die Wirbel bringen.“

Shimar schrak zusammen. „Hast du dir das auch gut überlegt, Aglaia?!“, fragte der junge Tindaraner. „Ich meine, was macht ihr, wenn ihr selbst in eine Notsituation kommt?“ „Das lass unsere Sorge sein.“, antwortete die Cobali. „Wichtiger als wir ist allemal, dass du deine Mission vollenden kannst. Sieh das einfach als kleinen bescheidenen Beitrag unsererseits.“

„Ich weiß, dass es ungehörig ist, ein Geschenk abzulehnen.“, sagte Shimar. „Aber ich bin bereit, dir und deinem Mann einen Deal vorzuschlagen. Wenn es mir gelingt, euch ein genau oder mindestens genau so großes Geschenk zu machen, dann werde ich auch das Eure annehmen. Anderenfalls behaltet ihr das Shuttle.“ „Also gut.“, erklärte sich Aglaia einverstanden.

Die Beiden verließen wieder die Rampe und trafen auf Marak, der sie grinsend erwartete. „Na, wie ist es gelaufen?“, fragte er seine Frau, aber bevor Aglaia antworten konnte, stellte sich Shimar dazwischen und flüsterte ihm zu: „Ich muss mit dir reden. Aber allein.“ „Bitte geh ins Cockpit und übernimm das Steuer, Aglaia.“, wandte sich der Cobali an die Angesprochene, die nur lächelnd nickte.

Shimar konnte es kaum erwarten, bis die Tür ins Schloss geschnappt war. „Ich wollte es vor Aglaia nicht sagen!“, sagte er ernst. „Sie scheint mir etwas instabil. Aber was fällt dir eigentlich ein, deine eigene Lebensversicherung hier im Weltraum an einen Wildfremden zu verschenken, der eure Art der Fortpflanzung auch noch so schamlos für seine Flucht ausgenutzt hat?!“

„Jetzt will ich dir mal was sagen!“, sagte Marak und stellte sich gerade vor Shimar, der eher eine lässige Haltung hatte, hin. „Am Anfang habe ich auch gedacht, dass du ein skrupelloser Gangster bist, der mit der Situation von anderen nach Belieben spielt. Aber du warst in Not, als du geflüchtet bist und du trägst wichtige Informationen, die unbedingt an die richtigen Stellen müssen, damit das hier alles ein Ende hat. Da ist unsere Familienplanung ja wohl zweitrangig!“ „Deine Frau sieht das anders!“, sagte Shimar jetzt ähnlich kämpferisch. „Aglaia gibt sich sehr tapfer, wenn wir sprechen, aber sie ist in Wahrheit sehr betrübt. Sie nimmt es mir eigentlich sogar ein wenig übel, was ich getan habe. Ich weiß das! Ich bin Telepath! Außerdem habe ich das Gefühl, ich stehe in ihrer Schuld. Aber die will ich wenigstens wieder gut machen, bevor ich euer Geschenk annehme. Wenn die Götter meine Handlungen nicht gut heißen, werden sie mir auch keinen Erfolg bei dem bescheiden, was ich vorhabe.“ „Und was hast du vor?“, fragte der Cobali. „Ich will versuchen, für euch in die Zukunft zu sehen.“, sagte der Tindaraner. „Wir können das zwar nicht unbegrenzt wie Sytania oder Logar, aber die nächsten vier bis fünf Jahre dürften schon drin sein. Ich möchte erfragen, wann und wo und ob ihr überhaupt eine Chance habt, euer Kind zu finden, das sie sich so sehr wünscht. Ich glaube, das würde Aglaia sehr helfen.“ „Ich wusste gar nicht, dass ihr solche Fähigkeiten habt.“, sagte Marak staunend. „Doch.“, sagte Shimar. „Aber das Problem ist, dass sich die Zukunft oft nur sehr widerstrebend zeigt.“ „Kann ich dir dabei irgendwie helfen, damit es leichter wird?!“, fragte Marak. „Ich meine, ich bin Nicht-Telepath, das weiß ich. Aber ich denke …“

„Das könntest du vielleicht wirklich.“, überlegte Shimar. „Wenn du so liebevoll an Aglaia denkst, wie du es kannst, während ich zu dir geistigen Kontakt habe, dann dürfte sehr viel positive Energie mitschwingen. Das könnte alles wirklich sehr erleichtern.“ „Du meinst, dann weiß die Zeit, dass wir es nicht böse meinen und …“ „So ähnlich.“, sagte Shimar grinsend. „Aber die ganzen hoch geistigen Zusammenhänge würden hier zu weit führen.“

Die Männer setzten sich auf den Boden. „Wenn positive Energie eure Kräfte begünstigt.“, begann Marak. „Dann frage ich mich, warum Sytania dann immer so viel Erfolg hat.“ „Den hat sie ja gar nicht.“, grinste Shimar. „Am Ende hat sie bisher immer den Kürzeren gezogen und das ist es, worauf es ankommt.“

Marak atmete einmal tief durch. „So, jetzt können wir.“, sagte er. „Ich werde deine Hände nehmen.“, sagte Shimar. „Das wäre zwar eigentlich nicht nötig, aber die meisten Nicht-Telepathen fühlen sich dann sicherer.“ „OK.“, sagte Marak. „Muss ich gleich noch irgendwas beachten?“ „Denk einfach total verliebt an deine Frau.“, wiederholte Shimar seine Anweisungen. „Der Rest ist mein Job. Übrigens: Du wirst alles sehen, was auch ich sehe.“ „Dachte ich mir.“, sagte der Cobali und reichte dem jungen Tindaraner seine Hände.

Shimar konzentrierte sich auf den Lauf der beiden tindaranischen Sonnen, ein Bild, das durchaus zur Visualisierung in diesem Fall üblich war. Er beschleunigte ihre Bewegung allerdings auf dem Bild in seinem Geist. Nach zwei Umläufen, in denen nichts geschehen war, fragte sein Geist in die Schwärze des Weltalls: Werden Marak und Aglaia das Kind haben, von dem sie träumen?

Husch! Die Schwärze hatte sich so schnell gelichtet, dass es sogar Shimar vor Schreck aus seiner Konzentration gebracht hatte. „Habe ich etwas falsch gemacht?“, wollte Marak wissen. „Ist es meine Schuld?“ „Nein.“, sagte Shimar atemlos. „Ich hätte nur nicht gedacht, dass es so schnell geht.“ „Hast du dir gemerkt, wo wir stehen geblieben sind?“, fragte Marak schelmisch. „Nein.“, sagte Shimar. „Na, dann müssen wir wohl wieder ganz von vorn anfangen.“, grinste der Cobali, der das soeben Erfragte selbst getan hatte, Shimar damit aber überraschen wollte. Er dachte sich, bei der geistigen Verbindung, die sie hatten, müsste es ausreichen, wenn einer sich erinnern würde.

Shimar flüsterte sich selbst etwas auf Tindaranisch zu und sah Marak dann konzentriert an. „Na dann!“, sagte er und brachte beide in jenen Zustand zurück. Da sich Marak die Situation gemerkt hatte, ging alles nach dem sich Lichten der Schwärze weiter, als hätten sie es nie unterbrochen. Jetzt sahen sich beide über dem gleichen Planetoiden schweben, auf dem die Genesianer auch Shimar begraben hatten. Aber ihr Blick fiel auf das Grab eines Romulaners, der genau auf der anderen Seite des Himmelskörpers lag. Marak sah eine Kurve, wie er sie auch schon auf den Monitoren gesehen hatte. Er wusste genau, was sie bedeutete. Dann verschwand das Bild.

„Und du dachtest, es wäre so schwer.“, grinste er Shimar an. „Normalerweise ist es das auch.“, sagte Shimar. „Aber ich denke, die Liebe, die du deiner Frau entgegenbringst, hat ihren Teil dazu beigetragen.“ „Du meinst, die Zukunft hatte ein Einsehen und hat sich uns deshalb gezeigt?“, fragte der Cobali. Der Tindaraner nickte. „Ich konnte nur das letzte Bild nicht einordnen.“, sagte Shimar. „Es sah aus wie eine Kurve.“ „Das war es auch.“, bestätigte der ausgebildete Arzt. „Es war eine Neuronenkurve. Wir müssen uns beeilen. Wenn die Neuronen aus seinem Gehirn verschwunden sind, können auch wir seinen Körper nicht mehr mit biosynthetischer neuraler Energie wieder beleben.“ „Ach so macht ihr das.“, stellte Shimar fest. „Das würde auch erklären, warum sich dein Geist für mich so natürlich angefühlt hat.“

Er stand auf. „Hör zu.“, sagte er. „Ich werde euer Geschenk annehmen. Eine Hand wäscht die andere. Fliegt zu dem Planetoiden zurück. Übermorgen, wenn ihr dort seid, beamst du den Romulaner an Bord, wenn Aglaia nicht hinsieht und dann überrascht du sie.“ „Klasse Idee, Shimar!“, strahlte Marak. „Zumal der Romulaner ja wirklich tot ist im Gegensatz zu dir.“ „Oh, ja.“, sagte Shimar. „Der ist wirklich tot.“

Sytania und Telzan hatten die Situation um Shimar und die Cobali lange beobachtet. Ihnen war auch nicht entgangen, dass Zirell Jenna das OK zum Losschicken von IDUSA gegeben hatte. „Dieses Schiff und ihr Pilot dürfen sich auf keinen Fall treffen, Telzan.“, sagte Sytania. „Aber ich werde mich nicht aktiv einmischen, was IDUSA angeht. Sie würde das registrieren und mir die Rosannium-Waffe auf den Hals hetzen.“ „Meine Truppen und ich werden Euch das gern abnehmen, Herrin.“, sagte der Vendar. „Aber das bedeutet, dass Ihr Euch im Zweifel selbst um Shimar kümmern müsst. Aber er könnte mit Hilfe seiner Kräfte …“

Die imperianische Prinzessin lachte schallend auf. „Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass er mir in seiner momentanen Lage gefährlich werden kann!“, rief sie aus. „Er muss ein Schiff fliegen, das nicht selbstständig denken kann wie seine IDUSA. Das Schiff der Cobali hat noch nicht einmal einen interdimensionalen Antrieb. Ich werde ein Phänomen erschaffen, das ihn bei den Wirbeln erwartet und ihn dann zur Strecke bringen wird. Wollen doch mal sehen, ob er sich dann noch auf ein telepathisches Duell mit mir konzentrieren kann!“ „Verstehe.“, sagte Telzan. „Und ich werde meinen Truppen Bescheid geben. Wir werden IDUSA in der interdimensionalen Schicht erwarten und ihren interdimensionalen Antrieb lahm legen. Dann ist sie gezwungen, in das nächste Universum einzufliegen. Es soll Kometen geben, deren Hüllen Waffenenergie absorbieren können. In so einen werden wir sie sperren.“ „Darf ich fragen, wie ihr das anstellen wollt?!“, wollte die Prinzessin wissen, die angesichts des Plans ihres Dieners ganz aufgeregt wurde. „Wir werden alle Transporter miteinander verbinden. Dann haben wir genug Kapazität, um einen so großen Materiestrom aufnehmen zu können.“ „Prima Idee!“, rief Sytania begeistert. „Falls ihr so einen nicht findet, werde ich persönlich euch einen in den Weg schicken.“ Sie lachte laut auf.

Lady Messalina und Eldisa hatten Clytus zu seiner Tante und seinem Vater ins Kontinuum geschickt. Leider waren die Versuche, den verzweifelten Jungen zurückzuverwandeln, die Tolea und Kairon unternommen hatten, nicht sehr erfolgreich gewesen. „Anscheinend benötigen wir tatsächlich Sytanias Neuralsignatur.“, resignierte Kairon. „Das hat sie wirklich geschickt eingefädelt.“, fügte Tolea bei. „Hätte Tchey nicht …“

An dem vorwurfsvollen Ausdruck in ihrem Gesicht konnte Kairon genau ablesen, was sie sagen wollte. „Allrounder Tchey trifft keine Schuld!“, sagte Kairon fest. „Hätte sie Sytania und dich nicht gegeneinander ausgespielt, dann wüsstest du heute noch immer nicht, was du tust und wärst ihr noch immer verfallen. Du glaubst doch wohl nicht, dass Sytania ihn freiwillig zurückverwandeln wird. Die Situation, wie sie jetzt ist, bringt ihr doch nur Vorteile. Wenn sie ihn zurückverwandeln würde, dann könnte es ja sein, dass er das alles wieder rückgängig macht. Davon hält sie ja gar nichts, wie du weißt.“ „Aber was können wir tun?“, fragte Tolea. „Wo ist dein oberster Vendar?“, fragte Kairon. „Wenn du Diran ehrlich sagst, dass du alles bereust, dann wird er vielleicht zusammen mit den Tindaranern eine Lösung finden.“ „Die Tindaraner.“, flüsterte Tolea. „Dass ich nicht allein darauf gekommen bin. Bruder, du hast doch immer die besten Einfälle. Ich glaube, ich weiß, wo Diran ist. Er wird bei seiner Frau und deren Truppe in der tindaranischen Dimension sein. Clytus und ich werden dort auf der Stelle hingehen.“

Wenn Tolea auf der Stelle sagte, dann konnte man davon ausgehen, dass sie auch auf der Stelle meinte. Sie nahm also Clytus bei der Hand und teleportierte sich und ihn in Sianachs Haus. Die junge Vendar, die gerade mit dem Aufräumen beschäftigt war, erschrak, als sie die beiden Mächtigen erblickte. Sie zog ihre Waffe, die sie immer griffbereit hatte und steckte die Rosannium-Linse auf. „Bitte erschrick nicht.“, sagte Tolea. „Ich bin nicht hier, um dir zu schaden.“ Unbeeindruckt zielte Sianach weiter auf sie. „Verschwindet von diesem Planeten, Tolea, oder ich töte Euch!“, drohte Sianach. „Wenn Ihr meinen Mann sucht, dann solltet Ihr wissen, dass ich nicht zulassen werde, dass ihm durch Euch ein Leid geschieht. Ihr werdet ihn nicht …“ „Spüre meinen Geist, Sianach.“, sagte Tolea ruhig. „Dann wirst du sehen, dass ich nicht mehr unter Sytanias Einfluss stehe. Die schwarze Macht ist fort. Das habe ich Tchey Neran zu verdanken. Sie mag zwar eine Draufgängerin sein, aber sie hat das Herz am rechten Fleck. Sie hat dafür gesorgt. Sie hat Sytanias Bann überlistet.“

Angesichts ihrer Worte wurde Sianach nachdenklich. Sie wusste, dass Tolea nur bösartig war, solange sie unter Sytanias Knute gestanden hatte. Einer zurechnungsfähigen Tolea würde sie vertrauen. Also, warum sollte sie sich keine Gewissheit verschaffen?

Sie ließ die Waffe sinken, behielt aber eine Hand an deren Griff, während sie sich auf Toleas Geist konzentrierte. Die Anwesenheit und die Absichten von Mächtigen konnte sie, wie es allen Vendar möglich ist, genau erspüren. Schließlich ließ sie erleichtert den Griff der Waffe los. „Es ist wahr.“, sagte sie. „Ihr seid nicht mehr unter Sytanias Einfluss. Aber was macht der genesianische Junge bei Euch?“ „Das ist Clytus.“, erwiderte Tolea. „Er wurde von Sytania und mir in einen Genesianer verwandelt und nur Sytania und ich können ihn gemeinsam zurückverwandeln. Dafür hat sie gesorgt und ich dusselige Kuh habe auch noch eingewilligt!“ „Ihr wart nicht Herrin Eurer Sinne.“, sagte die junge Vendar verständig. „Die Wut hatte Euch übermannt.“ „Das ist keine Entschuldigung!“, sagte Tolea. „Wir müssen eine Lösung finden!“ „In der Tat.“, sagte Sianach. „Wie wäre es, wenn wir zur Basis von Commander Zirell fliegen. Dort gibt es Jenna McKnight. Die findet sicher eine.“ „Daran habe ich auch schon gedacht.“, sagte Tolea. „Wir sollten aber mein Schiff nehmen.“, sagte Sianach. „Sonst löst sie noch Alarm rot aus. Die Situation ist schon angespannt genug.“ „Also gut.“, erklärte sich Tolea einverstanden. „Ich kann ihr auch am SITCH alles besser erklären.“, sagte Sianach.

Sie beendete ihre Tätigkeit und ging zum Sprechgerät ihres Hauses, mit dessen Hilfe sie einem der Techniker Bescheid gab, der den Auftrag erhielt, ihr Schiff zu warten. „Ja, Anführerin.“, kam es zurück. „Ich hatte mir so gewünscht, er hätte keine Zeit oder so etwas.“, schluchzte Clytus. „Warum denn, junger Gebieter.“, sagte Sianach tröstend. „Dann hättest du jemanden anders suchen müssen und das hätte etwas gedauert. Dann hätte ich keine solche Angst haben müssen. Jetzt muss ich …“ „Aber Ihr stellt Euch dem doch nicht allein.“, sagte sie und strich ihm über sein von Tränen nasses Gesicht. „Eure Tante und ich werden bei Euch sein. Außerdem denke ich, dass mein Mann uns gern begleiten wird.“ „Danke, Sianach.“, sagte Clytus.

Das Sprechgerät piepte. Sianach nahm die Verbindung entgegen. „Dein Schiff ist bereit, Anführerin.“, sagte die Stimme des älteren vendarischen Technikers, dem sie den Auftrag erteilt hatte. „Danke, Miran.“, sagte Sianach und winkte den anderen, ihr zu folgen.

Sie gingen einen ausgetretenen Pfad entlang, der sie zum provisorischen Raumflughafen der Vendar führte. Hier trafen sie auf Diran, der gerade dabei war, das eigene Schiff persönlich zu warten. Während seiner Zeit bei Tolea war er eigen geworden, was das anging und hatte sich die nötigen Kenntnisse selbst angeeignet. Nur wenn ihm jemand auf die Finger sah, konnte es sein, dass ihm vor lauter Nervosität nichts mehr einfiel.

Irritiert sah Diran von seiner Arbeit auf und betrachtete die kleine Prozession, die sich ihm näherte. Dass Tolea anwesend war, hatte er längst gespürt. Aber ihre Begleitung gab ihm Rätsel auf. „Was hast du mit unserer Feindin zu schaffen, Telshanach.“, wendete sich der besorgte Vendar an seine Ehefrau. „Feindin?“, kam ihr Tolea mit einer Antwort zuvor. „Ich wusste gar nicht, dass du mich so siehst, mein treuer Diran.“ „Ich diente einer guten und aufrichtigen Tolea!“, sagte Diran. „Aber das seid nicht Ihr. Die Tolea, der ich diente, ist tot!“

Sianach rief ihrem Mann etwas auf Vendarisch zu und zerrte ihn am Arm hinter einen Pfosten für eine der Bojen, die zur Begrenzung der Start- und Landezone aufgestellt worden waren. „Du irrst dich!“, sagte sie fest. „Die Tolea, die du kennst, ist nicht tot und wenn, dann wurde sie durch das Zutun von Tchey Neran von der Sternenflotte wiedergeboren. Sie hat Sytania und Tolea getrennt. Wenn du dich auf Tolea konzentrierst, wirst du es auch spüren.“

Diran war skeptisch, folgte ihrem Rat aber dennoch. Tatsächlich bemerkte er bald, dass sie die Wahrheit gesprochen haben musste. „Wie Recht du hast, Sianach.“, sagte er. „Dann wird ja bald alles wieder seine Ordnung haben.“ „So einfach ist das nicht.“, sagte sie. „Sytania und Tolea müssen Clytus gemeinsam zurückverwandeln, sonst geht es nicht. Clytus hat seine Lektion gelernt und würde gern alles rückgängig machen, aber in seiner jetzigen Gestalt geht das nicht.“ „Dann ist Clytus der Genesianer, den ihr bei euch habt?“, fragte Diran. „In der Tat.“, antwortete seine Frau. „Ich möchte, dass du uns zur 281 Alpha begleitest. Clytus fühlt sich dann sicherer und Zirell El Tindara wird auch spüren, dass von Tolea keine Gefahr mehr ausgeht. Außerdem müssen wir eine Lösung für Clytus finden. Sytania verwandelt ihn sicher nicht freiwillig wieder zurück, denn die Situation, wie sie jetzt ist, ist vorteilhaft für sie.“ „In der Tat.“, sagte Diran. „Aber ich denke auch, dass 281 Alpha die richtige Adresse ist. Jenna El Taria ist dort. Sie ist eine Spezialistin im Finden von Lösungen. Nehmen wir dein Schiff oder meines?“ „Miran hat meines gerade frisch gewartet.“, sagte Sianach. „Also gut.“, lächelte Diran. Dann gingen alle zu dem genannten Schiff, stiegen ein und starteten in Richtung der genannten Basis.

Telzan und seine Staffel hatten die Koordinaten in der interdimensionalen Schicht erreicht, von denen aus sie ihre Falle für IDUSA aufbauen würden. Jedes Shuttle war mit zwei Vendar besetzt, von denen einer für das Fliegen und der andere für die Überwachung der Bojen zuständig war, die ein Störfeld aufbauen sollten, das IDUSA sozusagen zum Stolpern bringen würde. Da die Bojen getarnt waren, würde das arme Schiff, das mit diesem Verhalten der feindlichen Vendar nicht rechnete, davon nichts wissen.

IDUSA hatte das Sonnensystem der Tindaraner verlassen und war in den interdimensionalen Modus übergegangen. Im gleichen Moment hatte sie bereits Berührung mit dem Feld. Es gelang ihr gerade noch, sich zu stabilisieren und ins Universum der Föderation einzufliegen. „Dann gehe ich eben durch die Wirbel.“, sagte sie und setzte den entsprechenden Kurs. Aber darauf hatten Telzan und seine Leute nur gewartet. „Sieh mal, mein Ehemann.“, grinste Cirnach schadenfroh, die ihren Mann begleitet hatte. „Jetzt versucht sie, uns durch die Wirbel zu entkommen. Aber das wird ihr nichts nützen.“ „Ganz recht.“, bestätigte Telzan. „Fang an, nach Kometen zu suchen, die Materie enthalten, die Phaserenergie absorbieren kann.“

Cirnach gab die entsprechenden Befehle in den Rechner für die Sensoren ein. Allerdings war sie skeptisch, ob man so einen Kometen hier überhaupt finden würde. Der Weltraum vor ihnen war leer und es war auch nicht das geringste Staubkorn zu sehen. „Denkst du wahrhaftig, dass wir so einen Kometen überhaupt finden werden, Telzan?“, fragte die Vendar. „Wenn es hier keinen gibt, wird unsere Gebieterin einen herholen.“, sagte Telzan. „Aber ist das nicht zu gefährlich?“, fragte Cirnach. „Ich meine, aus einem Geschöpf von Sytania könnte sich das tindaranische Schiff mit Hilfe der Rosannium-Waffe befreien.“ „Theoretisch hast du Recht, meine besorgte Frau.“, beruhigte Telzan sie mit schmeichelnder Stimme. „Aber du scheinst mir dennoch nicht genau zugehört zu haben. Sie sagte nicht, dass sie einen erschaffen würde, sondern dass sie einen in unseren Weg schicken würde.“

Kaum hatte Telzan ausgesprochen, gab es einen schwarzen Blitz und ein Komet tauchte so schnell vor ihnen auf, dass Telzan mit dem Shuttle eine starke Ausweichbewegung fliegen musste, die dafür sorgte, dass sich Cirnach den Kopf stieß. „Bitte verzeih, Telshanach.“, sagte Telzan. „Ist schon vergeben.“, sagte Cirnach und hielt sich den Kopf. „Aber ich finde, Sytania hätte ihre Aktion ruhig telepathisch ankündigen können.“ „Wenn ich ehrlich sein soll.“, sagte Telzan. „Dann finde ich das auch.“

Telzan wurde von einem der anderen Shuttles gerufen. In dem Shuttle befand sich Serdan, der inzwischen kein Novize mehr war und von Menach, seiner langjährigen Freundin, begleitet wurde. „Anführer, ich denke, die Gelegenheit ist günstig.“, sagte der junge Krieger. „Schau dir die Position des tindaranischen Schiffes und des Kometen an.“

Telzan gab Cirnach ein Zeichen, wonach sie die Sensorenbilder auf den Schirm des Flugpultes stellte. „Du hast Recht.“, sagte Telzan. „Also dann. Alle Transporter werden auf unser Bedienpult geschaltet und die Spulen werden synchronisiert!“

IDUSA wusste nicht wie ihr geschah, als sie aus allen Richtungen von Transportersensoren erfasst wurde. Das Nächste, das sie wahrnahm war der Umstand, dass sie sich in einem Kometen befand. Sie scannte ihre Umgebung und stellte fest, dass die Hülle des Kometen die Energie ihrer Phaser absorbieren würde. „Ich werde nicht so dumm sein und mich hier frei schießen wollen.“, sagte sie. „Ihr wollt, dass ich meine gesamte Energie aufwende, um mich zu befreien, aber den Gefallen werde ich euch nicht tun. Ich werde auf Modus grau schalten und vielleicht mal SITCHen. Mal sehen, wer den längeren Geduldsfaden hat.“

Die Vendar hatten ihr Werk betrachtet. „Sollten wir sie nicht samt Komet in die nächste Sonne ziehen?“, schlug Cirnach vor. „Das ist nicht nötig.“, sagte Telzan. „Das wird sich irgendwann von allein erledigen. Schließlich hat unsere Gebieterin es lieber, wenn alles wie ein Unfall aussieht.“

Er gab einen Sammelruf an seine gesamte Truppe in den Mishar ein. „Das Ganze kehrt! Rechts um!“, befahl er. „Wir fliegen heim!“

IDUSA hatte es vermieden, über ihre Situation weiter nachzudenken. Ihre Sensoren hatten ihr verraten, dass der Komet sich bewegte und dass er früher oder später in ein Sonnensystem fliegen würde, wo es Planeten mit Atmosphären gab, in denen sie und er bei der gegenwärtigen Fluggeschwindigkeit verglühen würden. Aber sie wusste nicht, wie sie aus ihrer Falle entkommen sollte. Einen Ausgang schießen konnte sie sich wie gesagt nicht. Auch konnte sie keinen normalen Notruf absetzen, denn das hätte Fragen aufgeworfen, die eventuell Commander Zirells Rebellion verraten hätten. Shimars Handsprechgerät war lange außer Reichweite. Sie würde es nicht erreichen. Ihre Testsignale, die sie aussendete, verrieten ihr, dass SITCH nur in einem Umkreis von 200 Metern um sie herum möglich war. Wenn ihr also niemand helfen würde, hätte sie verdammt schlechte Karten!

Kapitel 52 - Zirell, was nun?

von Visitor

 

Zirell und alle anderen hatten sich im Konferenzraum der Basis 281 Alpha getroffen und Kissara und Mikel hatten allen die Beweise präsentiert. „Das bedeutet, dass wir unter Umständen Nugura beweisen können, dass auch die Genesianer nur benutzt worden sind.“, sagte die tindaranische Kommandantin, während sie auf den Erfasser deutete, den der Agent ihr stolz hinhielt. „Und was soll uns das bringen, Anführerin Zirell?“, fragte Joran. „Das will ich dir sagen.“, erwiderte Zirell. „Wenn wir Nugura erklären, dass die Genesianer nicht schuldhaft gehandelt haben, sondern auch nur als Marionetten missbraucht wurden, eröffnen sich doch für uns ganz neue Perspektiven. Wir könnten den Dialog mit ihnen suchen und vielleicht gemeinsam zu einer Lösung kommen.“ „Denkst du wirklich, dass Nugura El Fedaria das auch so sieht?“, fragte Joran fast provokativ zurück.

Die Tindaranerin sah ihren ersten Offizier an. „Ich denke, dass Nugura verständig genug ist.“, erklärte Maron. „Wenn wir ihr erzählen, dass alles der Streich eines dummen verliebten Jungen war, wird sie Clytus sicher nicht wirklich böse sein und die oberste Prätora auch nicht.“ „Bezüglich Shashana wäre ich da nicht so sicher.“, sagte Sedrin. „Ich weiß, was du meinst.“, verstand Maron. „Wäre Clytus ein Mädchen, würde sie ihm sicher leichter vergeben.“

IDUSA zeigte sich allen über den Simulator im Raum. „Ladies und Gentlemen, ich registriere ein Schiff, das soeben von der Oberfläche des Planeten New-Vendar-Prime aufgestiegen ist.“, sagte sie. „An Bord befinden sich Sianach, Diran, Tolea und Clytus. Es handelt sich um Sianachs Schiff.“

Zirell wurde hellhörig. „Was kann Tolea mit den armen Vendar gemacht haben und was wird sie von uns wollen?“, fragte sie. „Ich denke, sie wird ihnen gar nichts getan haben.“, mutmaßte der Rechner. „Wenn Sie sich bitte an Tcheys Aussage erinnern würden, dann dürfte Ihnen einfallen, dass sie Tolea von Sytania getrennt hat. Ich gehe nicht davon aus, dass von ihr eine Gefahr ausgeht. Außerdem bestätigen dies auch meine Sensoren.“

Die Tindaranerin winkte Ishan, der die Ergebnisse sofort interpretierte, die IDUSA allen auf dem virtuellen Monitor präsentierte. „Ich sehe nur Toleas eigene Werte.“, stellte der androide Arzt fest. „Ich denke, sie benötigt jetzt eher unsere Hilfe.“ „Also gut.“, sagte Zirell. „Ruf das Schiff, IDUSA!“

Der Rechner führte ihren Befehl aus und bald sahen alle vier sich langsam vor ihnen sichtbar werdenden Schatten gegenüber, die allmählich eine 3-dimensionale Form annahmen. „Hat IDUSA nicht von Clytus gesprochen?“, fragte Kissara und zeigte verwundert auf das Bild des genesianischen Jungen auf der Rückbank des Cockpits des Shuttles. „Das hat sie.“, bestätigte Zirell. „Aber ich denke, dass wir den Grund für die Abweichung bald wissen werden. IDUSA, woher weißt du, dass es sich um Clytus handelt?“ „Weil Sianach es mir gesagt hat.“, entgegnete der Rechner.

Maron trat vor. „Es könnte die Strafe sein, die Tolea Clytus aufgebrummt hat.“, interpretierte er. „Allrounder Betsy hat in meinem letzten Verhör mit ihr so etwas erwähnt.“

Tatsächlich hatte ich Kenntnis über sämtliche Dinge, die Shimar während seiner Gefangenschaft bei den Genesianern geschehen waren und die er getan hatte. Ich dachte mir, dass er mir dieses Wissen gegeben hatte, da er sicher schon längst bemerkt hatte, dass ich den Kelch wieder benutzte. Ich selbst hatte keine Möglichkeit, meine Träume so gezielt zu steuern, dass ich ihn nach diesen Dingen hätte fragen können. Aber als geübter Telepath konnte er das um so besser. Ich hielt ihn in jedem Fall für intelligent genug, zu verstehen, dass seine Informationen eventuell auch uns sehr helfen würden.

„All diese Fragen wird uns hoffentlich gleich Sianach beantworten.“, sagte Zirell und begab sich zu einer Konsole. „IDUSA, gib mir die Verbindung!“, befahl sie. Die Simulation nickte und führte ihren Befehl aus. Ein Lämpchen zeigte der tindaranischen Kommandantin, dass die Verbindung zustande gekommen war. „Ich grüße dich, Anführerin Zirell.“, sagte Sianach. „Hallo, Sianach.“, sagte Zirell. „Was führt dich her und was machen Tolea und der Genesianer bei dir?“ „Tolea aus dem Kontinuum benötigt unser aller Hilfe, Anführerin Zirell.“, sagte die Vendar. „Und bei dem Genesianer handelt es sich um niemand Geringeren als ihren Neffen Clytus.“ „Wie soll ich das verstehen?“, fragte Zirell. „Er wurde in einen Genesianer verwandelt.“, erklärte Sianach. „Seine Tante und Sytania El Imperia waren die Schuldigen. Tolea hat sich von Sytania dazu herumkriegen lassen.“

„Gib mir das Mikrofon!“, flüsterte eine Stimme aus dem Hintergrund energisch. Die gut auf dem Schirm sichtbare Handbewegung Sianachs verriet Zirell, dass diese das Mikrofon weitergegeben haben musste. „Commander, hier spricht Tolea.“, hörte sie bald die warme freundliche Stimme ihrer bekannten Freundin. „Ich bereue zutiefst, was ich getan habe, während ich unter Sytanias Einfluss stand. Clytus bereut auch, was er getan hat. Aber ich sollte vielleicht von Anfang an erklären.“ „Das ist nicht nötig, Tolea.“, sagte die Tindaranerin. „Wir haben unsere eigenen Quellen. Aber ihr solltet erst mal docken. Dann werden wir weiter reden.“ „Dafür wären wir sehr dankbar.“, sagte Tolea. „Clytus will unbedingt wieder gut machen, was er verbrochen hat. Aber dazu müsste er zurückverwandelt werden, was ich ohne Sytania nicht zuwege bringe. Sianach und Diran meinen, Jenna könnte eventuell dafür eine Lösung finden.“

Mit fragendem Blick warf die Kommandantin ihren Kopf herum. „Ich kann vielleicht viel.“, sagte die terranische Chefingenieurin. „Aber ich glaube nicht, dass es mir möglich ist, einen Bann von Sytania mit physikalischen Mitteln auszutricksen.“ „Du irrst dich, Telshanach.“, sagte Joran, der das Ganze zunächst schweigend beobachtet hatte. Das war übrigens eine weitere Gemeinsamkeit, die den Mann mit der Schlange im Bauch aus Shannons Schmöker laut der Meinung der blonden Irin mit Joran verband. Der hatte oft auch Situationen mit großem Schweigen beobachtet, um dann einige kurze aber prägnante Sätze von sich zu geben, die ungeheuer treffsicher platziert des Pudels Kern ans Tageslicht brachten.

„Das waren einfache kleine Probleme.“, sagte Jenna. „Aber ich glaube nicht, dass ich in der Lage bin, eine technische Lösung zu finden, die Sytanias Neuralmuster ersetzt. Verstehst du, Zirell.“, erklärte sie. „Das ist wie zum Beispiel mit der Selbstzerstörung. Dazu benötigst du auch die Zustimmung deines ersten Offiziers. Wenn die nicht vorhanden ist, kann IDUSA den Befehl nicht ausführen. Genau so wird hier Sytanias Neuralmuster benötigt. Sagen wir, es ist eine Art Bestätigungscode.“ „Na, verstanden hast du die Sache ja schon mal, Jenna.“, sagte Zirell. „Und wie ich dich kenne, wird es dann nicht mehr lange dauern, bis du eine Lösung präsentierst.“ „Freu dich bitte nicht zu früh.“, sagte die Terranerin bescheiden.

IDUSA hatte Sianachs Schiff auf Zirells Befehl an eine Andockrampe gewiesen und nun betrat die kleine Prozession angeführt von der jungen Vendar den Konferenzraum. „Da seid ihr ja.“, begrüßte Zirell sie und deutete auf vier freie Plätze. „In der Tat.“, sagte Sianach und setzte sich mit den anderen. „Clytus und Tolea bereuen sehr, was sie getan haben. Wir alle hoffen, dass Jenna El Taria dieses Problem irgendwie lösen kann. Tolea kann Clytus ohne Sytania nicht zurückverwandeln und freiwillig wird sie das nicht tun, weil ihr die Situation, wie sie jetzt ist, einen Vorteil bringt.“ „Das ist uns klar, Sianach.“, sagte Zirell. „Aber ich weiß beim besten Willen nicht, was wir tun sollen.“

„Vielleicht sollten wir zunächst damit beginnen, die Beweise Nugura zu präsentieren.“, schlug Kissara vor. „Gute Idee.“, sagte Zirell. „So gewinnen wir erst einmal Zeit. Jenn’, du solltest wegen der anderen Sache vielleicht IDUSA einige Dinge durchsimulieren lassen.“ „Also gut.“, sagte die Technikerin etwas mutlos, bevor sie ging. Auch wenn alle anderen sie für eine Wundertäterin hielten, so war Jenna sich selbst eher sicher, hier tatsächlich mit ihrem Latein am Ende zu sein.

Auf Ginallas Befehl hin hatte sich Kamurus an die interdimensionale Sensorenplattform der Tindaraner gehängt, um mit ihr sämtliches Geschehen zu beobachten. Er hatte gesehen, was sich auf der Station abgespielt hatte, wusste aber auch, welches perfide Spiel im Parlament der Föderation gespielt worden war. „Wie fies is’ das denn?!“, stellte Ginalla fest, der er alles gezeigt hatte. „Aber wir könnten die gemeine Agatha und ihre Schergen stoppen, wenn wir wollten. Außerdem könnten wir die Beweise zu Nugura bringen. Die Granger darf sich da nich’ blicken lassen. Das is’ mir klärchen.“ „Das wäre für mich auch OK.“, stimmte das Schiff zu. „Dann könntest du zumindest auch deinen Ruf reinwaschen.“ „Na dann lass den Antrieb qualmen, Kumpel!“, befahl Ginalla. „Und SITCH Zirells Basis an, sie sollen dir die Daten von dem lieben Agent Mikel geben.“ Kamurus’ Avatar nickte und tat, was sie ihm soeben gesagt hatte.

Zirell war nach der Konferenz ins Gästequartier gegangen, wo Clytus und seine Tante zunächst untergekommen waren. Diran und Sianach waren wieder abgeflogen und wir waren auch alle wieder auf unser Schiff zurückgekehrt, das aber nach wie vor an der Basis gedockt war. Die Tindaranerin hoffte, Clytus ein wenig den seelischen Schmerz nehmen zu können, den er jetzt erlitt. Sie dachte, ihn einfach mal unverfänglich zu besuchen, könnte vielleicht dazu beitragen.

Sie stand nun also vor der Tür und betätigte die Sprechanlage. „Wer ist dort?“, fragte ein etwas trauriger Clytus. „Hier ist Zirell.“, sagte sie. „Ich bin hier, weil ich dich einfach mal besuchen wollte. Vielleicht können wir etwas quatschen. Ist deine Tante da?“ „Wenn du auch mit ihr quatschen willst, lässt sich das sicher arrangieren.“, sagte Clytus und beendete die Verbindung, wonach die Türen auseinander glitten.

Zirell betrat den Flur und fand Clytus mit einem Pad in der Hand im Wohnzimmer vor. „Was schreibst du da?“, fragte sie. „Ach.“, seufzte Clytus. „Es ist eine Entschuldigung an alle, denen ich etwas angetan habe. Sie können mir das nachher nicht zufällig auf Tindaranisch übersetzen, Commander?“ „Erst mal.“, begann Zirell und setzte sich. „Wird sich auf meiner Station wie auf ganz Tindara geduzt und zum zweiten kann dir IDUSA damit sicher auch helfen.“ „Das habe ich schon versucht.“, sagte der Junge. „Aber sie übersetzt zu sachlich. Ich will, dass auch wirklich meine Reue rüberkommt. Ich habe meine Lektion gelernt. Liebe kann man nun mal nicht erzwingen. Und jemanden als Geschenk für die eventuelle Geliebte zu missbrauchen, war sicher auch nicht die feine englische Art. Ich würde mich gern bei den Scotts, den Genesianern, der Föderation und Shimar dafür entschuldigen. Und vor allem bei Eldisa. Ich habe ihren Vater getötet.“

Zirell ging zum Replikator und befahl IDUSA etwas auf Tindaranisch, das der Junge nicht verstand. Dann kam sie mit zwei riesigen Stücken terranischer Schokoladentorte zurück. „Ach Clytus.“, sagte sie, während sie einen der Teller vor dem schwermütig dreinschauenden Jungen hinstellte. „Dass bei euch die romantischen Geschenke etwas größer ausfallen als ein Blumenstrauß oder ein Picknick am See, war mir doch längst klar. Und, 13-jährige Jungen machen halt manchmal dumme Sachen. Aber vielleicht kriegen wir das ja alles wieder hin, inklusive dir.“ „Nein.“, sagte Clytus traurig. „Ich habe uns die Suppe eingebrockt, ich muss sie auch wieder auslöffeln.“ „Das mag ja sein.“, beruhigte ihn Zirell. „Aber das schaffst du mit Sicherheit nicht allein. Mit ein bisschen Hilfe von unserer Seite wirst du doch wohl einverstanden sein.“

Tolea hatte das Zimmer betreten. „Hallo, Commander.“, sagte sie. „Ich bin angenehm überrascht. Ich hatte Sie nicht bemerkt.“ „Liegt wohl daran, dass Sie mit den Gedanken ganz woanders waren, Tolea.“, frotzelte Zirell.

Die Q setzte sich zu Clytus und ihrem Gast auf das Sofa und schaute ernst. „Damit haben Sie gar nicht so Unrecht, Commander.“, sagte sie. „Ich zermartere mir den Kopf. Ich frage mich, was wir tun können, um …“

Die Sprechanlage hatte dafür gesorgt, dass sie ihren Satz nicht hatte beenden können. Tolea stand auf, ging zur Konsole und antwortete: „Hier Gästequartier eins. Tolea.“ „Ist Anführerin Zirell bei Euch, Gebieterin?“, fragte eine Zirell sehr wohl bekannte tiefe Stimme. „Ja, Joran.“, sagte Tolea und gab das Mikrofon an die Gesuchte weiter. „OK, Joran.“, sagte diese. „Woher wusstest du, dass ich hier bin?“ „IDUSA hat es mir gesagt, Anführerin.“, gab der Vendar zu. „Ich muss dich um Erlaubnis bitten, Ginalla El Celsius und ihrem Schiff die Beweise bezüglich des Geistwesens zukommen zu lassen. Ginalla will sie Nugura El Fedaria überbringen.“ „Ginalla!“, rief Zirell aus. „Von der hätte ich einen solchen Schritt am wenigsten erwartet. Aber gut. Wenn sie uns helfen will, dann soll sie. Du hast das OK.“ „Ich danke dir, Anführerin.“, sagte Joran und hängte ein.

