„A sighted Mind“, oder: Wie mir aus heiterem Himmel ein erster Kontakt passierte

von Visitor
Zusammenfassung:

 

Während ihres Heimaturlaubs auf der Erde hilft Allrounder Betsy Scott dem kleinen Malcolm und seinem Freund Novus aus einer Verständniskrise. Vor lauter Freude darüber beschließen die Kinder, sie ihrem neuen Freund, einem in ihren Augen seltsamen alten Mann, vorzustellen. Dieser gibt sich der Offizierin der Sternenflotte als Angehöriger der Nidari-Travelers, eines mythisch geglaubten Schwestervolkes der Tindaraner, zu erkennen, das einen ersten Kontakt wünscht. Welche Konsequenzen dieses eigentlich sehr positive Ereignis jedoch haben wird, ahnt zu jenem Zeitpunkt noch nicht einmal sie. Es wird ihr allerdings sehr schnell bewusst, dass es gilt, den aufgrund von Missverständnissen und Animositäten einiger Politiker drohenden Krieg mit dem Dunklen Imperium auf jeden Fall zu verhindern!


Kategorien: Fanfiction, Fanfiction > Star Trek Charaktere: Keine
Genres: Science Fiction
Herausforderung: Keine
Serie: Keine
Kapitel: 20 Fertiggestellt: Ja Wörter: 95147 Aufgerufen: 96309 Veröffentlicht: 09.07.14 Aktualisiert: 18.07.14

1. Kapitel 1: Von Symbolen und Mythen von Visitor

2. Kapitel 2: Spurensuche von Visitor

3. Kapitel 3: Neue Verbindungen von Visitor

4. Kapitel 4: Frieden auf der Kippe von Visitor

5. Kapitel 5: Ein zarter Hoffnungsschimmer von Visitor

6. Kapitel 6: Kleine Rätsel von Visitor

7. Kapitel 7: ungewollte Provokationen von Visitor

8. Kapitel 8: Ungewöhnliche Rettungspläne von Visitor

9. Kapitel 9: Ein neuer Versuch das Ruder herumzureißen von Visitor

10. Kapitel 10: Die entscheidende Wende von Visitor

11. Kapitel 11: „Das Ei des Columbus“ von Visitor

12. Kapitel 12: Sytanias Revanche von Visitor

13. Kapitel 13: Aufschlussreiche Experimente von Visitor

14. Kapitel 14: Die Rückkehr der „verlorenen Kinder“ von Visitor

15. Kapitel 15: Eine neue Gefahr von Visitor

16. Kapitel 16: Sedrins „Paukenschlag“ von Visitor

17. Kapitel 17: Ein Aufsehen erregendes Puzzleteil von Visitor

18. Kapitel 18: Wegweisende Gespräche von Visitor

19. Kapitel 19: Der überraschende Durchbruch von Visitor

20. Kapitel 20: Die letzte Schlacht von Visitor

Kapitel 1: Von Symbolen und Mythen

von Visitor

 

Es war Frühling geworden in Little Federation und ich saß auf meiner Terrasse und sah den Kindern im nahen Stadtpark beim Spielen zu. Eigentlich, um der Wahrheit die Ehre zu geben, musste ich sagen, ich hörte ihnen zu. Ich wusste zu jenem Zeitpunkt ja noch nicht, welche Bedeutung dieser kleine Unterschied noch haben sollte.

Jedenfalls erkannte ich auch unter den vielen Stimmen die von Novus und Malcolm sehr genau. Radcliffes hatten ihre Therapie erfolgreich beendet und waren in unsere Heimatstadt zurückgekehrt. Novus war aus einer Einrichtung auf Celsius ebenfalls in die Obhut seiner Eltern entlassen worden, nachdem Professor Teva Saren, ihres Zeichens Expertin für Androiden, und Chief-Techniker Ayora ihr OK gegeben und ihn als gesellschaftsfähig erachtet hatten. Aufgrund seiner Entstehungsgeschichte war dies auch sicher ein korrekter Schritt gewesen. Man musste ja schließlich genau untersuchen, womit man es hier zu tun hatte, bevor die Verantwortlichen ihn auf die Menschheit loslassen würden, aber alles war in Ordnung.

Ich fand es sehr gut, dass sich Novus offensichtlich so gut in die Kindergruppe integriert hatte und dass offensichtlich keines der Kinder Angst vor ihm zu haben schien. Im Gegenteil! Meinen Beobachtungen zufolge war es sogar so, dass sie sich darum rissen, ihn in ihrem Team zu haben, oder einfach nur einzeln mit ihm zu spielen. Er schien sogar einen Freund in Malcolm gefunden zu haben! Ausgerechnet in Malcolm, der ja an sich sehr ängstlich war, wenn man bedachte, was er erlebt hatte. Aber gerade er setzte sich jetzt mit einer riesigen Tüte Gummibärchen und gemeinsam mit Novus auf eine Bank, die nah bei dem Tor zum Stadtpark lag, das an die Sisko Road, in der ich lebte, grenzte. Dann hörte ich das Rascheln der Tüte und schloss, dass er einige Bärchen herausgenommen haben musste. Diese musste er Novus jetzt hingehalten haben. Jedenfalls ließ seine Frage an den Androiden keinen anderen Schluss zu: „Willst du auch?“ „Ich kann nicht essen.“, hatte Novus ruhig und sachlich entgegnet. Dabei war mir aufgefallen, dass er eine sehr kindliche Stimme verwendet hatte, die zwar seinem Alter entsprach, allerdings alles, was ich bisher über Androiden wusste, lügen strafte. Ich konnte mich an meinen Geschichtsunterricht auf der Akademie noch sehr gut erinnern und wusste, dass Data wohl von Anfang an eine erwachsene Stimme gehabt haben musste. Auch die von Lal war eigentlich immer sehr erwachsen gewesen. Aber schließlich war Novus’ Mutter, Cupernica, eine Androidin aus einer fremden Dimension. Es konnte also theoretisch alles möglich sein. Vielleicht würde Novus’ Programmierung seine Stimme im Laufe seines Lebens einfach an sein Alter anpassen. Wenn dies stimmte, war es sicher ein Umstand, der ihm die Integration in diese Kindergruppe sehr erleichtert hatte.

Malcolm musste die Bärchen inzwischen in seinen eigenen Mund gesteckt haben, denn er schmatzte: „Du Armer! Die schmecken nämlich echt gut.“ Dann schluckte er herunter und fragte seinen Freund: „Hast du auch das komische Lied neulich gehört, dass sie im Fernsehen gespielt haben? Ich meine das über den verliebten Mann, der eine Granate fangen würde für seine Freundin. Meine Eltern haben eine Sendung über alte Musik geguckt und da kam es vor. Dann habe ich meinen Vater gefragt, was eine Granate ist. Ich dachte, er muss das wissen, weil er mit alten Sachen arbeitet. Er hat gesagt, eine Granate ist eine alte Waffe gewesen. Die war ganz doll gefährlich. Wenn man die abkriegte, dann konnte man sterben oder wurde ganz doll verletzt. Wenn das bedeutet, dass ich sterben muss, wenn ich mich verliebe, dann möchte ich mich nie verlieben!“ Ein verzweifeltes Weinen drang an mein Ohr. Dann hörte ich Novus antworten: „Irgendwas passt hier sowieso nicht zusammen. Wenn der Mann tot ist, weil er durch die Granate gestorben ist, dann lässt er doch die Frau traurig zurück. Jemand, der jemanden liebt, will doch nicht, dass ihr Leid geschieht. Ich an deren Stelle hätte also einfach den Spaziergang durch ein Kriegsgebiet vermieden. So etwas zu tun ist nämlich sehr dumm und sehr gefährlich! Aber ich weiß, zu wem wir gehen können, um dieses Problem zu lösen.“

Er stand auf und nahm Malcolm bei der Hand. Dann ging er mit ihm auf mein Haus zu. Er wusste, dass ich sehr gut erklären konnte, hoffte also, dass ich in der Lage wäre, diesen Datenkonflikt beizulegen. Tatsächlich waren die Jungen auch bald angekommen und standen mir jetzt außerhalb der Brüstung meiner Terrasse gegenüber. „Haben Sie einen Moment Zeit, Mrs. Scott?“, fragte Novus, der, wie alle fremden Zivilisten, meinen Nachnamen verwendete, wenn er mich ansprach. Er war zwar der Sohn zweier Sternenflottenoffiziere, galt aber, weil er ein Kind war, das ja noch keinen Beruf ergriffen hatte, noch als Zivilist. Ob er in die Fußstapfen seiner Eltern treten würde, würde sich noch herausstellen, wenn es Zeit dafür war. Im Gegensatz zu allen anderen Kindern in seinem Alter, die mich Tante Betsy nannten, war seine doch sehr erwachsen klingende Anrede wohl dem Umstand geschuldet, dass er Androide war. „Oh, sicher.“, sagte ich und lächelte. Da ich einen Großteil mitbekommen hatte, war mir sehr schnell klar geworden, dass sie meine Hilfe brauchten, wenn die Sache nicht komplett in die falsche Richtung laufen und ein Trauma bei Malcolm auslösen sollte. Novus war in diesem Fall, auch wenn er ein paar Jahre älter als Malcolm war, sicher kein passender großer Freund, um so eine Frage beantworten zu können.

Ich berührte mit dem Finger einen Sensor, der den Hausrechner anwies, die Tür in der Brüstung zu öffnen. Dann winkte ich Novus und Malcolm zu mir herein. Wenig später setzten wir uns an den Tisch. „Ich hole uns mal eben was, damit wir es gemütlicher haben.“, sagte ich und drehte mich in Richtung meines Wohnzimmers. „Ich würde sagen, zweimal eine heiße Schokolade und einen Akku.“ Malcolm musste grinsen, aber Novus sagte: „Ich habe keinen Bedarf, meine Energievorräte aufzufrischen, Mrs. Scott.“ „Sie hat einen Witz gemacht, du Dummi!“, sagte Malcolm. „Manno, wann verstehst du das endlich!“

Ich war mit dem Tablett, auf dem ich die replizierten Tassen mit der heißen Schokolade hatte, zu den Kindern zurückgekehrt. „Tante Betsy?“, fragte Malcolm entrüstet. „Mein Vater sagt, Novus is’ ganz doll schlau. Aber er versteht nich’, wenn ich einen Witz mache. Dabei is’ das doch babyleicht!“ „Für uns ja.“, sagte ich, während ich eine Tasse vor ihm abstellte. „Aber der Computer in eurem Haus kann auch keine Witze verstehen, wenn man es ihm nicht sagt. Du weißt, dass Novus so was wie ein Computerkind ist. Er muss jeden Witz als einen Solchen erkennen lernen. Aber dabei können wir ihm helfen. Dass müssen wir sogar, damit es keine Missverständnisse gibt.“ „Aber wenn Novus das nicht kann.“, sagte Malcolm. „Dann hat er da ja eine Behinderung wie du, Tante Betsy. Ich meine, du kannst ja auch manches nich’ verstehen, weil du es nich’ sehen kannst. Aber dann fragst du jemanden.“ „Genau.“, sagte ich. „Und das Gleiche kann Novus auch machen. Aber ich glaube, wir sind schon mitten im Thema, nicht wahr?“ „Exakt, Tante Betsy.“, sagte Novus, der seine Sprechweise jetzt wohl der von Malcolm angepasst hatte, weil er dies wohl wegen der Integration am besten fand. „Eine Information hat einen Datenkonflikt bei mir ausgelöst. Wenn ein Mann durch eine Granate stirbt, der in eine Frau verliebt ist, lässt er sie trauernd zurück. Trauer ist keine sehr positive Emotion. Die verursacht Leid. Aber das ist etwas, das ein Liebender doch eigentlich nicht wollen kann, oder? Meiner Ansicht nach ist es sowieso klüger, wenn das Paar erst gar nicht durch ein Kriegsgebiet läuft, um einen romantischen Spaziergang zu machen. Dann werden beide überleben! Malcolm hat Angst, dass er sterben muss, sollte er sich einmal verlieben.“ „Ach du meine Güte!“, rief ich aus, korrigierte mich aber sofort wieder, denn ich wusste genau, dass ich bei dieser Konstellation nichts anderes erwarten konnte. Ihre Reaktionen waren schließlich die logische Konsequenz aus den Tatsachen, dass der eine ein 6-jähriges Kind und der andere eine künstliche Lebensform war. Etwas anderes war schlicht und ergreifend nicht zu erwarten und wäre auch ein Wunder gewesen. „Es tut mir leid.“, sagte ich und senkte beschwichtigend den Kopf. „Ihr könnt es ja nicht besser wissen. Aber ich bin ja jetzt hier und werde mal versuchen, es euch zu erklären.“ „Aber vorher solltest du deinen Mann rufen.“, sagte Malcolm mit viel Sorge in der Stimme. „Neulich hatte der Computer in unserem Haus auch einen Datenkonflikt und Mummy hat einen Techniker geholt. Dein Mann is’ doch auch einer!“ „Ich glaube nicht, dass wir einen brauchen, Malcolm.“, tröstete ich. „Aber wenn es dir hilft, können wir Onkel Scotty ja mal fragen. Komm!“

Ich nahm ihn bei der Hand und wir gingen in mein Wohnzimmer zu meinem Sprechgerät. Hier gab ich Scottys Rufzeichen auf Celsius ein. „Hey, Darling!“, kam es flapsig zurück. „Was verschafft mir die Ehre?! Is’ das neben dir nich’ der kleine Malcolm?“ Ich drückte den Sendeknopf und nickte. Dann sagte ich: „Scotty, wir haben hier einen Androiden mit einem Datenkonflikt. Er hat widersprüchliche Daten über etwas. Ich denke zwar, dass ich ihm auch allein helfen kann, aber Malcolm sorgt sich. Der Androide ist Novus und die zwei haben sich angefreundet.“

Scottys Antwort erahnend überprüfte ich noch einmal, ob ich das Sprechgerät auch wirklich auf Lautsprecher gestellt hatte, damit der Junge die Antwort auch würde hören können. „Kann er noch zuhören?“, fragte Scotty. Ich gab bei gedrücktem Sendeknopf nur einen bestätigenden Laut von mir. „Dann is’ es nur ’n leichter Konflikt.“, sagte Scotty. „Das kriegst du auch allein hin, Darling, so wie du gebaut bist. Du kannst doch so gut erklären. Da sehe ich überhaupt keine Probleme!“ „Danke, mein Schatz.“, sagte ich, bevor ich dem Mikrofon in Ermangelung seines Mundes noch einen dicken Kuss gab und die Verbindung beendete.

Malcolm hatte sich aus der angespannten Haltung, die er eingenommen hatte, wieder gelöst. „Wenn dein Mann das sagt, dann werde ich ihm glauben.“, sagte der 6-Jährige. „Das kannst du auch.“, sagte ich zuversichtlich. „Er ist ja schließlich ein Techniker, wie du schon festgestellt hast. Aber nun lass uns mal zu Novus zurückgehen. Schließlich muss ich euch noch was erklären und die Schokolade wird kalt. Dann bildet sie eine fiese Haut und die mag ich nicht.“ „Bääää!“, machte Malcolm. „Die mag ich auch nich’.“

Wir gingen also zu Novus zurück. Das Bild, das sich uns aber dort bot, schien zunächst sehr merkwürdig. Der Androide saß am Tisch und hatte in der einen Hand meine Tasse und in der anderen die von Malcolm. Beide Tassen dampften noch immer. Das kam mir zuerst sehr merkwürdig vor. „Was machst du da, Novus?“, fragte ich. „Du bist eingeladen zu fühlen, Tante Betsy!“, antwortete Novus fast vornehm und ich glaubte sogar, etwas Stolz in seiner Stimme vernehmen zu können. Ich begann also damit, ihn und die Tassen zu betasten. Dabei fiel mir auf, dass seine Hände sehr warm waren. Er musste mit Hilfe seines Temperaturregelungssystems die Temperatur in den Tassen stabil gehalten haben, so dass sich keine Haut bilden konnte. „Klasse, Novus!“, lobte ich und lächelte. Dann strich ich ihm mit der rechten Hand über die Schulter. Dabei fiel mir auf, dass er genau so klein wie ein durchschnittliches Kind seines Alters war. Aber ich erinnerte mich, dass Data von Anfang an die Größe eines erwachsenen Mannes gehabt hatte, als Dr. Soong ihn erschaffen hatte. „Ich denke, ich muss dir etwas erklären, Tante Betsy.“, nahm Novus meine Frage vorweg. „Alle Verstrebungen und Gelenke in meinem Körper sind so ausgelegt, dass ich durch deren Verlängerung auf die jeweils meinem Alter angepasste Größe wachsen kann. Dies erfolgt hydraulisch und wird über eine Software gesteuert, auf die ich keinen aktiven Zugriff habe. Dies ist an mein Altern gekoppelt. Wenn ich 18 Jahre alt bin, werde ich aufhören zu wachsen. Das sagt zumindest meine Mutter, von der ich diese Hard- und Software geerbt habe. Meine Mutter zu bitten, sie zu aktivieren, war der Vorschlag meines Vaters, um mich besser in die Gesellschaft der Kinder hier integrieren zu können.“ Ich staunte. „Wenn du also einen Wachstumsschub hast.“, sagte ich. „Dann surrst du wegen der Pumpen.“ „Das ist korrekt.“, sagte Novus. „Aber was ist mit deiner Haut?“, fragte ich. „Du bist eingeladen, mich zu kneifen.“, sagte der Androide höflich. „Dann wirst du es im wahrsten Sinne des Wortes begreifen.“ Zaghaft kniff ich ihn in den rechten Arm. Natürlich wusste ich, dass er keinen Schmerz im eigentlichen Sinne empfand, konnte mir aber denken, dass jeder Sensor in seinen Systemen bestimmt bei Beschädigung derselben eine Warnung aussprechen würde. „Deine Haut ist extrem dehnbar.“, stellte ich fest. „Jetzt verstehe ich. Sie wird quasi mitwachsen.“ „Korrekt.“, nickte Novus.

Ich setzte mich wieder auf meinen Platz und nahm ihm die Tassen ab, die ich wieder an Malcolm und mich verteilte. Dann sagte ich: „Jetzt hast du mir was erklärt, Novus, also bin ich jetzt ja wohl dran. Also. Die Sache mit der Granate in dem Lied ist nur ein Symbol. Natürlich weiß der Mann, dass er sterben wird, wenn er sich einer Granate entgegen wirft. Aber er will seiner Freundin damit nur sagen, dass er alles für sie tun würde. Mit Krieg hat das nichts zu tun, wie du irrtümlich geschlossen hast, Novus, und sterben muss man auch nicht, wenn man sich verliebt, Malcolm. Ach! Die menschlichen Sprachen sind voller Symbole!“ „Das musst du, als ausgebildete Kommunikationsoffizierin, ja wissen, Tante Betsy.“, sagte Novus. „Aber wie soll mir das helfen? Malcolm ist ein Mensch. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass er diese Dinge irgendwann erkennt, wenn sein Gehirn dazu ausgereift genug ist. Aber ich werde das nie verstehen können.“ „Nein, Novus!“, widersprach ich energisch und benutzte mit Absicht ebenfalls erneut ein Symbol: „Da bist du aber auf dem Holzweg!“ „Ich sehe keinen Weg aus Holz.“, sagte Novus. „Obwohl ich davon ausgehe, dass du eine Brücke oder einen Steg beschrieben hast. Beides ist aber hier nicht vorhanden. … Ah! Ein Symbol! Du meinst, dass ich die Situation falsch interpretiere. Schließlich kann eine Brücke oder ein Steg leicht morsch werden und dann brechen, weshalb er dann nicht zum Ziel führen könnte.“ „Richtig.“, sagte ich lächelnd und klatschte in die Hände. „Und damit hast du dir selbst gerade widersprochen, Novus. Du musst nicht jedes Symbol einzeln lernen. Du musst nur diese Routine, die dich das alles hinterfragen lässt, aktiv lassen, auch wenn sie hin und wieder einen Datenkonflikt auslösen sollte. Die Logik wird dir dann helfen zu erkennen, ob es sich um ein Symbol handelt. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer!“

Novus überlegte eine Weile. Er hatte die kleine versteckte Aufgabe, die ich ihm gestellt hatte, durchaus als eine Solche erkannt. Dann sagte er: „Nach sorgfältiger Auswertung meiner Daten, Tante Betsy, komme ich zu dem Schluss, dass dies wiederum ein Symbol ist. Du bist nicht als jemand bekannt, der sich mit Absicht gefährden würde.“ Erneut lächelte ich ihm zu. „Das sollten wir dem komischen Opa erklären.“, sagte Malcolm und sprang auf. „Der stellt nämlich auch immer so komische Fragen! Komm, Tante Betsy! Wir zeigen ihn dir!“ Damit zogen sie mich auf die Beine und von meinem Grundstück, noch ehe ich mich versah. Ich ahnte ja noch nicht, wo hin dies noch führen sollte.

Es ging über die Straße und dann in den Stadtpark. Hier führten mich die Kinder zu einer künstlerischen Installation eines demetanischen Künstlers, die aus einer bizarr anmutenden Reihe von künstlichen Felsen bestand, die sich mit bunten Glassteinen abwechselten und somit je nach Lichteinfall ein immer anderes Bild boten. Auf einem der Felsen saß ein alter Mann. Er war grauhaarig, wie Novus mir beschrieb und trug einen etwas abgewetzten Anzug. Dazu hatte er an seinen Füßen graue Filzpantoffeln. Er war von kleinem Wuchs und hatte einen etwas unordentlich anmutenden Bart. Seinen Kopf zierte eine Halbglatze. Seine Haut war schon leicht faltig. Über seinem Nacken lag, wie ein lebendiger schwarzer Fellkragen, Caruso, dessen Anwesenheit mir durch sein lautes Schnurren verraten wurde. Ich wusste, dass der Kater gern mit jedem schmuste, der nicht schnell genug weglief, aber dass er sich sogar an völlig fremde Leute heranschmiss, war mir neu.

Malcolm zog mich näher zu dem Alten, dem er mich dann höflich vorstellte: „Opa Sidar, dass is’ Tante Betsy. Sie kann super erklären!“

Etwas hatte mich unwillkürlich den Kopf herumwerfen lassen. „Was hast du, Tante Betsy?“, fragte Novus. „Oh, nichts, gar nichts.“, stammelte ich, was aber nicht ganz der Wahrheit entsprach, denn ich hatte den Namen des alten Mannes durchaus als einen eventuell tindaranischen Namen erkannt. Es konnte auch ein Name aus einer ähnlich klingenden Sprache sein, denn ich wusste, dass es zwei Schwestervölker zu den Tindaranern geben sollte. Die Existenz des einen hatte ich ja bereits bewiesen. Der Beweis dafür, dass die Saloraner existierten, war zweifelsfrei Lycira, die ich ja von einem von ihnen geerbt hatte. Die Existenz des zweiten Volkes, der Nidari-Travelers, war aber noch nicht bewiesen und die Tindaraner hielten sie wohl immer noch für einen Mythos.

Sidar erhob sich schwerfällig und kam auf mich zu. Dann gab er mir seine knochige rechte Hand und meinte: „Angenehm, Mrs. Betsy. Ich muss Ihnen etwas gestehen. Ich bin Telepath und habe Sie und die Jungen beim Interagieren beobachtet. Dazu musste ich leider in deinen Kopf, Malcolm. Ich hoffe, das ist nicht schlimm.“ Malcolm schüttelte lächelnd den Kopf. Dann sagte er: „Ich vertrau’ dir, Opa Sidar.“ Da war er schon wieder gefallen, jener Name, der mich, als ausgebildete Kommunikationsoffizierin, aufhorchen lassen hatte. Ich holte tief Luft, richtete mich vor Sidar auf und fragte in korrekter tindaranischer und saloranischer Anredeweise gerade heraus: „Bist du Tindaraner oder Saloraner?“ „Nein.“, lächelte Sidar. „Die beiden Völker sind ein Mythos! Zumindest nach unserem bisherigen Wissen. Ich bin ein Nidari-Traveler. Wir sind allerdings immer auf der Suche nach neuen Freundschaften und einige von uns glauben auch an die Existenz der Tindaraner und der Saloraner. Aber das ist bisher noch nie bewiesen worden. Wenn wir allerdings zu jemandem einen ersten Kontakt aufbauen, dann müssen wir zunächst viel über das Volk erfahren. Es gibt viele Rätsel über das Deine, die du mir vielleicht beantworten kannst, wenn du wirklich so gut erklären kannst, wie der Junge meint. Fangen wir doch einmal hiermit an.“

Er reichte mir ein Pad, dessen Computer mir einige Stellen aus den wichtigsten Büchern der fünf größten Weltreligionen vorlas. Dann sagte er: „Ich habe schon viele Völker kennen gelernt. Dein Volk ist wissenschaftlich heute schon sehr weit und ihr könnt vieles widerlegen, was hier gesagt wird. Glaubst du wortwörtlich an das hier?“ „Nein.“, sagte ich diplomatisch. „Ich persönlich denke, dass vieles, das hier steht, sicher im Kontext der Zeit zu sehen ist, in der die Bücher geschrieben wurden. Vieles ist sicher nur im übertragenen Sinne und symbolisch zu betrachten. Nehmen wir mal die Stelle, an der ein Blinder von dem Sohn unseres Gottes sein Augenlicht wiederbekommen haben soll. Ich persönlich glaube eher, dass er gelernt hat, mit dem Geist zu sehen. Ich meine damit, dass ihm gesagt wurde, dass er ja noch ganz andere Sinne zur Verfügung hat, die ihm einiges sagen können. Blinde galten zu der Zeit, aus der das Buch stammt, als dumm und nichts nütze. Wenn so jemandem aber jemand beibrachte, Ohren, Hände und den Geschmacks- und Geruchssinn richtig einzusetzen, konnte man schon zurechtkommen, indem man sich so im Kopf ein eigenes Bild von der Welt machte. So etwas wurde natürlich zu der Zeit nicht gemacht, aber …“

Sidar lächelte mir zu, zog mich neben sich auf den Felsen und sagte dann: „Auch du hast einen sehenden Geist, auch wenn deine Augen blind sind. Nur jemand, der einen Solchen hat, kann so etwas erkennen. Das ist unser Kriterium Nummer eins, wenn es darum geht, mit einem Volk einen ersten Kontakt zu knüpfen. Das muss ich unbedingt den anderen Forschern mitteilen!“

Ein Sausen erfüllte die Luft und dann beschrieb mir Novus ein silbernes Licht, das von Sidar aufstieg. Dies machte Malcolm wiederum solche Angst, dass er die Hand des Alten griff und schrie: „Was passiert mit dir, Opa Sidar?! Ich hab’ Angst! Tante Betsy! Hilfe!!!“

Ich konnte nichts tun. Ich saß da und konnte nichts tun. Meinen Erfasser hatte ich nicht bei mir, sonst hätte ich sicher einen ganz anderen Einblick in die Situation gehabt. Aber wer konnte denn schon ahnen, dass ich ihn benötigen würde? Mir ging außerdem etwas anderes nicht aus dem Kopf. Einen sehenden Geist zu haben, dieses geflügelte Wort kannte ich ebenfalls aus dem Tindaranischen. Es bezeichnete dort jemanden, der sehr intelligent war und der es verstand, die Welt auf eine sehr weitsichtige Weise zu verstehen. Jemand zum Beispiel, der nicht vorschnell urteilte, sondern sich erst alle Informationen holte und alle Konsequenzen, soweit es möglich war, zunächst bedachte. Das war schon wieder so eine Parallele zu den Tindaranern!

Novus fasste plötzlich meine linke Hand und führte sie auf die von Malcolm und Opa Sidar. Mir fiel sofort auf, dass die Hand des Alten irgendwie versteinert wirkte. Seine und die Finger des Jungen waren aber so ineinander verschlungen, dass sie wohl nicht zu trennen waren, wenn uns nichts einfiel. Wenn der Kristallisierungsprozess so weiter andauerte, würde man die Beiden nur noch operativ trennen können. Ich wusste, dass der Prozess, zumindest bei Tindaranern, ein Teil des Sterbens war, aber das durfte ich dem stark zitternden Malcolm nicht sagen. Er hatte schon Angst genug.

Jemand hatte uns beobachtet. Es war ein Passant, ein demetanischer Tourist, der sich uns jetzt näherte und in radebrechendem Englisch fragte: „SITCH?“ Er schien sehr aufgeregt und war deshalb wohl nicht in der Lage, einen Universalübersetzer geschweige denn ein Sprechgerät zu bedienen. Ich nickte und deutete auf mein Haus. Dann winkte ich ihm und Novus, mir zu folgen. Der Demetaner lehnte jedoch ab: „Nein, ich bleib’ bei Kind! Kind Angst. Ich trösten!“ Ich wandte mich deutlich um und sagte langsam und freundlich: „OK.“ Dann gingen Novus und ich in Richtung meines Hauses. Hier sagte ich: „Wir verständigen den Notruf! Aber du holst auch deine Mutter!“ Der Androide zog ein Haftmodul aus der Tasche. „Darf ich es an dein Sprechgerät anschließen?“, fragte er. „Dann kenne ich nämlich einen sehr effizienten Weg, meine Mutter zu verständigen.“ Ich nickte ihm nur erleichtert zu.

In Cupernicas Praxis waren Oxilon, ihr talaxianischer Assistent und Cupernica selbst gerade dabei, die letzten Nachbereitungen des Tages zu treffen. Auch einige Patienten waren noch im Wartezimmer, aber das waren allesamt leichte Fälle, die meistens wegen ihrer jährlichen Untersuchung gekommen waren. „Ich habe die Proben für das Labor auf Platonien in die Frachtbehälter verpackt.“, sagte Oxilon. „Sehr gut, Mr. Oxilon.“, lobte seine Vorgesetzte. „Dann können Sie ja gleich noch …“

Sie hatte innegehalten und war stocksteif sitzen geblieben. Wer Cupernica kannte, wusste, dass sie jetzt gerade wohl eine Übermittlung in F-14-Code empfangen haben musste. „Was ist geschehen, Ma’am?“, fragte der wache und stets leicht aufgeregte Talaxianer.

Cupernica stand von ihrem Stuhl auf und sagte nur: „Schicken Sie die leichten Fälle nach Hause, Mr. Oxilon! Wir haben einen Notfall!“ Dann ging sie in Richtung der hinteren Räume der Praxis, wo sich die Umkleideräume für das Personal befanden, zog eine Jacke über ihren weißen Kittel, nahm ihren Arztkoffer und war aus der Tür. Oxilons Abnicken ihrer Anweisung hatte sie schon nicht mehr mitbekommen, aber das war auch nicht weiter wichtig für sie gewesen, weil sie dies ohnehin vorausgesetzt hatte. Dann führte Cupernicas Weg sie zu ihrem Jeep, in den sie stieg und mit dem sie dann in Richtung Stadtpark davon brauste.

Huxleys waren auf dem Weg zu einem romantischen Stelldichein. Sie hatten vor, den Tag, an dem sie zusammengekommen waren, eigentlich wie jedes Jahr, auch in diesem Jahr wieder an ihrem Lieblingsplatz im Stadtwald von Little Federation zu feiern. Hierzu hatten sie sich ein Picknick repliziert, das sich in einem Korb auf dem Rücksitz ihres weinroten Jeeps befand, der jetzt leise, weil elektrisch mit Solarstrom betrieben, auf seinem Antriebsfeld, das ihn etwa 20 cm über der Straße schweben ließ, dahin glitt. „Ich finde es sehr gut, dass du es heute mal erübrigen kannst, mit mir einen ganzen Tag zu verbringen, Jinya.“, sagte Jaden und beugte sich zu ihr, die den Jeep fuhr, herüber, um sie zu küssen. Wer Huxleys länger beobachtet hatte und nicht viel über die Natur ihrer Beziehung wusste, konnte meinen, sie würden sich bald scheiden lassen, so oft, wie sie sich stritten. Aber es war wohl so bei ihnen: Sie küssten und sie schlugen sich. Allerdings letzteres Gott sei Dank nur im übertragenen Sinne. „Irgendwann brauche ich ja auch mal einen freien Tag, Jaden.“, gab die Demetanerin ruhig zurück. „Und ich verbringe ihn auch am liebsten mit dir!“

Sie hatte kaum ausgesprochen, als ein Geräusch von ihrem Handgelenk beide aufhorchen ließ. „Sag mir bitte nich’, du hast deinen Pager um.“, sagte Jaden und bekreuzigte sich dreimal, was sonst eigentlich nicht die Art des Amerikaners war, der eigentlich sehr salopp und wie ein typischer Cowboy herüber kam. Sedrins Meinung nach hatte er viel mit Captain Archer gemeinsam, aber sie seiner Meinung nach ebenso viel mit T’Pol. So zog man sich des Öfteren wohl gegenseitig auf. „Tut mir leid, Jineron Terraneron.“, beschwichtigte Sedrin, die jetzt erst merkte, dass sie das Gerät wohl beim Verlassen des Hauses noch schnell angelegt haben musste. „Die Macht der Gewohnheit.“

Sie sah starr auf das Display auf dem Armaturenbrett, denn das Verkehrsaufkommen auf der Landstraße zum Wald war dichter geworden. „Könntest du mal nachsehen, wer da was von mir wollen könnte?“, fragte sie dann in Jadens Richtung. Genervt nickte der Terraner und warf einen Blick auf das Display ihres Pagers. Dann sagte er: „Es ist die Notrufzentrale. Er sagt, das war schon der dritte Versuch.“ „Kelly weiß doch, dass ich frei habe.“, wunderte sich Sedrin. „Was kann so dringend sein, dass sie mich trotzdem anpiept?“ „Was weiß denn ich!“, flapste Jaden.

Wieder ertönte das Signal des Gerätes. „Verdammt, Kelly.“, zischte Sedrin. „Ich kann jetzt nicht reden!“ „Ich bin im Weg, was?“, fragte Jaden. „Dabei solltest du vor mir doch keine Geheimnisse haben. Ich bin Sternenflottenoffizier wie du.“ „Aber du bist kein Geheimdienstler und arbeitest nicht für die Abteilung für feindlichen außerirdischen Einfluss. Auf der Eclypse war die Situation anders, weil …“, erwiderte sie, aber er fiel ihr ins Wort: „Schon kapiert.“, sagte Jaden. „Also gut. Halt bitte bei nächster Gelegenheit an und schmeiß mich raus. Ich finde schon nach Hause. Tja, aus unserem romantischen Picknick wird wohl nichts.“ Sedrin nickte, lenkte den Jeep nach rechts und stoppte ihn am rechten Fahrbahnrand. Dann deutete sie auf die Beifahrertür, die sie vorher per Knopfdruck geöffnet hatte. „Verstehe schon.“, sagte Jaden und stieg aus. Kaum hatte er jedoch das Fahrzeug verlassen, schloss sich die Tür wieder und Sedrin reaktivierte den Antrieb. Der Jeep schnellte herum und raste in Gegenrichtung davon. Für Sedrin, die kein Fahrsicherheitstraining ausgelassen hatte, waren solche Manöver kein Problem. Nur Jaden hatte ihr noch ziemlich irritiert hinterher gerufen: „Jinya, du hast noch unseren Picknickkorb hinten drin!“ Sedrin hatte dies aber wohl völlig ignoriert.

Ihre Fahrt führte die aufgeregte Demetanerin jetzt wieder in Richtung Innenstadt, wo sich das Polizei- und Geheimdienstgebäude befand. Hier stellte sie den Jeep ab und wollte gerade in Richtung Eingang hasten, als sie von einer kleinen zierlichen Gestalt in Agentenuniform aufgehalten wurde, die sie mit Namen ansprach: „Agent Sedrin Taleris-Huxley?“ „Wer will das wissen?!“, fragte Sedrin unwirsch. Erst jetzt drehte sie sich um und musterte die Frau genauer. Sie maß ca. 1,50 m, war von zierlichem Wuchs und hatte kurze schwarze Locken. Sedrin hatte den Eindruck, dass sie gerade erst ihre Prüfung hinter sich hatte. „Mein Name ist Kate Malcovich.“, stellte sie sich mit ihrer hellen sehr lieb klingenden Stimme vor. „Ich bin Ihre neue Partnerin.“ Ach du liebe Zeit!, dachte Sedrin. Da schickt mir Tamara ein halbes Kind!

Die Fremde drehte sich jetzt in Richtung Jeep. „Lassen Sie uns fahren.“, schlug sie vor. „Davis hat mir einen kurzen Abriss gegeben.“ „Also gut.“, sagte Sedrin. Dann stiegen beide Frauen in das Fahrzeug und Sedrin setzte es mit einem Blitzstart in Bewegung. „Also.“, wendete sie sich dann an die neben ihr sitzende Kate. „Zuerst einmal habe ich mich bisher mit all meinen Partnern geduzt und würde das gern bei dir auch so halten, wenn du nichts dagegen hast, Kate.“ „Nein.“, sagte Malcovich schnell. „Das ist ja sowieso so bei dir, weil du Demetanerin bist. Da sind wir auch schon mitten drin. Davis sagt, es gibt einen Notfall im Stadtpark. Es wird außerirdischer Einfluss vermutet. Ob der nun feindlich oder freundlich ist, ließ sich nicht wirklich feststellen. Es sind wohl auch Kinder involviert. Es gibt wohl ein medizinisches Problem. Cupernica ist verständigt. Außerdem gibt es einen demetanischen Zeugen, der wohl kaum Englisch spricht. Melderin ist Allrounder Betsy Scott.“

Sedrin ließ hörbar die Luft aus ihren Lungen entweichen. dann verlangsamte sie auch das Fahrzeug. Die Tatsache, dass bereits eine Sternenflottenoffizierin vor Ort war, musste ihr sehr große Erleichterung verschafft haben. „Hör mal, Kate.“, sagte sie. „Das ist die beste Information, die ich heute bekommen habe. Aber nun mal zu dir. Du bist also meine neue Partnerin?“ Malcovich nickte. Dann sagte sie: „Tamara fand das wohl am besten. Außerdem hörte ich, du hättest schon zwei männliche Partner verschlissen.“ „Ich habe sie nicht verschlissen!“, sagte Sedrin energisch. „Der eine war ein Verräter und der andere mit seinem Beruf hoffnungslos überfordert!“ „Entschuldigung.“, sagte Kate und sah sie beschwichtigend an. „Schwamm drüber.“, beruhigte Sedrin. „Ich weiß ja, was über mich für Gerüchte im Umlauf sind.“

Kapitel 2: Spurensuche

von Visitor

 

Sie bogen auf den Parkplatz in der Nähe des Stadtparks ein, wo Sedrin bereits den Jeep der Ärztin erblickte. „Cupernica ist schon da.“, sagte sie. Dann stellte auch sie ihren Jeep ab und winkte Kate: „Komm!“

Novus und ich waren zu Malcolm und dem versteinerten Sidar zurückgekehrt. Malcolm hatte inzwischen sogar zu weinen begonnen, denn die Situation war für ihn mit seinen sechs Jahren wohl sehr beängstigend. „Warum wird er zu Stein, Tante Betsy?!“, fragte er verzweifelt. Natürlich konnte ich ihm unmöglich sagen, was ich vermutete. Es würde ihn ja nur noch mehr ängstigen und wenn er versuchen würde, seine Hand aus der des alten Mannes zu ziehen, könnte er, so wie die Dinge jetzt lagen, sich unter Umständen sogar verletzen. Deshalb log ich: „Ich weiß es nicht, Malcolm.“

Novus wandte sich plötzlich meinem rechten Ohr zu und flüsterte hinein: „Tante Betsy, der Demetaner nimmt jetzt Malcolms freie Hand und führt sie zu Caruso.“ Erst jetzt fiel mir auf, dass der Kater immer noch laut schnurrend über der Schulter des Alten lag. Das sagte mir, dass das, was hier gerade passiert war, nichts Negatives sein konnte, denn dann hätte er sicher ganz anders reagiert. Wenn etwas Böses im Busch wäre, reagierten Tiere eigentlich damit, sich so schnell wie möglich vom Ort des Geschehens entfernen zu wollen. Aber Caruso war einfach liegen geblieben. Er stand jetzt nur auf und balancierte auf dem Arm des Mannes entlang, bis er auf Malcolms Arm landete. Dann ließ er sich auf dessen Schoß nieder und rollte sich zusammen. Immer noch schnurrte er laut dabei. Es war kein Beschwichtigungsschnurren, sondern ein tiefes und ausgedehntes Wohlfühlschnurren. Die Situation war ihm also nicht unangenehm. „Wenn du keine Angst hast, Caruso.“, sagte Malcolm, nachdem ihm der Demetaner ein Taschentuch gereicht und ihm geholfen hatte, seine Tränen zu trocknen. „Dann hab’ ich auch keine mehr.“

Sedrin hatte Cupernica erspäht, die auch ihrerseits Notiz von der Anwesenheit der Agentin genommen hatte. Jetzt ging sie auf ihre ehemalige Vorgesetzte zu. „Da sind Sie ja, Agent.“, sagte sie. „Und wer ist das?“ „Ich bin Agent Kate Malcovich.“, stellte sich die Fremde vor. „Sie ist meine neue Partnerin.“, fügte Sedrin bei. „Ah ja.“, sagte die Androidin und gab Kate die Hand: „Sehr erfreut, Agent Malcovich.“

Sie machte einige forsche Schritte in Richtung des Parks. Dann sagte Cupernica: „Ich bin im Bilde, was die medizinische Situation angeht. Mein Sohn war so frei, mir nicht nur die Bilder, sondern auch Malcolms medizinische Werte und die des Fremden zu senden. Wir müssen uns aber beeilen, da die Leitfähigkeit seiner Nerven immer weiter abnimmt, je mehr sein Körper kristallisiert. Wenn wir zu lange warten, kann ich mit dem Stimulator nichts mehr ausrichten und werde operieren müssen.“ „Langsam, Cupernica!“, sagte Sedrin. „Welcher Fremde und was ist hier los? Anscheinend wissen Sie durch Novus mehr, als wir alle zusammen.“ „Bestätigt.“, sagte die Androidin. „Aber nun folgen Sie mir bitte. Jede Sekunde ist jetzt kostbar.“ „Logisch.“, sagte Sedrin, die sich nicht anmerken lassen wollte, wie verwirrt sie durch Cupernicas Angaben war. Dann winkte sie Kate und es ging im Gänsemarsch hinter Cupernica her. „Laufen deine Fälle immer so ab?“, fragte Kate irritiert. „Die Meisten ja.“, antwortete Sedrin. „Du wirst dich noch an einiges Schräge gewöhnen müssen hier in Little Federation.“ „Na dann!“, sagte Kate und lächelte zuversichtlich, was Sedrin wiederum in erleichtertes Erstaunen versetzte.

Sie waren am Ort des Geschehens angekommen. Sofort erblickte Cupernica ihre Wirkungsstätte. Aber auch ich hatte längst bemerkt, wer da angekommen war. „Hallo, Cupernica.“, begrüßte ich sie erleichtert. „Oh und hallo Agent Sedrin. Wer ist da denn bei Ihnen?“ „Wie in Mutter Schicksals Namen haben Sie …?“, fragte Sedrin fast stammelnd. „Ich kenne Ihren Schritt und den des Scientist, Agent.“, sagte ich. „Das wissen Sie doch.“ „Das weiß ich, Allrounder.“, sagte Sedrin. „Nur werde ich mich wohl nie dran gewöhnen.“ „Sie sieht eben mit dem Geist, Agent.“, sagte Novus. Setz ihr bitte nicht weiter zu, Novus!, ermahnte Cupernica ihren Sohn in F-14-Code, der im Allgemeinen im Volksmund auch als Androidentelepathie bezeichnet wird. „Wovon hast du gerade gesprochen, Novus?“, fragte Sedrin. „Das kann ich Ihnen erklären, Agent.“, mischte ich mich ein. „Also gut.“, sagte Sedrin und zog mich ein Stück zur Seite. „Dann schießen Sie mal los, Betsy.“

Cupernica hatte sich inzwischen die Situation um Malcolm und den versteinerten Mann angesehen. Dann hatte sie aus ihrem Arztkoffer einen mobilen Stimulator geholt und ihn an der Handwurzel des Fremden angesetzt. „Wenn ich sage.“, sagte sie leise und beruhigend zu Malcolm. „Dann nimmst du deine Hand einfach weg.“ „OK, Tante Cupernica.“, sagte der Junge. Dann aktivierte die Androidin das medizinische Gerät. Tatsächlich schnalzten die Finger des Fremden auseinander. „Jetzt!“, sagte Cupernica bestimmt und Malcolm tat, was sie ihm vorher aufgetragen hatte. Mit Erleichterung stellte er fest, dass er frei war. „Danke, Tante Cupernica.“, sagte Malcolm. „Gern geschehen.“, sagte die Androidin und drehte sich fort, um nach Sedrin Ausschau zu halten, der sie wohl noch etwas mitteilen wollte.

Sedrin hatte meine Vernehmung beendet und mich ihrer Partnerin überlassen. Sie selbst war zu dem Demetaner gegangen und hatte sich dann mit ihm ein Stück weit von uns entfernt. Dann hatte sie begonnen, ihn in ihrer gemeinsamen Muttersprache zu vernehmen. Seine Aussage hatte sich im Wesentlichen mit der Meinen gedeckt und sie hatte ihn bald seiner Wege geschickt. Bei dem, was sich aus den Aussagen ergab, war ihrer Meinung nach jeder Zivilist, der jetzt noch anwesend war, einer zu viel. Auch die Kinder würde sie nach Hause schicken, sobald man Malcolm von dem Fremden losgeeist hatte. Die besondere Situation würde es sogar erlauben, dass Novus allein mit Malcolm nach Hause gehen durfte. Er würde schon gut auf seinen Freund achten und ihn sicher bei seinen Eltern abliefern können.