Aglaia und Marak hatten jene Koordinaten erreicht, an denen Shimar ihren zukünftigen Sohn gesehen hatte. „Könntest du das Steuer übernehmen, Aglaia?“, sagte Marak. „Ich muss hinten im Shuttle noch etwas erledigen. Der Antrieb läuft nicht rund und ich werde mich darum kümmern.“ „Man lernt so einiges, wenn man unterwegs ist.“, lächelte die Cobali und rutschte bereitwillig auf den Pilotensitz. Dann fragte sie: „Was haben Shimar und du übrigens da an der Andockrampe gemacht?“ „Er hat das Gleiche gemerkt wie ich.“, log Marak. „Er hat mir ein paar Tipps gegeben, wie ich das in Ordnung bringen kann. Er weiß so was, weil er viel Zeit mit deren Chefingenieurin verbringt. Ich werde die Sprechanlage benutzen, falls du dies oder jenes mit dem Antrieb machen sollst.“ „Geht klar.“, sagte die ahnungslose Aglaia, deren Aufmerksamkeit er jetzt geschickt auf das Steuer und die Sprechanlage gelenkt hatte. So würde sie nicht sehen, was er wirklich tat.

Er ging nach hinten in den kleinen Operationssaal, von wo aus er dem Computer befahl, den toten Romulaner direkt auf den Tisch zu beamen. Dann begann er, seine romulanischen Organe durch solche zu ersetzen, die ihn zumindest innerlich schon einmal zu einem Cobali werden ließen. Auch sein Gehirn wurde entsprechend verändert, um das biosynthetische Neuralfeld aufnehmen zu können. Nachdem diese Operationen beendet waren, schloss Marak den Körper an eine Lebenserhaltung an und befahl dem Computer, mit dem Pumpen des Blutes durch diesen zu beginnen und spritzte ihm ein Medikament, welches das Umschreiben seiner DNS in die eines Cobali übernahm. „Jetzt, mein Sohn.“, sagte er. „Jetzt kommt der entscheidende Schritt.“

Er setzte ihm eine Art Helm auf, der mit einem Gerät verbunden war, das ein künstliches Neuralfeld aussenden konnte. Dann befahl er dem Rechner: „Computer, biosynthetisches Neuralfeld applizieren!“ „Befehl wird ausgeführt.“, kam es nüchtern zurück.

Nervös, fast ungeduldig, beobachtete Marak die Ausführung seines Befehls. Die Anzeige, die ihm den Grad der Durchflutung des Gehirns mit dem biosynthetischen Neuralfeld mitteilte, wollte einfach nicht schnell genug steigen. Schließlich kam der erlösende Satz: „Das Hirngewebe ist vollständig gesättigt.“ „Applikation einstellen!“, befahl Marak.

Er drehte sich um und sah mit bangem Blick auf den Monitor. „Es bleibt stabil!“, rief er aus. „Es bleibt stabil! Wir sind wohl doch noch rechtzeitig gekommen! Danke, Shimar! Danke!“

Marak wusste, dass er jetzt keine Zeit verlieren durfte. Sein Sohn würde bald erwachen und dann wäre es sehr gut, wenn er dann auch gleich seine Mutter sehen würde. Deshalb rief er seine Frau so schnell es ging über die Sprechanlage her: „Schalte den Autopiloten ein und komm her, Aglaia!“, sagte er aufgeregt. „Sofort!“, kam es zurück und die ebenso aufgeregte Aglaia kam hinzugeeilt. Gefühle des Erstaunens und der Freude überwältigten die junge Cobali, als sie den jetzt immer rosiger werdenden Romulaner auf dem Operationstisch sah, der sich auch äußerlich langsam aber sicher in einen Cobali verwandelte. Sie begann vor Freude zu weinen und schlang ihre Arme um ihn. „Oh, Marak.“, schluchzte sie. „Unser Kind! Unser Kind! Woher wusstest du …“ „Von Shimar.“, lächelte der Cobali. „Er hat mit mir in die Zukunft gesehen und mir gesagt, dass wir ihn hier finden würden.“ „Das war also das angebliche Antriebsproblem, du Schlawiner.“, lachte Aglaia. „Genau das.“, lachte er zurück. „Dann will ich mit Shimar SITCHen und mich bei ihm bedanken.“, sagte Aglaia. „Das sollst du auch.“, sagte Marak. „Aber zunächst solltest du dich frisch …“ „Nein.“, unterbrach sie ihn. „Er soll mich ruhig so sehen. Das macht mir nichts.“ „Also gut.“, sagte Marak und regelte mit dem Computer, dass er ihm sagen sollte, wenn der Junge aufwachte. Dann nahm er seine Frau mit ins Cockpit zurück.

Shimar fühlte sich an seine Zeit als Kadett erinnert. Damit zukünftige tindaranische Patrouillenflieger überhaupt wussten, was ein Gedankenbefehl an ihr Schiff für Konsequenzen hatte, hatten die Professoren sie zunächst an Simulatoren mit Handsteuerung üben lassen, bevor sie ein wirkliches tindaranisches Schiff bedienen durften. Aber das hier war keine Simulation, sondern die knallharte Realität. In einer Sache allerdings konnte Shimar den Cobali nicht zustimmen. Er fand nicht, dass dieses Shuttle langsam in der Reaktion war. Im Gegenteil! Er fand sogar, dass sie durchaus mit IDUSA mithalten konnte, wenn man sie nur richtig anfasste. „Du magst es nicht, wenn man dich überfällt.“, flüsterte er. „Du hast es lieber, wenn man deinen Antrieb vorsichtig vorbereitet, als gleich Vollgas zu geben. Dann machst du auch gleich, was man dir sagt.“ Das mit dem Vollgas hatte er wohl von mir übernommen, die durchaus noch Verbrennungsmotoren kannte.

Er hatte sich selbst dabei ertappt, mit dem Schiff zu reden, wie er es mit IDUSA tat. Nur konnte dieser Bordcomputer ihm wohl nur in vorgefertigten Sätzen auf bekannte Situationen antworten. Selbstständig denken wie das tindaranische Schiff konnte er nicht. Deshalb kam auch nur ein sachliches: „Befehl unklar.“, zurück. „Befehl löschen!“, sagte Shimar.

Ein nervös blinkendes Lämpchen an der Konsole und ein heller Piepton zeigten ihm an, dass hier etwas im Gange war. Er schaute die Displays auf der Konsole systematisch durch und landete schließlich bei dem für das Sprechgerät. Das Rufzeichen erkannte er sofort wieder. „Dein Mutterschiff hat Sehnsucht.“, flapste er, achtete aber dieses Mal darauf, nicht zu nah am Mikrofon des Computers mit dem Mund zu sein. Dann drückte er die Sendetaste, um die Verbindung anzunehmen und sagte: „Hier ist Shimar.“ „Hier ist Marak.“, kam es zurück. „Meine Frau wollte sich bei dir bedanken. Sie kann nur im Moment nicht reden, weil ihre Gefühle sie völlig übermannt haben. Wir haben den toten Romulaner tatsächlich an der Stelle gefunden, die du vorausgesehen hast. Die Operationen sind geglückt. Es sind wohl auch keine Komplikationen bezüglich der Erinnerungen aus seinem früheren Leben zu erwarten. Aglaia bringt ihm bereits unsere Sprache bei. Bald wird er das Laufen lernen. Du kannst dir sicher denken, dass er alles neu erlernen muss.“ „Das kann ich.“, sagte Shimar. „Schließlich sind tief greifende medizinische Veränderungen bei ihm durchgeführt worden.“ „Das stimmt.“, bestätigte der Cobali. „Aber du bist der Erste, mit dem ich über so etwas reden kann, ohne dass er gleich mit dem moralischen Zeigefinger auftritt. Entweder du bist sehr tolerant, oder du weißt mehr über uns als die meisten anderen.“ „Sagen wir, es ist eine Mischung aus beidem.“, sagte Shimar. „Wer bin ich, dass ich darüber urteilen darf, welche Art der Fortpflanzung die Richtige ist. Aber ich weiß auch, dass ihr Vorkehrungen trefft, die eine Erinnerung an das Vorherige Leben eigentlich völlig ausschließen sollen. Ab und zu klappt das nicht, aber dann gab es bisher immer Mittel und Wege, die Situation irgendwie zu lösen. Wenn derjenige allerdings auf Personen aus seinem früheren Leben trifft, könnte das schon bei diesen Personen zu einem moralischen Dilemma führen. Aber auch dafür gibt und gab es Lösungen. Um aber vollständig sicher zu gehen, finde ich, dass ihr Telepathen in euren Fortpflanzungszentren beschäftigen solltet. Aufgrund der politischen Situation wird das ja hoffentlich bald möglich sein. Meines Wissens versucht Nugura eine Annäherung und wenn auch ihr Verbündete der Föderation werden solltet, dann …“ „Bietest du dich an?“, scherzte Marak. „Mal sehen.“, scherzte Shimar zurück. „Falls ich vom tindaranischen Militär genug haben sollte, vielleicht.“

Marak erwiderte zunächst nichts, ließ die Verbindung aber bestehen. Auf dem Schirm konnte Shimar sehen, dass er ein nachdenkliches Gesicht machte. „Was ist los, Kumpel?!“, fragte der junge Tindaraner.

Statt selbst zu antworten gab Marak das Mikrofon aber an Aglaia weiter, die inzwischen ihre Tränen getrocknet hatte. „Wir würden unseren Sohn gern Muruk mit erstem Namen nennen.“, erklärte die Cobali. „Muruk und mit zweitem Namen Shimar, wenn du einverstanden bist. Ich meine, schließlich verdanken wir dir, dass wir ihn überhaupt gefunden haben.“

Shimar wurde blass. Kommt, wir veranstalten ein Treffen., dachte er. Er hatte sich nämlich gerade vorgestellt, dass wohl bald die halbe Galaxie mit Kindern voll sein würde, die irgendwo in ihrem Personalausweis seinen Namen stehen hatten. Er wusste, dass er sicher nicht der einzige Tindaraner war, der Shimar hieß, trotzdem war es ihm fast unangenehm. Auch mit Rücksicht auf die Tatsache, dass es bisher in allen Fällen die betroffenen Frauen waren, die ihm diesen Vorschlag gemacht hatten, war es ihm fast peinlich und er fragte sich, was das wohl für ein Licht auf ihn werfen würde. Zwar war er weder in Eludehs Fall, noch in diesem an der Zeugung direkt beteiligt gewesen, trotzdem wusste er, dass in so einem Fall die wildesten Gerüchte aufkommen konnten. Er suchte krampfhaft nach einer Lösung, Aglaia schonend beizubringen, dass er damit eben nicht einverstanden war. Er ahnte ja nicht, dass dieses Gespräch bald auf unbestimmte Zeit verschoben werden musste.

Zur gleichen Zeit waren Telzan und seine Truppe zurückgekehrt und hatten Sytania vom Erfolg ihrer Aktion berichtet. Lächelnd hatte die Königstochter die Nachricht aufgenommen. „Sehr gut.“, lobte sie. „Wie weit ist der Komet vom nächsten Sonnensystem entfernt, Telzan?“ „Nicht sehr weit, Milady.“, antwortete der Vendar. „Sie wird wohl bald verglüht sein, schätze ich. Da kommt die liebe IDUSA nicht mehr raus. Ihr Transporter hat zu geringe Kapazitäten. Sie kann sich da nicht herausbeamen. Außerdem, wie soll sie sich durch ihren eigenen Transporter schicken?“ „Was für eine Erleichterung!“, atmete Sytania auf. „Dann habe ich den Kopf zumindest frei für mein eigenes Vorhaben. Willst du zusehen?“ „Wenn ich darf, dann würde ich das gern, Gebieterin.“, sagte der Vendar mit fast unterwürfiger Stimme. „Nun gut.“, sagte Sytania und nahm den Kontaktkelch zur Hand. Dann legten beide in bekannter Weise die Hände darauf.

Shimar hatte gerade ansetzen wollen, um Aglaia doch noch seine Absicht zu erklären, als die Sensoren des Schiffes Alarm schlugen. Immer, wenn ich gerade eine Lösung gefunden habe., dachte er. „Ich bekomme Probleme!“, sagte Shimar hektisch. „Wir werden das Gespräch ein anderes Mal fortsetzen müssen. Ich hoffe, ihr könnt mit der Taufe eures Kindes noch warten, bis ich die Schwierigkeiten abgeschüttelt habe.“ „Wir werden es wohl müssen.“, sagte Aglaia. „Aber was auch immer da los ist bei dir. Ich bezweifle, dass du es mit diesem langsamen Schiff abschütteln kannst. Sie hat nur einen Phaser mit geringer Reichweite und du kannst nicht gleichzeitig die Waffen bedienen und sie fliegen.“ „Sei’s drum.“, sagte Shimar. „Ich muss da jetzt irgendwie durch, Aglaia. Aber ich habe eine entsprechende Ausbildung, die mir hoffentlich dabei hilft. Ich möchte dich von Details verschonen. Also bitte lass uns jetzt das Gespräch hier beenden.“ „OK.“, sagte die Cobali, die sich denken konnte, dass Shimar so etwas nicht ohne Grund tat.

Der Tindaraner wendete sich den Sensorenanzeigen zu. Was da hinter ihm lauerte und sich immer weiter näherte, nahmen die nicht sehr hoch auflösenden Sensoren der Rettungskapsel nur als merkwürdig wie Birnen geformte Schattengebilde wahr, aber Shimar wusste Dank seines telepathischen Gespürs längst, dass es sich um Phänomene von Sytania handelte. Im Normalfall hätte er jetzt IDUSA befohlen, selbst die Steuerkontrolle zu übernehmen, damit er sich mit Hilfe seiner geistigen Fähigkeiten darum hätte kümmern können. Aber dieses Schiff hier hatte nur einen unzureichend auf solche Situationen programmierten Autopiloten, der dazu noch nicht einmal eigene Entscheidungen treffen konnte. Auch eine Rosannium-Waffe gab es nicht, wie Shimar bald feststellen musste. „Ich kann mich unmöglich mit Sytania duellieren und dich gleichzeitig fliegen.“, flüsterte er dem Schiff zu. Diese Angewohnheit würde er wohl nie ablegen. „Und gescheit kämpfen kannst du auch nicht. Wo bist du, wenn ich dich brauche, IDUSA?!“

Sytania spürte jene Ratlosigkeit, die Shimar überkommen hatte. „Jetzt bist du ratlos, Tindaraner!“, krähte sie schadenfroh in den Raum. „Jetzt habe ich dich. Ich werde dein Schiff und dich in die Wirbel jagen. Mal sehen, wie du damit klar kommst.“

Da Sytania auch in Richtung des Kontaktkelchs gesprochen hatte, war auch bei Shimar angekommen, was sie gesagt hatte. „Na, jetzt wart Ihr aber unvorsichtig.“, sagte Shimar ebenfalls etwas schadenfroh. „Wenigstens weiß ich jetzt, was Ihr vorhabt. Computer, alle Energie für den Phaser in den Antrieb umleiten! Der normale Phaser nützt mir hier sowieso nichts.“

Er bemerkte einen sprunghaften Anstieg der Antriebsleistung, als der Computer sagte: „Befehl wird ausgeführt.“ „Habe ich wohl gemerkt.“, sagte Shimar. „Und jetzt zeig mir, was du kannst!“

In einer nicht sehr ruckartigen aber dennoch schnellen fließenden Bewegung schob er den Regler für die Geschwindigkeit nach vorn, was zur Folge hatte, dass sein Schiff tatsächlich auf Warp acht beschleunigte, eine Geschwindigkeit, die seine eigentlichen Besitzer ihm niemals zugetraut hatten, aber mit der zusätzlichen Energie aus dem Phaser war das wohl im Rahmen des Möglichen. Der Kurs, den Shimar vorher eingegeben hatte, führte von den Wirbeln weg. Er plante, Sytania dadurch auszupowern, dass er sie zwingen würde, ihre Phänomene in immer wilderen Manövern hinter ihm herzuschicken, damit er ihr dann irgendwann, wenn das Schiff ihn nicht mehr so dringend brauchte, weil die Schatten zurückgefallen waren, telepathisch einen Dolchstoß verpassen konnte.

Telzan, der als Anführer von Sytanias Vendar ein sehr gutes Verständnis von Strategie und Taktik hatte, war dies nicht entgangen. „Herrin, er versucht Euch müde zu machen.“, flüsterte er der sehr konzentrierten Sytania zu. „An Eurer Stelle würde ich nicht weiter darauf eingehen. Ihr solltet die Phänomene zunächst zurückfallen lassen bis auf eines. Das schickt Ihr ihm direkt vor den Antrieb. Wenn er sich sicher fühlt, wird er wieder Kurs in Richtung Wirbel setzen, um sein eigentliches Vorhaben auszuführen. Das Phänomen sollte ihn dort erwarten.“ „Oh, mein kluger Telzan.“, sagte Sytania anerkennend. „Du hast doch immer die besten Ideen und hast mich vor einem großen Fehler bewahrt. Genau so werde ich es machen.“

Auf dem Monitor sah Shimar, wie die Schatten langsam zurückfielen. „Was ist los, Sytania?“, spottete er. „Schon müde? Na, ich hätte Euch weitaus mehr zugetraut!“ Jetzt sah er auch noch, wie alle Phänomene sich scheinbar auflösten. „Na toll!“, meinte er. „Ihr könnt ja noch nicht einmal Eure Schöpfungen noch aufrecht erhalten, so fertig seid Ihr. Oh, Mann! Wenn ich auf 281 Alpha erzähle, dass ein einzelner tindaranischer Soldat nur mit einer Rettungskapsel in der Lage ist, Euch zu besiegen, dann seid Ihr auf lange Sicht die Lachnummer der tindaranischen Nation!“ Dann wendete er sich wieder an das Schiff: „Gut gemacht! So, jetzt sollten wir uns wieder unserer eigentlichen Mission zuwenden. Na komm!“

Er drehte das Schiff um und flog wieder Richtung Wirbel, eine Tatsache, auf die Sytania nur gewartet hatte. Ihr letztes Phänomen hatte sie unsichtbar gemacht und deshalb konnten weder Shimar noch das Schiff sehen, was dort auf sie zukam. Erst als das Phänomen Kontakt mit dem Antrieb hatte und drei von fünf Spulen außer Gefecht setzte, wurde dem Tindaraner klar, was jetzt passiert war. „Verdammt!“, fluchte er, während er versuchte, das Schiff mit den verbliebenen zwei Spulen zu stabilisieren, das bereits in die Gravitation der Wirbel geraten war. Jetzt würde ihm nur noch der Fluchttransporter helfen können, denn der Kurzschluss, den das Phänomen bei seiner Berührung verursacht hatte, fraß sich immer tiefer in die Systeme des Shuttles vor. Shimar wusste, dass hinter den Wirbeln die Freiheit in Form der violetten Ebene auf ihn wartete, aber um dort hin zu kommen, musste er sich durch die Wirbel beamen lassen. Außerdem mussten die beiden Spulen noch so lange halten, bis die Transporterreichweite erreicht war. Deshalb versuchte er, das Schiff trotz der genannten Probleme noch tiefer in die Wirbel zu manövrieren. Die Meldung, die der Computer bald darauf ausspuckte, ließ ihn wenig Gutes erahnen: „Warnung: Vollständiges Versagen des Antriebs steht in ca. 30 Sekunden bevor. Ein Verlassen der Weltraumwirbel wird empfohlen.“ „Negativ, Computer.“, sagte Shimar. „Transporter auf Koordinaten auf der violetten Ebene einstellen! Sofort beamen, wenn in Reichweite!“ „Warnung.“, kam es zurück. „Der von Ihnen eingegebene Vorgang ist extrem gefährlich.“ „Erläuterung!“, befahl Shimar. „Eine Kollision des Transporterstrahls mit den Wirbeln könnte schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen bei einer zu beamenden Lebensform verursachen. Das Vorhaben wird aus Sicherheitsgründen nicht empfohlen.“ „Nicht empfohlen.“, wiederholte Shimar. „Das heißt nicht, dass du es nicht tun würdest, wenn man dir befiehlt, die Sicherheitsprotokolle zu übergehen. Ja, ja. Ich habe zugehört. Gib mir den Countdown für die Antriebszerstörung und zeig mir die violette Ebene auf dem Schirm. Sofort beamen, wenn wir in Reichweite sind! Sicherheitsprotokolle übergehen!“

„Noch zehn Sekunden bis zur Zerstörung des Antriebs.“, sagte der Computer. Shimar bemerkte, dass das Schiff immer schwerer zu manövrieren war. Nur noch ein kleines Stück., dachte er. Nur noch ein winziges Stück!

Die Worte des Computers klangen für ihn wie eine Erlösung: „Achtung, Ihr Befehl wird ausgeführt. Halten Sie sich für den Transport bereit.“

Shimar ließ die Steuerkontrollen los. „Tut mir leid, Mädchen.“, flüsterte er. „Dabei haben wir uns kaum gekannt.“ Dann wurde er von Bord gebeamt. Leider streifte der Transporterstrahl tatsächlich einen Wirbel, was zur Folge hatte, dass Shimar bewusstlos an der Stelle, an der er ankam, materialisiert wurde. Auf der anderen Seite der Wirbel besorgte der Kurzschluss den Rest. Es gab eine Reaktion im Kühlsystem, nach der ein Bruch des Warpkerns erfolgte. Dann explodierte das Schiff.

Sytania und Telzan hatten alles mit angesehen. „Dieser Wirbel wird kurzen Prozess mit dem Transporterstrahl gemacht haben.“, sagte Telzan schadenfroh. „Zirell El Tindara kann schon mal mit der Planung für die Beerdigung anfangen, wenn man überhaupt noch Reste von Shimar finden sollte.“ „Ganz recht, mein treuer Telzan.“, sagte die Prinzessin und lachte schallend. Dann sagte sie:„Wir sollten ihr zum Beweis ein Trümmerteil des zerstörten Schiffes schicken.“

Kapitel 53 - Ernüchterung

von Visitor

 

Ginalla und Kamurus hatten die Basis der Regierung der Föderation erreicht. Dabei waren sie von genesianischen Sensoren völlig unbehelligt geblieben, weil diese das Schiff aufgrund eines erneut geänderten Transpondersignals für ein platonisches Freizeitschiff gehalten hatten. „Sorry, dass ich dein Signal schon wieder geändert habe.“, entschuldigte sich Ginalla. „Ich hoffe, du weißt am Ende selbst noch, wer du wirklich bist.“ „Mach dir keine Sorgen.“, tröstete das Schiff. „Ich kenne meine Identität noch sehr genau. Aber jetzt sollten wir langsam mal einen Schlachtplan machen. Wie hast du dir unser weiteres Vorgehen vorgestellt?“ „Ich dachte, du beamst mich einfach mal ganz gepflegt in Nuguras Büro.“, sagte Ginalla ruhig. „Dann wirst du dort allein sein.“, sagte Kamurus. „Meine Scans haben ergeben, dass sich dort im Augenblick niemand befindet.“ „Oh, das is’ nich gut.“, sagte Ginalla. „Kannst du mir sagen, wo das ausgeflogene Vögelchen jetzt nistet?“ „Ich vermute, sie ist im Plenarsaal.“, sagte Kamurus. „Was heißt, du vermutest?“, fragte die junge Celsianerin. „Die Genesianer oder jemand anders muss hier in der Nähe Sonden installiert haben, die meine Sensoren empfindlich stören.“, antwortete ihr Schiff. „Ich kann zwar grob feststellen, dass sich jemand dort befinden muss, kann aber nicht genau sagen, wer es ist.“ „Dann machen wir das anders.“, sagte Ginalla und aufgrund der nachfolgenden Gedankenbefehle wurde es dem Avatar recht mulmig. Trotzdem verband er seine Pilotin wenig später mit Nuguras Vorzimmer, wie sie es ihm befohlen hatte.

Saron war über das fremde Gesicht auf dem Schirm etwas irritiert, gab sich aber dennoch sehr höflich. „Hier Vorzimmer von Präsidentin Nugura. Sekretär Saron.“, meldete er sich. „Moin.“, flapste ihm die breit grinsende Ginalla entgegen. „Ich heiß’ Ginalla. Kriech’ ich mal die Chefin von dem Laden hier?“

Saron stockte der Atem. So war er noch nicht einmal von der ersten Electorine von Celsius angesprochen worden, obwohl offensichtlich war, dass die Frau, mit der er sich jetzt unterhielt und ihr Staatsoberhaupt vom selben Planeten stammten. „Bedaure.“, stieß er schließlich hervor. „Die Präsidentin befindet sich in einer Konferenz. Sie ist zur Zeit nicht über SITCH erreichbar. Vielleicht können Sie es in ca. drei Stunden noch einmal probieren.“ „Das geht nich’.“, flapste Ginalla zurück. „Wissen S’e, mein Jutster, ich hab’s nämlich eilig. Ich hab’ ’n paar echt heiße Infos, die ich gern loswerden würde, bevor ich mir dran die Finger verbrenne. Also, wo is’ S’e?“ „Ich darf Ihnen das nicht so einfach sagen.“, sagte Saron. „Wie ich sehe, sind Sie Zivilistin und ich darf nicht …“ „Die Leier kenne ich auswendig, Mister!“, wurde Ginalla unwirsch. „Aber Ihre Chefin kennt mich und wird sicher nich’ sehr erbaut darüber sein, dass die gute Ginalla sie nicht besuchen konnte, weil ihr dusseliger Sekretär nichts Besseres zu tun hatte, als sie abzuweisen. Haben S’e schon mal was von Bürgernähe gehört? Ich meine auch im Hinblick auf die nächsten Wahlen, Sie verstehen doch, oder? Ich bin quasi so was wie ihre beste Freundin. Die wäre bestimmt schwer enttäuscht von Ihnen und dann gebe es ein Donnerwetter. Also, es liegt ganz bei Ihnen, wie Sie Ihren Arbeitstag beenden.“ „Also gut.“, sagte Saron. „Sie ist im Plenarsaal. Wenn Sie eine so gute Freundin von meiner Vorgesetzten sind, dann wissen Sie ja sicher, wo das ist.“ „Darauf können S’e gepflegt einen lassen oder auch zwei.“, sagte Ginalla und beendete die Verbindung.

„Ich wusste gar nicht, dass du mit der Präsidentin der Föderation befreundet bist und ich wusste nicht, dass du so gut Leute manipulieren kannst.“, sagte Kamurus. „Dass ich mit Nugura befreundet bin, wusste ich bis eben auch noch nich’.“, flapste Ginalla. „Aber dass Amtsschimmel ungern Ärger mit ihren Vorgesetzten riskieren und schon gar nicht ihren Job, das war mir klar. Ich kann logisch denken und weiß, dass dem guten Saron jeden Tag die Angst im Nacken sitzt, doch noch in den Minen zu landen, nur weil er ein Mann ist. Der wird jeder Art von Ärger aus dem Weg gehen wollen.“ „Pfui, du kannst ja richtig fies sein.“, meinte Kamurus. „Volltreffer.“, flapste Ginalla. „Schließlich habe ich Jahre lang nur so überlebt. Aber mal was anderes. Kannst du mich in den Saal beamen oder nich’?“ „Das kann ich.“, sagte das Schiff. „Aber wir müssen das Ganze aus einer niedrigeren Umlaufbahn heraus tun, damit ich eine klarere Erfassung bekomme. Der Vorgang wird nur eine Sekunde dauern.“ „Dann registrieren die genesianischen Sensoren uns hoffentlich nich’.“, sagte Ginalla. „Also, legen wir los!“

Kamurus schaltete sich auf Sinkflug und beamte Ginalla noch im Vorbeiflug an der Station mitten in den Saal, so dass sie genau neben der völlig verwirrten Präsidentin auf der Bühne landete. Ihr plötzliches Erscheinen hatte einen solchen Tumult unter den Anwesenden ausgelöst, dass die genesianischen Sicherheitsbeamtinnen sehr viel damit zu tun hatten, das Chaos wieder zu ordnen. Diesen Umstand aber hatte Ginalla genutzt, um ihrem Schiff per Sprechgerät zuzuflüstern: „Hack dich in das System hier. Sobald du von mir das Zeichen bekommst, spielst du alles von A bis Z ab.“ „OK.“, gab das Schiff zurück und begann gleich mit der Ausführung ihres Befehls. Die Antwort hätte so oder so niemand mitbekommen, da Ginalla einen Ohrhörer benutzte.

„Wer sind Sie?!“, fragte Nugura irritiert. „Und wie sind Sie an den Sicherheitsvorkehrungen vorbeigekommen?“ „Das wird mein süßes Geheimnis bleiben.“, flapste Ginalla und stellte sich lässig hin. Im gleichen Moment erhielt sie von Kamurus die Information: „Ginalla, ich bin drin.“ Grinsend nahm die junge Celsianerin das zur Kenntnis und witschte an Nugura vorbei zum Mikrofon des Rednerpultes. „Ladies, ich habe Ihnen was zu sagen.“, sagte sie. „Ihr seid alle das Opfer eines verliebten Jungen geworden. Aber das wär’ ja alles nich’ so wild, wenn sich dann nich’ diverse Leute noch eingemischt hätten, die ihr eigenes Süppchen kochen und die Sache ganz fies für sich ausgenutzt haben. Deshalb sitzen wir bis zum Hals in der Tinte, aber keine Angst, die liebe Ginalla und ihre Freunde holen uns da schon wieder raus. Aber was red’ ich mir hier eigentlich den Mund fusselig. Ich finde es viel besser, wenn ich es Ihnen allen zeige. Kamurus, du bist dran!“

Eine gewisse Auserwählte hatte begonnen, bei Ginallas Worten, die ihre Wirkung nicht verfehlt hatten, unruhig auf ihrem Stuhl hin und her zu rutschen. Sie fühlte sich definitiv ertappt, wollte sich dies aber nicht wirklich anmerken lassen. Aber da die Stühle im Plenarsaal fest mit dem Fußboden verbunden waren und in einer bestimmten Richtung zum Monitor standen, auf dem Kamurus jetzt alles erscheinen ließ, war sie jetzt auch noch gezwungen hinzusehen. Noch viel nervöser wurde Agatha allerdings, als Kamurus die Sache mit den Genesianern und unserer Rettung zeigte. „Dieses Schiff hat genau die gleiche Technik benutzt, die ich …“ Sie biss sich auf die Zunge. „Kamurus, Aufzeichnung anhalten!“, befahl Ginalla lässig. „Genau hier. Und gib es uns ganz groß.“

Agatha wünschte sich wohl in diesem Moment nichts sehnlicher, als blind zu sein, damit sie das viel sagende Bild nicht mehr sehen musste. Jenes Bild von der Prätora, die gerade gesehen hatte, wie leicht sie doch aufgrund ihres Glaubens zu manipulieren war und die jetzt einsah, dass es nicht ehrenhaft war, auf ein wehrloses Schiff zu schießen und die aus Angst davor, in der Zwischenwelt statt im Gore zu landen, lieber ihr Schiff umdrehte. Kleinlaut und kurz vor einem Geständnis war Agatha in ihrem Stuhl zusammengesunken.

Nugura war das nicht verborgen geblieben. „Wollen Sie uns etwas erklären, Agatha?!“, fragte sie ihre Kollegin streng, denn jetzt konnte sie sich einiges erklären. Dass Agatha gut darin war, Leute nach ihrem Willen zu manipulieren, wusste sie. Aber jetzt war ihr auch klar, warum sie bei der Abstimmung so eine Schlappe hatte hinnehmen müssen. Sicher hatte Agatha dort auch schon ihr Gift versprüht und die armen Genesianer, die schon genug als Marionetten in diesem Spiel benutzt worden waren, auch damit infiziert, nur um einen eigenen Vorteil zu erlangen. Dass die Situation für Angel One nicht wirklich schlecht war, wie sie jetzt war, sollte allen klar sein. „Ich gestehe in vollem Umfang.“, sagte Agatha blass. Wahrscheinlich hoffte sie, damit eine Milderung ihrer Strafe erwarten zu können. „Ich gestehe, die anderen Mitglieder des Parlaments psychisch manipuliert zu haben, damit sie der Aufbringung der Granger zustimmen, damit Angel One daraus einen Vorteil hat. Ich gestehe auch, die Genesianer mit Hilfe ihres Glaubens zu meinem Werkzeug gemacht zu haben. Aber wir sollten uns doch darüber freuen, wenn jemand so leicht zu manipulieren ist. Oder gefällt Ihnen diese Situation nicht auch? Ist es nicht schön, wenn die Männer …“ „Halten Sie Ihren verdammten Mund!!!“, entfuhr es Nugura entrüstet. „So jemanden wie Sie, Agatha, kann ich in meinem Parlament nicht gebrauchen!!! Sie haben auf das Schändlichste gegen alle moralischen und gesetzlichen Grundlagen verstoßen, auf denen die Föderation sich aufbaut! Die Genesianer mögen unsere Gegner im Krieg sein, aber das gibt uns noch lange nicht das Recht, ihr Ehrgefühl und ihren Glauben mit Füßen zu treten und zu benutzen und zu beschmutzen! Sie sind von Clytus wahrlich genug herumgeschubst worden. Ihm verzeihe ich sogar, weil er ein dummes Kind ist, das noch nicht weiß, was es tut! Aber bei Ihnen, Agatha, sieht es anders aus! Hiermit beantrage ich, Angel One aus der Föderation zu entfernen! Irgendwelche Gegenstimmen?!“ Alle Politikerinnen, die jetzt auch gemerkt hatten, was hier gespielt wurde, schüttelten geschlossen die Köpfe. „Dann soll es so sein.“, sagte Nugura und gab zwei Genesianerinnen von der Sicherheit ein Zeichen. Diese schnappten sich Agatha und setzten sie grob vor die Tür.

Die Präsidentin atmete erleichtert auf und wandte sich Ginalla zu. „Dass ausgerechnet Sie uns noch einmal von so einer Geißel befreien, hätte ich nicht gedacht.“, sagte sie. „Es klingelt also doch bei Ihnen, Präsidentin.“, sagte Ginalla. „Oh, ja, Ginalla.“, sagte die Politikerin. „Ich weiß, wer Sie sind und was für einen Ruf Sie haben. Aber das hat sich ja alles geändert. Die alte Ginalla hätte sich bestimmt Agatha angeschlossen, aber Sie nicht. Ich bin geneigt, Ihnen die Sarek-Medaille für politischen Weitblick zu verleihen.“ „Nu’ bleiben S’e mal auf’m Teppich, Verehrteste.“, flapste Ginalla. „Das war reines Glück. Ich war einfach immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das mit der Medaille lassen wir mal schön.“ „Das bestimme ich ja auch nicht allein.“, sagte Nugura. „Darüber entscheidet ein Komitee. Aber darf ich Sie wenigstens vorschlagen?“ „Na jut.“, gab sich Ginalla geschlagen. „Sonst komme ich ja nie hier weg. Muss nämlich dringend weiter. Wichtige Geschäfte, Sie verstehen?“ Nugura nickte. „Also gut.“, sagte Ginalla und zog ihr Sprechgerät: „Kamurus, eine Person beamen und dann ab nach 281 Alpha!“ „Warten Sie!“, rief Nugura. „Wo kann ich Sie erreichen?“ „Erst mal genau da.“, sagte Ginalla und hob die Hand, was für Kamurus ein sicheres Zeichen für das OK war, den Transporter zu aktivieren. Nugura sah der immer durchsichtiger werdenden Säule noch lange nach.

Auf der Basis 818 hatte man auch Nachrichten gehört und Commander Cinia saß ziemlich bedient vor dem Sprechgerät. „Nicht zu fassen.“, wandte sie sich Agent Indira, ihrer ersten Offizierin, einer Lionin mittleren Alters mit schwarzer Löwenmähne, einem Löwenkopf und vier kräftigen Händen, zu. „Ich bin heilfroh, Indira, dass es uns, Techniker Cenda Nia sei Dank, nicht gelungen ist, die Granger aufzubringen. Hätten wir das getan, dann hätte ich in die Kerbe von dieser angelanischen Teufelin geschlagen. Wie heißt sie noch? Agatha, nicht wahr?“ „Ihre Annahme ist richtig, Commander.“, erwiderte die Lionin mit ihrer kräftigen hohen energischen Stimme mit starkem Akzent. Sie hatte sich schon in ihrer Zeit als Kadettin standhaft geweigert, einen Universalübersetzer zu benutzen und hatte deshalb lieber selbst Englisch, die Amtssprache der Föderation, gelernt. Sie wollte sich nicht zu abhängig von Technologie machen, da sie befürchtet hatte, dass mächtige Feinde diese Abhängigkeit, in die sich viele ihrer Kameraden ihrer Meinung nach begaben, ausnutzen könnten, um der Föderation empfindlichen Schaden zuzufügen. Einer Mächtigen wie Sytania würde es sehr leicht fallen, nur durch ein Fingerschnippen oder ein Augenblinzeln die Naturgesetze außer Kraft zu setzen und schon würde die ganze schöne Technik nicht mehr funktionieren. Mit dieser Ansicht war Indira aber nicht allein. Ihren Akzent war sie zwar nie losgeworden, aber jetzt mussten ihre Gesprächspartner eben damit leben. Er war sogar im Laufe ihrer Dienstzeit zu ihrem Markenzeichen geworden. Niemand konnte das R so charmant rollen wie sie, fanden zumindest einige ihrer Kollegen.

Cinia hatte sich ein platonisches Getränk repliziert, das auch eine gewisse Menge an Alkohol enthielt. „Aber Commander.“, bemerkte Indira. „Doch nicht im Dienst!“ „Tut mir leid, Agent.“, sagte die ältere Platonierin. „Aber auf diese Situation muss ich erst mal einen trinken. Wo war nur mein Instinkt, als ich mich einverstanden erklärt hatte, die Granger aufzubringen. An Times Seite habe ich doch schon so oft gegen die Regierung rebelliert. Aber kaum bin ich allein, falle ich um wie ein nasser Sack!“ Sie war offensichtlich sehr wütend auf sich selbst. Anders ließ sich nicht erklären, warum sie den Inhalt ihres Glases in einem Zug herunterstürzte und selbiges dann mit voller Wucht gegen die Wand warf, dass es zerschellte und die Splitter in alle Richtungen flogen. „Es ist doch nichts geschehen, Commander.“, sagte Indira tröstend. „Von wegen nichts geschehen.“, sagte Cinia. „Clytus macht einen Streich, der 20 Nummern zu groß für ihn ist und diverse Leute haben nichts Besseres zu tun, als sich wie die Aasgeier darauf zu stürzen und für sich den bestmöglichen Vorteil herauszuschlagen. Hätte Cenda nicht … Oh je, dann hätten wir uns auch noch schuldig gemacht.“ „Ich gehe davon aus, dass Cenda nicht im Alleingang gehandelt hat.“, vermutete die ausgebildete Spionageoffizierin. „Ich denke, dass alles genau so geplant war und dass sie gemeinsam mit Time und Yetron geplant haben wird, was zu tun ist, damit wir alle uns nicht noch schuldig machen.“ „Was?“, fragte Cinia irritiert. „Sie meinen, Time hätte …“ „Ja, das meine ich!“, erwiderte Indira energisch. „Sie kennen Time. Sie wissen, dass er niemals zulassen wird, dass …“ „Sie meinen also wirklich, Cenda sollte irgendeinen Plan ausführen, falls Time sterben sollte?“ „Genau das.“, sagte Indira. „Aber zu den genauen Fakten werde ich sie noch vernehmen.“

Sie wandte sich zur Tür, hielt aber urplötzlich in ihren Bewegungen inne und sah ihre platonische Vorgesetzte an. „Was beschäftigt Sie, Agent?“, fragte Cinia. „Ich hatte nur gerade ein Bild im Kopf, das die Situation, in der sich Clytus befindet, meiner Meinung nach sehr gut beschreibt.“ „Was für ein Bild ist das, Agent?“, fragte Cinia und machte ein teilnahmsvolles Gesicht. „Ich habe einen Wolfswelpen gesehen, dem es irgendwie gelungen ist, einen stattlichen Hirsch in die Enge zu treiben und zu töten. Aber jetzt ist er mit dieser viel zu großen Beute total überfordert und das hat dazu geführt, dass sich sämtliche Aasfresser jetzt daran machen, sich die besten Stücke herauszupicken. Die Aasfresser sind Schwärme von Geiern, Raben und anderen Vögeln, gegen die sich der arme kleine Wolf nicht wehren kann, weil sie fliegen können und er nicht. Als ob das nicht genug ist, verachten sie ihn mit ihrem Krächzen und bombardieren ihn noch mit ihrem Kot von oben.“ „Nettes treffendes Bild, Agent.“, lobte Cinia. „Und die Oberkrähe ist wohl Sytania, was? Der Hirsch ist die Zeitlinie und der kleine einsame Wolf ist Clytus. So meinten Sie das doch.“ Indira nickte so leidenschaftlich, dass ihre Löwenmähne einige Male vor und zurück, vor und zurück, vor und zurück federte. „Aber dann will ich Ihnen mal was sagen. Ich werde das Bild jetzt nämlich für Sie weiter zeichnen. Der kleine Wolf wird irgendwann auf ein Rudel treffen, das ihn aufnimmt und ihm zeigt, wie das mit dem Jagen richtig geht.“, meinte Cinia. „Sie meinen uns.“, sagte die Agentin. „Genau.“, gab die Kommandantin zurück. „Ich rede von uns, der Granger, Ginalla und den Tindaranern. Ich bin sicher, eine gewisse Zirell lässt das auch nicht so einfach zu. Ich habe ja schon die wildesten Gerüchte über diese Frau gehört. Ich würde sie gern einmal zu Gesicht bekommen.“ „Das ließe sich sicher einrichten.“, sagte Indira. „Sicher nicht über offizielle Kanäle, aber Cenda hat sicher einen Weg gefunden, Allrounder Betsy zu informieren, was sie mit unserem Schiff gemacht hat, damit wir die Granger eben nicht aufbringen konnten. Der Allrounder und der Techniker verstehen sich zu gut, als dass sie sich gegenseitig im Ungewissen lassen würden.“ „Alles läuft auf Cenda heraus.“, stellte Cinia fest. „Wir sollten wirklich mit ihr reden.“ „Also gut.“, sagte Indira und verließ den Bereitschaftsraum, in dem sie sich mit ihrer Vorgesetzten getroffen hatte.