Cupernica war von schräg rechts an Sedrin heran getreten. „Meine Behandlung war erfolgreich.“, sagte sie. „Malcolm ist frei. Mich wundert nur, dass der Kristallisierungsprozess nicht schon weiter fortgeschritten war. Den Daten zufolge, die mir Novus gegeben hat, hätte das eigentlich so sein müssen. Meinen Berechnungen nach hätte ich den Stimulator viel höher einstellen müssen. Aber ich habe schon eine Theorie. Unter Umständen hat Carusos Schnurren den Prozess verzögert. Unser Freund muss kristallinen Ursprungs gewesen sein. Kristalle können durch akustische Reize ins Schwingen geraten. Ein normales tindaranisches Biozeichen besteht aus energetischem Schwingen. Er war zweifelsfrei kein Tindaraner, aber meiner Analyse nach mindestens mit ihnen verwandt.“

Geplättet, was bei ihr selten genug vorkam, drehte sich die Agentin in Carusos und Malcolms Richtung. Dann zischte sie dem Kater zu: „Wenn die Theorie von deinem Frauchen stimmt, dann kriegst du ’ne Portion Futter auf Rechnung des Geheimdienstes, junger Mann!“ „Caruso bevorzugt Katzenfutter Nummer 235!“, sagte Novus sehr bestimmt, der nicht verstanden hatte, dass Sedrin das eigentlich nicht wirklich ernst gemeint hatte. Auch Caruso begann, als hätte er sie verstanden, genüsslich seine Schnauze zu lecken. „Ich fürchte, da kommst du nicht mehr raus.“, lächelte Malcovich aus dem Hintergrund. „Na dann tun wir es eben.“, sagte Sedrin. „Wird uns schon keiner einen Strick draus drehen.“ Sie ging zum nächsten öffentlichen Replikator, um das Futter für Caruso zu besorgen. Kaum sah der Kater sie mit dem Schälchen um die Ecke biegen, sprang er von Malcolms Schoß und bediente sich.

Sedrin wandte sich Novus zu. „Du und dein Freund.“, sagte sie. „Ihr solltet besser heim gehen.“ „Sicher, Agent.“, sagte der Androide. „Aber ich würde es besser finden, wenn wir Malcolm noch etwas zum Trost mitgeben könnten. Ich bin sicher, er muss seinen Schock erst mal verdauen. Ich hörte, menschlichen Kindern helfen Süßigkeiten dabei sehr!“

Malcovich, die alles mitbekommen hatte, deutete in Richtung Parkplatz, wo die Jeeps standen. Sie hatte oben auf Sedrins Picknickkorb eine große Tüte mit Früchten in Schokolade gesehen. Sedrin nickte nur konspirativ grinsend und gab Kate den Schaltschlüssel. Diese sagte nur: „Bin gleich zurück!“ Dann wuselte sie davon, um wenig später bereits mit Tüte und Schlüssel zurückzukehren. Dann gab sie den Schlüssel ihrer Partnerin zurück und die Tüte Malcolm, den Novus folgsam bei der Hand nahm, um ihn aus dem Park in Richtung seines Elternhauses zu führen.

Sedrin wandte sich mir zu. „Was jetzt kommen muss, können Sie sich bestimmt denken, Allrounder.“, sagte sie. „Ich denke, Sie wollen die Tindaraner informieren, nicht wahr?“, fragte ich. „Genau das!“, sagte Sedrin fest und bestätigend. „Ich nehme an, Ihr Kanal zu einem bestimmten und gewissen Tindaraner ist immer noch offen.“ „Sicher.“, sagte ich. „Aber Shimar wird nicht viel erreichen können. Er ist schließlich nur ein Patrouillenflieger.“ „Aber sein Commander könnte das schon.“, sagte Sedrin. „Sie ist, soweit ich weiß, ja sehr gut befreundet mit dem Oberhaupt der Zusammenkunft.“ „Das stimmt.“, bestätigte ich. „Aber laut Shimar haben sich die Tindaraner schon sehr schwer damit getan, die Existenz der Saloraner zu glauben. Offiziell weiß das keiner. Es ist eine sehr private Information. Aber er sagt, es gab Leute innerhalb der Zusammenkunft, die bis heute glauben würden, dass Sytania ihnen eine Falle stellen wollte, wenn es nicht die Leiche und Lycira geben würde.“ „Wieso eine Falle von Sytania?“, fragte Sedrin verwirrt. „Bitte denken Sie doch mal nach, Agent.“, sagte ich. „Sytania könnte Wesen erschaffen, die den für einen Mythos gehaltenen Schwestervölkern der Tindaraner so ähnlich sind, dass diese liebend gern mit ihnen Kontakt haben wollen würden und alles andere darüber vergessen würden, weil sie sich so freuen. Wenn sie mit ihnen Kontakt hätten, würde das auch Datenaustausch und Wissensaustausch einschließen. Sicher hätte Sytania auch andere Möglichkeiten, aber wenn sie ihre Macht direkt nutzen würde, käme ja wohl wirklich jeder drauf und das will sie nicht. Mir gefällt in diesem Zusammenhang ein Satz sehr, den Agent Maron einmal benutzt hat: Sytania will an diesem oder jenem schuld sein, aber nicht als Schuldige erkannt werden. Irgendwo kann ich die Skepsis der Zusammenkunft also sogar verstehen.“ „Verstehe.“, sagte Sedrin. „Das wäre ja so ähnlich, als würde sie für Sie Atlantis lebendig werden lassen.“ „Eben.“, sagte ich. „Die sollen ja auch enormes Wissen gehabt haben und Sytania könnte uns so sehr leicht manipulieren, wenn sie dafür sorgen würde, dass ihre Schöpfungen uns schädliches Wissen …“

„Um so mehr benötigen Sie Beweise!“, sagte Cupernica und schnappte sich in Taschendiebmanier den ballistischen Erfasser, den Sedrin bei sich trug. Dann schloss sie ihr eigenes Haftmodul an das Gerät an und haftete sich das andere Ende auf die Stirn. Jetzt überspielte sie dem Gerät alle Daten, die sie über den Fremden gesammelt hatte. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, Scientist, wie?“, fragte Sedrin, die das Verschwinden ihres Erfassers erst jetzt bemerkt hatte. „Das ist korrekt.“, sagte die Androidin und entkoppelte sich wieder von dem Gerät. Dann gab sie es Sedrin zurück.

Der Agentin war aufgefallen, dass ich kurz gezuckt und einen seltsamen Laut von mir gegeben hatte, als sie das terranische Sprichwort verwendete. „Was ist?“, fragte sie tröstend. „Was hat ihren fein ausgebildeten Kommunikationsoffizierinnenohren nicht gefallen, Betsy?“ „Es ist nichts Schlimmes, Agent!“, sagte ich und wurde ganz aufgeregt. „Im Gegenteil! Es ist nur so, dass Sie mich gerade an ein Argument erinnert haben, das mit Sicherheit ziehen wird. Erinnern Sie sich noch an meine Aussage?“ „Natürlich, Allrounder.“, sagte Sedrin und legte mir die Hand auf die rechte Schulter, als wollte sie mich beruhigen. „Ich habe sie ja gerade erst von Ihnen erhalten.“ „Dann wissen Sie.“, sagte ich. „Dass der Alte gemeint hat, ich hätte einen sehenden Geist. Das ist ein ins Englische übersetztes Sprichwort der Tindaraner! Das bedeutet, die Tindaraner und die Nidari-Travelers könnten eine ähnliche linguistische Entwicklung genommen haben.“

Sedrin griff fest und fast streng nach meiner Hand: „Wo ist Ihr verdammtes Sprechgerät?!“ „Wo es immer ist, Agent.“, sagte ich. „In meinem Wohnzimmer.“ „Dann los!“, sagte Sedrin und zog mich nach geradeaus. Kate und Cupernica schnippte sie nur zu: „Ihr entschuldigt uns!“ Dann zerrte sie mich auch schon wieder in Richtung meines Hauses davon.

Wenig später betraten wir mein Wohnzimmer. Sedrin hatte mit mir die Abkürzung über die Terrasse genommen. „Wie wollen Sie jetzt vorgehen, Agent?“, fragte ich. „Wie ist das Verhältnis zwischen Shimar und seinem Commander, Betsy?“, fragte sie. „Ziemlich gut.“, sagte ich. „Würde sie ihm glauben, wenn er ihr die Dinge berichten würde, die Sie und ich erlebt haben?“ Ich nickte und fragte dann: „Aber warum gehen wir nicht über die offiziellen Kanäle?“ „Weil Sie mir gerade das passende Gegenargument dazu geliefert haben, als Sie mir diese kleine private Information gaben, Betsy.“, sagte Sedrin. „Wenn wir über die offiziellen Kanäle gehen, habe ich viel zu viel Sorge, dass genau das passieren wird, was Sie mir gerade gesagt haben und wenn die Zusammenkunft Sytania beschuldigt, ihnen eine Falle zu stellen und sie das gar nicht getan hat, hätte sie sogar jedes Recht, sich zu wehren und Sie wissen, wie das unter Umständen aussehen könnte. Die Zusammenkunft könnte ihr somit den perfekten Vorwand liefern, Tindara anzugreifen! Einen Vorwand, auf den sie vielleicht nur warten wird, aber …“ „Verstehe.“, sagte ich und schluckte, denn mir war inzwischen echt mulmig geworden, je länger ich ihren Ausführungen gelauscht hatte. Ich ahnte, dass sie Recht haben könnte. Die Tindaraner waren zwar im Allgemeinen nicht für ihre Beamtenmentalität bekannt, aber wenn man zweimal in so kurzer Zeit ein für einen Mythos gehaltenes Schwestervolk auf dem Silbertablett serviert bekam, konnte man schon skeptisch werden. Sehr pikant an der Sache fand ich auch, dass sich offensichtlich alle drei Völker gegenseitig für einen Mythos hielten. Wenn alle Stricke rissen, würde ich auch dies Shimar unter die Nase reiben.

„Warum hat sich Sidar eigentlich dort in das Kunstwerk gesetzt?“, fragte ich. „Ich denke.“, sagte Sedrin. „Dass er sich sehr wohl denken konnte, dass er seinen Körper verlassen würde, wenn er mit Ihnen gesprochen hat. Er ist schließlich Telepath und weiß wohl ganz genau, wie Sie denken. Ich finde, seine Statue passt dort perfekt hin. Alls eine Solche werden wir sie den Zivilisten wohl auch erst mal erklären, bis alles offiziell abgesegnet ist. Wir werden der Presse sagen, es sei das Werk eines anonymen Künstlers.“ „OK.“, sagte ich.

Sedrin sah auf die Zeitanzeige ihres Handsprechgerätes, das, wie ihr Erfasser und ihre Waffe auch, zu ihrer Ausrüstung gehörte, die Kate ihr noch schnell überreicht hatte, als sie sich begrüßt hatten. Dann nahm sie eine Einstellung im Menü vor. Danach sagte sie: „Auf Tindara wird es jetzt bereits Mitternacht sein. Denken Sie, dass Ihr Freund noch auf sein könnte?“ „Eigentlich ist Shimar keine Nachteule, Agent.“, sagte ich, während ich das Rufzeichen von Zirells Basis nebst Shimars Unterrufzeichen aus dem Adressbuch meines Sprechgerätes zutage förderte. „Besonders dann nicht, wenn er im Dienst ist. Aber wir werden ja sehen.“ Ich bestätigte meine Auswahl.

Quälend langsam verging die Zeit, bis endlich etwas passierte. Eigentlich waren es nur ein paar Sekunden, aber diese kamen Sedrin und mir wie Stunden vor. Dann meldete sich endlich am anderen Ende eine elektronische Stimme, die ich als die von IDUSA, dem Rechner der Station, identifizierte. „Guten Abend, Allrounder.“, sagte der Rechner, der mich nur anhand meines Rufzeichens identifiziert hatte. DA ich keinen Neurokoppler benutzte, hatte sie ja auch keine andere Möglichkeit. „Hi, IDUSA.“, sagte ich. „Ist Shimar noch wach?“ „Wie Sie hören, ist er das nicht mehr.“, sagte der Rechner. „Sonst würde ich ja wohl kaum an seiner Statt antworten. Aber das Frequenzprofil ihrer Stimme weicht von dem Sonstigen leicht ab. Das zeigt mir, dass Sie sehr nervös sind, oder vielleicht sogar Angst verspüren.“ „Etwas nervös bin ich schon, IDUSA.“, sagte ich. „Aber ich habe keine Angst. Könntest du Shimar bitte wecken? Es ist sehr wichtig! Ich bin auch nicht allein. Agent Sedrin ist bei mir.“ „Also gut.“, sagte der Rechner. „Bitte warten Sie einen Moment.“ „Was wird sie jetzt tun?!“, fragte Sedrin erstaunt, die durchaus am Display gesehen hatte, dass die Verbindung noch immer aktiv war. „Sie hat ihre Methoden, Agent.“, lächelte ich und lehnte mich entspannt in meinem Sessel zurück. „Darüber müssen Sie mir bei Gelegenheit unbedingt mehr verraten, Allrounder.“, sagte die Agentin und klang dabei sehr neugierig. Wahrscheinlich konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen, wie der Rechner es anstellen könnte, Shimar aus dem Schlaf zu holen. Rütteln und schütteln konnte sie ihn schließlich nicht.

In Shimars Quartier auf der Basis 281 Alpha konnte man inzwischen den Eindruck gewinnen, dass dort wohl eine wilde Party im Gange sein würde. Die Sprechanlage piepte unaufhörlich und auf jedem Display im Raum blinkte es. Außerdem erhöhte sich das Niveau der Raumbeleuchtung immer weiter fast gnadenlos. Hierdurch wurde Shimar tatsächlich bald aus seinen Träumen geholt. Missmutig drehte er sich dem Mikrofon der Konsole auf seinem Nachttisch zu und fragte hinein: „Was bei allen Göttern ist hier los, IDUSA?! Verrate mir sofort, warum du mich weckst!“

Statt zu antworten leuchtete ihm der Rechner aber einen Port aus. Shimar verstand und stand schwerfällig auf, um zu dem Stuhl zu gehen, auf dem er seine Sachen abgelegt hatte. Etwas umständlich, was wohl der Tatsache geschuldet war, dass er noch halb schlief, fingerte er seinen Neurokoppler aus der Tasche seiner Uniformjacke. Dann kehrte er zum Bett zurück. Dabei stieß er sich leider auch noch den linken großen Zeh an einem Mauervorsprung. „Verdammt!“, fluchte er, während er den Stecker des Neurokopplers in den Port steckte und sich den Koppler selbst aufsetzte. Sofort lud IDUSA seine Reaktionstabelle und stellte die Verbindung zwischen uns her. „Hi, Srinadar.“, sagte ich. „Hi, Kleines.“, kam es verschlafen zurück. „Was ist los? Warum lässt du zu, dass mich IDUSA um meinen wohl verdienten Schönheitsschlaf bringt, he?“ „Du brauchst keinen Schönheitsschlaf, mein Schatz.“, gab ich zurück. „Du bist schön genug. Von außen kann ich das zwar nicht wirklich beurteilen, aber deine innere Schönheit sehe ich ganz genau!“

Sedrin nahm mir das Mikrofon ab. „Shimar, hier ist Agent Sedrin Taleris-Huxley. Ich hoffe, du erinnerst dich noch an mich.“ „Das tue ich.“, sagte Shimar. „Du warst schließlich einmal Zirells erste Offizierin, als … Aber das steht auf einem ganz anderen Blatt. Ich nehme ja nicht an, dass du Betsy angestiftet hast, mich zu wecken, um mit mir über alte Zeiten zu plaudern.“ „Eigentlich nicht.“, sagte Sedrin. „Obwohl ich annehme, dass die in diesen alten Zeiten entstandenen Verbindungen uns sehr helfen könnten.“

Sie hatte den Sendeknopf losgelassen, um ihm eine Möglichkeit zu geben, über ihre Worte nachzudenken und etwas zu erwidern. Aber Shimar schien irgendwie nicht ganz bei der Sache zu sein. „Du sprichst in Rätseln.“, gab er schließlich zu. „Ich habe keine Ahnung, wovon du reden könntest.“ „Morgen früh könntest du Zirell verdeutlichen.“, erklärte Sedrin. „Dass wir Grund zu der Annahme haben, Kontakt zu den Nidari-Travelers bekommen zu haben. Einer von ihnen war sogar leibhaftig hier. Das heißt, sein Leib ist es immer noch. Aber vielleicht könntest du mir noch einiges über diese Wesen erklären.“ „Vor allem kann ich dir erklären.“, sagte Shimar. „Dass die Nidari-Travelers ein Mythos sind, Sedrin.“ „Faszinierend.“, sagte Sedrin mit leicht ironischem Unterton. „Dann wirst du ja hoffentlich nichts dagegen haben, uns diesen Mythos etwas näher zu bringen. Wir lieben Märchenstunden. Sie sind immer so gemütlich. Schließlich hast du nichts zu verlieren.“ „Also gut.“, sagte Shimar. „Angeblich soll es sich bei den Nidari-Travelers um Geistwesen handeln, deren neurale Energie Ähnlichkeiten zu unserer aufweist. Sie sind pandimensionale Existenzen, die, wenn sie in eine Dimension von körperlichen Wesen kommen, mittels ihrer Kräfte für sich Körper generieren können, die auch unseren in sofern ähnlich sind, dass sie auch kristallinen Ursprungs sein sollen und kristallisieren, sobald die Nidari-Travelers sie wieder verlassen. Aber ernsthaft. Daran glaube ich nicht!“ Genau das wollte sie erreichen, Srinadar., dachte ich. Du bist ihr voll auf den Leim gegangen!

„Fein, Shimar.“, sagte Sedrin. „Du persönlich magst vielleicht nicht daran glauben, aber was ist mit Zirell? Es kann ja immer noch sein, dass sie an die Existenz der Nidari-Travelers glaubt und von der Zusammenkunft wissen wir es auch nicht. Falls du aber keinen Erfolg haben solltest, Zirell zu überzeugen, hat deine Freundin hier einen Trumpf auf der Hand, der sie bestimmt überzeugen wird.“ Sie gab das Mikrofon an mich zurück: „Hier, Allrounder.“ „Lass uns noch einmal zu der Sache am Anfang kommen, Srinadar.“, sagte ich. „Ich sagte, dass ich genau sehen würde, wie schön du bist, meinte damit aber deine innere Schönheit, also die Schönheit deiner Seele.“ „Das sieht auch nur jemand mit einem sehenden Geist.“, sagte Shimar. „Da haben wir es schon.“, sagte ich. „Einen Solchen hat mir nämlich auch der Traveler bescheinigt, mit dem ich gesprochen habe. Das bedeutet, dass es sein kann, dass ihr und sie sogar eine ähnliche linguistische Entwicklung genommen haben könnt. Bei Schwestervölkern kann so etwas doch durchaus sein, oder?“ „Das kann ich nicht wirklich beurteilen im Gegensatz zu dir, Kleines.“, sagte Shimar. „Du bist neben einer sehr talentierten Pilotin auch noch ausgebildete Kommunikationsoffizierin. Meine Kenntnisse reichen gerade einmal aus, um den SITCH auf der Station ab und zu mal zu bedienen. Aber darin, sprachliche Feinheiten zu beurteilen, bist du wohl viel besser. Du wirst schon Recht haben damit.“ „Jetzt hast du dir gerade selbst widersprochen, Srinadar.“, sagte ich grinsend. „Wieso?“, gab er zurück. „Wenn du sagst, dass du mir glaubst, dann siehst du in gewisser Weise ein, dass es die Nidari-Travelers ja doch geben könnte.“ „Hör auf, mich festzunageln, Kleines!“, sagte Shimar etwas lauter, der wohl langsam nicht mehr aus noch ein wusste. Das Glaubensgebäude, das seine Lehrer und seine Eltern in seinem Kopf bezüglich der Nidari-Travelers errichtet hatten, begann zu bröckeln und irgendwann würde es wohl ganz einstürzen, wenn wir so weitermachten. Shimar tat mir irgendwie leid. Von der einen wurde er geleimt und von der anderen festgenagelt. Das waren Umstände, die er sicher nicht als sehr angenehm empfand.

„Wirst du Zirell unsere Nachricht weitergeben?“, fragte ich. „Ich habe ja wohl keine andere Wahl, wenn ich erreichen will, dass ihr mich irgendwann wider in Ruhe schlafen lasst.“, sagte er. „Also gut. Wir werden ja sehen, was sie und vor allem, was die Zusammenkunft dazu meint.“ „Na geht doch.“, sagte ich und beendete lächelnd die Verbindung.

„Sie können ja auch schon richtig hinterlistig sein.“, sagte Sedrin und ich wurde das Gefühl nicht los, dass dies aus ihrem Mund wohl als ein kräftiges Lob gemeint war. „Wenn es sein muss.“, sagte ich. „Ich will nur hoffen, dass die Zusammenkunft das sprachliche Argument glaubt. Selbst wenn Commander Zirell das tut, nützt uns das nicht viel. Die Zusammenkunft währe diejenige, die wir überzeugen müssten, denn nur sie könnte offiziell einen ersten Kontakt mit den Nidari-Travelers herstellen.“ „Besser gesagt einen neuen Kontakt.“, verbesserte Sedrin. „Wenn die Beiden Schwestervölker sind, dann müssen sie doch irgendwann einmal zusammengehört haben.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte ich. „Aber das war sicher vor einigen Millionen Jahren.“ „Trotzdem.“, sagte die Demetanerin. „Es war einmal der Fall. Vielleicht gibt es ja sogar auf Tindara Belege dafür. Vielleicht könnten Archäologen der Föderation sogar bei der Suche danach behilflich sein.“ „Wenn die Zusammenkunft damit einverstanden ist.“, sagte ich. „Sonst könnten sich die Tindaraner vielleicht bevormundet vorkommen.“ „Natürlich nur dann, Betsy.“, beschwichtigte Sedrin.

Sie gähnte. „Es ist spät.“, sagte sie dann. „Und ich denke, es wird auch noch einige Zeit vergehen, bis wir wieder von Shimar hören werden. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich heute bei Ihnen übernachte? Ich meine, der Zeitunterschied könnte es vielleicht notwendig machen, dass …“ „Kein Problem, Agent.“, lächelte ich. „Ich hole Ihnen nur schnell Bettzeug.“ „OK.“, sagte sie. „Ich muss auch noch etwas erledigen.“

Sie ging wieder über die Terrasse zu Kate und Cupernica zurück, die immer noch im Park neben der Statue auf sie warteten. Dann gab sie ihrer neuen Partnerin den Schlüssel zum Jeep: „Kate, nimm bitte den Jeep und fahr zurück ins Büro. Du könntest schon mal mit dem Papierkram anfangen. Du weißt schon. Bring danach bitte den Jeep auch noch bei uns zu Hause vorbei und gib Jaden den Schlüssel. Lass den Computer die Aussage von Mr. Sandron bitte ins Englische übersetzen und lege aber das Original bei. Ach, lass mich bitte noch etwas aus dem Jeep holen.“ „Du redest von dem Picknickkorb, nicht wahr?“, sagte Kate. „Genau.“, sagte Sedrin. „Wäre ja sehr schade, wenn das ganze Zeug ungenutzt verdirbt. Außerdem weiß man ja nie, wozu man es noch brauchen kann. Ach, Scientist, Sie können auch gehen.“

Kate nickte und begleitete Sedrin noch zum Fahrzeug, aus dem diese, nachdem Kate die Tür geöffnet hatte, den Picknickkorb entnahm und sich damit wieder auf den Weg zurück zu mir machte. „Soll ich den Korb in die Kühlung meines Replikators stellen?“, fragte ich. „Woher wissen Sie nun das schon wieder?“, fragte Sedrin. „Der Korb in Ihrer Hand.“, hob ich zu einer Erklärung an. „Macht ganz spezielle Geräusche, weil er leicht in Bewegung ist, wenn Sie gehen.“ „Interessant.“, sagte Sedrin. „Aber ich kümmere mich schon selbst darum.“ Damit stellte sie den Korb selbst dort ab. Dann sagte sie: „Lassen Sie uns jetzt schlafen gehen. Es werden wohl noch mindestens sechs Stunden vergehen, bis wir von Ihrem Freund hören werden.“ „OK.“, sagte ich und führte sie in mein Gästezimmer, wo ich inzwischen das Bett für sie bezogen hatte.

Trotz einiger Einschlafversuche wollte es Shimar einfach nicht mehr gelingen, in dieser Nacht Ruhe zu finden. Zu sehr hatten ihn die Dinge, die Sedrin und ich ihm berichtet hatten, aufgewühlt. An die Existenz der Saloraner hatten er und vor allem die Zusammenkunft nicht geglaubt, aber trotzdem waren sie so real wie die Tindaraner selbst gewesen. Ich war damals sehr von der Regierung der Föderation und der Zusammenkunft gleichermaßen gefeiert worden, da ich diejenige war, die diesen ersten Kontakt überhaupt ermöglicht hatte. Beide Oberhäupter hatten mir sogar einen Orden, das Mikrofon in Latinum, verliehen. Aber an zwei solcher Zufallsbegegnungen in so kurzer Zeit hintereinander wollte Shimar irgendwie nicht ganz glauben und sorgte sich, dass die Zusammenkunft und noch nicht einmal Zirell das tun würden. Dass Sytania uns allen eine Falle gestellt hatte, war ein Gedanke, den er trotz meines linguistischen Arguments nicht ganz von sich weisen wollte. Er wusste, dass Sytania wusste, wie die Sternenflotte tickte. Sie hätte also durchaus eine Falle kreieren können, die genau nach diesen Vorstellungen aufgebaut war, damit auch ja alle wichtigen Persönlichkeiten darauf hereinfielen. Wenn gerade ich es war, die dann quasi durch ihr linguistisches Gefühl dafür das OK gegeben hatte, dann hatte Sytania auch zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Sie hatte die Föderation ins Verderben geführt und gleichzeitig an mir persönliche Rache genommen dafür, dass ich geholfen hatte, sie zu besiegen. Aber auf der anderen Seite waren dort viele potente Telepathen, die dafür sorgen hätten können, dass sie erkannt würde. Diese hätten das auf keinen Fall zugelassen! Die Tindaraner und sogar vielleicht die Aldaner hätten seines Wissens bestimmt interveniert, wenn auch nur ein Hauch von Sytania zu spüren gewesen wäre. Außerdem waren da noch König Dill von Zeitland, König Logar vom Dunklen Imperium oder Kairon und Tolea aus dem Raum-Zeit-Kontinuum, die sicher auch alle vier kein Interesse daran hätten, dass die Sterblichen von Sytania übers Ohr gehauen wurden. Aber gerade von diesen vieren wusste er auch, dass sie sich nicht ohne weiteres einmischen würden, da sie ganz genau wussten, wie gut die Sterblichen ihrer Meinung nach mit einer solchen Situation selbst fertig wurden. Sie wussten auch genau, dass, wenn Sytania von den Sterblichen direkt besiegt wurde, dies eine viel größere psychologische Wirkung hatte, als wenn sie dies für uns erledigten.

Nun rangen diese beiden Argumentationen in schweren Schlachten um die Vorherrschaft in seinem Geist und das bedauernswerteste Opfer dieses Krieges war er selbst, denn der arme Shimar war total übernächtigt, als IDUSA am nächsten Morgen pünktlich um 06:00 Uhr das Wecksignal ertönen ließ. „Muss das jetzt sein, IDUSA?!“, beschwerte sich Shimar. „Gib mir bitte noch fünf Minuten.“ „Die hatten Sie schon.“, sagte der Avatar des Stationsrechners kühl. „Sie wissen, dass Commander Zirell sehr ungehalten werden kann, wenn Sie nicht pünktlich zur morgendlichen Offiziersbesprechung erscheinen. Sie hatten das Signal auf 05:30 Uhr gestellt. Da ich aber Ihre gedankliche Situation beobachten konnte, hielt ich es für besser, die Zeit, die Sie sich selbst immer als Spielraum einräumen, bis zum Ende auszureizen.“ „Wieso konntest du meine Gedanken beobachten?“, fragte Shimar irritiert, dem immer noch nicht bewusst war, dass er die ganze Zeit über den Neurokoppler aufbehalten hatte. „Mit Verlaub.“, sagte der Rechner. „Aus demselben Grund, aus dem Sie jetzt meinen Avatar sehen können. Sie hatten die gesamte restliche Nacht über den Neurokoppler auf. Das bedeutet für mich, dass Sie nach wie vor eine Verbindung mit mir wollten.“ „Du hättest meine Tabelle löschen können!“, entgegnete Shimar unwirsch. „Laut den Richtlinien der Lex Technologica.“, sagte IDUSA. „Hätte ich das nicht so einfach gedurft. Solange Sie den Koppler noch auf haben, muss ich wenigstens nachfragen, ob Sie eine Löschung Ihrer Tabelle und somit ein Ende der Verbindung zwischen uns wünschen. Da dieser Befehl aber trotz meiner wiederholten Anfragen nicht erfolgt ist, musste ich davon ausgehen, die Verbindung war gewollt.“ „Sorry. War wohl in Gedanken. Dann bist du ja informiert.“, sagte der tindaranische Patrouillenflieger und quälte sich aus dem Bett. „Nicht nur ich.“, sagte IDUSA. „Ich informierte auch meine Kollegin, die IDUSA-Einheit Ihres Schiffes. Auch sie weiß über Ihre nächtlichen Überlegungen Bescheid. Wir hielten das beide für effizienter, damit sie Ihnen im Notfall bessere Unterstützung zukommen lassen kann.“ „Was meinst du damit?“, gähnte Shimar, während er seine Uniform locker überwarf. „Commander Zirell wird Sie, wie jeden Montag, ins Gebiet der Föderation entsenden, damit Sie dort tindaranische Präsents beweisen.“, sagte der Rechner, dem die Routine der Dienstpläne ja durchaus geläufig war. „Das trifft sich gut.“, sagte Shimar und legte jetzt endgültig den Neurokoppler ab, um dann ins Bad zu gehen. Eine kräftige Schalldusche würde schon dafür sorgen, dass er wieder munter würde. Das musste auch schleunigst passieren, denn die neuen Informationen rückten die Situation in ein ganz anderes Licht. Niemand durfte sehen, wie müde er war, damit Ishan nicht noch auf die Idee kam, ihn für heute dienstunfähig zu schreiben. Er musste diese Patrouille einfach fliegen, denn dann griff auch die Schutzverbindung zwischen uns und er würde genau wissen, was sich in meiner unmittelbaren Umgebung abspielte. Er konnte einfach nicht zulassen, dass, sollte es denn so sein, Sytania mich als einen Teil ihrer Falle missbrauchte! Er wusste, ich würde es niemals verwinden können, dafür verantwortlich zu sein, meine Kameraden in ihre Hand manövriert zu haben! Zwar gab es da noch den Rest der Kom-Abteilung der Sternenflotte, aber die würden meiner Anregung sicher gern folgen.

Er war der Schalldusche wieder entstiegen und verpasste sich jetzt noch eine anständige Rasur. Dann zog er sich an und fragte in Richtung des nächsten Mikrofons: „IDUSA, wie sehe ich aus?!“ „Nun.“, entgegnete der Avatar des Stationsrechners. „Eigentlich schon wieder recht frisch. Nur Ishan werden Sie noch anders überzeugen müssen. Er kann schließlich Ihre hormonellen Werte auf einen Blick erkennen und wird sehen, dass Sie wenig geschlafen haben. Ich habe mein Möglichstes getan, um Ihnen trotzdem noch den Weg für die Patrouille zu ebnen. Sie wissen, Ishan könnte Ihnen Medikamente geben, aber eine Patrouille unter Drogen kann jemanden an Ihrer Zurechnungsfähigkeit zweifeln lassen, wenn es hart auf hart käme und etwas passieren würde. Das Einzige, was wir tun können, ist, Ishan und Zirell zu versichern, dass Ihr Schiff Sie notfalls entsprechend unterstützt, wenn Sie einschlafen sollten.“ „Schon gut, IDUSA.“, sagte Shimar lächelnd und ging aus der Tür.

In der Offiziersmesse der Basis 281 Alpha saßen bereits fast alle gemeinsam beim Frühstück. Wie gesagt, fast alle außer Shimar, der jetzt etwas abgehetzt den Raum betrat. Sein Weg führte ihn zunächst an dem Tisch vorbei, an den sich die Crew des Maschinenraums gesetzt hatte. Zwar hatte Zirell eigentlich nichts dagegen, wenn sich ihre Leute beim Frühstück vermischten, aber Jenna hatte das angeregt. So konnten sie und Shannon in aller Ruhe über die Technik der Station oder der beiden Schiffe fachsimpeln. „Oh Backe!“, flapste die blonde Irin Shimar hinterher, nachdem sie gesehen hatte, wie müde er vorbeigeschlurft war. „Schwere Nacht gehabt, Fliegerass, wie?!“

Jenna stupste ihrer Untergebenen den Ellenbogen in die Seite und sah sie tadelnd an. Dann sagte sie zwar leise aber fest: „Das geht uns bestimmt nichts an, Assistant, klar?! Außerdem muss es nicht gleich die halbe Station erfahren!“ Dann verwickelte sie Shannon schnell wieder in ein Gespräch über die Fehlersuche bei den Umweltkontrollen in Frachtraum sechs.

Shimar hatte sich am nächsten Replikator sein übliches Frühstück repliziert und war dann damit an seinen Platz am Tisch der Brückenoffiziere gegangen. Hier sah ihn eine erstaunte Zirell direkt an und meinte: „Da haben wir ja unseren Nachzügler! Was hat dich aufgehalten, Shimar? Es sieht dir doch sonst nicht ähnlich, zu spät zu kommen.“ „Ich wette, es hat etwas mit dem zu tun, auf das uns O’Riley schon aufmerksam gemacht hat.“, sagte der erste Offizier, Agent Maron. „Ist schon richtig.“, gab Shimar zu. „Ich habe diese Nacht nicht wirklich gut geschlafen, Zirell. Aber über den Grund dafür würde ich lieber mit dir und Maron allein reden.“ „Es ist also nichts Persönliches.“, schloss Maron. Shimar, der gerade in sein typisches tindaranisches Frühstücksgebäck gebissen hatte, schüttelte nur wortlos und mit dicken vollen Backen den Kopf. „Dann würde ich sagen, dass wir uns gleich nach dem Frühstück mal in meinen Bereitschaftsraum begeben.“, sagte Zirell. „OK.“, sagte Shimar. „Aber ich finde, Joran sollte auch dabei sein. Er ist schließlich unser Experte für Sytanias Verhalten.“

Zirell nahm einen riesigen Schluck der quietschgrünen Flüssigkeit aus ihrer Tasse und sagte dann mit leichter Irritation in der Stimme: „Moment! Sytania hat was mit deiner Schlaflosigkeit zu tun? Aber warum haben Nidell und ich dann nichts bemerkt?!“ „Vielleicht.“, sagte Shimar. „Aber ich möchte hier vor allen nicht so ins Detail gehen müssen. Das sorgt nur wieder für Gerüchte.“

Maron hatte Ishan gewunken, der vom Tisch der Mediziner jetzt herüberkam. Zwar konnte er, als Androide, nicht essen oder trinken, aber aus sozialen Gründen wohnte er den Malzeiten immer bei. Außerdem konnte er so auch besser Dinge mit Nidell, seiner tindaranischen Assistentin, besprechen, die für den morgendlichen Dienstablauf wichtig waren. Nidell konnte nämlich frühstücken und war daher fast immer hier zu finden. Es kam nur ganz selten vor, dass sie allein in ihrem Quartier frühstückte. Dafür war sie viel zu gern mit den anderen zusammen.

Der androide Arzt hatte seinen scannenden Blick jetzt über Shimar schweifen lassen. Dabei hatte er festgestellt, dass dieser nicht unter Sytanias Einfluss geraten war. Dies teilte er auch sofort Zirell und Maron mit. „Es hätte ja sein können, dass Sytania direkt und ausschließlich Shimar kontaktiert hätte.“, sagte der demetanische Spionageoffizier zur Erklärung. „Sie ist immerhin eine trainierte Telepathin. Sie kann sicher sehr gut selektieren, was ihre Opfer angeht.“ „Aber dagegen hätte sich Shimar doch auch gut wehren können.“, sagte Ishan. „Wenigstens das hättet ihr anderen Tindaraner mitbekommen können. Ich sehe aber keinen Anhalt dafür. Du musst allerdings vor ca. sechs Stunden sehr aufgeregt gewesen sein, Shimar. Hattest du Albträume? Die Menge der Abbauprodukte von Stresshormon in deinem Blut lässt solche Schlüsse zumindest zu.“ „Albträume?!“, fragte Shimar etwas hektisch. „Nein, die hatte ich nicht. Bitte schreib mich nicht krank, Ishan! Ich muss diese Patrouille fliegen!“ „Was ist denn heute mit dir los, Shimar?!“, fragte Zirell mit leichter Empörung in der Stimme. „Nicht hier.“, sagte Shimar. „Bitte, Zirell!“ „Schon gut.“, sagte die Kommandantin beruhigend. Dann winkte sie Maron, der ebenfalls schon sein Frühstück beendet hatte, wie sie gesehen hatte und auch Joran und Shimar: „Lasst uns gehen, Jungs!“

Wenig später waren sie in Zirells Bereitschaftsraum angekommen. Dort setzten sie sich um deren Schreibtisch herum. Dann sah Zirell ihren Untergebenen erwartungsvoll an. „Glaubst du an die Existenz der Nidari-Travelers?“, fragte Shimar. „An was?!“, lachte Zirell. „Oh, Shimar! Du weißt doch seit deiner frühesten Kindheit, dass die ein Mythos sind!“ „Das hat dein Volk von den Saloranern auch geglaubt, Anführerin Zirell.“, äußerte Joran kurz und prägnant, wie es seine Art war, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Er mochte nicht viel reden, was vielleicht auch der Tatsache geschuldet war, dass sein Englisch und sein Tindaranisch noch nicht sehr gut waren und er aus guten Gründen keinen Universalübersetzer benutzen wollte. Das war aber nicht nur Ehrgeiz, sondern er wusste auch ganz genau, dass seine ehemalige Gebieterin die Abhängigkeit von Technologie, in die alle seiner Meinung nach geraten waren, sehr gut für sich nutzen konnte. Mit ihrer Macht war sie ja durchaus in der Lage, die Naturgesetze aus den Angeln zu heben und schon würde all diese schöne Technik nicht mehr funktionieren. Seine Weigerung war also auch eine Mahnung.

Zirell hatte eine Weile überlegt. Dann hatte sie gesagt: „Das stimmt. Da hast du Recht, Joran. Aber erzähl mal von Anfang an, Shimar. Wie kommst du auf die Sache mit den Nidari-Travelers? Was ist passiert?“ „Ich habe mit Allrounder Betsy und Agent Sedrin gesprochen.“, sagte Shimar und wurde dabei wiederum sehr aufgeregt. „Auf der Erde ist etwas passiert! Betsy sagt, ein Nidari-Traveler hätte ihre Heimatstadt aufgesucht und hätte ihr bescheinigt, einen sehenden Geist zu haben. Daran hat sie erkannt, dass es sich wirklich um einen Traveler handeln könnte. Sie sagt, wenn wir Schwestervölker sind, müssten wir ja auch ähnliche sprachliche Entwicklungen genommen haben.“ „Und warum sollten die Nidari-Travelers gerade mit den Terranern oder der Föderation Kontakt aufnehmen, wenn sie doch eigentlich unser Schwestervolk sind?!“, fragte Zirell, die angesichts dieser Tatsache schon fast etwas beleidigt war. „Weil.“, setzte Shimar an. „Und jetzt wird’s pikant! Sie uns für einen Mythos halten.“ „Für einen Mythos!“, entrüstete sich Zirell, sprang auf und warf ihr Sitzkissen unsanft nach hinten. „Beruhige dich bitte, Sea Tindarana!“, sagte Maron und faste sie, die empört von ihrem typischen Sitzkissen aufgesprungen war, bei der Hand, um sie ruhig, aber bestimmt wieder an ihren Platz zurückzuführen, nachdem er ihr Kissen aufgefangen und wieder zurechtgerückt hatte. „Soweit ich weiß, war das bezüglich der Saloraner nicht viel anders zwischen euch. Ich gebe zu, es ist schon alles etwas merkwürdig, aber wenn wir dieses Thema zu stark emotionalisieren, übersehen wir vielleicht wichtige Details. Du solltest die Sache sowieso erst mal der Zusammenkunft melden. Schließlich müssen die entscheiden, wie wir weiter vorgehen. Das klingt schon alles etwas merkwürdig, aber wir müssen es gerade deshalb eingehend erforschen, um beispielsweise eine Falle von Sytania eindeutig ausschließen zu können.“ Er sah Joran fragend an. „Meine ehemalige Gebieterin.“, begann der Vendar. „Könnte durchaus eine solche Falle stellen. Die Erde wäre ein guter Platz, um sie dort zu deponieren. Dort gibt es keine Telepathen, die dies bemerken könnten. Aber auch das Argument, das Betsy El Taria und Sedrin El Demeta benutzt haben, dürfen wir nicht außer Acht lassen.“

„In Ordnung.“, entschied die Kommandantin, nachdem sie allen zu Ende zugehört hatte. „Ich werde der Zusammenkunft erst mal Meldung machen. Mal sehen, was sie davon halten. Shimar, du gehst erst mal ganz normal auf Patrouille im Grenzgebiet zwischen den Genesianern und der Föderation! Joran, sobald wir in der Kommandozentrale sind, verbindest du mich mit der Zusammenkunft! Wenn die zu einem Entschluss gekommen sind, werde ich auch Betsy und Sedrin informieren. Das war’s! Wegtreten!“ Alle verließen befehlsgemäß den Raum.

Kapitel 3: Neue Verbindungen

von Visitor

 

Bis zum Morgengrauen hatte Kate an dem Bericht über den seltsamen Fall gearbeitet. Immer noch kam ihr alles höchst merkwürdig vor, was sie hier gesehen hatte. Sie konnte sich überhaupt nicht mit dem Gedanken anfreunden, derart von ihrer neuen Partnerin ins kalte Wasser gestoßen worden zu sein, aber anscheinend hatte sie ja auch sehr gut schwimmen gelernt. Sonst hätte Sedrin sie sicher getadelt, so wie sie ihr von einigen Leuten beschrieben worden war. Aber nichts dergleichen war geschehen und so dachte Kate sich, dass sie sich bestimmt irgendwann an die schräge Situation in Little Federation gewöhnen würde.

Sie hatte also ihre Arbeit beendet und war danach mit dem Jeep auftragsgemäß zum Haus der Huxleys gefahren, wo sie von Jaden bereits erwartet wurde, der auf seiner Terrasse saß und frühstückte. Der Terraner sah kurz von seinem Teller auf und musterte die kleine Gestalt, die sich ihm näherte. Dann lachte er ihr entgegen: „Du hast dich verändert, Jinya!“ „Ich fürchte, da liegt ein Missverständnis vor, Mr. Huxley.“, sagte Malcovich freundlich. „Ich bin nicht Ihre Frau. Mein Name ist Agent Kate Malcovich. Ich bin Sedrins neue Partnerin.“ „Interessant.“, sagte der Amerikaner flapsig. „Hätte nicht gedacht, dass Tamara Sedrins Antrag so schnell bearbeitet.“ „Na ja.“, sagte Kate. „Es ist Prüfungssaison. Anscheinend war ich gerade frei.“ „Prüfungssaison, he?“, wiederholte Huxley. „Sie meinen also, Sie sind noch ’n echtes Greenhorn in dem Geschäft. Dann muss Ihnen Sedrin aber noch viel beibringen.“ „Das glaube ich nicht!“, sagte Kate und versuchte dabei, sehr selbstbewusst zu klingen. „Ich habe meine Prüfung mit der Note 1,0 abgeschlossen und …“

Der ehemalige Sternenflottencommander gab einen verächtlichen Laut von sich. „Das wird Ihnen da draußen im Weltraum nur wenig helfen, wenn Sie Sytania oder den Genesianern gegenübertreten müssen. Theorie is’ schön und gut, aber die Praxis läuft oft genug ganz anders. Setzen Sie sich, Malcovich. Ich erklär’ Ihnen mal, wie der Hase in der Realität da draußen läuft.“

Leicht irritiert, aber bereitwillig tat Kate, was Jaden von ihr verlangt hatte. Jetzt sah sie auch sein Frühstück und ein neben seinem Teller liegendes Pad, auf dem sie die Titelseite einer Ausgabe der Tageszeitung von Little Federation erkennen konnte. „Woher wissen Sie denn so genau, wie der Hase in der Realität bei der Sternenflotte läuft, Mr. Huxley?“, fragte Kate neugierig. „Erstens heißt es Commander Huxley.“, sagte Jaden. „Und zweitens können Sie sich den Rest jetzt ja wohl denken.“ „Sie sind auch Sternenflottenoffizier?“, kombinierte Kate. „Richtig.“, sagte Jaden. „Meine jetzige Ehefrau war mein erster Offizier auf einer Mission, bei der wir es sowohl ab und zu mit den Genesianern, als auch mit Sytania zu tun hatten. Also da mussten wir oft genug improvisieren. Erzählen Sie mir also nichts!“ „Tut mir leid, Commander Huxley.“, sagte Kate mit einem beschwichtigenden Blick in seine Richtung. „Muss es nicht, mein kleiner Grünschnabel.“, sagte Jaden. „Sie konnten das ja nich’ wissen.“

Sie saß ihm gegenüber und sah zu, wie er sich zuerst einen Teller Eier mit Speck und dann einen ganzen Haufen Pfannkuchen mit Ahornsirup einverleibte. „So eine wie Sie.“, meinte Huxley dann schmatzend. „Die isst morgens sicher nur Müsli mit Rosinen drin. Sie haben doch mit Sicherheit noch nichts im Magen, Kate. Lassen Sie mich mal.“ Er stand auf. „Mit einem irren Sie sich aber, Commander.“, sagte Kate. „Ich mag keine Rosinen.“ „Na schön.“, flapste Huxley. „Dann einmal Müsli ohne Rosinen.“ Er ging in Richtung Wohnzimmer davon.

Kates Blick war auf das Pad gefallen. Genau sah sie jetzt, wo der Cursor stand. Offensichtlich interessierte sich Huxley sehr für eine Artikelserie zum Thema seltsame Statuen auf allen möglichen Planeten, die seit einiger Zeit durch den „Daily First Contact“, die Tageszeitung von Little Federation, geisterte. Die Artikelserie war von einer Journalistin Namens Karen Malcovich verfasst worden, die Kate sehr gut kannte. Sie war nämlich ihre ältere Schwester.

Mit stolzem Ausdruck auf dem Gesicht, als hätte er das Müsli selbst zubereitet und nicht der Replikator, kam Jaden zurück und stellte die große Schale vor Kate ab. Dann sagte er: „Hauen Sie rein, Agent! Das ist ein Befehl!“ Unbewusst rutschte Kate ein: „Aye, Commander!“, heraus, als sie den Löffel in die Hand nahm. Jaden musste grinsen.

Während des Essens beobachtete Kate immer noch aus dem Augenwinkel, wie sich der Terraner mit dem Pad befasste. Er las sich den Artikel durch, aber dann wurde er auf einmal ganz blass. „Da brat’ mir doch einer ’n Storch!“, sagte er. „Das Photo is’ eindeutig unser Stadtpark! Darum wette ich mit Ihnen! Also jetzt hier bei uns auch.“ Bedient ließ er das Pad sinken.

Kate hatte seine letzte Äußerung mit viel Aufmerksamkeit verfolgt. „Sir?“, fragte sie. „Was meinen Sie mit: Also jetzt bei uns auch.“ „Die Malcovich schreibt.“, sagte Jaden. „Dass es auf diversen Planeten schon ähnliche Statuen gibt. Zuerst habe ich das für eine neue Story zur Unterhaltung der Leser gehalten. Aber jetzt …“ „Ich kann Ihnen den Tatort sogar zeigen.“, sagte Kate. „Brauchen Sie nich’.“, sagte Jaden. „Sonst kriegen Sie nachher noch Ärger mit meiner Frau und der kann ziemlich heftig sein. Das kann ich Ihnen sagen. Ach übrigens: Sind Sie mit der Schreibmieze etwa verwandt?“ „Ja.“, sagte Kate. „Sie ist meine ältere Schwester.“ „Oh, dann Entschuldigung!“, sagte Huxley. „Schon gut.“, sagte Malcovich. „Sie wird ja nie erfahren, dass Sie etwas abfällig über sie geredet haben.“

Auch Kate hatte jetzt ihr Frühstück beendet. „Ich muss wieder zum Dienst.“, sagte sie. „Vielen Dank, Commander.“ „Gern geschehen.“, sagte Huxley und sah ihr noch nach, wie sie in Richtung Enterprise Lane davon schritt. Was für Folgen die Begegnung noch für den Fall haben würde, ahnten weder Huxley noch Malcovich zu jenem Zeitpunkt.

Zirell hatte mit ihrer Freundin Darell von der Zusammenkunft ein langes Gespräch über die Vorkommnisse um die Nidari-Travelers geführt. Die Politikerin hatte versprochen, die Sache dem Rest der tindaranischen Regierung vorzutragen und dann würde man abstimmen, wie man damit umgehen sollte. Diese Abstimmung wartete Zirell jetzt in der Kommandozentrale gemeinsam mit Joran und Maron ab. „Wie denkst du, wird sich die Zusammenkunft entscheiden, Zirell?“, fragte der erste Offizier nachdenklich. „Immerhin wissen sie, dass sie von den Nidari-Travelers, wenn es sie gibt, ebenfalls für einen Mythos gehalten werden. Wenn ich mir deine Reaktion von vorhin ins Gedächtnis rufe, dann …“

Ein Wink von Joran, der an der SITCH-Konsole saß, hatte ihn gerettet, bevor er noch unter Umständen etwas gesagt hätte, das er dann bitter bereut hätte. „Anführerin Zirell.“, sagte der Vendar. „Darell El Tindara meldet sich!“ „Auf den Hauptschirm, Joran!“, befahl Zirell. Der Vendar nickte und ließ IDUSA den Befehl ausführen. „Jetzt bin ich aber mal gespannt!“, sagte Maron leise zu seiner Vorgesetzten, während beide beobachteten, wie sich das Bild der älteren Tindaranerin vor ihren geistigen Augen auf den Neurokopplern aufbaute. „Zirell, ich werde jetzt dir und deinen Leuten das Ergebnis unserer Abstimmung mitteilen.“, kam Darell gleich zur Sache. „Wir glauben nicht an eine Existenz der Nidari-Travelers. Die meisten Mitglieder der Zusammenkunft denken eher, dass es eine Falle von Sytania ist, für die auch diese arme Kommunikationsoffizierin missbraucht werden soll. Es passt einfach alles zu gut zusammen, um wahr zu sein. Es ist einfach zu perfekt. Sicher. Einige waren auch entrüstet, weil sie uns offenbar für einen Mythos halten, aber wer weiß, ob das nicht alles zu Sytanias Strategie gehört. Denkbar wäre es. Du musst das also nicht weiter verfolgen. Gib das bitte auch so an Allrounder Betsy und Agent Sedrin auf der Erde weiter.“ Sie beendete die Verbindung.

Joran machte ein Handzeichen und wiederholte dreimal den gleichen Satz auf Vendarisch. Seine Stimme wies dabei auf starke Verzweiflung hin. „Kannst du mir dein merkwürdiges Verhalten vielleicht mal erklären, Joran?!“, fragte Zirell. „Das will ich gern tun, Anführerin.“, sagte der Vendar. „Aber wenn ich ehrlich sein soll, musst du dich wohl wappnen.“ „Na.“, sagte Zirell mit einem Lachen in der Stimme. „So schlimm wird’s schon nicht werden. Komm mit! Wir besprechen das am besten in meinem Raum! Maron, du hast die Station!“ Damit ging sie Joran voraus aus der Kommandozentrale.

In Zirells Bereitschaftsraum angekommen setzten sich beide gegenüber an den Schreibtisch. Dann fragte die ältere Tindaranerin: „Was hast du denn nun auf dem Herzen? Du musst kein Blatt vor den Mund nehmen. Sag es einfach frei heraus.“ „Ich muss deine Regierung einen Haufen Narren schelten.“, sagte der Vendar betroffen und zugleich sehr wütend. „So.“, sagte Zirell. „Und warum musst du das?“ „Weil sie kurz davor sind, den Fehler ihres Lebens zu begehen.“, sagte Joran. „Wenn sie meine ehemalige Gebieterin eines Vorgehens bezichtigen, das sie nie gewagt hat, geben sie ihr damit jede Legitimation, sich zu wehren und du weißt, wie das bei Sytania aussehen wird, Anführerin. Sie wird Tindara angreifen!“

Sein letzter Satz hatte Zirell aufhorchen lassen. „Wie sicher bist du?“, fragte sie. „Ich bin zu 100 % sicher, dass sie genau so handeln wird!“, sagte der Vendar fest. „Bedenke! Ich kenne sie schon über 90 Jahre! Und das Argument, das Betsy El Taria benutzt hat, kommt mir auch stimmig vor. Oder hast du etwa einen Gegenbeweis? Ich denke viel eher, dass die Zusammenkunft so entschieden hat, weil sie wegen der Sache mit dem Mythos jetzt die beleidigten Bratwürste spielen!“ „Es sind Leberwürste, Joran!“, verbesserte Zirell, der zum gleichen Zeitpunkt ihr eigenes Verhalten wieder bewusst wurde. „Ach, du hast ja vielleicht Recht. Jedenfalls müssten wir eigentlich weiter ermitteln, um wirklich sicher zu sein. Aber die Zusammenkunft …“

Eine Leuchte an zweien der Ports für Neurokoppler machte ihrer Unterhaltung schlagartig ein Ende. Sofort steckten Joran und Zirell ihre Koppler an. Dann sahen sie IDUSA, deren Avatar sie mit alarmiertem Gesicht ansah. „Was ist los, IDUSA?!“, fragte Zirell. „Die Zusammenkunft hat eine Sonde ins Dunkle Imperium geschickt.“, sagte der Rechner. „Man beschuldigt Sytania jetzt offen, der Föderation eine Falle gestellt zu haben. Die gleiche Nachricht, die sich auch auf der Sonde befindet, wird zur Stunde auf allen Frequenzen des tindaranischen Militärs gesendet.“ „Lass hören, IDUSA!“, befahl Zirell blass. Der Avatar nickte und machte vor ihrem und Jorans geistigem Auge einen Schritt zurück. Dann rückte das Bild von Darell in den Vordergrund, die mit entschlossenem Gesicht verkündete: „Auf unsere Verbündeten, die Föderation der vereinten Planeten, ist ein übler Anschlag verübt worden. Aber wir, Sytania, wir, die Tindaraner, werden Euch damit nicht durchkommen lassen! Wir werden nicht zulassen, dass Ihr die wohlgemeinten Gesetze der Föderation derart für Eure Zwecke missbraucht und sie beschmutzt! Ihr habt einen großen Fehler gemacht! Es ist alles zu perfekt. Seid gewiss! Wir werden alles tun, um die Föderation vor Eurer Schliche zu schützen!“ Die Nachricht endete. „Ich glaube, den Fehler macht eher die Zusammenkunft selbst.“, sagte Joran. „Sie übersehen nämlich, dass die Föderation auch starke telepathische Verbündete , wie zum Beispiel auch euch, hat, die sofort merken würden, wenn Sytania …“ „Aber natürlich!“, sagte Zirell, der es wie Schuppen von den Augen gefallen war. „Bei allen Göttern! Die Zusammenkunft lässt sich doch nicht etwa von ihren verletzten Gefühlen derart blockieren! Gib mir sofort Betsy und Sedrin auf der Erde, IDUSA!“ Der Avatar nickte und der Rechner schaltete die Verbindung.

Sedrin war die Erste, die an diesem Morgen in meinem Haus erwacht war. Sie hatte bereits Frühstück gemacht und wartete nun auf mich. Derweil hatte sie mein Sprechgerät im Blick. Deshalb fiel ihr auch sofort das nervöse Blinklicht auf, das Zirells Ruf ankündigte. „Hier ist Agent Sedrin.“, meldete sie sich. „Sedrin!“, sagte eine sehr überraschte Zirell. „Ich hatte mit Betsy gerechnet.“ „Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen.“, lächelte die Demetanerin. „Du bist keine Enttäuschung für mich.“, sagte Zirell. „Im Gegenteil! Ich denke, dass ich deine Hilfe sehr gut brauchen kann. Leider hat die Zusammenkunft das Ganze als Falle von Sytania deklariert und man ist nicht gewillt, die Sache weiter zu verfolgen. Gut. Joran hat gesagt, es könnte sich um eine Falle von Sytania handeln, aber wir haben weder für das eine noch das andere Beweise. Wir wissen weder ganz sicher, ob es die Nidari-Travelers wirklich gibt, noch ob Sytania überhaupt etwas hiermit zu tun hat.“ „Noch mal!“, bestand Sedrin auf einer Wiederholung. „Du sagst nur, dass Joran es sich vorstellen könnte, aber dass er auch keine Beweise hat?“ „Genau das.“, sagte Zirell. „Nur die Zusammenkunft scheint das komplett missverstanden zu haben. Sie haben verstanden, dass es definitiv eine ist. Oder wie erklärst du dir ihre Reaktion?“ „Wie ich mir ihre Reaktion erkläre!“, sagte Sedrin und in ihr stieg eine leichte Wut auf. „Das möchte ich dir am liebsten gar nicht sagen, weil ich glaube, damit einen diplomatischen Zwischenfall zu provozieren!“ „Dann sind wir uns ja einig.“, lächelte Zirell und zwinkerte konspirativ in die Kamera ihres Sprechgerätes. „Du denkst also auch, dass …“, vergewisserte sich Sedrin. „Ja, Sedrin.“, sagte Zirell. „Ich denke durchaus auch, dass die Zusammenkunft etwas beleidigt ist wegen der Sache mit dem Mythos. Ich darf das sagen. Ich bin Tindaranerin! Wir haben freie Meinungsäußerung und selbst die Angehörigen des Militärs, wie ich eine bin, sind davon nicht ausgeschlossen. Wenn du das laut in der Öffentlichkeit herausposaunen würdest, wäre das schon etwas anderes, denn du hättest eine andere Kultur womöglich beleidigt und so etwas tut eine Sternenflottenoffizierin ja nicht. Wenn aber jemand sich so über die eigene Regierung äußert, kann das immer noch als Meinung einer unzufriedenen Bürgerin verharmlost werden in den Medien und wird sicher nicht so ausgeschlachtet.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Sedrin. „Hast du eine Ahnung, was Sytania tut, wenn sie erfährt, dass wir sie zu Unrecht beschuldigen?“ „Zu Unrecht?!“, fragte Zirell und horchte auf. Sie war wohl heilfroh über den Umstand, dass Sedrin offenbar irgendwas in der Hand hatte, das Sytanias Unschuld beweisen würde. Die Tindaranerin hätte niemals gedacht, dass der Umstand, dass Sytania unschuldig sei, sie so freuen würde. Aber auch für den größten Feind galt nun einmal die Unschuldsvermutung, bis man etwas anderes beweisen konnte. „Hast du etwa Beweise für Sytanias Unschuld?“, fragte Zirell. „Und ob ich die habe!“, lächelte Sedrin triumphierend und schloss ihren Erfasser an mein Sprechgerät an, um die Daten, die ihr Cupernica übermittelt hatte, zu überspielen. „Ich hoffe, du kannst mit den Dateien etwas anfangen.“, sagte die demetanische Agentin. „Sie stammen teilweise direkt aus dem Kopf einer Androidin. Der Rest sind Zeugenaussagen.“ „Oh, das geht schon.“, sagte Zirell, die einen kurzen Blick auf das Verzeichnis mit den Dateien geworfen hatte. „Und notfalls hilft mir sicher Ishan.“ „Das denke ich auch.“, sagte Sedrin. „Ich werde deine Beweise der Zusammenkunft weiterleiten.“, sagte Zirell. „Vielleicht können wir somit noch das Schlimmste verhindern. Ich denke, uns beiden ist klar, wie Sytania auf einen zu Unrecht gegen sie erhobenen Vorwurf reagieren wird.“ „Oh ja!“, sagte Sedrin fest, bevor sie die Verbindung beendete.

Ich war inzwischen auch meinem schönen warmen Bett entstiegen und hatte mich auf den Weg ins Wohnzimmer gemacht, wo mich Sedrin bereits erwartete. „Guten Morgen, Sie Frühaufsteherin.“, lächelte ich. „Sie wissen doch, Allrounder.“, sagte Sedrin. „Der frühe Vogel fängt den Wurm.“ Ich hatte genau jene Anspannung gehört, die in ihrer Stimme lag. „Was ist los?“, fragte ich Anteil nehmend. Sie drehte sich nur hörbar und schnippte mit den Fingern in Richtung Sprechgerät. „Zirell?“, fragte ich, die ich wohl schon ahnte, worauf das hinauslief. „Genau die.“, sagte die demetanische Agentin. „Sie hatte allerdings keine guten Nachrichten für uns.“ „Was meinen Sie damit genau, Agent.“, fragte ich. „Die Regierung der Tindaraner.“, begann Sedrin und wurde dabei ganz aufgeregt. „Glaubt anscheinend lieber, dass die Nidari-Travelers eine Falle von Sytania sind, als an ihre reale Existenz.“

Ich holte tief und erschrocken Luft und fuhr zusammen. Auch mir waren die eventuellen Konsequenzen eines solchen Vorgehens der Zusammenkunft bewusst. „Oh Gott, Agent!“, rief ich aus und begann so stark zu zittern, dass Sedrin mir die Kaffeekanne, die ich in der Hand hielt, schnell abnehmen musste, wenn sie verhindern wollte, dass ich mich verbrühte. „Genau.“, bestätigte Sedrin dann meine unausgesprochenen Befürchtungen. „Ich wusste, dass Sie das kapieren würden, Betsy! Sie wissen genau so gut wie ich, dass Sytania jetzt jedes Recht hätte, Rache für diese haltlose Beschuldigung an den Tindaranern zu nehmen. Ich persönlich glaube nämlich.“, sie machte eine dramatische Pause und fuhr dann fort: „Und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde! Ja, Allrounder, ich glaube, dass sie dieses Mal wirklich unschuldig ist. Die Indizienlage spricht eindeutig gegen ihre Schuld!“ „Sehe ich genau so.“, sagte ich. „Aber meiner Ansicht nach benimmt sich die Regierung der Tindaraner auch gerade wie ein Haufen beleidigter Leberwürste! Aber ich weiß auch schon, wer daran schuld ist. Vielleicht hätten weder ich noch Shimar die Sache mit dem Mythos erwähnen sollen.“ „Sie zwei trifft überhaupt keine Schuld!“, sagte Sedrin fest. „Sie waren lediglich die Boten für die Nachricht! Was die Empfänger dann damit machen, liegt in deren eigenem Ermessen und Sie wissen ja wohl, dass ein Zeuge nichts weglassen oder erfinden darf, wenn er eine Aussage macht. Es war also Ihre Pflicht, alles wahrheitsgemäß auszusagen und dazu gehört auch Sidars Äußerung über den Mythos. Die haben Sie ja schließlich genau gehört. Spätestens dann, wenn Zirell Ihre Aussage gelesen hätte, wäre es zu Ungereimtheiten gekommen und die hätten Ihre Glaubwürdigkeit empfindlich beeinflusst. Hätten Sie das gewollt?“ „Natürlich nicht, Agent.“, sagte ich. „Na also.“, sagte Sedrin. „Aber wie kommen Sie darauf, dass Zirell meine Aussage lesen sollte?“, fragte ich. „Weil ich ihr alle Daten, die wir gesammelt haben, überspielt habe.“, gestand Sedrin. „Ich hoffe, dass ich die Zusammenkunft so noch zur Vernunft bringen kann, bevor etwas Schlimmeres passiert.“ „Verstehe.“, sagte ich.

Wir frühstückten weiter, aber mir war bei den momentanen Aussichten wirklich der Appetit vergangen. Nur widerwillig stopfte ich mir ein Brötchen mit Käse in den Rachen. Dann folgte noch eine Tasse Kaffee mit viel Milch und noch mehr Zucker, mit der ich hoffte, meinen Ärger und meine Sorgen über das Verhalten der Zusammenkunft herunterspülen zu können, aber leider funktionierte das nicht. Ich wusste eben zu viel über die politischen Zusammenhänge, um einfach so wieder zur Tagesordnung übergehen zu können. Aber ich war ohnehin schon immer als jemand bekannt gewesen, die viel, manchmal vielleicht sicher auch zu viel, nachdachte.

Zirell hatte die Daten, die ihr Sedrin gegeben hatte, gemeinsam mit Joran studiert und wie versprochen an die Zusammenkunft weitergeleitet. Ihrer persönlichen Meinung nach ergab sich aus allem jetzt ein stimmiges Bild und zwar das einer Sytania mit einer weißen Weste. Da waren die Erfasserdaten von Sedrin und Cupernica und auch die Reaktion von Caruso, der ja dafür bekannt war, in der Lage zu sein, den Einfluss eines bösen Telepathen, wie alle Katzen, zu erspüren. Außerdem musste sich Sytania doch denken können, dass ihr das keinen Vorteil brachte, so etwas zu versuchen. Aus meiner Aussage war hervorgegangen, dass die Nidari-Travelers schon mehrere Völker kennen gelernt hatten. Darunter waren sicher auch einige telepathische Vertreter gewesen und spätestens die hätten den großen Schmus bemerkt. Dann wäre sie aufgeflogen und so ein Risiko wäre sie sicher nie eingegangen!

Jetzt saß Zirell immer noch mit Joran in ihrem Bereitschaftsraum zusammen. Gemeinsam wollte man abwarten, ob die Regierung angesichts der neuen Fakten ihre Taktik ändern würde, aber nichts dergleichen geschah. Die Nachricht, von der Zirell insgeheim hoffte, sie würde irgendwann verstummen, wurde sogar in noch kürzeren Intervallen gesendet. „Sie scheinen unbelehrbar, Anführerin.“, stellte Joran traurig und enttäuscht fest. „Von deiner Regierung hätte ich eine solche Torheit nicht erwartet. Die Föderationsregierung, gut, von denen ist man so was ja gewohnt. Aber ich dachte, ihr seid dafür viel zu weise!“ „Wie du siehst, sind wir das nicht, Joran.“, sagte Zirell mit niedergeschlagenem Blick. „Bist du jetzt sehr enttäuscht von uns?“ „Du solltest dich nicht mit diesen beleidigten Narren gleichsetzen, Anführerin.“, sagte Joran tröstend. „Du hast dem Ganzen klar, besonnen und neutral gegenüber gestanden, nachdem es Maron El Demeta gelungen war, deine anfänglich überschäumenden Gefühle wieder zu beruhigen. Du hast dich darauf ja auch schnell einlassen können. Aber deine Regierung … Vielleicht ist es an uns, ihnen zu zeigen, was die Wahrheit ist.“ „Das denke ich auch, Joran.“, sagte Zirell. „Was immer auch geschieht!“, sagte der Vendar. „In dieser Krise werde ich fest zu dir stehen! Ich kenne Sytania wie kein zweiter und wenn sie wirklich angreift, dann …!“ „Lass uns bitte nicht den Teufel an die Wand malen, Joran.“, bat Zirell. „Sag IDUSA, sie soll mich noch einmal mit Betsy und Sedrin verbinden.“ Joran nickte und führte ihren Befehl aus.

Meine Kenntnisse von Shimars Muttersprache hatten mir erlaubt, die Nachrichten zu verstehen und so hatte ich einen tindaranischen Sender eingeschaltet. Dem Sender musste irgendwie der genaue Inhalt der Nachricht an das tindaranische Militär zugespielt worden sein. Jedenfalls standen Sedrin und ich jetzt vor meinem Sprechgerät und ich übersetzte mit zitternder Stimme. Als ich mit den ersten Sätzen des Wetterberichtes beginnen wollte, befahl die Agentin nur kühl: „Ausschalten!“ Ich nickte und schaltete mein Sprechgerät aus. Dann stellte sich Sedrin vor mich und fragte ernst: „Hat die Zusammenkunft denn total den Verstand verloren?!“ „Anscheinend ja, Agent.“, analysierte ich niedergeschlagen und traurig. „Dann sollten wir schleunigst versuchen, ihn ihr zurückzugeben!“, sagte Sedrin. „Und ich weiß auch schon, wie wir das anstellen! Ist Lycira flugbereit?!“ Ich nickte. „Und ich glaube auch zu wissen, warum Sie gerade Lycira nehmen wollen, Ma’am. Sie war das Schiff eines Saloraners, die ja auch erst von den Tindaranern als Mythos abgetan wurden. Sie hoffen auf die psychologische Wirkung.“, sagte ich konspirativ. „Richtig erkannt.“, sagte Sedrin. „Sie sind ein kluges Köpfchen, Allrounder.“

Sie holte den Picknickkorb aus der Kühlung meines Replikators. „So und nun Abmarsch!“, befahl sie. „ Den Rest erkläre ich Ihnen auf dem Flug!“ Sie marschierte voraus in Richtung meines Schiffes und ich folgte vertrauensvoll.

Kapitel 4: Frieden auf der Kippe

von Visitor

 

Die Vorgänge in der tindaranischen Heimatdimension waren Telzan nicht verborgen geblieben. Durch eine getarnte Spionagesonde, die er dorthin geschickt hatte, konnte er sich jetzt ein genaues Bild darüber machen, dass das tindaranische Militär in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden war aufgrund einer Tatsache, die eigentlich gar keine war. Natürlich wusste der Vendar, der ja über Sytanias Pläne sehr gut informiert war, dass sie dieses Mal wohl tatsächlich unschuldig war. Aber er wusste auch, dass sie dies als willkommenen Anlass sehen könnte, einen Angriff auf Tindara zu starten. Die Tindaraner würden es noch bitter bereuen, sie zu Unrecht beschuldigt zu haben!

Cirnach hatte jenes Zimmer betreten, in dem sich Telzan jetzt die Bilder der Sonde ansah. Auch sie war in der Lage, diese sofort zu interpretieren, konnte sich aber nicht vorstellen, warum ihr Mann trotz der ungeheuren Anschuldigungen gegen ihre Herrin noch so freudig grinste. „Freut dich etwa, dass diese Tindaraner sich herausnehmen, unsere Herrin einfach so eines Verbrechens zu beschuldigen, das sie nie begangen hat?!“, fragte Cirnach empört. „In gewisser Weise ja, Telshanach!“, grinste Telzan zurück. „Ich höre wohl nicht recht!“, meinte seine Ehefrau. „Oh doch.“, sagte Telzan. „Du hörst verdammt recht, meine liebe Cirnach. Mich freut tatsächlich, dass man Sytania dessen beschuldigt, denn so liefern ihr die Tindaraner einen astreinen Vorwand, sie anzugreifen. Wenn du eines Verbrechens beschuldigt würdest, das du nicht begangen hast, würdest du dich dann etwa nicht wehren wollen? Unsere Herrin wartet schon seit Jahren auf einen solchen Vorwand und hier ist er!“

Er zog die Bilder von der Sonde auf einen Datenkristall, den er dann in ein Pad legte. „Sytania wird sich freuen, Telshanach.“, sagte er mit einem teuflischen Grinsen auf dem Gesicht. „Sie wird sich freuen! Komm! Lass uns rasch zu ihr gehen!“ Cirnach nickte und folgte ihm.

Sytania saß in ihrem Thronsaal auf ihrem Thron, als die beiden Vendar diesen betraten. „Was bringt ihr mir für Nachrichten?!“, fragte die Prinzessin mit mürrischem Gesicht, nachdem sie einen Blick auf die beiden Gesichter ihrer Vertrauten geworfen hatte. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum sie so gut gelaunt waren. Seit Wochen hatte sich nichts mehr getan, das ihr einen Vorwand liefern konnte, sich für die erlittene Niederlage an der Föderation oder ihren Verbündeten zu rächen. Sie wusste, dass die Föderation jetzt um so vorsichtiger werden würde, was ihr Verhalten anging, um ihr nie wieder so einen Punkt zum Einhaken zu liefern. Nugura hatte sich öffentlich bei den Romulanern für den Plan entschuldigt, der vor ca. 800 Jahren durch einen Sternenflottenoffizier gefasst worden war und man hatte ihre Entschuldigung tatsächlich angenommen, da man durch Sytania ja selbst in eine verzweifelte Lage geraten war und die Beweggründe so auch sehr gut verstehen konnte. Das war eine Tatsache, die der imperianischen Königstochter gar nicht gefiel! „Wie zur Hölle könnt ihr es wagen, so gute Laune zu haben?!“, herrschte Sytania ihre beiden Vertrauten an. Telzan und Cirnach schwiegen aber nur unbeeindruckt und verzogen keine Miene. „Das muss ja etwas sehr Vorteilhaftes für uns sein, was ihr da in der Hand habt.“, sagte Sytania. „In der Tat.“, bestätigte Telzan und holte grinsend das Pad hinter seinem Rücken hervor. Dann ließ er es die Nachricht abspielen. „Was für eine ungeheuerliche Anschuldigung!“, empörte sich Sytania. „Und ihr wagt es, mir dies als Vorteil für uns zu präsentieren?!“ „Ja, das tun wir, Gebieterin.“, mischte sich jetzt auch Cirnach ein. „Überlegt doch bitte einmal. Die Nachricht hat doch sicher etwas mit Euch gemacht, oder?“ „Oh ja, Cirnach!“, sagte Sytania mit viel Wut in den Augen. „Sie hat dafür gesorgt, dass ich die Tindaraner am liebsten auf der Stelle angreifen würde! Diese haltlose Anschuldigung lasse ich nicht auf mir sitzen, obwohl es mir sicher gefallen hätte, wenn ich wirklich getan hätte, wessen sie mich beschuldigen. Sie haben mich da in gewisser Weise schon auf eine Idee gebracht, aber mich auch gleichzeitig vorgewarnt. Wenn ich das jetzt wirklich versuchen würde, würden sämtliche Telepathen in Alarmbereitschaft sein und mich erkennen. Das wäre sehr zu meinem Nachteil und deshalb versuche ich es gar nicht erst. Aber sie sollen mich kennen lernen!“ „Dann lasst es uns doch tun.“, schlug Telzan vor. „Lasst uns den Tindaranern ein für alle Mal zeigen, dass sich die Thronfolgerin des Dunklen Imperiums nicht so einfach eines Verbrechens beschuldigen lässt, dass sie nie begangen hat!“ „Ich wusste, du würdest mit mir einer Meinung sein, Telzan!“, freute sich Sytania. „Versammle deine Truppen! Wir werden …!“

Cirnach trat vor und räusperte sich. „Mit Verlaub, Gebieterin.“, sagte sie. „Ihr dürft nicht außer Acht lassen, dass die Tindaraner starke Verbündete haben, die …“ „Du denkst an Zeitland, das Raum-Zeit-Kontinuum, meinen Vater, die Aldaner und so weiter, was?!“, fiel die Prinzessin ihrer Dienerin ins Wort. Cirnach nickte nur. „Dann will ich dir mal etwas erklären, Cirnach.“, sagte Sytania schulmeisterlich. „Die Meisten von denen würden sich wohl kaum direkt einmischen, weil sie garantiert irgendwelche hochgestochenen Gründe dafür finden.“ „Aber was ist, wenn sie es doch tun?“, fragte Cirnach und legte die Stirn in Sorgenfalten. „Ich meine, immerhin sind sie Verbündete und die helfen einander, wenn es hart auf hart kommt.“ „Oh ja.“, meinte Sytania abfällig. „Diese verdammten Bündnisse und Freundschaften! Wie ich sie hasse! Das erinnert mich auch gleich an den Grund für meine schlechte Laune! Wisst ihr, wie Nugura das neue Bündnis mit den Romulanern nennt?! Sie nennt es ein Bündnis der Ehrlichkeit! Noch so etwas, das ich abgrundtief hasse und das mir die Ekelpusteln ins Gesicht treibt, wenn ich es nur höre! Ehrlichkeit, Freundschaft und Bündnisse sind Dinge, die doch nur abhängig machen und lästige Verpflichtungen mit sich bringen. Aber wenn man die Leute nach Strich und Faden für sich ausnutzt, stets boshaft ist und immer nur zum eigenen Vorteil handelt, lebt man doch bedeutend leichter! Aber nun sage mir, Cirnach. Was genau gefällt dir an dem Plan nicht, die Tindaraner gleich anzugreifen?“ „Ihr wisst.“, sagte die Vendar und hob mahnend den Zeigefinger ihrer rechten Hand. „Dass die Tindaraner, wenn sie sich geistig zusammenschließen und alle gleichzeitig auf ein Ziel konzentrieren, eine schier undurchdringliche mentale Mauer bilden können. Aber auch ein einzelner Tindaraner allein könnte Euch schon sehr gefährlich werden, wenn er es richtig anstellt. Erinnert Euch doch nur einmal an Euren letzten Kampf mit Shimar El Tindara! Außerdem haben sie ihre selbstständig denkende und handelnde Technologie, die ihnen mit Sicherheit auch mit etwas Rosannium mithelfen würde, Ihr versteht hoffentlich! Wir wären schön dumm, würden wir so einfach gegen sie anrennen! Nein. Mir schwebt da eher vor, sie zu spalten und sie in einen 2-Fronten-Krieg zu verwickeln. Ich dachte da an einen mit den Genesianern zum Beispiel.“ „Und wie willst du das erreichen, Cirnach?!“, fragte Sytania.

Cirnach sah ihren Mann an. „Ich habe durch unsere Spionagesonden erfahren.“, sagte Telzan. „Dass sich ein tindaranisches Patrouillenschiff in der Nähe der Grenze zum genesianischen Raum befindet. Wenn dieses ohne Vorwarnung die Grenze überfliegen würde, dann würden die Genesianer das sicher als aggressiven Akt sehen.“ „Und wie willst du den Piloten dazu bewegen?!“, fragte Sytania sehr aufgeregt. „Das muss ich gar nicht.“, sagte Telzan im Gegensatz zu ihr sehr ruhig. „Ihr könntet ein Phänomen erschaffen, das die Warpspulen des Schiffes erfasst und es zwingt, über die Grenze zu fliegen. Es darf natürlich nicht für genesianische Sensoren sichtbar sein, aber …“ „Pah.“, machte Sytania und schaute gelangweilt. „Das dürfte eine meiner leichtesten Übungen sein! Also gut! Unser Plan steht also. Ich kümmere mich um den Tindaraner und ihr wartet, bis diese Front aufgebaut ist. Danach fallt ihr in ihre Dimension ein! Ich will sie lehren, was es heißt, Sytania ohne Beweise zu verdächtigen! Ich mag zwar ihre Feindin sein, aber ich lasse mich nicht zum Sündenbock machen!“ „Sicher nicht, Milady.“, sagte Telzan und winkte seiner Frau, um mit ihr in die vendarische Garnison zurückzukehren. Hier würden sie alles für den Überfall auf die Tindaraner vorbereiten.

Sedrin und ich hatten Lyciras Cockpit betreten. „Ich werde mich nie mit der Tatsache anfreunden können, dass dieses Schiff mit Ihnen telepathisch kommunizieren kann.“, sagte Sedrin. „Vielleicht können Sie sich aber mit dem Gedanken anfreunden, dass sie mit Ihnen telepathisch kommunizieren kann, Agent.“, machte ich lächelnd ein kleines Wortspiel. „Hören Sie schon auf mit Ihrer kommunikationsoffizierischen Bauernschläue und Wortgewandtheit, von der ich mir sicher noch eine dicke Scheibe abschneiden könnte.“, sagte Sedrin und ich konnte an ihrer Betonung gut hören, dass die sonst immer so souveräne Sedrin jetzt doch sehr nervös zu werden schien. „Haben Sie Angst, dass unser Plan, wie immer er auch lauten möge, nicht funktioniert?“, fragte ich sie gerade heraus. „Sagen Sie mir bitte nicht, Sie haben das auch schon wieder gehört, Allrounder!“, sagte Sedrin und ich bekam das starke Gefühl, dass sie sich sehr ertappt fühlte. „Oh doch, Agent!“, sagte ich mit viel Überzeugung in der Stimme. „Das habe ich genau gehört!“ „Dabei habe ich mir solche Mühe gegeben, das zu überspielen!“, erwiderte Sedrin und ihre Enttäuschung über sich selbst war nicht zu überhören. „Das ist es ja gerade.“, stellte ich fest. „Sie haben sich zu sehr bemüht.“ „Verstehe schon.“, sagte Sedrin. „Ich bin eben manchmal eine verdammt miese Schauspielerin.“ „Oh.“, lächelte ich. „Das ist aber in Ihrem Beruf gar nicht gut, wenn Sie sich mal tarnen müssen.“ „Das stimmt.“, sagte die Demetanerin und atmete hörbar aus. „Bitte lassen Sie uns jetzt endlich starten, bevor ich noch gänzlich die Nerven verliere.“ „So schlimm?“, fragte ich und versuchte ein mitleidiges Gesicht zu machen. Dann gab ich Lycira den Gedankenbefehl zum Start.

Mir fiel im selben Moment auf, dass Sedrin abwechselnd mit dem rechten und dem linken Fuß auf den Boden tippte. „Ich fürchte, da benötigt jemand dringend eine Ablenkung.“, sagte ich und zeigte auf die beiden weichen Vertiefungen in der Konsole vor Sedrins Sitz. „Legen Sie dort bitte die Hände hinein, Madam.“, erklärte ich dann. „Lycira würde Sie nämlich gern kennen lernen.“

Sedrin tat, was ich ihr vorgeschlagen hatte. Im gleichen Moment hörte sie Lyciras telepathische Stimme: Hallo, Sedrin. Ich bin Lycira, Betsys Schiff. Ich würde gern wissen, wie unsere Mission lautet. „Wie antworte ich ihr, Allrounder?“, flüsterte mir Sedrin in mein rechtes Ohr, da sie rechts von mir saß. „Denken Sie einfach, was Sie ihr sagen wollen.“, half ich ihr auf die Sprünge. „Da hätte ich auch gleich selbst drauf kommen können.“, sagte Sedrin, der ihr leichter Anflug von Dummheit, wie sie wohl selbst fand, sehr peinlich zu sein schien. Hi, Lycira., dachte Sedrin. Es freut mich sehr, dich kennen zu lernen. Weißt du eigentlich, dass du eine sehr schöne telepathische Stimme hast? Aber du wolltest ja wissen, wie unsere Mission lautet. Wir fliegen nach Tindara und halten denen mal ein wenig den Spiegel vor. Ich glaube, ich verstehe schon, Sedrin., erwiderte Lycira.

Am Rascheln ihrer Kleidung stellte ich fest, dass sich Sedrin bewegt haben musste. Sofort schloss ich, dass sie ihre Hände wieder aus den Mulden genommen hatte. „Ich bin etwas neidisch auf Sie, Betsy.“, stellte Sedrin fest. „Warum das?“, fragte ich verwundert. „Sie haben ein Schiff, das alle Erwartungen übertrifft. Was müssen die Saloraner für findige Ingenieure sein?! Ich denke, von ihnen könnten sich sogar die Celsianer noch eine dicke Scheibe abschneiden.“ „Es gibt halt immer noch eine Steigerung, Madam.“, lächelte ich.

Wir hatten das Sonnensystem verlassen. „Haben Sie Lycira über unsere Mission aufgeklärt?“, fragte ich. „Ja, das habe ich, Betsy.“, sagte Sedrin. „Und das Gleiche werde ich jetzt mit Ihnen tun. Ich habe vor, der tindaranischen Regierung im wahrsten Sinne des Wortes den Spiegel vorzuhalten. Aber dafür werden wir nicht etwa ins Parlament marschieren und eine Protestflagge schwenken. Nein! Das werden wir viel subtiler anstellen. Wir werden dafür noch nicht einmal den Planeten selbst aufsuchen. Wie beurteilen Sie die Situation um Ihren Freund? Glaubt er an die Existenz der Nidari-Travelers?“ „Er ist sich nicht so sicher, glaube ich.“, sagte ich. „Aber ich denke, er wird leicht zu überzeugen sein.“ „Um so besser.“, sagte Sedrin und grinste hörbar. „Dann ist er ja schon einmal ein williges Opfer für meinen Plan. Könnte Lycira ihn von der interdimensionalen Schicht aus finden?“ „Das denke ich schon.“, sagte ich. „Und was dann?“ „Dann werden wir ihm zunächst den Spiegel vorhalten. Das bedeutet, Lycira wird alle seine Manöver spiegeln. Können Sie ihr das beibringen?“ „Ich denke schon, Agent.“, sagte ich. „Aber welchen Zweck verfolgen Sie damit?“ „Ganz einfach.“, sagte Sedrin. „Shimar wird unser Verhalten sehr merkwürdig finden und es bestimmt melden. Zirell wird er es melden, die es sofort der Regierung weitergeben wird, weil sie sich sicher auch keinen Reim darauf machen können wird. Ich hoffe so, die Zusammenkunft ganz unterschwellig zum Nachdenken bringen zu können.“ „Igitt!“, grinste ich. „Was für ein hinterlistiges Hintertürchen!“ „Dafür bin ich ja bekannt, Allrounder.“, sagte Sedrin. „Wir haben es ja durch die Vordertür versucht.“, rechtfertigte sie ihr Vorgehen. „Aber leider ohne Erfolg. Sie haben ja selbst gehört, was dabei herausgekommen ist.“ Ich nickte mit traurigem Ausdruck im Gesicht. Dann sagte ich: „Das haben die Travelers sicher nicht gewollt! Sie wollten doch nur hallo sagen und statt dessen gibt es ihretwegen jetzt bald Krieg zwischen Tindara und Sytanias Teil des Dunklen Imperiums!“ „Nicht, wenn wir es verhindern können, Betsy!“, meinte Sedrin motivierend. „Und jetzt aktivieren Sie Lyciras interdimensionalen Antrieb, damit wir Ihren Freund bald finden und unseren Plan in die Tat umsetzen können!“ „Aye, Madam!“, nickte ich und führte ihren Befehl aus. Dann sagte ich zaghaft: „Hoffentlich dreht mir keiner aus dieser Sache später einen Strick.“ „Wenn hier jemandem einer gedreht wird.“, sagte Sedrin. „Dann allerhöchstens mir! Ich bin die ranghöhere Offizierin und trage deshalb alle Verantwortung auf dieser Mission. Wenn Ihr Commander, die Präsidentin oder von mir aus auch das gesamte Oberkommando der Sternenflotte also jemandem den Hals umdrehen wollen, dann bitteschön! Hier ist meiner und der ist ziemlich flexibel! Verstehen Sie?!“ Ich gab einen bestätigenden Laut von mir. Dann sagte ich: „Danke, Agent.“ „Da brauchen Sie sich nicht bei mir zu bedanken, Allrounder.“, sagte Sedrin grinsend. „Danken Sie lieber denen, die mal die Sternenflottenvorschriften erfunden haben.“

Betsy! Ich hatte Lyciras telepathische Stimme vernommen. „Was ist, Lycira?“, fragte ich laut und dachte es gleichzeitig, denn diese Gewohnheit würde ich wohl mein Lebtag nicht ablegen. Aber es war auch besser für Sedrin, denn dann war auch sie im Bilde. Ich habe Shimar und sein Schiff gefunden., erklärte mein Schiff. „Dann bring uns hin!“, befahl ich. OK., meinte Lycira und konfigurierte ihren interdimensionalen Antrieb zum Wiedereintritt in unser Universum. „Was ist?“, fragte Sedrin. „Sie hat ihn!“, sagte ich. „Na dann!“, sagte Sedrin. „Sie wissen ja, was Sie zu tun haben.“ „Allerdings.“, bestätigte ich nickend.

Auch an Bord von 281 Alpha waren zwei Offiziere dabei, auf ihre Art die Regierung der Tindaraner zur Geduld zu mahnen. Hierzu hatten sie sich in der Simulationskammer mit Hilfe des Programmierassistenten eine hübsche Winterlandschaft erstellt, in der jetzt beide dabei waren, Iglus zu bauen. Aber nicht etwa aus großen Blöcken, sondern aus kleinen filigranen Schneebällchen, die sie mit Wasser und Pulverschnee, in den sie auch klein gehacktes Stroh gemischt hatten, aneinander befestigten. So hatten sie es schließlich aus IDUSAs Datenbank erfahren. Wenn die Bauwerke fertig waren, würde man sie Zirell präsentieren. Aber auch jetzt war das Programm bereits öffentlich zugänglich, zumindest was das Beobachten ihrer Fortschritte anging. Bei den beiden Baumeistern handelte es sich um Joran und Maron. Beide hatten mit Sorge das Verhalten der Zusammenkunft beobachtet und hatten sich eigentlich gewünscht, dass man die Geduld hätte, wenigstens das Ende der Ermittlungen abzuwarten. Statt dessen hatte man aus verletzten Gefühlen heraus begonnen, auf eine Person einzudreschen, die, wenn sie sich wehrte, doch sehr gefährlich werden konnte. Wenn Maron oder Joran an ihrer Stelle gewesen wären, hätten sie mit Sicherheit eher eine ruhige Hand bewiesen, als so vorzugehen. Eine Solche benötigten sie auch bei ihrem Bauvorhaben. Dieses war also ein Sinnbild im doppelten Sinne.