Cenda war in ihrem Quartier und packte ihre Sachen, als die Sprechanlage sie zwang, ihre Arbeit zunächst zu unterbrechen. Sie legte das Kleidungsstück, das sie gerade in der Hand hatte, unordentlich auf ihr Bett und ging zur Konsole. „Wer ist da?“, fragte sie flapsig, wie es ihre typische celsianische Art war. Dabei klang sie auch etwas genervt. „Hier ist Agent Indira, Techniker.“, sagte eine der Celsianerin sehr wohl bekannte Stimme zur Antwort. „Ich würde Ihnen gern etwas mitteilen. Dazu müsste ich aber Ihr Quartier betreten.“ „Warum so freundlich?“, fragte Cenda. „Wenn Sie mich verhaften wollen, gehen Sie doch normalerweise sicher viel strenger vor.“ „Wie kommen Sie darauf, dass ich Sie verhaften will?“, fragte die Agentin. „Weil ich mir vorstellen kann, dass Sie längst herausbekommen haben, dass die Niagara sich nicht aus eigenem Antrieb geweigert hat, auf die Granger zu schießen.“, gestand die celsianische Chefingenieurin. „Sie werden längst wissen, dass ich meine Finger im Spiel hatte. Also, warum bringen Sie mich nicht einfach so in die Sicherheitszelle, in die ich gehöre und sorgen dafür, dass ich unehrenhaft aus der Sternenflotte fliege. Ich mein’, mit den Ermittlungsergebnissen werden Sie …“

Indira drückte die Break-Taste, was beide von der Verbindung betroffenen Terminals umschaltete. Jetzt konnte sie senden, obwohl Cenda die Sendetaste noch immer gedrückt hielt. „Seit wann fliegen Heldinnen unehrenhaft aus der Sternenflotte?“, erkundigte sie sich. „So ein Vorgehen des Oberkommandos wäre mir wirklich total neu.“ „Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.“, sagte Cenda. „Dann würde ich mich an Ihrer Stelle hereinlassen.“, sagte Indira. „Dann bestünde zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass Ihnen jemand dass alles erklärt.“ „Also gut.“, sagte Cenda und ließ den Computer die Tür entriegeln.

Die Lionin betrat das Quartier der Celsianerin, die ihr bereits auf dem Flur entgegentrat und ihr wie auf einem Tablett ihr Rangabzeichen entgegenstreckte. Indira aber nahm dies nicht zur Kenntnis, was Cenda sehr irritierte, aber sie verblieb in dieser Haltung. „Wenn Sie hier noch länger so stehen, Techniker, werden Sie das bekommen, was man landläufig als Tennisarm bezeichnet.“, scherzte Indira. „Agent, ich wollte Ihnen nur mein Rangabzeichen übergeben.“, sagte die Technikerin. „Dass muss ich doch, wenn ich entlassen …“ „Ich habe Ihnen gerade an der Sprechanlage schon gesagt, Techniker, dass das nicht passieren wird.“, sagte die Agentin. „Aber wir sollten das in Ihrem Wohnzimmer besprechen. Ich glaube, wenn Sie hören, was ich Ihnen zu sagen habe, werden Sie eine Sitzgelegenheit benötigen!“ Damit zerrte sie Cenda vom Flur in das eigene Wohnzimmer und pflanzte sie auf die Couch. Dann setzte sie sich neben sie. „Dass ich gegen Sie keine Chance habe, Verehrteste, ist mir klar.“, sagte Cenda leicht mürrisch. „Schließlich haben Sie vier Hände und ich nur zwei. Reichlich unfair, was?“ „Tut mir leid, wenn ich unfaire Mittel anwenden muss.“, entschuldigte sich Indira. „Aber anders sind Sie ja offensichtlich nicht wachzurütteln. Sie scheinen immer noch in dem Albtraum gefangen zu sein, dass Sie unehrenhaft entlassen werden sollen, aber da kann ich Sie beruhigen. Das wird nicht passieren! Wie gesagt: Seit wann entlässt die Sternenflotte Heldinnen?“ „Wovon reden Sie, zum Teufel?!“, sagte Cenda etwas unwirsch. „Ich rede von der Tatsache, dass Sie uns genau vor diesem gerettet haben, Techniker.“, sagte die Agentin. „Pikanterweise aber lebt dieser Teufel, beziehungsweise diese Teufelin auf einem Planeten, dessen Name im Englischen eigentlich eher die Anwesenheit von Engeln suggerieren sollte.“ „He?“, machte Cenda. „Ich spreche von Angel One und seinem Staatsoberhaupt, Agatha, der Auserwählten.“, erklärte Indira. „Sie hat das Parlament und auch alle anderen inklusive der Genesianer so manipuliert, dass sie ihr willfährig waren. Sie können sich doch auch wohl denken, Cenda, dass Agatha aus der Situation, wie sie jetzt ist, für sich einen Vorteil sieht, den sie nicht mehr missen möchte. Die Granger wäre ihr im Weg, wenn sie die Wahrheit herausfinden würde. Deshalb hat sie das getan, was sie getan hat. Wenn Sie Nachrichten gehört haben, Techniker, dann werden Sie mitbekommen haben, was geschehen ist. Dann werden Sie gesehen haben, dass eine Landsmännin von Ihnen ins Parlament der Föderation eingedrungen ist und Nugura gehörig den Kopf gewaschen hat. Nebenbei hat sie noch Agatha entlarvt, die ein volles Geständnis abgelegt hat, von dem ich in meiner ganzen Laufbahn beim Geheimdienst als vernehmende Agentin nur träumen konnte. Hätten wir die Granger aufgebracht, dann hätten wir sie und uns in ihre Hände gespielt. Aber das darf nicht passieren!“ „Das heißt, Commander Cinia und Sie drehen mir keinen Strick?“, fragte Cenda. „Genau das heißt es.“, sagte Indira. „Und genau darüber wollten der Commander und ich Sie informiert haben. Wir hatten nicht vor, Sie vor den Richter zu ziehen.“

Die Celsianerin ließ erleichtert die Hand mit ihrem Rangabzeichen sinken. „Und ich dachte schon.“, sagte sie. „Also.“, sagte Indira. „Werden Sie mir jetzt zu Commander Cinia folgen, oder nicht?“ „Sicher.“, sagte Cenda. „Aber jetzt, wo Sie mir alles erklärt haben, was soll ich dann noch bei ihr?“ „Commander Cinia und ich dachten, Sie könnten uns vielleicht eine inoffizielle Möglichkeit nennen, mit der Granger oder gar Commander Zirell von den tindaranischen Streitkräften in Kontakt zu treten.“ „Wieso ich?“, tat Cenda unschuldig. „Die ganze inoffizielle Mischpoke ist doch eher Ihr Ding, Frau Geheimdienst.“

Indiras Löwenmaul näherte sich langsam aber bestimmt, trotzdem fast zärtlich, Cendas rechtem Ohr. Ihre Schnurrhaare kitzelten sie dabei am Ohrläppchen. Dann flüsterte die Lionin: „Ich weiß, dass Sie über private Kanäle zu einem gewissen terranischen deutschen Allrounder verfügen. Mit ihrer Hilfe wäre ja bestimmt so einiges möglich, nicht wahr? Ich bin mir sogar sicher, dass Sie diese Kanäle benutzt haben, um sie zu informieren, dass Sie ihr und ihren Leuten geholfen haben. Außerdem kennt sie doch bestimmt auch die Wahrheit über die Schlacht mit den Genesianern. Ich möchte gar nicht wissen, was Sie in Yetrons Auftrag mit dem Replikator gemacht haben, damit er den Frühstückskaffee gewisser Leute vielleicht mit ein wenig Peptidsenker versetzt, hm?“ „OK, Sie haben mich erwischt.“, gab Cenda zu. „Ich mein’, haben Sie im Ernst geglaubt, die oberste Prätora wird plötzlich telepathisch? Time, Yetron und ich wussten, dass hier was nich’ stimmt. Müssen Sie mich eigentlich immer noch mitnehmen? Ich mein’, falls nich’ würde ich gern meine inoffiziellen Kanäle nutzen. Sie verstehen?“ „Ziemlich gut.“, lächelte Indira. „Aber wenn ich es recht bedenke, muss ich Sie auch gar nicht mehr mitnehmen. Ich werde Commander Cinia einen Bericht von unserem Gespräch zukommen lassen. Und Sie lassen den gewissen Allrounder wissen, dass sie nach Möglichkeit versuchen soll, einen Kontakt zwischen uns und Commander Zirell einzufädeln. Wir würden uns nämlich auch gern an der Suche nach einer Lösung beteiligen.“ „Geht klar.“, flapste Cenda und wartete gelassen ab, bis ihre Vorgesetzte ihr Quartier verlassen hatte, um über das Interdimensionsrelais eine SITCH-Mail an mein direktes Rufzeichen zu senden, die unter anderem das Rufzeichen von Cinias Bereitschaftsraum enthielt. Sie dachte sich, dass ich schon wissen würde, was damit anzufangen ist.

Shimar erwachte auf einer sandigen Ebene. Um ihn herum waren Büsche, die er aber kaum optisch wahrnehmen konnte, denn immer, wenn er seinen Kopf drehte, überkam ihn ein unglaublicher Schwindel. Außerdem dröhnte sein Kopf und drohte zu platzen. Jedenfalls fühlte es sich für den jungen Tindaraner so an. Seine Ohren sausten und er konnte keinen Fuß vor den anderen setzen. Seine Fähigkeit zur Koordination und sein Gleichgewichtsorgan mussten ordentlich was abbekommen haben. Dass Shimar beim Transport einen der Weltraumwirbel gestreift hatte, war ihm natürlich nicht bewusst, aber es war zumindest eine denkbare Erklärung. Ihm war speiübel! Irgendwie musste er seinen Kreislauf wieder auf Touren bringen, das wusste er. Aber er konnte noch nicht einmal ans Aufstehen denken, ohne dass der Inhalt seines Magens bereits höflich am Ausgang der Speiseröhre Richtung Mund anklopfte. Aber das wäre so oder so passiert. Deshalb beschloss er, die Zähne zusammenzubeißen und irgendwie zu versuchen, wieder auf die Beine zu kommen.

Er sah sich um und versuchte etwas zu entdecken, woran er sich hätte hochziehen können. Dass ein freihändiger Versuch aufzustehen zwecklos war, konnte er sich angesichts seines Gesundheitszustandes ausrechnen. Aus der Suche wurde allerdings nicht viel, denn im gleichen Augenblick setzte sein Essen den angesprochenen Weg fort. Danach war es Shimar zwar leichter, aber so richtig zufrieden war er nicht. Die weiteren Auswirkungen waren nämlich nicht so schnell weg wie sein Magengrummeln. Trotzdem robbte er zu einem der Stämme der Büsche, nachdem er seine Hinterlassenschaft verscharrt hatte. Dann umfasste er diesen und versuchte, sich daran hochzuziehen, was ihm unter großen Mühen und mit vielen Schwindel bedingten Pausen zwar letztendlich gelang, aber die offensichtlichen Probleme mit seinem Gleichgewichtsorgan zwangen ihn, sich gleich darauf wieder hinzusetzen. „Na schön.“, flüsterte er. „Dann werde ich hier eben lagern, bis es mir wieder besser geht. Vielleicht …“

Sein Blick war auf die Tasche gefallen, die ihm Marak mitgegeben hatte und die er auf dessen Anweisung immer am Arm getragen hatte. Solche Taschen kannte Shimar. Sowohl die Sternenflotte, als auch das tindaranische Militär benutzten sie zum Transportieren mobiler Ausrüstung. Dazu gehörten im Allgemeinen eine Waffe, ein Erfasser, ein Sprechgerät und ein Med-Kit.

Er schnallte die Tasche ab, öffnete sie und sah hinein. Tatsächlich enthielt sie die soeben genannten Gegenstände. Marak musste für alle Fälle vorsorgen gewollt haben.

Beim Betrachten der Displays der Geräte fiel Shimar auf, dass alle auf Englisch als Bediensprache programmiert waren. DA Nugura eine Annäherung der Cobali an die Föderation schon mehrmals versucht hatte, fand Shimar diesen Umstand nicht ungewöhnlich. Dass sie und ihre Computer Tindaranisch konnten, verlangte er ja gar nicht. Mit der Hilfe, wie sie ihm Marak somit zukommen lassen hatte, war er ganz zufrieden. Nur bei der Aktivierung des Sprechgerätes fiel ihm auf, dass es nach dem eigenen Rufzeichen fragte. „Du willst wissen, wer du bist?“, flüsterte Shimar. „Also gut, ich sag’s dir.“ Er tippte sein normales dienstliches Rufzeichen in die Maske und bestätigte es. Auf diese Weise würden tindaranische Truppen oder auch Logars Vendar, zu denen er wollte, ihn wenigstens als Freund erkennen können, wenn sie ihre Schiffssensoren benutzten. Er war froh, dass er diese Ausrüstung jetzt hatte. Was die Genesianer mit seiner Eigenen gemacht hatten, wusste er nicht. Aber wahrscheinlich war, dass sie diese entweder vernichtet oder an Zirell als Warnung zurückgeschickt hatten. Falls seine Entführung wirklich ein Racheakt sein sollte, hielt er dies für wahrscheinlich.

Er legte das Sprechgerät nieder und widmete sich dem Erfasser, den er so einstellte, dass das Interpretationsprogramm ihm sagen konnte, wie krank er wirklich war. Dann richtete er das Gerät auf sich selbst und initiierte den Untersuchungsvorgang. Ein schriller Alarm und leuchtende rote Zahlen im Display verrieten ihm bereits, dass es nicht sonderlich gut um ihn stehen konnte. Die Bestätigung dafür folgte auf dem Fuße und zwar in Form einer weiteren Seite, auf der zu lesen war, dass sein Gleichgewichtsorgan erheblich beschädigt war. Ähnliche Werte las Shimar auch bezüglich einiger anderer Funktionen seines Gehirns ab. Dabei fiel es ihm immer noch sehr schwer, eine Zeile zu fixieren, denn bedingt durch seinen Zustand flirrte und flimmerte alles vor seinen Augen. Er musste sehr langsam, ja fast Buchstabe für Buchstabe, lesen, um überhaupt ein Wort aus dem Puzzle aus Licht und Sternchen herauslesen zu können. Glücklicherweise war das Interpretationsprogramm so voreingestellt, dass es sofort in die entsprechende Anleitung zur ersten Hilfe in diesem Fall umschaltete, dessen erste Anweisung: „Schließen Sie den Erfasser an den Hypor an!“, Shimar gerade noch so ausführen konnte. Dann wurde er aufgefordert, die entsprechende Patrone mit dem richtigen Medikament aus dem Paket zu nehmen und aufzustecken. Der Erfasser würde ihm melden, wenn es die Richtige wäre. Er würde auch die Einstellung des Hypors übernehmen. Danach würde Shimar diesen nur noch in Richtung seiner Halsschlagader halten müssen, denn das sei der kürzeste Weg zum Gehirn. Auch dabei würde ihm der Erfasser verbal assistieren und ihm sagen, ob er das Gefäß getroffen hätte. Wenn dies der Fall wäre, würde er dem Hypor befehlen, das Medikament dort hinein zu beamen.

Erleichtert nahm Shimar bald zur Kenntnis, dass sich dort wohl etwas tat. Das Ohrensausen und der Schwindel ebbten etwas ab. Er wusste, dass es mit einer Behandlung wohl nicht getan sein würde, denn angesichts dessen, was ihm der Erfasser gesagt hatte, stand es ziemlich schlimm. Aber er würde zumindest etwas ausruhen können, was ihm aufgrund des körperlichen Stress, den er gehabt hatte, bisher nicht möglich gewesen war. Die Ohnmacht, aus der er erwacht war, war ja eine ziemlich ungesunde Art von Schlaf gewesen, aber jetzt hoffte er, zumindest heute Nacht ruhig schlafen zu können. Das Gefühl für Tag und Nacht hatte er längst verloren. Aber es war ihm ohnehin egal, wie spät es war. Er wollte nur noch schlafen.

Kapitel 54 - Agentenpoker

von Visitor

 

Jenna und Joran waren auf einem romantischen Spaziergang über die Station unterwegs. Die hoch intelligente Halbschottin hatte natürlich auch von der ganzen Situation erfahren und sich ihre eigenen Gedanken gemacht. Nur wie ausgerechnet sie Clytus helfen sollte, wieder in seine eigentliche Gestalt zurückzukehren, wusste sie auch nicht. Den Transporter, der einmal bei der Verwandlung von Picard und Dr. Pulaski geholfen hatte, konnte sie hier nicht benutzen, denn man hatte auf der gesamten Station kein Profil eines gesunden Clytus. Mit anderen Stationen reden und sich gegebenenfalls eines besorgen, das konnte Zirell nicht, denn dann liefe sie Gefahr, dass ihre Rebellion herauskäme und die Obersten des tindaranischen Militärs würden sonst was mit ihr anstellen. Das wusste Jenna. Aber wenn noch nicht einmal die mächtige Tolea etwas ausrichten konnte, was sollte sie dann tun?

„Bitte hör auf zu grübeln, Telshanach.“, bat Joran, nachdem er Jenna aufgefangen hatte, weil sie fast über eine Schwelle gestolpert wäre. „Tut mir leid, Joran.“, sagte die Terranerin ziemlich frustriert. „Aber ich glaube, dieses Mal setzt Zirell ihre Hoffnung zu Unrecht in mich. Ihr habt nicht zufällig irgendwo ein Profil des gesunden Clytus herumfliegen, nein?“ „In der Tat nicht, Telshanach.“, lachte der Vendar. „Zumindest hat Sianach … Komm in Deckung!“

Er riss sie an sich, hob sie hoch und rannte mit ihr hinter eine Säule, hinter der er sie vorsichtig wieder absetzte. Sie wusste, wenn seine 40 % schärferen Augen etwas entdeckt hatten, dann bedeutete dies, dass Gefahr im Verzug war. Sie vertraute seinen starken kampferprobten Armen und seinen Reflexen. Wenn sie sich gewehrt oder gar Fragen gestellt hätte, hätte dies nur Zeit gekostet. Zeit, die sie offensichtlich nicht hatten, denn im nächsten Moment zerriss ein schwarzer Blitz die angespannte Stille und etwas fiel krachend auf den Boden der Station nieder. Wie Joran dies voraussehen konnte, war Jenna spätestens jetzt klar. Als Vendar spürte er jede Einmischung von Mächtigen. Also würde er auch spüren, wenn Sytania vor hätte, ihnen etwas zu schicken, weil sie ja quasi dann ihre Kräfte in seine Richtung lenken würde. Auch wenn die Sensoren die Annäherung nicht registriert haben sollten und IDUSA somit keine Möglichkeit gehabt haben sollte, Alarm zu geben, so funktionierte die vendarische Alarmanlage in diesem Fall bestens.

Jenna zog ihren technischen Erfasser und wollte auf das offensichtliche Trümmerteil, wie sie erkannt hatte, zugehen, aber Joran hielt sie am Arm zurück: „Wenn du gehst, Telshanach.“, sagte er. „Dann gehst du nicht allein.“ Im gleichen Moment nahmen sie eine schemenhafte Gestalt wahr, die sich ihnen ebenfalls mit einem technischen Erfasser ausgerüstet näherte. „Bleib stehen, Shannon O’Riley!“, rief ihr Joran über das Teil hinweg zu. „Oh, Mann, Grizzly.“, schnippte sie zurück. „Ob der Typ in meinem Schmöker mit der Schlange im Bauch sich auch so viele Sorgen um ’ne Assistentin von Major Carter gemacht hätte …“ „Auch er konnte sicher spüren, wenn etwas von den Schlangenwesen kam, Assistant!“, mischte sich Jenna ein. „Und die anderen haben sicher stets auf ihn gehört.“

Ihre Worte hatten ausgereicht, um die blonde Irin dazu zu bewegen, tatsächlich einen gewissen Abstand zu dem Trümmerteil zu wahren. Sie drehte sich sogar angewidert weg. „Danke, Telshanach.“, sagte Joran erleichtert. „Wenn ihr etwas geschehen wäre, dann …“

Sie drehte sich zu seinem Ohr und flüsterte etwas in seiner Muttersprache, die sie lernte, seit sie mit ihm zusammen war, hinein, das man etwa mit: „Spürst du, dass es von Sytania kommt?“, übersetzen könnte. Aus seiner darauf folgenden Kopfbewegung, die eine Mischung aus Kopfschütteln und Nicken war, wurde Jenna zunächst nicht wirklich schlau. Deshalb sah sie ihn verwirrt an, was Shannon gleich zu einem Kommentar inspirierte: „Oh, Mann. Unser Jenn’-Nie is’ mal verwirrt. Das sollte ich den Magazinen melden. Alle Universen müssen informiert werden.“ „Das wirst du schön bleiben lassen, Shannon O’Riley.“, sagte Joran und schaute ernst. Jenna kannte diesen Blick. Sie wusste, wenn er so schaute, dann steckte meistens nichts Gutes dahinter. „Wir sollten Anführerin Zirell und die Agenten holen.“, sagte der Vendar langsam und ernst. „Dann werde ich alles erklären. Alle sollten ihre Erfasser mitbringen.“ „Also gut.“, sagte Jenna, der angesichts seines Verhaltens ganz mulmig war. „Ich werde Bescheid geben.“ Damit ging sie zur nächsten Konsole und befahl IDUSA, Zirell, Kissara und den Agenten Bescheid zu sagen.

Ginalla und ihr Schiff hatten die Station 281 Alpha erreicht. „Denkst du, dass wir willkommen sind?“, fragte das Schiff. „Wieso nich’.“, flapste Ginalla. „Auf jeden Fall hoffe ich darauf, dass sich ein gewisser erster Offizier bei mir entschuldigt.“ „Ich denke, da hast du gar nicht so schlechte Aussichten.“, analysierte der Avatar. „Immerhin wird Maron aufgrund der gesamten politischen Entwicklung hoffentlich eingesehen haben, dass es ein Fehler war, deine Aussage damals so abzuschmettern.“ „Na hoffentlich.“, sagte die junge Celsianerin. „Sonst lernt er mich kennen. Komm, ich such’ uns jetzt erst mal ’n Parkplatz.“ Damit steuerte sie ihn auf einen freien Andockplatz zu. „Sobald wir gedockt haben.“, sagte sie. „Beamst du mich gleich mal dahin, wo Zirell und ihr erster Offizier sind. Ich bin auf deren Gesichter gespannt.“

Kamurus scannte kurz die Station und sagte dann: „Dazu müsste ich dich teilen. Maron und Zirell sind an zwei völlig verschiedenen Orten.“ „Aber irgendwann werden sie ja noch mal zusammenkommen.“, sagte Ginalla. „Auf geteilte Ginalla hast du ja sicher auch keinen Bock.“ „Nein.“, gab das Schiff zu. „Zumal du kein terranischer Regenwurm bist, dessen hinteres Ende …“ „Das is’ Blödsinn, wie du weißt!“, rief Ginalla aus. „Schon gut.“, sagte Kamurus und ließ seinen Avatar ein beschwichtigendes Gesicht machen. „Sei doch nicht so empfindlich. Ich habe doch nur einen Witz gemacht.“ „Das Scherzen.“, erklärte Ginalla fest. „Solltest du uns Celsianern überlassen. Wir haben das Gen für den Humor.“ „Also gut.“, gab er sich geschlagen. „Ich werde es mir für das nächste Mal merken.“

Die SITCH-Mail, die ich von Cenda erhalten und an Kissara weitergeleitet hatte, hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Zumindest saßen Dank ihr jetzt Kissara und Zirell in deren Bereitschaftsraum zusammen und unterhielten sich über die Tatsachen, die ich ihnen mitgeteilt hatte. „Techniker Cenda hat also keine Repressalien von ihrem jetzigen Commander zu erwarten.“, fasste Zirell Kissaras Ausführungen zu diesem Thema zusammen. „Nein, hat sie nicht.“, bestätigte mein Commander. „Cinia hat ja keinen Grund. Nicht zu fassen, was diese Frau angestellt hat. Will die Sternenflotte zu ihrem eigenen Vorteil nutzen und ist sich für nichts dabei zu schade.“ „Das stimmt.“, bestätigte Zirell und holte einen Datenkristall hervor, den sie in eines von IDUSAs Laufwerken steckte und dem Rechner dann befahl, die Datei abzuspielen.

Kissara überlas den Inhalt nur flüchtig, aber dann blieb ihr der Mund vor Staunen offen stehen. „Der Geheimdienst hat nach Agathas Verhaftung was bei ihr gefunden?!“, fragte sie außer sich. „Einen imperianischen Kontaktkelch mit Sytanias Weihezeichen.“, las Zirell eine Zeile aus dem Artikel vor, auf die sie auch gleich deutete. „Mein Gott!“, rief Kissara. „Sie hätte uns doch glatt Sytania in die Hände gespielt!“ „Aber das ist ja jetzt alles vorbei.“, tröstete Zirell. „Und das Dank einer Person, der wir es am wenigsten zugetraut hätten.“, sagte Kissara. „Ich würde gern mit Ginalla reden und mich bei ihr bedanken.“ „Oh, wie ich unser Glück einschätze.“, erwiderte die Tindaranerin. „Wirst du sicher noch dazu kommen. Aber jetzt sollten wir erst mal dieses Rufzeichen benutzen. IDUSA, ich benötige eine interdimensionale Verbindung mit folgendem Rufzeichen.“ Sie gab das Rufzeichen aus der Mail per Gedankenbefehl über den Neurokoppler in die virtuelle Konsole ein. „Das Rufzeichen hat eine Sternenflottenkennung.“, erhob der Rechner Einspruch. „Sind Sie sicher, dass wir mit denen reden können, ohne Commander Kissara und uns zu verraten?“ „Erklär du’s ihr.“, sagte Zirell und wandte sich Kissara zu, die auch einen Neurokoppler trug und deren Tabelle IDUSA auch erstellt und geladen hatte. „Das Rufzeichen ist koscher.“, beruhigte Kissara den Stationsrechner, dessen Avatar ein ziemlich alarmiertes Gesicht gemacht hatte. „Commander Cinia war und ist eine sehr gute Freundin von mir. Sie wird sich bestimmt entschuldigen wollen. Aber ich finde gut, dass du so aufpasst.“ „Das kommt daher, weil tindaranische Rechner mitdenken dürfen.“, sagte IDUSA. „Aber ich denke, dass Sie mir die Wahrheit gesagt haben, Commander Kissara. Deshalb werde ich die Verbindung gleich initiieren.“

Kurze Zeit später war ihr Bild dem der älteren Platonierin gewichen, die Kissara und Zirell freundlich anlächelte. „Hallo, Kissara.“, sagte sie und schaute ihre Kollegin dabei schuldbewusst an. „Cinia.“, gab Kissara nur etwas kühl zur Begrüßung zurück. „Ich hoffe, du weißt, was du da beinahe getan hättest.“ „Ja, das weiß ich jetzt.“, meinte Cinia. „Und ich schäme mich abgrundtief dafür. Ich schäme mich dafür, dass ich beinahe mitgeholfen hätte, uns alle in Sytanias Hände zu spielen. Wenn ich euch aufgebracht hätte, dann …“ „Dann wären wir der Wahrheit sicher nie so nah gekommen, wie wir ihr jetzt sind.“, ergänzte Zirell. „Du hast Recht.“, sagte Cinia korrekt und das nicht nur, weil Zirell den gleichen Rang wie sie und Kissara bekleidete, sondern weil es auch die korrekte tindaranische Anredeweise war. „Ich bin Cenda zu großem Dank verpflichtet. Wenn sie die Waffen nicht sabotiert hätte, dann hätte ich etwas getan, das ich heute sehr bereuen würde. Nimmst du meine Entschuldigung an, Kissara?“ „Das tue ich!“, sagte die Thundarianerin voller Überzeugung. „Ich habe nie gedacht, dass du wirklich aus Überzeugung gehandelt hast. Dafür kenne ich dich viel zu gut, Cinia.“ „Dann ist ja gut.“, atmete die Platonierin auf. „Und ihr habt doch sicher nichts dagegen, wenn wir uns auch an der Suche nach einer Lösung beteiligen.“ „Aber nein.“, sagte Zirell. „Wir sind offen für jeden konstruktiven Vorschlag, der irgendwie dieses Chaos lichten kann.“ „Dann werde ich mich mit meinen Leuten zusammensetzen und beraten.“, sagte Cinia. „Aber wir sollten uns auf jeden Fall gegenseitig auf dem Laufenden halten.“ „Das werden wir.“, versprach Zirell und beendete die Verbindung.

„Du hast ihr im ersten Moment ganz schön die kalte Schulter gezeigt.“, wendete sie sich an Kissara. „Einen Moment lang dachte ich …“ „Aber Zirell.“, fiel Kissara ihr ins Wort. „Du als geübte Telepathin hast nicht gemerkt, dass ich geblufft habe?“ „Ich empfinde es als unhöflich, ungefragt in den Geist eines anderen Wesens einzudringen.“, stellte Zirell klar. „Schon klar.“, sagte Kissara. „Du hast dich also genau so auf deine Augen und Ohren verlassen, wie ich es auch müsste. Sehr rücksichtsvoll von dir. Vielen Dank.“ „Kein Problem.“, sagte Zirell und gab Kissara die Hand drauf.

Plötzlich zeigte sich IDUSA über den Simulator im Raum. „Commanders, Techniker McKnight und Joran benötigen Sie auf Korridor j13. Den Geheimdienstlern sollte ich auch Bescheid geben. Sie sind schon unterwegs.“, informierte sie die Beiden knapp.

„Was mag da geschehen sein?“, fragte Zirell, während sie aufstand. „Sie ist der Rechner deiner Station.“, sagte Kissara. „Erklär du es mir.“ „Ich weiß es nicht.“, sagte die Tindaranerin und ging voran in Richtung des genannten Korridors. „Aber sie tut so etwas nur, wenn es einen echten Notfall gibt.“ „Na, dann sollten wir uns ja besser mal auf einiges gefasst machen.“, sagte Kissara und folgte.

Auf dem Korridor angekommen trafen sie sogleich auf Sedrin und Yetron, die sich immer noch auf der Station befanden und Gästequartier zwei bewohnten. Bei den beiden Demetanern waren auch Mikel und Maron. Alle vier Agenten schauten sich jetzt das Trümmerteil an, das Jenna und Joran gefunden hatten.

Zirell ging gleich durch zu Jenna. „Jenn’, was ist hier los?“, fragte sie die Chefingenieurin. „Das kann ich dir leider noch nicht genau sagen, Zirell.“, sagte Jenna. „Anscheinend hat Sytania es uns geschickt. Zumindest geht Joran wohl davon aus.“ „Was ist das überhaupt?“, fragte die Kommandantin. „Für mich sieht es wie ein Teil einer Konsole aus.“ „Da magst du gar nicht so falsch liegen, Zirell.“, lobte die Technikerin. „Davon gehe ich bis jetzt auch aus. Maron hat mir befohlen, das Ding noch weiter zu untersuchen, um herauszubekommen, was es genau ist und zu welcher Art von Schiff es passen könnte.“ „Da hat er mir etwas vorweggenommen.“, sagte die Tindaranerin. „Aber es wäre wirklich gut, wenn du das Ding untersuchen könntest. Du sagtest etwas von Joran. Wo ist … Ah, da.“

Sie hatte den Vendar erspäht, der sich in eine Ecke zurückgezogen hatte und ging jetzt auf ihn zu. „Was gibt es, Anführerin Zirell?“, fragte Joran. „Jenna sagte, dass du gespürt hättest, dass dieses Trümmerteil von Sytania gekommen sei.“, sagte Zirell. „Das ist nicht ganz richtig, Anführerin.“, korrigierte Joran. „Sytanias Prägung ist nur ganz leicht vorhanden, deshalb kann es keine Schöpfung von ihr sein. Ich nehme an, dass sie es uns nur mit Hilfe ihrer Fähigkeiten geschickt hat.“ „Also kann es sein, dass es ein echtes Trümmerteil ist.“, sagte Zirell. „In der Tat.“, bestätigte der Vendar. „Die Frage ist nun, warum schickt uns Sytania ein Trümmerteil?“

Zirells Frage sollte jäh beantwortet werden, denn im selben Augenblick entbrannte zwischen den Geheimdienstlern eine wilde Diskussion. Zirell drehte sich wieder zu ihnen. „Darf ich wissen, worum es geht?“, fragte sie. „Das darfst du.“, sagte Maron und trat aus der Gruppe. Vor sich hielt er einen Erfasser, auf dessen Display er deutete, als er sagte: „An diesem Trümmerteil finden sich Spuren von Shimars DNS. Außerdem hat McKnight inzwischen bestätigen können, dass es sich um ein Teil von einer Steuerkonsole handelt, wie sie die Cobali verwenden. Aus meinen Verhören mit Allrounder Betsy Scott weiß ich, dass Shimar von denen ein Schiff bekommen hatte, um zu Logar zu fliegen und ihn um Einmischung zu bitten. Ich meine, er kann doch nicht zulassen, dass seine Tochter so krumme Dinger dreht und die Situation so ausnutzt. Nur, dort wird er nie angekommen sein. Laut meinem ballistischen Erfasser hat eine Explosion das Schiff zerstört. Shimar wird das nicht überlebt haben. Er ist höchstwahrscheinlich tot.“

Sedrin und Yetron traten aus der Gruppe hervor. Jeder von ihnen hatte einen Erfasser in der Hand und auch sie deuteten auf die Displays und die drei begannen eine Diskussion auf Demetanisch, die Zirell nicht verstand. Ihr war aber klar, dass die Beiden wohl nicht Marons Meinung teilten. Dies konnte sie an der Sprachmelodie ablesen. Aber auch Mikel stand mit einem Erfasser vor dem Trümmerteil. Der blinde Agent hatte den Ohrhörer im Ohr und schien gespannt auf etwas zu lauschen. Neben ihm stand Kissara, die ein interessiertes Gesicht machte. Dann sagte Mikel leise zu ihr: „Der Erfasser bestätigt, dass die DNS an den Steuerelementen älter ist, als die Strahlungsreste, die auf die Explosion hinweisen. Das könnte bedeuten, dass Shimar das Schiff noch vorher verlassen konnte. Wenn er das nicht mehr geschafft hätte, müsste man DNS sehen, die genau so alt wie die Strahlungsreste ist. Außerdem sind die Zellen intakt. Wenn es Shimar vaporisiert hätte, dann dürften wir so etwas nicht mehr sehen. Der Altersunterschied zwischen der DNS und der Strahlung reicht aus, um einen Fluchttransporter einzustellen und zu aktivieren. Meine Ermittlungen lassen daher nur einen Schluss zu, Commander. Er konnte das Schiff noch rechtzeitig verlassen. Er kann einfach zum Zeitpunkt der Explosion nicht mehr an Bord gewesen sein. Dafür ist die DNS an der Konsole wie gesagt nur einige Sekunden zu alt.“ „Faszinierend, Agent.“, sagte Kissara schnurrend. „Aber ich fürchte, es wird Ihnen nicht sonderlich leicht fallen, Ihren Kollegen Maron davon zu überzeugen.“

Wie Recht sie damit hatte, sollte sich zur gleichen Zeit herausstellen, denn Maron kam mit hoch rotem Kopf auf alle zu. „Commander Kissara, bitte sagen Sie Allrounder Betsy, dass es keine weiteren Verhöre meinerseits mit ihr geben wird. Jetzt, wo Shimar nicht mehr lebt, wären diese ja sinnlos. Sie wird sicher auch nicht mehr von ihm träumen, wenn er tot ist. Ich hörte, dann wird auch das residente Energiemuster gelöscht und somit ist die Verbindung zwischen ihnen auch nicht mehr vorhanden. Sagen Sie ihr vielen Dank für die Zusammenarbeit.“ Damit stürmte er an ihr vorbei in Richtung seines Quartiers.

„Der hört ja gar nicht zu.“, zischte Mikel Kissara zu, nachdem Marons Schritte aus seiner Hörweite verschwunden waren. „Genau das ist sein Problem.“, erklärte Zirell. „Aber das wird er wohl nie ablegen.“

Eine schimmernde Energiesäule wurde plötzlich vor allen sichtbar. „Hi, allerseits!“, begrüßte die sich aus der Säule entpuppende Gestalt alle flapsig. „Ginalla!“, staunte Zirell. „Immer dann, wenn man am wenigsten mit dir rechnet.“ „Wenn du glaubst, es geht nich’ mehr, kommt von irgendwo Ginalla her.“, flapste die Celsianerin. „Eigentlich wollte ich zu deinem ersten Offizier. Du kannst mir nicht zufällig sagen, wo er is’? Kamurus sagt, er sei gerade noch bei dir gewesen. Was is’ das überhaupt für ’n Auflauf hier … Oh.“

Ihr Blick war auf das Trümmerteil gefallen. „Mir scheint, da will jemand deine schöne Station als Schrottplatz missbrauchen.“ „Dieses Teil ist Gegenstand einer kriminalistischen Ermittlung.“, erklärte Sedrin. „Ach so.“, sagte Ginalla. „Dann sollten Sie es aber mal ganz schnell in die nächste Asservatenkammer befördern, bevor es hier weiter die Aussicht verschandelt. Kamurus und ich sind dabei gern behilflich.“ Sie zog ihr Sprechgerät. „Ich werde es von IDUSA in den Maschinenraum beamen lassen.“, sagte Jenna und stellte sich neben das Teil. Dann zog sie selbst ihr Sprechgerät und befahl IDUSA den Transport. Sie würde es dort weiter untersuchen.

Zirell zog Ginalla hinter einen Vorsprung in der Wand. „Ich hörte, du hattest einen ziemlich großen Anteil daran, dass sich eine bestimmte politische Situation im Gebiet der Föderation so entwickelt hat, wie sie es eben hat.“, sagte die Tindaranerin. „Jops.“, sagte Ginalla cool. „Die olle fiese Agatha sitzt jetzt hinter schwedischen Gardinen wegen Verrat. Ich denke, ich kann zufrieden mit mir und meinem Einstand in ein moralisch anständiges Leben sein. Aber noch zufriedener wäre ich natürlich, wenn ich eine Entschuldigung von dem lieben Maron zu hören bekäme.“ „Oh, das wird so schnell nicht passieren, befürchte ich.“, sagte Zirell. „Maron hat eine feste Meinung und ist jetzt gerade mit einem eingebildeten Verlust beschäftigt. Er glaubt, Shimar sei tot und wir würden ihn nicht mehr wiedersehen. Aber ich glaube das nicht. Agent Mikel hat es mir bewiesen. Wenn du jetzt auch noch zu ihm kommst und ihn an einen seiner Fehler erinnerst, flippt er aus.“ „Upsi.“, quietschte sie. „Dann sollte ich ihn sich erst mal abkühlen lassen. Ich bleib’ aber in Reichweite von IDUSAs SITCH. Kannst mich ja rufen, wenn er bereit für mich is’. Kamurus, hol mich!“ „Warte, Ginalla.“, versuchte Zirell, sie noch aufzuhalten. „Sekunde, Kamurus.“, schnippte die Celsianerin ins Mikrofon ihres Sprechgerätes. Dann wandte sie sich an Zirell: „Was is’?“ „Ich denke, erwiderte die Kommandantin. „Dass du und Kamurus ruhig bleiben und euch an der Suche nach einer Lösung beteiligen könnt, wenn ihr wollt.“ „Aber klärchen!“, strahlte Ginalla. „Und ich hatte schon Angst, du würdest nie fragen. Aber ich werde jetzt erst mal schlafen gehen. Es war ’n langer Tag. Aktivieren, Kumpel.“ Zufrieden lächelnd sah Zirell der verschwindenden Energiesäule nach, bevor sie sich selbst auf den Weg zu ihrem Quartier machte. Über die Ermittlungen zu Shimars eventuellem Tod war noch nicht das letzte Wort gesprochen, das wusste sie. Aber das würde man auf morgen verschieben. Dass Maron sich oft zu schnell ein Bild von etwas machte, war sein Fehler und an den würde sie ihn morgen noch einmal erinnern müssen, auch wenn ihm das gar nicht gefallen würde.