Maron hatte einen Schneeball in die Wand seines Iglus eingefügt. Dann hatte er sich an den Avatar des Stationsrechners gewandt, die sich in einiger Entfernung auf einem Schlitten sitzend der Bauaufsicht widmete: „IDUSA, haben wir viele Zuschauer?“ „Oh ja, Agent.“, grinste IDUSA. „Das Netzwerk bricht fast zusammen, so viele sehen Ihnen und Joran zu. Wahrscheinlich fragt sich der Großteil gerade, was das soll, was Sie hier tun. Ich denke, sie würden Sie das auch gern selbst fragen, aber Sie haben mir ja sogar strengstens verboten, eine Kommunikationsmöglichkeit in das Programm einzubauen.“ „Und das aus gutem Grund, IDUSA.“, sagte Maron. „Die Bevölkerung von Tindara und seinen Kolonien soll ruhig noch eine Weile daran herumrätseln, was wir ihnen wohl damit sagen wollen. Ich hoffe, dass sie es dann, wenn sie das Rätsel meinen gelöst zu haben, ihrer Regierung weitergeben. Ach! Ich liebe die Auswirkungen direkter Demokratie am Morgen!“ Er gab einen genießerischen Laut von sich. „Wenn ich ehrlich sein darf.“, setzte IDUSA an. „Dann hätte ich Ihnen so eine subtile Art der Demonstration nicht zugetraut, Agent Maron, obwohl Sie Demetaner sind. Aber Sie sind doch eher als jemand bekannt, dem solche Pläne im Allgemeinen nicht gelingen und der vom Pech verfolgt ist.“ „Vielleicht habe ich ja auch mal Glück, IDUSA.“, sagte Maron. „Sie werden mich also wegen meiner Äußerung nicht Techniker McKnight melden?“, fragte der Rechner erstaunt. „Aber nein.“, erwiderte Maron mild. „Wo kämen wir denn da hin?“ „Ich dachte nur.“, sagte IDUSA. „Weil Sie unter Umständen das Gefühl haben könnten, ich wolle Ihre Autorität untergraben oder Ähnliches.“ „Oh nein, IDUSA!“, versicherte Maron ihr. „Du hast doch nur die Wahrheit gesagt und ich habe mittlerweile viel über euch und den Umgang der Tindaraner mit euch gelernt! Ich habe gelernt, deine Meinung zu akzeptieren, wie ich auch die jeder anderen Lebensform akzeptiere. Die Sternenflotte akzeptiert ja sogar die Meinung von Androiden und Hologrammen oder selbstständig denkenden Simulationen, wie du eine bist.“ „Die Sternenflotte ja.“, sagte IDUSA. „Aber Sie persönlich hatten damit bisher leider Ihre Schwierigkeiten.“ „Ich hoffe aber.“, sagte Maron. „Dass dieser Knoten jetzt endlich geplatzt ist.“

Joran schaute zu Maron und IDUSA hinüber. „Worüber habt ihr gerade geredet, Maron El Demeta?“, fragte er seinen Vorgesetzten. „Es war nur was Persönliches, Joran.“, sagte Maron. „Außerdem wollte ich von ihr wissen, ob uns viele Leute zusehen.“ „Und?“, fragte der Vendar mit neugierigem Blick. „Tun sie das?“ „In der Tat, wie du immer zu sagen pflegst.“, freute sich der demetanische Agent. „Sie sagt, dass das tindaranische Netzwerk fast zusammenbricht und das nur wegen uns! Also: Halb Tindara staunt und die andere Hälfte wundert sich.“ „Ich schätze, du hast mit voller Absicht ein Motiv aus deinem Heimatuniversum gewählt, das die einfache Bevölkerung auf Tindara nicht unbedingt kennt.“, sagte Joran. „Damit das Rätsel noch größer ist.“ „Wie gut du mich doch kennst.“, grinste der Demetaner und schickte sich an, einen weiteren Schneeball aufzustapeln, aber Joran hielt ihn zurück: „Deine Bälle werden immer größer, Maron El Demeta! So könnte es sein, dass du zu schnell fertig wirst.“ „Dann fass dir mal bitte an die eigene Nase.“, sagte Maron. „Bei dir sieht es so aus, als wärst du auch kurz davor, die Geduld zu verlieren.“

Joran sah sich sein eigenes Bauwerk von oben bis unten an. Mit scharfem Blick verglich der Vendar jeden Ball mit dem anderen. Dann sagte er nur resignierend: „In der Tat.“ Seine Gesichtshaare stellten sich auf. „Das ist noch lange kein Grund, gleich blass zu werden.“, tröstete Maron. „Oh doch, Maron El Demeta.“, sagte Joran. „Wenn wir so weiter machen, verfliegt doch der Effekt unseres Mahnmals völlig und wir geben uns der Lächerlichkeit preis, weil wir es nicht einmal merken.“ „Oh, ich bin sicher, IDUSA hätte es gemerkt und uns schon früh genug aufmerksam gemacht.“, sagte Maron. „Aber woher kann das kommen?“, fragte Joran. „Ich glaube, dass wir unbewusst langsam tatsächlich selbst die Geduld verlieren.“, sagte Maron. „Bei allen Göttern!“, sagte Joran verzweifelt. „Das darf nicht passieren!“

Der Avatar des tindaranischen Rechners war von ihrem Schlitten aufgestanden und hatte sich den Männern genähert. Jetzt legte sie beiden ihre dick in Handschuhe verpackten Hände auf die Schultern. Maron die Rechte und Joran die Linke. Dann flüsterte sie: „Das wird auch nicht passieren, wenn Sie mir jetzt zuhören, Gentlemen. Ich habe dies tatsächlich schon länger beobachtet und auch schon einen Plan ersonnen, wie wir der Ungeduld Ihrer beider Unterbewusstsein ein Schnippchen schlagen. Wie wäre es, wenn Sie sich gegenseitig helfen, indem jeder die Bälle für den anderen rollt?! So entsteht vielleicht bei Ihnen ein größeres Gefühl der Zusammengehörigkeit und gleichzeitig führen Sie beieinander die notwendigen Kontrollen durch.“

Zwischen Maron und Joran gab es lebhaften Augenkontakt, was der Rechner ebenfalls zur Kenntnis nahm. Dann flüsterte Maron: „Sie ist gut, Joran! Ein Sternenflottencomputer wäre sicher nicht auf so etwas gekommen. Aber ich finde ihren Vorschlag gar nicht so schlecht!“ „Ich auch nicht, Maron El Demeta.“, sagte Joran und Maron hatte fast das Gefühl, einen Anflug von Bewunderung und Ehrfurcht in der Stimme des Vendar wahrzunehmen. „Deshalb finde ich, wir sollten ihren Vorschlag ruhig annehmen.“ „Das finde ich auch.“, sagte Maron. Dann wandte er sich IDUSA zu: „Wir werden deinen Vorschlag annehmen, IDUSA. Aber du könntest uns noch zwei große Kübel auf Schlitten replizieren, in die wir die Bälle zum Abtransport legen können. Die tauschen wir dann einfach immer wieder aus. Mutter Schicksal! Du eignest dich wirklich hervorragend als Komplizin, IDUSA! Mit einem Sternenflottencomputer wäre das sicher nicht möglich gewesen.“ „Ein Hoch auf meine Selbstständigkeit!“, lächelte IDUSA und stellte das Gewünschte für Maron und Joran bereit.

Eine ganze Weile lang hatten die Beiden jetzt schon ihre Tätigkeit fortgesetzt und dabei bemerkt, dass IDUSAs Vorschlag ihnen die Arbeit tatsächlich sehr erleichtert hatte. Dann aber unterbrach der Rechner das Programm jäh. „Was gibt es, IDUSA?!“, fragte Maron alarmiert. „Ich muss Ihnen etwas zeigen, Gentlemen.“, sagte der Avatar. Ihr Gesicht vor den geistigen Augen der Männer war leichenblass. „Es ist möglich.“, fuhr sie fort. „Dass Sie gleich wieder zum Dienst müssen. Aber keine Sorge. Ich habe die Situation in Ihrem Programm gespeichert.“ „Zeig uns doch erst mal, was dich so in Alarmbereitschaft versetzt hat, IDUSA.“, sagte Maron.

Der Avatar nickte und ihr Bild wich dem einiger Vendar, die ihre Schiffe warteten. „Woher sind diese Bilder, IDUSA?“, fragte der erste Offizier. „Sie kommen von der interdimensionalen Sensorenplattform.“, sagte IDUSA. „Sie hat dies im Dunklen Imperium beobachtet. Bitte schauen Sie sich genau an, auf welche Systeme die Vendar ihr verstärktes Augenmerk legen.“ „Die Interdimensionsantriebe und die Waffen! Insbesondere die mit Rosannium!“, stellte Joran fest. „Wenn man das mit den anderen Ereignissen zusammennimmt, könnte das bedeuten …“ „Dann bedeutet es!“, verbesserte der erste Offizier seinen Untergebenen. „Es bedeutet, dass Sytania sich wehrt und wir alle wissen, wie das aussieht. Sie ist jetzt wie ein angeschossenes Tier! Also unberechenbar! Warum konnte die Zusammenkunft nicht einfach nur die Ermittlungen abwarten?! Sind sie denn so schnell zu beleidigen?! Das hätte ich von ihnen nicht gedacht! Sie müssten doch eigentlich genau wissen, was passieren kann, wenn man Sytania wütend macht und jetzt haben wir den Salat! Los komm! Ab zur Kommandozentrale! IDUSA, verständige Zirell!“

Wenige Minuten danach trafen sie bereits in der Kommandozentrale ein, wo sie schon von Zirell erwartet wurden, die von IDUSA befehlsgemäß verständigt worden war. Auch ihr hatte der Rechner die Bilder gezeigt, aber inzwischen hatte sich etwas geändert. „Für mich sieht es so aus, als hätten die Vendar vor, sich irgendwo in der interdimensionalen Schicht zu versammeln und auf etwas zu warten.“, sagte Zirell. „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Meine ehemaligen Kameraden haben zwar die Antriebe ihrer Schiffe konfiguriert, um in unsere Dimension einzufliegen, aber sie tun es nicht. Sie scheinen tatsächlich auf etwas zu warten.“ „Aber auf was warten sie?“, wollte Zirell wissen. „Das kann ich dir leider nicht beantworten, Anführerin.“, sagte Joran. „Aber ich befürchte, das werden wir noch früh genug sehen.“ „Das denke ich auch.“, sagte Zirell. „Aber so lange wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als zu warten. Oh, ich hasse Belagerungen!“ „Ich denke, darauf werden sie wohl keine Rücksicht nehmen, Zirell.“, sagte Maron.

Kapitel 5: Ein zarter Hoffnungsschimmer

von Visitor

 

Jaden war an diesem Morgen etwas später aufgestanden. Er hatte sich von den Morgennachrichten wecken lassen, in denen jetzt über ein Referendum gesprochen wurde, in dem die Regierung der Föderation darüber abstimmen sollte, ob den Tindaranern, wenn es einen Angriff durch Sytania geben sollte, geholfen werden sollte und wenn ja in welchem Umfang. Auch die Sternenflotte hatte die Truppenbewegungen jenseits der Weltraumwirbel beobachtet. Aber Huxley wusste ja schon etwas mehr Dank seines SITCH-Rufbeantworters, auf den seine Frau ihm eine Nachricht gesprochen hatte, in der es hieß, dass sie aus ermittlungstaktischen Gründen bei mir übernachten würde. Auch über die merkwürdigen Vorkommnisse hatte sie ihm kurz berichtet. Angesichts dieser Tatsachen fragte sich aber sogar Jaden, der sonst eigentlich nicht für seinen Scharfsinn bekannt war, ob das alles noch mit rechten Dingen zuging. „Hat die Regierung der Tindaraner den Arsch offen?!“, fluchte Jaden. Er hatte von Sedrin oft genug zu hören bekommen, was passieren könnte, würde man Sytania ohne Beweise so offen provozieren.

Er warf der Nachrichtensprecherin auf dem Bildschirm seines Sprechgerätes nur einen verächtlichen Blick zu und zischte: „Lady, Sie haben mir gerade so richtig schön den Tag versaut!“ Dann schaltete er das Gerät ab und ging aus dem Haus. Er musste unbedingt den Kopf frei bekommen und bei was ging das besser, als bei einem kleinen Spaziergang?

Sein Weg führte Jaden in Richtung Stadtpark. Hier würde er auch an der Statue vorbeikommen. Ihm fiel auf, dass rund um sie herum Kraftfeldemitter aufgebaut waren, damit niemand, der nicht befugt war, den Ort des Geschehens betreten und somit eventuelle Spuren unbrauchbar machen konnte. Ein metallener Würfel mit einem elektronischen weithin sichtbaren Hinweis darauf war auch in gebührender Entfernung aufgestellt. Jaden dachte sich, dass Malcovich das angeordnet haben musste.

Er wurde auf Caruso aufmerksam, der leichtpfotig in seine Richtung tänzelte. Wohin der Kater allerdings jetzt abbog, gefiel dem Terraner gar nicht! „Hey, Caruso!“, rief Jaden. „Bleib stehen! Wenn du weitergehst, kannst du dich verletzen! Bleib verdammt noch mal endlich stehen!“

Auch Jaden wandte sich jetzt in die Richtung, nachdem er gesehen hatte, das sein Rufen allein nichts bringen würde. Dann rannte er los und versuchte den Kater einzuholen. Gerade noch so konnte er ihn schließlich mit der linken Hand am Schwanz erwischen. Dann griff er mit der Rechten blitzschnell nach seinem Nackenfell. Offensichtlich verwirrt über diese Aktion gab Caruso ein Fauchen von sich. „Ich will dir doch nur helfen, verflucht!“, schimpfte Jaden. „Nun mach es mir nich’ schon schwerer, als es is’!“

Er hob das arme verwirrte Tier auf seinen Arm und ging mit ihm zu einer Bank, wo er sich setzte. Dann setzte er auch Caruso auf seinem Schoß ab. „Tut mir ja leid, mein Kleiner.“, sagte er dann. „Ich wollte dir nich’ wehtun. Aber da is’ ’n rotes Licht, das das gemacht hätte, wenn ich dich nich’ geholt hätte. Ich weiß, wo du hin willst. Der Platz auf der Schulter von der Statue, den findest du wohl echt dufte. Nur die Tante Kate, die möchte nich’, dass da jemand hingeht. Aber meine Frau, die Tante Sedrin, die hat gesagt, du warst von Anfang an dabei. Also gehörst du ja wohl dazu. Der Onkel Jaden weiß auch schon, wie er dich über das rote Licht kriegt, ohne dass es dich verletzt! Pass auf, Caruso. Gleich lernst du fliegen!“

Jaden legte den Kater über seine weit vor sich gestreckten Arme und stand auf. Dann spannte er jeden Muskel seiner Unterarme an. Jadens Absicht war es, seine Arme in dem Moment, wenn Caruso springen würde, wie einen Katapult wirken zu lassen und ihm noch etwas Schwung zu geben. Aber Caruso sah sich die Situation nur kurz von oben an und blieb dann stocksteif und mit vor Angst weit aufgerissenen Augen sitzen. Das Ganze war ihm gar nicht geheuer! „Na hopp!“, versuchte Jaden , ihn zu motivieren, denn ihm wurden langsam die Arme lahm. Er war es ja schließlich nicht gewohnt, für längere Zeit einen 7-Kilo-Kater auf seinen Unterarmen zu balancieren.

Über die Beobachtungssoftware, mit der Data von Zeit zu Zeit die Stromertour seines Katers überwachte, hatte der Androide von der misslichen Lage seines Haustiers Kenntnis erhalten und war sofort zum Ort des Geschehens geeilt. „Lass bitte sofort meinen Kater los!“, rief er Jaden freundlich aber bestimmt entgegen. Da Jaden und Data im Prinzip den gleichen Rang hatten, duzten sie sich auf Anregung des Terraners, seit sie sich kannten. Wortlos nickte Jaden und bückte sich in Richtung Grund. Erleichtert sprang Caruso von seinem Arm und lief in Richtung Data, um sich sofort mit einem jämmerlichen: „Maang!“, bei ihm zu beschweren. „Ist ja schon gut, Caruso.“, tröstete der Androide und strich seinem Haustier über das Fell. „Der Onkel Jaden hat es ja sicher nicht böse gemeint. Er ist nur ein wenig ungeschickt. Aber jetzt wird alles wieder gut. Lass dich mal untersuchen.“ Er scannte den Kater kurz mit den eigenen Augen. „Du scheinst in Ordnung zu sein.“, stellte er dann fest. „Du hast nur einen leichten Schrecken bekommen.“

Er nahm Caruso auf und ging mit ihm zu der Bank, auf der Jaden schon wartete, der wohl mit sich selbst gerade ziemlich haderte. „Immer mache ich alles verkehrt, ich Tollpatsch!“, seufzte er. „Mir is’ echt schleierhaft, wie ich’s unter diesen Umständen bis zum Commander der Sternenflotte gebracht hab’. Tut mir leid, Data. Aber lass ihn bloß nich’ zu dem Kraftfeld. Dabei wäre es sehr gut, wenn wir ein Bild mit ihm auf der Schulter der Statue hätten, das wir den Nachrichtenfutzis geben könnten. Das würde nämlich beweisen, dass Sytania hier nichts mit zu tun hat und …“ „Die Nachrichtenlage ist mir bekannt, Jaden.“, sagte Data. „Aber um Carusos Gesundheit willen wäre es auch unabhängig davon sehr wichtig, dass er einen alternativen Weg zu seinem neuen Lieblingsplatz kennt.“

Grübelnd sah sich Jaden um. Er hatte das Gefühl, dem Kater etwas zu schulden. „Er könnte über den Baum da.“, sagte er und zeigte bald auf eine dicke Eiche, die ganz in der Nähe stand. Einer ihrer Äste berührte sogar fast die Schulter der Statue. „Das ist korrekt.“, sagte der Androide ruhig, nachdem auch er den Baum in Augenschein genommen hatte. „Nur ist dieser Weg bedeutend länger. Wir müssen ihn also attraktiver für Caruso machen, als den kurzen Weg, um zu erreichen, dass er ihn zukünftig benutzt. Einer Katze kann man nicht etwas in gleicher Weise beibringen wie einem Hund, aber man kann, wenn man ein guter Verkäufer ist, ihr schon einiges im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft machen. Das sagt zumindest Allrounder Betsy Scott.“ „’n guter Verkäufer, he?!“, frotzelte Huxley. „Leider sind alle Ferengi, die ich kenne, gerade im Urlaub.“

Data ging nicht weiter auf den Spaß des Amerikaners ein. Statt dessen stapfte er entschlossen zum nächsten öffentlichen Replikator und replizierte einen mysteriösen Eimer, über dessen Inhalt Jaden erst dann Kenntnis erhielt, als er damit wieder zu ihm zurückkehrte. „Wie ich schon sagte.“, referierte Data. „Es stimmt, dass die meisten Katzen einen Preis haben. Glücklicherweise kenne ich den von Caruso. Mit Thunfisch ist er sehr gut zu bestechen.“

Er öffnete den Eimer und Jaden lachten viele glänzende Happen Thunfisch an. Auch Caruso begann laut zu schnurren und sich dafür zu interessieren, aber Data nahm seelenruhig einen Happen nach dem anderen und verteilte sie aufwärts in den vielen Spalten der Baumrinde. Einige warf er sogar zielsicher in Astgabeln. „Ich werd’ dir mal helfen.“, sagte Huxley, nahm sich einen Happen, blies die Wangen auf, holte aus und schmiss ihn mit angestrengtem Gesicht in Richtung des Baumes. Leider ließ aber seine Zielsicherheit sehr zu wünschen übrig, was zur Folge hatte, dass er statt im Baum mit einem lauten Platsch direkt mitten auf der Glatze der Statue landete. „Verdammter Mist!“, fluchte Huxley. „Voll daneben!“ „Das ist inkorrekt.“, meinte Data. „Wieso?“, fragte Jaden verwirrt. „Weil es gerade dein Stück Fisch sein wird, das Caruso das letzte Stück seines Weges weisen wird.“, erklärte der Androide. „Wenn du das so siehst.“, sagte Jaden genervt. Der Androide nickte nur sehr bestimmt.

Die Männer kehrten zur Bank zurück und betrachteten ihr Werk von dort. „Ich hoffe, die Nachbarn finden es nich’ all zu seltsam, dass neuerdings Thunfisch auf Bäumen wächst.“, frotzelte Jaden. „Wir sind in Little Federation.“, erklärte Data. „Seltsame Dinge sind hier an der Tagesordnung.“ „Ich hoff’ nur, dass meine Frau …“, sagte Jaden. „Ihre Frau wird davon nichts mitbekommen.“, sagte Data zuversichtlich. „Sie ist nämlich gar nicht auf der Erde. Ich sah ihren und den Start von Allrounder Betsy Scott mit deren privatem Schiff. Ich werde dies zwar jeden Morgen wiederholen müssen, bis Caruso es verinnerlicht hat, aber das wird, so denke ich zumindest, sehr schnell gehen. Er ist nämlich sehr intelligent. Ich denke, bis Agent Sedrin zurück ist, ist der ganze Spuk vorbei. Sie hatte übrigens einen Picknickkorb bei sich.“ „Was war das?!“, fragte Jaden irritiert. „Meine Frau verzimmert wahrscheinlich gerade unser Hochzeitspicknick heimlich still und leise irgendwo im Weltraum mit Allrounder Betsy Scott?!“ „Das ist sehr wahrscheinlich.“, sagte Data. Jaden gab zur Antwort nur einen geplätteten Seufzer von sich.

Caruso hatte die Blicke der Männer plötzlich wieder auf sich gezogen, denn er war an dem mit Thunfisch präparierten Baum tatsächlich hochgeklettert. Dann hatte er sich die Happen aus den Astgabeln auch noch schmecken lassen und balancierte nun auf dem Ast entlang, der ihn zu seinem Ziel brachte. Dort legte er sich über die Schulter von Sidars hinterlassenem Körper und tatzte sich, noch ganz in Jägermanier, das letzte Stück von dessen Kopf, bevor er es sich auch noch laut schmatzend einverleibte und dann laut schnurrend die Augen schloss. „Ich glaube, er hat’s kapiert.“, flapste Jaden. „Das denke ich auch.“, meinte Data und zog ein Sprechgerät, dessen Kamera er auf Caruso richtete und einige Bilder schoss. „Damit gehen wir jetzt erst mal zum Polizeigebäude und dann zur Zeitung.“, sagte Huxley. „Für den Rest von meinem Plan benötigen wir nämlich die Hilfe der Schwestern Malcovich. Ich hoffe, Kate und Karen werden ihren Teil dazu beitragen wollen, einen Krieg zu verhindern.“ „OK.“, sagte Data und folgte Jaden.

Sedrin und ich waren mit Lycira jenem Signal gefolgt, das sie auf die Spur Shimars gebracht hatte. „Wir scheinen uns wieder im Föderationsuniversum zu befinden.“, stellte die Agentin fest. „Das stimmt, Agent.“, sagte ich. „Anscheinend hat Shimar heute wieder hier Patrouille. Ist ja schließlich Montag.“ „Sie kennen seinen Dienstplan?“, fragte Sedrin erstaunt. „Ich weiß nur, wann er sich in unserer Dimension befindet.“, sagte ich. „Mehr nicht. Das ist aber alles zwischen Zirell und meinem Commander abgesprochen. Außerdem sind die Mediziner beider Stationen informiert, falls es zu Komplikationen wegen der Schutzverbindung kommt. Dann können sie viel schneller richtig reagieren und müssen nicht erst lange suchen.“ „Hat Shimar irgendeinen bewussten Einfluss auf diese Verbindung?“, wollte Sedrin wissen, der wohl längst klar war, dass ich, als Nicht-Telepathin, diesen wohl nicht haben konnte. „Nein, Madam.“, sagte ich. „Aber ich würde ihn sehen, wenn er in Gefahr wäre und er würde mich sehen. Dann könnte er mir direkt mit seinen Fähigkeiten helfen. Er bräuchte es nur zu wollen, egal wo ich bin. Aber das geht, wie gesagt, nur dann, wenn wir beide uns in derselben Dimension befinden, denn die Tindaraner können ja nicht …“ „Verstehe.“, fiel mir Sedrin ins Wort. Ich war sicher, dass ich sie mit diesen Daten wohl etwas langweilte, denn ich konnte mir denken, dass sie sich sicher auch schon einiges über die Tindaraner angelesen hatte. Deshalb vermied ich es auch, meinen Vortrag fortzusetzen und lenkte sie lieber wieder auf ein unverfängliches Thema: „Die Mäuse von Little Federation werden Ihnen sehr dankbar sein, Agent.“ „Wie kommen Sie darauf, Allrounder?!“, fragte Sedrin, die wohl über meinen plötzlichen Themenwechsel sehr überrascht war. „Sie haben Caruso doch eine Portion Futter auf Rechnung des Geheimdienstes spendiert.“, erklärte ich. „Das bedeutet, die Mäuse, die er statt dessen jagen würde, um seinen Hunger zu stillen, hätten noch etwas Gnadenfrist.“ „Ach so.“, lachte Sedrin. „Darüber habe ich ja noch gar nicht nachgedacht!“

Ich befahl Lycira, eine Schleife zu fliegen. „Wo ist er jetzt, Betsy?“, fragte Sedrin. „Das können Sie gleich selbst sehen, Agent.“, erwiderte ich und deutete auf die Mulden in der Konsole vor ihr. „Oh.“, sagte die Demetanerin. „Wie nachlässig von mir.“ Damit legte sie die Hände wieder in die Mulden. Dann sagte sie: „Ich bin bereit.“ „OK.“, entgegnete ich und sagte zu Lycira: „Zeig uns Shimars Position!“

Lycira ließ vor unseren geistigen Augen ein Bild erscheinen, wie Sedrin es von Sternenflottenbildschirmen kannte. Bei mir lief das ja, wenn ich auf der Granger meinen Dienst versah, alles etwas anders. „Das ist das Grenzgebiet zu den Genesianern.“, stellte Sedrin fest. „Stimmt.“, sagte ich. „Und Shimars Schiff ist genau vor uns.“ „Um so besser.“, grinste sie. „Dann mal los, Allrounder! Lassen Sie unsere kleine Operation Spieg’lein an der Wand starten!“ „Aye, Agent.“, erwiderte ich und gab Lycira die entsprechenden Instruktionen.

Shimar hatte mit einer anderen Sache inzwischen schwer zu kämpfen. Auch ihm war die Nachricht der Zusammenkunft zu Ohren gekommen. Da sie auf allen Frequenzen des tindaranischen Militärs abgespielt und an alle Rufzeichen geschickt worden war, nahm es nicht Wunder, dass auch er sie gehört hatte. „Das kann doch nicht wahr sein, IDUSA!“, sagte er und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Die können doch nicht einfach so Sytania beschuldigen, ohne zumindest einen Beweis zu haben! Die hat doch jetzt jeden Grund, gegen uns einen Krieg zu beginnen!“ „Ganz Ihrer Ansicht, Shimar.“, sagte der Avatar von Shimars Schiff. „Aber ich verstehe nicht, warum Ihr Arbeitgeber und gleichzeitig mein Eigentümer so reagiert. Es gäbe da doch ein schlüssiges Argument, das Sytania entlastet. Die linguistische Ähnlichkeit zwischen der Sprache der Nidari-Travelers und dem Tindaranischen ist frappierend! Außerdem könnte doch jeder Telepath Sytania erkennen. Ich bin Technologie. Wenn sie lange genug übt, kann sie mich vielleicht täuschen. Aber Sie und Ihresgleichen …“ „Genau das ist der Grund, aus dem du das nicht verstehen kannst, IDUSA.“, sagte Shimar. „Und auch der Grund, warum du in diesem Fall auf das Urteil deines biologischen Piloten angewiesen bist. Die Zusammenkunft ist beleidigt. Das ist ein emotionaler Zustand, den du nicht nachvollziehen kannst. Es ist leider unmöglich, dagegen mit rationalen Argumenten anzukommen.“ „Soll das etwa bedeuten, ich muss akzeptieren, dass es aus total unlogischen Gründen demnächst einen Krieg gibt?!“, empörte sich IDUSA. Um ihrer eventuellen Verwirrung Nachdruck zu verleihen, sah ihre Programmierung eine solche Art zu reagieren durchaus vor. „Nein.“, beruhigte Shimar sie mit betont leiser Stimme. „Das musst du sicher nicht, weil es sicher auch genug biologische Wesen geben wird, die das genau so empfinden wie du und ich. Ich glaube nämlich auch mittlerweile an Betsys Argument und Sytania würde sich ja nur selbst ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie so etwas versuchen würde. Das ist etwas, das sie nie riskieren würde. Die scheut das Risiko für sich selbst, wie der Teufel das Weihwasser. Nein nein! Das tut sie nicht!“

Er musste so viel Überzeugung in seine Stimme gelegt haben, obwohl er nur leise aber deutlich gesprochen hatte, dass sich die Gesichtszüge des Avatars vor seinem geistigen Auge, die bisher sehr angespannt gewirkt hatten, merklich entspannten. „Danke, Shimar.“, sagte IDUSA erleichtert. „Aber denken Sie wirklich, dass die Zusammenkunft irgendwann zu überzeugen ist? Nach Möglichkeit noch vor einem Kriegsausbruch bitte!“ „Ich denke, dass das keine Frage der Zeit, sondern nur eine des richtigen Arguments sein wird.“, sagte Shimar. „Ganz ehrlich, IDUSA! Im Augenblick benimmt sich die Zusammenkunft meiner Meinung nach wie ein kleines Kind, das schmollt. Aber solche Kinder hören auch irgendwann damit auf. Spätestens dann, wenn man Ihnen das Lieblingseis unter die Nase hält. Mit der Zusammenkunft ist es sicher ähnlich!“ „Shimar!“, erwiderte IDUSA verwundert. „Für so einen Ausspruch könnte man Sie degradieren, oder gar unehrenhaft aus dem tindaranischen Militär entlassen, wenn …“ „Wenn die von der Zusammenkunft das gehört hätten!“, entkräftete Shimar ihre Sorgen. „Aber das lag ja wohl ganz bei dir und ich vermute, du hattest auch kein Interesse daran, dass man uns trennt.“ „Oh nein!“, versicherte IDUSA. „Das bleibt also unter uns. Ich bin Ihr Schiff und was Sie mir sagen, bleibt erst mal unter uns, außer Sie befehlen mir etwas anderes, oder Sie tun etwas, das mit den tindaranischen Gesetzen nicht vereinbar ist. Aber seine persönliche Meinung gegenüber dem eigenen Schiff zu äußern ist meines Wissens kein Verbrechen. Und so lange Sie das nicht gerade der Zusammenkunft direkt um die Ohren hauen, begehen Sie ja auch keinen Bruch der Disziplin.“ „Ich werde mich hüten!“, sagte Shimar. „Ich weiß ja schließlich, was ich tue!“ „Davon gehe ich aus.“, sagte IDUSA. „Deshalb bin ich auch jederzeit bereit, Ihrem Urteil in dieser oder ähnlichen Situationen zu folgen und das nicht nur, weil mir die Lex Technologica das befiehlt, sondern auch, weil ich selbst aus eigenen Erfahrungen heraus gelernt habe, dass es in 90 % der Fälle für mich vorteilhaft war. Sie, als Organischer, kennen sich eindeutig mit emotionalen Situationen besser aus. Es wird schon gut gehen.“ „Oh ja.“, sagte Shimar. „Und falls nicht, dann laufen wir beide eben über nach Vulkan!“ Der Avatar lächelte. Sie konnte sich denken, dass er mit seinem letzten Satz einen Scherz gemacht hatte, um die Situation aufzulockern.

Auf meinen Befehl hin hatte Lycira damit begonnen, jedes Manöver, das Shimar und IDUSA flogen, zu spiegeln. Das bedeutete zum Beispiel, dass wir, wenn Shimar nach rechts flog, nach links flogen. Gab er IDUSA den Befehl zu steigen, sanken wir und dies genau vor ihrer Nase, beziehungsweise ihren Sensoren. Das war ein Umstand, der für IDUSA zunächst sehr unverständlich war. Deshalb wendete sie sich auch gleich wieder an ihren biologischen Piloten: „Shimar, ich sehe das Schiff Ihrer Freundin, aber ich verstehe nicht, was sie da eigentlich tut. Fliegen wir nach rechts, fliegt sie nach links. Steigen wir, dann sinkt sie. Was kann das heißen?“ „Zeig es mir!“, befahl Shimar. „Sofort, Shimar.“, sagte IDUSA und stellte ihm die Bilder auf den Neurokoppler.

Was er sah, entlockte Shimar ein fieses schadenfrohes Grinsen. „Ich weiß ganz genau, was sie vorhat, denke ich, IDUSA.“, grinste er ihr breit entgegen. „Sie sagen, Sie denken, dass Sie es ganz genau wissen, Shimar.“, vergewisserte sich das Schiff. „Aber Sie sind sich nicht ganz sicher.“ „Das stimmt.“, sagte der junge Tindaraner. „Und deshalb wirst du sie jetzt rufen und sie direkt mit mir verbinden.“ „Wie Sie wünschen.“, sagte der Avatar des tindaranischen Aufklärungsschiffes. „Allerdings gibt es da einen Datenkonflikt zwischen Ihrem Befehl und den Protokollen.“ „Was meinst du damit?“, fragte Shimar. „Sie ist nicht allein.“, sagte IDUSA und stellte ihm die Bilder aus dem Inneren des Cockpits meines Schiffes durch. „Wie Sie sehen.“, referierte sie. „Befindet sich bei Ihrer Freundin eine Demetanerin, die im Rang eines Agent steht. Sie ist zweifelsfrei ranghöher als Ihre Freundin und somit wohl die kommandierende Offizierin auf dieser Mission. Die Protokolle verlangen in so einem Fall doch eindeutig, zuerst mit ihr zu verbinden.“ „Eine Demetanerin im Rang eines Agent?“, wunderte sich Shimar. „Dann hat sich Agent Mikel aber sehr verändert.“ „Sie belieben zu scherzen, nicht wahr?“, fragte IDUSA irritiert. „Das ist richtig, IDUSA.“, bestätigte der tindaranische Pilot. „Aber ich habe schon meine Gründe, heute mal die Protokolle zu umgehen. Hast du nicht gerade selbst gesagt, dass du dich in dieser Situation, die für dich sehr unverständlich, weil nicht rational, ist, meiner Führung vollständig anvertrauen wirst?“ „Meine internen Aufzeichnungen bestätigen das.“, sagte das Schiff. „Ich werde also tun, was Sie verlangt haben.“ Damit sprach sie Lyciras Rufzeichen an.

Betsy, wir werden gerufen., hörte ich Lyciras telepathische Stimme. „Wer ist es, Lycira?“, fragte ich. Es ist das Schiff deines Freundes., erklärte mein Schiff. Ich denke, sie soll von ihm aus mit uns reden und uns vielleicht auch direkt mit ihm verbinden. Ich glaube, Sedrins Plan könnte funktionieren. Verwundert über unsere Aktion ist er sicher bereits. „Das kann ich nur bestätigen, Lycira.“, sagte ich. „Dann stell mal durch.“

Ich lehnte mich gelassen zurück, um einen entspannten Eindruck zu hinterlassen. Shimar und IDUSA sollten den Eindruck bekommen, wir hätten alle Zeit der Welt, wären uns nicht bewusst, etwas Merkwürdiges zu tun und dächten gar nicht daran, unser Vorhaben aufzugeben. Dann drehte ich mich kurz grinsend in Richtung Sedrin. „Was ist los?“, fragte sie. „Er wird neugierig!“, sagte ich fest. „Das ist los, Agent. Er will mit mir reden. Ich bin sicher, er will mich fragen, was wir hier tun.“

Sie drehte sich zu mir um und dann spürte ich, wie ihre Lippen mich am rechten Ohr berührten, in das sie in ihrer immer etwas doppelzüngigen Art begann, unentwegt Instruktionen auf Demetanisch zu zischen. Da ich, als ausgebildete Kommunikationsoffizierin, ja die gängigsten Floskeln in den am meisten benutzten Sprachen der Föderation ohnehin drauf haben musste und ich eigenständig später meine Kenntnisse des Demetanischen vertieft hatte, war mir bald klar, was sie von mir wollte. Also nickte ich ihre Befehle nur mit: „Te, Sea.“, was soviel wie: „Ja, Madam.“, hieß, ab und führte sie aus.

Shimar hatte mein merkwürdiges Verhalten durchaus mitbekommen. „Du bist heute rätselhafter, als die Sphinx, Kleines.“, sagte er, nachdem ich zwar in unserem Gespräch einige Andeutungen gemacht hatte, aber nie wirklich so ganz mit der Sprache herausgerückt war. „Wenn du mir endlich sagen würdest, was dieses Verhalten soll, dann wäre es sicher für uns alle bedeutend leichter.“

Ich aber ging nicht auf seine Äußerung ein. Auf Sedrins Anordnung hin befahl ich Lycira sogar, IDUSAs Manöver noch stärker zu spiegeln. „Was zur Hölle treibst du da, Kleines?!“, ließ sich Shimars Stimme jetzt auch ziemlich empört vernehmen. „Warum spielst du mit Lycira Spiegelbild für IDUSA und mich. Wem willst du den Spiegel vorhalten?!“

Sedrin wandte sich wieder meinem Ohr zu und flüsterte etwas hinein. Dann sagte ich zu Shimar: „Das krieg’ du mal schön selbst raus!“, bevor ich die Verbindung ohne weiteren Kommentar beendete. „Wir beide wissen.“, sagte Sedrin. „Dass er nie ohne Ihr Einverständnis in Ihren Geist eindringen und sich die Information auf diesem Wege besorgen würde.“ „Korrekt, Agent.“, sagte ich. „Das würde mein Vertrauen in ihn und die Telepathie, das er in mir so mühsam aufgebaut hat, wahrscheinlich für immer zerstören. Das riskiert er sicher nicht.“ „Ein solcher Vertrauensbruch würde sicher auch das Ende Ihrer Beziehung bedeuten.“, sagte die Agentin mit konspirativem Unterton. „Das ist etwas, das er bestimmt auch nicht will.“ Ich nickte grinsend und erwiderte: „Genau aus diesem Grund wird er es vorziehen, die eigenen kleinen grauen Zellen etwas mehr anzustrengen.“

Sie gab einen Laut des Gefallens von sich, grinste hörbar und stand auf. Dann drehte sie sich in Richtung der Tür, die sie in Lyciras Achterkabine führte. Diese durchquerte sie, um dann wenig später mit etwas aus dem Frachtraum zurückzukehren. Das seltsame Knarren des Gegenstandes in ihrer Hand erkannte ich sofort. „Sie haben den Picknickkorb bei sich.“, vermutete ich. „Korrekt.“, grinste Sedrin und stellte ihn neben sich ab. „Es ist nämlich langsam Zeit für Phase zwei unseres Plans, mit der wir noch unterstreichen werden, wie viel Zeit wir haben und dass wir keineswegs vorhaben, unser Vorhaben zu beenden. Es ist ja so gemütlich hier in Shimars Nähe. Benötigt Lycira Ihre Hilfe bei diesen Manövern?“ Sag ihr bitte, das kann ich auch allein, Betsy., hörte ich Lyciras Stimme in meinem Geist. Ich sehe ja IDUSA und kann sie daher sehr gut allein spiegeln. Aber Sedrin und du, ihr solltet mit dem Picknickkorb in den Frachtraum gehen. Da habe ich mit Hilfe der Umweltkontrollen schon etwas vorbereitet. Schließlich will ich ja alles tun, um euch zweien bei der Ausführung des Plans zu helfen, was ich kann. Nicht nur tindaranische Schiffe sind loyal gegenüber ihren Piloten.

Sedrin hatte bemerkt, dass ich etwas abwesend war. Sie hatte aber schnell geschlossen, dass dies auf eine Kommunikation zwischen Lycira und mir zurückzuführen war. „Was will sie, Allrounder?“, fragte sie. „Lycira sagt.“, übersetzte ich. „Dass wir mit dem Picknickkorb in den Frachtraum gehen sollten. Sie habe dort schon etwas vorbereitet. Sie kommt allein klar mit den Manövern.“ „Also gut.“, sagte Sedrin. „Dann tun wir das mal. Ich denke, sie mag keine Krümel auf den Instrumenten.“ „Davon gehe ich auch aus, Agentin mit Scherz.“, grinste ich, während ich mich bei ihr, die den Korb mit der Rechten aufgenommen hatte, an der linken unterhakte und ihr dann grinsend durch die Achterkabine in den Frachtraum folgte.

Lycira hatte definitiv nicht übertrieben, was Sedrin und ich bald zu sehen bekommen sollten. Mir war nämlich sofort die Veränderung der Umgebung aufgefallen, als mein Schiff uns die Tür geöffnet hatte. Hier war mir gleich der Duft von Wiesenblumen in die Nase gestiegen. Außerdem hatte die Luft eine angenehme Temperatur, die ich auf mollige 25 ° schätzte. Unter unseren Füßen schien sich tatsächlich Rasen zu befinden. Mir war allerdings schleierhaft, wie Lycira dies angestellt hatte.

Sedrin führte mich eine Weile herum. Dann blieb sie stehen und zog mich hinab Richtung Boden. Dabei flüsterte sie: „Fühlen Sie mal. Das muss echter Rasen sein! Aber wie um Mutter Schicksals Willen hat Lycira …“ „Das wüsste ich auch gern, Madam.“, sagte ich, die ich mir den Rasen inzwischen auch genauer angesehen, beziehungsweise betastet, hatte. Nichts, aber auch rein gar nichts, wies darauf hin, dass er irgendwie künstlicher Natur war, außer vielleicht der Umstand, dass Lycira ihn repliziert haben musste. Aber das Fach ihres Replikators war definitiv nicht groß genug, um eine solche Menge Rasen zu fassen. Auch die Bäume, die rings umher standen, passten dort nicht hinein. Wie also hatte sie das angestellt?

Ich bat Sedrin, die mich mitten im Raum stehen gelassen hatte und sich jetzt mit dem Picknickkorb beschäftigte, mich zu einer Wand zu führen. Normalerweise kannte ich mich hier am besten aus, die Umweltveränderungen hatten aber ihr Übriges zu meiner Orientierungslosigkeit beigetragen. Sofort kam die Agentin meiner Bitte nach, beobachtete aber genau, was ich dann an der Wand tat, um es mir gleich zu tun. Ich legte nämlich meine Hände in zwei der kreisrunden weichen Flecken an der Wand, die jeweils paarweise angeordnet waren. Dann fragte ich gleichzeitig laut und in Gedanken: „Lycira, wie hast du das gemacht? Wie hast du die Umgebung so naturgetreu verändern können, dass man glatt vergessen könnte, an Bord eines Raumschiffes zu sein?! Sedrin fragt sich übrigens dass Gleiche.“ Das ist ganz einfach, Betsy und Sedrin., hörten wir ihre telepathische Stimme zur Antwort. Man benötigt nur einen Replikator, einen Transporter, ein Netzwerk dazwischen und etwas künstliche Intelligenz. Ich habe alles, was ihr hier seht, zuerst in Teilen repliziert und es dann in die Puffer meines Transporters gebeamt. Dort habe ich die Profile dann so zusammengesetzt, dass es, wo es nötig war, zum Beispiel bei einem Baum, ein Ganzes ergab. Die klimatischen Bedingungen anzupassen, war ein Leichtes für mich. Oh, ich habe ja noch etwas vergessen. Sie ließ aus einem der Bordlautsprecher Vogelgezwitscher ertönen. „Lycira!“, staunte Sedrin. „Also wirklich!“

Die etwas perplexe Demetanerin nahm mich wieder bei der Hand und führte mich zu dem Fleckchen zurück, an dem sie den Picknickkorb abgestellt hatte. Dann zog sie etwas heraus, das ziemlich groß sein musste. Es handelte sich offensichtlich um eine Tasche, die sie vorher mit dem Deckel des Korbes verschnürt haben musste, um sie besser transportieren zu können. An dieser öffnete sie jetzt mit lautem: „Sipp!“, einen Reißverschluss und drehte die Tasche auf links. Dabei stellte sich heraus, dass es keine Tasche, sondern eine nur als solche getarnte Decke war. „Kann ich Ihnen helfen, Agent?“, fragte ich. „Wenn Sie wollen.“, deutete sie an und ich hörte gut ein verspieltes Grinsen in ihrer Stimme. Dann schnappte ich mir ein Ende der jetzt links vor mir liegenden Decke und zog es vorsichtig in meine Richtung. Dabei fiel mir auf, wie weich sie war, was mir unfreiwillig einen quietschenden Laut entlockte. „Oh.“, sagte ich peinlich berührt. „Bitte entschuldigen Sie meinen Ausbruch, Agent.“ „Ich möchte wirklich mal wissen, was es da zu entschuldigen gibt, Allrounder.“, sagte sie verwundert. „Ich habe insgeheim mit Ihrer Reaktion gerechnet, ja sie sogar mit Absicht provozieren wollen. Ich weiß ja, wie gern Sie weiche Sachen mögen. Alles andere hätte mich auch schwer gewundert.“ „So eine sind Sie also.“, sagte ich und grinste schelmisch. „Ja.“, sagte Sedrin mit einem Lächeln. „So eine bin ich.“

Wir breiteten die Decke aus. „Sie ist aus Tribblewolle!“, erklärte Sedrin stolz. „Das Weichste, was es zur Zeit auf dem Deckenmarkt gibt. Zumindest die Seite, auf der wir sitzen werden. Die andere, die auf dem Untergrund liegt, ist aus Schmutz abweisendem Kunststoff. Sie bildet auch die Außenseite der Tasche.“ „Interessant.“, sagte ich. „Aber Sie konnten ja nicht ahnen, dass ich …“ „Sicher nicht.“, sagte Sedrin. „Aber mein Mann und ich haben es auch gern weich.“

Sie begann damit, das Geschirr aus dem Korb zu holen und gab mir einen Teller und ein Glas. Dann sagte sie noch: „Hier ist noch Ihr Besteck.“, gab es mir und verteilte auch den Inhalt diverser Dosen und Flaschen. Dabei fiel mir auf, dass sie die Käsespieße, von denen sie mir eine großzügige Menge auf den Teller häufte, teilweise mit den eigenen Händen sezierte. „Ich weiß ja, dass Sie keinen Speck mögen.“, sagte sie mit viel Konzentration in der Stimme. „Jadens wegen aber hatte ich zuerst welche mit Speck repliziert. Wir haben zwar auch welche ohne Fleisch, aber das ist nur die Hälfte von dem, was da ist. Das wäre reichlich wenig zum Teilen.“ „Warum machen Sie sich die Mühe?“, fragte ich verwundert. „Wäre es nicht einfacher, alles, was Speck enthält, der Materierückgewinnung zu überantworten und etwas Neues ohne Speck zu replizieren?“ „Das stimmt schon.“, sagte sie. „Bei den Sachen, bei denen es nicht anders geht, mache ich das auch. Aber die Sache mit den Spießen betrachten Sie bitte als kleines Dankeschön dafür, dass ich mit Ihrem Schiff mitfliegen darf.“ „Also gut, Agent.“, sagte ich und sah ihr weiter beim Fisseln zu.

Wenig später landete etwas mit einem lauten Flatsch in der Mitte meines Tellers. Es war eine lecker mit demetanischem Gemüse und terranischem Schafskäse gefüllte Teigtasche, wie ich sie sehr gern mochte. Das Rezept musste Sedrins Eigenkreation sein. Dann bekam ich noch einige Löffel demetanischen Nudelsalates, dessen Hauptbestandteil, flache gefüllte Nudeln, mit gewolftem Krabbenfleisch oder Geflügel gefüllt waren. Das Dressing hatte seinen Geschmack durch Krauskresse erhalten, eine dem Knoblauch sehr ähnliche und auf Demeta beheimatete krausblättrige und sehr aromatische Pflanze.

Sedrin verteilte noch die Getränke. Dabei fiel mir auf, dass es sich um Milchgetränke und Fruchtsäfte handelte. „Ich bin sicher, Sie hätten jetzt Sekt erwartet.“, nahm sie meine Frage vorweg. „Aber das wäre in beiden Fällen nicht gut gewesen. Bei mir wegen der Kohlensäure und Jaden wäre dann nicht mehr in der Lage gewesen, den Jeep zu lenken und ich sicher auch nicht, weil ich mich wegen des Alkohols alle paar Meter hätte erleichtern müssen. Sie wissen ja, dass es einen durchschlagenden Erfolg gibt, wenn Demetaner Alkohol trinken.“ „Oh ja.“, sagte ich mit mitleidigem Ton.

Sie bediente sich selbst und setzte sich dann mir gegenüber hin. „Mir ist aufgefallen.“, bemerkte ich nach einer Weile, die wir mit Essen verbracht hatten. „Dass Sie gesagt haben, das Essen sei repliziert. Was ist mit Ihrer Krankheit?“ „Cupernica sagt, die habe ich nicht mehr seit einer künstlich herbeigeführten Discrapula zwischen Allrounder Illiane St. John und mir.“, antwortete Sedrin. „Sie ist nur nicht sicher, was dabei eigentlich genau passiert ist. Sie denkt, dass irgendeine Reaktion meiner Biochemie das Gen, das eigentlich dafür verantwortlich ist, dass mein Körper ein Enzym produziert, um repliziertes Essen verdauen zu können, aufgeweckt hat. Illiane sollte mich eigentlich nur stabilisieren, damit ich die Situation, in der ich damals war, überlebte und das hat sie getan! Oh ja!“

Ihr war aufgefallen, dass ich mein Essen kaum angerührt hatte. Tatsächlich hatte ich Gewissensbisse, denn das Picknick war ja eigentlich nicht für mich gedacht gewesen. „Wenn Sie mir nicht auf der Stelle helfen, diese Köstlichkeiten hier zu vernichten!“, startete sie einen Versuch, mich doch noch dazu zu bewegen. „Dann platze ich auf der Stelle und ich glaube kaum, dass weder Sie noch Lycira eine derartige Schweinerei tolerieren würden! Es ist nicht schlimm! Mein Mann wird es schon verschmerzen!“ „Also gut.“, sagte ich erleichtert und biss in meine Teigtasche, die ich inzwischen in die Hand genommen hatte. Vor Sedrin brauchte ich mich nicht zu genieren. Das wusste ich.