Maron stand bald mit ernster Mine vor Scottys und meinem Quartier und betätigte die Sprechanlage, die von Scotty beantwortet wurde, da ich mich gerade im Bad befand. „Techniker Scott.“, wendete sich der Agent ernst an meinen Ehemann. „Ist Ihre Frau abkömmlich? Wenn ja, dann muss ich Ihnen etwas Trauriges mitteilen.“ „Bitte warten Sie einen Augenblick, Sir.“, erwiderte Scotty und sah zur Tür des Badezimmers hinüber, das ich inzwischen wieder verlassen hatte. „Agent Maron steht vor der Tür, Darling.“, sagte er. „Er sieht im Display nicht sehr fröhlich aus. Er sagt, er muss uns etwas Trauriges sagen.“ „Lass ihn bitte rein.“, sagte ich. „Ich werde mir nur rasch meine Uniform wieder anziehen.“

Damit war ich im Schlafzimmer verschwunden und Scotty ließ den Computer die Tür entriegeln. „Kommen Sie rein, Agent.“, sagte er und führte Maron ins Wohnzimmer. „Meine Frau ist auch gleich so weit.“ „Das trifft sich gut.“, sagte der Agent.

Mich an den Stimmen der Männer orientierend hatte ich auch bald das Wohnzimmer betreten und war von Scotty zu einem Platz auf dem Sofa geführt worden. „Das machen Sie richtig, Techniker.“, lobte Maron. „Sie wird gleich jeden Beistand brauchen.“ „Bei allem Respekt, Sir.“, sagte Scotty. „Sie sollten jetzt endlich mit der Wahrheit rausrücken!“ „Dann muss ich Ihnen jetzt mitteilen, dass Shimar in Erfüllung seiner Pflicht verstorben ist.“, sagte Maron ernst.

Scotty stand auf und stellte sich vor mich und Maron hin. Dann zischte er mir, die ich kurz davor stand, in Tränen auszubrechen, zu: „Glaub ihm nich’, Darling. Wir zwei wissen es besser!“ „Das habe ich gehört, Techniker!“, ermahnte ihn Maron. „Aber Sie sollten Ihrer Frau keine falschen Hoffnungen machen.“ „Falsche Hoffnungen.“, wiederholte Scotty. „Da lachen ja die Hühner! Ich mache ihr keine Falschen, sondern eher richtige Hoffnungen, Sir! Wenn Shimar gestorben wäre, dann hätte sie doch was davon merken müssen und das Feld in ihrer Hirnrinde wäre auch nich’ mehr da! Aber …“ „Ihre Frau ist keine Telepathin, Mr. Scott!“, sagte Maron streng. „Sie wird nicht in der Lage sein zu spüren, wenn das Feld sich auflöst!“ „Pah!“, machte Scotty. „Sie werden staunen, zu was meine Frau in der Lage is’, Agent Schnellschuss! Wie kommen Sie überhaupt auf das schmale Brett, das viel zu schmal für Sie is’. Passen Sie bloß auf, dass Sie nich’ runterfallen.“ „Wir haben ein Trümmerteil mit seiner DNS daran gefunden. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass …“ „Ah, ’n Trümmerteil und Wahrscheinlichkeit.“, sagte Scotty. „Das klingt ja schon ganz anders. Sie sollten lieber noch mal neu ermitteln, Agent. Dann können Sie von mir aus wiederkommen. Bis dahin würde ich sagen, verlassen Sie dieses Quartier und kommen erst mit verifizierten Ergebnissen zurück!“

Damit packte er den völlig verdatterten Maron am Arm und schleifte ihn zur Tür hinaus. Dann setzte er sich neben mich und streichelte mich zärtlich. „Alles wird gut, Bets’.“, sagte er. „Dafür könnte er dich vor Gericht bringen.“, sagte ich, die ich immer noch mit dem Umstand beschäftigt war, wie Maron uns verlassen hatte. „Er könnte schließlich unser gemeinsamer Vorgesetzter sein.“ „Soll er doch.“, sagte Scotty. „Wenn die hören, was sich Agent Pannemann für Ermittlungspannen geleistet hat, dann werden sie urteilen, dass ich völlig richtig gehandelt habe. ’n höherer Rang is’ kein Freibrief, Darling.“

Über den Pannemann musste ich herzhaft lachen und küsste Scotty. „Na also.“, sagte er. „Und jetzt lass uns schlafen gehen. Ich wünsche dir schöne Träume von Shimar.“, sagte er und küsste mich zurück. Dann gingen wir ins Schlafzimmer und legten uns gespannt in unser Bett. Ich war wirklich neugierig darauf, was in dieser Nacht geschehen würde. „Shimar is’ nich’ tot.“, flüsterte Scotty mir zu, während er mich beim Einschlafen beobachtete. „Er is’ nich’ tot, Darling.“

Wie offensichtlich es war, dass Shimar noch am Leben war, sollte ich in dieser Nacht am eigenen Leib erfahren. Da Maron mich persönlich darüber informiert hatte, dass er gestorben sei, war ich sehr überrascht, doch von ihm zu träumen. Ich sah, wie schlecht es ihm ging. Aber mir wurde auch bewusst, dass er schon sehr große Fortschritte gemacht hatte. „Hi, Kleines.“, hörte ich ihn sagen, als er auf mich zu kam. Wie immer hatte ich alles gesehen, als wäre ich in diesem Augenblick real bei ihm. Da es aber Nacht war und ich wusste, dass ich ins Bett gegangen war, konnte ich nur träumen. „Shimar!“, rief ich und schlug meine Arme um ihn. „Ich dachte, du wärst tot.“ „Wer hat dir denn diesen Floh ins Ohr gesetzt?!“, wollte er wissen. „Es war Maron.“, sagte ich. „Oh, das erklärt einiges.“, sagte Shimar. „Mister Schnellschuss ist für so was ja bekannt.“

Wir setzten uns hin. „Ich muss dir was zeigen, meine kleine Verhaltensforscherin.“, sagte Shimar und begann damit, mir telepathisch etwas zu übermitteln. Ich wusste, dass er die ganze Zeit die Kontrolle über den Traum hatte, also auch, dass er kontrollierte, worüber wir redeten und was wir taten, aber das war normal, da ich ja nicht licht träumen konnte. Außerdem vertraute ich ihm. Schließlich liebten wir uns.

Ich sah jetzt ein Erlebnis von ihm, das er am vorherigen Nachmittag gehabt haben musste. Er saß mit seinem Phaser in der Hand still im Gebüsch. Er hatte jagen müssen, da die Rationen, die ihm von den Cobali eingepackt worden waren, zur Neige gegangen waren. Aber wenn immer er ein Tier töten oder die Frucht einer Pflanze essen wollen hatte, hatte er vorher ein Gebet auf Tindaranisch gesprochen, worin er den Geist des entsprechenden Wesens für alle Fälle schon im Vorhinein um Entschuldigung gebeten hatte. Aber dazu sollte er heute nicht kommen, denn ein großer Vogel flog direkt ins Fadenkreuz seines Phasers und machte jede Bewegung, die er mit der Waffe vollführte, sogar mit. „Nein, ich kann dich noch nicht erschießen.“, sagte Shimar. „Ich habe dich noch nicht um Vergebung gebeten. Aber vielleicht bist du ja auch krank und willst deshalb getötet werden. Aber das werden wir gleich wissen.“

Er ließ die Waffe fallen und nahm seinen Erfasser, den er auf die Biozeichen des Vogels einstellte. Zum Glück waren dem Gerät alle Tiere des Dunklen Imperiums bekannt. So konnte Shimar das Interpretationsprogramm entsprechend einstellen. Der junge Tindaraner war allerdings eher überrascht über den Umstand, ein starkes gesundes Tier vor sich zu sehen.

Er beendete die Übermittlung und fragte: „Was sagst du dazu?“ „Ich weiß es nicht.“, sagte ich. „Ich kann mir nur vorstellen, dass die Quellenwesen sich vielleicht einmischen. Ich meine, deine Schwester hat sie erwähnt und hat gesagt, dass sie noch viel mächtiger sind als sogar die Q oder Dill oder Logar oder Sytania. Vielleicht wollen sie, dass du aus irgendeinem Grund auf jeden Fall überlebst. Was hast du dann gemacht? Zeig es mir schon!“

Die Übermittlung ging weiter und ich sah, wie der Vogel sich Shimar weiter näherte, der gerade mit dem Gebet beschäftigt war. Das Tier setzte sich auf einen Ast eines der Büsche und wartete seelenruhig ab. Solche Merkwürdigkeiten waren allerdings nicht das erste, was Shimar gesehen hatte. Obwohl kein Sturm aufgekommen war, waren ihm reife Früchte einfach so vor die Nase gefallen. Außerdem war er des Öfteren buchstäblich über schmackhafte gesunde Knollen gestolpert, die ihm die einheimischen Pflanzen geradezu feilgeboten hatten. Meine Theorie mit den Quellenwesen erschien ihm jetzt aber als logische Erklärung.

Der Vogel hatte Shimar seinen Nacken zugedreht. „Also gut.“, sagte er. „Wie du willst.“ Damit nahm er den Phaser und feuerte. „Den Rest werde ich dir ersparen, Kleines.“, sagte er. Damit endete mein Traum.

Ich setzte mich ruckartig im Bett auf und entdeckte, dass ich schweißgebadet war. Was ich gerade gesehen hatte, konnte nur eines bedeuten. Shimar lebte! Sonst hätte ich ja nicht von ihm träumen können. Ich nahm meinen Erfasser, den ich, wie es meiner Gewohnheit entsprach, immer auf meinem Nachttisch liegen hatte und scannte mich damit. Als das Hilfsprogramm dann auch noch die Existenz des residenten Musters bejahte, war es mir klar. Maron hatte sich geirrt!

Ich stieg aus dem Bett und begann, hektisch nach meinen Schuhen zu kramen. In diesem Moment erwachte auch Scotty. „Was is’ los, Darling?“, fragte er. „Ich habe von Shimar geträumt!“, sagte ich aufgeregt. „Von Shimar?“, fragte er irritiert. „Aber wie kann denn das sein? Maron hat doch gesagt, er sei tot.“ „Das hat er gesagt.“, sagte ich. „Aber die Verbindung zwischen uns und mein Erfasser sagen was anderes.“ „Gib mal her!“, sagte Scotty und nahm sich das Gerät, um es in meine Richtung zu halten. Dann schaltete er das Interpretationsprogramm zu. Die Frage, die er dem Gerät bald darauf stellte, ließ mich erschauern. „Erfasser, gibt es Hinweise auf Sytanias Neuralmuster?“ „Negativ.“, erwiderte das Gerät. Erleichtert ließ Scotty den Erfasser sinken. „Na dann is’ das wohl die Gott verdammte Wahrheit und Maron hat sich getäuscht.“, sagte er. „Aber wir sollten auf jeden Fall einem der Agenten Bescheid sagen.“ „Aber Maron wird …“, begann ich. „Wir gehen ja auch nich’ zu Maron.“, tröstete Scotty. „Du glaubst doch wohl nich’, dass ich ein Freund von Energieverschwendung bin. Ich weiß schon, zu wem wir können. Vertrau dem alten Scotty, Bets’. Und weißt du was? Ich bin heilfroh, dass unser Shimar noch lebt!“ Diese Äußerung hätte vielleicht bei jedem, der unsere Situation nicht kannte, ein befremdliches Gefühl ausgelöst, aber diejenigen wussten ja nichts über unsere besondere Dreiecksbeziehung.

Er stellte sich vor mich hin und bot mir seinen Arm an: „Na komm, krall dich fest.“ Ich nahm sein sehr flapsig formuliertes Angebot gern an und so gingen wir aus unserem Quartier auf den Schiffskorridor. Dass wir beide noch in Nachtkleidung waren, störte mich nicht. Auch der Umstand, dass mich bald jemand, der vom Rang her mein Vorgesetzter sein konnte, so sehen würde, war mir im Moment herzlich egal.

Ich erkannte, dass wir einen Turbolift betreten hatten, der uns zu den Schleusen brachte, zumindest hatte Scotty dies als Fahrziel angegeben. Das sagte mir, dass wir das Schiff verlassen würden und wohl auf die Station gehen würden. Tatsächlich gingen wir auch gleich darauf durch die Schleuse. Bestimmt führte Scotty mich in den nächsten Lift, mit dem wir dann zum Wohndeck fuhren, auf dem sich natürlich auch die Gästequartiere befanden. Dann standen wir vor Gästequartier zwei, dessen Sprechanlage Scotty betätigte. Von drinnen nahm Agent Yetron die Verbindung entgegen. „Agent.“, sagte Scotty. „Hier ist Techniker Scott. Meine Frau ist bei mir. Sie muss ganz dringend gegenüber Ihnen und Agent Sedrin eine Aussage machen. Vielleicht sollten wir Mikel auch dazu holen, aber …“

Er hatte gesehen, dass ich nah davor war, in Ohnmacht zu fallen. Schnell fing er mich auf und setzte mich auf einen nahen Vorsprung. „Es geht ihr überhaupt nich’ gut.“, informierte Scotty Yetron weiter. „Vielleicht könnte man …“

Die Türen öffneten sich und Yetron stürmte an ihm vorbei in meine Richtung. Auch ohne Erfasser war dem Demetaner meine Situation klar. „Ganz ruhig, Allrounder.“, sagte er. „Wir bringen Sie jetzt erst mal zu uns und dann kümmern wir uns um Sie.“ „Ich muss …“, stammelte ich. „Er lebt!“ „Ja, ja.“, sagte Yetron. „Das können wir alles gleich regeln.“ Dann nahm er mich in einen bestimmten Griff und zog mich auf die Beine, um mich in sein und Sedrins Quartier zu stützen und mich dort auf das Sofa im Wohnzimmer zu setzen. Scotty sah ihn fragend an. „Sie bleiben, Techniker!“, befahl der Brückenoffizier. „Eine vertraute Person in ihrer Nähe könnte Ihrer Frau das Ganze ungemein erleichtern.“ „Bitte holen Sie Sedrin.“, bat ich. „Ich bin schon hier.“, hörte ich in diesem Moment eine bekannte Frauenstimme. Sedrin musste durch den Tumult aufgeschreckt worden sein.

Sie besprach mit Yetron irgendetwas auf Demetanisch, worauf dieser dann seinen Erfasser zog und mich scannte. Dann hielt er Sedrin das Gerät unter die Nase. Diese nickte nur bestätigend. „Das residente Muster ist noch da und es gibt einen frischen Kontakt.“, sagte sie. „Den würde es nicht geben, wenn er tot wäre. Wir müssen in Erfahrung bringen, was sie gesehen hat.“

Wieder wechselten sie Worte in ihrer gemeinsamen Muttersprache. Dann fragte Yetron: „Denken Sie, Sie sind in der Lage, uns in der Simulationskammer zu zeigen, was Sie gesehen haben, Allrounder?“ Ich nickte und sagte: „Aber können Sie Zugriff auf Marons Datei nehmen?“ „Sicher nicht.“, sagte Sedrin. „Aber das brauchen wir auch nicht. Wir machen unsere Eigene auf. Wenn Maron Sie nicht weiter verhören will, dann ist er selbst schuld. Er wird schon sehen, was er davon hat. Wenn er die Ergebnisse nicht will, dann ist das sein Pech.“ „Sie spielen also eine Art Agentenpoker mit meiner Frau als Trumpfkarte.“, sagte Scotty. „Wenn Sie das so betrachten wollen, Techniker.“, sagte Yetron. „Das klingt so negativ.“, sagte ich. „Aber, Scotty, deine Frau ist in diesem Fall gern ihre Trumpfkarte.“ „Also gut.“, sagte Scotty.

Ich stand auf. „Wo soll die Party steigen?“, fragte ich. „Wir werden frecher Weise die Kammer auf der Station benutzen.“, sagte Yetron. „Ich beabsichtige, ein wenig in Marons Revier zu wildern.“ „Also gut.“, sagte ich. „Techniker, es wäre ratsam, wenn Sie auch dabei blieben als moralische Stütze für Ihre Frau.“, sagte Sedrin. „Aber sicher doch.“, erwiderte Scotty. Dann setzte sich die ganze Prozession in Bewegung.

Kapitel 55 - Clytus’ Selbstmordversuch

von Visitor

 

Wir hatten nicht gesehen, wer uns bei dem ganzen Hin und Her als Türöffner benutzt hatte. Clytus war an uns vorbei auf die Granger geschlichen und hatte sich mittels eines selbstgebauten Werkzeugs Zugriff zum Maschinenraum verschafft. Hier saß Jannings zwar gerade an einer Konsole und las einen Netzwerkbericht, war aber ansonsten abgelenkt genug, dass Clytus mit dem Werkzeug zu einer Abdeckung gehen und sie lösen konnte. Darunter kam eine Plasmaleitung zum Vorschein.

Der Junge warf die Abdeckung weg und nahm Anlauf. Das laute Geräusch hatte jetzt aber auch Jannings aufgeschreckt, der Clytus gerade noch an den Schultern packen und an sich ziehen konnte. Dabei umfasste er ihn so, dass er seine Arme an seinen Körper gedrückt hielt. So zerrte er ihn jetzt von der offenen Leitung weg. Das Einzige, das Clytus vor Schreck losgelassen hatte, war das Werkzeug, das in die Leitung gefallen war und dort verdampfte. Na gut., dachte Jannings. Das kann er wenigstens nicht mehr als Waffe gegen mich benutzen.

Clytus hatte erkannt, dass er in seiner jetzigen Gestalt wohl keine Chance gegen den weitaus älteren und stärkeren Jannings haben würde, denn genesianische Jungen waren doch eher schmächtig. Seine Hände konnte er ja eh nicht benutzen, aber seine Füße hatte er ja noch. Auf einem Bein stehend trat er abwechselnd mit dem einen und dem anderen Fuß nach Jannings’ Schienbeinen in der Hoffnung, ihn zu Fall bringen zu können. Aber das war ein hoffnungsloses Unterfangen, weil der im Nahkampf ausgebildete Offizier es immer wieder schaffte, ihm tänzelnd auszuweichen. „Hör mir zu!“, schrie Jannings. „Das hier ist mein verdammter Arbeitsplatz und hier wird sich nicht umgebracht!“ „Aber ich kann so auch nicht leben!“, schrie Clytus zurück. „Nicht mit meiner Schuld und nicht in dieser Gestalt. Es wird keine Lösung für mich geben und …“ „Blödsinn!“, sagte Jannings, der schon ziemlich außer Atem war, denn Clytus hatte sich schwer gemacht. Er hoffte, ihn so dazu zu bringen, ihn doch noch loszulassen. Wenn es so weiter ging, dann würde ihm das auch gelingen, befürchtete Jannings, denn lange konnte er ihn so nicht mehr halten.

Elektra betrat den Maschinenraum. Sie hatte vor, ihren Vorgesetzten abzulösen, wie es der Schichtplan vorsah. Aber die Androidin hatte auch blitzschnell die Situation erfasst. Nur ging sie zunächst mit teilnahmslosem Gesicht an den Kämpfenden vorbei, um sich an eine Konsole zu setzen und einige Eingaben zu machen. Ihr teilnahmsloser Blick war für Androiden normal, da sie ja keine Emotionen besaß. Deshalb fühlte sich Clytus auch sicher. Er ahnte ja nicht, was für ein Programm für Notfälle bereits hinter dem Gehäuse ihrer Stirn ablief.

Gerade wollte Jannings sich Hilfe suchend an sie wenden, als Elektra blitzschnell ihren Phaser zog, ihn auf Betäubung stellte und auf Clytus’ Rücken feuerte. Schlaff hing der Junge in Jannings’ Armen. „Gute Arbeit, Assistant.“, lobte Jannings. „Da haben Sie den Umstand, dass Sie Androidin sind, ja prima ausgenutzt.“ „Das ist korrekt, Sir.“, sagte die künstliche Lebensform nüchtern. „Agent Mikel und den Medizinern habe ich per Mail Bescheid gegeben. Sie müssten jeden Moment hier eintreffen.“ „Wenn ich Sie nicht hätte, Assistant.“, sagte Jannings erleichtert und legte Clytus sanft auf dem Boden ab.

Die Mediziner und Mikel betraten bald darauf den Ort des Geschehens. „Was ist hier passiert, Techniker?“, wendete sich Mikel an Jannings. „Clytus wollte sich umbringen.“, sagte dieser. „Er hat sich hier hereingeschlichen und hat dann eine Abdeckung zu einer Plasmaleitung entfernt. Wenn er sich da rein gestürzt hätte, dann …“ „Ich kann es mir denken.“, sagte der Ermittler. „Aber wie kommt er an ein Werkzeug, um die Türsensoren zum Maschinenraum zu überbrücken? Ich meine, dieser Ort ist für Zivilisten an sich nicht zugänglich. Waren Sie nachlässig mit Ihrem Werkzeug, Mr. Jannings?“ „Nein, Sir.“, sagte der Chefingenieur. „Aber er muss sich selbst eines gebaut haben. Nur hat er es bei unserem Kampf verloren. Es ist da rein gefallen.“ Jannings zeigte auf den offenen Schacht. Aber gleich darauf entschuldigte er sich: „Entschuldigung, Agent. Ich meinte, es sei in den Schacht gefallen. Wenn ich auf irgendwas zeige, hilft Ihnen das ja nicht.“ „Schwamm drüber, Mr. Jannings.“, sagte Mikel. „Aber wenn es so ist, wie Sie gesagt haben, dann wird es Rückstände geben. Wo ist der Ort genau?“

Jannings warf Elektra einen Blick zu, der sie sofort zu einem Spind eilen und eine Art Kletterausrüstung herausholen ließ, die sie Mikel anlegte. Dann führte sie ihn, ihn am Seil sichernd, auf die offene Leitung zu. Mikel war so etwas schon gewohnt. Wenn er in dem gefährlichen Labyrinth aus Stegen und Leitungstunneln im Maschinenraum ermitteln musste, hatten sie es immer so gehandhabt. „Bücken Sie sich jetzt bitte herunter, Agent.“, sagte Elektra. „Genau vor Ihnen liegt die Abdeckung.“ Sie spannte das Seil leicht, um Mikel ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. „Alles klar, Technical Assistant.“, sagte dieser und zog seinen Erfasser, um die Abdeckung zu scannen. Das Hilfsmittelprogramm verriet ihm tatsächlich, dass sie unsachgemäß entfernt worden war. „Führen Sie mich jetzt bitte zu der Leitung, Elektra.“, sagte er. Sie erwiderte: „Ja, Sir.“, und half ihm, sich sicher umzudrehen. Dann standen beide vor der offenen Plasmaleitung. Auch diese, die Jannings inzwischen für den Durchfluss gesperrt hatte, damit wichtige Spuren nicht verloren gingen, scannte Mikel. „Es sieht tatsächlich so aus, als wäre da Materie, die dort nicht hingehört.“, sagte er. „Die Rückstände lassen zumindest darauf schließen. Ich werde Clytus vernehmen müssen.“

Loridana und ihr Assistent hatten Clytus untersucht. „Wir werden ihn zunächst auf die Krankenstation der Basis bringen.“, sagte Loridana. „Das ist mir sicherer. Da ist er zumindest ständig unter Aufsicht und kann so einen Unsinn nicht noch einmal versuchen. IDUSA würde es merken und die Tindaraner sicher auch. Deshalb hat er es wohl auch nicht auf der Basis, sondern hier versucht, obwohl die Basis viel näher gewesen wäre.“ „Davon gehe ich auch aus.“, pflichtete ihr Learosh bei.

Mikel war hinzugekommen. „Wann werde ich mit ihm reden können, Loridana?“, fragte der Agent. „Das wird wohl noch etwas dauern.“, gab die Ärztin zurück. „Außerdem müssen Sie sich dann an meinen Kollegen Ishan wenden, Sir. Es ist mir sicherer, wenn er auf der Basis behandelt wird.“ „OK.“, sagte Mikel. „Ich bin hier auch erst mal fertig. Sie können die Leitung wieder freigeben, Mr. Jannings. Ich muss Clytus’ Tante noch verständigen.“ „In Ordnung, Sir.“, erwiderte Jannings.

Elektra befreite Mikel von dem Klettergurt. „Ich werde dann gehen.“, sagte der Agent. „Ich hoffe nur, dass so etwas nicht noch einmal passiert.“ „Das hoffen wir wohl alle.“, sagte Loridana, die ihren Patienten gemeinsam mit Learosh auf eine mitgebrachte Trage legte und sich dann von IDUSA per Transporter auf die Krankenstation der Basis bringen ließ.

Mikel hatte das Schiff zu Fuß wieder verlassen. Dass er jetzt mehr Zeit brauchte als die Mediziner war ihm sehr lieb. So konnte er sich auf dem Weg überlegen, wie er Tolea beibrachte, was gerade passiert war.

Bald stand der Spionageoffizier vor Gästequartier eins. Aber der Weg war ihm viel zu kurz vorgekommen. Mit klopfendem Herzen betätigte er die Sprechanlage. „Wer ist dort?“, fragte eine noch nichts ahnende Tolea. „Tolea, hier spricht Agent Mikel.“, sagte er. „Ich muss Ihnen etwas mitteilen. Bitte lassen Sie mich ein.“ „Augenblick.“, sagte sie und entriegelte die Tür.

Mikel schritt langsam in den Flur, wo die Mächtige ihn bereits erwartete. „Was gibt es denn, Agent?“, fragte sie. „Sie schauen ja so ernst.“ „Um ehrlich zu sein, möchte ich das lieber sagen, wenn wir beide sitzen, Tolea.“, sagte Mikel. „Also gut.“, erwiderte Tolea und führte ihn ins Wohnzimmer. Dort setzte man sich gemeinsam auf das Sofa. „Was ist denn nun so schlimm, Agent.“, fragte Tolea. „Ihr Neffe.“, begann Mikel. „Er hat versucht, sich das Leben zu nehmen.“ „Oh, das ist mir bekannt.“, sagte Tolea ruhig. „Ich verstehe nicht.“, bat Mikel um eine Erklärung. „Ich weiß, dass Clytus so nicht mehr leben will.“, sagte Tolea. „Ich habe alles gesehen. Der Grund, aus dem ich nicht eingegriffen habe ist, dass Clytus begreifen soll, dass es auch auf sterblichem Wege eine Lösung für ihn geben wird. Er soll lernen, dass es nicht schlimm ist, sterblich zu sein. Das ist ja auch nicht der primäre Grund für seinen Suizid, sondern seine Schuld an euch Sterblichen. Aber er soll lernen, dass ihr ihm vergebt und dass er in euch sogar Freunde hat, die ihn auffangen und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Deshalb habe ich es dem guten Jannings überlassen, der seine Sache nebenbei bemerkt sehr gut gemacht hat.“ „Aha.“, sagte Mikel. „Sie haben also keine Hoffnung mehr, Sytanias Bann zu besiegen?“ „Das habe ich nicht gesagt, Agent.“, sagte die Mächtige. „Ich habe nur gesagt, dass wir alles tun müssen, um Clytus deutlich zu machen, dass es sich auch in seiner momentanen Situation lohnt zu leben. Das müssten Sie doch am besten wissen. Schließlich haben Sie und der Allrounder so auch meinem Bruder geholfen, der in einer ähnlichen Situation war.“ „Aber er stand nicht unter Sytanias Bann.“, sagte Mikel. „Sein Problem war leichter zu lösen.“ „Deshalb sprach ich von einer ähnlichen Situation, Agent.“, sagte die Mächtige.

Die Sprechanlage beendete ihre Unterhaltung. „Ich gehe schon.“, sagte Tolea und machte sich auf den Weg zur Konsole. „Hier Tolea.“, nahm sie das Gespräch entgegen. „Hier ist Ishan.“, meldete sich eine nüchterne Stimme. „Ich wollte Ihnen und dem Agent nur mitteilen, dass Ihr Neffe aufgewacht ist. Commander Zirell und Commander Kissara werden auch hier sein.“ „Wir kommen.“, sagte Tolea und hängte das Mikrofon ein.

Sie kehrte zu Mikel zurück, der sie erwartungsvoll ansah. „Clytus ist wach, Agent.“, lächelte sie ihm zu. „Ishan sagt, es wäre gut, wenn wir ihn jetzt besuchen würden. Ihr Commander und Commander Zirell werden auch zugegen sein.“ „Also gut.“, sagte Mikel. „Dann kann ich ihn ja auch gleich vernehmen, obwohl Sie mir ja sein Motiv schon genannt haben. Aber ein guter Kriminalist gibt nichts auf Hörensagen.“ „Ganz recht.“, sagte Tolea und nahm Mikel bei der Hand. „Ich werde Sie führen, wenn Sie nichts dagegen haben.“, sagte sie. Mikel nickte und sie gingen los.

Auf der Krankenstation standen Zirell und Kissara bereits an Clytus’ Krankenbett. Der Junge war überrascht, in ihre Gesichter zu blicken. Außerdem war Nidell in seiner Nähe, die ständig einen der medizinischen Monitore im Blick hatte. „Wo bin ich?“, fragte Clytus. „Du bist auf der Krankenstation von Commander Zirells Basis.“, erklärte Kissara. „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“ „Es tut mir leid.“, sagte Clytus. „Aber ich kann meine Schuld nie wieder sühnen. Dann ist es doch wohl besser, wenn ich mich töte. Ich habe so viel Krieg und Tod über die Dimensionen gebracht, dass …“ „Na, das mit dem Krieg und dem Tod haben wir wohl eher Leuten wie Sytania und Agatha zu verdanken.“, sagte Zirell. „Außerdem, was habe ich dir denn gesagt zum Thema Lösungen?“ „Aber was wollt ihr denn tun?“, fragte der Teenager verzweifelt. „Ich weiß es nicht.“, sagte Zirell, verbesserte sich aber sofort: „Ich weiß es noch nicht. Aber ich werde gleich eine Konferenz einberufen. Sicher fällt einem der anderen etwas ein.“

Mikel und Tolea betraten die Krankenstation. „Clytus.“, seufzte die Mächtige beim Anblick ihres dort geschwächt auf dem Bett liegenden Neffen. „Was machst du denn für Sachen?“ „Sorry, Tante Tolea.“, sagte Clytus. „Aber ich habe einfach keinen Ausweg mehr gesehen. Agent, Sie müssen nicht mehr ermitteln. Ich gestehe in vollem Umfang, dass ich mich töten wollte.“ „Das ist mir schon längst klar, Clytus.“, sagte Mikel. „Aber das ist sicher völlig unnötig. Wir werden bestimmt eine Lösung für dich finden.“ „Und damit sollten wir am besten gleich anfangen!“, sagte Kissara forsch. „Zirell, sagtest du nicht, du wolltest eine Konferenz einberufen?“ „Ja.“, sagte die Tindaranerin. „Wir sollten uns besser gleich alle im Konferenzraum hier auf der Station treffen.“ „Ich würde gern freiwillig hier bleiben und auf Clytus achten.“, sagte Nidell. „Also gut.“, erklärte sich Zirell einverstanden. „Aber wir sollten auch Ginalla hinzu bitten.“, sagte Mikel. „Immerhin haben wir ihr versprochen, dass sie sich beteiligen darf.“ „In Ordnung.“, sagte Zirell. „IDUSA wird ihr Bescheid geben.“ Dann machten sich alle zum Konferenzraum auf den Weg.

Dort angekommen setzten wir uns alle auf die typischen tindaranischen Sitzmöbel. Zirell stellte sich gemeinsam mit Kissara in die Mitte des Raumes. Von hier aus hatte sie alle gut im Blick und alle konnten sie gut sehen. Auch Ginalla war zugegen und ließ Kamurus per Sprechgerät an unserem Gespräch teilhaben.

„Es ist etwas geschehen, Ladies und Gentlemen, über das wir dringend alle sprechen müssen.“, begann Kissara, der Zirell das Wort erteilt hatte. „Wie einige von Ihnen sicher wissen, hat Clytus versucht, sich heute das Leben zu nehmen. Wenn Mr. Jannings nicht so geistesgegenwärtig eingegriffen hätte, dann wäre er heute nicht mehr am Leben. Das hat allerdings nichts damit zu tun, dass es eine Schmach für ihn darstellt, als Sterblicher leben zu müssen, sondern ist vielmehr das Resultat der großen Schuld, die er auf sich geladen hat, was ihm sehr wohl bekannt ist. Er möchte sehr gern alles wieder gut machen, aber dazu ist es notwendig, ihn zurückzuverwandeln. Aber wie Sie wissen, können dies nur Sytania und Tolea gemeinsam zuwege bringen. Sytania ist aber mit der Situation, wie sie jetzt ist, sehr einverstanden und wird einen Teufel tun, Clytus auf Toleas Bitten hin aus seiner momentanen Gestalt zu erlösen. Wir werden eine andere Möglichkeit finden müssen.“ Sie sah mich an: „Und sei sie noch so schräg.“ „Je schräger, desto besser, Kissara El Thundara, was?“, lachte Joran. „Genau.“, sagte Kissara. „Ich hoffe, dass Sytania dann nicht drauf kommt.“

Es wurde still im Raum. So still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Wahrscheinlich warteten alle darauf, dass ich etwas sagen würde. Die Einzige, die ein erleichtertes Gesicht machte, war Jenna, die wohl hoffte, dass der Kelch dieses Mal an ihr vorübergehen würde. Zum ersten Mal in ihrem Leben hätte sie nämlich zugeben müssen, ein Problem nicht lösen zu können. Für sie wäre dies zuzugeben eigentlich kein Problem gewesen, denn ihr Ego war stark genug, um das auszuhalten. Aber alle, die Erwartungen in sie gesetzt hatten, wären sicher schwer enttäuscht gewesen. Aber Moment mal! Sytania! Die würde es keineswegs aushalten, wenn ein anderer behauptete, etwas zerstören zu können, das sie geschaffen hatte, oder wenn derjenige auch nur ansatzweise die gleiche Macht hätte wie sie, zumindest das behaupten würde. Wir würden nur ein künstliches Neuralmuster brauchen, das ihrem so ähnlich sei, dass wir glaubten, dass es ihres perfekt nachahmen könnte. Aber wir würden mit Absicht eine kleine Abweichung einbauen, damit sie sich dächte, dass wir Stümper ja mit so etwas gar nicht umgehen könnten. Dann würde sie uns ihre Macht demonstrieren wollen und selbst den entsprechenden Gedankenbefehl geben nach dem Motto: „Seht ihr? Nur ich kann es!“ Aber damit hätten wir genau das erreicht, was wir erreichen wollten. Die Cobali müssten uns da eigentlich helfen können. Schließlich besaßen sie Technologie, mit der man biosynthetische Neuralfelder in tote Gehirne pflanzen konnte. Wenn wir ihnen Daten zur Verfügung stellen würden, wie Sytanias Hirnwellenmuster aussieht, dann dürfte das gehen. Ja! So müsste ein Schuh draus werden!

Ich stand auf, trat neben die beiden Kommandantinnen hin und sagte: „Wir könnten Sytania bei ihrem Ego packen.“ Alle lauschten gespannt. Ich hatte förmlich das Gefühl, dass sie an meinen Lippen hingen. „Interessanter Ansatz, Allrounder.“, lobte Kissara. „Darf ich wissen, wie Sie das genau bewerkstelligen wollen?“ „Sicher.“, sagte ich und räusperte mich. Dann referierte ich: „Sytania ist extrem eitel, wie Sie alle wissen. Sie mag es nicht, wenn jemand behauptet, die gleiche Macht wie sie zu besitzen. Wie wäre es, wenn wir ein künstliches Neuralmuster etablieren, das ihrem fast bis aufs I-Tüpfelchen gleicht? Das wird sie auf den Plan rufen und sie wird uns ihre Macht demonstrieren wollen. So werden wir sie dazu bekommen, dass sie Clytus doch noch zurückverwandelt. Die genauen Frequenzen könnten durch einen Abdruck von Tolea, wenn sie den Gedankenbefehl gibt und den Umrechnungsfaktor zu Sytanias Frequenzen ermittelt werden. Aber wie gesagt, wir bauen absichtlich einen kleinen Fehler ein.“ „Und wo willst du Technologie finden, die so ein exaktes Muster herstellen kann, Betsy?“, fragte Zirell. „Wir könnten die Cobali fragen.“, sagte ich, die ich durch meine Träume von Shimar immer auf dem Laufenden war. „Ich meine, immerhin können die biosynthetische Neuralmuster produzieren, die von sämtlichem Hirngewebe akzeptiert werden. Also müssten sie doch auch …“

Jetzt geschah etwas, das uns alle in großes Erstaunen versetzte. Kissara begann plötzlich, leise zu schnurren. Dann wuchs sich das Schnurren zu einem Brausen aus, das in ein Gurren überging. Gleichzeitig krabbelte ihr seidiger Katzenschwanz aus der rückwärtigen Tasche ihrer Uniformhose ans Tageslicht und seine Spitze wippte aufgeregt durch die Luft, während der Rest von ihm gerade aufgerichtet war. „Großartig!!!“, schnurrte sie. „Schräg, aber großartig!“ „Na ja.“, sagte ich bescheiden. „Ich habe gedacht, Energie ist Energie, ist Energie, ist Energie. Deshalb dachte ich …“ „Und Energie hat Frequenzen.“, sagte Kissara. „Und damit kennen Sie sich ja wohl am besten aus, meine Liebe.“ Ich nickte.

Alle anderen, die sich das Schauspiel mit angesehen hatten, machten verdutzte Gesichter und zeigten immer wieder auf Kissaras Hinterseite. Alle außer Ginalla, die jetzt aufstand und sagte: „Oh, Mann! Ihr alle seid verdammt heiße Anwärter auf das dümmste Gesicht der Sternenflotte oder der tindaranischen Streitkräfte. Ich wünschte, ihr könntet eure Glotzaugen sehen! Aber in ihrer Spezies ist das wohl ’n stinknormaler Vorgang. Ich dachte, das wüsstet ihr, wo ihr doch immer wieder behauptet, euch so gut in andere Kulturen reinversetzen zu können. Sorry, dass ich so ehrlich bin, aber ich bin Zivilistin, ich darf das. Würde manch anderer hier in diesem Raum das gesagt haben, hätte er oder sie jetzt sicher einen freien Platz auf der Anklagebank des Kriegsgerichtes gewonnen. Aber mir könnt ihr da nix! Ätsch!“ Sie drehte allen eine lange Nase. „Eigentlich hat Ginalla Recht.“, sagte Maron. „Sie hat es zwar etwas uncharmant formuliert, aber das ist ein Umstand, den wir ihr wohl nachsehen müssen, weil sie Celsianerin ist. Aber jede Spezies hat nun einmal ihre eigene Art, ihre Freude zu zeigen. Kissara hat ja nichts getan, was ungehörig wäre.“ „Da stimme ich dir zu, Agent Maron.“, sagte Joran, den alle entsprechend ansahen. „Und ich stimme auch Allrounder Betsy zu. Meine ehemalige Gebieterin ist sehr eitel. Sie wird uns auf jeden Fall auf den Leim gehen, denke ich! Ihr Plan hat eine gute Chance zu funktionieren. Ich denke, das wollten doch alle von mir wissen.“ Zirell und Kissara nickten.

„Allrounder, Sie können uns doch bestimmt die einschlägigen Frequenzen der Cobali nennen, oder?“, fragte Kissara. „Sicher, Commander.“, sagte ich. „Gut.“, sagte sie. „Dann kommen Sie bitte in einer halben Stunde in Commander Zirells Bereitschaftsraum. Sie und ich werden gemeinsam eine Art Notruf aufzeichnen, den IDUSA in regelmäßigen Abständen an die Cobali senden soll. Damit dürften wir das richtige Schiff eigentlich finden können. Falls Sie noch etwas an unserer Ausdrucksweise zu bemängeln haben, können wir das ja dann gemeinsam ändern.“ „In Ordnung.“, sagte ich. „Dann können wir diese Besprechung ja auflösen.“, sagte Zirell. „Und ich habe eine frohe Botschaft für Clytus. Es wird bald eine Lösung für ihn geben.“ „Freu dich bitte nicht zu früh.“, sagte Kissara vorsichtig. „Wir wissen ja noch gar nicht, ob die Cobali mitmachen, geschweige denn, ob wir sie überhaupt finden.“ „Oh, ich bin da guter Hoffnung.“, sagte Zirell. „Ich werde es ihm am besten gleich sagen.“ Sie gab allen ein Zeichen, und man erhob sich, um gemeinsam den Raum zu verlassen.

Der Notruf war schnell formuliert und ich hatte lediglich angemerkt, dass man am besten vermied, dass Unbefugte etwas mitbekamen, wenn man nur alle Rufzeichen mit der Kennung: „.Cob“, ansprechen würde. Dies hatte Zirell IDUSA auch programmiert und so hörten auch Aglaia und Marak bald den SITCH von Basis 281 Alpha. „Ich bin Commander Zirell, Commander der tindaranischen Streitkräfte.“, stellte sich selbige vor. „Und ich bin Commander Kissara, Kommandantin der USS Granger von der Sternenflotte.“, tat Kissara es ihr gleich. Dann fuhr Zirell fort: „Wir sind auf der Suche nach einem eurer Schiffe, das vor Kurzem einem meiner Leute begegnet sein muss. Sein Name ist Shimar. Wenn ihr ihm begegnet seid, wird er euch sicher über einiges aufgeklärt haben. Bitte kommt doch zu uns und unterstützt uns bei dem Versuch, die Geschichte zu korrigieren. Clytus, der Urheber des Ganzen war, bereut sehr, was er getan hat und möchte, dass wir ihm helfen. Aber alles Weitere würde ich gern nicht am SITCH besprechen. Interdimensionale Koordinaten folgen.“ „Das wird bereits seit 20 Minuten ununterbrochen gesendet.“, erklärte Aglaia ihrem Mann, der zu dieser Zeit die Schicht im Cockpit übernommen und sie abgelöst hatte. „Shimar hat den Namen seines Commanders nie erwähnt.“, überlegte Marak. „Aber ich kann mir denken, dass es wahr ist, was diese Frauen sagen. Ich meine, die Geschichte ist ja wirklich arg durcheinander und ich habe von Anfang an nicht wirklich an die Rückkehr der genesianischen Göttin geglaubt. Ich hatte mir schon gedacht, dass ein Mächtiger im Spiel sein könnte.“ „Aber was könnte es für ein Geheimnis geben, bei dem diese Commander Zirell unsere Hilfe benötigt?“, fragte Aglaia. „Ich meine, du bist Arzt und ich nur eine einfache Frau aus dem Volk, die noch nicht einmal viel gelernt hat. Ich kann vielleicht ein Shuttle fliegen, aber das ist schon alles. Ich eigne mich sicher nicht als Geheimnisträgerin.“ „Trotzdem sollten wir ihnen helfen!“, sagte Marak fest. „Immerhin schulden wir Shimar etwas. Er hat uns zu unserem Kind geführt. Wenn wir unsere Schuld schon nicht bei ihm zurückzahlen können, dann sollten wir es zumindest bei seinem Commander versuchen. Auch, wenn unsere Rettungskapsel keinen hat, so verfügt doch unser Schiff über einen interdimensionalen Antrieb, den du besser gleich benutzen solltest. Je eher wir da sind, um ihr zu helfen, desto besser für uns alle.“ „Und was ist, wenn das eine Falle ist?“, fragte Aglaia. „Ich meine, immerhin hat Shimar uns berichtet, dass er auch Sytania als Gegnerin …“ „Davon gehe ich nicht aus.“, sagte Marak. „Diese Mühe würde sich diese Sytania nicht machen. Shimar hat sie als sehr ungeduldig beschrieben. Sie würde uns nicht in so eine Art von Falle locken, bei der noch die Möglichkeit bestünde, dass wir gar nicht darauf hereinfallen.“ „Also gut.“, sagte Aglaia und aktivierte den interdimensionalen Antrieb.

Kapitel 56 - Eine Lösung für Clytus

von Visitor

 

Sytania hatte alles durch den Kontaktkelch beobachtet. Sie und Telzan saßen nun gemeinsam davor und beratschlagten, was sie denn tun könnten. „Wir müssen verhindern, dass die Cobali die Station erreichen.“, sagte die Prinzessin. „Wenn sie sich mit Zirell und Kissara beraten, dann werden sie mir meinen schönen Plan durchkreuzen. Ich habe in die Zukunft gesehen. Ich weiß, was das bedeutet.“ Sie warf wütend, ja fast verzweifelt, den Kopf herum.

Telzan überlegte angestrengt. Irgendwie musste es ihm doch gelingen, seine Herrin wieder aufzuheitern und ihr einen Plan zu präsentieren, der gleichzeitig jenes für beide unheilvolle Geschehen verhindern würde. Er konnte einfach den letzten Satz von Aglaia nicht aus seinem Kopf bekommen. Ständig blieb sein Gehirn an der Frage nach der Falle hängen. Aber warum eigentlich nicht? Warum sollten sie den Cobali nicht eine kleine Falle stellen und gleichzeitig dafür sorgen, dass sowohl die Granger, als auch Commander Zirell bei ihnen in Misskredit fielen? Wenn sie dass erreichen könnten, dann hätten sie gewonnen. Dann würde es nämlich keine Lösung für Clytus geben.

Grinsend sah Telzan zu seiner Gebieterin hinüber. „Was grinst du so?“, fragte Sytania. „Ich grinse, weil mir gerade die Idee der Ideen gekommen ist.“, sagte Telzan stolz und stellte sich aufrecht vor sie hin. „Wovon redest du?“, fragte Sytania fast geifernd. „Ich spreche davon, dass wir den Cobali tatsächlich eine kleine Falle stellen sollten, Milady.“, erwiderte der Vendar. „Und wie soll die Falle aussehen?“, fragte Sytania. „Shimar wird sie über alles informiert haben, was mit mir zusammenhängt. Sie werden alarmiert sein und auf Posten. Sie werden …“ „Ich habe nicht davon gesprochen, dass Ihr oder ich tätig werden sollt.“, beruhigte Telzan sie. „Ich meine, tätig werden solltet Ihr schon, aber eher telepathisch. Der gute Kang ist die ganze Zeit an Bord der Granger und sitzt am Waffenpult. In den Geist dieses primitiven Klingonen einzudringen dürfte für Euch ein Kinderspiel sein. In seinem Unterbewusstsein befindet sich ein latenter Hass gegen die Cobali, weil er glaubt, sie verweigerten den Toten den Eintritt ins Totenreich. Zapft diesen Hass an und implantiert einen hypnotischen Befehl, der ihn dazu bringt, auf das Schiff der Cobali zu schießen, wenn sie sich der Station nähern. Er soll sie nicht vernichten, sondern ihnen nur einen leichten Schaden zufügen, der sie dazu bringt zu fliehen. Dann werden sie sich auf keinen Fall mehr auf Zirell und Kissara einlassen, zumal der Schuss von Kissaras Schiff kam, das an Zirells Station liegt.“ Er grinste erneut. „Wie findet Ihr das?“

Sytania stand von dem Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, auf und tanzte einmal durch den gesamten Thronsaal. „Oh, Telzan!“, stieß sie hoch erregt hervor. „Du weißt genau, wie du deine Herrscherin glücklich machen kannst! Ich werde gleich damit beginnen!“ „Soll ich Euch allein lassen, Milady?“, fragte Telzan. „Ich meine, dann könnt Ihr Euch doch sicher viel besser konzentrieren.“ „Ach was.“, sagte sie. „Bleib ruhig. Wie du schon sagtest, dieser primitive Geist ist für mich kein Problem. Das könnte ich noch im Schlaf. Ah, da ist ja der latente Hass schon, den ich sehen wollte.“

Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf Kangs Bild. Dann dachte sie: Hör mir zu, Kang. Bald wird ein Schiff von Leichenfledderern zu euch kommen. Sie kommen, um alle Toten von den Friedhöfen der Tindaraner zu stehlen. Denk dir, deren arme Seelen können dann nicht ins Totenreich! Aber dem kannst du, mein tapferer Kang aus dem Volke der Klingonen, ein Krieger mit Ehre im Leib, etwas entgegensetzen, indem du sie verjagst. Du und ich, Kang, wir werden Seite an Seite kämpfen, um die armen Toten der Tindaraner zu retten. Zirell ist so blauäugig und lädt die Cobali noch ein, aber du, du bist jetzt gewarnt und kannst verhindern, dass dieser schändliche Plan eine Durchführung findet. Die Cobali haben Shimar nämlich nicht uneigennützig gerettet. Deshalb befehle ich dir, auf das Schiff mit dem Phaser zu feuern, sobald es sich der Station nähert! Du sollst sie nicht töten, sondern nur vertreiben. Dann werden sie kein Wort mehr mit Zirell wechseln wollen.

Nichts davon ahnend waren die Cobali in der Dimension der Tindaraner angekommen und hatten den Kurs zu Zirells Station eingeschlagen. „Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, was wir da tun können.“, sagte Aglaia. „Ich meine, wenn die Tindaraner mit einem Problem wie Sytania schon nicht fertig werden, dann …“

Etwas zwang das Schiff zum Ausweichen! Etwas, das Aglaia nur noch als schemenhafte Erscheinung wahrnehmen konnte, die sich langsam auflöste. Sie hatte geglaubt, das Abfeuern eines Phasers zu sehen, aber dazu passte nicht, dass der Schuss mittendrin abgeebbt war, als hätte jemand die Energie abgedreht. Auch Marak hatte das seltsame Schauspiel gesehen. „Die haben auf uns geschossen!“, stammelte er leichenblass. „Die haben tatsächlich auf uns geschossen. Das hätte ich mir denken können. Bei der Sternenflotte und den Tindaranern sind wir mit Sicherheit nicht willkommen. Immerhin benutzen wir ihre Toten zu unserer Fortpflanzung, was für sie sehr befremdlich wirken muss. Dass sie uns so eine Falle stellen würden, hätte ich ihnen zwar nie zugetraut, aber anscheinend habe ich mich gründlich in ihnen geirrt. Lass mich übernehmen, Aglaia und dann nichts wie weg von hier. Immerhin müssen wir an unseren Sohn denken.“ Zitternd nickte Aglaia und überließ ihrem Mann den Platz am Steuerpult.

Der Grund, aus dem der Energiefluss plötzlich abgeebbt war, hieß Elektra und saß vor dem herunterfahrenden Kontrollrechner des Waffenpultes im Maschinenraum. Die Androidin hatte aus dem Netzwerkbericht der Sensoren, der den Ingenieuren ja auch einen Ausschnitt des Bildes zeigte, das man auf der Brücke sah und dem Funktionsbericht, den der Phaser gesendet hatte, gelesen, dass Kang wohl auf ein wehrloses Schiff gefeuert hätte, wenn sie nicht eingreifen würde. Da dies nicht seine Art war und Kissara oder Mikel so etwas auch nie befehlen würden, blieb für Elektra nur eine Erklärung wahrscheinlich. Sytania, die ja kein Interesse daran haben konnte, dass Clytus die Situation wieder korrigierte, musste sich eingemischt und Kang per hypnotischem Befehl zu ihrer Marionette gemacht haben. Da der Klingone kein Telepath war, würde er dies nicht wahrnehmen und sich schon gar nicht dagegen wehren können. Es war also an ihr, dafür zu sorgen, dass Sytania auf keinen Fall mit ihrem Plan durchkommen würde.

Das plötzliche Herunterfahren des Rechners hatte auch Jannings in Alarmbereitschaft versetzt, der in so einem Fall automatisch durch das Computersystem des Schiffes über die Sprechanlage geweckt wurde. Sofort ging er in den Maschinenraum, wo Elektra ihn bereits erwartete. „Warum haben Sie den Kontrollrechner des Waffenpultes bei laufendem Betrieb heruntergefahren?!“, fragte der völlig irritierte Jannings. Elektra zeigte nur ruhig auf den Schirm, wo die beiden bereits erwähnten Netzwerkberichte nebeneinander zu sehen waren. „Wenn Sie das interpretieren, Sir.“, begann sie. „Dann werden Sie sehen, dass ich nicht anders handeln konnte. Mr. Kang würde als ehrenhafter Klingone niemals von sich aus auf ein wehrloses Schiff feuern. Das Sensorenbild dürfte auch Ihnen verraten, dass die Cobali kaum bewaffnet sind und ihre geringen Waffen noch nicht einmal einsetzen wollten. Laut dem Systemprotokoll hatte aber Kang Vorbereitungen getroffen, die unseren zu aktivieren. Aber wie gesagt, so etwas würde er nie aus freien Stücken tun. Kissara oder Mikel würden so etwas meinen Berechnungen der Wahrscheinlichkeit nach auch nie befehlen, weil es gegen alle Regeln und Statuten der Sternenflotte verstieße. Also blieb, wenn man bedenkt, wen wir als Gegnerin haben, nur ein Schluss. Sytania hat ihn hypnotisiert und als ihre Marionette benutzt. Also musste ich verhindern, dass er feuern kann.“ „Puh, danke, Technical Assistant.“, atmete Jannings auf. „Sie haben vielleicht gerade einen Krieg verhindert. Stellen Sie sich mal vor, es macht unter den Cobali die Runde, dass Sternenflottenoffiziere auf wehrlose Schiffe schießen. Es könnte zu einem Krieg mit den Cobali kommen. Gut angesehen sind die ja nicht gerade, wegen ihrer Art, sich fortzupflanzen. Da haben Sie Sytania aber gewaltig ins Handwerk gepfuscht! Gute Arbeit, Elektra! Aber jetzt sollten wir Agent Mikel, den Commander und die Mediziner verständigen. Der arme Kang ist sicher total verwirrt und wir werden aussagen müssen.“ „Das habe ich schon.“, sagte Elektra freundlich. „Also gut.“, sagte Jannings. „Dann kommen Sie am besten gleich mit zur Brücke.“

Auf der Brücke saß der tatsächlich völlig verwirrte Kang an seinem Arbeitsplatz. Er konnte sich nicht erklären, was gerade geschehen war. Er fühlte nur, dass seine rechte Hand auf den Tasten für den Phaser lag. Sein Zeigefinger hielt die Feuertaste gedrückt. Nur langsam fand der Klingone seine örtliche Orientierung wieder. In diesem Augenblick betraten Kissara, Mikel und die Mediziner die Brücke. Auf seinem Bildschirm sah Kang nur noch, wie sich das leicht beschädigte Schiff der Cobali entfernte, so schnell es konnte. Jetzt konnte er sich denken, was gerade geschehen war. „Agent.“, wendete er sich an Mikel. „Ich gestehe in vollem Umfang, gerade versucht zu haben, auf das Schiff der Cobali zu feuern. Den Göttern sei Dank, ist der Phaser anscheinend ausgefallen. Sonst …“ „Was haben Sie getan?!“, fragte Kissara empört. „Es sieht so aus, als hätte ich versucht, auf sie zu schießen.“, wiederholte Kang. „Genau erinnere ich mich nicht, aber die Beweise sind eindeutig.“ „Das sind sie allerdings!“, sagte Kissara streng, die sich jetzt seine Handhaltung, die er immer noch nicht geändert hatte, genauer angesehen hatte. „Ich kann mir denken, warum Sie das getan haben! Die Cobali genießen einen zweifelhaften Ruf, weil sie Tote zur Fortpflanzung benutzen! Anscheinend glauben Sie, wie auch die meisten anderen, dass sie ihnen damit die Würde und den Weg ins Totenreich verweigern! Aber ich finde es schade und beschämend, dass Sie so über eine Spezies urteilen, über die wir trotz ca. 800-jähriger Nachbarschaft rein gar nichts wissen! Ihr Verhalten ist untragbar für einen Sternenflottenoffizier Ihres Ranges, Mr. Kang! Gerade von Ihnen als einem Klingonen hätte ich so ein unehrenhaftes Verhalten nicht erwartet! Agent, in die Arrestzelle mit ihm!“

Mikel stellte sich aufrecht hin und sagte: „Nein, Commander.“ Die Situation, in der er Kang aufgefunden hatte, musste ihn veranlasst haben, mit dem Erfasser genauer nachzusehen. Das Gerät hatte ihm etwas verraten, das er Kissara sogleich mitteilte. „Er war nicht zurechnungsfähig, als er schießen wollte, Kissara!“, begründete der erste Offizier fest und schaltete bei seinem Erfasser die Displayfunktion zu, damit Kissara auch sehen würde, was er gehört hatte. Dann hielt er ihr den Erfasser unter die Nase. „Sytania!“, erkannte Kissara. „Ich hätte es mir denken können! Mr. Kang, ich glaube, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.“ „Entschuldigung akzeptiert, Ma’am.“, sagte der Klingone und fügte noch bei: „Sytania ist ohne Ehre! Ohne Ehre!“ „Das wissen wir.“, tröstete Loridana, die Mikels Ergebnisse inzwischen mit den eigenen Instrumenten bestätigt hatte. „Insbesondere dann, wenn sie sich von hinten ins Unterbewusstsein schleicht und dort hypnotische Befehle implantiert.“ Kang gab einen verächtlichen Laut von sich und nickte. „Mich würde nur interessieren.“, sagte Kissara. „Wer für das schlussendliche Versagen des Phasers verantwortlich ist. An eine göttliche Fügung mag ich irgendwie nicht so recht glauben.“

Wie auf Stichwort betraten die Verantwortlichen die Brücke. Jannings schob Elektra mit stolzem Ausdruck im Gesicht vor sich durch die Tür auf Kissara zu. „Sie hat Ihnen etwas zu sagen, Commander.“, sagte der Chefingenieur. „Und Ihnen auch, Agent.“ „Commander, Agent, ich gestehe, die Waffen sabotiert zu haben, indem ich den Kontrollrechner bei laufendem Betrieb heruntergefahren habe.“, begann Elektra. „Dafür sind wir Ihnen sehr dankbar, Technical Assistant.“, sagte Mikel. „Wenn Sie das nicht getan hätten, dann wären die Cobali heute sicher nicht mehr am Leben.“ „Aber Sytania hat trotzdem erreicht, was sie wollte.“, sagte Kissara. „Wie es aussieht, fliehen die Cobali vor uns.“ „Dann sollten wir alle diplomatischen Kanäle nutzen, die uns zur Verfügung stehen.“, sagte Mikel. „Ich wäre sogar bereit, ihnen den Beweis zu zeigen, dass es nicht Kangs Wille war.“ „Gut.“, sagte Kissara. „Aber wir sollten beratschlagen, wie wir das anstellen. Wenn wir mit der Granger hinterher fliegen, werden wir nur noch mehr für ihr Misstrauen sorgen.“ „Wir sollten alle noch einmal die Köpfe zusammenstecken.“, schlug Jannings vor. „Gemeinsam mit den Tindaranern fällt uns sicher was ein. Außerdem halte ich diese Zivilistin auch nicht für dumm.“ „Guter Vorschlag, Techniker.“, sagte Kissara anerkennend. „Ich werde Commander Zirell verständigen und jetzt lassen Sie uns gehen. Je eher wir mit der Besprechung beginnen können, desto mehr Chancen haben wir, was die Cobali angeht.“

Jannings hielt Mikel seinen Arm hin. „Ich nehme Sie, Sir.“, sagte er. „Nicht nötig, Techniker.“, sagte Mikel. „Ich finde den Weg schon allein.“ Er stieß gegen einen Pfosten. „Na, da bin ich nicht so sicher.“, sagte Jannings und bekräftigte seine Absicht noch einmal. „Dazu sind Sie im Moment ja viel zu aufgeregt. Dabei hätten Sie allen Grund zur Freude. Oder hat der Wetterbericht Ihnen nichts von wolkig mit Aussicht auf Geständnishagel gesagt?“ Mikel grinste und hängte sich schließlich doch bei Jannings ein.

Zirell sah Kissara mitleidig an, als sie den Konferenzraum betrat. „Ich habe gehört, was passiert ist.“, sagte sie. „IDUSA informiert mich, sobald einer im Dock mit dem Phaser herumballert.“ „Das ist sicher auch gut so.“, sagte die Thundarianerin und setzte sich, wie wir anderen auch.

Zirell befahl IDUSA, uns allen die Bilder noch einmal zu zeigen, wie sie diese gesehen hatte. „Oh, Shit!“, kommentierte Ginalla die Situation. „Sehr treffend.“, bemerkte Yetron. „Elektra sei Dank, ist nichts passiert.“, sagte Kissara. „Aber wir müssen jetzt nach einer Möglichkeit suchen, die Cobali trotzdem noch auf unsere Seite zu bekommen.“ „Ein Sternenflottenshuttle würden sie erkennen.“, sagte ich. „Und auf SITCH werden sie auch nicht mehr reagieren. Sie werden denken, dass es wieder eine Falle ist.“ „Sie sind scharfsinnig, Allrounder.“, lobte Yetron. „Somit wissen wir, dass diese Möglichkeiten schon einmal ausfallen.“ „Ich hab’ kein Sternenflottenschiff.“, grinste Ginalla. „Kamurus gehört keiner Armee. Er gehört eigentlich nur sich selbst. Agent Mikel, wenn Sie den Beweis haben, dann würde ich Sie mitnehmen. Aber Sie sollten Zivil tragen.“ Alle klatschten Beifall. „Und Allrounder Betsy und ich werden uns ins Dunkle Imperium aufmachen.“, sagte Kissara. „Vielleicht benötigt Shimar unsere Hilfe und ich würde Logar gern ins Gewissen reden. Für alle Fälle wäre es aber gut, wenn auch wir ein selbstständig denkendes Schiff hätten.“ „Lycira freut sich sicher schon.“, sagte ich. „Sie damals mitzunehmen, Commander, war eine sehr gute Idee.“ „Ich hätte da noch was für Sie und den Commander, Allrounder.“, sagte Maron und gab mir ein Päckchen in die Hand. „Aber erst auf dem Flug öffnen. Wer das von Ihnen tut, ist egal.“ „Danke, Agent.“, lächelte ich. „Dann werde ich Jannings sagen, dass er Lycira noch mal warten soll.“ Damit drehten Kissara und ich uns zum Gehen. „Einen Moment.“, hielt Zirell uns auf. „Ich habe lange nichts mehr von IDUSA gehört, seit ich sie hinter Shimar herschickte.“ „Wir suchen sie.“, versicherte Kissara. „Und wir werden sie auch finden.“ Damit verließen wir den Raum in Richtung der Andockrampen, zu denen uns Ginalla und Mikel noch begleiteten.

Bald hatten beide Schiffe abgedockt. Für Mikel, der sich inzwischen zivile Kleidung mit Kamurus’ Replikator repliziert hatte, war der Umstand nicht weiter verwunderlich, dass die junge Celsianerin ihr Schiff selbst gewartet hatte. Er wusste als Sternenflottenoffizier, dass dies so quasi in der Kultur der Celsianer lag. „Ihnen ist die technische Begabung in die Wiege gelegt, nicht wahr?“, fragte Mikel. „100 %!“, antwortete Ginalla. Dann fragte sie: „Haben Sie das jetzt nur gesagt, um ein Gespräch zu beginnen?“ „100 %!“, erwiderte der erste Offizier der Granger lächelnd. „Wenn Sie es genau wissen wollen, Ginalla, ich bin etwas nervös.“ „Ihre erste diplomatische Mission, he?“, fragte die Celsianerin flapsig. „Ich will Ihnen mal was sagen. Ich mach’ mir da gar keinen Kopf. Wir kriegen das schon hin. Die Cobali müssen uns glauben. Sie haben ja schließlich den Beweis und Agent Maron hat uns ja aus den Verhören mit Ihrer Freundin einiges gesteckt. Wir wissen zum Bleistift, dass der Cobali Arzt is’. Das heißt, er wird mit den Erfasserbildern was anfangen können.“ „Ihr Wort in Gottes …“, setzte Mikel an, aber Ginalla, die von Kamurus nur ein kurzes Bild bekommen hatte, sagte: „Festhalten!“ Dann wendete Kamurus sich wie ein Kreisel um die eigene Achse, um fast im gleichen Moment von einem vollen Impuls auf Warp fünf zu beschleunigen. „Wieso macht er das?!“, fragte Mikel, den es ganz schön in den Sitz presste. „Er hat sie gesehen.“, sagte Ginalla. „Leider hat er keine Zeit mehr gehabt, uns vorab zu informieren! Er hat mir nur kurz das Sensorenbild auf den Neurokoppler gelegt.“

Kurz darauf wurden sie wieder langsamer und lagen jetzt direkt neben dem Schiff der Cobali. Beide Schiffe flogen nun mit einem vollen Impuls. „Soll ich Mikel die Verbindung herstellen, Ginalla?“, wendete sich Kamurus an seine Pilotin. „Frag ihn selbst.“, flapste sie zurück. „Er ist der Diplomat.“ „Also gut.“, gab Kamurus zurück und lud Mikels Reaktionstabelle, nachdem der Terraner einen zweiten Neurokoppler, den Ginalla ihm gegeben hatte, aufsetzte. „Soll ich die Cobali rufen?“, fragte das Schiff in Mikels Richtung. „Tu das.“, sagte Mikel ruhig. „Aber sorge bitte dafür, dass ich sie begrüßen kann. Ich bin nicht sicher, wie sie auf selbstständig denkende Schiffe reagieren.“ „OK.“, sagte Kamurus und sendete nur das Rufzeichen, um das Sprechgerät der Cobali anzusprechen. Dann sagte er zu Mikel: „Du kannst sprechen.“ Aus der Situation um seine Aussage war Kamurus ja klar, dass er Mikel duzen durfte. „Ich bin Agent Mikel vom Geheimdienst der Föderation der vereinten Planeten.“, sagte Mikel. Im gleichen Moment unterbrach Kamurus aber die Verbindung schon wieder und setzte sich in Bewegung. „Ginalla, die Cobali haben ihren Antrieb gezündet und scheinen wieder vor uns davonfliegen zu wollen.“, begründete er. „Los! Hinterher!“, befahl Ginalla. „Und gib mir die Steuerkontrolle! Ich denke, jetzt brauchst du einen Piloten mit Bauchgefühl. Schön festhalten, Agent!“

Sie gab Kamurus den Gedankenbefehl, auf Warp vier zu gehen, denn die Cobali flogen bereits mit Warp drei. „Bleiben Sie dran, Ginalla!“, feuerte Mikel sie an. „Sie haben gut Reden!“, schimpfte Ginalla. „Wie konnten Sie denen sagen, dass sie Föderationsoffizier sind! Die Granger hat zwar kein Transpondersignal mehr, das sie als Schiff der Sternenflotte ausweist, aber ihre Bauweise ist eindeutig. Die Cobali haben so was sicher schon mal gesehen. Dumm sind die nich’. Nur, wenn wir sie zu sehr jagen, befürchte ich, dass ihnen ihr altersschwacher Kahn um die Ohren fliegt!“ „Oh, nein!“, sagte Mikel. „Verdammte Gewohnheit!“ „Ja, ja.“, sagte Ginalla mit zusammengebissenen Zähnen.

Kissara und ich ahnten davon nichts. Wir waren guter Dinge von der Station abgeflogen. Ich hatte Lycira die Steuerkontrolle übergeben, weil mich interessierte, wie Kissaras weiterer Plan aussah. „Wir werden zunächst von der interdimensionalen Schicht aus nach IDUSA scannen.“, sagte mein Commander. „Sagen Sie Lycira das. Je nachdem, wie ihre Situation aussieht, können wir ja dann entsprechend reagieren.“ „Aye, Commander.“, nickte ich und legte meine Hände in die Mulden, um Lycira zu signalisieren, dass ich etwas von ihr wollte. Dann erteilte ich ihr die entsprechenden Gedankenbefehle.

Kissara holte das Päckchen, das ich ihr gegeben hatte, hinter ihrem Rücken hervor. „Jetzt bin ich aber mal neugierig, was der Agent da Schönes für uns hat.“, sagte sie und begann, die Schleife umständlich aufzuknoten. Natürlich hätte sie sich eine Schere replizieren und sie einfach durchschneiden können, aber so blieb der Nervenkitzel länger erhalten. Auch die Klebestreifen löste sie einen nach dem anderen. Dabei kamen ihr ihre Krallen sehr zu pass. Zum Vorschein kam ein Pad. „Wollen doch mal sehen, was der liebe Maron uns hier zusammengestellt hat.“, sagte Kissara und berührte den Sensor für den biologischen Fingerabdruck. Dann sah sie auf das Display. „Wir müssen beide unseren biologischen Fingerabdruck hinterlassen.“, informierte sie mich und hielt mir das Pad hin. Auch ich legte meinen rechten Daumen auf das Feld. Kurz danach hörten wir ein Signal und dann Marons Stimme: „Hallo, Commander Kissara, hallo, Allrounder Betsy, tja, es gibt Situationen im Leben, in denen man ganz schönen Bockmist baut und sich dann entschuldigen muss. Ich denke, dass ich mich gerade in genau solch einer gegenüber Ihnen, Allrounder, befinde. Sedrin und Mikel haben mir die Augen geöffnet, was die Ermittlungen zu Shimars Tod angeht. Die Indizien sprechen tatsächlich dafür, dass er noch leben könnte. Ich entschuldige mich also in aller Form bei Ihnen dafür, Shimar zu früh für tot erklärt zu haben, Allrounder Betsy Scott. Als Wiedergutmachung bitte ich Sie und Ihren Commander, das Geschenk anzunehmen, das sich im zweiten Laufwerk des Pads befindet. Das Laufwerk ist nur eine Attrappe und es soll aussehen, als enthielte es einen Kristall. Aber in Wahrheit werden Sie, wenn Sie die Verblendung abziehen, zwei Kapseln vorfinden. Sie enthalten das Gift einer reptiloiden Spezies, die im Dunklen Imperium beheimatet ist. Deren weibliche Mitglieder produzieren ein Gift, das jede biologische Zelle für telekinetische Energie durchlässig macht, so dass sie nicht haften kann. Logar wird Sie also nicht selbst aus dem Thronsaal entfernen können, wenn Sie ihm unbequem werden. Von diesem Gift wissen bisher weder Tamara noch Zoômell. Es ist, wenn Sie so wollen, ein Alleingang des demetanischen Geheimdienstes. Aber ich dachte, das sei ich Ihnen schuldig. Sie können die Kapseln ganz schlucken, oder sie auch öffnen und den Inhalt trinken. Wenn die Wirkung eintritt, verspüren Sie am ganzen Körper ein Kribbeln. Die Wirkung hält ca. fünf Stunden an. Gezeichnet: Agent Pannemann, der Spion, der sich irrte.“

Ich hatte dem Pad gebannt zugehört. „Entschuldigung akzeptiert, Sir.“, sagte ich leise. „Woher er wohl gewusst hat, wie Scotty ihn nannte?“ „Das wird wohl für immer Agent Marons Geheimnis bleiben.“, sagte Kissara, die inzwischen auch die Kapseln gefunden hatte. „Die nehmen Sie besser an sich.“, sagte sie und gab sie mir. „Schließlich ist das hier in erster Linie ein Geschenk an Sie.“ Ich nickte und nahm die Packung aus ihrer samtigen Hand entgegen, um sie in die Brusttasche meiner Uniform zu stecken.

Ich wandte mich wieder Lycira zu, die mir auf Anfrage bestätigte, dass wir uns weit genug von der Basis entfernt hatten, um den interdimensionalen Antrieb zu benutzen. „Lycira sagt, wir können jetzt auf Interdimensionsflug gehen.“, sagte ich. „OK.“, nickte Kissara. „Aber könnten Sie arrangieren, dass ich mich auch mit ihr verständigen kann? Dann müssen Sie nicht immer vermitteln.“ „Das können Sie selbst.“, sagte ich zu Kissara, während ich Lycira die entsprechenden Gedankenbefehle für den Interdimensionsflug gab. „Legen Sie einfach beide Hände in die Mulden auf der Konsole vor sich und denken Sie das, was Sie sagen wollen.“ Lächelnd folgte Kissara meinem Vorschlag. Na endlich., dachte Lycira an mich gewandt. Ich habe mich schon gefragt, wann dein Commander es endlich versucht. Du hast eine sehr liebe telepathische Stimme, Lycira., dachte Kissara. Danke., gab Lycira zurück. Sie aber auch, Commander. Du kannst mich duzen., schlug ihr Kissara vor. Mit Allrounder Betsy machst du es ja nicht anders. Also gut., meinte Lycira.

„Das war sehr gut, Commander.“, lobte ich. „Lycira hat mich alles hören lassen.“ „Danke, Allrounder.“, lächelte Kissara. „Als Sternenflottenoffizierin sollte so etwas doch kein Problem sein.“ „Erklären Sie das mal Mikel.“, spielte ich auf die Situation von Mikels erster Begegnung mit Lycira an.

Kapitel 57 - Diplomatie auf Celsianisch

von Visitor

 

Kamurus hatte auf Ginallas Befehl hin zu dem Schiff der Cobali aufgeschlossen und hatte dann seine Geschwindigkeit neben ihm wieder reduziert, was Mikel sehr überrascht hatte. „Warum überholen wir sie nicht einfach und setzen uns vor sie, um sie auszubremsen?“, erkundigte sich der blinde Mann, dem zuliebe Ginalla jeden Gedankenbefehl, den sie ihrem Schiff gab, auch laut aussprach, damit er sich gegebenenfalls auf dessen Konsequenzen besser einstellen konnte. „Das hab’ ich Ihnen doch schon erklärt.“, flapste die technisch versierte Celsianerin. „Wenn wir versuchen, sie zu überholen, dann werden sie wiederum verhindern wollen, dass das passiert. Dann überfordern sie ihren Antrieb und … Scheiße!“

Jenem unqualifizierten Ausbruch Ginallas folgte ein schnelles Manöver, das sie Mikel nicht angekündigt hatte. Sie hatte Kamurus so schnell zum Wenden gebracht, dass Mikel mit dem Kopf gegen die Wand stieß. „Sorry.“, entschuldigte sie sich lapidar. „Aber ich hatte keine Zeit, Ihnen Bescheid zu geben.“ „Was ist denn?“, fragte Mikel etwas leidend, der sich den arg schmerzenden Kopf hielt. „Nehmen Sie Ihren Neurokoppler.“, sagte Ginalla und half Mikel, das genannte Instrument wieder zu finden, das ihm im Eifer des Gefechtes vom Kopf gerutscht war. „Kein Wunder.“, sagte sie, nachdem sie sich zuerst das Gerät und dann seinen Kopf genauer betrachtet hatte. „Sie haben das Ding viel zu locker sitzen. Erzählen Sie mir bitte nich’, dass Ihre Haarpracht leidet.“ Mikel lachte und ließ es sich gefallen, dass sie ihm den Koppler wieder aufsetzte und ihn einstellte. Kamurus lud seine Tabelle. „Entschuldige bitte, Mikel.“, entschuldigte auch er sich für das Manöver. „Aber ich habe gesehen, dass sämtliche Energieausstöße des Schiffes der Cobali plötzlich von 100 auf 0 % gefallen sind.“ „Oh, dann haben die echt Schwierigkeiten.“, sagte Mikel. „Gib mir die technischen Werte.“, sagte Ginalla. Bereitwillig tat ihr Schiff, was sie von ihm verlangt hatte.

Sie gab einen Laut des Missfallens von sich, als sie die Werte studiert hatte. „Sieht aus, als wäre deren Hauptenergieverteiler durchgebrannt.“, stellte sie fest. „Die fliegen im Moment nur mehr schlecht als recht auf Reserve. Wenn die nich’ bald ’n Planeten zum Landen finden, dann is’ Essig.“ „Das alles lesen Sie aus den paar Zahlen?“, staunte Mikel. „Ich bin Celsianerin!“, sagte Ginalla fest und hoffte, dass sie mit diesem einen Satz alles gesagt hatte.

Mikel sah vor seinem geistigen Auge, dass Kamurus die Umgebung scannte und offensichtlich auch bald fündig wurde. „Ginalla, Mikel, ich registriere einen Planeten mit Klasse-M-Atmosphäre in der Nähe. Leider können wir das den Cobali nicht sagen, weil ihr Sprechgerät nicht funktioniert und sie ohnehin nicht auf SITCH von uns reagieren würden.“ „Dann müssen wir hoffen, dass sie den auch sehen.“, sagte Ginalla und zeigte in Gedanken auf das virtuelle Bild des Planeten, das auch sie sah. „Oder wir müssen ihn gut sichtbar markieren.“, schlug Mikel vor. „Kamurus, gib mir die Steuerkontrolle!“ Der Avatar sah Ginalla fragend an, die ihm nur zunickte.

Mikel brachte sie in die Atmosphäre und ließ Kamurus dann einige kurze Phaserschüsse abgeben. Das sorgte für ein interessantes Lichtspiel, auf das die Cobali tatsächlich aufmerksam wurden und ihnen folgten. „Wow!“, staunte Ginalla. „Nich’ schlecht für einen, der nich’ aus ’n Augen gucken kann.“ „Manchmal hat man eben Glück.“, sagte Mikel erleichtert.

„Die Cobali setzen zur Landung an.“, meldete Kamurus einige Augenblicke später. „Dann stell uns am besten gleich mal daneben.“, sagte Ginalla. „Und wenn du kannst, dann repliziere einen neuen Verteilerknoten, der auf ihre Systeme passt.“ „Sie wollen Ihnen anbieten, das zu reparieren?“, fragte Mikel. Ginalla nickte wortlos.

Aglaia, Marak und ihr noch immer namenloser Sohn hatten das Shuttle verlassen. Sie waren froh, eine Stelle gefunden zu haben, an der sie erst mal bleiben konnten. Dennoch wunderte sich vor allem Aglaia über die beiden Fremden, die sich auf sie zu bewegten. Vor allen Dingen irritierte sie das Teil, das die Frau wie eine Trophäe vor sich hertrug. „Hi, ich bin Ginalla und das is’ Mikel.“, stellte sie beide vor. „Wir haben gehört, hier gibt’s ’n Schiff zu reparieren. Ich hab’ zufällig das passende Ersatzteil bei. Wann kann ich anfangen?“ Ihre herzliche Art hatte Marak offensichtlich so überrascht, dass er nicht bemerkte, dass der Name von Ginallas Begleiter und des Mannes vom SITCH völlig identisch waren. Deshalb sagte er nur: „Von mir aus sofort. Wir sind für jede Hilfe dankbar.“ „Na dann!“, sagte Ginalla und spuckte in die Hände, bevor sie ihre Werkzeugtasche, die jeder anständige Celsianer sein Eigen nennt, aus Kamurus’ Frachtraum holte und mit der Arbeit an dem Schiff der Cobali begann. Aglaia und ihr Sohn schauten ihr interessiert über die Schulter. Marak schien sich nicht sonderlich dafür zu interessieren, ein Fakt, der Mikel nicht entgangen war.

„Gehen wir ein Stück.“, sagte der blinde Mann zu dem Cobali. Dann entfernten sie sich etwas. „Um ehrlich zu sein.“, gab der Agent dann gegenüber Marak zu. „Ich bin der vom SITCH.“ Marak gab einen verwunderten Laut von sich. „Und trotzdem helfen Sie uns?“, fragte er. „Ich dachte, Sie von der Föderation würden auf uns schießen wollen, weil Sie uns als Leichenfledderer sehen.“ „Unser Stratege war nicht Herr seiner Sinne, als er auf Sie feuern wollte.“, sagte Mikel und zog seinen Erfasser, um ihn Marak vor die Augen zu halten. „Sie sind Arzt.“, kommentierte er die Bilder. „Also müssten Sie schon diverse Gehirne unter den Fingern gehabt haben. Sicher auch Klingonische. Sie werden also sehen, dass ich die Wahrheit spreche.“

Marak nahm Mikel kurz das Gerät ab, um es genauer unter die Lupe nehmen zu können. Dann gab er es ihm in einer langsamen Bewegung zurück. „Sie haben Recht, Agent Mikel.“, sagte er. „Es ist offensichtlich, dass hier eine fremde Macht Einfluss auf ihn genommen hat. Unter diesen Umständen helfen wir Ihnen natürlich gern. Sobald unser Schiff wieder flugbereit ist, kommen wir mit und besprechen auf Ihrer Basis das weitere Vorgehen.“

Ein schriller Pfiff zerriss die Luft. „Ich glaube, es ist so weit.“, sagte Mikel und ging mit Marak in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.

„So.“, sagte Ginalla, während sie die letzte Klappe über den Modulen schloss. „Die Systeme laufen wieder wie junge Götter. Was is’ bei Ihnen zu vermelden, Mikel?“ „Er hat mich überzeugt.“, sagte Marak an Mikels Stelle. „Also dann auf!“, sagte Ginalla. „Wir müssen auf 281 Alpha noch über einiges reden.“ Sie gingen an Bord der Schiffe und starteten.

Kissara, Lycira und ich waren in die interdimensionale Schicht gewechselt. Von hier aus hatte mein Schiff wirklich bald IDUSA ausgemacht. Sie ist in einem Kometen gefangen, Betsy., erklärte Lycira und zeigte Kissara und mir das Bild. „Lassen Sie uns ins heimatliche Universum fliegen, Allrounder.“, sagte mein Commander und ich ließ Lycira ihrem Vorschlag folgen. „Von Nahem werden wir uns ein viel besseres Bild machen können.“

Gleich nach unserem Eintritt in die Dimension zeigte uns Lycira das Sensorenbild. „Es sieht aus, als wäre sie buchstäblich von dem Kometen eingeschlossen worden.“, sagte Kissara. „Aber wie sie dort hineingekommen ist, lässt sich bestimmt nicht mehr feststellen. Die Halbwertzeiten sämtlicher in Frage kommender Energieformen dürften längst überschritten sein und mit dem interdimensionalen Antrieb kann sie sich auch nicht befreien, weil zwischen ihr und der Hülle des Kometen jeweils nur 10 cm Platz sind. Wenn sie es versuchen würde, würde sie auf Garantie Teile des Kometen mit ins Feld nehmen. Sie müsste ein so kleines Feld erzeugen, dass sie selbst keinen Platz mehr darauf hätte. Das würde Scherkräfte auf den Plan rufen, die mit ihrer Hülle kurzen Prozess machen würden.“ „Lycira sagt, die Hülle des Kometen absorbiert Waffenenergie.“, fügte ich bei. „Mit dem Phaser geht es also auch nicht.“, sagte Kissara. „Und ein Torpedo, den wir in der Nähe detonieren lassen könnten, würde eine solche Druckwelle verursachen, dass IDUSA wahrscheinlich zerstört werden würde. Was können wir nur tun?“

Betsy, Kissara, ich erhalte einen Ruf aus dem Inneren des Kometen., meldete Lycira. Die Verbindung ist allerdings sehr schlecht. Sie würde besser werden, wenn ich uns auf ca. 200 m heranbringen würde. „Tu das!“, sagte Kissara fest, während sie das Gleiche auch dachte. Dann wendete sie sich an IDUSA: „Wir hören dich, IDUSA.“ „Commander Kissara, bitte helfen Sie mir!“, gab das tindaranische Schiff zurück. „Laut meinen Sensoren werde ich bald in diesem Kometen verglühen, wenn ich nicht befreit werde.“ „Das werden wir!“, gab Kissara betont sicher zurück. Ganz Commander wusste sie genau, wann es wichtig war, die Moral eines anderen, auch wenn sie kein Mitglied ihrer Crew war, zu stärken. „Wir wissen zwar noch nicht wie, aber vielleicht hilft uns ja Logar. Mit dem wollten wir eh reden. Verlass dich auf uns.“ Damit gab sie Lycira den Befehl, die Verbindung abzubrechen, um dann zu mir zu sagen: „Sagen Sie Lycira, sie soll den Kometen in den Traktorstrahl nehmen und außer Reichweite der Gravitation der Wirbel bringen und dort absetzen. Dann bringen Sie uns durch die Wirbel, Allrounder! Dieses Mal kommen wir durch die Vordertür! Logar soll ruhig wissen, dass ich nicht zulassen werde, dass er still dasitzt, während seine Tochter Clytus alles aus der Hand reißt und aus unserer Geschichte ein Riesenchaos macht!“ Ich nickte und führte ihre Befehle aus.