Auf Shimars Befehl hin hatte IDUSA uns weiterhin unter Beobachtung gehalten. Der Ehrgeiz hatte den jungen Piloten gepackt! Auch wenn er dafür von seiner eigentlichen Patrouillenroute abweichen musste, wollte er unbedingt das Rätsel lösen, das Sedrin und ich ihm und IDUSA gemeinsam mit Lycira gestellt hatten. Zirell, seine Basiskommandantin, würde das schon verstehen. „Ich finde das Verhalten des Allrounders und des demetanischen Agents in ihrer Begleitung höchst merkwürdig, Shimar.“, erklärte das Schiff. „Ganz deiner Meinung, IDUSA.“, pflichtete ihr der junge Tindaraner bei. „Das ist sicher keine der bekannten Sternenflottenstrategien. Was tun sie jetzt? Zeig es mir!“

IDUSA brachte das Bild vor Shimars geistigem Auge, das er über den Neurokoppler wahrnahm, auf den aktuellen Stand. Jetzt sah er, dass wir es uns in Lyciras Heck richtig gemütlich gemacht hatten, sie aber immer noch jedes Manöver von IDUSA spiegelte. „Na, die haben ja wohl alle Zeit der Welt.“, lachte Shimar flapsig. „Was weißt du über diesen Agent, IDUSA? Ich meine, wenn sie die Befehlsgewalt über diese Mission hat, müssen wir sie sicher einordnen können. Ich glaube, ich habe ihr Gesicht schon einmal gesehen. Ich komme bloß gerade nicht drauf.“ „Ich bin sicher, dass Sie das Gesicht des Agent kennen, Shimar.“, sagte der Schiffsavatar. „Es handelt sich schließlich um Agent Sedrin Taleris-Huxley. Sie war sogar einmal Commander Zirells erste Offizierin und da haben Sie sie bestimmt schon einmal gesehen. Spätestens bei den Dienstbesprechungen.“ „Ach ja.“, erinnerte sich Shimar und biss die Zähne aufeinander. Außerdem verzog er das Gesicht fast schmerzlich. „Was haben Sie gegen Agent Sedrin?“, fragte IDUSA irritiert ob seines Verhaltens. „Sie ist nicht unsere Feindin. Im Gegenteil. Sie hat damals bewiesen, dass sie zwar sehr hinterlistige, aber im Grunde doch sehr effiziente Vorschläge machen kann, wenn es darum geht, sich gegen unsere Feinde zu verteidigen. Das Faszinierendste an diesen Vorschlägen war, soweit ich mich erinnere, dass sie trotz ihrer Hinterlist nicht von den moralischen Grundsätzen der Tindaraner oder der Föderation abgewichen sind. Nein! Sie waren sogar sehr konform damit.“ „Sicher konformer als die Verzweiflungstat eines gewissen Sternenflottenkommandanten vor ca. 800 Jahren.“, sagte Shimar, dem die Sache, wegen der Sytania die Föderation zuletzt sehr gut im Griff hatte, immer noch sehr sauer aufstieß.

„Wir sollten nicht abschweifen.“, schlug IDUSA vor. „Immerhin haben wir eine Aufklärungsmission zu erfüllen. Wir haben zwar noch nicht das offizielle OK, aber das könnte sich ändern, wenn ich Sie direkt mit Commander Zirell verbinden würde und wir ihr die Daten direkt geben, die wir erhalten.“ „Also gut.“, sagte Shimar. „Tu das!“

Kapitel 6: Kleine Rätsel

von Visitor

 

Zirell, Maron und Joran hatten wieder die Kommandozentrale von Basis 281 Alpha aufgesucht. Hier sahen sie sich jetzt genau an, was ihnen Shimar und IDUSA für seltsame Bilder lieferten. „Was ist denn das?“, fragte Zirell nicht nur ihre beiden Untergebenen, sondern auch die Beiden am SITCH. „Das wissen IDUSA und ich noch nicht, Zirell.“, sagte Shimar. „Das Einzige, das wir genau wissen, ist, dass Betsy wohl auf Befehl von Sedrin handelt. IDUSA hat sie identifiziert.“ „Sedrin?!“, fragte Zirell mit einer leichten Mischung aus Erstaunen und Verwirrung in der Stimme. „Na, dann wundert mich gar nichts mehr. Weiter beobachten, Shimar! Aber ich werde dafür sorgen, dass wir einige grundlegende Fragen klären können. Soviel ich weiß, teilst du dir das Patrouillengebiet mit Namell. Ich werde mich mit ihrem Basiskommandanten in Verbindung setzen und dann kann es sein, dass ihr beide neue Befehle bekommt. Aber bis dahin bleibst du dran an Betsy und Sedrin und IDUSA zeichnet jedes verdammte kleine Augenzwinkern der Beiden auf! Hast du verstanden?!“ „Das habe ich, Zirell!“, sagte Shimar zackig und beendete die Verbindung.

Zirell seufzte. Dann wandte sie sich Joran, der an der Sprechkonsole saß, zu: „Gib mir die Kommandozentrale von Basis 289 Alpha!“ „Sofort, Anführerin.“, sagte der Vendar nickend, während er das Rufzeichen der Basis aus dem Adressbuch des Sprechgerätes suchte. Dann grinste er sie an: „Du hast doch bestimmt eine Theorie, Anführerin.“ „Die habe ich tatsächlich.“, gab Zirell zu. „Aber um sie präsentieren zu können, benötige ich hieb- und stichfeste Beweise gegenüber der Zusammenkunft. Ich bin nämlich keine solche Närrin, die Krieg und Pulverfass schreit, nur weil sie beleidigt ist. Was die Zusammenkunft da verzapft, grenzt meiner Meinung nach schon an Wahnsinn!“ „Du würdest dich also auch gegen deine eigene Regierung stellen, Sea Tindarana?“, fragte Maron, um sich zu vergewissern.

Die Frage ihres ersten Offiziers hatte Zirell zunächst mit einer Antwort zögern lassen. Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass jemand so offen aussprach, was sie gerade versucht hatte, diplomatisch zu umschreiben. Dann aber sagte sie entschlossen: „Wenn es sein muss, Maron, dann auf jeden Fall! Ich werde nicht zulassen, dass sich unsere eigenen Leute ihr Grab schaufeln! Auch werde ich nicht zulassen, dass wir blind in einen Krieg rennen, der gar nicht sein muss! Ich weiß. Normalerweise erwartet eine Regierung von ihrem Militär, dass ihre Befehle ausgeführt werden. Aber hier ist eine Kommandantin, die ihr Gehirn nicht an der Tür der Garnison abgegeben hat! Sollen sie mich doch vors Kriegsgericht stellen!“

Maron und Joran wechselten Blicke und grinsten zuerst sich gegenseitig an und dann ihr zu. Dann fragte der Vendar: „Sollen wir es ihr sagen, Maron El Demeta?“ „Was wollt ihr mir sagen, Jungs?!“, fragte Zirell. „Na, raus damit!“ „Wir glauben.“, sagte Maron. „Dass wir dafür sorgen können, dass die Bürger auch auf unserer Seite sein werden. Ich weiß, dass viele sich die gleiche Frage stellen werden wie wir, wenn sie einigermaßen intelligent sind. Sie wissen auch, dass es glatter Selbstmord wäre, Sytania zu beschuldigen, obwohl die Ermittlungen noch gar nicht abgeschlossen sind. Deshalb haben Joran und ich eine kleine Inszenierung gestartet, um sie zur Geduld zu mahnen. Wir haben ihnen ein kleines Rätsel gestellt und es über das allgemeine Netzwerk von Tindara allen zur Verfügung gestellt. Wenn sie verstehen und das werden sie! Da habe ich gar keinen Zweifel! Dann wird es nichts werden mit dem Krieg, weil es mit Sicherheit Möglichkeiten gibt, Warnschüsse an die Zusammenkunft auch von ziviler Seite durch beispielsweise Lahmlegen des öffentlichen Lebens abzugeben. Nichts rüttelt eine Regierung mehr auf, als wenn ihr Volk nicht mehr mit ihrem Tun einverstanden ist und das auch zeigt!“ „Ach ihr seid das!“, grinste Zirell. „Ihr seid die mysteriösen Schneekünstler auf einer Militärbasis, die durch die Nachrichten geistern. Jemand muss diese Bilder auch der Presse zugespielt haben. Ihr seid also indirekt für den Beinahezusammenbruch des zivilen Kommunikationsnetzes verantwortlich. Ihr seid also der Straßenfeger zur besten Sendezeit, den alle sehen wollen! Und so was auf meiner Basis und ich habe es nicht gemerkt. Aber das ist kein Wunder, wenn mein erster Offizier da sogar mitmacht. Maron, du solltest dich was schämen!“ „Ich versinke bei Gelegenheit im Boden, Zirell.“, grinste Maron und machte ein übertrieben peinliches Gesicht. „Aber nur, wenn du die Zeit findest, nicht wahr?“, grinste Zirell zurück.

Joran räusperte sich und sagte dann langsam und deutlich, aber bestimmt: „Ich habe seit geraumer Zeit den Basiskommandanten von 289 Alpha für dich, Anführerin Zirell.“ „Oh.“, fiel es der älteren Tindaranerin wieder ein. „Das hätte ich ja fast vergessen. Gib ihn her, Joran.“ „Wie du wünschst.“, sagte Joran und stellte die Verbindung her.

Vor den geistigen Augen von Zirell und ihren Offizieren erschien das Bild eines älteren Tindaraners mit Halbglatze. Er trug die übliche violette Uniform des tindaranischen Militärs und hatte ein Zeichen auf der Schulter, das ihn als Basiskommandanten auswies. Er maß ca. 1,60 cm, was für einen Tindaraner eine normale Größe war. Zumindest dann, wenn er menschliche Gestalt angenommen hatte, um besser mit den zumeist Humanoiden in seiner Umgebung kommunizieren und interagieren zu können. Ihr wisst ja sicher, dass die eigentliche Gestalt eines Tindaraners die einer Kristalldruse ist, in die sie auch nach ihrem Tod zurückkehren. Außerdem war er schlank und hatte ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht, das ein leichter Schnurrbart zierte.

„Hallo, Zirell.“, sagte seine sehr basslastige freundliche Stimme. „Was verschafft mir die Ehre? Erst willst du so dringend mit mir sprechen und dann hält dein SITCHer mich hin. Was ist los bei euch?“ „Es tut mir leid, Divar.“, entschuldigte sich Zirell bei ihrem langjährigen Offizierskollegen. „Aber wir hatten noch einige Interna zu klären. Aber nun will ich dir gern sagen, was der Grund für meinen Ruf ist. Du musst mir für eine Weile deine Patrouillenfliegerin unterstellen. Ich muss Namell ausleihen, weil ich einen Plan habe, der vielleicht helfen kann, den Krieg zwischen Sytania und uns noch zu verhindern! Du weißt ja sicher auch, was die Zusammenkunft da neulich vom Stapel gelassen hat.“ „Oh ja.“, sagte Divar. „Das weiß ich sehr wohl. Aber wie soll Namell dir da helfen können? Du musst mir schon genau sagen, worum es geht, weil ich erst dann entscheiden werde, ob ich ihr erlaube, derart von den Protokollen abzuweichen. Das überlege ich mir momentan nämlich sehr genau wegen einiger Vorfälle.“ „Ich weiß.“, sagte Zirell und warf ihm einen beschwichtigenden Blick zu. „Du hältst sie im Moment an der kurzen Leine wegen ihres Verhaltens in der Vergangenheit. Aber langsam finde ich, du könntest ihr Gelegenheit geben, sich zu rehabilitieren! Ich werde schon aufpassen, dass sie nichts Dummes tut und in meinem Plan gibt es auch keine Gelegenheiten für falsches Heldentum. Sie wird weder ihr Schiff noch sich vorsätzlich unnötig gefährden können. Aber vielleicht hilft es uns, die Zusammenkunft wachzurütteln, wenn du sie mitmachen lässt.“ „Na schön.“, erklärte sich Divar doch einverstanden. „Ich weiß ja, dass du gut aufpassen wirst. Ich vertraue dir. Ich werde sie gleich mal informieren.“ „Danke, alter Freund.“, sagte Zirell und bedeutete Joran, die Verbindung zu beenden. Dann sagte sie zu ihm: „Du wirst zu Jenna gehen und sie bitten, die zweite IDUSA-Einheit zu warten. Dann wirst du dich ebenfalls in das Gebiet begeben. Du versteckst dich hinter irgendeinem Mond und spielst da so lange toter Mann, bis du von mir einen anderen Befehl erhältst!“ „Wie du wünschst, Anführerin.“, sagte der Vendar und verließ die Kommandozentrale in Richtung Maschinenraum.

Maron und Zirell waren zurückgeblieben. „Was ist dein Plan, Sea Tindarana?“, fragte der Demetaner grinsend und mit einem konspirativen Blick. „Ich glaube, ich weiß, was sie wollen.“, sagte Zirell. „Ich glaube, sie wollen der Zusammenkunft im wahrsten Sinne des Wortes den Spiegel vorhalten. Ich denke, dass es nichts Persönliches wegen Shimar ist. Wenn sie das bei jedem Tindaraner machen, der ihnen über den Weg fliegt, bestätigt das meine Theorie. Bei Nicht-Tindaranern dürfte das also nicht passieren.“ „Verstehe.“, sagte der Demetaner konspirativ. „Dann warten wir mal ab.“ Zirell und er lehnten sich in ihren Sesseln erwartungsvoll zurück.

Sedrin und ich waren nach noch mehr Nudelsalat mit noch mehr Teigtaschen, diversen belegten Broten und allerlei Obst und Gemüse mit viel reden beim Nachtisch angekommen, der aus einer süßen Pizza bestand, deren Belag Früchte waren und deren Käseüberzug durch einen aus Karamell ersetzt worden war.

„Ist Ihr Freund ein guter Lippenleser?“, fragte mich die Agentin mit vollen Backen. Sie schien es regelrecht zu genießen, Shimar vor dieses Rätsel gestellt zu haben. „Ich denke ja.“, sagte ich. „Wir haben noch nie darüber gesprochen. Deshalb weiß ich es nicht genau. Aber eine andere Möglichkeit haben wir ja im Weltraum nicht. IDUSAs akustische Sensoren würden ja nur innerhalb einer Atmosphäre funktionieren.“ „Ganz recht.“, grinste Sedrin, die inzwischen ihren Mund geleert hatte. „Aber ich bin auch sicher, dass der Inhalt unserer Gespräche nicht sehr relevant sein wird. Er hat ja schließlich auch nichts zur Lösung beizutragen.“ „Kann es sein.“, begann ich eine Frage, denn mir war jetzt gerade aufgefallen, dass sie die Gesprächsführung übernommen und uns auf Themen gelenkt hatte, die nichts mit dem kleinen Ratespiel zu tun hatten. „Dass Sie mit Absicht unverfängliche Themen angeschnitten haben, Agent?“ „Oh, Sie sind doch ein cleveres kleines Ding!“, lobte Sedrin mit einem gut hörbaren Grinsen in der Stimme und strich mir über das Haar. „Ich nehme das als ein Ja.“, sagte ich. „Ich denke, Sie werden es ihm nicht zu leicht machen wollen.“ Sie grinste und gab dabei einen Laut von sich, der mich an eine Figur aus einer mir sehr wohl bekannten Kinderserie erinnerte, die in meinem Heimatjahrhundert zu meinen Lieblingsserien gehört hatte, als ich 3 bis 6 Jahre alt war. Wenn diese Figur lachen musste, gab es immer ein ganz spezielles Geräusch. Da sie wohl nichts erwidern wollte oder konnte, es also keine andere Möglichkeit für sie gab, mir ihren Gemütszustand zu verdeutlichen, hatte sie wohl diese Option gewählt. Das war etwas, das T’Pol, mit der Huxley seine Frau des Öfteren im Streit verglichen hatte, sicher nie getan hätte. Aber das wahr eben der Unterschied zwischen den Vulkaniern und den Demetanern. Letztere hatten Emotionen, konnten aber auch sehr rationell handeln. Sedrin aber hatte jetzt wohl gegenüber mir gerade ihre im Wortsinn mitfühlende Seite ausgepackt, als sie sagte: „Sie haben doch hoffentlich kein Problem damit, dass wir Ihren Freund so hintergehen müssen, Betsy.“ „Oh nein, Sedrin!“, versicherte ich. „Außerdem hintergehen wir ja nicht ihn, sondern allenfalls seine Regierung, die sich in meinen Augen im Augenblick wie ein Haufen Narren verhält. Wie ein Haufen beleidigter Narren wohlgemerkt. Wir mögen Shimar ein bisschen benutzen, aber er ist auf unserer Seite und wenn er das Rätsel löst, dann gehe ich davon aus, dass er der Zusammenkunft mit Freuden die Bilder übermitteln wird. Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht!“ „Dessen wollte ich nur sicher sein.“, sagte Sedrin. „Zum Umkehren ist es jetzt sowieso zu spät, Ma’am.“, sagte ich. „Wenn ich Bedenken gehabt hätte, dann hätte ich etwas sagen müssen, bevor wir gestartet sind. Aber da ich das nicht getan habe, sollten Sie eigentlich schon längst geschlossen haben, dass es da nichts gibt.“ Sedrin atmete erleichtert auf. „Ich wollte dessen nur absolut sicher sein, Allrounder.“, sagte sie.

Ich hatte meinen Teller geleert, zumindest soweit mir dies ohne fremde Hilfe unter diesen Umständen möglich war. „Oh je!“, stöhnte ich, während ich versuchte, einige Nudeln einzeln auf die Gabel zu pieksen. „Reste und ich, Thema für sich!“ „Ich zeige Ihnen jetzt mal ein kleines Geheimnis!“, flüsterte Sedrin und grinste schon wieder. Dann hörte ich ein Geräusch, als würde jemand in einen großen Keks oder so etwas beißen. Der Schluss, der sich mir in diesem Moment aufdrängte, schien aber viel zu unglaublich, um wahr zu sein. „Essen Sie gerade Ihren Teller?!“, fragte ich ungläubig. Sie gab nur einen bestätigenden Laut von sich und zog sich dann meinen Teller heran, um ein Stück abzubrechen und es mir in meinen vor Staunen weit offenen Mund zu schieben. „Ich habe den Eindruck.“, sagte sie dann. „Dass man Sie manchmal zu Ihrem Glück zwingen muss.“ „Vielleicht.“, entgegnete ich, die ich inzwischen auch festgestellt hatte, dass mich dieser Teig, aus dem der Teller offensichtlich bestand, an geschmacksneutrale Waffeln erinnerte. Immer noch sehr irritiert biss ich dann schließlich doch auch in meinen Teller. Es war jetzt ja egal, ob sich noch Reste darauf befanden. Die würden ja früher oder später auch in meinem Magen landen. „Gilt das etwa auch für die Gläser und das Besteck?“, wollte ich wissen. „Probieren Sie es aus.“, lächelte mir Sedrin entgegen.

Meine Experimente hatten bald ergeben, dass man sowohl das Besteck, als auch die Gläser ebenfalls essen konnte. „Ich habe das Programm zur Replikation dieser Dinge von einer celsianischen Seite herunter geladen.“, erklärte Sedrin. „Wenn das Geschirr und Besteck mit Lebensmitteln in Berührung kommt, dauert es ganze zehn Stunden, bis der normale Auflösungsprozess beginnen würde.“ „Zehn Stunden!“, stöhnte ich. „Oh je! Bis dahin dürfte jedes Picknick zu Ende sein. Ach! Mal wieder die Celsianer. Praktisch veranlagt wie immer.“ „Das ist es auch.“, sagte Sedrin. „Man muss wieder weniger nach Hause schleppen.“

Betsy! Ich hatte Lyciras telepathische Stimme vernommen. „Was ist, Lycira?!“, fragte ich auch aus Rücksicht auf Sedrin gleichzeitig in Gedanken und laut. Es hat sich etwas verändert., entgegnete mein Schiff. Bitte begib dich mit Sedrin wieder ins Cockpit. Dann zeige ich es euch.

Ich stand auf. „Was haben Sie?“, fragte Sedrin, die wohl gemerkt hatte, wie alarmiert ich war. „Sie hat etwas gesehen.“, sagte ich. „Sie will es uns im Cockpit zeigen.“ „Na dann los!“, sagte sie und fasste mich bei der Hand. Dann gingen wir beide ins Cockpit zurück. „Warum konnte sie mit Ihnen reden?“, fragte mich Sedrin. „Wir waren nur einige Zentimeter von einem der Flecken entfernt, in die wir unsere Hände gelegt hatten.“, erklärte ich. „Alles klar.“, schloss Sedrin, die sich wohl ihren Teil denken konnte. „Wir waren also wohl noch in Reichweite. Aber darüber können wir später reden. Wie es aussieht, wird es gleich spannend und dann lassen Sie uns ein deutliches Zeichen setzen, Illiane!“ Dass sie mich im Eifer des Gefechtes wohl mit dem falschen Namen angesprochen hatte, war mir sehr wohl aufgefallen. Wenn es Zeit war, würde ich sie auch in jedem Fall darauf ansprechen. Diese Zeit hatten wir jetzt aber wohl nicht.

Namell war von ihrem Basiskommandanten über den Umstand informiert worden, dass sie jetzt temporär Zirell unterstand. Die junge Tindaranerin hatte es regelrecht in den Fingern gekribbelt. „Hat das einen besonderen Grund, Divar?“, hatte sie gefragt. „Du wirst vielleicht die Chance bekommen, eine Heldin zu werden!“, hatte ihr der ältere Tindaraner geantwortet. „Vermassele es nicht!“ „Du kannst dich auf mich verlassen.“, hatte Namell beteuert. „Dieses Mal wirklich.“ Dann hatte sie ihrem Schiff bedeutet, die Verbindung zu beenden. „Hoffentlich halten Sie sich auch wirklich daran.“, äußerte der Avatar ihres Schiffes, das männliche Standardmodell. „Du meinst, weil dir sicher bekannt ist, was mit dreien deiner Vorgänger geschehen ist?“, fragte die kesse schwarz gelockte schlanke und zierlich gebaute Tindaranerin. „Genau das.“, meinte das Schiff. „Davor musst du keine Angst mehr haben.“, flapste Namell. „Das war die alte Namell. Aber ich habe mich verändert.“ „Hoffentlich stimmt das auch.“, sagte der Avatar und warf ihr einen skeptischen Blick zu. „Davon kannst du dich gern überzeugen.“, sagte Namell. „Gib mir am besten erst mal Shimar. Ich denke, dass wir einiges absprechen müssen.“

Der Avatar nickte und das Schiff stellte die gewünschte Verbindung für seine Pilotin her. „Hi, Shimar!“, lächelte Namell ihm zu. „Namell.“, sagte Shimar ernst. „Ich hoffe, du hältst dich an …“ „Hey!“, unterbrach sie ihn harsch. „Ich weiß, was ich für einen Ruf habe und ich weiß auch, warum du damals auf der Akademie mit mir Schluss gemacht hast, Mister Glanzkarriere. Du hast alles meiner Meinung nach immer viel zu ernst genommen.“ „Das mag deine Meinung sein, Namell!“, sagte Shimar fest. „Aber ich sehe das, den Göttern sei Dank, ganz anders. Wir haben nun einmal eine Verantwortung gegenüber unseren Schiffen, genau wie gegenüber uns selbst und unseren Kameraden und daran ist nicht zu rütteln! Sie schützen uns ja auch, wenn wir in Situationen geraten, aus denen nur sie uns helfen können. Dein wievieltes Schiff ist das jetzt, he?! Dein Viertes?! Du kannst froh sein, dass dich die Zusammenkunft überhaupt noch eines fliegen lässt!“ „Autsch.“, sagte Namell und verzog das Gesicht. „Volltreffer, Kumpel. Aber ich werde dir beweisen, dass meine rebellischen Zeiten vorbei sind.“ „Das hoffe ich.“, zischte ihr Shimar zu.

Das Bild des Avatars von Shimars Schiff rückte wieder vor seinem geistigen Auge in den Vordergrund. „Was gibt es, IDUSA?“, fragte er. „Commander Zirell möchte mit Namell und Ihnen reden.“, erklärte das Schiff. „Dann stell sie durch.“, sagte Shimar und nahm in seinem Sitz Haltung an. Dann sagte er mit erwartungsvollem Blick: „Ich bin hier, Zirell.“ „In Ordnung.“, sagte die Kommandantin der Basis 281 Alpha, die jetzt Namells und Shimars Bild vor ihrem geistigen Auge über den Neurokoppler von der IDUSA-Einheit der Station serviert bekam. „Dann passt mal auf, ihr zwei. Ihr seht doch bestimmt das saloranische Schiff mit der Demetanerin und der Terranerin an Bord vor euch. Ich möchte, dass ihr nebeneinander vor ihm auf und ab fliegt, bis ich euch etwas anderes sage! Ich möchte außerdem, dass ihr mir jedes Sensorenbild sendet, das ihr von diesem Schiff bekommen könnt! Ich möchte wissen, wie die Besatzung auf zwei Tindaraner reagiert. Dann möchte ich ihnen die Gelegenheit geben, auch einen Nicht-Tindaraner zu spiegeln. Joran ist auf dem Weg zu euch. Er wird sich verstecken und auf meinen Befehl warten.“ „Verstanden, Zirell.“, sagte Shimar und auch Namell machte deutlich, dass sie den Befehl verstanden hatte. Dann flogen beide Schiffe auf einen parallelen Kurs und in unsere Richtung.

Diese Änderung der Situation war es auch, die Lycira bemerkt und mir gemeldet hatte. Jetzt zeigte sie uns das Bild der beiden tindaranischen Aufklärer. „Wo kommt dieses zweite Schiff her, Allrounder?!“, wollte Sedrin wissen. „Es dürfte von einer anderen Basis kommen.“, sagte ich. „Aber wahrscheinlich untersteht es auch Zirells Befehl. Ich könnte mir so etwas zumindest vorstellen. Sie will mit Sicherheit ausschließen, dass unser Verhalten etwas mit Shimar persönlich zu tun hat.“ „Das ist schon mal die richtige Denkweise.“, stellte Sedrin fest. „Und ich denke, so viel Richtigkeit sollten wir belohnen. Sagen Sie Lycira, sie soll uns zeigen, was die Schiffe genau tun.“ „Aye, Agent.“, nickte ich und gab meinem Schiff den entsprechenden Gedankenbefehl.

Eine Weile lang hatten Shimar und Namell synchrone Manöver ausgeführt. Dann meldete sich erneut Zirell bei ihnen, die inzwischen Einsicht in die Daten genommen hatte. „Es sieht aus, als kämen wir so nicht sehr weit.“, sagte sie. „Dann werden wir sie mal ein bisschen verwirren. Namell, du fliegst einen Umkehrkurs zu dem von Shimar und machst irgendwelche anderen Manöver. Mal sehen, an wen sie sich hängen!“ „Zu Befehl, Kommandantin!“, sagte Namell zackig und drehte ab. Sie wollte auf jeden Fall den Eindruck erwecken, auch eine gute und verantwortungsvolle tindaranische Soldatin sein zu können. Gerade jetzt, wo sie ausgerechnet mit Shimar zusammenarbeiten sollte, wollte sie sich auf keinen Fall blamieren!

Lycira hatte Sedrin und mir die veränderte Situation gezeigt. Was soll ich tun, Betsy?, fragte sie mich. Ich wandte mich Sedrin zu, die ja die gleichen Bilder gesehen haben musste, die auch ich gesehen hatte. Schließlich waren auch ihre Hände in den Mulden. „Wir werden Zirell jetzt einen neuen Hinweis geben.“, flüsterte mir Sedrin zu. „Ich sagte ja bereits, dass wir sie dafür belohnen sollten, auf dem richtigen Weg zu sein. Also werden Sie Lycira jetzt sagen, dass sie Namell folgen soll und ein oder zwei ihrer Manöver spiegeln soll. Dann kehren wir zu Ihrem Freund zurück und machen das Gleiche. Das wiederholen wir so lange, bis sich die Situation wieder ändert. Haben Sie verstanden, Allrounder?“ Ich nickte grinsend und gab Lycira die neuen Befehle.

Joran war ebenfalls gestartet und hatte mit der neuen IDUSA-Einheit sein Versteck hinter einem Mond ganz in der Nähe bezogen. Hier hatte er den Antrieb des Schiffes deaktiviert und wartete nun auf Zirells Befehl zum Eingreifen in die für die Tindaranerin doch noch immer sehr rätselhafte Situation. „Ich kann das Verhalten der Besatzung des saloranischen Schiffes nicht einordnen, Joran.“, gab das Schiff gegenüber ihrem Piloten zu. „Was bezwecken sie damit, quasi der Schatten oder das Spiegelbild unserer Einheiten zu sein?“ „Kennst du das geflügelte Wort, jemandem den Spiegel vorzuhalten, IDUSA?“, fragte der Vendar. „Ja.“, sagte das Schiff, nachdem sie ihre Datenbank konsultiert hatte. „Es bedeutet, jemandem mittels übertriebener Imitation auf ein Fehlverhalten aufmerksam zu machen.“ „In der Tat.“, sagte Joran. „Und genau das haben Betsy El Taria und Sedrin El Demeta sicher auch mit der Zusammenkunft vor. Aber uns fehlen noch die Beweise. Die werden wir aber erbringen, wenn es stimmt, was Anführerin Zirell El Tindara vermutet.“ „Und warum so umständlich?“, fragte das Schiff. „Warum hat Shimar sie nicht einfach gefragt?“ „Oh, das hat er, IDUSA.“, sagte Joran. „Aber ihre Antwort war eindeutig. Sie werden uns die Information auf diesem Wege sicher nicht geben!“ „Also gut.“, sagte IDUSA. „Liefern wir der Zusammenkunft also ein paar Bilder zum Miträtseln.“

Eine ganze Weile lang hatten wir dieses Hin und Her jetzt schon durchgezogen. Das war von Zirell und ihrem ersten Offizier auf 281 Alpha beobachtet worden. „Es scheint wirklich nur etwas mit Tindaranern zu tun zu haben.“, mutmaßte Maron. „Sie hängen sich mal an Namell und mal an Shimar. Es ist also nichts Persönliches.“ „Das ist das Einzige, das wir bisher Niet- und Nagelfest beweisen können, Maron.“, sagte Zirell. „Aber den endgültigen Beweis dafür, dass Nicht-Tindaraner ausgenommen sind, den müssen wir der Zusammenkunft unbedingt noch geben und das beabsichtige ich jetzt zu tun! IDUSA, gib mir Joran!“

Mit Spannung hatte der Vendar Zirells Ruf erwartet und entgegengenommen. „Es geht los, Joran.“, sagte die Tindaranerin. „Verlass dein Versteck! Mal sehen, was sie zu deinen kunstvollen Schleifen sagen.“ „Wie du wünschst, Anführerin.“, erwiderte Joran und gab die Befehle per Neurokoppler an sein Schiff weiter.

Verwirrt hatte die arme Lycira zur Kenntnis genommen, dass sich jetzt sogar ein drittes Schiff einmischte, aber ich fragte nur: „Was ist das für ein Schiff, Lycira? Zeig es Sedrin und mir!“

Ihr Avatar vor unseren geistigen Augen nickte und dann sahen wir das Bild und auch die Biozeichenanzeige. „Das ist Joran.“, stellte Sedrin fest. „Das habe ich auch schon gemerkt, Agent.“, sagte ich. „Aber Sie wollen doch sicher, dass Lycira sein Schiff ignoriert, Agent. Ich meine, wenn wir den Tindaranern einen Spiegel vorhalten wollen, dann sollte es doch auch nur sie betreffen, richtig? Joran arbeitet zwar für sie, aber er ist keiner. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er ein tindaranisches Schiff fliegt.“ „Sehr gut!“, lobte Sedrin. „Sagen Sie Lycira das. Ich liebe es, wenn meine Untergebenen meine Pläne verstehen und mitdenken.“ Ich nickte und gab an Lycira weiter: Ignoriere Jorans Schiff. Mach weiter wie bisher.

Auch Zirell hatte von der Veränderung, oder besser der Nicht-Veränderung der Situation, erfahren. „Das ist der Beweis!“, skandierte sie und sah Maron dabei mit einer Mischung aus Triumph und Fragen an. „Ja!“, nickte der ausgebildete Kriminalist sehr leidenschaftlich. „Jetzt wissen wir, dass es definitiv etwas mit dem Verhalten der Zusammenkunft zu tun haben muss. Ich denke tatsächlich, dass sie ihnen den Spiegel vorhalten wollen. IDUSA soll ihnen sofort unsere Daten senden.“ „Und ich werde Shimar, Joran und Namell sagen, sie können das Manöver abbrechen.“, sagte Zirell und sie und Maron ließen sich von IDUSA ihre gewünschten Verbindungen herstellen.

Lycira hatte Sedrin und mir gemeldet, dass Shimar, Namell und Joran das Manöver beendet haben mussten. Jedenfalls lagen ihre Schiffe jetzt wie eine Front vor uns, was sie sogar zu einem heftigen Ausweichmanöver zwang. „Was war das denn, Betsy?“, fragte Sedrin, die es mit dem Kopf gegen ihre Konsole geworfen hatte. „Es tut Lycira leid, Agent.“, erklärte ich. „Aber sie musste ausweichen. Aus irgendeinem Grund haben sie vor uns abrupt gestoppt.“ „Schon gut.“, sagte Sedrin. „Es war ja sicher meine eigene Schuld. Hätte ich die Hände nicht zu früh aus den Mulden genommen, hätte ich sicher auch gewusst, was Sie jetzt wissen. Ich muss mich wohl noch daran gewöhnen.“

Betsy., hörte ich bald darauf Lyciras telepathische Stimme. Shimar ruft uns. „Sagen Sie ihr, sie soll ihn mit mir verbinden oder so durchstellen, dass wir beide uns an dem Gespräch beteiligen können.“, flüsterte mir Sedrin zu, die jene Meldung meines Schiffes nur deswegen ebenfalls wahrnahm, weil sie sich jetzt auf Demetanisch scharf ermahnt hatte, ihre Hände in die Mulden zu legen und sie auch gefälligst dort zu belassen, was ich sehr gut verstanden hatte. Dies war ein Umstand, den sie sicher auch kannte. Sie wusste, dass sie mir in diesem Punkt nichts vormachen konnte. „So etwas wie einen Hauptschirm gibt es ja hier nicht.“, meinte sie. Ich lächelte nur bestätigend.

Mein Schiff hatte den Befehl, den ich an sie weitergegeben hatte, ausgeführt. Jetzt sahen Sedrin und ich Shimars Gesicht vor uns. „Was gibt es, Agent Sedrin?“, fragte der junge Tindaraner und grinste schelmisch. „Ich glaube, du hast unser Rätsel gelöst, nicht wahr?“, erkundigte sich die Demetanerin. „Wenn die Lösung lautet, dass ihr unserer Regierung den Spiegel vorhalten wollt, dann denke ich das auch.“, meinte Shimar. „Das ist richtig!“, entgegnete Sedrin und klang dabei wie die Moderatorin einer Quizshow, die ihrem Kandidaten gerade den Hauptgewinn verkündet hatte. „Dann können Namell und Joran ja abrücken.“, sagte Shimar. „Das können sie.“, bestätigte Sedrin. „Aber ich bin ohnehin sicher, dass Zirell ihnen den Befehl dazu bereits erteilt hat. Sie war ja von Anfang an gedanklich auf dem richtigen Weg.“ „Das kann ich bestätigen.“, sagte Shimar. „Namell ist wieder in ihrem zugeteilten Planquadrat und Joran auf dem Weg zurück in unsere Dimension.“ „Alles klar.“, sagte Sedrin. „Woher wusstet ihr beide eigentlich so genau, was der Grund für das Verhalten der Zusammenkunft war?“, fragte Shimar. „Wieso konntet ihr das so gut planen und warum seid ihr so schnell hier?“ „Ich habe es ihr gesagt, Srinadar.“, gab ich kleinlaut zu. „Du hast wem was gesagt, Kleines?“, fragte Shimar irritiert. „Sedrin das mit dem Mythos.“, sagte ich und räusperte mich gleich danach. „Hör mal!“, sagte Shimar. „Das ist eine private Information gewesen! Das habe ich dir im Vertrauen gesagt! Aber du hattest nichts Besseres zu tun, als es der nächsten Agentin unter die Nase zu reiben! Wie steht denn meine Regierung jetzt vor der Föderation da?! Was hast du dir dabei gedacht!“

Ich wollte etwas sagen, aber die Agentin legte mir ihren Finger an die Lippen. „Deine Regierung!“, meinte Sedrin langsam und deutlich zu Shimar, als wollte sie eine Strafe verhängen. „Steht genau so da, wie sie sich jetzt im Moment verhält! Wie ein Haufen beleidigter Narren! Wenn sie nichts gesagt hätte, hätten wir nicht reagieren können und nicht versuchen können, mittels dieser kleinen Demonstration vielleicht noch einen Krieg zu verhindern! Aber auch, wenn sie nichts gesagt hätte, hätte Nugura spätestens dann Ermittlungen befohlen, wenn die Zusammenkunft so mir nichts dir nichts nach Hilfe im Kriegsfall gefragt hätte! Dann hätten sie nämlich die Karten auf den Tisch legen müssen! Die Einlassung deiner Freundin gegenüber mir hat das Ganze nur, Mutter Schicksal sei Dank, etwas verfrüht und ich denke, du wirst ihr noch mal sehr dankbar dafür sein! Denk mal drüber nach!“ Sie flüsterte mir zu: „Terminarin!“, was soviel wie „Beenden!“, in diesem Fall mit korrekter weiblicher demetanischer Endung, bedeutete. Ich gab Lycira den englischen Gedankenbefehl zum Beenden der Verbindung. „Lassen wir ihn eine Weile schmoren.“, sagte Sedrin. „Er wird schon das Richtige tun. Da habe ich überhaupt keinen Zweifel.“ „Ich auch nicht, Agent.“, sagte ich, die ich sicher war, dass Shimar genug Intelligenz besaß, dass er, wenn sein erster Schreck verflogen war, doch sehr gut nachdenken und die richtigen Schlüsse ziehen würde. Dann würde er sich sicher auch bei mir dafür entschuldigen, mich so angefahren zu haben. Bis dahin beschlossen Sedrin und ich, uns die Zeit mit Smalltalk zu vertreiben. Da war ja sowieso etwas, das mir noch auf den Nägeln brannte. „Denken Sie noch manchmal an sie?“, wollte ich wissen. „Über wen sprechen Sie, Betsy?“, fragte sie zurück. „Sie nannten mich Illiane.“, lautete meine Antwort.

Mein Satz und vor allen Dingen der Name, den ich erwähnt hatte, mussten noch lange in Sedrins Kopf nachgehallt haben. Jedenfalls nahm sie plötzlich Haltung an, räusperte sich und sagte dann: „Oh, entschuldigen Sie, Allrounder. Das war keine Absicht. Unsere Situation hat mich nur gerade an die zwischen ihr und mir erinnert. Wir kämpften auch auf verlorenem Posten, bis wir Jaden und den anderen begegnet sind. Die Regierung hat uns kein Wort geglaubt und Illianes vorherige Freunde wollten natürlich auch nicht, dass sie aussagt, weil sie auch nicht an die Sache mit Sytanias Marionette geglaubt haben. Es gab ja auch nur einen einzigen Beweis, den nur sie erbringen konnte.“ „Ich weiß.“, sagte ich. „Sie standen ganz schön mit dem Rücken zur Wand. Aber dann mussten Sie sich ja auch noch Sytanias Häschern erwehren. Noch dazu kam, dass sie Ihnen am Anfang auch nicht vertraut hat und …“ „Genau.“, sagte Sedrin. „Oh, ich werde nie den Tag vergessen, an dem sie mir ihr Vertrauen bewiesen hat, indem sie von dem Essen gegessen hat, das ich zubereitet hatte. Von dem Zeitpunkt an ging es Berg auf!“ „Sie zwei hat eine regelrechte Freundschaft verbunden, nicht wahr? Ich meine, so etwas, wie das, was sie erlebt haben, schweißt doch sicher besonders zusammen!“, sagte ich. „Das stimmt.“, gab sie zu. „Und was mich dabei sehr betrübt ist die Tatsache, dass ich ihr niemals dort hin folgen können werde, wo sie jetzt ist!“ „Wo ist denn das?“, fragte ich. „Darüber darf und werde ich nicht sprechen!“, sagte Sedrin energisch und ich konnte sehr gut hören, dass meine Frage ihr sehr unbequem war. „Schon gut.“, tröstete ich. „Lassen wir es dabei bewenden. Ich weiß ja, dass niemand wissen darf, was mit ihr passiert ist.“ „Zumindest noch nicht.“, sagte Sedrin.

Bedient hatte sich Shimar in seinem Sitz zurückgelehnt. Er musste erst einmal verdauen, was da gerade passiert war. Ständig dachte er über das nach, was ich getan hatte. Dies war ein Umstand, der seinem Schiff nicht entgangen war, denn Shimar hatte, da er sie steuerte, den Neurokoppler aufbehalten und sie hatte seine Tabelle geladen. „Ihre Freundin und der Agent haben richtig gehandelt.“, begann IDUSA mit fester Stimme eine Analyse der Situation. „Besonders Betsy. Sedrin hat ja nur aufgrund der Fakten gehandelt, die sie ihr präsentiert hat.“ „Trotzdem fand ich ihre Argumentation ziemlich kaltschnäuzig.“, sagte Shimar und schluckte herunter, als müsste er eine bittere Pille, die man ihm verabreicht hatte, schnell loswerden. „Sie hat sicher Recht.“, sagte er dann. „Aber ihre Art zu reden hat mich mehr an die einer Vulkanierin, als an die einer Demetanerin, erinnert. Sie hätte ruhig etwas mehr Verständnis zeigen können. Da sind die doch normalerweise so gut drin.“ „Das mag sein.“, sagte IDUSA. „Aber Sie wissen auch, dass die Demetaner genau so gut sehr gefühlvoll, als auch sehr rationell, sein können und sie können auch genau einschätzen, wann welche Eigenschaft zum Tragen kommen muss. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ihre Argumentation nicht gegen Sie persönlich gerichtet war, sondern gegen die Zusammenkunft. Ihre Reaktion ist für mich logisch im Moment nicht nachvollziehbar, Shimar. Bitte helfen Sie mir!“ „Tut mir leid, IDUSA.“, sagte Shimar, den ihr letzter Satz in Alarmbereitschaft versetzt hatte. Noch vor gar nicht so langer Zeit hatte er ihr versprochen, ihr durch diese für sie nicht nachvollziehbare Situation zu helfen und jetzt hatte er damit selbst Schwierigkeiten. Wenn es ihm nicht gelang, dies aufzulösen, würde das einen Datenkonflikt in ihren Systemen auslösen, der sie, weil sie ständig bestrebt war, eine Lösung zu finden, eventuell empfindlich bei der Ausführung ihrer Aufgaben behindern könnte. Deshalb schob er seine eigenen Gefühle unsanft beiseite und sagte dann: „Ist schon gut, IDUSA. Ich bin ja da. Natürlich weiß ich auch, dass sie Recht haben. Aber mich hat Betsys Verhalten im ersten Moment einfach nur ziemlich erschreckt, weil ich es ihr nicht zugetraut hätte. Auch ich bin nur ein biologisches Wesen mit Gefühlen.“ „Schon gut, Shimar.“, sagte IDUSA. „Sie hätten dem Allrounder so ein Verhalten wohl nur deshalb nicht zugetraut, weil sie im Allgemeinen keine Tratschtante ist. Aber Sie wissen auch, dass sie sich genau überlegt, wann sie wem in welcher Situation welche Informationen gibt, um ihre Ziele zu erreichen. Wenn ihr Ziel war, sich die Unterstützung fachlich kompetenter Personen zu sichern, um einen Fehlgriff unserer Regierung zu verhindern, dann war das die richtige Entscheidung! Oftmals hatte das schon den richtigen Effekt, da es leise und auf eine Weise geschah, mit der niemand rechnete. Oft sind die leisen, weil plötzlichen, die wirksamsten Töne. Alles andere Laute und Ständige kann sehr leicht zu weißem Rauschen werden und lässt sich sehr leicht ausblenden und ignorieren. Aber wenn zwischendurch ein leiser nicht alltäglicher Zwischenton erscheint, kann es sein, dass man eher darüber stolpert und sich fragt: Hoppla! Was war denn das?!“ „Du hast ja Recht.“, sagte Shimar. „Trotzdem hätte sie …“

Kapitel 7: ungewollte Provokationen

von Visitor

 

IDUSA flog plötzlich eine scharfe Wendung und dann in Richtung genesianische Grenze. „Was machst du da?!“, fragte Shimar total irritiert. „Das weiß ich selbst nicht!“, sagte sein Schiff. „Etwas hat meine Warpspulen erfasst und zwingt mich, in diese Richtung zu fliegen.“ „Zeig mir die technischen Werte deiner Warpspulen und dann verbinde mich mit Jenna!“, befahl Shimar entschieden. „Sofort.“, sagte IDUSA und tauschte das Bild der Steuerkonsole vor seinem geistigen Auge gegen das der technischen Konsole aus. Sofort erkannte Shimar, dass jenes Phänomen, das sie erfasst hatte, einem Warpfeld sehr ähnlich sein musste und dass dessen Energie sich im Inneren der Spulen befand. Die Leitungen, die diese sonst mit Energie versorgten, waren aber leer. Außerdem meldete sich Jenna im gleichen Moment bei ihm: „Was gibt es, Shimar?“ „Jenn’!“, sagte er. „Ich habe ein Problem. IDUSAs Warpspulen sind von einem externen Phänomen erfasst worden, das droht, uns über die genesianische Grenze zu tragen. Hast du die gleichen Daten?“ „Ja.“, sagte die Ingenieurin, der IDUSA mittels einer Datenverbindung ebenfalls ermöglicht hatte, über die Situation informiert zu sein. „Warte einen kurzen Moment!“

Jenna winkte Shannon, die darauf sofort zu ihrer Vorgesetzten an deren Arbeitskonsole sprintete. „Sehen Sie sich das an, Assistant.“, sagte Jenna. „Wenn uns da nichts einfällt, werden Shimar und sein Schiff ungewollt einen diplomatischen Zwischenfall provozieren. Wir können das Ding sehen, das IDUSA festhält. Aber so wie es aussieht, wird es für genesianische Sensoren unsichtbar sein. Die operieren vielfach auf ganz anderen Wellenlängen. Ich werde vorsichtshalber schon mal Zirell informieren, damit sie der Zusammenkunft Bescheid gibt. Shimar würden die kein Wort glauben, auch wenn er seine Unschuld noch so beteuern würde.“ „Sie meinen, weil sie das Ding nich’ sehen können und weil er ’n Mann is’ und somit nix wert?“, fragte die blonde Irin. „Exakt, Shannon.“, antwortete die hoch intelligente Halbschottin. „Deshalb müssen wir uns dringend was ausdenken. IDUSA, gib mir den genauen maximalen Spannungswert, den das Warpfeld von Shimars Schiff aufbauen kann! Dann stell den des Phänomens diesem gegenüber!“ „Wie Sie wünschen, Jenna.“, sagte der Stationsrechner und führte ihren Befehl aus.