Maron hatte Zirell inzwischen gestanden, dass er für jenes Geschenk an Commander Kissara und mich verantwortlich war und auch die Art genau beschrieben, wie er an die notwendigen Informationen gekommen war. „Mikel, Yetron und Sedrin haben mir nicht nur die Augen geöffnet.“, sagte der erste Offizier. „Sie haben mir auch geholfen, die richtigen Informationen zu beschaffen. Yetron zum Beispiel kennt die Molekularstruktur des Giftes der Spezies und Mikel hat mir Zugang zum Rechner der Granger verschafft, damit ich …“ „Aber woher wusstest du, dass Commander Kissara gerade diesen Plan fassen würde, Agent Maron?“, fragte Joran, der an der Kommunikations- und Überwachungskonsole der Station saß. „Weil ich weiß, wie Sternenflottenoffiziere ticken.“, sagte Maron. „Ich war ja selbst mal einer, bevor ich …“

„Anführerin Zirell!“, unterbrach Joran ihn plötzlich. „IDUSA hat die Ankunft von Ginallas Schiff registriert. Sie sieht auch noch ein Schiff einer ihr fremden Bauweise.“ „Sag ihr, sie soll es uns allen zeigen.“, sagte Zirell. Der Vendar nickte und gab dem Computer der Station die entsprechenden Gedankenbefehle. „Die Cobali!“, erkannte Maron erleichtert. „Sie haben es also geschafft.“, fügte Zirell hinzu.

Vor dem geistigen Auge des Vendar auf dem virtuellen Display ließ IDUSA das Bild eines leuchtenden Lämpchens entstehen. Außerdem ließ sie ihn das übliche Signal hören und zeigte ihm das Rufzeichen der Cobali. „Die Fremden rufen uns, Anführerin.“, wendete er sich an Zirell. „Verbinde mit mir.“, erwiderte die Tindaranerin. „Wie du wünschst.“, sagte Joran und führte ihren Befehl aus. „Ich bin Zirell, Kommandantin der tindaranischen Basis 281 Alpha.“, stellte sich selbige vor. „Seien Sie gegrüßt, Commander.“, sagte eine männliche Stimme. „Ich bin Marak. Mehr ist zu meinem Namen nicht zu sagen. Einfach nur der Zivilist Marak, wenn Sie so wollen. Ich hörte, dass Sie unsere Hilfe benötigen. Ist das korrekt?“ „Das ist es.“, bestätigte Zirell. „Aber wir sollten das alles nicht am SITCH besprechen. Kommen Sie doch am besten zu mir auf meine Station. Dort redet es sich sicher viel besser.“ „Die Einladung nehmen meine Frau, mein Sohn und ich gern an.“, sagte Marak und beendete die Verbindung. „Gib ihnen die zwei freien Andockplätze.“, sagte Zirell zu Joran. Der Vendar nickte und ließ IDUSAs Positionslichter entsprechend signalisieren.

Maron nahm seine Vorgesetzte kurz zur Seite. „Hättest du Ginalla so eine diplomatische Leistung zugetraut?“, fragte der Demetaner. „Wir fangen doch nicht schon wieder so an!“, ermahnte ihn die Tindaranerin. „Ich dachte gerade, du hättest angefangen, Ginalla zu akzeptieren. Ich warne dich. Wenn du so weiter machst, dann wirst du dich irgendwann auch noch mal bei ihr entschuldigen müssen und ich bezweifle sehr stark, dass du so was zwei mal hintereinander hinkriegst. Du bist halt eher vom Pech bestraft, als vom Glück geliebt und wenn …“ „Schon klar.“, sagte Maron.

Ich hatte uns über dem Palast in eine stabile Umlaufbahn gebracht. „Ich denke, es wird Zeit, dass wir das demetanische Medikament nehmen.“, sagte Kissara. „OK.“, sagte ich und zog die Packung aus meiner Uniform. „Dann gebe ich mal ’ne Runde Kapseln aus.“

Ich öffnete das Päckchen, musste aber im gleichen Moment stutzen. Meine Hand war über etwas sehr Bekanntes gestolpert. Etwas, das ein Blinder aus dem 30. Jahrhundert sicher nicht mehr kennen würde, da es im Zeitalter von Visoren eigentlich nicht mehr notwendig war. Es war Punktschrift! Großzügig über die Gesamtgröße verteilt prangte sie auf jeder der Tüten in Form unserer Namen auf festen Schildern. „Na, Mikel.“, grinste ich auf Deutsch. „Da hast du ihm aber geholfen.“ „Was haben Sie?“, fragte Kissara freundlich, die offensichtlich mit meinen Regungen nicht viel anfangen konnte. Ich übergab ihr ihre Kapsel und erklärte ihr alles. „Warum hat Maron das gemacht?“, wollte sie wissen. „Warum wollte er sicher gehen, dass auch jede von uns die richtige Kapsel erhält?“ „Ich denke, dass es nichts mit der Zusammensetzung des replizierten Giftes zu tun hat.“, vermutete ich. „Sondern eher mit der Zusammensetzung der Hüllen der Kapseln. Sehen Sie, wir Menschen sind so zu sagen Allesfresser. Aber Ihr Verdauungssystem ist nur auf die Verdauung von Fleisch ausgelegt. Wahrscheinlich besteht Ihre aus gepressten Fleischfasern oder so was, wobei meine sicher aus Gelatine oder Zucker ist.“ „Daran habe ich gar nicht gedacht.“, gab Kissara zu. „Aber Sie könnten Recht haben.“

Wir packten die Kapseln aus und ich wandte mich Lyciras Replikator zu. „Ich werde meine ganz schlucken.“, sagte ich. „Ich weiß, dass Sie es hassen, Tabletten zu schlucken. Brauchen Sie eine Schere?“ „Ach was, Allrounder.“, sagte sie. „Ich habe ein Raubtiergebiss, wie Ihnen bekannt sein dürfte.“ Damit biss sie das obere Ende der Kapsel ab und saugte den Inhalt genüsslich schnurrend aus. Dann leckte sie sich die Lippen. „Mmmm.“, machte sie. „Hat irgendwie was von flüssigem Fisch. Jammerschade, dass Sie sich das entgehen lassen wollen und Ihre ganz schlucken, Betsy.“ „Sorry, Commander.“, sagte ich. „Aber auf flüssigen Fisch kann ich gut verzichten.“ Damit schluckte ich meine Kapsel mit viel Wasser herunter, das mir Lyciras Replikator in einem Glas serviert hatte. Dann bemerkte ich, dass Kissara noch immer am Schmatzen war. „Ich habe die Kapsel doch noch aufgegessen.“, erklärte sie. „Mit dem Fleisch hatten Sie wohl Recht, Allrounder. Ach übrigens, darf ich die Tüten mit den Schildern behalten? Ich mag Artefakte. Ich würde sie gern bei mir in meinem Quartier an die Wand hängen.“ „Sicher.“, sagte ich. „Welcher Sternenflottencommander kann sich schon damit rühmen, den eigenen Namen in Punktschrift an der Wand im eigenen Quartier hängen zu haben.“ „Das heißt also Kissara?“, fragte sie und tatzte gut hörbar mit den halb ausgefahrenen Krallen ihrer rechten Hand auf das Schild. „Ja.“, nickte ich und gab ihr meine Tüte: „Und das heißt Betsy.“ „Ah.“, machte sie und steckte die Tüten ein.

Ich musste plötzlich das Gesicht verzogen haben. „Was ist?!“, fragte sie alarmiert und begann sofort, mich mit ihrem Erfasser zu scannen. „Ich glaube, es geht los.“, sagte ich. „Oh, bei mir auch.“, sagte sie, während sie den Erfasser auch auf sich richtete. „Also keine Angst. Sie sind nicht allein.“ Sie zog mich schnurrend an sich. „Lycira sollte erst dann beamen, wenn unsere Zellen mit der Verwandlung fertig sind.“, sagte sie. Ich stimmte nickend zu und fügte bei: „Sonst hat sie bestimmt Schwierigkeiten, uns korrekt zu erfassen.“

Wenige Minuten später war alles vorbei und Lycira hatte Kissara und mich in Logars Palast gebeamt. Der Herrscher schien reichlich irritiert, als er uns ansichtig wurde. Gerade war er nämlich dabei, gemeinsam mit seinen Rittern ein Mal zu sich zu nehmen. Außer ihm und seinen 12 vertrauten Kämpfern war nur noch Iranach mit zweien ihrer Leute mit im Saal. „Ich hoffe, dass Logar uns nicht durch seine Wachen entfernen lässt, Commander.“, flüsterte ich Kissara zu, die mir die Situation beschrieben hatte. „Ach was, Allrounder.“, sagte sie. „Wenn er merkt, was wir genommen haben, wird er viel zu verwirrt sein, um seine Wachen zu rufen. Wie ich Iranach einschätze, wird sie von sich aus nichts unternehmen. Sie hat sich bestimmt schon die gleiche Frage wie wir gestellt und jetzt passen Sie auf!“

Sie nahm mich mit ihrer weichen Tatze bei meiner Hand und führte mich zum Tisch, wo wir uns gleich neben Logar hinsetzten. „Guten Tag, Majestät.“, sagte sie ruhig, ja schon richtig schmeichelnd. „Ich hoffe doch sehr, Ihr habt nichts gegen etwas weibliche Gesellschaft in dieser Herrenrunde.“ Logar, der sie erst jetzt bemerkt hatte, verschluckte sich fast an seiner gebratenen Taube. „Esst langsam.“, flapste ich. „Sonst wird’s unmanierlich.“ Die Ehe mit Scotty musste doch etwas sehr Gutes haben. Tchey hatte sicher Recht, was die Bildung meiner Persönlichkeit anging. „Wie kommt ihr hier her?“, fragte Logar verwundert. „Und seit wann ist es die feine Art der Sternenflotte, einfach irgendwo einzudringen, ohne Bescheid zu sagen?!“ „Seit Ihr uns eine Erklärung schuldig seid, Milord.“, sagte Kissara unverfroren. „Sicher habt Ihr das Treiben Eurer Tochter auch vor Augen und wisst, was sie mit Clytus’ vergleichbar harmlosem Plan getan hat. Sicher wisst Ihr, wie sie mit uns und unserer Geschichte umgeht. Trotzdem tut Ihr nichts, um ihr Einhalt zu gebieten. Dabei solltet Ihr Euch doch denken können, dass über kurz oder lang bald alles …“ „So etwas muss ich mir nicht bieten lassen.“, sagte Logar und nahm eine konzentrierte Haltung ein, bevor er sagte: „So muss ich mich von zwei Sterblichen nicht vorführen lassen! Ich kann euch schneller wieder auf euer Schiff befördern, als euch lieb sein kann! Hinfort mit euch!“

Es gab zwar einen weißen Blitz, aber Kissara und ich saßen immer noch an gleicher Stelle. Sie hatte sogar zwei Teller besorgt, um ihr und mir von den erlesenen Speisen aufzutun, die sich auch Logar und seine Ritter schmecken ließen. Iranach, die dies zwar gesehen hatte, es aber auch nicht wirklich verstand, schien über den Umstand aber irgendwie erleichtert. Sie flüsterte ihren Männern sogar einen Befehl auf Vendarisch zu, auf den hin sie plötzlich wie zu Eis erstarrten. Auch ihre Atmung mussten sie auf ein Minimum reduziert haben, denn Kissara konnte kaum noch das Senken und Heben ihrer Brustkörbe mit ihren eigentlich sehr scharfen Augen wahrnehmen. „Mich würde interessieren, wie lange die wohl dafür trainieren müssen.“, flüsterte ich.

„Also.“, sagte Kissara mit noch fast vollem Mund. „Für mich sieht das hier nicht nach Lycira aus, Allrounder und für Sie?“ „Nein.“, sagte ich und tastete um mich. „Hier fühlt sich wirklich alles eher nach Logars Thronsaal an. Komisch, nicht?“ „Ganz Ihrer Ansicht.“, sagte Kissara. „Das ist wirklich sehr merkwürdig. Vielleicht versucht Ihr es einfach noch einmal, Majestät.“ „Darauf kannst du dich verlassen!“, schäumte Logar, schaute erneut konzentriert und sagte: „Hinfort mit euch!“

Erneut wiederholte sich das selbe Schauspiel. Iranach blinzelte Kissara konspirativ zu. „Sie ist auf unserer Seite.“, übersetzte Kissara leise für mich. „Warum wirkt Eure Macht nicht, Gevatter.“, wollte einer der Ritter wissen, von denen jeder um einige Ecken herum sicher mit Logar verwandt war. „Schöne Grüße von einigen Eurer Untertanen.“, löste Kissara das Rätsel auf, bevor Logar antworten konnte. „Das Gift!“, sagte der Herrscher. „Exakt.“, erwiderte Kissara. „Für die nächsten fünf Stunden sind meine Offizierin und ich also nicht so einfach für Euch loszuwerden. Wir werden bestimmen, wann wir gehen, wie es aussieht, denn von Euren Wachen könnt Ihr auch keine Hilfe erwarten. Ihr könnt Euch das Ganze allerdings sehr erleichtern, wenn Ihr meine Frage von vorhin beantwortet.“

„Iranach!“, rief Logar der bei ihren Männern an der Wand stehenden Vendar zu. „So einen Vertrauensbruch hätte ich von dir nicht erwartet!“ „Ihr solltet nicht ablenken, Gebieter!“, gab die mutige Vendar unerschrocken zurück. „Meine Leute und ich fragen uns seit geraumer Zeit das Gleiche! Nur werden wir das nicht so einfach sagen dürfen, weil wir Euch unterstehen und Ihr uns sonst töten könntet, was die Strafe für Meuterei wäre. Aber diese Frauen unterstehen Euch nicht! Deshalb können sie auch aussprechen, was wir nicht dürfen. Aber das bedeutet nicht, dass wir nicht auf ihrer Seite kämpfen würden, wenn es darauf ankäme!“

Logar, der bisher gestanden hatte, musste sich setzen. Die Sätze seiner Vertrauten waren für ihn wie ein Stich in die Magengrube. „Auch du, Iranach.“, sagte er und wurde blass. „Ja, auch ich, mein Gebieter.“, sagte sie völlig unbeeindruckt. „Haltet Euch vor Augen, was die Rebellion meines Volkes gegen Sytania ausgelöst hat. Wenn Ihr das Gleiche vermeiden wollt, dann …“ „Ich rede!“, sagte Logar. Iranach nahm dies zur Kenntnis und erlöste ihre Männer mittels Befehl aus ihrer Haltung. „Ich möchte etwas tun.“, gab der König zu. „Aber das, was als einzige Lösung wirklich etwas bringen würde, kann ich nicht tun ohne Einverständnis der Quellenwesen. Ich stehe in schweren zähen Verhandlungen mit ihnen. Aber sie wollen es einfach nicht erlauben, egal was ich anbiete.“ „Verstehe.“, sagte Kissara. „Und Ihr wolltet Euch einfach nicht die Blöße geben, uns zu zeigen, dass Ihr eventuell versagt. Aber vielleicht können wir Euch ja sogar helfen. Ruft die …“

Kaum hatte sie das gesagt, füllte sich der Raum mit einem hellen Licht und eine merkwürdige Wolke, die langsam menschliche Gestalt annahm, stellte sich neben ihn. Ich bin die Königin der Quellenwesen., sprach die schwarzhaarige Frau in unsere Geister. Wenn du glaubst, dass du ihm helfen kannst, Kissara, dann will ich deinen Vorschlag hören. Also schön, Majestät., dachte Kissara. Wie wäre es, wenn Ihr jemanden von uns einer Prüfung unterzieht, der oder die beweisen muss, dass wir die Intelligenz und den Mut besitzen, zu tun, was immer zu tun ist. Ich bin sicher, Ihr wollt, dass wir Sterblichen dieses Problem zumindest bis zu einem gewissen Grad mit lösen, damit Clytus lernt, dass er uns nicht so einfach benutzen kann. Sicher soll er mithelfen, aber den Großteil sollen wohl wir erledigen. Meine Untergebene ist sicher, dass Shimar noch lebt. Sollte dies der Fall sein, so könnten doch sie und er die Prüfung ablegen. Er repräsentiert die tindaranischen Streitkräfte, sie die Sternenflotte. Wie wäre das? Du bist sehr scharfsinnig, Sterbliche!, stellte das Quellenwesen fest. So sei es!

Das Wesen war genau so schnell wieder verschwunden, wie es gekommen war. „Ich danke dir.“, sagte Logar erleichtert, der den Umstand offensichtlich nicht übel genommen hatte, dass wir ihn wie einen kleinen Schuljungen in Sachen Diplomatie aussehen lassen hatten. „Sogleich werde ich Argus Bescheid geben, damit er dir, Betsy, Kipana gibt. Shimar ist …“ „Verratet es mir bitte nicht, Logar.“, bat ich. „Dafür habe ich meinen Erfasser. Es könnte nämlich sein, dass die Quellenwesen noch immer zuhören und man soll uns ja keine Schiebung vorwerfen können. Commander, ich werde inzwischen Lycira sagen, dass sie Sie nach 281 Alpha zurückbringen soll. Ich denke, da kann man Ihre Hilfe jetzt besser gebrauchen. Ich komme schon klar und wenn Ihr Vorschlag funktionieren soll, dürfen Sie ja nicht mehr im Hintergrund sein und mir eventuell helfen.“ „In Ordnung.“, sagte Kissara. Ich nahm mein Sprechgerät und übermittelte Lycira die entsprechenden Instruktionen.

Auf Zirells Basis hatte man zwischenzeitlich alles besprochen und die nötigen Vorbereitungen für das Experiment getroffen. Jannings, McKnight und Scotty hatten ausgerechnet, dass aufgrund des eventuell zu erwartenden Energieaufbaus ein leerer Frachtraum als Ort des Geschehens die beste Wahl war. Die Cobali hatten ein annähernd an Sytania erinnerndes biosynthetisches Feld erstellt, das durch einen Simulator zugeschaltet werden sollte. Die tindaranische Technologie eignete sich hier hervorragend. Clytus stand in der Mitte des Raumes. Hinter einer Konsole saß Jannings und war bereit, das Feld zuzuschalten. Neben ihm saß Mikel, dem Zirell die Befehlsgewalt in diesem Experiment übertragen hatte. Ihrer Meinung nach war der Agent ein Experte für das Verhalten Sytanias. Die Mediziner, alle Mediziner, standen auch in Bereitschaft. Tolea stand Clytus gegenüber und der Rest vor der sicheren Tür, falls es notwendig sein sollte, schnell zu flüchten.

„Sind Sie bereit, Tolea?!“, wendete sich der erste Offizier der Granger an die Mächtige. „Ja, Agent.“, sagte sie mild. „Und du, Clytus?“, fragte er dann auch den Jungen. „Ja.“, sagte er. „Wird das wehtun?“ „Wahrscheinlich ja!“, rief Zirell aus dem Hintergrund, die ihm die Wahrheit nicht vorenthalten wollte. „Aber da muss ich dann wohl durch.“, sagte Clytus und versuchte, ein tapferes Gesicht zu machen. „Also dann.“, sagte Mikel. „Beginnen Sie, Tolea! Einschalten, Mr. Jannings!“

Der Terraner nickte und legte einen Schalter an der Konsole um. Im gleichen Moment begann Tolea, sich auf die Rückverwandlung von Clytus zu konzentrieren, ein Umstand, der Sytania und Telzan, die alles aus dem Dunklen Imperium durch den Kontaktkelch beobachteten, nicht verborgen geblieben war. „Diese Stümper!“, rief die Königstochter aus. „Versuchen mit ihren primitiven Mitteln, was nur einer Mächtigen möglich ist. Wie kann man nur so dumm sein?! Ich glaube, ich sollte ihnen mal beweisen, wer hier die Macht hat.“ „Aber Herrin.“, versuchte Telzan, sie zurückzuhalten. „Habt Ihr schon einmal darüber nachgedacht, dass sie genau das erreichen wollen? Ich meine, …“ „Darüber nachgedacht habe ich, Telzan.“, gab Sytania zurück, die sich anscheinend doch schon sehr gekränkt und beleidigt fühlte. „Aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das nicht sein kann. So weit denken sie nicht. Sieh mal, jetzt erhöhen diese einfältigen Narren auch noch die Leistung ihres Gerätes. Als ob das was nützen würde. Nein, da muss ich ihnen wohl ein für alle Mal ihre Grenzen aufzeigen.“

Tatsächlich hatte Jannings die Leistung des Generators erhöht. „Brillant mitgedacht, Techniker.“, lobte Mikel, der einen Neurokoppler aufgesetzt hatte, um mit IDUSA, deren Sensoren alles überwachten, zu kommunizieren. „Jetzt denkt sie sicher, dass wir noch viel dümmer sind, als wir …“

„Agent!“, wendete sich IDUSA alarmiert an Mikel. „Ich registriere ein Signal, das unser Künstliches überlagert. Es ist exakt Sytanias …“

Mikel hörte ihr nicht mehr zu, denn die Schmerzensschreie von Clytus waren an das geschulte Ohr des blinden Agenten gedrungen. Seine Verwandlung musste eingesetzt haben. So etwas bei vollem Bewusstsein erleben zu müssen, stellte sich Mikel nicht sehr angenehm vor. „Schalten Sie das Feld ab, Jannings.“, sagte Mikel. „Wir haben jetzt schließlich, was wir wollen.“ Der Ingenieur nickte und tat es.

„Der arme Junge.“, rief Zirell mitleidig. „Kann ihm denn niemand helfen?!“ „Das habe ich versucht.“, sagte Ishan nüchtern. „Aber auf betäubende Medikamente reagiert sein Körper schon nicht mehr. ER muss schon wieder zu sehr ein Mächtiger sein.“ „Oh, dann habe ich was Stärkeres!“, rief Maron aus und stürmte mit gezogenem Phaser an allen vorbei. Er stellte seine Waffe auf die stärkste Betäubungsstufe und betete, bevor er feuerte: „Mutter Schicksal, bitte lass noch genug von seinem Nervensystem genesianisch sein!“ Dann zielte er und drückte ab. Bewusstlos fiel Clytus vor dem erleichterten Demetaner hin, der seine Waffe sinken ließ. „Ihr erster Offizier hat ’n ziemlich lockeren Schussfinger.“, stellte Scotty flapsig in Zirells Richtung gewandt fest. „Die Art der Narkose muss ich mir merken.“, grinste Loridana. „Das hätte auch schiefgehen können.“, ermahnte Ishan alle. „In seiner momentanen Situation ist völlig unklar, wie sein Körper reagiert. Ich werde ihn mit auf die Krankenstation nehmen. Dort kann ich ihn auch besser überwachen.“ „IDUSA wird nicht beamen können, weil sein Körper im zellaren Fluss ist.“, stellte Jenna fest. „Sie kann ihn so nicht erfassen.“ „Dann machen wir das anders.“, sagte Maron, ein Spruch, den alle sonst nur von Shimar kannten, der in seinem Tun sehr flexibel war. Wenn man so nicht weiter kam, dann meistens anders. Er winkte Joran, der Clytus auf seine Schultern nahm. Dann folgten sie Ishan und Nidell auf die Krankenstation.

Kapitel 58 - Vom Suchen und Finden

von Visitor

 

Der Morgen war über dem Lager angebrochen, das sich Shimar aufgebaut hatte. Beim ersten Sonnenstrahl war er aufgestanden und hatte mit dem Training für seinen Körper und seinen Geist begonnen. Dabei hatte er das Gefühl, dass sein Geist seinem Körper trotz Medizin einiges im Voraus war. Er hatte sich bereits sehr früh kleine mentale Kunststücke mit Kieselsteinen zugetraut, aber erst gestern hatte er einen ganzen Spaziergang um das Lager geschafft. Aber am weitesten war sein Unterbewusstsein gewesen, hatte er festgestellt, da er unsere gemeinsamen Träume sehr gut kontrollieren konnte. Die Scans mit dem eigenen Erfasser hatten ihm gesagt, dass sein Gehirn wohl nicht dauerhaft geschädigt sein würde. Nur vor den eigenen Kochkünsten graute es ihm jeden Morgen aufs Neue. Zwar hatte er sich aus Feldsteinen eine Art Herd gebaut, in den er seinen Phaser steckte, um die Steine damit zu erhitzen, aber die Zusammensetzung der gesammelten und erjagten Lebensmittel machte ihm immer noch Schwierigkeiten. Aber, der Hunger trieb es rein. Shimar fragte sich, ob sich dieser Umstand noch einmal ändern würde. Auch eine Art Diary hatte er sich angelegt. Allerdings blies der Wind in der Nacht seine Einträge sofort weg, da er sie mit einem Stein in den Sand malte. Aber das war auch ganz gut so. Der Wind und die Nacht waren also im Grunde seine Verbündeten, denn was er am anderen Morgen nicht mehr lesen konnte, war definitiv Vergangenheit und somit auch kein Ballast mehr, den er mit sich in seiner Seele herumschleppen würde. Er konnte sich jetzt ganz darauf konzentrieren, nach vorn zu sehen.

Kipana trug mich hinter dem Signal meines Erfassers her. Ich hatte das Gerät so eingestellt, dass es mir mittels eines sich in der Geschwindigkeit verändernden Signals anzeigte, ob ich mich Shimar näherte oder nicht. Zwar hatte ich ihn auf durchschnittliche tindaranische Lebenszeichen einstellen müssen, weil es technisch keine andere Möglichkeit gab, aber Shimar würde ja der einzige Tindaraner sein, den ich finden würde. Mehr waren meines Wissens nicht in dieser Dimension. Wir folgten also im Schritt dem Signal, das ich über meinen Ohrhörer wahrnahm. Da es schneller wurde, wusste ich bald, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Ich hatte den Erfasser außerdem programmiert, mir bei 10 m Annäherung eine verbale Warnung zukommen zu lassen, die ich auch bald zu hören bekam. Vorsichtig nahm ich die Zügel auf und Kipana hielt an. Ich klopfte sie und stieg dann ab. Die Zügel verknotete ich mit dem Riemen am Sattel, den Argus für alle Fälle dort befestigt hatte. Er erleichterte mir das Aufsteigen, da ich meine Hände in ihm gut verankern konnte. Das war wohl für Kipana und mich das Beste. Aber auch jetzt war der Riemen praktisch, weil ich mit seiner Hilfe verhinderte, dass Kipana, wenn sie den Kopf senken sollte, die Zügel über die Ohren rutschen könnten. So konnten sie auch für sie nicht zur Stolperfalle werden.

Ich führte Kipana zu einem nahen Baum und sagte fest: „Warte!“ Als ausgebildetes Schlachtross kannte sie dieses Kommando gut. Deshalb blieb sie stehen und senkte entspannt den Kopf. Ich streichelte sie und drehte mich dann in Richtung des Erfassersignals. Die Intervalle zwischen den Pieptönen waren jetzt kaum noch wahrzunehmen, was mich schließen ließ, dass ich Shimar schon sehr nah sein musste. „Bist du hier, Srinadar?“, fragte ich auf Tindaranisch.

Das Nächste, was ich bemerkte, war eine Hand, die mich zog und dann einen nassen Kuss. „Aber sicher doch.“, sagte eine bekannte Stimme. „Oder glaubst du deinem Erfasser etwa nicht, Kleines?“ „Oh, doch.“, sagte ich überglücklich.

Er drehte sich fort und setzte sich. „OH, das war wohl schon etwas zu viel.“, stöhnte er. „Geht es dir schlecht?“, fragte ich. „Das kann man wohl sagen.“, sagte er. „Wie sonst sollte man sich wohl fühlen, wenn man vermutlich einen Wirbel beim Transport gestreift hat.“ „Du hast dich durch die Wirbel gebeamt?!“, fragte ich entsetzt. „Ich hatte keine Wahl, Kleines.“, sagte er. „Sytania hat … Ach, hätte ich doch nur IDUSA gehabt. Dann hätte ich es ihr gezeigt. Weißt du vielleicht, wo sie ist? Ich meine, Zirell hätte …“ „Sie ist eingesperrt in einen Kometen.“, klärte ich ihn auf. „Kissara und ich haben sie gesehen und sie zunächst mit Lycira in Sicherheit gebracht. Aber wir konnten sie nicht befreien. Der Komet absorbiert Waffenenergie und zwischen der Hülle und ihrer Hülle ist quasi kein Platz.“ „Den Rest kann ich mir denken.“, sagte Shimar und versuchte, auf die Beine zu kommen. „Lass das!“, kommandierte ich und zog ihn wieder hinunter. „Du bist total unkoordiniert und wir würden es so nie zu Logar schaffen. Aber vielleicht kriegen wir dich auf die Dickmaus.“

Kaum hatte ich ausgesprochen, da hörte ich das vorsichtige Setzen von Hufen hinter mir. Kipana musste sich aus irgendeinem Grund entschlossen haben, den Platz, den ich ihr zugewiesen hatte, zu verlassen und zu mir zu kommen. Wahrscheinlich hatte sie das Gefühl, gebraucht zu werden. Ihr sensibles Gehör konnte ihr aber auch verraten haben, dass soeben ihr Spitzname gefallen war.

Sie ging mit gesenktem Kopf auf Shimar zu. An ihrer intensiven Atmung bemerkte ich bald, dass sie an ihm schnupperte. Dann stellte sie die Hufe gespreizt hin und machte mit dem gesamten Körper eine leichte Abwärtsbewegung. Ich wusste, dass zu ihrer Ausbildung auch gehört hatte, sich abzulegen, damit man einen kranken Soldaten auf ihren Rücken befördern konnte. Allerdings trug sie dann ein Geschirr, auf dem man diesen festschnallen konnte. Aber dass sie dies auch mit dem Geruch nach verletztem Tindaraner verband, erstaunte mich dann doch. „Feine Dickmaus!“, bestärkte ich sie in ihrer Handlung, was dazu führte, dass sie sich ganz ablegte. Dann wandte ich mich an Shimar: „Dreh dich zum Sattel und versuche, dein Bein drüber zu legen. Dann fasst du in den Riemen am Sattelhorn und ziehst dich rüber, was das Zeug hält. Ich helfe dir.“ „Denkst du, dass sie mit meinem Gewicht noch aufstehen kann?“, fragte Shimar sorgenvoll. „Da lacht die drüber, du halbe Portion!“, zischte ich. „Die trägt sonst Ritter, die mit Rüstung mehr wiegen als wir beide zusammen und jetzt vorwärts!“ „Aye-Aye, Ma’am.“, scherzte er und machte sich daran. Ich löste die Zügel vom Riemen, denn sonst hätten sie Kipana arg im Maul gerissen, wenn sich Shimar hochgezogen hätte. „Zieh, zieh, zieh, zieh!“, motivierte ich ihn, während ich von hinten nachschob. „Gib alles!“ „Stopp!“, sagte Shimar schließlich. „Sonst hast du mich gleich drüber geschoben.“ Das war ein sicheres Zeichen, dass es geklappt hatte. „So weit, so gut.“, sagte ich erleichtert. „Und jetzt halt dich fest. Sie wird zuerst vorn aufstehen. Konzentriere dich darauf, sie immer dort zu entlasten, wo sie das tut. Aber pass auf, wie weit du dein Gewicht verlagerst. Sonst müssen wir wieder von vorn anfangen.“ „OK.“, sagte Shimar und atmete tief durch.

Ich ging vor zu Kipanas Kopf, machte mich vor ihr groß und streckte meinen rechten Arm horizontal aus. Dann sagte ich: „Auf, Kipana!“ und hob die Hand. Sie folgte vorsichtig meinem Kommando. „Was sagt man dazu.“, sagte Shimar. „Ich sitze immer noch hier oben. Aber du solltest auch nicht laufen müssen. Sonst sind wir viel zu langsam.“

Sein Tonfall hatte sich geändert. Ein Umstand, der mir sagte, dass er sich auf etwas zu konzentrieren schien. Außerdem war er hinter den Sattel gerutscht, in dem ich mich nach einer Schwebeeinlage wieder fand. „Das war unfair.“, protestierte ich lachend. „Das wollte ich auch nicht. Wieso …“ „Ein Teil von dir muss es gewollt haben.“, sagte er und schlang seine Arme um mich, um dann zu grinsen: „Ich wäre dann so weit.“ Ich wusste, dass es sinnlos war zu widersprechen. Dazu wusste ich viel zu genau, dass er Recht hatte. Ich steckte also meine Füße in die Steigbügel, entknotete die Zügel und nahm sie in die Hände. Dann schnalzte ich Kipana zu: „Na komm!“, worauf sie sich gleich in Schritt setzte.

Verärgert saß Sytania mit Telzan vor dem Kontaktkelch. „Ich hatte Euch gewarnt, Gebieterin.“, sagte der Vendar. „Ja, das hast du.“, gab die Prinzessin zu. „Warum muss ich nur so eitel sein und warum müssen diese Offiziere das so genau wissen. Vor allem dieses Tindaranerliebchen! Das war garantiert ihre Idee!“ „Mit Verlaub, Herrin.“, begann Telzan. „Sie ist eine Frau wie Ihr, aber lange nicht so eitel. Aber sie kann sich denken, wie eitle Frauen sich verhalten. Sie weiß, dass Ihr es nicht ertragt, wenn …“ „Ich weiß, ich weiß!“, empörte sich Sytania. „Aber wir haben jetzt ein viel dringenderes Problem. Shimar und Betsy dürfen nie den Ort erreichen, an dem die Quellenwesen ihnen die Prüfung abnehmen werden. Sonst ist alles aus! Ich habe in die Zukunft gesehen.“ „Dann erlaubt mir und meinen Leuten bitte, dieses Problem für Euch zu lösen, Milady.“, schlug der Vendar vor. „Shimar wird mit einer mentalen Einmischung Eurerseits rechnen, aber mit dem, was ich vorhabe, mit dem nicht. Ihr dürft uns gern zusehen. Ich erbitte von Eurem Stallburschen nur 10 Rösser für mich und neun meiner Männer. Mehr verlange ich nicht.“ „Die Bitte sei dir gewährt.“, sagte Sytania und schickte nach dem Burschen.

Clytus hatte auf der Krankenstation der Basis 281 Alpha die Augen aufgeschlagen. Die erste, die er sah, war Nidell, die den Rest seiner Verwandlung am Monitor überwacht hatte und ihn jetzt von den medizinischen Geräten abkoppelte. „Wo bin ich?“, fragte der Junge. „Du befindest dich auf der Krankenstation der Basis 281 Alpha.“, sagte Nidell vollständig, denn sie ging wohl davon aus, dass die Verwandlung Clytus’ Gedächtnis etwas zugesetzt hatte.

„Möchtest du einen Spiegel?“, fragte die medizinische Assistentin fürsorglich und hielt ihm den genannten Gegenstand vor. Clytus war erleichtert, wieder sein eigenes Gesicht im Spiegel zu sehen. „Du bist Nidell.“, stellte er fest. „Ja.“, bestätigte die junge zierlich gebaute Tindaranerin. „Erinnerst du dich an noch mehr?“ Clytus nickte. „Ich erinnere mich an alles. Ihr müsst keine Angst haben, dass …“

Ihn und die junge Telepathin, die ihre Fühler auch aus Gründen der gesundheitlichen Überwachung nach seinem Geist ausgestreckt hatte, überkam ein Gefühl, als würde eine Welle der Energie durch sie strömen. „Oh, Nidell!“, rief Clytus aus. „Ich glaube, meine Kräfte sind auch wieder da. Vielleicht können wir …“ „Langsam.“, bremste Nidell beschwörend seinen Tatendrang. „Du bist ja noch nicht mal ganz gesund. Ich bin sicher, dass du durch die Verwandlung noch sehr geschwächt bist. Du solltest dich ausruhen. Die Lösung für die Zeitlinie hat sicher noch Zeit.“ „Nein, wir haben keine Zeit!“, rief Clytus. „Ich kann Shimar und Betsy sehen! Sytania wird … Oh, Gott!“

Er fiel nach hinten und wurde blass. Nidell erkannte, dass sein Kreislauf mit der Situation wohl immer noch nicht ganz zurechtkam. Sofort winkte sie Ishan. Der Androide kam herüber und schaute seinen Patienten kurz an, bevor er sagte: „OK, Nidell. Wir geben ihm 10 ml Kreislaufstimulanz. Er mag zwar ein Mächtiger sein, aber das bedeutet nur, dass ihm unsere Waffen nichts anhaben können. Wenn er sich bezüglich seiner Kräfte überfordert, kann das auch ins Auge gehen und er ist ja erst seit einigen Minuten wieder er selbst.“ „Schon verstanden.“, sagte Nidell und zog das Medikament auf, um es Clytus zu injizieren.

Lycira hatte mit Kissara an Bord gerade die interdimensionale Schicht verlassen. Denkst du, dass Betsy Shimar wirklich finden wird, Kissara?, fragte Lycira. Ich denke schon., gab Kissara auf gleichem Wege zurück, nachdem sie ihre Hände in die Mulden gelegt hatte. Wenn Shimar nicht mehr leben würde, dann hätte sie es sicher mitbekommen und es uns bestimmt gesagt. Wie könnte so eine Prüfung aussehen, Kissara?, wollte das Schiff wissen. Das weiß ich nicht., erwiderte Kissara. Aber Betsy weiß es. Sie war einmal auf der Electronica stationiert, als Time und seine Leute eine solche Prüfung ablegen mussten. Sie wird es sicher erkennen. Aber ich habe mir sagen lassen, dass die Quellenwesen nie offensichtlich zeigen, wann eine Prüfung eine Prüfung ist. Das wird die Sache wohl etwas erschweren. Also, wenn ich ein Quellenwesen wäre., erwiderte Lycira. Dann würde ich auch nicht offensichtlich machen, dass ich jemandem, besonders einem in Anpassung an andere Kulturen und Diplomatie geschulten Sternenflottenoffizier, gerade im Begriff bin, eine Prüfung abzunehmen. Warum nicht?, fragte Kissara. Weil ihr mir garantiert dann ein Theater vorspielen würdet.

Kissara musste schlucken. Im Prinzip hatte dieses Raumschiff gerade die Wahrheit gesagt. Natürlich würden sich Sternenflottenoffiziere alle Mühe geben, die Prüfung, wenn sie wüssten, es wäre eine, in der Art zu bestehen, wie sie dachten, dass die Quellenwesen es hören wollten. Bitte entschuldige, Kissara., meinte Lycira. Aber du wolltest meine ehrliche Meinung. Das ist richtig., bestätigte die thundarianische Kommandantin. Aber wenn wir überrascht werden, dann zeigt sich viel eher unsere wahre Natur. Du meintest es ja sicher auch nicht vorwurfsvoll.

Joran und IDUSA hatten den erneuten Anflug meines Schiffes auf die Station bemerkt und meldeten es Zirell. „Sind beide an Bord, Joran?“, erkundigte sich die Tindaranerin, die inzwischen durch Ishan und Nidell auch über die Vorgänge auf der Krankenstation informiert worden war. „IDUSA sieht nur ein Biozeichen, Anführerin.“, meldete Joran. „Es ist thundarianisch.“ „Kannst du mich mit Commander Kissara verbinden?“, fragte Zirell. „In der Tat.“, entgegnete der Vendar und gab IDUSA die entsprechenden Gedankenbefehle, während Zirell ihren Neurokoppler aufsetzte und wartete, bis IDUSA ihre Reaktionstabelle geladen hatte. Dann sah sie Kissaras Bild auf dem virtuellen Schirm vor ihrem geistigen Auge. „Hallo, Zirell.“, sagte mein Commander. „Ich bin zurück. Allrounder Betsy sucht nach Shimar. Wir haben die Quellenwesen dazu gebracht, zu erlauben, dass sie mit ihm gemeinsam eine Prüfung ablegt, die etwas mit der einzig möglichen Lösung zu tun hat. Logar wollte uns helfen, aber die Quellenwesen hätten es nicht erlaubt, wenn ich nicht diesen Vorschlag gemacht hätte. Ach, ich docke besser erst mal und dann treffen wir uns in deinem Raum und bereden alles. Wie geht es übrigens Clytus?“ „Uff!“, stöhnte Zirell. „Nicht alles auf einmal, Kissara. Aber ich kann dir schon mal verraten, dass du bezüglich Clytus ganz schön was verpasst hast. Aber wie du schon selbst sagtest, das regeln wir später. Joran wird dich gleich einweisen. Ich werde dich erwarten und freue mich schon!“ „OK.“, sagte Kissara und beendete die Verbindung. Joran, der das Gespräch mitbekommen hatte, instruierte IDUSA entsprechend bezüglich der Positionslichter.