„Verdammt!“, fluchte Jenna, was sonst eigentlich nicht ihre Art war. „Sie sind absolut identisch. Das bedeutet, er darf IDUSA auf keinen Fall befehlen, ein Warpfeld aufzubauen, um gegenzusteuern. Wenn die beiden Energiefronten aufeinander träfen, würde das IDUSAs Warpspulen zersprengen! Los, Shannon! Wir müssen unsere kleinen grauen Zellen jetzt mal ein wenig auf Trab bringen!“ „Ne.“, flapste die blonde Irin. „Das is’ wohl eher Ihr Spezialgebiet. Da halt’ ich mich mal fein raus. Ich bin da nur ’n Klotz am Bein.“ „Das stimmt nicht!“, sagte Jenna energisch. „Sie haben oft genug auch zur Lösung eines Problems beitragen können und das gar nicht mal schlecht. Ich werde das auch nicht weiter mit Ihnen diskutieren, Shannon! Die Zeit haben wir jetzt nicht!“ „Wenn ich mal ’n Treffer gelandet habe.“, sagte Shannon. „Dann war das reines Glück!“ „Das war es nicht!“, sagte Jenna. „Und das wissen Sie so genau wie ich! Ich werde davon nicht abweichen, dass Sie mehr können, als Sie zugeben und damit ist jetzt Schluss! Ende der Diskussion!“

Lycira hatte Sedrin und mir das Gleiche gezeigt. „Wenn er die Grenze überquert.“, sagte Sedrin. „Dann werden die Genesianer das als aggressiven Akt werten. Sie dürften das Phänomen nicht sehen können. Ihre Sensoren arbeiten auf dem falschen Frequenzband.“ „Das weiß ich auch.“, sagte ich. „Verdammtes Glatteis!“ „Verdammtes was?!“, fragte Sedrin. „Wir Flieger nennen so etwas Glatteis.“, erklärte ich. „Weil man sich ja auf Glatteis auch nicht kontrolliert bewegen kann, wenn man ins Rutschen kommt.“ „Verstehe.“, sagte Sedrin und machte ein nachdenkliches Gesicht. „Können wir den Traktorstrahl einsetzen?“, fragte sie. „Nein.“, sagte ich. „Wir sind zu weit weg und wenn wir näher fliegen, besteht die Gefahr, dass wir ebenfalls hineingezogen werden.“

Betsy, Sedrin., meldete sich Lycira telepathisch bei uns. Auch ohne Sensoren wüsste ich, wer das Ding erschaffen hat. „Es ist Sytanias Werk, Lycira, was?“, fragte Sedrin. „Ich kann mir denken, dass die biologische Komponente, die du besitzt, dir möglich macht, das regelrecht zu spüren.“ Genau., gab mein Schiff zurück. Aber ich habe noch eine schlechte Nachricht für euch. Shimar hat gerade die Grenze überquert. „Oh nein!“, rief ich aus. „Was tun wir jetzt, Agent?!“ „Ich werde Lycira Shashanas persönliches Rufzeichen eingeben.“, sagte Sedrin. „Vielleicht kann sie die Patrouillen noch zurückpfeifen.“ „OK.“, sagte ich erleichtert. Ich wusste um die persönlichen Kontakte zwischen Sedrin und Shashana. Dieser Umstand könnte uns jetzt sehr helfen.

Ich fürchte, für deinen Plan ist es zu spät, Sedrin., informierte uns Lycira. „Was meinst du?!“, fragte die Agentin. Ihre Frage wurde aber im gleichen Moment beantwortet, denn eine fächerförmige Front aus grellen roten Blitzen hatte das Tiefschwarz des Weltraums zerrissen. „Was war das?!“, fragte Sedrin. „Und vor allem wo war das genau? Lycira, zeig mir die exakte Position der Explosionen und dann die von Shimars Schiff!“

„Mutter Schicksal sei Dank, war er nicht genau im Zentrum.“, sagte Sedrin, nachdem sie sich die Bilder angesehen hatte. „Wovon reden Sie?“, fragte ich. „Lycira wird Ihnen das nicht gezeigt haben, um Sie nicht zu ängstigen.“, sagte Sedrin. „Aber in der Nähe von Shimars Schiff sind gerade eine Reihe von Photonentorpedos detoniert. Ich muss noch herausbekommen, wo sie herkamen und warum.“ „Oh, mein Gott!“, rief ich aus und machte ein ängstliches Gesicht. „Ist ihm etwas passiert?“ „Das kann Lycira wohl erst dann genau sagen, wenn sich die Strahlung verzogen hat.“, sagte Sedrin. „Merkwürdig finde ich auch, dass die Torpedos weit vor IDUSA detoniert sind. Es sieht für mich nicht so aus, als wollten die Genesianer Shimar oder ihr schaden. Aber ich habe eine andere Theorie. Lycira, lege das Bild des Phänomens exakt über die beiden Positionen von Shimars Schiff und der Explosion!“

Mein Schiff führte ihren Befehl bereitwillig aus. „Wie ich mir dachte.“, sagte Sedrin. Dann befahl sie: „Lycira, zeig es ihr!“, und zeigte auf mich. „Sie wollten das Phänomen zerstören.“, interpretierte ich. „Aber wie denn? Sie können es doch nicht sehen.“ „Das nicht.“, sagte Sedrin. „Aber sie können IDUSAs Warpspulen sehen. Ich denke, sie haben sich daran orientiert und wenn sie nur halb so viel nachdenken wie wir, dann werden sie auch wissen, wer die Schuldige ist.“ „Aber dann müssen sie Rosannium eingesetzt …“, setzte ich an und wurde im gleichen Moment sehr blass, denn über die Schutzverbindung bekam ich sehr wohl mit, dass es Shimar sehr schlecht ging.

Blitzschnell reichte mir Sedrin eine Tüte, gab mir aber im selben Augenblick eine Spritze aus dem von ihr mitgeführten Medizinkoffer, bevor ich noch reagieren konnte. „Das ist zellarer Peptidsenker.“, erklärte sie. „Er dürfte die Auswirkungen der Schutzverbindung bei Ihnen ein wenig lindern. Ich denke, dass Sie noch gebraucht werden. Shimar dürfte bewusstlos sein und IDUSA ist in der gegenwärtigen Situation sicher auf einen biologischen Piloten angewiesen, der verhindert, dass sie falsche Entscheidungen trifft.“ „Sie haben Recht, Ma’am.“, sagte ich. „Lycira, ruf IDUSA und biete ihr an, dass ich rüber komme!“

Ehe ich ihre Antwort noch abwarten konnte, wurde ich bereits von einem Transporter erfasst und fand mich gleich danach in IDUSAs Cockpit wieder. „Allrounder!“, hörte ich ihre jetzt sehr alarmiert klingende Stimme aus dem Bordlautsprecher. „Bitte nehmen Sie Shimars Neurokoppler. Ich habe ihn selbst an Bord ihres Schiffes gebeamt. Hier ist es zu gefährlich für ihn. Meine Systeme sind mit Rosannium überschwemmt. So kann ich die Atmosphäre auch nicht reinigen. Sie sind Nicht-Telepathin. Ihnen macht das nichts aus.“ „Verstehe.“, sagte ich. „Das wäre genau so, als wollte ich mit einem schmutzigen Tuch einen ebenfalls schmutzigen Tisch säubern.“

Ich hatte den Neurokoppler inzwischen gefunden und aufgesetzt. „Wie bin ich erleichtert!“, sagte IDUSA, nachdem sie meine Tabelle, durch die sie Shimars ersetzte, geladen hatte. „Kann ich mir denken.“, tröstete ich. „Aber jetzt verbinde mich noch mal kurz mit Sedrin an Bord meines Schiffes. Ich werde ihr sagen, dass ich dich nach Hause bringe.“ „In Ordnung.“, sagte IDUSA und führte meinen Befehl aus.

„Das ist schon OK.“, sagte Sedrin und ich hatte das starke Gefühl, dass sie sehr kurz angebunden war. Dann beendete sie auch schon wieder die Verbindung. „Was kann der Grund sein, aus dem der Agent so kurz angebunden ist, Allrounder?“, fragte IDUSA mich. „Ich weiß es nicht.“, sagte ich. „Aber ich denke, dass sie sich um Shimar kümmern muss, den du ja einfach vor ihrer Nase abgeladen hast.“ „Ich hatte keine Wahl.“, verteidigte sich IDUSA. „Das weiß ich doch.“, sagte ich beschwichtigend. „Es war ja auch nicht böse gemeint. Komm! Fliegen wir nach Tindara. Unterwegs reden wir. Mal sehen, ob ich nicht ein paar deiner Datenkonflikte lösen kann!“ „Vielen Dank, Allrounder.“, sagte IDUSA und zeigte mir bereitwillig die Steuerkonsole.

Sedrin hatte sich inzwischen in Lyciras Achterkabine begeben, in der IDUSAs Transporter bei dem Austausch Shimar auf einer Bank abgelegt hatte. Hier zückte sie ihren Erfasser, den sie dann auf die Biozeichen von Tindaranern einstellte und dann das Interpretationsprogramm startete. Der Alarm des Gerätes schrillte, als sie sich damit über ihn beugte. „Mutter Schicksal!“, rief sie aus, als sie auf das Display gesehen und bereits einen Totenkopf erkannt hatte. „Es geht ihm wirklich schlecht!“

Sie ging zu einem der Fleckenpaare an der Wand und legte ihre Hände hinein. Dann dachte sie: Lycira, verbinde mich mit Ishan auf Basis 281 Alpha! Ich muss dich enttäuschen, Sedrin., gab Lycira zurück. Die momentan herrschende Strahlung lässt keinen interdimensionalen SITCH zu. Wir müssen entweder wegfliegen, oder warten, bis sie sich verzogen hat. Dass ist normal, wenn eine solche Menge Rosannium benutzt wurde, um ein so großes Phänomen zu zerstören wie das da draußen. Für deine Alternativen haben wir leider keine Zeit!, dachte Sedrin und griff entschlossen nach dem Medizinkoffer. Du willst Shimar doch nicht …, dachte Lycira und Sedrin konnte das Entsetzen, das sie empfinden musste, sehr gut fühlen. Das darfst du nicht! Du bist keine Ärztin! Aber du hast ein Programm, das jemanden in der Behandlung von Verletzungen anleiten kann., widersprach die Agentin. Jeder Erfasser hat das! Sag mir bitte nicht, du hättest es nicht! Ich weiß, dass das nicht stimmt! Wir haben keine Wahl, Lycira, wenn wir ihn retten wollen, also hilf mir! Ich übernehme auch alle Verantwortung, wenn was schief geht! Die Tindaraner können dann mit mir machen, was sie wollen. Na, so weit wollen wir es ja wohl nicht kommen lassen., meinte Lycira und lud das nötige Programm. Unter den Flecken findest du auch normale technische Ports., erklärte sie. Hol bitte die Nasalsonde aus dem Koffer, stecke einen Transportersensor auf und schließe sie an einen der Ports an. Ich werde sie dann fern bedienen und du wirst sie führen. OK., meinte Sedrin und öffnete das besonders gesicherte Fach mit der Nasalsonde und ihren Aufsteckköpfen. Dann nahm sie die Sonde, einen relativ flexiblen Schlauch, heraus und steckte ein Modul mit der Aufschrift: „Transportersensor.“, auf den vorderen Anschluss. Aus dem hinteren Teil zog sie ein kurzes Kabel, das sie in einen der Ports steckte. Sehr gut, Sedrin., lobte Lycira. Ich habe das Gerät erkannt. Jetzt drück bitte mit einem deiner Finger einen von Shimars Nasenflügeln leicht beiseite und führe die Sonde durch das Nasenloch bis in die Stirnhöhle vor. Dann werde ich sein Telepathiezentrum sehen können. Dort werde ich dann alles Rosannium und die abgestorbenen Zellen heraus beamen. Außerdem werde ich dir zeigen, was ich sehe. OK., meinte Sedrin und begann mit zitternden Händen auszuführen, was ihr Lycira gerade gesagt hatte. Sie war sonst eigentlich nicht als sehr ängstlich bekannt, diese Situation machte ihr aber tatsächlich echtes Muffensausen! Sollte sie etwas falsch machen, konnte das Shimar unter Umständen das Leben kosten. Das wusste sie.

Wenige Sekunden später hatte sie die Sonde in Shimars Stirnhöhle platziert. Auch Lycira hatte ihren Teil der Abmachung eingehalten. Jetzt sah die Demetanerin vor ihrem geistigen Auge zwei merkwürdige runde Strukturen, die sie noch nie gesehen hatte und somit auch nicht einordnen konnte. Meinen Erinnerungen aus der Schulzeit nach., meinte sie zu meinem Schiff. Befindet sich bei den meisten Humanoiden an dieser Stelle das Sprachzentrum. Es ist so groß wie eine Walnuss. Die Walnuss haben wir hier. Aber darüber ist noch eine Struktur so groß wie ein Hühnerei. Ich denke, das dürfte das Telepathiezentrum sein. Sie schob die Sonde noch näher heran. Dann mal los, Lycira!

Mein Schiff begann mit den Transporten, die Sedrin mittels ihres Erfassers überwachte. Das war’s., sagte Lycira. Alles Gift und auch das tote Gewebe sind entfernt. Ich werde jetzt reine Sauerstoffmoleküle aus der Atmosphäre entnehmen und direkt in die Zellen beamen. Zellen lieben Sauerstoff. Tu das., sagte Sedrin erleichtert. Aber du könntest auch noch etwas tun., meinte Lycira. Bitte nimm die Sonde heraus und wechsle den Kopf gegen einen für einen Stimulator aus. Dann kann ich sein Telepathiezentrum dabei unterstützen, neue Zellen zu bilden. Gut., meinte Sedrin und führte aus, worum Lycira sie gebeten hatte. Du bist etwas nervös., stellte mein Schiff fest. So etwas kennt man ja gar nicht von dir. „Lycira!“, ermahnte die Agentin das Schiff jetzt auch verbal streng. „Das hier war immerhin ein chirurgischer Eingriff!“

Shimar hatte sich bewegt und schlug die Augen auf. Dann sagte er verschlafen und mit einem ordentlichen Schuss schlechter Laune in der Stimme: „Was soll der Krach?! So laut zu sein, wenn anständige Leute schlafen wollen! Unter Strafe stellen sollte man das! Jawohl!“ „Wenigstens habe ich dir deinen Humor wohl nicht entfernt.“, sagte Sedrin erleichtert.

Erst jetzt drehte sich Shimar um und sah in ihr Gesicht. „Sedrin!“, sagte er erstaunt. „Und wo bin ich überhaupt?“ „Du bist an Bord von Betsys Schiff.“, sagte die Agentin. „Beweg bitte deinen Kopf nicht zu viel. Du hast eine Sonde in der Nase. Ich musste dich operieren. Sonst wärst du jetzt sicher nicht mehr unter uns. Probier mal, ob du mich telepathisch erfassen kannst.“

Shimar schloss die Augen und begann sich auf Sedrin zu konzentrieren. „Es geht.“, sagte er. „Aber es strengt mich sehr an.“ „Das wird sich geben.“, sagte die Agentin. „Aber so lange musst du die Sonde noch ertragen.“

Sedrin., hörte die Demetanerin wieder Lyciras telepathische Stimme in ihrem Geist. Geh bitte ins Cockpit. Dort habe ich jemanden für dich. Ich werde schon auf Shimar aufpassen. In Ordnung, Lycira., gab Sedrin zurück und verließ die Achterkabine.

Ich hatte IDUSA durch die interdimensionale Schicht gesteuert und wir waren in der tindaranischen Heimatdimension angekommen. Als Zielkoordinaten hatte ich allerdings einen Punkt im tindaranischen Universum gewählt, von dem aus es noch mindestens 130 Parsec bis zur Basis 281 Alpha waren. Ich wurde nämlich das Gefühl nicht los, dass IDUSA die ganze Grundsituation noch nicht ganz verdaut hatte und jetzt auf keinen Fall allein gelassen werden durfte. Für eine künstliche Intelligenz wie sie musste die sehr emotionale Reaktion der Zusammenkunft und die daraus entstandene Situation sehr abstrakt und unverständlich wirken. Ich wusste zwar, dass tindaranische Schiffe im Zweifel dazu in der Lage waren, ihre Entscheidungen selbst zu treffen, sollten ihre Piloten dazu beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein, aber das galt sicher nur im Modell für Dinge, die auch sonst mit Logik zu entscheiden waren. Aber Emotion war nun einmal völlig unlogisch und passte in keine mathematische Kategorie.

„Der Umstand, dass Sie jetzt bei mir sind, Allrounder.“, sagte IDUSA. „Wird mir vieles erleichtern. Sie sind eine Organische und können Emotionen verstehen. Eine Fähigkeit, die mir völlig abgeht. Ich befürchte, wenn ich allein wäre, aufgrund dieser Fehlfunktion falsche Entscheidungen zu treffen.“ „Das ist keine Fehlfunktion.“, tröstete ich und stellte mir vor, wie ich mit meiner rechten Hand über die leeren Ports strich. „Du kannst nichts dafür. Aber ich glaube nicht, dass du falsche Entscheidungen treffen würdest, denn du hast schon die getroffen, die alles andere in Ordnung bringen wird. Wer hat mich denn an Bord geholt und Shimar in Sicherheit gebracht?! Gut. Der Agent und ich haben ebenfalls genau darüber gesprochen, aber das konntest du ja nicht wissen. Wir hatten auch nicht geahnt, wie schnell du mich hohlen würdest. Warum hast du eigentlich gerade mich gewählt und nicht sie?“ „Sie sind die bessere Pilotin.“, sagte IDUSA nüchtern. „Außerdem bin ich mit Ihnen vertraut, da wir schon manche Situation zusammen durch gestanden haben. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie, weil Sie auch mich sehr gut kennen, die richtigen Entscheidungen, auch in meinem Sinne, treffen würden. Der Agent kennt sich da wohl nicht so gut aus. Daher ist meine Wahl völlig logisch gewesen. Aber mir ist gerade etwas aufgefallen. Sagten Sie nicht, der Agent hätte auch gewollt, dass Sie gehen? Sie beide sind Nicht-Telepathinnen. Ihnen beiden hätte das Rosannium in meiner Atmosphäre nichts ausgemacht. Es hätte allerdings sein können, dass sie, weil sie Demetanerin ist, ein sehr großes Verständnis dafür aufgebracht hätte, wenn Sie bei Shimar bleiben gewollt hätten, weil Sie ihn doch lieben. Aber sie hat Ihnen quasi befohlen, zu mir herüber zu beamen. Warum, denken Sie, ist das passiert?“

Ich saß stocksteif da und dachte nach. Ihre Frage hatte mich ebenfalls sehr irritiert. Aber bald hatte ich eine eventuelle Antwort gefunden, die dafür sorgte, dass es mir wie Schuppen von den Augen fiel: „Sie wollte, dass ich gehe, damit ich abgelenkt bin! Sie wollte nicht, dass ich Shimars Zustand sehe und sie wollte sicher auch nicht, dass ich sehe, was sie vorhat. Ich bin sicher, da drüben läuft gerade irgendwas Schräges. Etwas, das ich nicht sehen sollte. Sie meint wohl, wenn ich mit dir beschäftigt bin, denke ich nicht mehr an Shimar. Hör zu, IDUSA! Ich werde ihr jetzt sagen, dass ich durch ihren kleinen Plan gestiegen bin, aber ihr auf keinen Fall böse bin. Sie wollte ja für uns alle, inklusive für dich, auch nur das Beste.“

Ich bekam mit, wie IDUSA das Sprechgerät aktivierte und eine Verbindung zu Lycira herzustellen versuchte. Dann aber sagte sie: „Es tut mir leid, Allrounder. Das Sprechgerät Ihres Schiffes reagiert nicht. Wahrscheinlich ist entweder der Agent oder Lycira selbst gerade in einem Gespräch.“ „Macht nichts, IDUSA.“, sagte ich. „Wie ich das sehe, werden wir uns ja alle sowieso irgendwann auf Basis 281 Alpha wieder über den Weg laufen. Dann kann ich das ja immer noch mit ihr klären. Aber jetzt werden wir gleich erst mal docken und ich werde dich an Techniker McKnight übergeben. Sie wird dich warten und ich mache etwas Urlaub mit Agent Maron auf den Verhörinseln. Ich bin sicher, er wird sehr interessant finden, was ich zu sagen habe.“ „Vielen Dank, Allrounder.“, sagte Shimars Schiff. „Nenn mich Betsy!“, bot ich an. „Ich mag keine Förmlichkeiten! Zumal du ja das Schiff meines festen Freundes bist und wir uns somit auch sehr nahe stehen sollten.“ „Korrigiere Anredeprotokoll.“, erwiderte IDUSA. „Vielen Dank, Betsy.“ „Schon besser.“, lächelte ich und gab ihr den Gedankenbefehl, in die Umlaufbahn um 281 Alpha einzuschwenken. „Warum fliegen wir nicht gleich zu meinem gewohnten Andockplatz?“, wollte IDUSA wissen. „Das wäre doch viel effizienter, nicht wahr?“ „Das kommt zwar hin.“, gab ich zu. „Aber du weißt, dass Organische es nicht lieben, überrascht zu werden. Schon gar nicht, wenn sie eine Station führen müssen, die vielleicht demnächst im Kriegseinsatz ist. Zirell weiß ja noch nichts von dem Pilotentausch. Also. Du verbindest mich jetzt erst mal mit eurer Kommandozentrale. Dann werde ich Zirell und Maron alles erklären. Dann werden wir docken. Bei der Gelegenheit kann ich mich auch gleich bei Agent Maron zum Verhör anmelden.“ „Wie Sie wünschen.“, sagte das Schiff und stellte mir die gewünschte Verbindung her.

Der Erste, der IDUSAs Ruf entgegennahm, war ein total überraschter Joran. „Ich grüße dich, Betsy El Taria.“, sagte der Vendar und ich konnte die Verwunderung in seiner Stimme nicht überhören. „Hi, Joran.“, sagte ich flapsig. „Kannst du mich zu Commander Zirell oder Agent Maron durchstellen? Ich müsste dringend mit einem, oder besser mit beiden, reden.“ „Bitte warte einen Augenblick, Betsy El Taria.“, sagte Joran und ich wurde in die Warteschleife gelegt.

Joran kratzte sich am Kopf und wandte sich dann langsam Agent Maron zu, der mit ihm in der Kommandozentrale der Station saß. „Warum stellst du Shimar nicht auf den Hauptschirm?“, erkundigte sich der erste Offizier, der das Gespräch zwischen seinem Untergebenen und mir nicht wirklich mitbekommen zu haben schien. Er war wohl noch in einen Bericht vertieft. „Ich meine, immerhin hast du gemeldet, dass IDUSA uns ruft. Also, was ist los? Was macht dir solche Kopfschmerzen?“ „Ich habe Shimar nicht auf den Hauptschirm gestellt, weil ich es nicht kann, Maron El Demeta.“, erklärte Joran nachdenklich. „Was soll das heißen, du kannst es nicht?“, fragte Maron verwirrt. „Gibt es ein technisches Problem? Ich werde O’Riley und McKnight sofort …“ „Das ist nicht nötig und würde auch die Situation nicht ändern.“, sagte der Vendar. „Du sprichst in Rätseln.“, stellte der Demetaner fest. „Jetzt sag mir endlich, was los ist!“ „Ich kann kein Gespräch auf den Hauptschirm stellen, das es nicht gibt, Agent Maron.“, sagte Joran. „Shimar ist es nämlich nicht, der von Bord IDUSAs mit uns reden will. Es ist Allrounder Betsy El Taria. Ich frage mich ja auch, wie sie an Bord des Schiffes kommt, aber …“ „Gib sie mir!“, befahl Maron.

Joran nickte und stellte die Verbindung her. Überrascht sah der Demetaner in mein Gesicht vor seinem geistigen Auge, das ihm durch die IDUSA-Einheit der Station auf seinem Neurokoppler gezeigt wurde. „Was tun Sie an Bord von Shimars Schiff, Allrounder?!“, fragte der erste Offizier von Basis 281 Alpha und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er, wenn sein Stuhl keine Lehne gehabt hätte, sicher hinten über gefallen wäre. „Bei allem Respekt, Sir.“, scherzte ich, um die Situation etwas aufzulockern. „Da, wo ich herkomme, heißt es erst mal hallo, oder etwa nicht?“

Er schluckte hörbar, denn er hatte seinen Finger wohl etwas verfrüht auf den Sendeknopf gelegt, oder sich das zumindest zu früh vorgestellt, was als Befehl bei IDUSA angekommen war. „Sie haben ja Recht.“, gab er zu. „Also noch mal von vorn. Hallo, Allrounder. Was tun Sie auf Shimars Schiff und wo ist er?“ „Er liegt krank an Bord meines Schiffes.“, sagte ich. „Agent Sedrin kümmert sich um ihn. Die Genesianer haben … Ach, da gibt es so viel, worüber ich mit Ihnen reden muss, Agent. Vielleicht können wir den Krieg ja noch verhindern. Ich persönlich glaube, dass Sytania die Situation ausnutzen und die Tindaraner in einen 2-Fronten-Krieg treiben wollte, aber das ist ihr nicht gelungen, weil die Genesianer sich nicht vor ihren Karren spannen lassen haben, glaube ich. Dazu waren sie wohl zu schlau. Aber ich habe auch Erkenntnisse über die Nidari-Travelers, die …“

Es fiel mir immer schwerer, meine Sätze in die richtige Reihenfolge zu bringen. Zu viel hatte ich im Kopf und zu aufregend war das alles. Schließlich räusperte ich mich, nahm Haltung an und sagte salutierend: „Sir, Allrounder Betsy Scott beantragt hiermit offiziell, durch Sie zur Situation um die Nidari-Travelers und Sytania vernommen zu werden!“ „Antrag angenommen, Allrounder!“, sagte Maron schmissig. „Bringen Sie Shimars Schiff an ihren Andockplatz und übergeben Sie sie an Techniker McKnight! Ich werde Sie an der Schleuse empfangen!“ „Aye, Agent.“, nickte ich. „Und danke.“

Dann lehnte ich mich entspannt im Sitz zurück. „Das lässt sich ja schon mal gut an, IDUSA.“, sagte ich. „Und du hast ihn gehört. Na komm! Ab ins Bettchen!“ „Werden Sie veranlassen, dass mir Techniker McKnight eine Gutenachtgeschichte vorliest?“, konterte sie angesichts meines Spruches. „Vielleicht.“, grinste ich, während ich sie dockte und sie dann verließ, um sie an die Ingenieurin zu übergeben und auf Agent Maron zu warten.

Sedrin hatte wieder im Pilotensitz in Lyciras Cockpit Platz genommen und ihre Hände in die Kommunikationsmulden gelegt. „Was hast du für mich, Lycira?“, fragte sie gleichzeitig laut und in Gedanken, wie sie es auch von mir gehört hatte. Ich habe jemanden für dich am SITCH., erklärte Lycira. „Wer ist es?“, wollte die Agentin wissen. „Stell bitte durch!“

Lyciras Avatar vor ihrem geistigen Auge nickte und dann führte sie ihren Befehl aus, was ihr Bild dem einer groß gewachsenen genesianischen Kriegerin weichen ließ. Die Frau trug den normalen genesianischen Brustpanzer und die üblichen Nahkampfschuhe, sowie den bekannten Unterleibsschutz und den Kampfhelm. Darunter lugten aber einige Spitzen ihres flammend roten Haares hervor. Das Bild war Sedrin aus meinen und Mikels Aussagen und aus dem Datenaustausch mit 281 Alpha nach unserem letzten gemeinsamen Abenteuer sehr wohl bekannt. Sie wusste, es konnte sich nur um eine Kriegerin des Clans der Dämonenbezwinger handeln, denn das ging auch aus dem Perlenkragen hervor, den die Frau trug. Genesianische Perlenkrägen konnte Sedrin, als ausgebildete Offizierin der Sternenflotte, auch sehr gut lesen und deuten.

Aber auch das Schiff, von dem sie jetzt ein Bild über Lyciras Sensoren bekam, war sehr imposant. Es war ein prachtvolles genesianisches Schlachtschiff, das mit seiner gut sichtbaren starken Bewaffnung und seinen großen Warpgondeln, sowie seiner Hüllenpanzerung bereits jeden Feind allein durch seinen Anblick schrecken sollte, was in Sedrins Fall auch gut gelungen war. Am Bug des Schiffes prangte das Bild zweier Adler, die eine mehrköpfige Schlange festhielten. Es waren Männchen und Weibchen, wie die kundige Agentin anhand der Federfarbe der Vögel feststellen konnte. Das Weibchen flog vor den Köpfen auf und ab, um sie abzulenken, während das Männchen seinen Schnabel tief in die Eingeweide der Schlange gebohrt hatte, um sie langsam bei lebendigem Leibe auszuweiden. Das Männchen hatte außerdem keine Augen, was wohl eine Anspielung auf Mikel war, der ja die Waffe, mit der Sytanias Schöpfung getötet worden war, letztlich bedient hatte. Das die Schlange ablenkende Weibchen war wohl ein Bezug auf Ginalla.

Keine Angst., schmeichelte Lycira. Ich bin sicher, die wollen uns nichts tun. Anderenfalls hätten sie bestimmt nicht mit dir reden wollen. „Ich habe keine Angst, Lycira!“, sagte Sedrin und versuchte dabei, sehr überzeugend zu klingen. Du weißt genau so gut wie ich, dass das eine Lüge ist., meinte Lycira. Du kannst mir nichts vormachen. Schließlich kenne ich deine Gedanken, wenn wir kommunizieren. Aber ich werde auf keinen Fall über dich spotten und auch die immer so patente und mutige Sedrin darf vor so einem mächtigen Schlachtschiff einmal zurückschrecken. Ich sage es auch niemandem. Das bleibt unser Geheimnis. Noch nicht einmal Betsy wird es erfahren. „Habe ich dein Wort?“, fragte die Agentin. Das hast du., antwortete mein Schiff mit der ihr so eigenen weichen und lieben Art. Aber jetzt sollten wir die Genesianerinnen nicht länger warten lassen. „OK.“, sagte Sedrin. „Dann gib sie mal her!“

Sie räusperte sich und sagte dann: „Ich bin Agent Sedrin Taleris-Huxley vom Geheimdienst der Sternenflotte.“ „Ich bin Elaria, Prätora des Clans der Wachtalgitshach!“, stellte sich die Genesianerin stolz vor. „Das bedeutet, vom Clan der Dämonenbezwinger. Sei ohne Sorge, Demetanerin. Wir haben das Phänomen, das die Mutter des Dämons geschickt hatte, vernichtet und dein tindaranischer Freund trägt ja sowieso keine Schuld.“ „Ihr wusstet, dass Sytania …?“, fragte Sedrin leicht verwirrt. „Aber woher denn? Ihr konntet doch das Phänomen nicht sehen.“

Die Genesianerin lachte schallend und auch die anderen Brückenoffizierinnen auf ihrem Schiff fielen in ihr Gelächter ein. Eine machte sogar eine Bemerkung auf Genesianisch, die man etwa mit: „Na, dass sie sich so dumm anstellt, hätte ich ja nicht gedacht.“, übersetzen könnte. Bei ihrem Lachen kräuselten sich Sedrin die Fußnägel. „Wir mussten es auch nicht sehen, Tochter von Taleris.“, erklärte die Prätora dann. „Aber wir konnten uns zwei Dinge denken: Dieser Tindaraner, den meine Kriegerinnen und ich ja sehr gut kennen, würde niemals so eine Provokation wagen. Dafür ist er viel zu schlau, was ich erstaunlich finde, wo er doch ein Mann ist. Das zweite Ding, was uns darauf brachte, war die Tatsache, dass die Leitungen, die sonst Energie zu den Warpspulen bringen, völlig leer waren. Jetzt frage ich dich: Wie soll sein Schiff ein Warpfeld generieren ohne Warpenergie? Aber wir konnten uns schon denken, dass Sytania dahinter steckt. Unsere Spionagesonden haben uns nämlich gemeldet, wie närrisch sich die Zusammenkunft verhält. Sytania hätte theoretisch jetzt jedes Recht, auf diese Provokation zu reagieren. Leider hätte sie das. Aber sie weiß auch ganz genau, dass sie gegen die Tindaraner nicht ankommt, wenn sie sich zusammenschließen. Was läge da näher, als sie zu spalten und ihre Truppen in einem 2-Fronten-Krieg aufzureiben. Aber sei getrost. Diese zweite Front wird sich nicht aufbauen, weil der Gegner, den sie dazu auserkoren hat, ihr Spiel nicht mitmacht! Da muss sie schon früher aufstehen. Wir haben immerhin einen Ruf zu verlieren. Wir hätten unseren Clannamen nicht verdient, wenn wir auf die Schliche der Mutter des Dämonen, den wir bezwungen haben, hereinfallen würden. Du kannst froh sein, dass es gerade in unserem Gebiet passiert ist und nicht irgendwo anders, wo Kriegerinnen patrouillieren, die vielleicht nicht so freundlich mit ihm umgegangen wären. Aber ich habe die oberste Prätora bereits informiert. Sie wird den Tindaranern auf keinen Fall den Krieg erklären! Dazu sind wir viel zu schlau. Das scheint die Tochter von Taleris völlig vergessen zu haben.“ „Bitte verzeiht mir, Prätora.“, schmeichelte Sedrin. „Schon gut.“, sagte Elaria. „Falls wir dir medizinische Hilfe zukommen lassen sollen, musst du es nur sagen.“ „Ich fürchte, dann würdet Ihr Eurerseits einen Grenzkonflikt provozieren.“, sagte die Agentin. „Dieses Schiff und ich sind auf dieser Seite der Grenze und Ihr seid auf der anderen. Eure Ärztin müsste zu mir herüber beamen, also die Grenze in Feindesland überqueren. Das wollen wir doch nicht riskieren, oder? Außerdem ist die Situation des Tindaraners stabil. Ich werde ihn in seine Dimension bringen und dort wird er behandelt werden. Noch einmal. Ich mache Euch keinen Vorwurf wegen des Rosanniums, Prätora. Ich weiß, es musste sein.“ „Du bist sehr großmütig, Sedrin, Tochter von Taleris.“, sagte Elaria. „Ich wünsche dir noch viel Erfolg!“ Sie beendete die Verbindung und das genesianische Schiff drehte ab.

Erleichtert lehnte sich Sedrin in ihrem Sitz zurück und ließ hörbar die Luft aus ihren Lungen entweichen. „Mutter Schicksal sei Dank!“, sagte sie. Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass sie auf Sytania hereinfallen würden., meinte Lycira. Um es mal mit ihren Worten zu sagen: Die Tochter von Taleris scheint zu vergessen, dass auch die Genesianer eine gewisse Intelligenz besitzen. „Du hast ja Recht.“, meinte Sedrin. „Und gerade dieser Clan! Aber warum hat Sytania, die ja eigentlich die Situation durch ihre seherischen Kräfte kennen müsste, Shimar nicht in ein anderes Gebiet gebracht, in dem nicht gerade die Dämonenbezwinger patrouillieren? Ganz schön nachlässig von ihr! Findest du nicht?“ Oh, ich bin sicher, sie wollte nicht, dass er zu weit von seinem Kurs abweichen muss., meinte mein Schiff. Darauf hätte jeder ja sofort reagiert. Dass er trotzdem gerade in deren Hände gefallen ist, war vielleicht einfach nur Schicksal. Aber das weißt du ja wohl am besten. Gegen das Schicksal kann man sich nicht wehren. „Das stimmt.“, lächelte Sedrin. „Bring uns jetzt bitte nach Tindara. Ich werde noch einmal nach Shimar sehen.“ Wie du willst., gab Lycira zurück und konfigurierte ihren interdimensionalen Antrieb, um Sedrin, Shimar und sich in die tindaranische Dimension zu befördern. Sedrin verließ ihr Cockpit in Richtung Achterkabine.

Data und Jaden hatten die letzte Kurve auf ihrem Weg zum Gebäude der Polizei und des Geheimdienstes von Little Federation hinter sich gebracht. Der Androide hatte sein Fahrzeug vorschriftgemäß auf dem Parkplatz abgestellt und dem Terraner dann gewunken, ihm zu folgen. So waren die Männer jetzt in die Vorhalle des Hauses gelangt und standen nun vor dem kleinen Fenster der Zentrale, in der Kelly ihrem Dienst nachging.

Die Vermittlerin staunte, als sie die Gesichter der Männer sah. „Commander Data, Commander Huxley!“, sagte sie mit viel Erstaunen in der Stimme. „Was machen Sie denn hier?!“ „Wir würden gern mit Agent Kate Malcovich sprechen.“, sagte Data höflich. „Es geht um die Statue im Park und um die Dinge, die mit ihr zusammenhängen. Wir haben eine wichtige Entdeckung gemacht.“ „Ich werde Sie anmelden.“, lächelte Kelly und drehte sich der Sprechanlage zu. „Bitte warten Sie einen Augenblick.“ Sie gab das Rufzeichen von Malcovichs Arbeitsplatz in die Sprechanlage ein. „Was gibt es, Kelly?“, fragte die Stimme der jungen Agentin freundlich. „Da sind zwei Gentlemen, die mit Ihnen in der Angelegenheit Statue im Park sprechen wollen, Agent.“, gab Kelly zurück. „Es handelt sich um Commander Huxley und Commander Data.“ „Schon wieder?!“, fragte Kate verwundert. „Aber ich habe doch gerade erst mit Huxley geredet. Kann er denn so schnell Neuigkeiten haben? Und was macht Commander Data bei ihm? Hat er etwa solche Angst vor mir, dass er jetzt schon Verstärkung braucht? Na ja. Sagen Sie ihnen, ich erwarte sie, Kelly!“ „Werde ich ausrichten.“, lächelte Kelly und beendete die Verbindung.

Jaden hatte sich seinem Kollegen und Freund zugedreht. „Denkst du, dass sie uns anhören wird?“, fragte er im Flüsterton. „Warum sollte sie das nicht tun?“, fragte der Androide ebenso leise zurück. „Schließlich sind wir wichtige Zeugen.“

Davis hatte sich wieder von der Anlage ab- und den Männern zugewendet. „Agent Malcovich erwartet Sie, Gentlemen.“, sagte sie freundlich. „Gehen Sie bitte den Gang zu Ihrer Linken herunter und dann ist es die erste Tür rechts.“ „Danke, Kelly.“, sagte Jaden und gab Data einen Klaps auf die Schulter: „Na los!“

Kapitel 8: Ungewöhnliche Rettungspläne

von Visitor

 

Die junge Agentin war etwas überrascht, als sie der Männer ansichtig wurde. „Warum bringen Sie denn jetzt Verstärkung mit, Jaden?“, fragte sie Huxley. „Haben Sie etwa Angst vor mir?“ „Nein, Kate.“, sagte Jaden. „Aber auch Data ist ein wichtiger Zeuge. Sie sollten sich auf jeden Fall anhören, was wir zu sagen haben und vor allem sollten Sie sich die Bilder ansehen, die Data gemacht hat. Wir haben Nachrichten gehört und wissen ganz genau, dass die Regierung der Tindaraner ganz schön auf dem Holzweg is’. Und das können wir sogar beweisen. Ihre Schwester muss dringend eine Gegendarstellung schreiben, sonst sind wir am Arsch! Können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn Sytania spitzkriegt, dass sie beschuldigt wird, die Tindaraner zu veralbern? Die wird stinksauer werden! Jawohl! Und was sie dann macht …!“ Er zog laut Luft zwischen den Zähnen hindurch ein und verzog fast schmerzvoll das Gesicht. „So weit denk’ sogar ich! Hatte ja genug Gelegenheit, Erfahrungen mit Sytania zu sammeln, während meiner Mission mit der Eclypse. Allerdings muss ich zugeben, dass ich ohne meine jetzige Frau, meinen damaligen ersten Offizier, sehr aufgeschmissen gewesen wäre und oft sicher falsche Entscheidungen getroffen hätte. Demetanerinnen können Sytania verdammt gut einschätzen, glaub’ ich. Ich bin sicher, wenn sie jetzt hier wäre, dann würde Sedrin auch wollen, dass Sie uns vernehmen!“ „Das werde ich ja auch tun.“, sagte Kate beschwichtigend und holte ein Pad aus der Schublade ihres Schreibtisches. Dieses schloss sie an den Rechner an und lud sich die Personalien von Data und Jaden herunter. Aus einigen vorherigen Vernehmungen der Männer, die Sedrin vor einiger Zeit in anderen Zusammenhängen schon vorgenommen hatte, waren sie noch immer gespeichert. Dann legte sie beiden das Pad vor. „Stimmen diese Angaben noch?“, fragte sie. Beide nickten, nachdem sie sich den Inhalt des Bildschirms durchgelesen hatten. „Dann können wir ja zum Wesentlichen kommen.“, sagte Kate und schaltete das Pad auf Aufnahme. „Normalerweise müsste ich Sie getrennt vernehmen.“, sagte sie. „Das besagen zumindest die Vorschriften, damit Ihre Glaubwürdigkeit gewahrt bleibt. Aber da Sie, Commander Data, Androide sind und als solcher nicht lügen können und sicher Commander Huxley sogar korrigieren würden, wenn er selbst dies versuchen würde, habe ich dieses Mal keine Bedenken. Ich denke sogar, es könnte in dieser Situation sehr förderlich sein. Also, Gentlemen, was haben Sie gesehen?“ „Erst mal möchte ich hier was klarstellen!“, sagte Jaden und klang dabei sehr beleidigt. „Ich lasse nich’ zu, dass man mich als Lügenbaron von Little Federation hinstellt!“ „Das hat sie nicht gesagt.“, sagte Data. „Sie hat lediglich eine Erklärung dafür abgegeben, warum sie zulässt, dass wir beide zugleich vernommen werden. Falls jemand später diese Vernehmung in den Akten nachliest, wird man ihr genau diese Frage stellen. Wenn du genau hingehört hast, wirst du feststellen, dass sie den Konjunktiv verwendete, als sie von Lügen, beziehungsweise unlauteren Absprachen, sprach. Sie hat also nur den theoretischen Fall angenommen und es dir auf keinen Fall aktiv unterstellt. Ich habe ihren Satz aufgezeichnet. Soll ich ihn mit ihrer Stimme wiederholen? Mein Stimmsynthesizer verfügt über diese Möglichkeit.“ „Nich’ nötig.“, sagte Jaden geplättet. Er wusste genau, dass eine solche Widerholung seinen Hörfehler aufdecken würde. Deshalb ruderte er, schon allein um sich diese Peinlichkeit zu ersparen, besser von selbst zurück. „Sorry, Kate.“, entschuldigte er sich. „Schon gut, Commander.“, sagte Kate und lächelte ihm mild zu. „Fangen wir noch einmal von vorn' an. Was haben Sie gesehen, das so aufregend ist, dass Sie es mir unbedingt sofort mitteilen müssen und warum muss meine Schwester eine Gegendarstellung schreiben? Zu was denn?“ „Zu dem Bockmist, den die Regierung gerade verzapft!“, flapste Jaden. „Sedrin hat mir immer wieder eingeimpft, dass man Sytania auf keinen Fall provozieren darf! Am Ende hab’ ich’s sogar selbst geglaubt, obwohl ich mit Prinzessin boshaft eigentlich lieber manchmal ganz anders umgegangen wäre. Aber bei meiner Methode wären wir heute sicher alle tot! Ich bin heilfroh, dass Sedrin da war!“ „Die Wild-West-Methode funktioniert eben bei Sytania nicht.“, sagte Kate. „Das ist korrekt.“, pflichtete Data ihr bei. „Sie wäre sehr schädlich für den, der sie versucht, aber nicht für Sytania. Als Mächtige kann sie …“ „Hör auf.“, sagte Jaden und gähnte. „Ich hab’s ja kapiert! Oh, Mann! Ob Captain Archer mal so was über T’Pol gesagt hätte …“ „Es wäre auf jeden Fall richtig gewesen, wenn ich meine bescheidene Meinung kundtun darf.“, sagte Kate. „Sie hat ihn ja, meiner Interpretation der Geschichte nach zumindest, auch vor so manchem Fehler bewahrt. Aber wir schweifen ab, Gentlemen.“

Huxley zeigte auf Datas Tasche, in der er sein Sprechgerät wieder verstaut hatte: „Zeig’s ihr!“ Der Androide nickte und förderte das Gerät zutage. Dann fragte er: „Dürfte ich es an Ihren Rechner anschließen? Dann dürfte es für Sie auch einfacher sein. Außerdem könnten Sie dann die Daten sofort auf den Rechner ziehen und sie der Akte beilegen.“ „OK.“, sagte die junge Agentin und rückte ein Stück zur Seite.

Data zog eine kurze Leitung aus einer Klappe am Sprechgerät und steckte ihren Stecker in einen Port an Kates Arbeitsgerät. Eine Leuchte zeigte ihm bald an, dass sich die Geräte verständigen konnten. Dann lud er die Bilder auf den Schirm. „Legen Sie bitte ihr Augenmerk besonders auf das Verhalten von Caruso.“, kommentierte Data die eigene Photostrecke. „Er würde sich sicher nicht so verhalten, wenn die Statue etwas mit Sytania zu tun hätte. Wir alle wissen, dass er in der Lage ist, sie zu erkennen.“ „Das stimmt.“, sagte Kate. „Meines Wissens können Katzen Telepathie spüren. Aber denken Sie wirklich, dass das ausreichen wird? Ich meine, nach allem, was im Moment durch die Nachrichten geht, will Nugura unbedingt den Tindaranern im Kriegsfall beistehen. Das Referendum ist durch. Fast alle haben mit ja gestimmt. Aber auch sonst müsste die Föderation einschreiten, weil wir einen Bündnisfall hätten. Sytania bedroht, wenn sie angreift, beide Dimensionen gleichsam. Die Vulkanier, die als Einzige mit nein gestimmt haben, können den Kriegseinsatz allenfalls noch verzögern, aber nicht verhindern. Sie könnten zwar theoretisch die Föderation verlassen und dann stünden ihre Truppen uns nicht mehr zur Verfügung, aber das ist nur das letzte Mittel, soweit ich sie verstanden habe. T’Mir versucht noch, Nugura zu überzeugen, dass sie sich nicht auf dieses emotional begründete Abenteuer einlassen darf und Nugura versucht ihrerseits, T’Mir zu überzeugen, doch noch mit ja zu stimmen. So lange passiert noch nichts.“ „Fein!“, sagte Jaden erleichtert. „Dann haben wir ja noch Zeit. Data, nimm dein Sprechgerät und dann ab zur Zeitung! Kate, Sie kommen mit! Jemand muss schließlich auf Ihre Schwester überzeugend wirken. Wir nehmen Sie mit. Sie brauchen nicht selbst zu fahren.“ „Also gut, Commanders!“, sagte Kate und stand auf. „Verhindern wir einen Krieg!“ Damit gingen alle drei aus dem Gebäude in Richtung Parkplatz zu Datas Jeep zurück.

Telzan hatte in seinem Haus im Dunklen Imperium gemeinsam mit seiner Frau Cirnach vor dem Kontaktkelch gesessen und beide hatten sich das Debakel angesehen, das, zumindest aus ihrer Sicht, gerade geschehen war. Mit resigniertem Blick hatte Cirnach dann ihre Hände vom Kelch genommen und symbolträchtig in ihren Schoß fallen lassen. „Diesen Plan können wir dann wohl vergessen, mein lieber Ehemann!“, sagte sie frustriert. „Ich halte sogar für möglich, dass er auf uns zurückfällt. Die Genesianer könnten sich jetzt sogar mit den Tindaranern zusammentun! Hast du darüber schon mal nachgedacht?“ „Ja, das habe ich in der Tat, Cirnach!“, sagte Telzan. „Und ich weiß, dass sie Rosannium haben und es sicherlich auch einsetzen würden. Zwar nur dann, wenn ihre telepathischen Verbündeten nicht in der Nähe wären, um sie nicht zu gefährden, aber sie würden sicher!“ „Sie haben ja schon.“, meinte Cirnach. „Und das sogar, obwohl ein Telepath in der Nähe war. Aber ihre Art, dies zu tun, halte ich für sehr hinterlistig und wenig ehrenvoll, wenn du mich fragst. Was ist mit diesem Clan nur los?“ „Du vergisst.“, sagte Telzan, dass sie Sytanias Handeln als unehrenhaft ansehen. Das legitimiert sie sogar, auch selbst unehrenhaft zu handeln gegen sie, da sie, als Ehrlose, ihrer Meinung nach gar keinen ehrenhaften Kampf verdient hat.“ „Du sprichst wahr, mein Ehemann.“, sagte Cirnach. „Wir sollten zu Sytania gehen und sie darüber schnellstens in Kenntnis setzen!“ „Das brauchen wir sicher nicht, Cirnach.“, tröstete Telzan. „Schließlich hat unsere Herrin seherische Fähigkeiten. Sie wird sicher längst wissen, dass …“

Ein schwarzer Blitz zerriss die Luft. Dann stand Sytania vor ihnen. Sofort verneigten sich beide Vendar ehrerbietig vor ihr. „Was verschafft uns die Ehre, dass Ihr uns in unserem bescheidenen Heim besucht, Hoheit?“, fragte Telzan. „Der Grund ist.“, erwiderte die Königstochter. „Dass ich mit euch dringend über unsere Situation sprechen muss und das nach Möglichkeit nicht im Schloss, wo es auch die mitbekommen könnten, die vielleicht nicht ganz so loyal gegenüber mir sind und nur wieder auf eine Gelegenheit warten, über eine meiner Niederlagen zu spotten!“ „Seit wann bedrückt Euch der Spott niederer Hofschranzen?“, fragte Cirnach irritiert. „Als mächtiges Wesen hättet Ihr doch jede Möglichkeit, sie zum Schweigen zu bringen.“ „Mag sein, mag sein, Cirnach.“, sagte Sytania. „Aber das würde meine Feinde, die mich sicher von außen beobachten, noch viel mehr gegen mich aufbringen und das wäre höchst unangenehm, oder könnte es zumindest werden, spätestens dann, wenn mein Vater sich einmischt! Das riskiere ich besser nicht! Schon im Interesse meiner eigenen Haut. Ich hoffe, ich war deutlich genug!“ „Das wart Ihr!“, versicherten Telzan und Cirnach wie aus einem Mund. „Das wart Ihr, Herrin. Aber Ihr habt Recht. Wir müssen wirklich beratschlagen, wie wir weitermachen. Falls sich die, die wir ursprünglich gegeneinander hetzen wollten, tatsächlich gegen uns vereinen sollten, benötigen wir einen Schlachtplan.“, sprach dann Telzan allein weiter. „Die zusammengeschlossenen Tindaraner könnten Euch sehr gefährlich werden und die Genesianer uns, zumal dann, wenn sie von ihrem Ehrenkodex abweichen, was sie ja jetzt sogar dürften, wenn man ihre Gesetze richtig interpretiert. Aber es gibt noch einen zweiten Faktor, der mir Sorgen macht. Ich denke an Jaden H. Huxley!“

„Huxley?!“, lachte Sytania schallend auf, nachdem sie sich auf die Schenkel geschlagen hatte, als hätte Telzan gerade den Witz des Jahrhunderts erzählt. „Oh, der war gut, Telzan! Huxley! Nein! ha, ha, ha! Dieser unbeholfene Cowboy?! Wie soll der mir denn deiner Meinung nach jetzt gefährlich werden, Telzan, he? Er ist doch nichts ohne sein demetanisches Eheweib! Und die hat, wenigstens dann, wenn ich meinen Fähigkeiten glauben kann, gerade wirklich ganz andere Sorgen! Oh nein! Vor Jaden Hoss Huxley müssen wir uns doch wahrhaftig nicht in die Hose machen vor Angst! Der wird sich mit seiner Art alles selbst kaputtmachen! Dessen bin ich mir ganz sicher. Er ist ja nicht gerade der geborene Diplomat und wird sicher in so manches Fettnäpfchen treten und das wird sein Ansehen nicht gerade steigern, du verstehst? Wir müssen uns nur zurücklehnen und auf seine Schande warten.“ „Das kann ja alles sein!“, sagte Telzan besorgt. „Aber der Androide Data ist bei ihm. Was ist, wenn er ihm den rechten diplomatischen Weg weist und wenn sie es dann doch schaffen, die Regierungen der Föderation und der Tindaraner davon zu überzeugen, dass es die Nidari-Travelers wirklich gibt und sie eben kein Mythos sind? Was ist, wenn die das dann alles erfahren und sich befleißigt fühlen, auf deren Seite in das Geschehen einzugreifen? Dann haben wir keine Chance. Vor allem dann nicht, wenn sich die Zusammenkunft noch bei den Nidari-Travelers entschuldigt, dass man sie für einen Mythos gehalten hat!“ „Das wird nicht passieren!“, erwiderte Sytania mit einem spöttischen Grinsen. „Der einzige Beweis, den sie haben. Von wem wird der geliefert, he? Denk mal nach, Telzan. Ich habe es dich ja alles ebenfalls sehen lassen.“ „Von Caruso.“, sagte der Vendar. „Das Haustier des Androiden. Aber Ihr wisst doch, dass er Euch spüren würde, wenn …“ „Das weiß ich!“, unterbrach Sytania ihn harsch. „Aber das ist nicht der Grund, aus dem ich glaube, dass wir uns da überhaupt keine Sorgen machen müssen. Die Föderation steht mal wieder kurz vor einer Wahl und einigen ersten Kontakten. Nugura wird sich um ihren guten Ruf sorgen. Auf die Instinkte einer Katze zu vertrauen, wird sie sich jetzt nicht leisten wollen und jeden Weg suchen, dies zu entkräften. Immerhin glaubt sie bestimmt, vor dem Staatsoberhaupt der Vulkanier, das sie ja auch noch überzeugen will, die Hosen herunter zu lassen, wenn sie auf die Fähigkeiten einer vergleichsweise so primitiven Lebensform vertraut. Ich weiß genau, dass sie so denkt und das soll auch noch eine Weile so bleiben. Schließlich nützt es uns. Diese ganzen Dinge, vor denen du mich gerade gewarnt hast, Telzan, die werden also nie eintreten, wenn sich Nugura weiterhin so schön etepetete verhält. Um sie zu überzeugen, fehlt Huxley das diplomatische Geschick und die Schläue seiner Demetanerin und ihre rechtliche Gewandtheit, sowie ihre Verschlagenheit und ihr juristisches Wissen. Daran wird auch ein Commander Data nichts ändern können. Du musst dich also wegen der Nidari-Travelers überhaupt nicht sorgen. Diese Sache wird im Keim ersticken, bevor sie überhaupt angefangen hat. Wir werden unser Ziel, die Tindaraner anzugreifen, nicht aus den Augen verlieren! Ist das klar?!“ „Wie Ihr wünscht, Gebieterin.“, sagte Telzan und versuchte dabei, sehr fest und selbstsicher zu klingen, was ihm aber nicht wirklich gelingen wollte. Zu genau wusste der erfahrene Vendar, dass seine Herrin mit ihrem jetzigen Plan in der gegenwärtigen Situation durchaus scheitern könnte, ja, es sogar mit ziemlicher Sicherheit würde. Aber diese Erfahrung musste sie selbst machen. Wenn er dagegen reden würde, würde ihn das allenfalls sein Amt kosten und sie würde einen neuen Dummen finden, der vielleicht sogar die Situation nicht so erkennen würde wie er und all diese Dinge, die sie sich selbst einredete, unter Umständen sogar noch glauben würde. Dieser Tor würde dann wahrscheinlich noch die Truppen in strategisch sinnlose Manöver führen, bei denen sie reihenweise für nichts und wieder nichts starben. Das durfte er nicht zulassen! Mit seinem strategischen Wissen konnte er immer noch versuchen zu retten, was noch zu retten war. Ein Jüngerer würde das sicher nicht zuwege bringen. Deshalb vermied er es auch, weiter mit ihr zu diskutieren und winkte Cirnach, die ihm zunickte, um ihn dann aus dem Haus auf dem Weg zur Garnison zu begleiten. Auch Sytania begab sich zurück in ihr Schloss.

Dass Sedrin in gewisser Hinsicht gerade andere Sorgen hatte, stimmte durchaus. Sie hatte die Achterkabine betreten und ihren Erfasser gezückt, um nachzusehen, wie es Shimar nach ihrer Behandlung ging. Mit Erleichterung stellte sie jedoch fest, dass das Gerät ihr anzeigte, dass seine telepathischen Fähigkeiten wieder vollständig vorhanden waren und sich sein Zentrum, Dank der Stimulatorbehandlung, sehr gut erholt hatte. „Ich werde die Sonde jetzt entfernen, Shimar.“, sagte sie. „Halte bitte ganz still und bewege deinen Kopf nicht, damit ich dich nicht verletze!“

Dann griff sie beherzt nach der Sonde und zählte: „Eins, zwei, drei!“, um sie dann vorsichtig aus seiner Nase zu ziehen. „Uff!“, machte Shimar. „Was für eine Erleichterung! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich …“ „Oh doch!“, widersprach Sedrin. „Ich glaube schon, dass ich mir denken kann, wie du dich gefühlt hast. Aber dein Schiff hat dich ja so schnell wie möglich in Sicherheit gebracht. Betsy bringt IDUSA übrigens zurück zu eurer Basis und dort fliegen wir auch hin. Ishan wird sich dort um dich kümmern. Er wird sicher auch beurteilen, ob die Operation, die ich an dir durchgeführt habe, dauerhaft von Erfolg gekrönt ist.“

Der junge Tindaraner setzte sich erschrocken auf. „Du hast mich operiert?!“, fragte er. „Aber du bist keine Ärztin!“ „Natürlich nicht.“, sagte Sedrin und drückte ihn sanft, aber bestimmt in die Kissen zurück. „Aber ich hatte keine Wahl. Mein Erfasser hatte bereits einen Totenkopf angezeigt und begonnen herunter zu zählen. Verbindung mit Ishan aufzunehmen war auch nicht möglich. Die Einzige, die mich angeleitet hat, war Lycira. Sie hat ein Erste-Hilfe-Programm. Du hast nur noch etwas schlechte Energie in dir, die dein Zentrum produziert hat, als es vergiftet war. Aber gegen die ist auch ein Kraut gewachsen.“

Sie streckte forsch ihre beiden Zeigefinger in Richtung seiner Schläfen. „Lass das!“, sagte Shimar und versuchte sie wegzudrücken. Da er aber immer noch sehr geschwächt war, gelang ihm das nicht. „Das klappt nicht! Das haben schon viele Freunde und auch meine Eltern bei mir versucht. Diese Methode ist ein Mythos! Lass mich los!“ „Darauf kannst du lange warten!“, sagte die Demetanerin energisch und begann damit, in kurzen gleichmäßigen Bewegungen seine Schläfen in seinem Körper abgewandter Richtung zu massieren. Ihren Erfasser hatte sie auf einen bestimmten Wert programmiert und ihn auf dem Fußende der Bank abgestellt. Der Sensor des Gerätes war auf Shimar gerichtet. Hin und wieder wanderte ihr Blick zu dessen Display und der dort immer weiter ansteigende Wert ließ sie lächeln. „Hör auf!“, schrie Shimar sie an. „Du machst meine Kopfschmerzen nur noch schlimmer!“ „Warum wohl?!“, entgegnete Sedrin nicht weniger laut und forsch. „Hör auf dich zu wehren! Dann geht es dir auch bald besser!“

Der Erfasser piepte und Sedrin nahm ihn auf. Dann machte sie einen Hechtsprung rückwärts, zog ein vorher vorsorglich repliziertes strahlendichtes Tuch aus der Tasche und hielt es vor sich. Im gleichen Moment gab Shimar einen markerschütternden Schrei von sich und ein schwarzweißer Blitz zerriss die Luft. Allerdings war der schwarze Anteil größer, als der weiße. „Locker lassen!“, rief Sedrin ihm zu. „Lass die Energie einfach entweichen!“

Sie stellte den Erfasser wieder normal ein und näherte sich ihm langsam wieder. Dann sagte sie leise aber dennoch mit leichtem Tadel: „Das hätte nicht sein müssen! Es wäre für dich weniger schmerzhaft gewesen, wenn du dich nicht gesperrt, sondern die Energie einfach nur raus gelassen hättest. Versuch jetzt bitte, ganz ruhig zu werden und etwas zu schlafen. Wir sind bald da.“ „Warum hat das bei dir funktioniert?“, fragte Shimar atemlos. „Wurde diese Massage je vorher von einem Nicht-Telepathen bei dir durchgeführt?“, fragte Sedrin zurück. Shimar schüttelte nur den Kopf. „Wie wäre es dann mit Techniker McKnights Grundsatztheorie als Erklärung?“, bot die Demetanerin eine Lösung an. „Energie ist Energie, ist Energie, ist Energie.“, betete der junge Tindaraner herunter. „Du meinst, weil telepathische Energie in gewisser Weise ja auch elektrische Energie ist und …“ „Genau.“, sagte Sedrin und lächelte. „Und von der versteht eine Ingenieurin ja was.“ „Was sind das für verrückte Zeiten, in denen Agentinnen unter der Anleitung von Raumschiffen Patrouillenflieger operieren und Ingenieurinnen über Telepathie urteilen?!“, stöhnte Shimar, drehte sich um und schlief ein. Sedrin überprüfte seine Werte ein letztes Mal mit ihrem Erfasser und ging dann mit einem triumphierenden Lächeln ins Cockpit zurück.

Maron hatte meine Vernehmung begonnen. Er fand sehr aufschlussreich, was ich ihm zu berichten hatte. „Haben Sie außer dem Verhalten der Katze noch einen Beweis dafür, dass Sytania hiermit definitiv nichts zu tun hat, Allrounder?!“, fragte mich der erste Offizier und ich hatte fast den Eindruck, in seiner Stimme einen leichten Anflug von Verzweiflung wahrzunehmen. „Ob man das als Beweis werten kann, weiß ich nicht, Sir.“, sagte ich. „Aber es gibt doch frappierende linguistische Ähnlichkeiten zwischen dem Tindaranischen und der Muttersprache desjenigen, mit dem ich gesprochen habe. Aber wie ich die Zusammenkunft im Moment einschätze, werden sie das wohl für einen Teil von Sytanias Falle halten und die Regierung der Föderation ist ja im Augenblick auch nicht besser! Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie sogar alles tun, um einen Krieg mit Sytania vom Zaun zu brechen. Dabei darf doch die Föderation gar keinen Angriffskrieg gegen eine andere Spezies, oder eine andere Macht führen! Gut, wenn wir angegriffen werden, dürfen wir uns natürlich verteidigen, aber ich dachte immer, die Föderation sei ein Zusammenschluss von Erforschern und nicht von Eroberern. Ironischerweise war es aber gerade ein Kriegervolk, das uns gezeigt hat, dass Sytania erst jetzt eingegriffen hat. Ich gehe stark davon aus, dass sie Tindara angreifen will und dass sie Shimars Grenzübertritt forciert hat, um dafür zu sorgen, dass die Genesianer denken, die Tindaraner wollten sie provozieren. Sie hat vielleicht gehofft, dass sie wütend auf die Tindaraner werden und das als aggressiven Akt sehen, was eine Grenzverletzung ja normalerweise auch ist. Aber die Genesianer, auf die wir getroffen sind, waren dafür einfach zu schlau. Sie haben verstanden, wer die wahre Schuldige ist und dass Sytania ihnen etwas vormachen wollte und haben das nicht mit sich machen lassen.“ „Interessante Theorie.“, sagte Maron. „Ich glaube, Sie würden sich auch ganz gut als strategische Offizierin machen. Ich glaube, Ihr Warrior Kang muss sich demnächst warm anziehen.“ „Das denke ich nicht, Agent.“, lächelte ich zurück. „Ich weiß, dass Sie mir nur ein Kompliment machen wollten. Aber das direkte Bedienen der Waffen liegt mir, glaube ich, nicht.“ „Verstehe.“, sagte Maron mild. „Zu viele Tote auf Ihrem kleinen Gewissen. Aber warum, glauben Sie, würde Sytania wollen, dass die Genesianer auch noch gegen die Tindaraner kämpfen? Ich meine, sie müsste doch Angst haben, den Kuchen am Ende mit Ihnen teilen zu müssen und das will sie doch normalerweise nicht.“ „Ich denke, sie wollte es zu einem 2-Fronten-Krieg kommen lassen.“, vermutete ich. „Sie wissen, Sir, dass die Tindaraner, wenn sie sich geistig zusammenschließen, eine schier undurchdringliche mentale Mauer um ihre Dimension bilden können. Da kommt Sytania nicht durch. Wenn diese Mauer aber geschwächt wäre, weil sie nur halb so dick wäre, da die andere Hälfte der Truppen sich um die Genesianer kümmern müsste, dann hätte sie schon Chancen und das weiß sie. Um die Genesianer würde sie sich dann schon bei Zeiten kümmern. Zumindest kann ich mir vorstellen, dass sie sich das so wünscht. Aber erstens kommt es anders und zweitens … Sie wissen schon.“ „Was Sie da sagen, klingt sehr einleuchtend, Betsy.“, sagte Maron und strich mir beruhigend über das Haar. „Ach, das ist gar nichts, Agent.“, sagte ich. „Das hängt sicher nur mit meinem Wissen über die Zusammenhänge im Dunklen Imperium zusammen, das ich nur Agent Mikel und meiner Freundschaft zu ihm verdanke.“ „Was für ein Glück, dass Sie zwei sich angefreundet haben.“, sagte Maron. „Ohne Sie und Ihr Wissen stünden wir manchmal sicher ganz schön dumm da, wenn es um Sytania ginge.“ „Vielen Dank.“, lächelte ich. „Aber sagen Sie mir jetzt bitte nicht, es war gutes Schicksal.“ „Oh doch!“, sagte Maron fest. „Und daran glaube ich unumstößlich. Dafür kann ich nichts. Ich bin Demetaner.“

Er stand auf, ging zum Replikator, gab IDUSA einen Befehl und kam wenig später mit zwei Tassen demetanischem Sommerfruchttee zurück. „Ich nehme an, Sie benötigen keinen Zucker und keine Milch.“, sagte er, während er eine der großen Tassen vor mir abstellte. Ich gab einen auf starken Ekel hindeutenden Laut von mir. Dann sagte ich: „Bei allem Respekt, Agent! Wollen Sie meine Geschmacksnerven foltern? Bin ich Ihnen etwa nicht redselig genug?“ „Oh nein.“, sagte er und legte einen beschwichtigenden Ton in seine Stimme. „Ich habe es nur schon gesehen.“ „Ernsthaft?“, fragte ich ungläubig. „Sie haben ernsthaft schon einmal gesehen, dass sich Leute Milch und Zucker in demetanischen Sommerfruchttee schütten? Igitt! Bei wem denn, wenn ich fragen darf?“ „Technical Assistant O’Riley ist Spezialistin dafür.“, sagte Maron. „Oh!“, machte ich. „Na, die kriegt auch alles verhunzt. Und jetzt glauben Sie wohl, Terranerinnen an sich mögen es so. Aber dabei vergessen Sie, dass sie von der Erde aus dieser Dimension kommt und ich aus dem Föderationsuniversum stamme.“ „Ups!“, scherzte Maron übertrieben. „Das war mir doch tatsächlich entfallen.“

Mir war durchaus bewusst, was Maron mit dieser entspannten Plauderei erreichen wollte und ich musste zugeben, dass es auch funktioniert hatte. „Ich muss Ihnen noch etwas sagen, Sir.“, sagte ich, denn ich hatte inzwischen sehr großes Vertrauen zu ihm aufgebaut. „Ich denke, dass Agent Sedrin in Kürze mit meinem Schiff hier eintreffen wird. Sie wird Shimar bei sich haben, der leider ein Opfer des genesianischen Rosannium-Angriffs geworden ist. Ich glaube, dass sie ihn behandeln wird, aber ich bin mir nicht sicher. Jedenfalls sind IDUSA und ich davon ausgegangen, dass sie mich weggeschickt hat, weil ich etwas nicht sehen soll.“ „Moment mal.“, sagte Maron. „Sagten Sie nicht, IDUSA hätte Sie von sich aus an Bord geholt?“ „Das stimmt, Sir.“, sagte ich. „Aber der Agent und ich hatten im gleichen Zeitraum gerade darüber gesprochen.“ „Ach so.“, sagte der Demetaner. „Was für ein Zufall, obwohl ich nicht daran glaube.“ „Ich weiß.“, lächelte ich diplomatisch. „Für Sie war es Schicksal.“

Er nahm einen tiefen Schluck aus seiner Tasse. Dann fragte er: „Was glauben Sie, sollten Sie nicht sehen?“ „Ist die offizielle Vernehmung vorbei, Agent?“, fragte ich zurück. „Schon lange.“, sagte er, der genau zu wissen schien, worauf ich hinaus wollte. „Dieses Pad.“, sagte er und tippte mit dem Finger auf das Gerät. „Nimmt schon lange nicht mehr auf. Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen. Als Zeugin dürfen Sie nichts erfinden, oder gar mutmaßen. Aber ich denke, Sie haben mir zum Thema Nidari-Travelers alle Informationen gegeben, die Sie haben. Was jetzt kommt, ist reine Unterhaltung. Aus Ihrer Funktion als Zeugin sind Sie erst mal entlassen, Betsy.“ „Da bin ich aber froh, Sir.“, sagte ich. „Ich müsste nämlich Sedrin sonst vielleicht sogar kompromittieren. Ich vermute nämlich, sie will ihn behandeln und das mit Hilfe des Erste-Hilfe-Programms von Lycira. Wir konnten keine Verbindung mit Ishan bekommen, weil interdimensionaler SITCH nicht möglich war. Die Trümmer des Phänomens haben …“

Er hatte mich mit einer Reihe von negierenden Lauten unterbrochen. Dann sagte er: „Darüber reden wir erst, wenn es Zeit ist. Wir wollen ja nicht, dass Sie schon vorher in einen Gewissenskonflikt geraten. Falls sich herausstellen sollte, dass doch etwas passiert ist, könnte es sein, dass Ihre Aussage doch noch benötigt wird und Ihre Andeutungen lassen mich schon jetzt vermuten, dass Sie etwas bezeugen können. Ich weiß aber auch von Ihrer Freundschaft zu Agent Sedrin. Aber vielleicht geht ja auch alles gut. Es wäre aber sehr positiv, wenn Sie sich bezüglich der Sache mit den Nidari-Travelers zur Verfügung halten könnten. Ich zeige Ihnen das Gästequartier. Verlassen Sie bitte die Station nicht, bis alles geklärt ist.“

Er stand auf: „Kommen Sie.“ „Sehr witzig.“, sagte ich. „Die Station verlassen! Wie soll das denn gehen ohne Schiff?! Aber ich weiß ja, dass Sie mich belehren müssen über meine Rechte und Pflichten als Zeugin. Also gehen wir.“ Damit hakte ich mich auf seiner rechten Seite unter.

Bald waren wir vor dem hell und großzügig eingerichteten Gästequartier angekommen. „Kommen Sie ab hier zurecht?“, fragte Maron. „Geht schon, Sir.“, sagte ich. „In Ordnung.“, sagte Maron und drehte sich langsam zum Gehen. So langsam aber, dass ich den Eindruck bekam, es sei noch etwas. „Müssen wir noch über etwas reden, Agent?“, fragte ich. „Ich sehe schon.“, sagte er. „Ich kann Ihnen nichts vormachen.“, erwiderte er mit resigniertem Ton. „Woran haben Sie das nur schon wieder erkannt?“ „Ihre Schritte.“, sagte ich. „Wenn jemand wirklich entschlossen ist, geht er viel schneller.“ „Interessant.“, sagte Maron. „Ich schätze, auf solche Details achtet aber nur ein Blinder, der keinen Visor trägt. Ich denke, bei allen anderen könnte der Hörsinn zu abgestumpft sein. Aber Sie haben Recht. Da gibt es tatsächlich etwas. Wären Sie mit einer telepathischen Untersuchung durch einen meiner tindaranischen Kollegen einverstanden? Ich frage nur, wegen Ihrer Vergangenheit.“ „Mir ist jedes Mittel recht, um diesen sinnlosen Krieg zu verhindern, Sir.“, sagte ich. „Sehr tapfer!“, lobte er und ging.

Lycira und Sedrin hatten den Flug durch die interdimensionale Schicht hinter sich gebracht und waren jetzt bereits im tindaranischen Universum. Die Agentin hatte meinem Schiff befohlen, Shimar medizinisch zu überwachen. Lycira aber hatte ihr keine beunruhigenden Vorfälle gemeldet.

Wirst du Ishan sagen, dass wir ihn behandelt haben?, fragte mein Schiff sie. „Das werde ich wohl müssen, Lycira.“, sagte Sedrin. „Schließlich wollen wir ja ehrlich sein. Ich weiß, dass ich unter Umständen sehr großes Glück gehabt habe. Ich mache mir da selbst nichts vor, aber …“

Lyciras Avatar vor ihrem geistigen Auge hatte den Finger an die Lippen gelegt. „Was ist los?“, fragte Sedrin. Wir werden gerufen., gab das Schiff zur Antwort. Von wem weiß ich nicht. Das Rufzeichen ist mir völlig unbekannt. „Zeig mir das Rufzeichen.“, sagte Sedrin. Bereitwillig kam Lycira ihrer Aufforderung nach. „Shashana!“, erkannte Sedrin. „Was kann sie wollen? Na ja. Wir werden es ja gleich wissen. Stell sie durch!“

Das Bild des Avatars wich dem der Sedrin sehr gut bekannten genesianischen Kriegerin und obersten Prätora. „Was gibt es, Shashana?!“, fragte die Demetanerin mit leicht alarmierter Stimme. Sie konnte sich wohl schon denken, was das zu bedeuten haben könnte. „Ich will dir nur sagen, Sedrin, dass du und die Tindaraner euch auf uns Genesianer verlassen könnt. Sytania soll lernen, dass sie mit uns nicht machen kann, was sie will. Die Ehrlose mag versucht haben, uns vor ihren Karren zu spannen, aber das ist ihr nicht gelungen. Sie hat genau das Gegenteil erreicht. Sie hat nur erreicht, dass wir uns mit denen verbünden werden, die wir eigentlich bekämpfen sollten. Sag den Tindaranern, sie sind nicht allein! Elaria hat mir alles berichtet. Daher weiß ich auch, unter welchem Rufzeichen du jetzt zu erreichen bist. Ich weiß nicht, ob eine Freundschaft zwischen einer Klingonin und T’Pol solche Konsequenzen gehabt hätte, wie die Unsere, aber du sollst dir sicher sein! Weder meine Kriegerinnen noch ich werden zulassen, dass die Ehrlose mit ihrem Plan durchkommt!“ „Seid Ihr fertig?!“, fragte Sedrin fest. Shashana nickte nur mit zufriedenem Blick bei gedrücktem Sendeknopf. „Dann will ich Euch jetzt auch mal was sagen, oberste Prätora.“, sagte Sedrin. „Diese Sache ist etwas zwischen den Tindaranern und Sytania. Ich halte nicht für klug, wenn ihr euch da auch noch einmischt. Ihr habt zwar Rosannium, aber die Anwesenheit von Telepathen könnte die Situation sehr viel komplizierter machen.“ „Du glaubst wohl, wir könnten nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden.“, meinte Shashana spöttisch. „Ihr schon.“, sagte Sedrin. „Aber das Rosannium nicht so ohne weiteres.“ „Da irrst du in zweierlei Hinsicht.“, meinte die oberste Prätora der Genesianer. „Wir haben auch eine Version von Meilenstein. Als wir Verbündete waren, um Sytanias letzten Coup zu vereiteln, gab es regen Datenaustausch und auch wir haben jetzt eine Version von Meilenstein! Die befindet sich zwar auf meinem persönlichen Schlachtkreuzer, was erklärt, warum Elaria und ihre Leute auf konventionelle Methoden zurückgreifen mussten, aber wir haben sie. Sollten wir also alle gemeinsam demnächst gegen Sytania ziehen, dann kannst du den Tindaranern versichern, dass die Genesianer sie auf keinen Fall allein lassen werden! Hörst du?!“ Sie beendete die Verbindung.

Blass schaute Sedrin von einer Wand des Cockpits zur anderen. Sie hatte Shashana zwar schon nach ihrer ersten Begegnung auf der Eclypse als sehr gradlinig eingeschätzt, hätte aber doch nicht gedacht, dass sie sich jetzt so verhalten würde. Shashana hat Recht., meinte Lycira. Du kannst ihr und ihren Kriegerinnen nicht das Recht verwehren, ihre Ehre zu verteidigen. Wenn sie sich nicht wehren würden, dann könnte sie Sytania schlussendlich ja doch als Spielball benutzen. Zwar nur indirekt, aber sie könnte. Aber was ist der wirkliche Grund, aus dem du nicht willst, dass sie einsteigen? Sag bitte nicht, du hättest Angst, dass eine oder zwei Kriegerinnen verletzt werden, sei es an ihrer Ehre, oder körperlich. Damit rechnen die Genesianer doch, wenn sie sich auf so etwas einlassen. „Du hast Recht.“, sagte Sedrin. „Und ich kann dir eigentlich auch nicht so genau sagen, was mein Problem ist. Ich glaube, die ganze Angelegenheit wächst mir einfach so langsam über den Kopf und ich habe keine Lust mehr auf noch mehr komplizierte Verwicklungen. Hoffen wir, dass Betsy Maron genug Fakten präsentieren konnte, welche die Existenz der Nidari-Travelers untermauern. Auf einen Krieg wegen einer beleidigten Regierung kann ich nämlich wirklich verzichten!“ Ganz deiner Meinung., gab Lycira zurück. Und ich denke, dass hier auch der Hase im Pfeffer liegt. Du willst nicht, dass es zu diesem Krieg kommt und möchtest am liebsten alles verdrängen, was dich daran erinnert. Es geht dir gar nicht um die Ehre der Genesianer, oder darum, ob sie ein Recht haben, sich hier einzumischen.

Sedrin musste schlucken. Dann atmete sie tief durch und begann damit, über ihr eigenes Verhalten noch einmal zu reflektieren. Schließlich sagte sie: „Es stimmt, was du gesagt hast, Lycira. Dieser Krieg wäre ja auch totaler Unsinn! Sytania war es nicht und das sollte die Zusammenkunft endlich akzeptieren. Sie sind doch sonst immer so vernünftig. Ich hätte nicht gedacht, dass sie …“ Aber sie sind keine Maschinen, Sedrin., versuchte Lycira, ihr eine Erklärung zu geben. Jedes Lebewesen kann theoretisch einmal vom normalen Verhalten abweichen, wenn das richtige Ereignis auftritt. Die Tindaraner sind sowohl von den Saloranern, als auch von den Nidari-Travelers für einen Mythos gehalten worden. Stell dir mal vor, jemand würde das über die Demetaner behaupten. Wie würdest du dann reagieren? „Ich weiß es nicht.“, gab Sedrin zu. „Jedenfalls würde ich keine dritte Macht beschuldigen, die Finger im Spiel zu haben und schon gar keine so mächtige wie Sytania! Ich weiß doch, was das nach sich ziehen kann.“ Das sagst du jetzt.“, sagte mein Schiff. Nachdem du nachgedacht hast. Aber bitte sei ehrlich. Was war dein erster Reflex? „Ich war schon ganz schön beleidigt.“, gab Sedrin zu. „Ich hätte alles getan, um zu beweisen, dass ich real bin. Aber das haben die Nidari-Travelers ja auch versucht. Nur haben sie eben nicht mit den Tindaranern gesprochen. Wie sollten sie auch, wenn es sie in ihren Augen ja gar nicht gibt? Ich denke, hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten.“ Ganz recht., sagte Lycira. Und ich bin der Meinung, wir sollten gleich mal damit anfangen. Wir werden nämlich gerade von Zirells Basis gerufen. „Sag ihnen, wir würden gern docken und, dass wir einen Patienten für die Krankenstation haben!“, orderte Sedrin. OK., gab mein Schiff zurück und führte ihre Befehle aus. Sedrin selbst würde nach der Ankunft auch noch einmal mit Zirell und Maron über die neuen Details sprechen. Schließlich hatte sie ja auch noch etwas von Shashana auszurichten.

Kapitel 9: Ein neuer Versuch das Ruder herumzureißen

von Visitor

 

Kate, Jaden und Data hatten inzwischen den Daily First Contact, die Tageszeitung von Little Federation, erreicht. Vor dem Gebäude, einem grün gestrichenen Haus in Backsteinoptik mit hellgelben Sprossenfenstern, stellte die künstliche Lebensform jetzt sein Fahrzeug ab und bedeutete seinen beiden Fahrgästen, ihm zu folgen. Dass er für die Beiden den Taxifahrer gab, war für den Androiden kein Problem. Schließlich konnte er ja auch sicher eine Menge zu dem beitragen, was sie vorhatten.

Sie hatten das Haus durch die große Flügeltür, die sich automatisch vor ihnen geöffnet hatte, betreten. Jetzt standen sie in einer Art Vorhalle, in der sich, gleich der Tür gegenüber, eine Art Pförtnerhäuschen befand. Aus diesem Glaskasten blickte sie freundlich lächelnd ein Demetaner an. Er trug ein weißes Hemd, eine schwarze Jeans und rote Schuhe. Er maß ca. 1,80 m und war von schlanker Statur. Sein braunes Haar war ordentlich frisiert, wie es sich für einen Büroangestellten gehörte. „Sie wünschen bitte?“, sprach er die drei lächelnd an, die sich jetzt vor seinem Arbeitsplatz postiert hatten.

Jaden gab Kate einen Stoß: „Sie is’ Ihre Schwester! Aber bitte ziehen Sie nich’ gleich Ihren Dienstausweis. Sonst kriegt der Bürohengst da noch ’n Schreck fürs Leben.“ „Ich mache das schon.“, flüsterte Kate peinlich berührt ob Jadens Äußerung zurück. Dann räusperte sie sich und sagte: „Ich bin Agent Kate Malcovich. Meine Schwester Karen arbeitet bei Ihnen. Diese Gentlemen hier und ich würden gern mit ihr sprechen.“ „Ich werde sehen, ob Ihre Schwester Zeit hat, Agent Malcovich.“, sagte der Demetaner und wandte sich dem Fenster ab und einer Sprechanlage zu.

Wenige Sekunden später drehte er sich wieder zu den noch immer Wartenden mit den Worten: „Mrs. Malcovich erwartet Sie. Sehen Sie die Tür, auf der allgemeine Redaktion steht? Durch die gehen Sie bitte und dann sehen Sie schon die Beschilderung, die Sie zu ihrem Büro führen wird.“ „Danke, Mister.“, sagte Jaden und ging forsch voran. Die anderen Beiden folgten ihm.

Tatsächlich war der Weg nur kurz, den sie zurücklegen mussten. Vor der Tür blieben sie stehen und Kate betätigte die äußere Sprechanlage. Die Stimme einer älteren Frau antwortete von drinnen: „Herein!“ Dann öffnete sich die Tür. Alle drei betraten das freundlich eingerichtete Zimmer. Nun standen sie jener älteren Frau gegenüber, die schätzungsweise Mitte 40 war, ca. 1,70 m maß und einen braunen Faltenrock trug. Mit der dazugehörigen Ton in Ton mit dem Rock gehaltenen Bluse und den leicht erhöhten dunkelblauen Schuhen sah sie etwas streng aus. „Kate!“, wandte sie sich an ihre erheblich jüngere Schwester. „Was tust du denn hier? Und wer sind die beiden Gentlemen in deiner Begleitung?!“ „Das sind Commander Jaden H. Huxley und Commander Data.“, stellte Kate ihre Begleitung vor. „Wir brauchen deine Hilfe, Karen. Wir müssen zusammen einen Krieg verhindern!“ „So, müssen wir das.“, sagte die Ältere etwas gelangweilt. „Also wirklich, Kate! Manchmal habe ich das Gefühl, dir ist deine Arbeit für die Sternenflotte zu Kopf gestiegen. Was kann ich, als kleine Reporterin für den Unterhaltungsteil, schon tun, um einen Krieg zu verhindern? Ich wusste außerdem gar nicht, dass wir kurz vor einem stehen.“

„Dann sollten Sie mal den Nachrichtenteil aufmerksamer lesen, den Ihre Kollegen so bedienen, Mrs. Malcovich!“, mischte sich Jaden schnodderig ein. „Dann werden Sie sehen, was los is’!“ Data knuffte ihn in die Seite. „Also.“, sagte Karen immer noch sehr ruhig. „Ich lasse mir nicht unterstellen, ich hätte von Politik keine Ahnung! Nur damit das klar ist! Aber ich verrate euch jetzt mal ein kleines Journalistengeheimnis. Gerade die politischen Nachrichten werden oft in der Presse ziemlich aufgebauscht, damit sie die Leute auch lesen. Mit so ’nem trockenen Kram würde man sonst doch keinen hinter’m Ofen vorlocken. Dann würde unsere Zeitung wohl höchstens nur noch von ’n paar Vulkaniern gelesen und das reicht nicht. Dann könnten wir gleich dicht machen. Wir Medienmacher wollen vielleicht manches heißer essen, als es auf dem Krisenherd gekocht wird, aber …“ „Das hier ist aber wirklich wichtig, Karen!“, sagte Kate etwas bestimmter. „Und, auch wenn du nur eine Reporterin für den Unterhaltungsteil bist, so bist du doch die Einzige, die da noch was machen kann.“

Karen gab einen Laut von sich, der darauf hindeutete, dass sie ziemlich genervt war. „Also gut.“, sagte sie. „Wie ich dich kenne, kleine Schwester, wirst du ja sonst keine Ruhe geben. Also, setzt euch mal da rüber.“ Sie deutete auf eine kleine Sitzgruppe, die an der hinteren Wand ihres Büros stand. Kate, Jaden und Data nickten und taten, wozu sie gerade aufgefordert worden waren. Karen aktivierte nur noch rasch einen Bildschirmschoner an ihrem Rechner und gesellte sich dann auch zu ihnen. Bei sich hatte sie ein Pad, das sie aus ihrer Schreibtischschublade geholt hatte. „Also, worum geht es?!“, fragte sie und sah Kate bohrend an. Diesen Blick kannte die junge Agentin von ihrer älteren Schwester nur zur Genüge. „Du hast doch diese Artikelserie über die Statuen geschrieben, die auf sämtlichen Planeten der Föderation aufgetaucht sind, inklusive der Erde.“, sagte Kate. „Jetzt glaubt die Regierung der Tindaraner, dass Sytania was damit zu tun hat und beschuldigt sie, ihnen eine Falle stellen gewollt zu haben, was eines ihrer vielleicht mythischen Schwestervölker angeht. Aber wir können beweisen, dass dem nicht so ist. Commander Data hat sogar Bilder, die es beweisen.“ „OK.“, sagte Karen. „Dann zeigen Sie mal her, Commander Data.“

Der Androide nickte und dann folgte die gleiche Prozedur wie im Büro der Agentin. Mit geschultem Blick sah sich die Journalistin die Bilder an. Dann aber blieben ihre Augen plötzlich an einem hängen. „Was ist dass für ein Fleck auf dem Kopf der Statue?“, fragte sie. „Das sind die Reste eines Happens Thunfisch.“, sagte Data wahrheitsgemäß. „Thunfisch!“, rief Karen aus, stand auf und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Oh nein! Meine Lieben, da habt ihr euch ja selbst ein dickes Ei ins Nest gelegt. Jeder weiß doch, dass Katzen für Thunfisch nahezu alles tun! Das weiß die Regierung auch! Die werden, gerade in dieser Situation, meinen Artikel auseinander nehmen, wenn ich einen schreibe. Wenn die das mit dem Thunfisch erfahren, ist meine ganze Gegendarstellung wertlos!“ „Den haben wir doch nur benutzt, um Caruso den langen Weg über den Baum schmackhaft zu machen, damit er nicht durch das Kraftfeld zu seinem neuen Lieblingsplatz muss.“, sagte Jaden. Dann wendete er sich Data zu: „Musstest du das mit dem Thunfisch sagen?!“ „Es ist die Wahrheit.“, verteidigte sich Data. „Und wir wollen doch eine ehrliche Darstellung, oder?“

Jaden stand auf und trat näher zu Karen, die jenes verhängnisvolle Bild immer noch auf dem Schirm ihres Pads hatte. „Diesen Fleck da.“, sagte er. „Den kann man doch sicher ganz leicht entfernen, Karen. Das schaff’ sicher sogar ich, wetten! Lassen Sie mich mal.“ Damit markierte er den Fleck per Touchscreen und ließ ihn vom Programm einfach entfernen. „Jetzt stimmen aber bestimmte Details der Frisur nicht mehr.“, sagte Karen. „Und auch das Pixelraster stimmt sicher nicht mehr. Das wird Fragen aufwerfen.“ „Ach.“, sagte Jaden. „Wer achtet denn schon auf so was?!“ „Es gibt Mitglieder diverser Spezies in Little Federation.“, begann Data. „Die Augen mit viel höherer Auflösung besitzen, als der durchschnittliche Terraner. Denen würde es bestimmt auffallen. Außerdem wird die Regierung das Bild sicher auch untersuchen wollen und dann wird die Manipulation auch ihnen auffallen. Damit schneiden wir uns nur selbst ins eigene Fleisch. Immerhin weiß man, wer wir sind, und dass wir schon oft skeptisch gegen die Pläne der Regierung waren.“

Jaden begann tatsächlich zu grübeln, was für ihn eigentlich sehr selten war. Dann sagte er schließlich: „Du hast ja Recht, Data. So, wie die im Moment drauf sind, … Aber was sollen wir jetzt denn dagegen machen?“ Resignierend sahen sich alle an. Schließlich sagte Karen: „Also gut. Ihr kriegt eure Gegendarstellung zur Meinung der Regierung. Obwohl ich glaube, dass sie den Speicherplatz nicht wert sein wird, den sie einnimmt, unter diesen Umständen. Aber man soll mir ja nicht vorwerfen, ich hätte die freie Meinung unterdrückt. Aber ihr müsst euch jetzt schon wirklich was einfallen lassen, um Nugura und Co. zu überzeugen.“ „Danke, Karen!“, lächelte Kate und umarmte ihre Schwester. „Du bist echt die Beste!“ „Ich werde euch dann noch ein paar Fragen stellen müssen.“, sagte Karen. „OK.“, nickten alle drei, um zu zeigen, dass sie mit dem Interview einverstanden waren.