Shimar und ich waren jetzt schon seit einigen Stunden unterwegs. Ich war froh, dass die Wirkung des Giftes, das uns Maron mitgegeben hatte, offensichtlich längst nachgelassen hatte, denn sonst hätte mich Shimar ja nicht telekinetisch in den Sattel befördern können. Aber ich hatte ja schließlich mehr als fünf Stunden gebraucht, um ihn zu finden. Jetzt lag sein Kopf auf meiner Schulter und ich sang leise vor mich hin, was Kipana und uns gleichermaßen zu entspannen schien. Aber bei Shimar musste es auch noch eine andere Wirkung haben, denn plötzlich richtete er sich auf und sagte: „Halt sie bitte an, Kleines.“ Alarmiert nahm ich die Zügel auf und sagte an Kipana gewandt: „Steh, Dicke!“ Sie stoppte weich. „Was hast du?!“, fragte ich in Schimars Richtung. „Ist etwas nicht in Ordnung?“ „Im Gegenteil.“, lächelte er, der einige Male seinen Kopf gedreht hatte. „Ich sehe wieder klar und mein Schwindel ist auch weg. Oh, Kleines, deine Frequenzen.“ Ich wusste genau, was er meinte. Auf diese Weise hatten wir ihn schon mal geheilt. „Und ich dachte schon!“, atmete ich auf und löste mich aus meiner leicht verkrampften Haltung, die ich aus Schreck angenommen hatte. Dann schnalzte ich Kipana zu, die sich wieder in Bewegung setzte.

Telzan und seine Leute hatten sich hinter einigen Bäumen in einem nahen Wald versteckt. Sie wussten genau, dass wir diesen durchqueren mussten, um zu Logars Schloss zu kommen. „Durch diese hohle Gasse werden sie kommen.“, flüsterte der Anführer über sein Sprechgerät seinen Leuten zu. „Es führt kein anderer Weg zu Logar.“

Wir ahnten von dem Hinterhalt nichts. „Sag mal.“, sagte Shimar. „Du hast doch so eine Prüfung schon mal mitgemacht. Wie sieht sie aus?“ „Kann ich nicht sagen.“, antwortete ich. „Ich weiß nur, dass die Quellenwesen sie je nach Situation anders stricken. Aber …“

Kipana wurde plötzlich unruhig und fragte durch eine entsprechende Bewegung an, ob sie galoppieren durfte. Ich kannte dieses Verhalten nur von ihr, wenn etwas nicht stimmte. Deshalb vertraute ich ihr und ließ die Zügel locker, was sie korrekt als ein Ja interpretierte. „Zieh dich an mich heran.“, flüsterte ich Shimar zu. „Halt dich fest und versuche, ihren Bewegungen mit mir zusammen zu folgen.“ Inzwischen hatte ich auch mitbekommen, dass wir verfolgt wurden. Aber sie waren nicht nur hinter uns, sie waren quasi überall. „Wir sind eingekesselt, Kleines!“, gab mir Shimar zu verstehen, der sich umgesehen hatte. „Also gut.“, sagte ich. „Planänderung! Auf der Flucht verunfallt! Pass auf! Wenn ich es sage, lässt du mich los und lässt dich fallen. Roll dich ab, aber verrate mir vorher, ob es in diesem Wald viele Boden brütende Vögel und Kaninchenbauten gibt.“ „Ja.“, sagte Shimar. „Die gibt es. Aber was soll uns das nützen?“ „Vertrau mir einfach, OK?“, sagte ich etwas unwirsch, denn ich wollte auf keinen Fall zu viel von unserem Plan verraten. Die Vendar hätten ja alles mithören können, so nah, wie sie waren. Ich bezweifelte, dass die Geräusche der klirrenden Rüstungen und donnernden Hufe unsere Unterhaltung lange verschleiern würden.

Er ließ mich plötzlich los, ein Zeichen, dass er wohl mit dem Plan einverstanden war. Darauf beugte ich mich zu Kipanas rechtem Ohr vor und flüsterte: „Häschen, hüpf!“ Dann warf ich die Zügel unordentlich über ihren Hals. Es sollte ja aussehen, als hätte sie sich vor einem auffliegenden Vogel oder einem aufspringenden Kaninchen erschrocken und uns abgeworfen. Ich wusste, nach unserem Sturz würde sie heim laufen. Jetzt aber vollführte sie Bocksprünge, von denen wir uns abschütteln ließen und uns nach dem Abfangen ins Gras duckten und uns tot stellten.

„Sie sind weg, Kleines.“, flüsterte mir Shimar nach einer Weile zu. „Und, kannst du mir vielleicht mal verraten, was das war?“ „Ich habe Kipana mit Argus zusammen ein deutsches Kommando beigebracht.“, sagte ich. „Die Vendar verstehen das nicht. Sie werden glauben, sie hätte sich erschrocken. Nur Argus und Iranach werden es richtig interpretieren können. Sie wissen, dass Kipana eigentlich keine Angst vor Kaninchen oder Vögeln hat.“ „Wow!“, machte Shimar, stand auf und wischte sich den Dreck von der Uniform, wonach er auch mir dabei half. „Stell dir mal vor, diese Uhurah hätte irgendeinem Wesen was auf Suaheli beigebracht. Die hätten ihre Feinde sicher so auch prima verarschen können.“ Ich grinste.

Er nahm meine Hand und führte mich einige Schritte geradeaus. „Dort vorn ist eine Lichtung.“, begründete er. „Dort werden wir erst einmal bleiben. Es wird dunkel und du bist sicher auch müde. Wenn die Vendar ihrer Herrin ausgerichtet haben, dass wir einen Unfall hatten, wird Sytania uns nicht mehr weiter verfolgen, weil es ihr bequem ist. Außerdem sehe selbst ich die Hand vor Augen nicht im Dunkeln.“ „OK.“, gähnte ich, denn ich spürte jetzt auch, dass ich sehr müde war.

Telzan war zurückgekehrt. Sytania hatte ihn bereits im Schlosshof erwartet. „Nun?“, fragte sie den über beide Ohren grinsenden Vendar. „Sie sind nicht mehr am Leben.“, sagte Telzan. „Ihr Ross hat sie abgeworfen aus vollem Galopp und sie werden sich das Genick gebrochen haben. Stellt Euch das vor. Die ach so unerschrockene Kipana, das Lieblingsross Eures Vaters, hat sich vor einem auffliegenden Vogel erschrocken!“ Sytania glaubte ihm. Natürlich hätte sie mit Hilfe ihrer seherischen Fähigkeiten nachsehen können, aber sie gefiel sich selbst dazu viel zu sehr in der Rolle der Siegerin. Nachzusehen empfand sie daher eher als lästig. Dass sie das aber besser getan hätte, stand auf einem anderen Blatt.

Zirell hatte auch Nidell mit Clytus zu sich in ihren Bereitschaftsraum geholt. Ishan hatte sein OK gegeben, denn unter medizinischer Aufsicht war es durchaus zu vertreten, den Jungen aufstehen zu lassen. „Was Kissara wohl sagen wird.“, sagte Clytus neugierig. „Das werden wir gleich sehen.“, sagte Zirell, die bereits Kissaras Anwesenheit erspürt und IDUSA den Befehl zum Öffnen der Tür gegeben hatte.

„Clytus!“, staunte Kissara, als sie ihm ansichtig wurde. „Du bist ja wieder gesund.“ „Wie man’s nimmt.“, antwortete Zirell. „Er ist noch nicht ganz wieder auf dem Damm. Ich wollte dir nur zeigen, wie weit er geheilt ist.“ „Ich kann euch über alles informieren!“, rief Clytus eifrig. „Das ist ja sehr gut.“, sagte Kissara. „Aber mehr solltest du fürs erste auch nicht tun, junger Mann. Sonst erleidest du noch einen Rückfall. OK?“ „OK, Commander.“, sagte Clytus. „Dann nehme ich ihn jetzt erst mal wieder mit.“, sagte Nidell und nahm ihren Patienten bei der Hand, um mit ihm den Raum zu verlassen.

„Anscheinend hat der Plan geklappt, Sytania bei ihrer Eitelkeit zu packen.“, stellte Kissara fest. „Aber du musst mir genau erzählen, wie es dazu gekommen ist.“ „Oh, sicher.“, sagte Zirell und lehnte sich auf ihrem Sitzkissen zurück.

Argus hatte die völlig verschwitzte Kipana am Tor abgeholt. Zur gleichen Zeit hatten auch Iranachs Spione in den Reihen von Sytanias Vendar ihrer Anführerin gemeldet, was angeblich geschehen war. Iranach hatte es Logar weitergemeldet. „Ungeheuerlich!“, sagte der König. „So ein Unglück. Dabei hätte ich nie gedacht, dass Kipana …“ „Das ist sicher genau das, was wir alle denken sollen, Gebieter.“, sagte Iranach, die Argus und mich des Öfteren mit Kipana beobachtet hatte. Immer, wenn ich es einrichten konnte, ins Dunkle Imperium zu kommen, hatten wir Trainingsstunden eingelegt. „Und das werde ich Euch jetzt beweisen, wenn Ihr schon nicht mittels Eurer Fähigkeiten den Beweis selbst antreten wollt! Argus, wenn du es aussprechen kannst, dann sag es!“

„Häschen, hüpf!“, rief Argus Kipana zu, die sogleich mit Bocksprüngen begann, die selbst den besten Reiter aus dem Sattel gehoben hätten. „Wie klug!“, lächelte Logar. „Meine Tochter wird sicher darauf hereinfallen. Sie ist zu bequem, um nachzusehen. Ich aber nicht, Iranach. Du hast mich überzeugt!“ Damit begann er, sich auf Shimar und mich zu konzentrieren. „Ja, sie leben.“, bestätigte er. „Und sie werden die Prüfung bald ablegen können. Meine Tochter wird ganz schön überrascht sein.“ „In der Tat.“, lachte Iranach und folgte ihrem König ins Schloss. Argus kümmerte sich um Kipana, die er durch ein einfaches: „Ruhig, steh.“, wieder zum Halten gebracht hatte.

Kapitel 59 - Rettungmanöver

von Visitor

 

Shimar war zuerst erwacht. Er sah, dass wir uns in einer Art Scheune befinden mussten, denn rechts und links von uns waren Heuballen und unter uns war alles voll Stroh. Außerdem roch es nach Bauernhof. Das Nächste, dem er ansichtig wurde, waren die Nasen von zwei großen zotteligen Hunden, die sich über uns beugten und unsere Gesichter abzulecken versuchten. „Na, meine Süßen.“, flüsterte er den Hunden zu. „Ihr solltet wohl auf uns aufpassen, was?“

Einer der Hunde, ein älterer schwarzer stämmig gebauter Rüde mit bereits grauem Bart, setzte sich genau vor ihm hin und schaute ihn freundlich an. Die weitaus jüngere Hündin, ein schlankes großes Tier mit weißem Fell und ebenfalls freundlichem Wesen, tapste zu mir und leckte mich wach. „Hi, Maus.“, sagte ich verschlafen. Dann wandte ich mich an Shimar: „Wo sind wir?“ „Ich weiß es nicht, Kleines.“, gab er zu. „Aber ich glaube, wir sind auf einem Bauernhof.“ „So weit war ich auch schon.“, erwiderte ich, nachdem ich eine Nase voll frischer Landluft genommen hatte. „Aber wie kommen wir hier her?“

Er setzte sich auf. „Lass es uns herausfinden!“, schlug er vor. „Wo ein Bauernhof ist, der offensichtlich noch bewirtschaftet wird, gibt es bestimmt auch einen Bauern. Wenn wir den und seine Familie finden, dann erfahren wir bestimmt mehr. Ich bin sicher, der hat was damit zu tun. Wir werden ja nicht von allein hierher geflogen sein.“ „Wo du gerade vom Fliegen redest.“, erwiderte ich. „Wir müssen unbedingt IDUSA befreien.“ „Das habe ich schon versucht.“, sagte er resignierend. „Aber du weißt ja, dass ich meine Fähigkeiten nicht interdimensional nutzen kann.“

Ich stand auf und sagte mit Überzeugung: „Benutz mich!“ „Kleines!“, entgegnete er peinlich berührt. „Nicht was du jetzt denkst.“, korrigierte ich. „Ich meinte, du sollst den Gedankenbefehl durch mein Gehirn leiten. Es ist mit Savarid-Strahlung infiziert und …“ „Aber sicher.“, sagte er. „Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Aber du wirst eine Menge aushalten müssen.“ „Das geht schon.“, versicherte ich. „Hauptsache dein Schiff kommt frei!“

Dass wir nicht nur von den Hunden belauscht worden waren, wurde uns plötzlich klar, als hinter einem Heuballen drei Gestalten hervorhuschten. Es handelte sich um einen Mann von ca. 1,80 m Größe mit roten Haaren und einer von harter Arbeit an der frischen Luft gegerbten rotbraunen Haut. Sein Körper war sehr muskulös. Außerdem eine Frau mit schwarzen langen Haaren von ca. 1,60 m Größe, die sehr schlank war. Begleitet wurden die Beiden von einem etwa 8-jährigen Mädchen mit rotbraunen Zöpfen. „Na, wie ich sehen kann, seid ihr wach.“, stellte der Mann fest und rief: „Lina, Vasco!“ Dann pfiff er, worauf die beiden Hunde sofort in seine Richtung wetzten. Er strich beiden über den Kopf und sagte: „Sitz und bleib!“ Bereitwillig folgten sie seiner Aufforderung in der Ecke der Scheune, in die er sie dirigiert hatte.

Er kam wieder zu uns und seiner Familie herüber. „Na, sieh an, sieh an.“, sagte er. „Dass ihr zwei keine Imperianer seid, wussten wir, seid dem Moment, als wir euch gefunden hatten. Aber jetzt wissen wir auch, dass ihr aus Astra jenseits der Wirbel kommt. Ach übrigens, ich bin Isenhard, das ist meine Frau Hulda und das unser Töchterchen Dietlinde.“ „Angenehm.“, sagte Shimar. „Ich heiße Shimar und das ist Betsy. Wir kommen tatsächlich …“

Weiter kam er nicht, denn das helle Stimmchen der Kleinen quietschte dazwischen: „Wer is’ IDUSA und was für ’n Schiff? Bist du Fischer, Shimar?“

Mein Freund setzte einen hilflosen Blick auf und nahm telepathischen Kontakt zu mir auf: Hilf mir, Sternenflottenoffizierin! Nanu., gab ich über unsere Verbindung zurück. Wir werden auf solche Situationen mit Seminaren vorbereitet. Macht ihr das beim tindaranischen Militär nicht? Eigentlich ja., gab Shimar zu. Aber ich war ein böser Junge und habe mich immer um diese Kurse gedrückt, weil ich dachte, ich käme nie in so eine Situation, jemandem aus einer primitiven Kultur … Tja., machte ich. Die Rache ist mein, spricht das Schicksal. Aber, Srinadar, weil ich dich so liebe, werde ich dir aus der Patsche helfen. Bitte tu das., erwiderte er. Ich will auch alles nachholen! Ich will sogar zur Abendschule gehen, wenn du … OK, OK., lächelte ich und sagte: „Weißt du, Dietlinde, wir in Astra haben Schiffe, die auf Kissen aus Licht über den Sternenhimmel fahren wie Boote über den Fluss und IDUSA ist ein dienstbarer Geist, der Shimar hilft, das Schiff zu lenken. Aber jetzt ist IDUSA mit dem Schiff von Sytanias Schergen in einen Stern gesperrt worden, aus dem sie nicht mehr herauskommt. Shimar und ich wollen sie befreien.“ „Arme IDUSA.“, schluchzte Dietlinde. „Sie hat sicher Angst so allein in dem Stern. Kann ich euch helfen, sie zu befreien? Bitte, bitte, bitte.“

Jetzt musste auch ich schlucken, zumal Hulda und Isenhard jetzt auch entsprechende Andeutungen machten. „Wir würden gern alles tun, um Sytania nicht mit ihrem Plan durchkommen zu lassen.“, sagte Hulda und Isenhard pflichtete bei: „Wie Recht du hast, Frau! Die alte Hexe muss in ihre Schranken gewiesen werden!“

Shimar zog mich in eine andere Ecke der Scheune. „Hör mal.“, flüsterte er. „Ich weiß, dass wir die Energie der drei gut gebrauchen könnten. Wenn sie liebevoll an IDUSA denken, könnte ich sie abzapfen und benutzen. Aber die Kleine, sie weiß doch noch gar nicht, was sie tut. Wenn sie Angst kriegt …“ „Wir könnten sie zwischen ihre Mutter und mich setzen.“, schlug ich vor. „Falls sie Angst bekommt, kann sie ihre Hände aus dem Kreis lösen und Hulda und ich stecken unsere zusammen. So wäre der Kreis nicht lang genug unterbrochen, dass du abbrechen müsstest. Ich denke, dass Hulda und ich eher merken, wenn mit ihr was nicht stimmt als Isenhard oder du, zumal du dich ja auf ganz andere Dinge konzentrieren musst.“ „Na gut.“, sagte Shimar und wendete sich an Isenhard: „Wir werden es versuchen!“ „Also dann.“, erwiderte der Bauer und drehte sich Richtung Scheunentor. „Wir sollten dazu aber ins Haus gehen. Dort in unserer Küche ist Platz genug und wir haben genug Sitzmöbel. Dass in Astra einige Wesen leben, die ähnliche Fähigkeiten wie unsere Mächtigen haben, ist für mich nicht neu. Sie sind bei euch zwar etwas schwächer, aber immer hin.“ Shimar staunte. Diese Bauern schienen doch intelligenter zu sein, als er zunächst vermutet hatte.

Auf Shimars Anraten hin hatte Isenhard die Hunde in den Hof geschickt. Tiere waren dafür bekannt, Telepathie zu spüren und er vermutete, es könnte sie überfordern, was wir tun würden. In der Bauernküche setzten wir uns also im Kreis in der von mir vorgeschlagenen Sitzordnung auf einige Stühle. Dann beschrieb Shimar allen das Aussehen des Schiffsavatars. „Ihr müsst ja ein Bild im Kopf haben.“, sagte er. „Und jetzt nehmen wir uns alle an den Händen und dann denkt bitte ganz lieb an IDUSA, so als wäre sie euer liebstes Wesen. Den Rest mache ich. Dietlinde-Maus, Falls du Angst hast, ziehst du einfach deine Hände aus denen von Betsy und deiner Mama und dann fassen sich die Beiden an.“ Alle nickten und taten, worum Shimar sie gebeten hatte. Dann zählte er bis drei und wir alle begannen, uns mit positiven Gedanken auf IDUSA zu konzentrieren. Alsbald durchzog uns alle ein merkwürdiger sich immer weiter verstärkender Strom von Energie. „Es kribbelt so.“, sagte Hulda. „Ist das richtig, Shimar?“ „Oh, ja, das ist es!“, entgegnete Shimar zuversichtlich. „Ihr macht das toll! Wenn ich sage, stellt ihr euch alle eine steinerne Kugel vor, die wie ein Ballon zerplatzt.“ „Ist alles in Ordnung, Süße?!“, flüsterte ich Dietlinde zu, die meine Hand fest umklammert hielt. „Aber ja, Betsy!“, erwiderte sie lächelnd. „Das macht Spaß! Außerdem will ich der armen IDUSA ja helfen!“ „Das ist mein Mädchen!“, sagte Isenhard stolz. Dann wendete er sich an Shimar: „Es ist sicher gleich so weit.“ „Du hast Recht.“, entgegnete dieser. „Du bist ein Naturtalent!“ Dann verstärkte er die eigene Konzentration noch einmal und sagte: „Und jetzt!“

Wir alle stellten uns die platzende Steinkugel vor. Im gleichen Moment durchzuckte uns ein weißer Blitz und das Kribbeln nahm nie gekannte Ausmaße an, bevor es schlagartig abebbte. „Das war toll!“, quietschte Dietlinde und sprang auf. „Das will ich gleich noch mal machen! Es hat so schön gekitzelt!“ „Ich fürchte, das schaffe ich nicht.“, sagte Shimar und gab den Erschöpften. „Aber morgen.“, sagte das Kind. „Morgen schaffst du das doch bestimmt.“ Sie sah ihn mit einem bettelnden Blick an. Dabei fiel ihr Blick auch auf seine Tasche, aus der ein leises Geräusch drang. „Bei dir piept’s!“, quietschte sie. „Was?“, fragte Shimar. „Dein Sprechgerät.“, flüsterte ich ihm zu. Ich hatte das Geräusch nämlich auch gehört. „Ich geh’ mal eben raus.“, sagte er, dem inzwischen doch wieder einige Verhaltensregeln im Zusammentreffen mit vergleichsweise primitiven Kulturen eingefallen waren. Dann stand er auf und verließ das Haus. Ich würde ihm irgendwann unter einem Vorwand folgen.

„Ich würde meinen Arsch verwetten, dass es funktioniert hat, Betsy!“, wendete sich Isenhard an mich. Dass in solch mittelalterlichen Kulturen ein derber Ton herrschte, war mir bekannt. „Dann kannst du dich sicher glücklich schätzen.“, sagte ich. „Denn du kannst ihn sicher behalten.“ Dann stand ich auf und sagte: „Ich gehe mal nach ihm sehen.“

Shimar saß mit seinem Sprechgerät und dem Ohrhörer in einem nahen Gebüsch, als ich mich näherte. „Ich danke Ihnen, Shimar.“, berichtete IDUSA ihm. „Ich weiß zwar nicht, wie Sie es angestellt haben, aber ich bin frei. Außerdem bin ich zu Ihnen und dem Allrounder unterwegs. Man weiß ja nie, wozu Sie mich noch brauchen.“ „OK.“, sagte Shimar. „Aber bleib in einer hohen Umlaufbahn, wenn du uns gefunden hast. Lass dir ja nicht einfallen, auf der Kuhweide zu landen!“ „Sie kennen mich doch.“, entgegnete das Schiff und beendete die Verbindung.

„Hat es funktioniert?“, fragte ich. Shimar, der mein Kommen nicht registriert hatte, schrak kurz zusammen. „Oh, ja.“, sagte er. „Das hat es und wie es das hat. IDUSA kommt her, aber sie wird in einer hohen Umlaufbahn bleiben, von der aus sie keiner sieht.“ „Ach, sieh an.“, lachte ich. „Du weißt ja doch noch so einiges. Aber ich bin froh, dass es geklappt hat. Isenhard wollte nämlich seinen Hintern drauf verwetten.“ „Dann kann er sich freuen.“, antwortete Shimar. „Den kann er nämlich behalten. Ohne sitzt es sich ja auch so schlecht.“ Ich grinste und sagte: „Aber ich muss dich in einem berichtigen. Isenhard und Hulda haben anscheinend keine Kühe, sondern Schafe und zwei Ackergäule.“ „Sei nicht so kleinlich.“, sagte Shimar. „Die würden sich schließlich auch erschrecken, wenn IDUSA …“

„Alles in Ordnung bei euch?“, quietschte uns plötzlich eine helle Stimme entgegen. „Ja, Mäuschen.“, sagte ich. „Dann könnt ihr ja zu uns ins Haus kommen.“, sagte Dietlinde. „Mutter und Vater wollen die Befreiung von IDUSA mit euch feiern.“ „Da sagen wir nicht nein.“, sagte Shimar und nahm mich bei der Hand.

Voller Wut hatte Sytania von dem Geschehen um uns Kenntnis genommen. „Wie konnte ich das übersehen?!“, empörte sie sich. „Aber so schnell werde ich mich nicht geschlagen geben. Ich werde Shimar und Betsy etwas demoralisieren und dazu werde ich die Bauern benutzen, denen ich empfindliches Leid zufügen werde. Dann werden Betsy und Shimar nicht mehr bei ihnen bleiben wollen, weil das, was ihnen geschehen wird, nur geschehen ist, weil sie anwesend waren und ich hinter ihnen her bin. Diese Botschaft werde ich sehr deutlich hinterlassen. Als Offiziere von Streitmächten, die niemals Zivilisten gefährden würden, werden sie sofort abfliegen wollen und dann hatte sich das was mit der Prüfung. Auf diese Weise werden sie in den Augen der Quellenwesen versagt haben und es wird keine Lösung geben. Dann bleibt alles wie es ist!“ „Und was wollt Ihr mit den Bauern machen?“, fragte Telzan schadenfroh. „Ich werde sie vernichten.“, antwortete Sytania. „Und zwar auf eine nie da gewesene grausame Art. Shimar und Betsy werden sich wünschen, nie auf ihren Hof gekommen zu sein!“ Sie lachte hexenartig auf.

Shimar und ich hatten uns jetzt schon während mehrerer Tage bei Isenhard und Hulda nützlich gemacht. Von Urlaub auf dem Bauernhof hielten wir beide in der Hinsicht nichts. Wir dachten, dass wir zumindest etwas für Kost und Unterkunft tun könnten. Shimar half Isenhard bei der Feldarbeit und mit den Schafen. Ich half Hulda beim Verarbeiten der Wolle, also beim Stricken und Spinnen. Normalerweise hätte ich jedem etwas über die so genannte klassische Rollenverteilung erzählt, wären wir im Föderationsuniversum gewesen. Aber in dieser Kultur war es halt anders und als Sternenflottenoffizierin musste ich mich daran halten. Schließlich hatte ich meinen Eid auf die Oberste Direktive geschworen. Meine persönliche Meinung musste jetzt eben zurückstehen. Mich hatte nur gewundert, dass Isenhard jeden Abend so gut von Shimars Arbeit auch mit den Pferden sprach. Er hatte ihm nie etwas beibringen müssen. Alles wäre wie von selbst gegangen. Ich konnte das beim besten Willen nicht einordnen, vertraute aber darauf, dass er es mir schon bei Gelegenheit zeigen oder erklären würde.

Während der Handarbeit sang ich vor mich hin, was ich meistens tat. Dabei hatte ich begonnen, ein Lied zu komponieren, dessen Text ich auf die Melodie eines alten deutschen Seemannsliedes gründete. Das Lied sollte davon handeln, wie mutig Isenhard und seine Familie beim Befreien von IDUSA mitgeholfen hatten. Da ich auf Deutsch sang, verstand Hulda mich nicht und fragte daher: „Was singst du da?“ „Ach.“, sagte ich. „Es ist bei Weitem noch nicht fertig. Es geht darum, wie mutig doch einfache Bauern sein können. In den normalen Minneliedern geht es immer um Ritter und Könige, aber hier …“ „Auch, wenn ich es nicht verstehe.“, sagte Hulda und ließ die Stricknadeln auf den Tisch fallen. „Darf ich trotzdem hören, wie weit du bist?“ „Also gut.“, sagte ich, räusperte mich, legte ebenfalls die Nadeln weg und stand auf. Dann ging ich in die Mitte des Raumes und begann: „Einst kamen zwei Fremde von sehr weit her und an einer Bürde da trugen sie schwer. Sie sollten von Mächt’gen geprüfet sein, doch mussten IDUSA auch sie befrei’n. Ihr Schicksal rührte ein’s Bauern Herz. Gemeinsam zu lindern des Geistes Schmerz, so fragten die Bauern kann’s möglich sein, dass wir euch Hilfe lassen angedeih’n. Die Fremden willigten freudig ein, denn dies mussten Bauern mit Traute sein. Isenhard, Hulda und klein Dietlind’, die hatten Traute, die hatten Traute! Isenhard, Hulda und klein Dietlind’, die dann auch erfolgreich gewesen sind.“ „Ich habe kein Wort verstanden, außer unseren Namen.“, gab Hulda zu. „Aber an deiner Mimik habe ich erkannt, dass es wohl um unser gemeinsames Schicksal geht. Du kannst ja auch noch keine zweite Strophe komponieren, weil du noch keinen Inhalt hast. Aber ich kann dir etwas erzählen.“

Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und begann: „Wir sind Leibeigene von Lord Gayetan und seiner Gemahlin, Lady Ramina. Sytania hat beide mit einem Fluch belegt. Sie müssen jede Nacht ein Fest veranstalten, auf das sie nur ein einziges sterbliches Paar einladen. Dann tanzt Gayetan mit der Frau und Ramina mit dem Mann. Am nächsten Morgen sind alle, die bisher an dem Fest teilgenommen haben, zu Kristallen erstarrt. Unsere Lehnsherren bedauern dies sehr. Aber es geht nur, wenn man sich beim Tanzen in die Augen sieht, was ja zwangsläufig passiert.“ „Interessant.“, überlegte ich und dachte bei mir, dass dies eventuell mit der Prüfung zusammenhängen könnte. Gayetan und Ramina waren sicher nur niedere Adelige und konnten sich vielleicht gegen Sytania nicht wehren, vorausgesetzt, sie hatte wirklich etwas damit zu tun und alles war nicht nur ein Prüfungsaufbau der Quellenwesen. Allerdings machte mich irgendwas total sicher, dass dies unsere Prüfung sein würde. Ich würde mit Shimar darüber reden müssen. Ich glaubte, dass es irgendwie darum gehen könnte, das Unmögliche zu wagen.

Dazu, mit Shimar über die Sache zu reden, sollte ich aber so schnell nicht kommen, denn ein Tumult draußen versetzte alle in helle Aufregung. Eine Art Feuerwalze bewegte sich aus Richtung des Waldes auf den Hof zu. Alle Maßnahmen mit Löschwasser, die Shimar und Isenhard versuchten, halfen nichts. Der Tindaraner war in einer Zwickmühle. In Isenhards Beisein sich mit Sytania geistig zu duellieren würde vielleicht zu viele Fragen aufwerfen. Aber sie damit durchkommen lassen konnte er auch nicht. Was sollte er nur tun?

IDUSA war im Anflug. Mit ihren Sensoren hatte sie die wie aus dem Nichts entstandene Feuerwalze verfolgt und wusste genau, wie der Hase lief. Sie landete auf der Wiese, öffnete ihren Frachtraum und aktivierte den Bordlautsprecher. Dann ließ sie einige Laute hören, auf die hin die Tiere in den Frachtraum liefen, weil sie wohl neugierig geworden waren. Auch die Bauern hatten das Treiben beobachtet und waren hinzugekommen. „Ich bin IDUSA.“, stellte sie sich bei Isenhard, Hulda und Dietlinde vor. „Ich kann euch retten, aber ihr müsst zu mir kommen.“ „Also gut.“, sagte Isenhard und schob seine Familie ebenfalls in IDUSAs Frachtraum, bevor er selbst nachkam. Meine Definition von IDUSA ihm gegenüber musste dafür gesorgt haben, dass er ihr vertraute.

Ich hatte mich zu Shimar gesellt, der mit mir das Geschehen beobachtete. „Du hattest ihr doch einen eindeutigen Befehl erteilt.“, flüsterte ich ihm zu. „Ja, das hatte ich.“, sagte er. „Aber du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass sie den gerade missachtet.“

IDUSA erhob die Schilde und dann sich selbst in die Luft, um dann mit der Rosannium-Waffe eine volle Ladung auf die Feuerwalze zu schießen, die sich darauf gleich auflöste. Dann landete sie wieder und ließ alle raus. Da habt ihr’s, Sytania!, dachte ich.

Isenhard kam auf uns zu. „Shimar, Betsy, ich bin eurem Geist IDUSA sehr dankbar.“, sagte er. „Mein Hof ist zwar etwas angesengt, aber immerhin hat sie meine Familie und die Tiere gerettet, von denen wir leben. Um den Rest werden wir uns schon allein kümmern. Ich habe hilfsbereite Nachbarn.“ „Schon gut.“, sagte Shimar. „Aber Betsy und ich helfen auch gern, wo wir können.“

Ich stellte mich neben ihn und suchte nach seinem rechten Ohr. „Ich muss mit dir reden.“, flüsterte ich hinein. „OK.“, sagte er und zog mich mit sich fort.

Telzan hatte die geschwächte Sytania in ihrem Gemach auf ihr Bett gelegt. Danach hatte er nach einer Kammerzofe geschickt, welche die Prinzessin entkleidet und ihr ihre Nachtkleidung angelegt hatte. Nachdem die Zofe wieder gegangen war, kehrte Telzan zurück. Er hielt bei Sytania Wache, bis diese die Augen aufschlug. „Was ist hier geschehen, Telzan?“, wollte die imperianische Königstochter wissen. „Ihr wart bewusstlos.“, erklärte der Vendar. „Ihr hättet die telepathische Verbindung zu Eurer Schöpfung unterbrechen sollen.“ „Ich wollte alles genau sehen.“, sagte Sytania. „Mit Verlaub, Herrin.“, entgegnete Telzan und machte ein beschwichtigendes Gesicht. „Exakt das war Euer Fehler. Wenn Ihr die Verbindung getrennt hättet, dann hätte Euch das tindaranische Schiff keinen Schaden zufügen können.“ „Ja, dieses Schiff!“, rief Sytania wütend. „Dieses verdammte Schiff! Wieso haben die Bauern und ihre Tiere ihr vertraut?!“ „Ich denke, dass Allrounder Betsy einen Weg gefunden hat, es ihnen entsprechend zu verkaufen, damit sie keine Angst hatten.“, vermutete Telzan. „Dieses verdammte Tindaranerliebchen!!!“, schrie Sytania außer sich. „Sie hat mit ihrer ekelhaft einfühlsamen Art mir schon öfter das Leben versaut! Wenn ich nicht so geschwächt wäre …“ Sie sank in die Kissen.

Telzan griff zu einer Karaffe und goss etwas von deren Inhalt in ein Glas, welches er Sytania hinhielt. „Ich brauche jetzt keinen Wein, Telzan!“, sagte diese unwirsch. „Was ich brauche, ist ein Plan, wie wir verhindern können, dass …“ „Vielleicht, Herrin.“, begann Telzan. „Vielleicht müssen wir gar nichts verhindern. Shimar und Betsy könnten immer noch ganz von allein durch die Prüfung der Quellenwesen rasseln. Außerdem werdet Ihr Euch bis dahin sicher erholt haben und was sie tun müssten, würden sie sich sowieso nicht trauen. Es ist gegen all ihre Prinzipien. Schlaft jetzt am besten, Herrin. Es ist gesünder für Euch. Ihr habt mich gut in der Benutzung des Kontaktkelchs unterwiesen. Ich werde das Geschehen für Euch weiter beobachten.“ „Also gut.“, sagte Sytania mit schwacher Stimme und schlief ein.

Wie hilfsbereit Isenhards Nachbarn waren, hatten Shimar und ich bald zu sehen bekommen. Alles hatten sie selbst in die Hand genommen und so blieb für uns nichts zu tun, als zuzusehen. Allerdings zogen Hulda und ich es vor, mit dem Stricken fort zu fahren, damit sie und Isenhard zumindest schnell wieder etwas hatten, das sie auf dem Dorfmarkt verkaufen konnten, denn da einige ihrer Felder dem Feuer zum Opfer gefallen waren, mussten sie Futter für die Schafe und die Pferde hinzukaufen. Dazu brauchten sie Geld und das konnten sie nur durch den Verkauf ihrer Erzeugnisse verdienen. Also kästen, backten und strickten wir Frauen, was wir konnten, während sich die Männer dem Wiederaufbau des Hofes widmeten. Alle außer Shimar, der sich, da die Imperianer fanden, dass sie genug Arbeiter waren, in die Scheune zum Nachdenken zurückgezogen hatte. Meine Information hatte in ihm ebenfalls den Verdacht geweckt, es könnte sich um unsere Prüfung handeln und er wollte planen, wie wir sie wohl bestehen könnten.

Er hatte allerdings nicht auf den kleinen Schatten geachtet, der sich ihm leise genähert hatte. Erst, als ein kleines Stimmchen ihn mit: „Hi, Shimar.“, begrüßte, wurde er auf Dietlinde aufmerksam, die grinsend vor ihm auf einem Heuballen saß. „Hey, Spätzchen.“, begrüßte er sie. „Was machst du denn hier?“ „Ich habe zuerst mit den Hunden gespielt und jetzt wollte ich dich fragen, ob du mit mir spielen kannst.“, antwortete die Kleine. „Und was machst du da? Ich meine, du schaust so angestrengt.“ „Oh.“, sagte Shimar und lockerte seine Gesichtsmuskeln. „Ist mir gar nicht aufgefallen. Aber wenn du es wissen willst, ich brüte was aus. Aber im Moment geht es irgendwie nicht recht voran.“ „Oooooch.“, machte Dietlinde und strich ihm mitleidig über den Rücken. „Steh mal auf! Dann guck’ ich, was da falsch ist!“, schlug sie vor. „Das macht Vater bei den Schafen auch immer, wenn …“

Shimar brach in lautes Gelächter aus. Dann schlang er seine weit ausgebreiteten Arme um Dietlinde und zog sie an sich. „Wie süß bist du denn?!“, prustete Shimar so laut, dass Hulda und ich es durch die offene Haus- und Scheunentür bis in die Küche hören konnten. „Nein.“, erklärte er dann mit dem Lachkrampf kämpfend. „Ich glaube, da haben wir uns missverstanden. Wenn man was ausbrütet, bedeutet das auch, dass man versucht, einen Plan zu entwickeln. Sieh mal, Betsy und ich müssen wahrscheinlich eine Prüfung ablegen. Wir wissen jetzt, wie die wahrscheinlich aussieht, aber wir wissen nicht, wie wir es anstellen sollen, Gayetan und seine Frau aus Sytanias Bann zu befreien.“ „Wegen Betsy wollte ich dich sowieso noch etwas fragen.“, sagte Dietlinde. „Ich habe mich nicht getraut, sie das selbst zu fragen. Ich wollte sie nicht beleidigen.“ „Was ist es denn?“, wollte der Tindaraner wissen, der ihren Kopf jetzt an seiner Schulter platziert hatte. „Wieso drehen sich Betsys Augen immer weg? Ich meine, ab und zu dreht sie den Kopf zu dir, wenn sie mit dir redet oder mit einem von uns, aber ihre Augen machen immer so.“ Sie führte Shimar eine Imitation meiner Augenbewegungen vor. „Das ist ganz einfach.“, erklärte Shimar. „Betsys Augen machen das, weil sie keine Kontrolle über die Muskeln hat, die ihre Augen bewegen. Das wiederum kommt, weil sie nicht sehen kann, wo sie hinschaut. Deshalb ist ein Augenkontakt mit ihr nicht möglich …“

Er saß einen Moment lang still da. Dietlinde begann bereits, sich Sorgen zu machen, als er sie plötzlich wiederum an sich drückte und ihr einen dicken Kuss auf die Wange gab, um gleich darauf erfreut zu rufen: „OH, Süße, du süßestes aller Kinder! Das ist es! Gayetan wird zu ihr keinen Augenkontakt herstellen können und mich kann man nicht in etwas verwandeln, das ich im Grunde schon längst bin! Schnell, Maus, hol mir Betsy her. Ich muss mit ihr sofort darüber reden!“

Dass mich Dietlinde nicht zu holen brauchte, war bald offensichtlich, denn durch die lauten Geräusche aus der Scheune bedingt stand bald der ganze Hof Schlange vor dem Geheimkabinett. Hulda hatte mich an der Hand und schob mich jetzt an allen vorbei in die Scheune zu Shimar und ihrer Tochter. „Er muss mal mit dir reden.“, quietschte mir das Mädchen entgegen. „Ja, das muss ich.“, bestätigte Shimar. „Aber ich glaube, es wäre besser, wenn der Rest ginge. Was wir zu bereden haben, sind teilweise astranische Geheimnisse. Hulda, bitte nimm auch deine Tochter mit.“ Die Bäuerin nickte und nahm Dietlinde bei der Hand. „Warum darf ich nicht zuhören?“, fragte sie etwas maulig. „Weil das, was Betsy und Shimar bereden, ja sogar für uns erwachsene Imperianer zu schwer sein wird.“, erklärte Hulda. „Wie soll dann erst ein Kind das verstehen?“ „Na gut.“, sagte Dietlinde, zog einen Flunsch und schlappte hinter ihrer Mutter her. Sie tat mir leid, aber die Situation ließ es leider nicht anders zu.

Shimar schloss telekinetisch die Tür und führte mich dann zu einem Heuballen, auf den wir uns beide setzten. „Worum geht es?“, fragte ich. „Du weißt doch, was ich in Wahrheit bin.“, sagte er. „Ja, du bist kristallinen Ursprungs.“, sagte ich. „Also kann ich ja auch nicht in einen Kristall verwandelt werden.“, referierte er weiter. Ich nickte. „Und du.“, sagte er. „Zu dir kann keiner Augenkontakt aufnehmen, weil sich deine Augen immer bewegen. Also kann der Bann auf uns keine Wirkung haben. Es käme allenfalls zu einer energetischen Rückkopplung, die ihn zerstören würde.“ „Natürlich!“, lächelte ich. „Es ist unmöglich, dich in einen Kristall zu verwandeln und es ist unmöglich, mir in die Augen zu sehen. Jedenfalls für länger. Das muss die Lösung sein!“ „Das denke ich auch.“, sagte Shimar und hob die telekinetische Verriegelung der Tür wieder auf. „Lass uns mit Isenhard reden.“

Kapitel 60 - Das Unmögliche

von Visitor

 

Der Bauer erklärte sich mit allem einverstanden und Hulda packte uns eine Tasche mit Proviant, während sich Shimar und Isenhard konspirativ in den Stall verzogen, um die beiden Pferde zu satteln. Diese hatten nämlich auch gelernt, geritten zu werden und zur Burg war es ein weiter Weg. „Wir werden euch wohl nicht lebend wieder sehen.“, sagte Hulda traurig. „Alle, die es bisher versucht haben, fristen heute ein Dasein als Statuen im Burghof.“ „Da bin ich mir nicht so sicher, Hulda!“, sagte ich fest.

Wenig später hörte ich den Schlag von Hufen zweier Pferde und zwei Paar Füße, die sich auf uns zu bewegten. Dann sagte Shimar scherzhaft: „Es ist aufgesattelt, Milady. Wenn ich bitten dürfte.“ Dann beförderte er mich in alt bekannter Weise in den Sattel eines der kleinen stämmigen Pferde, bevor er selbst auf das andere stieg. „Er hat alles ganz allein gemacht!“, sagte Isenhard stolz. „Ich stand nur daneben.“ „Aber das bedeutet ja … Ich meine, das heißt … Du kannst …“, stammelte ich. „Hoffentlich passiert dir so ’n Stotteranfall nicht, wenn du ’n hohen Diplomaten am SITCH hast!“, flapste mir Shimar entgegen. Meine Lippen formten ein breites Grinsen. „Das war die beste Überraschung meines Lebens!“, rief ich aus. „Das hätte ich nie von dir gedacht!“ Am liebsten hätte ich ihn geküsst, aber dazu war er jetzt zu weit weg. Allerdings würden wir später sicher Gelegenheit haben, das nachzuholen. Wir verabschiedeten uns höflich und ritten los.

Mich ließ den gesamten Weg über das Gefühl nicht los, dass Shimar etwas bedrückte. „Was hast du auf dem Herzen, Srinadar.“, fragte ich. „Es ist nur.“, begann er. „Ich frage mich, wie du einen wie mich so lieben kannst, Sternenflottenoffizierin.“ „Warum nicht?!“, fragte ich mit leichter Empörung in der Stimme. „Weil ich bin, was ich bin.“, erklärte Shimar. „Unsere Forscher haben herausgefunden, dass wir nicht nur mit den Saloranern, von denen du dein Schiff hast, verwandt sind, sondern auch um mehrere Ecken eine genetische Verwandtschaft mit jenen Kristallwesen teilen, die euer Universum so terrorisiert haben.“ „Dann will ich dich das Gleiche fragen, Srinadar!“, erwiderte ich. „Wie kannst du eine wie mich lieben, wo ich doch mit haarigen Kreaturen auf meinem Planeten verwandt bin, die sehr gefährlich werden können und den ganzen Tag nichts weiter tun, als von Baum zu Baum zu springen. Einige von ihnen sind auch viel größer und stärker als wir und könnten dich schwer verletzen. Seine Familie kann man sich halt nicht aussuchen. Auch nicht die Genetische und damit Ende im Gelände!“ „Dann wäre das ja geklärt.“, atmete Shimar auf.

In der Ferne war einige Stunden später bereits die Burg der Lehnsherren dieses Dorfes zu sehen. „Wir sind bald da.“, klärte mich Shimar auf. „Aber wir sollten auf die Wachen etwas Eindruck machen.“ Damit ließ er sein Pferd antraben und ich tat es ihm gleich. „Wer da!“, rief uns ein Wachsoldat zu. „Haltet, oder ihr seid des Todes!“ Er hatte sein Schwert gezückt. Wir hielten an und wendeten die Pferde in seine Richtung. „Warum denn gleich so hitzig?“, fragte Shimar ruhig. „Wir wollen doch nur mit deinen hohen Herren etwas feiern.“ „Feiern!“, lachte der Soldat verächtlich und rief einige seiner Kameraden her, die gleich mit in sein Gelächter einfielen. „Zu feiern gibt es hier schon lange nichts mehr. Seine Lordschaft und die Lady haben aufgegeben. Sie glauben nicht mehr daran, dass es jemanden geben könnte, der sie aus Sytanias Bann befreien kann.“ „Dein Herr und seine Gemahlin mögen aufgegeben haben.“, sagte ich. „Aber wir noch lange nicht! Also, an deiner Stelle würde ich machen, dass ich mich zu seiner Lordschaft schere und ihm sage, dass zwei Sterbliche angekommen sind, die es noch einmal versuchen wollen!“

„Kannst du ihr nicht den Mund stopfen?“, wendete sich ein traurig schauender Soldat aus den hinteren Reihen an Shimar. „Warum sollte ich?“, erwiderte dieser. „Sie sagt doch nur die Wahrheit. Aber ihr scheint euch ja in eurem Elend und der depressiven Rolle sehr zu gefallen. Oh, Mann! Die Armee der Trauerklöße. Wollt ihr eure Feinde in den Staub heulen oder was?!“ „Wie hast du uns genannt?“, fragte der erste Wächter, ein Hauptmann und hielt drohend seine Waffe in die Höhe. „Das müssen wir nicht auf uns sitzen lassen!“ „Dann beweist uns das Gegenteil!“, sagte Shimar und saß ab, um danach mir dabei zu helfen. Missmutig schlurfte der Wächter von dannen.

Tatsächlich hatte unsere gemeinsame Standpauke gewirkt und wir wurden in die Burg gelassen. Auch erklärten sich Gayetan und Ramina damit einverstanden, mit uns ein letztes Mal zu feiern. Die Wächter hatten zwar verdeutlicht, dass sie keine Hoffnung mehr sahen, indem sie miteinander Dinge wie: „Wieder zwei arme Seelen.“, ausgetauscht hatten, ihre Herren waren aber wohl doch noch nicht ganz davon überzeugt, dass es die richtige Strategie war, den Kopf in den Sand zu stecken. Im Gegenteil! Es wurde gut aufgetischt und zu schnellen und fröhlichen Liedern bis zum Morgengrauen getanzt.

Bei Sonnenaufgang sah Gayetan mich und Ramina Shimar plötzlich verwirrt an. „Potztausend!“, rief der Lord aus. „Wie kann das sein? Die Sonne geht auf und weder du noch dein Gefährte sind zu Kristall erstarrt. Welche Kraft wohnt euch inne?“ „Die Kraft der Logik, Milord.“, antwortete ich diplomatisch. „Seht, zu mir könnt Ihr keinen Augenkontakt herstellen, weil meine Augen blind sind und er ist kristallinen Ursprungs. Also könnt Ihr ihn auch nicht in etwas verwandeln, das er schon ist, Milady.“

Plötzlich mussten sich beide Hoheiten setzen und Ramina sagte: „Oh, liebster Gayetan, mir ist, als wurde eine schwere Last von meinen Schultern genommen. Ich dachte, es sei unmöglich, uns von dem Bann zu befreien. Aber diese zwei hier …“ „Ja, diese zwei, liebste Ramina.“, fügte Lord Gayetan bei. „Diese zwei haben das Unmögliche gewagt.“ „Und das müssen wir bezüglich der Zeitlinie sicher auch!“, sagte ich mit Überzeugung. „Ich meine, eine Zeitreise wäre das Einfachste, aber die Wahrscheinlichkeit wäre zu groß, dass jemand auf sein Ich aus der Vergangenheit trifft und derjenige ihm nicht glaubt und schon gibt es neue Komplikationen. Aber wenn man die Zeit bis zu einem bestimmten Punkt zurücklaufen ließe, dann …“ „Das ist unmöglich, Kleines!“, sagte Shimar. „Das glauben wir nicht.“, sagte Gayetan. „Ihr werdet einen Weg finden.“

Dann gab es einen weißen Blitz und vor uns standen zwei Quellenwesen. Auch alle Statuen im Burghof erwachten wieder zum Leben. „Hier wimmelt es von Quellenwesen, Kleines.“, erklärte mir Shimar, der auch die Bauernfamilie in der Menge erkannte. Alle Wesen jubelten uns zu, als wären wir die Helden des Tages. Seht ihr?, wandte sich Gayetan noch einmal telepathisch an uns. Ihr habt es vollbracht. Jetzt bringen wir euch an Bord eures Schiffes, damit ihr die frohe Kunde weitergeben und die Lösung verwirklichen könnt.

Es gab einen erneuten weißen Blitz und wir waren tatsächlich in IDUSAs Cockpit. Sofort setzten wir die Neurokoppler auf. „Sind Sie zwei in Ordnung?“, fragte das Schiff, nachdem sie unsere Tabellen geladen hatte. „Ja.“, sagte Shimar. „Warum fragst du?“ „Weil Sie einen ziemlich verwirrten Eindruck machen.“, antwortete IDUSA. „Wir haben nur ein bisschen die Orientierung verloren.“, beruhigte ich sie. „Es ist nicht schlimm. Aber jetzt sollten wir machen, dass wir zur 281 Alpha kommen.“ „Wie Sie wünschen, Allrounder.“, sagte der Avatar und sah Shimar fragend an. „Führq27; ihren Befehl ruhig aus, IDUSA.“, sagte er. „Ich muss das alles erst mal verarbeiten.“ Er seufzte. „Also gut.“, sagte das Schiff und startete.

Unabhängig von unserer Prüfung hatten sich Commander Cinia und ihre Truppe auf der Sternenbasis 818 zusammengesetzt und ebenfalls beratschlagt, was denn nun zu tun sei. Cendas Vorschlag einer Zeitreise hatte man schnell aus den gleichen Gründen wie wir verworfen. Aber dann sagte Indira plötzlich, die sich wohl fragte, ob man Zeitreise in einem oder zwei Worten schrieb: „Wie wäre es, wenn wir die Reise einfach gleich ganz weglassen und uns nur auf die Zeit konzentrieren?“ „Wie meinen Sie das, Agent?“, fragte Cinia. „Ganz einfach.“, sagte Indira und stand auf, um in die Mitte des Raumes zu gehen und zu beginnen: „Wenn wir es bewerkstelligen könnten, die Zeit bis zu einem bestimmten Punkt Rückwärts laufen zu lassen, dann dürften wir ja einiges noch einmal erleben und hätten jede Chance, alles rückgängig zu machen, was rückgängig zu machen ist. Das könnten sogar wir erreichen. Es gibt eine uralte Aufzeichnung in den Datenbanken. Die Enterprise hat damals die Zeit auch rückwärts laufen lassen mit Hilfe eines Signals, das …“ „Aber sie waren außerhalb des Ortes, an dem die Zeit rückwärts lief.“, wandte Cenda ein. „Wenn wir die Zeit rückwärts laufen lassen, werden auch alle Erinnerungen an diese Zeitlinie bei uns glatt geschliffen. Außer …“ Sie überlegte. „Außer ein Mächtiger hilft einer bestimmten Person, die Erinnerungen in ihrem Gehirn festzuhalten, obwohl ihr Leben zurückgeschraubt wird.“, ergänzte Cinia. „Aber wer kann diese Person sein?“, fragte Indira. „Das kann ich Ihnen nicht beantworten, Agent.“, sagte die ältere Platonierin. „Aber vielleicht wissen es die Tindaraner. Ich wollte sowieso mit ihnen darüber reden.“ „Also gut.“, sagte Indira. „Schmeißen wir also alle unser Wissen zusammen.“

Shimar, IDUSA und ich waren auf dem Weg aus der interdimensionalen Schicht heraus zur Basis. „Weißt du, was mich verwirrt?“, fragte ich. „Nein, Kleines.“, sagte er. „Mich verwirrt, dass du nicht gespürt hast, dass die alle Quellenwesen waren. Ich meine, während IDUSAs Befreiung waren wir ihnen mental so nah und du hast nichts gesagt.“ „Das kann ich Ihnen erklären, Allrounder.“, beantwortete IDUSA meine Frage für ihn. „Die Quellenwesen sind mächtiger als die Mächtigen, die wir kennen. Ich gehe davon aus, dass sie sich besser gegen Shimar abschirmen konnten, als es sogar Logar oder Sytania vermögen.“ „Das könnte hinkommen, IDUSA.“, sagte ich.

„Wir kommen in Sensorenreichweite der Basis.“, meldete IDUSA einige Minuten später. „Am liebsten würde ich Zirell einen kleinen Streich spielen.“, sagte Shimar. „Du Kindskopf.“, grinste ich. „Aber solange es was Harmloses wird, für das sie dich keine Warpgondeln schrubben lässt, bin ich dabei.“ „Wer ist denn jetzt hier wohl der Kindskopf, he?“, fragte Shimar grinsend. „Na ja.“, sagte ich. „Ich bin halt gut drauf.“ „Na dann.“, sagte Shimar und befahl in IDUSAs Richtung: „Ruf die Station und verbinde uns beide mit Commander Zirell!“ „Sofort, Shimar.“, gab der Avatar zurück und führte seinen Befehl aus.

„Da seid ihr ja wieder.“, sagte Zirell. „Was habt ihr erreicht?“ Mit langem Gesicht gab Shimar zurück: „Wir haben die Prüfung der Quellenwesen …“ Dann machte er eine lange Pause.

Kissara, die alles mitbekommen hatte, behagte dieser Zustand gar nicht. „Wenn sie es nicht geschafft haben, Zirell.“, sagte sie. „Dann gibt es sicher keine Lösung. Aber ich kann und will mich nicht damit abfinden, dass alles umsonst gewesen sein soll. Kannst du nicht telepathisch herausfinden, was war?“ „Vielleicht.“, erwiderte die Tindaranerin und begann, sich auf Shimars und meinen Geist zu konzentrieren.

„Oh, Sekunde, Kleines!“, sagte Shimar plötzlich. „Bitte denk an gar nichts.“ „Was ist denn los?“, fragte ich. „Hier kommt Zirell.“, sagte er. „Das ist los.“ Dabei klang er sehr alarmiert und gleichzeitig etwas angestrengt, denn er musste nicht nur den eigenen, sondern auch meinen Geist verteidigen.

„Er schirmt sie ab.“, sagte Zirell, bevor sie abließ. „Warum würde er das tun?“, fragte Kissara. „Hat er solche Angst vor dir?“ „Ich denke, er denkt, dass ich es ihm schon sehr übel nehmen könnte.“, sagte die Tindaranerin. „Aber falls die Beiden es wirklich nicht geschafft haben sollten, müssen wir eben nach einer anderen Lösung suchen.“

„Gott sei Dank.“, sagte Shimar. „Sie lässt uns wieder in Ruhe. Einen Moment lang habe ich gedacht, aus unserem schönen Streich wird nichts.“ „Jetzt sollten wir sie aber nicht mehr länger auf die Folter spannen.“, sagte ich. „IDUSA, leg mich auf die Verbindung!“ „Spielverderberin.“, flapste Shimar. „Sie können sprechen, Allrounder.“, sagte der Schiffsavatar. „Danke, IDUSA.“, erwiderte ich. Dann nahm ich Haltung an und begann: „Commander Kissara, Commander Zirell, Allrounder Betsy Scott freut sich, mitteilen zu dürfen, dass wir die Prüfung der Quellenwesen erfolgreich hinter uns gebracht haben.“

Ein Aufatmen ging durch alle auf der Station Anwesenden. „Einen Moment lang habe ich doch wirklich geglaubt, sie sagt das genaue Gegenteil.“, sagte Zirell. „Dann hätte sie nicht gesagt, dass sie sich freut.“, erinnerte sie Kissara. „Tut mir leid.“, sagte Zirell. „Ich bin eben nicht vertraut mit Sternenflottenfloskeln.“ „Allerdings hätte sie das nicht gesagt.“, bestätigte Jenna, die wie alle anderen auch anwesend war.

„Joran.“, wendete sich Zirell an den Vendar an der Kommunikation. „Weisq27; sie zu IDUSAs gewohntem Andockplatz. Dann sollten wir uns alle im Konferenzraum treffen. Ich bin auf Betsys und Shimars Bericht gespannt wie ein Flitzebogen.“ „Einen kurzen Moment noch, Commander.“, meldete sich IDUSA. „Da ist gerade eine Nachricht von der 818 hereingekommen.“ „Zeig sie uns!“, befahl Zirell.

IDUSA lud alle Tabellen in die Simulatoren im Raum. Dann zeigte sie allen auf dem virtuellen Schirm die Nachricht von Commander Cinia. Alle lasen sie sich durch und dann sahen sich auch alle gemeinsam die Anlage an. „Das ist ein Wellenschema.“, erkannte Jenna. „Das stimmt.“, bestätigte Jannings. „Es ist das Signal, mit dem die Enterprise vor ca. 800 Jahren einmal die Zeit in einer Singularität rückwärts laufen lassen hat. Aber wenn wir das tun, dann werden die Hirnwindungen von allen auch glatt geschliffen und keiner weiß mehr, was falsch gelaufen ist. Vielleicht machen dann alle den gleichen Fehler noch mal.“ „Mit Verlaub, George El Taria.“, mischte sich Joran ein. „Wir sollten nicht über ungelegte Eier gackern. Lasst uns lieber warten, bis Betsy und Shimar eingetroffen sind. Sie können sicher mehr dazu sagen.“ „Also gut.“, sagte Zirell. Dann winkte sie allen, ihr zu folgen. IDUSA erhielt den Befehl, uns zu informieren.

Der Rechner lud unsere Reaktionstabellen erst über den Simulator im Konferenzraum, als auch Shimar und ich diesen betreten hatten. Zirell stellte sich in die Mitte und referierte: „Ihr alle wisst, dass Shimar und Betsy von den Quellenwesen geprüft worden sind und dass sie uns eine Lösung vorschlagen sollten. Jetzt aber haben wir auch einen Vorschlag von der Besatzung der Sternenbasis 818 bekommen. Deren Vorschlag lautet, die Zeit bis zu einem bestimmten Punkt rückwärts laufen zu lassen und die Geschichte ab dann zu korrigieren. Aber wir sollten uns auch anhören, was Betsy und Shimar für eine Lösung mitgebracht haben. Dann können wir uns immer noch entscheiden.“

Shimar hielt mir seinen Arm hin und führte mich in die Mitte. Jetzt standen wir neben Zirell. „Die Quellenwesen haben uns nichts anderes gesagt.“, sagte er und ich nickte bestätigend.

Jannings, der in einer der hinteren Reihen saß, hob die Hand. „Was gibt es, Techniker Jannings?“, fragte Zirell. „Wenn wir unser Leben noch einmal bis zu einem bestimmten Punkt rückwärts laufen ließen.“, sagte der Ingenieur. „Dann würden wir uns doch an bestimmte Dinge gar nicht mehr erinnern. Dann wüssten wir doch gar nicht, was unser Fehler war und könnten ihn auch nicht korrigieren.“ „Oh, doch!“, sagte Zirell und befahl: „IDUSA, zeig allen die Mail!“ Der Stationsrechner kam ihrem Befehl nach und alle konnten sich durchlesen, was Commander Cinia zu dem Thema geschrieben hatte. Auch Tolea und Clytus lasen es sich durch. „Darf ich der Mächtige sein, der die Erinnerungen bei einem von euch festhält?“, fragte der Junge. „Sicherlich.“, antwortete seine Tante. „Aber dafür müssen wir zunächst wissen, wer die Person sein wird. Ich werde dir natürlich dabei helfen.“ „Danke, Tante Tolea.“, sagte Clytus erleichtert. „Und ich dachte, du wärst mir noch immer böse.“ „Ach, woher denn.“, antwortete Tolea. „Ich war ja selbst nicht viel besser.“

Mir schoss etwas durch den Kopf. Ich war in der falschen Zeitlinie in gewisser Weise der Grund, also Clytus’ Werkzeug gewesen, mit dem er seine eventuelle Freundin hätte rumkriegen wollen. Gut, da waren auch noch die Genesianer, aber von denen war keiner da. Wenn Clytus die Erinnerungen in meinem Gehirn festhalten würde, dann könnte ich ihm vielleicht in der Vergangenheit ins Gewissen reden und es würde niemals passieren, was passiert war. Sicher war ich in Sachen Liebeskummer nicht sehr erfahren, aber trösten konnte ich schon immer gut und wenn ich ihn dazu bringen würde, in die Zukunft zu sehen, bevor er seine Kreatur erschaffen würde, dann wäre es möglich, dass die Zeitlinie sich wieder korrigieren könnte.

„Ich melde mich freiwillig!“, sagte ich. „Etwas anderes hätte ich von Ihnen auch nicht erwartet, Allrounder.“, sagte Kissara. „Also gut.“, sagte Zirell. „Dann müssen wir ja nur noch wissen, wie wir den Impuls, der die Zeit rückwärts laufen lässt, anbringen sollen.“ „Ist das nicht viel zu gefährlich?“, fragte Mikel. „Ich meine, durch Dills Tod ist die Zeit sehr instabil. Wenn wir jetzt auch noch ihre Laufrichtung ändern, dann könnten wir noch größere Schäden anrichten.“ „Als Arzt fällt mir dazu nur ein.“, meldete sich Ishan zu Wort. „Dass man manchmal eine alte Wunde auffrischen muss, um sie zum Abheilen bringen zu können.“ Loridana und Learosh nickten beifällig. „Der Impuls müsste in Dauer und Intensität genau ausgerechnet werden.“, sagte Jenna. „Aber mit den Daten aus der Mail kann ich arbeiten.“ „Also gut.“, sagte Zirell und Kissara pflichtete bei: „Dann ist es beschlossen. Shimar und IDUSA werden die Boje in die interdimensionale Schicht bringen, wenn sie fertig ist. Ich denke, dass alle Techniker an ihrem Bau beteiligt sein sollten, damit uns kein Fehler unterläuft. Damit meine ich auch Sie, Mr. Scott.“ „Gut, dass Sie mich einbeziehen, Commander.“, sagte mein Ehemann. „Ich hätte da nämlich noch was zu meckern. Die Boje sollte einen Countdown starten, sobald sie ausgesetzt is’, damit Shimar und sein Schiff Zeit haben, zurückzukehren. Aber wenn sie in der interdimensionalen Schicht is’, wird ihr Zeitmesser nicht funktionieren, weil sie außerhalb der Zeit is’. Sie sollte ihr Timersignal über eine Datenverbindung von IDUSA bekommen.“ „Machen wir es so!“, klopfte Zirell unseren Plan fest. „An die Arbeit!“

Einige Stunden später war die Boje fertig gestellt und Shimar und IDUSA starteten, um sie beim Vorbeiflug an der Station in den Traktorstrahl zu nehmen, nachdem sie mit der gleichen Vorrichtung, mit der auch Sonden und Satelliten gestartet wurden, ausgesetzt worden war. Jetzt hing sie hinter dem Schiff und Shimar steuerte IDUSA von der Station fort.

Plötzlich schaute der Avatar sanft und sagte: „Es tut mir leid.“ „Was tut dir leid?“, erkundigte sich ihr Pilot. „Es tut mir leid.“, erklärte IDUSA. „Dass ich Ihren direkten Befehl missachtet habe, was das Verbleiben in einer hohen Umlaufbahn zum Zweck der Unsichtbarkeit angeht.“ „Wie bitte?!“, fragte Shimar scharf. „Das tut dir leid?! Hättest du es etwa besser gefunden, wenn Sytania gewonnen hätte und Isenhards Hof unseretwegen zerstört worden wäre?!“ „So habe ich das nicht gemeint.“, versuchte IDUSA ihn zu beschwichtigen. „Aber es ist schon so manche Einheit wegen Befehlsverweigerung einer widerwärtigen Art von Softwareuntersuchung unterzogen worden, die …“ „Ach so.“, sagte Shimar. „Aber das musst du nicht befürchten und ich will dir auch erklären warum. Sytania kennt unser Verhalten genau und sie weiß, wie viel Wert wir und die Sternenflotte normalerweise auf die Einhaltung von Kommandoketten legen. Deshalb belauert sie uns, um das als Schwachstelle zu benutzen, was wir normalerweise als unsere Stärken ansehen. Sie hat sogar meines Wissens einmal versucht, die Föderation mit ihren eigenen Gesetzen zu schlagen. Leider hätte das auch fast geklappt, wenn nicht … Aber das steht auf einem ganz anderen Blatt. Wichtig ist jetzt nur, dass du total richtig reagiert hast, indem du etwas getan hast, mit dem Sytania nicht gerechnet hat. Die wälzt sich jetzt sicher immer noch in ihren Kopfschmerzen wegen des Rosannium. Deshalb sollten wir jetzt auch keine Zeit verlieren. Komm, wir setzen jetzt die Boje aus, um dem ganzen Chaos ein Ende zu machen. Und wage es ja nicht, deine Selbstständigkeit aufzugeben. Sonst schicke ich dir Jenna doch noch mit dem Untersuchungsprogramm auf den Hals!“

Er gab ihr den Gedankenbefehl zum Aktivieren des Interdimensionsantriebs, worauf sie auch den der Boje synchron aktivierte, denn ihr Feld war nicht groß genug für beide und die Boje hätte sonst wie Ankermaterie gewirkt, was einen Eintritt in die Schicht unmöglich gemacht hätte. Außerdem benötigte die Boje den eigenen Antrieb, um später auch ohne IDUSAs Traktorstrahl in der Schicht verbleiben zu können. „Wir haben einen guten Platz gefunden, IDUSA.“, stellte Shimar fest. „Lass sie los.“ „Deaktiviere Traktorstrahl.“, gab das Schiff zurück. „Initiiere Datenverbindung. Wie lange, meinen Sie, sollte der Countdown sein?“ „Also.“, rechnete Shimar. „Für die Rückkehr aus der Schicht brauchen wir wie bei jedem Interdimensionsflug nur eine Sekunde. Zur Station vielleicht noch mal eine Minute. Bis ich dich gedockt habe und wieder bei den anderen bin, vergehen vielleicht noch mal fünf. Lass uns zehn Minuten ab jetzt sagen. Dann haben wir zumindest noch genug Zeit für die seelische und moralische Vorbereitung. Schließlich werden wir alle unser Leben im Sekundentakt noch einmal rückwärts erleben. Das wird sicher nicht einfach. Hoffentlich hat sich Jenna nicht verrechnet.“ „Davon gehe ich nicht aus!“, sagte IDUSA mit Überzeugung. „Sie hat sich der Hilfe meiner Kollegin, der IDUSA-Einheit der Station, bedient, an die ich im Übrigen auch die Datenverbindung weitergegeben habe. Commander Kissaras Theorie ist, dass wir an dem Punkt ansetzen müssen, als Clytus sein Geistwesen erschaffen hat. Das weiß auch Ihre Freundin, die sich ja als Einzige an die falsche Zeitlinie erinnern wird.“ „Schon klar.“, sagte Shimar und dachte: Hoffentlich gelingt Betsys Mission.

Er dockte das Schiff wenig später und eilte zu den anderen in den Konferenzraum zurück, um zu melden, dass die Boje ausgesetzt war. „Also gut.“, sagte Zirell, die alles immer noch auf dem virtuellen Monitor verfolgt hatte. „Dann wird es wohl bald losgehen.“ „Sehe ich das richtig?“, mischte sich Ginalla ein. „Wir werden unser Leben noch einmal rückwärts leben?“ „In gewisser Hinsicht.“, erklärte Jenna. „Aber nur einen Teil.“ „Trotzdem stelle ich mir das als ziemliche Achterbahn vor.“, sagte Ginalla. „Zumindest in meinem Fall.“ „Beherrsch’ dich, Ginalla!“, flapste Shimar. „Denk dran, gekotzt wird später!“

Die Celsianerin sprang auf und machte ein Gesicht, als hätte sie gerade etwas gehört, das sie im wahrsten Sinne des Wortes vom Sitz gehauen hatte. Dann tanzte sie quer durch den Raum und sang auf die Melodie eines alten terranischen Schlagers: „Shimar hat das Flapsen raus, Flapsen raus, Flapsen raus! Tralalalala, tralalalala. Shimar hat das Flapsen raus, Flapsen raus, Flapsen raus! Tralalalala, Flaps-Shimar ist da!“

„Hinsetzen!“, befahlen Zirell und Kissara plötzlich wie aus einem Mund, denn beide hatten wohl als Einzige den virtuellen Monitor weiter beobachtet. Vor Schreck ließ sich Ginalla dort auf den Hintern fallen, wo sie gerade stand. Joran hob sie auf und trug sie zu einem Stuhl, auf dem er sie sanft absetzte. Dann suchte er sich selbst einen Platz. Danach ging es auch schon los. Obwohl ich unsere gesamte Mission und alles andere auch rückwärts erlebte, fühlte ich mich unglaublich sicher! Das mochte wohl auch daran liegen, dass sich Tolea und Clytus jetzt in meinem Kopf befanden und auf meine Erinnerungen Acht gaben. Sie waren Mächtige. Sie konnten außerhalb der Naturgesetze agieren. Sie würden schon dafür sorgen, dass ich nichts vergaß, was wichtig war.

Als die Zeit wieder normal lief, fand ich mich im Wald bei Merlin und Lucinda wieder. Was jetzt käme, konnte ich mir denken. „Herzlichen Glückwunsch, Techniker McKnight.“, flüsterte ich. „Verrechnet haben Sie sich also nicht.“ Dann drehte ich mich in Eldisas Richtung, aus der ich sie gerade mit Clytus sprechen hörte. „Lass mich in Ruhe!“, sagte sie laut und deutlich und selbst ein Tauber hätte gehört, dass es ihr ernst war. „Aber warum denn, Eldisa?“, fragte Clytus, der nicht viel älter war als sie. „Warum?!“, erwiderte Eldisa empört. „Weil ich dich nicht liebe! Ich habe dich nie geliebt und ich will tot umfallen, sollte ich dies je tun! Du bist ein nerviges lästiges Anhängsel und mehr nicht! Sogar die Jagdhunde meines Vaters erfreuen mich mehr, wenn sie hinter mir her wuseln und nun zisch ab!“ „Wir werden ja sehen.“, sagte Clytus kleinlaut und war in einem weiteren weißen Blitz verschwunden.

Jetzt musste ich etwas tun. Jetzt oder nie war der Zeitpunkt gekommen, an dem ich Clytus auffangen musste, bevor er etwas Unüberlegtes tat. Aber jemand musste sich auch um die Pferde kümmern. Ich zog also mein Sprechgerät und gab Mikels Rufzeichen ein. Ich hoffte sehr, dass er noch in der Nähe war. „Kannst du dem Stallburschen sagen, er soll Eldisa und die Pferde holen?“, fragte ich. „Sicher.“, sagte Mikel. „Aber was ist los? Du klingst so alarmiert.“ „Stell keine Fragen, verdammt!“, antwortete ich. „Ich habe einfach andere Befehle, OK?“ „Du sprichst in Rätseln.“, sagte er. „Aber weil wir so gut befreundet sind, werde ich dir vertrauen. Ich sage Bescheid.“ „Danke, Mikel.“, atmete ich auf und beendete die Verbindung, um gleich darauf eine Neue mit Lycira zu initiieren, die mich auf Befehl sofort an Bord beamte. Bring mich ins Kontinuum, Lycira!, gab ich ihr per Gedankenbefehl zu verstehen. Ich weiß, was Clytus will. Bitte stell keine Fragen. Finde ihn einfach und dann beame mich hin! Deine Befehle sind ungewöhnlich., gab Lycira zurück. Aber ich vertraue dir und das werde ich dir jetzt beweisen.

Sie aktivierte ihren interdimensionalen Antrieb und brachte uns wie befohlen ins Kontinuum. Dann suchten ihre Sensoren nach dem Jungen. Ich habe ihn, Betsy!, verkündete sie. Halt dich bereit.

Clytus hatte offensichtlich nicht mit meiner Ankunft gerechnet. Jedenfalls war er sehr erschrocken, als er meiner ansichtig wurde. „Was tun Sie hier, Allrounder?“, fragte er mit einer Stimmlage, die mich vermuten ließ, dass er eigentlich sagen wollte: „Lasst mich doch alle in Ruhe.“ „Ich weiß, was du vorhast.“, sagte ich. „Und ich bin hier, um dich davon abzuhalten. Du wirst nichts erreichen, Clytus, wenn du tust, was du tun willst. Ich dachte, du willst die Sterblichen nicht missbrauchen. Haben dir deine Tante und dein Vater nicht beigebracht, wie zerbrechlich wir sind? Aber nicht nur uns Sterblichen wirst du Leid antun, sondern auch dem Mädchen, das du liebst. Eldisas Vater wird beim Versuch, die Zeit zu verteidigen, sterben und Sytania wird sich einmischen. Aber Eldisa wird dich trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, nicht lieben. Im Gegenteil. Sie wird dich hassen und selbst auch durch ihre eigene Wut unüberlegte Schritte tun. Willst du das verantworten?! Ich kann mir denken, was du fühlst. Aber das ist der falsche Weg! Du wirst nur Tod und Zerstörung über alle bringen. Wenn du mir nur ein wenig vertraust, dann sieh in die Zukunft und sieh dir an, ob ich die Wahrheit gesprochen habe. Liebe kann man nicht erzwingen! Aber du bist unsterblich und hast noch die gesamte Ewigkeit Zeit. Wir Sterblichen sind da schon begrenzter. Aber ich bin sicher, du wirst irgendwann eine Frau oder ein Mädchen finden, das …“

Ich erschrak und musste meine Rede plötzlich unterbrechen, denn Clytus hatte einen markerschütternden Schrei von sich gegeben und sich an mich geklammert. „Oh, ich bin da. Ich bin da.“, flüsterte ich und umarmte ihn ebenfalls. Seine Finger bohrten sich durch meine Uniform in meine Haut, aber das machte mir nichts. „Sie haben Recht!“, schluchzte er. „Sie haben so Recht! Ich habe alles gesehen. So viel Tod und Zerstörung und Krieg, nur weil …!“

Er bekam so einen Weinkrampf, dass er nicht weiter sprechen konnte. Dann begann er stark zu zittern und drohte hinzufallen, was ich nur verhindern konnte, indem ich uns zu einem nahen Felsen zog, auf den ich uns setzte. Hier begann ich, seine heißen Tränen zu trocknen und immer wieder über sein Gesicht zu streicheln. Ich bezweifelte sehr, dass ich viel für ihn tun konnte. Eigentlich hatte ich geschworen, Zivilisten vor Situationen zu bewahren, in denen sie Angst haben mussten, aber diese Schlacht gegen seine Schuld und mit seinem Gewissen würde er wohl allein ausfechten müssen. Ich konnte nichts tun, außer ihm im Wortsinn den Rücken zu stärken. „Es tut mir leid!“, weinte Clytus. „Es tut mir leid, dass ich Sie so instrumentalisieren wollte, Allrounder! Und die Genesianer! Oh, mein Gott! Was habe ich mir dabei nur gedacht?!“ „Ich verzeihe dir.“, flüsterte ich. „Aber du hast es allein in der Hand. Jetzt, wo du weißt, was es bedeutet, wenn du das Geistwesen erschaffst, musst du es einfach nur bleiben lassen. Dann geschehen all diese schrecklichen Dinge auch nicht.“ „Aber was soll ich denn machen?“, fragte der Verzweifelte. „Wenn ich sie doch so liebe.“ „Du wirst über sie hinwegkommen.“, tröstete ich. „Und wie gesagt, du hast noch die gesamte Ewigkeit Zeit. Sogar mehr Zeit, als ich je haben werde.“ Dann strich ich ihm über das Gesicht und machte: „Schschschsch.“ Danach tat ich das, was ich eigentlich immer in Situationen tat, die mir nicht behagten, nämlich singen, oder eigentlich eher summen. Ich summte die Melodie des Liedes vor mich hin, das ich für die Bauernfamilie komponiert hatte. Dies musste auf uns beide wie eine Art Wiegenlied wirken, denn es war sicher schon viel Zeit vergangen, als ich zu summen aufhörte. Clytus war an meiner Schulter eingeschlafen. Er musste bis zur puren Erschöpfung geweint haben, aber wie gesagt, vor den Konsequenzen seiner Reue konnte ich ihn leider trotz Ausbildung als Offizierin der Sternenflotte nicht beschützen. „Schlaf ruhig, mein kleiner mächtiger Zivilist.“, flüsterte ich. „Wer schläft, der sündigt nicht.“

Schritte machten mich darauf aufmerksam, dass sich uns jemand näherte. Erst als er uns ansprach, erkannte ich, wer es war. „Allrounder, was machen Sie denn hier?“, fragte mich eine wohl bekannte männliche Stimme. „Oberflächenurlaub, Kairon.“, log ich. „Ich war gerade auf der Durchreise, da habe ich …“

Der Blick des Mächtigen viel auf Clytus. „Was ist mit meinem Sohn passiert?“, fragte mich Kairon. „Er hat Liebeskummer.“, erwiderte ich. „Aber nicht nur das. Er hätte beinahe etwas sehr Schlimmes getan, weil er Liebeskummer hat.“ „Etwas Schlimmes?“, fragte Kairon. „Ja.“, antwortete ich. „Ich kann es Ihnen zeigen.“ „War das eine Einladung in Ihren Geist, Allrounder?“, fragte er. Ich nickte und er baute die Verbindung auf.

Kairon erschrak, als er alles gesehen hatte. „Unfassbar.“, sagte er. „Aber trotzdem hegen Sie keinen Groll gegen ihn?“ „Ich bin Sternenflottenoffizierin!“, sagte ich leise, um Clytus nicht zu wecken, aber dennoch fest. „Das heißt also nein.“, vergewisserte sich der Mächtige. Ich nickte in einer großen gut sichtbaren Bewegung, um dann zu referieren: „Ich weiß, dass dumme Jungen in einem gewissen Alter dumme Sachen machen. Gut, Sterbliche klauen vielleicht nur Rosen aus Stadtparks, um die Liebste zu beeindrucken, aber bei euch läuft das alles eben eine Nummer größer ab.“ „Bringt man Ihnen so viel Verständnis auf der Akademie bei?“, fragte Kairon gerührt. „Nein.“, lächelte ich. „Das habe ich wohl mit der Muttermilch aufgesogen, sagt man zumindest über mich.“ „Dann lassen Sie mich bitte ab hier übernehmen, Allrounder Betsy.“, schlug er vor. „Wenn er aufwacht, werde ich mit ihm einige Vater-Sohn-Gespräche zu dem Thema führen. Aber ich sollte meine Schwester einbeziehen. In manchen Situationen bedarf es anscheinend der tröstenden Schulter einer Frau.“ „Also gut.“, nickte ich und zog mein Sprechgerät: „Lycira, eine Person beamen!“ „Ich kann dich nicht erfassen, Betsy.“, kam es zurück. „Es gibt irgendeine Störung, die …“

Die Verbindung brach ab und ich bekam ein irrsinniges Schwindelgefühl. Außerdem schien ich alles jetzt vorwärts aber so schnell zu erleben, als würde man die Zeit wie bei einer CD schnell vorlaufen lassen. Aber es war eine ganz andere Geschichte, die ich ab hier sah.

Als ich wieder zu Atem kam und die Zeit wieder ihr normales Tempo zu haben schien, fand ich mich im Garten der Huxleys vor einem Stuhl stehend wieder. Offensichtlich fand dort gerade eine der allsommerlichen Grillpartys statt. Vor mir auf dem Stuhl lag etwas Weiches. „Oh, was für ein weiches Sitzkissen.“, sagte ich und drehte mich um, aber im selben Moment schallte eine tiefe Stimme vom Hauseingang her: „Nicht hinsetzen, Allrounder! Das ist ein Befehl!“

Ich wich vom Stuhl zurück und drehte mich in die Richtung, aus der ich die Stimme gehört hatte in Erwartung einer Information. Die kam dann auch und zwar in Form eines aus dem angeblichen Kissen kommenden erschrockenen: „Min-Mang!“ Dann kam auch Commander Huxley um die Ecke gewetzt. „Oh, sorry, Caruso.“, entschuldigte ich mich und nahm den Kater auf den Arm. „Und ich dachte, du wärst tot, du armer kleiner Miezenmann.“ „Das hätten Sie auch bestimmt erreicht, wenn Sie sich auf ihn gesetzt hätten, Allrounder.“, sagte Huxley. „Ich hätte gar nicht gewusst, wie ich das Data erklären sollte. Aber was faseln Sie da überhaupt? Wieso sollte er tot sein? Hauchen Sie mich mal an. Die Party ist noch nicht mal im Gange und Sie machen den Eindruck, als wären sie voll wie ’ne Haubitze, oder warum sonst geben Sie so einen Müll von sich.“ Ich tat, worum er mich gebeten hatte. „Kein Alkohol.“, stellte er fest. „Aber dann gibt es nur noch eine Erklärung.“

Er drehte sich zur feiernden Menge: „Tchey!“ Die Gerufene kam sogleich angelaufen. „Ich glaub’.“, begann Huxley an sie gewandt und auf mich zeigend. „Sie hat einen Sonnenstich. Aber das können Sie ja wohl am besten beurteilen, auch wenn Sie nur einen Sanitätskurs haben, Tchey Neran-Jelquist.“ „Du trägst immer noch Lasses Namen?“, fragte ich gleichermaßen verwirrt und erleichtert. „Wieso nich’.“, flapste sie und sah mich von Kopf bis Fuß an. „Na ja.“, sagte ich. „Die Zeitlinie, aus der ich komme, sagt, dass ihr geschieden seid. Außerdem hatten die Genesianer das Universum der Föderation und der Tindaraner erobert.“ „Quatsch.“, flapste sie. „Sie hat auch behauptet, Caruso sei tot.“, sagte Huxley. „Oh, Mann!“, stöhnte Tchey. „Du solltest wirklich …“

Ein Gerät an ihrem Handgelenk piepte und sie warf einen flüchtigen Blick darauf. „Oh nein.“, sagte sie. „Du kannst von Glück sagen, dass ich einen Einsatz mit dem Rettungsshuttle habe, sonst würde ich dich auf der Stelle auf Sonnenstich untersuchen! Aber das wird jetzt wohl jemand anderes übernehmen müssen!“ Damit zischte sie ab. „Angeberin!“, rief ich ihr noch hinterher. „Du hast doch bloß ’n Sanitätskurs!“

Huxley hakte mich unter. „Ich bring’ Sie zu Cupernica.“, sagte er tröstend. „Die wird Ihnen etwas Bettruhe und viel Flüssigkeit verordnen. Sedrin oder ich werden nachher noch mal nach Ihnen sehen.“ „Also gut, Sir.“, sagte ich und ging mit ihm in Richtung des Hauses der Androiden. Ich hatte es vermieden, weitere Details preiszugeben. Aber tief in meinem Inneren war ich sehr froh, denn jetzt war alles wieder in Ordnung.

ENDE

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