Zirell hatte inzwischen in der Kommandozentrale von 281 Alpha ein sehr interessantes Gespräch geführt. Joran hatte Shashana zu ihr durchgestellt, die, wie sie es Sedrin angekündigt hatte, dringend mit ihr reden wollte. „Du weißt, was mit deinem Patrouillenflieger passiert ist!“, unterstellte die Genesianerin der älteren tindaranischen Kommandantin. „Ich weiß, dass er auf der Krankenstation liegt und dass wir Sedrin zu verdanken haben, dass er überhaupt noch lebt.“, sagte Zirell. „Und aus der Vernehmung, die mein erster Offizier mit Allrounder Betsy Scott hatte, weiß ich, dass er sicher nicht mit Absicht die Grenze zu Eurem Reich übertreten hat, oberste Prätora.“ „Dann haben wir ja beide den gleichen Wissensstand.“, stellte Shashana fest. „Ich möchte auch nur, dass du weißt, dass wir euch nicht allein lassen werden! Egal, was die Ehrlose auch immer tut, wir werden an eurer Seite stehen und mit euch gegen sie kämpfen!“ „Vielen Dank.“, sagte Zirell, bedeutete Joran, die Verbindung schnellstens zu beenden und seufzte. Dass der Vendar und Maron, ihr demetanischer erster Offizier, auch bei dem Gespräch zwischen Shashana und Zirell anwesend sein durften, war eigentlich gegen das Protokoll, wenn es um Gespräche mit Genesianerinnen ging. Die Anwesenheit von Männern wurde von sehr konservativen Charakteren vielleicht als Beleidigung empfunden, aber nicht von Shashana. Schließlich hatte sie ja selbst eine völlig neue Glaubensrichtung geprägt, in der Männer vom Status unterhalb eines Tieres zum Status eines Kleinkindes aufgestiegen waren, um es mal etwas überspitzt zu sagen. Unter weiblicher Aufsicht durften sie also durchaus Informationen erhalten.

Maron sah seine Vorgesetzte mit einem fragenden und fast mitleidigen Blick an. „Was ist los, Sea Tindarana?“, fragte er tröstend. „Es entwickelt sich alles in eine Richtung, die keiner von uns gut heißen kann.“, sagte Zirell. „Die Genesianer mischen sich jetzt auch noch ein und Sytania, die wird uns angreifen, was ja ironischerweise auch ihr gutes Recht ist nach dem Bock, den die Zusammenkunft geschossen hat. Wie steht eigentlich die Föderation genau dazu, Maron? Du, als mein Verbindungsoffizier, müsstest das ja eigentlich beurteilen können.“ „Dann mach dich bitte auf ein Urteil gefasst, dass dir nicht gefallen wird, Zirell.“, warnte der Demetaner sie. „Ich schätze, dass die Föderation alles tun wird, um euch beizustehen. Wenn man die Zusammenhänge nicht genauer kennt, könnte man meinen, das sei ja recht positiv, aber …“ „Aber um so naiv zu sein, wissen wir einfach zu viel.“, fiel ihm eine nervöse Zirell ins Wort. „Und ich stelle den Genesianern ja auch gar nicht in Abrede, dass sie das Recht haben, ihre Ehre zu verteidigen. Schließlich hat Sytania versucht, sie für ihre Spielchen zu benutzen und sie wären ja Feiglinge, wenn sie sich das gefallen ließen.“ „Aus ihrer Sicht stimmt das sicher.“, stimmte Maron ihr zu.

Die Türsprechanlage kündigte Besuch an. „Wer ist draußen?!“, fragte Zirell. „Ich bin es.“, sagte eine ihr wohl bekannte Stimme. „Sedrin!“ „Komm rein.“, meinte Zirell erleichtert und hieß IDUSA, die Tür zu entriegeln, welche sich dann sogleich öffnete und eine ruhig dreinschauende Demetanerin herein ließ. „Hallo, Sedrin!“, begrüßte Zirell diese erleichtert. „Ich denke, jetzt, wo du bei uns bist, kann uns nichts mehr passieren!“ „Hängt sicher davon ab, wie du es definierst.“, sagte Sedrin. „Ich nehme an, Shashana hat sich bereits bei dir gemeldet?“ „Ja, das hat sie.“, gab Zirell zu. „Und ich bin offen gestanden nicht sehr erbaut über diesen Umstand. Sicher ist es zu begrüßen, wenn Alliierte im Kriegsfall zusammenstehen, aber …“ „Aber dieser Krieg ist total unnütz.“, beendete Sedrin Zirells Satz. „Ich gehe davon aus, dass du das genau so siehst.“ „Das tue ich.“, sagte Zirell. „Aber was können wir tun?“ Die Frauen sahen sich resignierend an.

Ich war sofort nach meiner Vernehmung durch Agent Maron auf die Krankenstation geeilt, denn mir war von Nidell berichtet worden, dass Shimar dort sei. Sie war es auch gewesen, die mich dann zu ihm gebracht hatte. „Hey, Kleines!“, lächelte mir Shimar entgegen. „Hey, Srinadar.“, gab ich zurück. „Was machst du denn für Sachen?“ „Das Gleiche könnte ich dich fragen.“, gab er zurück und setzte sich im Bett auf. „Du tust immer so harmlos, aber dann machst du Sachen ohne Apparat, aber dafür mit Paukenschlag!“ „Was meinst du?“, fragte ich etwas irritiert. „Ich habe doch gar nichts gemacht?“ „Gar nichts gemacht?! Gar nichts gemacht?!“, wiederholte er mit einer Mischung aus viel gespielter Empörung, aber auch genau so viel ernst gemeintem Stolz in der Stimme. „Erst vermittelst du einen ersten Kontakt zu den Saloranern, dann erstehst du mit Pauken und Trompeten und viel Getöse von den Toten auf, dass man allein schon vom Zusehen nicht mehr kann und dann schickst du dich auch noch an, uns auch noch zu zeigen, dass es auch die Nidari-Travelers wirklich gibt! Was denkst du dir eigentlich bei so was, du aufregendes Wesen?! Willst du mich um Gnade flehen sehen?!“ „Na.“, erwiderte ich grinsend. „Für die Pauken, die Trompeten und das Getöse bei meiner Auferstehung warst ja wohl eher du zuständig, wenn ich Scottys Erzählungen glauben darf!“ Ich piekste ihn in den Bauch. „Oder kann ich vielleicht etwas dafür, wenn du deine telepathische Nase in Dinge steckst, die drei Nummern zu groß für dich sind und dass du es vor lauter Neugier nicht schaffst, rechtzeitig aufzuhängen, he?!“ „Wen soll er aufhängen?!“, fragte eine völlig erschrockene Nidell, deren Anwesenheit ich gar nicht mehr wirklich registriert hatte. „Ups.“, machte ich verschämt, denn mir war erst jetzt aufgefallen, dass mir da wohl ein Begriff aus dem frühen Telefonzeitalter meines Heimatjahrhunderts dazwischen gerutscht war. „Es bedeutet nur, dass er es nicht geschafft hat, rechtzeitig die Verbindung zu beenden, Nidell.“, tröstete ich. „Ach so.“, sagte die junge Tindaranerin erleichtert und ging wieder an ihre Arbeit.

Ich blieb Shimar zugewandt. „Ist ja auch egal.“, sagte er. „Jedenfalls hast du mir oft genug bewiesen, dass du mehr kannst und mehr bist, als du selbst zugeben willst. Ich nehme dir die Nummer mit der lieben harmlosen Miezekatze schon lange nicht mehr ab. Wenn du das bist, dann bist du aber eine, die auch von Zeit zu Zeit mal die Krallen zeigt, wenn sie einen Anlass sieht, aber auch nur dann.“ „Kann schon sein.“, sagte ich. „Alles andere wäre ja auch Energieverschwendung.“ „Das stimmt wohl.“, sagte er und zog mich näher, so dass ich mich auf das Bett setzen musste. Dann drückte er mir einen dicken Kuss auf den Mund.

Ishan betrat das Krankenzimmer. „Wie geht es unserem Patienten denn heute?“, fragte er und begann damit, Shimar von Kopf bis Fuß zu scannen. „Geht schon wieder besser, Ishan.“, flapste Shimar und deutete auf mich. „Ihre Anwesenheit wirkt wohl Wunder.“ „Wenn man eure Schutzverbindung bedenkt.“, setzte der Arzt an. „Dann kann ich mir das durchaus vorstellen. Aber Sedrins Operation hat sicher auch ihren Teil dazu beigetragen. Allerdings hat sie großes Glück gehabt. Wäre es zu Komplikationen aufgrund deines Zustandes gekommen, Shimar, dann hätte es auch ganz anders ausgehen können. Vielleicht hätte euch das Erste-Hilfe-Programm dann auch nicht weiterhelfen können. Warum habt ihr eigentlich nicht gleich Verbindung zu mir aufgenommen?“ „Das ging nicht.“, sagte ich. „Die Trümmer von Sytanias Phänomen und die Strahlung aus dessen Vernichtung durch die Genesianer haben es wohl verhindert.“ „Dann waren die Umstände wohl noch um so glücklicher.“, sagte Ishan und Shimar fügte bei: „Da seht ihr mal, wie lieb ich zu euch war.“ „Das könnte sogar in gewisser Hinsicht stimmen.“, sagte ich. „Ihr Telepathen habt ja einen ganz anderen Einfluss auf euren Körper, zumindest sagen das manche. Ich denke, du hast auch noch während deiner Bewusstlosigkeit irgendwie gemerkt, worum es geht.“ „Jetzt romantisierst du die Situation aber.“, sagte Shimar. „Ich habe nichts gewusst. Gar nichts! Auch nicht unterbewusst. Ishan und Nidell sagen, ich lag bereits im Sterben. Wenn Sedrin nichts getan hätte, dann würde ich jetzt sicher nicht mehr mit euch reden können. Akzeptieren wir doch einfach mal, dass das Glück einfach auf unserer Seite war.“ „Also gut.“, sagte ich. „Aber ich hoffe, dass Sedrin deshalb jetzt keinen Höhenflug bekommt.“ „Oh, das glaube ich nicht.“, sagte Shimar. „Dafür ist sie viel zu abgeklärt. Ich weiß, dass sie weiß, dass sie trotzdem keine Ärztin ist und das weiß jeder von uns auch.“ „Oh, was ’ne Menge Wissen.“, flapste ich. „Vielleicht sollten wir ’ne Bibliothek aufmachen.“ Die Männer grinsten.

Ich holte tief Luft, um das Thema zu wechseln. Dann sagte ich: „Wie reisen die Nidari-Travelers der Sage nach noch mal, Shimar?“ „Ach.“, stöhnte er. „Angeblich sollen sie sich in andere Dimensionen teleportieren. Dann generieren sie sich dort mittels ihrer Kräfte Körper, die unseren sehr ähnlich sind und …“ „Das ist es!“, fiel ich ihm ins Wort. „Die Schicht! Die interdimensionale Schicht! Dort müssen sie doch dabei Energiepfade hinterlassen!“

Ich drehte mich dem Computermikrofon zu: „IDUSA, wo ist Agent Sedrin?!“ „Agent Sedrin befindet sich in der Kommandozentrale.“, kam es nüchtern zurück. Mangels eines Neurokopplers meinerseits hatte auch der Stationsrechner den Bordlautsprecher benutzt. „Leite mich per Sprechanlage!“, befahl ich und stand ruckartig auf. „Hey, Kleines!“, sagte Shimar erschrocken, der wohl mit so einer Reaktion von mir überhaupt nicht gerechnet hatte und griff nach meinem rechten Handgelenk. „Was willst du und wo willst du hin?!“ „Ich glaube, wir sollten das Pferd mal von der anderen Seite aufzuzäumen versuchen!“, sagte ich atemlos und versuchte, mich aus dem Griff zu befreien, in dem er meine Hand gehalten hatte. Das gelang mir auch und ich wuselte aus der Tür davon.

„Sie tut es schon wieder, Ishan!“, sagte mein Freund perplex. „Siehst du? Sie tut es schon wieder! Lass mich sofort hier raus! Ich muss hinterher! Das kann ich mir doch nicht entgehen lassen!“ „Na gut.“, sagte Ishan. Aber nur mit Gehhilfe. Dein Kreislauf ist noch extrem angeschlagen.“

Er holte das Gerät selbst aus dem Schrank, schnallte es Shimar um und gab ihm eine kurze Einweisung in die Steuerung. Dann beobachteten er und Nidell, wie Shimar die Krankenstation verließ, um mir zu folgen.

Data, Jaden und Kate waren wieder mit dem Jeep des Androiden unterwegs. Ihr Weg führte sie jetzt quer durch die Stadt, denn sie wollten Kate noch an ihrem Arbeitsplatz absetzen, bevor sie sich selbst wieder auf den Weg zu ihren Wohnhäusern machten. Dort wollten sie, oder besser vor allem Jaden, über eine Lösung des Problems nachdenken, wie er Data und Kate gerade eröffnet hatte. Der den Jeep fahrende Androide war über diesen Umstand sehr überrascht und die auf der Rückbank sitzende Kate lächelte Jaden auffordernd und motivierend zu. Der Terraner aber hatte von ihrer aufmunternden Geste nicht wirklich Kenntnis genommen, denn er war die ganze Zeit über mit Fluchen und Schimpfen beschäftigt. Lasst es mich bitte einmal so ausdrücken: Wäre für jedes Mal, wenn er das böse Wort mit Sch benutzte, ein Blitz auf Little Federation herab gefahren, würde die Stadt jetzt lichterloh in Flammen stehen.

„Bitte halt an dich, Jaden.“, versuchte Data, seinen aufgebrachten Kollegen und Freund zu beruhigen. „Schließlich ist eine Dame anwesend.“ „Das ist mir im Moment echt scheißegal!“, schrie Jaden ihm entgegen. „Agent Malcovich wird in ihrem Scheißjob als Agentin der Sternenflotte sicher schon viel Schlimmeres gehört haben. Spätestens dann, wenn sie mal einen verdammten Klingonen verhört hat. Du brauchst gar keine solche Scheißangst um ihre Scheißkinderstube zu haben! Aber du brauchst dich gar nicht so aufzuführen. Es ist nämlich alles deine Scheißschuld. Warum musstest du die Sache mit dem Scheißthunfisch auf dem Scheißphoto denn überhaupt erwähnen, he?! Hättest du nicht einfach sagen können, es war ein verfluchter Scheißfliegenschiss?!“

Data wollte etwas erwidern, aber eine kleine Hand legte sich ihm energisch und schnell von hinten auf den Mund. Dabei hatte er die Wahrnehmung, buchstäblich in einen Würgegriff genommen zu werden. Dann sagte Kates hohe junge Stimme, die jetzt auf einmal gar nicht mehr so lieb klang, langsam energisch und deutlich: „Den Scheißthunfisch auf dem Scheißphoto hat er deswegen erwähnt, Commander Huxley, weil Androiden nun einmal nicht lügen können! Das hätten Sie sich vor Augen führen müssen, bevor Sie ihn zu Ihrem Mitwisser machten! Wenn Sie jemanden gesucht hätten, der für Sie lügt, dann hätten Sie sich nicht gerade eine künstliche Lebensform aussuchen dürfen! Er kann nun einmal nichts dafür, dass er ist, was er ist! Keiner von uns kann bekanntlich aus seiner Haut, Sir! Aber zu lügen halte ich sowieso für keine gute Strategie! Meine Schwester hat schon Recht! Dann würde man uns das alles nicht abnehmen und wir hätten nicht den Hauch einer Chance! So aber, wie sich die Situation jetzt darstellt, haben wir zumindest noch einen ehrlichen Leumund und können so vielleicht noch Punkte in den Augen der Regierungen sammeln! Schon mal drüber nachgedacht?!“

Jaden gab nur noch einen geplätteten Seufzer von sich. Diese Reaktion hatte er der so klein und zerbrechlich wirkenden Kate nun wirklich nicht zugetraut. „Sie können ganz schön auf den Putz hauen, meine Liebe, wenn Sie wollen!“, stammelte er schließlich. „Ihrem Erscheinungsbild und Ihrem bisherigen Verhalten nach hätte ich nicht geglaubt, dass Sie so mit mir reden würden.“ „Ich denke, das geflügelte Wort: klein, aber oho ist hier zutreffend.“, mischte sich Data ein. „Ganz recht, Commander Data.“, sagte Kate und grinste zufrieden. „Und, machen Sie sich bitte keine Sorgen mehr um meine gute Kinderstube. Der geht es nach wie vor hervorragend! Sie haben Recht. Als ich mich dafür entschied, Agentin der Sternenflotte zu werden, tat ich das mit Rücksicht auf alle Konsequenzen. Während meiner Prüfung hatte ich sogar einen Soldaner zu vernehmen und Sie wissen ja, dass gegenseitige Beleidigungen bei denen zum guten Ton gehören. Also können Sie sich ja wohl jetzt logisch zusammenreimen, dass mir die Fluchattacken eines gewissen hier anwesenden Commanders nichts ausmachen dürften.“ „Danke für Ihren Trost, Agent Malcovich.“, sagte Data sachlich und lenkte den Jeep auf den Parkplatz vor dem Polizei- und Geheimdienstgebäude von Little Federation. „Oh, nennen Sie mich doch einfach Kate.“, sagte die Agentin, stieg lächelnd aus, winkte den Männern noch einmal zum Abschied und verschwand dann im Haus.

Der noch immer stark geplättete Jaden wandte sich wieder Data zu: „Fahren wir!“ Die künstliche Lebensform nickte nur und setzte das Fahrzeug wieder in Bewegung. Dann sagte er: „Du solltest etwas aufpassen, wie sehr du dich in diese Sache hineinsteigerst, Jaden. Schließlich kannst du dir durch deine Emotionen jetzt nur selbst schaden. Wenn wir gemeinsam überlegen wollen, was wir tun, dann werden sie nur hinderlich sein.“ „Du hast gut Reden!“, fuhr Jaden ihn an. „Du kannst deine Gefühle ein- und ausschalten, wie es dir passt, weil du so einen Scheißchip hast. Aber den hab’ ich nich’!“ „Ich habe eine Neuigkeit für dich, Jaden.“, informierte Data ihn. „Ich habe mich vor langer Zeit entschieden, die Routine, die mir das ermöglichen würde, zu löschen. Ich wollte ja schon immer sehr nah an einer menschlichen Lebensform sein und das bringt mich einem von euch doch sehr viel näher, nicht wahr? Wenn ich also eine Emotion erlebe, dann mit all ihren Konsequenzen und jetzt gerade empfinde ich große Wut über deine Unvernunft!“

Er ließ den Jeep am rechten Fahrbahnrand stoppen. Dann sagte er: „Du kannst es dir aussuchen! Entweder, du beruhigst dich, oder ich werde dich hier an die frische Luft setzen und dann kannst du sehen, wie du nach Hause kommst. Vielleicht kühlt ja ein Spaziergang an frischer Luft dein heißes Gemüt!“

Jaden hatte sich umgesehen. Ihm war klar geworden, dass er von hier aus mindestens drei Stunden brauchen würde, bis er zu Fuß wieder an seinem Haus angekommen war. Das war etwas, das er beileibe nicht wollte. Also holte er tief Luft, lehnte sich zurück und sagte betont langsam und freundlich: „Du hast gewonnen, Data. Ich werde versuchen, mich zu beruhigen. Aber versprechen kann ich dir nichts. Du weißt ja, wie ich drauf bin. Ach! Ich wünschte, Sedrin wäre hier. Die hätte mir wahrscheinlich eine Standpauke gehalten, die sich gewaschen hat, aber dann hätten wir zusammen überlegt und sie hätte uns früher oder später sicher eine Spitzenlösung präsentiert. Es geht doch manchmal nichts über den Rat einer einem treu zur Seite stehenden Ehefrau!“ „Ich könnte uns die Dienste einer Solchen offerieren.“, sagte Data. „Nämlich der Meinen. Cupernica hat sich auch immer als sehr gute Beraterin in Krisensituationen bewiesen. Ich denke sogar, dass sie es mit Agent Sedrin in jedem Fall aufnehmen könnte.“ „Sie würde sie sicher sogar noch locker in die Tasche stecken.“, sagte Jaden. „Und beide zusammen wären ideentechnisches Dynamit. Du hast also ganz Recht. Fahren wir also zu dir!“ „Das wollte ich hören.“, sagte Data, klopfte Jaden auf die Schulter und steuerte sein Fahrzeug dann in Richtung der Sisko Road zu seinem Haus.

Ich war in den langen Korridoren von Basis 281 Alpha unterwegs. Wie ich es ihr befohlen hatte, überwachte IDUSA jeden meiner Schritte mit den internen Sensoren, um mir über die sich jeweils in meiner Nähe befindenden Sprechanlagenterminals Anweisungen zur Änderung meiner Richtung zu erteilen. So kam es, dass ich mich hauptsächlich auf ihre Stimme aus dem Lautsprecher konzentrierte, und den Rest um mich herum einfach ausblendete. Aus diesem Grund erschreckte mich auch Shimars Stimme sehr, als ich hinter mir plötzlich ein atemloses: „Halt, Kleines!“, wahrnahm. Allerdings war der Schreck schnell verflogen und ich hatte auch den Ausruf wieder schnell vergessen, denn im gleichen Moment hatte mich IDUSA freundlich angewiesen, nach rechts in einen Gang zu schwenken.

„Bleibst du vielleicht mal stehen?!“, hörte ich bald darauf erneut eine bekannte Stimme hinter mir und dann das typische Geräusch eines Antriebs für eine medizinische Gehhilfe. Aber dieses Geräusch wechselte mal hier- und mal dorthin Richtung und Geschwindigkeit. Es schien mir, als käme jener Benutzer, den ich schon längst erkannt hatte, damit gar nicht zurecht, eine Tatsache, die mir ein merkwürdig schadenfrohes Grinsen entlockte. Dieser Mister Superflieger, der sonst alles steuern konnte, was einen Antrieb hatte, kam offensichtlich nicht mit einer einfachen Gehhilfe zurecht. Natürlich war meine Schadenfreude nicht wirklich böswillig, sondern eher der Natur, dass ich ihn damit etwas aufziehen wollte. Wenn ich bemerkt hätte, dass er wirklich Hilfe gebraucht hätte, hätte ich ihm die sicher auch zukommen lassen, sofern es mir möglich gewesen wäre. Er musste ja nur fragen und ich war sicher, wenn es sein müsste, wäre er sich auch dazu nicht zu fein. Dafür war er zu vernünftig.

Ich verlangsamte also nur leicht meinen Schritt und sagte dann nach hinten gewandt: „Wenn du mich einholen willst, Srinadar, dann musst du dich schon etwas mehr beeilen! Hier bin ich! Komm! Miez, Miez, Miez!“ „Bin ja schon unterwegs!“, kam es hektisch zurück. Dann hörte ich noch etwas, das wohl nicht mehr an mich gerichtet war: „Jetzt mach schon! Begreif endlich, was ich von dir will, du schwerfälliges Mistding! Na geht doch!“

Er war neben mir. „Ich wusste, dass du das schaffst!“, sagte ich freudig und umarmte ihn. „Na mindestens eine.“, sagte er. „Ich selbst war mir da nämlich gar nicht so sicher. Aber bitte verrate mir doch, Kleines, was du von Sedrin willst und was du vorhin meintest.“ „Wenn du das erfahren willst.“, erwiderte ich. „Dann musst du mir schon weiter folgen.“ Damit setzte ich mich wieder in Bewegung.

IDUSA zeigte sich uns beiden über den Simulator im Flur. „Warum verhalten Sie sich eigentlich so gegenüber Shimar, Allrounder?“, wollte sie wissen. „Gerade von Ihnen, als einer Person mit Handicap, hätte ich mehr Rücksichtnahme auf einen Kranken erwartet! Aber es gibt noch etwas, das ich nicht verstehe: Eigentlich müsste Shimar jetzt mit großer Trauer reagieren, was sich auch in seinen hormonellen Werten widerspiegeln müsste. Aber statt der üblichen Werte bei Trauer und Enttäuschung empfange ich von ihm Werte, als sei es das höchste Glück für ihn, dass Sie so mit ihm umgehen und ihn im Unklaren über Ihre eigentlichen Ziele lassen.“ „Ich stehe nun mal drauf, wenn sie mich so überrascht!“, erklärte Shimar. „Wenn sie von dem harmlosen Etwas zu einem Probleme auf unkonventionelle Art lösenden Monster mutiert. Ihre Art, so mit mir umzugehen, soll mich nur bei der Stange halten. Sie sagt damit eigentlich nur, dass ich ihr weiter folgen muss und dass ich mir das Ende dieser Sache auf keinen Fall entgehen lassen kann, was ich ja auch nicht will!“

Er atmete tief durch und fixierte einen Punkt. Dann sagte er: „Oh, ihr Götter! Kleines, du machst mich ganz …“ Dann gab er einen eindeutig doppeldeutigen Laut von sich. „Ich denke.“, sagte IDUSA. „Das ist ein Thema, das Sie beide nach Möglichkeit nicht in der Öffentlichkeit erörtern sollten. Schließlich werden Sie bald den Brückenoffizieren entgegentreten und da wäre das ziemlich ungehörig.“ „Du hast Recht, IDUSA.“, sagte Shimar. Dann ermahnte er sich noch auf Tindaranisch, sich jetzt zu konzentrieren und gefälligst nicht mehr daran zu denken, was meine neueste Anwandlung mit ihm anstellte, eine Satzfolge, die ich aufgrund meiner Kenntnisse seiner Muttersprache gut verstehen konnte und die mich verschmitzt grinsen ließ. Deshalb grinste ich ihm nur motivierend zu.

Kapitel 10: Die entscheidende Wende

von Visitor

 

Zirell und Sedrin, sowie Maron und Joran waren immer noch mit dem Nachdenken beschäftigt. Zirell hatte, nachdem ihr und Sedrin allein nichts eingefallen war, die Hilfe ihres ersten Offiziers und des Vendar gesucht. Aber auch allen vieren wollte einfach keine Lösung einfallen. „Lassen wir es für heute gut sein.“, sagte Zirell schließlich. „Es ist spät und …“

Die Sprechanlage beendete ihren Satz. Ich hatte IDUSA befohlen, mich anzukündigen. „Was gibt es, IDUSA?!“, fragte die Kommandantin, die das Rufzeichen des Basisrechners im Display der Sprechanlage erkannt hatte. „Allrounder Betsy Scott ist auf dem Weg zu Ihnen, Commander.“, sagte der Rechner gewohnt nüchtern. „Ihren medizinischen Werten nach ist sie sehr aufgeregt. Positiv aufgeregt, um genau zu sein, allerdings. Da ich dieses Verhalten an sich nur bei ihr gesehen habe, wenn sie eine Idee hat, halte ich es für wahrscheinlich, dass sie in der Lage sein wird, auch Ihr Dilemma zu lösen. Aber sie sucht eigentlich primär nach Ihnen, Agent Sedrin.“ „Nach mir?!“, fragte die Demetanerin verwundert. „Na ja. Wir werden ja sehen, was dabei herauskommt. Lass sie ein, IDUSA!“ „Wie Sie wünschen, Agent.“, sagte der Rechner und öffnete mir die Tür zur Kommandozentrale.

Ich schritt hindurch und befahl in Richtung des nächsten Mikrofons: „IDUSA, Tür blockieren!“ „Erwarten wir noch jemanden?“, erkundigte sich Zirell. „Ich warte nur noch auf Shimar.“, sagte ich. „Wir sind uns auf dem Flur begegnet und er scheint sehr neugierig auf das zu sein, was ich zu sagen habe.“ „Na dann!“, sagte Zirell. „Das bedeutet dann wohl.“, meinte Sedrin, „Dass Ishan ihn raus gelassen hat. Es scheint ihm also schon wieder viel besser zu gehen.“

„Und das alles nur, weil du zur rechten Zeit das Rechte getan hast, Sedrin El Demeta!“, sagte Joran aus dem Hintergrund. „Aber du weißt hoffentlich, dass …“ „Mir ist bekannt!“, sagte Sedrin energisch. „Dass ich ein schier unverschämtes Glück hatte! Wäre es zu Komplikationen gekommen, auf die das Erste-Hilfe-Programm auch nicht hätte reagieren können, dann hätte er auch sterben können! Das ist mir durchaus bewusst und ich bin Mutter Schicksal sehr dankbar, dass sie mir zur Seite gestanden hat! Ich weiß, dass ich deshalb noch lange keine Ärztin bin, Joran! Selbstüberschätzung war noch nie einer meiner Charakterzüge! Ich glaube, da verwechselst du mich mit deiner ehemaligen Gebieterin!“

„Jetzt hört mal auf zu streiten!“, ließ sich Zirells Stimme wenig später vernehmen. „Wir sind nämlich inzwischen alle vollzählig. Sie deutete hinter sich, wo sich jetzt auch Shimar eingefunden hatte. Dann befahl sie IDUSA an meiner Statt, die Blockade der Tür aufzuheben.

„Also, Allrounder.“, wendete sich Sedrin jetzt ruhig an mich, die ich vor Aufregung bebend vor ihr stand. „Was müssen Sie so dringend mit mir besprechen. Ihrem Verhalten nach muss es ja etwas Weltbewegendes sein!“ „Das ist es auch, Agent!“, stieß ich aufgeregt und vor Aufregung ganz atemlos und zitternd hervor. „Wissen Sie, die Tindaraner, nein, die Nidari-Travelers, wir müssen …“

Sie stellte sich hinter mich und legte mir ihre rechte Hand auf die Schulter. Dann näherte sich ihr Mund meinem rechten Ohr, in das sie flüsterte: „Trancilarin.“ Das war demetanisch und bedeutete so viel wie: „Beruhigen Sie sich!“ Aber es brachte mich auch dazu, ihr unwillkürlich ebenfalls in ihrer Muttersprache zu antworten: „Ne trancilaris ke, Sea!“, was, da ich im Gegensatz zu ihr das Futur benutzt hatte, hieß: „Ich werde mich nicht beruhigen, Madam!“ „Na gut.“, sagte Sedrin wieder in Englisch zu mir. „Dann machen wir das jetzt eben erst mal anders! Zirell, bitte lass mich deinen Raum benutzen.“ Die Tindaranerin nickte nur, worauf Sedrin mich bei der rechten Hand nahm und mich mit den Worten: „Kommen Sie!“, aus der Kommandozentrale zog.

Es dauerte nicht lange und wir waren in Zirells Bereitschaftsraum angekommen. „Woher wussten Sie, dass es mir hier leichter fallen würde, zu reden?“, fragte ich. „Ich kenne solche Situationen mit Illiane.“, erklärte Sedrin. „Sie hatte ihre Schwierigkeiten damit, vor mehreren Vorgesetzten frei zu reden. Aber ich hatte immer gedacht, das träfe auf Sie nicht zu, Betsy.“ „Normalerweise ist das auch nicht so.“, sagte ich. „Aber dieses Mal …“

Ich musste tief durchatmen. „Sehr guter Anfang!“, lobte Sedrin und führte mich zu einem der typischen tindaranischen Sitzkissen. Sie selbst holte sich auch eines und setzte sich mir gegenüber. Dann sagte sie: „Und jetzt mal ganz langsam von Anfang an. Was wäre Ihr Lösungsvorschlag?“ „Ich glaube.“, setzte ich an. „Dass wir das Pferd mal von hinten aufzäumen sollten.“, sagte ich. „Na, davon verstehen Sie ja was.“, sagte Sedrin grinsend, um die Situation aufzulockern. „Ich meine.“, fuhr ich fort, ohne wirklich auf ihren kleinen humorigen Einwurf einzugehen. „Dass wir ja die ganze Zeit versuchen, den Tindaranern zu beweisen, dass es die Nidari-Travelers gibt. Aber was ist, wenn wir den Nidari-Travelers erst mal beweisen, dass es die Tindaraner gibt? Ich meine, dann haben sie ja auch einen Anlass, sich direkt bei ihnen zu melden und …“

Ich hörte ihre Kleidung rascheln und dann ihre Schuhe auf den Boden tippen. Einen Moment lang dachte ich sogar, jetzt hätte ich etwas Schlimmes angestellt. Dieser Gedanke verflog aber sofort wieder, als ich spürte, wie mich zwei kräftige Arme an einen mit weichen Kleidern verhüllten Körper drückten und wohl nicht die Absicht hatten, mich sobald wieder loszulassen. Dann hörte ich ihre laute und energische Stimme erfreut rufen: „Allrounder, das ist großartig! Den Beweis dafür tragen Sie ja schließlich in sich! Wir müssen nur noch eine Möglichkeit finden, ihre Dimension zu finden und dorthin zu gelangen! Aber das besprechen wir am Besten mit allen gemeinsam! Kommen Sie! Wir gehen wieder zurück!“

Damit zog sie mich strahlend auf die Beine und führte mich beschwingten Schrittes in die Kommandozentrale zurück, wo uns eine sehr stark staunende Zirell erwartete. „Was habt ihr denn Tolles in meinem Bereitschaftsraum erlebt?!“, fragte sie grinsend, denn Sedrins Grinsen musste irgendwie ansteckend sein. „Zirell, du musst sofort eine Offiziersbesprechung anberaumen!“, sagte Sedrin bestimmt. „Ich schätze, sie hat uns gerade die Lösung all unserer Probleme aufgezeigt!“ Dabei deutete sie auf mich. „So, muss ich das.“, sagte Zirell. „Aber da ich ja sehr neugierig bin und nicht davon ausgehe, du lieferst mir die Lösung gratis, werde ich tun, worum du mich jetzt gerade gebeten hast. IDUSA, gib allen Bescheid! Konferenz in einer Stunde in Konferenzraum J14!“ „Wie Sie wünschen, Commander.“, gab der Rechner nüchtern zurück.

Data und Jaden waren an Datas und Cupernicas Haus angekommen. Der Androide hatte seinen Jeep abgestellt und dem Terraner dann bedeutet, ihm zu folgen. So waren die Männer in die privaten Räume von Data und Cupernica gelangt, die sich gleich an den Trakt mit der Praxis anschlossen.

„Mein Mann informierte mich bereits per F-14-Code, dass Sie meiner Hilfe bedürfen.“, sagte Cupernica und lächelte sogar dabei. Dies war zwar ein erlerntes Verhalten, aber sie wusste durchaus, wann es angebracht war. „Dann muss ich Ihnen ja nich’ alles noch mal vorkauen.“, sagte Jaden und seufzte auf. „Nein, das müssen Sie nicht, Sir.“, sagte Cupernica aus Gewohnheit, die ja lange unter Huxley gedient hatte.

Der Blick des Terraners fiel auf Novus, der sich mit seinen Eltern und ihm jetzt im Wohnzimmer befand. „Wir sollten das Kind spielen schicken.“, meinte Huxley. „Auch wenn er ein Androide ist, würde ich mich damit einfach wohler fühlen.“ „Also gut.“, sagte Data. Dann wendete er sich an Novus: „Bitte geh spielen, mein Sohn!“ „Wie du wünschst, Vater.“, sagte der künstliche Junge folgsam und ging aus der Tür. Cupernica und Data hatten wohlweislich verschwiegen, dass Novus über alles informiert war. Sie dachten sich wohl, dass eine solche Tatsache auf den Terraner etwas befremdlich wirken könnte. Schließlich war Jaden es bestimmt nicht gewohnt, dass ein 6-jähriges Kind über Dinge informiert war, die eigentlich nur die Erwachsenen etwas angingen. Dass Novus sich bereits ebenfalls mit der Lösung des Problems beschäftigte, ahnten sie nicht.

Cupernica hatte ihre Gäste nun auf die Terrasse geführt, von der aus man auch in den Garten sehen konnte. Dort hatten sich alle drei jetzt auf einige Stühle um einen Tisch herum gesetzt. „Ich kann also davon ausgehen, dass Sie Bescheid wissen, Scientist.“, sagte Jaden. „Dann wissen Sie ja auch, was für ’ne Blamage wir bei der Zeitung erlebt haben.“ „Ihre Annahme ist korrekt.“, sagte die Androidin. „Aber so blamabel finde ich das gar nicht. Schließlich kann die Absicht, bei der Wahrheit zu bleiben, Ihnen einen sehr guten Leumund bescheinigen und die Regierungen der Tindaraner und der Föderation könnten doch noch geneigt sein, Ihnen zu glauben. Hätte mein Mann gelogen, was ihm ja nicht möglich ist, wie Sie wissen, sähe das sicher anders aus.“ „Sie klingen schon wie Agent Malcovich.“, sagte Jaden lakonisch. „Ich nehme das als Kompliment.“, sagte die ehemalige Schiffsärztin der Eclypse. „Aber lassen Sie uns nun doch über unser primäres Problem reden. Der Einzige, der beweisen kann, dass Sytania hiermit nichts zu tun hat, ist doch eindeutig Caruso, nicht wahr?“ Data und Jaden nickten einhellig. „Dann müssen wir den Regierungen ja nur zeigen, dass …“, führte Cupernica aus, aber Jaden fiel ihr ins Wort: „Moment! Was macht denn Ihr Sohn da? Also, nach Spielen im konventionellen Sinne sieht mir das nicht aus. Aber vielleicht spielen Androiden ja anders. Sehen Sie. Er winkt sogar zu uns herüber.“ „Dann sollten wir mal nachsehen, was er für uns hat.“, sagte Cupernica und stand von ihrem Stuhl auf. Sie hatte es absichtlich vermieden, Jaden zu fragen, ob er etwas zum Trinken oder Essen haben wollte, denn sie kannte ihren ehemaligen Commander zur Genüge und wusste, dass er, wenn ihm eine Laus über die Leber gelaufen war, oft keinen Appetit hatte. Es wäre zwar höflich gewesen, ihn danach zu fragen, aber Cupernica wusste, dass diese Frage wohl müßig wäre. Auch Data und Jaden folgten ihr.

Der Weg führte alle drei in den Garten, in dessen hinterem Teil Novus offensichtlich damit beschäftigt war, etwas zu bauen. Die Konstruktion glich einer Drahtröhre, die etwa 60 cm im Durchmesser war und eine Länge von etwa 9 m hatte. Sie war in drei Kammern unterteilt und ihr hinteres Ende war fest mit Draht verschlossen. In etwa 5 cm Höhe war eine Vorrichtung mit einem Futternapf in der dritten und letzten Kammer angebracht. Dieser konnte durch eine etwa handgroße Klappe in der hinteren Drahtwand herausgenommen werden. In der mittleren Kammer an der Decke befand sich eine Vorrichtung, in die ein Zylinder gespannt werden konnte, wie er zum Aufbewahren von Energieproben zu kriminalistischen Zwecken verwendet wurde. Die erste Kammer, welche den Eingangsbereich bildete, war leer. Allerdings zweigte von ihr das Ende einer weiteren Röhre ab, das mit einer strahlendichten Tür vom Rest getrennt war. Diese hatte eine Halbmondform und ihr zweites Ende mündete ebenfalls seitlich in die Kammer mit dem Futternapf. Alle Türen in der Röhre, also auch die, welche die Kammern trennten, waren strahlendicht. Das Ganze sah also aus wie der Buchstabe D.

Beeindruckt sah sich Jaden diese Konstruktion an. „Was hast du denn da gebaut, Novus?“, fragte er erstaunt. „Nun.“, erklärte der Androide. „Ich hoffe, dass wir mit Hilfe dieser Konstruktion allen beweisen können, dass Sytania hiermit nichts zu tun hat. Wir benötigen nur noch einen Zylinder mit einer Energieprobe von ihr. Ich bin aber sicher, dass Agent Malcovich uns den besorgen kann. Wenn Caruso zum Thunfisch gehen sollte, ohne sich von der Energie in dem Zylinder irritieren zu lassen, wissen wir, dass Katzen für Thunfisch wirklich alles tun würden und dann hätte Nugura mit ihrer Meinung sicher wirklich Recht und das wäre kein Beweis. Davon gehe ich aber nicht aus. Wir müssen nur noch dafür sorgen, dass möglichst viel Öffentlichkeit von unserem Experiment erfährt. Ich denke, hier wird wieder Mrs. Karen Malcovich ins Spiel kommen. Sie hat doch sicher noch mehr Kontakte zu Presse und Fernsehen, die es uns ermöglichen sollten, unser Experiment allen zu Ohren und zu Augen kommen zu lassen, also auch den Regierungen.“

Jaden gab einen auf sehr großes Erstaunen hindeutenden Laut von sich. Dann sagte er: „Du bist ja echt ’n kleines Genie, Novus. Das hier hätte ich dir nich’ zugetraut. Immerhin bist du erst sechs!“

Data und Cupernica waren hinzugetreten und hatten jenes Bauwerk ihres Sohnes ebenfalls studiert. „Ich muss meinem ehemaligen Vorgesetzten Recht geben.“, sagte Cupernica und man konnte fast glauben, etwas Stolz aus ihrer Stimme entnehmen zu können. „Diese Eigenschaft hat er aber eindeutig von dir geerbt.“, sagte Data und schaute seine Frau mit einem fast schmeichelnden Blick an. „Du bist wie immer ein Schmeichler erster Güte.“, sagte Cupernica. „Ich habe gelernt, dass es in Partnerschaften üblich ist, sich ab und zu Komplimente zu machen.“, erklärte Data. „Insbesondere scheint es üblich zu sein, dass der Mann dies gegenüber der Frau tut.“

Jaden hatte die gesamte Zeit über die Augen nicht von der Drahtkonstruktion gewendet. Dabei war ihm aufgefallen, dass sich auch Caruso dieser genähert hatte. „Ja, ja.“, schmeichelte er. „Mach dich nur schon mal damit vertraut. Dann ist nachher alles sehr viel leichter.“ Der Kater schnurrte und warf ihm einen freundlichen Blick zu. Er hatte sicher nicht verstanden, was Jaden gemeint hatte, aber er genoss es, freundlich angesprochen zu werden, da er wusste, dass menschliche Ansprache meistens etwas Positives nach sich zog.

Der Terraner drehte sich wieder Cupernica, Data und Novus zu. „Es sieht aus, als würden wir die Hilfe der Schwestern Malcovich erneut brauchen.“, sagte er. „Also. Ich würde sagen, Data und ich fahren noch mal zu Kate und Karen Malcovich und Sie, Scientist, verständigen Nugura. Ihnen wird sie am Ehesten glauben. Ich will, dass sie schon mal informiert ist, damit sie nicht so ins kalte Wasser geworfen wird. Soweit ich mich erinnere, mag sie das nämlich gar nicht.“ „In Ordnung.“, nickten alle Jadens Plan ab und dann gingen sie in Richtung Jeep und Haus. Jaden warf Novus noch ein kurzes: „Danke, mein Kleiner. Die wird staunen.“, zu.

Auf 281 Alpha waren wir alle inzwischen im Konferenzraum eingetroffen und Zirell hatte erläutert, wie die Situation aussah. „Allrounder Betsy Scott hat aber bereits eine Idee, wie wir das Problem lösen können.“, endete ihr Referat. Dann schob Sedrin mich wie auf Stichwort in die Mitte des Raumes. „Ich denke.“, begann ich. „Dass wir die ganze Zeit das Pferd von der falschen Seite aufgezäumt haben.“ „Das dürfte doch unmöglich sein.“, meldete sich Joran, der mit geflügelten Worten auf Englisch im Allgemeinen noch seine Schwierigkeiten hatte. Wie allen bekannt sein dürfte, vermied er es aus verständlichen Gründen, einen Universalübersetzer zu benutzen. „Im Prinzip ganz richtig, Joran.“, lächelte ich. „Deshalb funktioniert es ja auch in diesem Fall nicht. Der Grund, aus dem die Zusammenkunft so beleidigt ist, ist doch der, dass die Nidari-Travelers sie nicht direkt kontaktiert haben, sondern den Umweg über die Föderation gewählt haben. Aber wie sollten sie denn auch eine Rasse kontaktieren, von der sie annehmen müssen, dass es sie gar nicht gibt?! Wie wäre es also, wenn wir den Nidari-Travelers erst mal beweisen, dass es die Tindaraner wirklich gibt? Den Beweis dafür trage ich in mir. Deshalb würden Agent Sedrin und ich das gern übernehmen. Wenn ein Tindaraner mitkäme, wäre das sicher zu viel für sie. Mit der Tür ins Haus fallen, das sollten wir nicht. Wir könnten sie dadurch vergrätzen. Das wäre aus diplomatischer Sicht sicher der falsche Weg.“ „Agent Sedrin und du.“, sagte Zirell. „Das halte ich auch für eine gute Idee. Ihr beide seid Sternenflottenoffizierinnen und gehört somit der Föderation an. Wenn ihr also den Nidari-Travelers vorsichtig beibringt, dass wir existieren, dürfte das tatsächlich funktionieren. Das denke ich auch. Dann könnten die sich ja immer noch an die Zusammenkunft wenden. Vor allem dann, wenn sie hören, was ihre Kontaktversuche für Konsequenzen nach sich gezogen haben. Also gut! Nur, wie wollt ihr das anstellen?“

Sedrin stellte sich neben mich. „Wir werden zuerst mal versuchen, ihre Dimension zu finden.“, sagte sie. „Dazu sollten wir die Daten benutzen, die ich sammeln konnte. Ich habe eine Restsignatur eines Neuralmusters auf meinem Erfasser. Das Muster gehörte offenkundig zu einem Nidari-Traveler.“ „Sicher zu dem, dem Betsy begegnet ist.“, vermutete Maron. „Zu wem denn wohl sonst?!“, fragte Sedrin mit leicht verärgertem Tonfall. „Vergib mir bitte, Sedrin.“, bat Maron. „Aber ich bin so schrecklich nervös. Hast du eine Ahnung, was gerade durch die Nachrichten geht? Weißt du, dass Nugura erwägt, in den Krieg mit einzusteigen, wenn es einen geben sollte? Die Einzigen, die das bisher verhindern, sind die Vulkanier mit ihrem Veto. T’Mir erwägt sogar, Vulkan aus der Föderation zu nehmen. Ihr Parlament, der Hohe Rat, hat diesem Vorschlag bereits zugestimmt, weil sie das Verhalten der Zusammenkunft und der Regierung der Föderation als höchst unlogisch verurteilt haben und ihnen so etwas nicht zugetraut haben. Ich glaube, die Vulkanier sind von deiner Regierung, Zirell, maßlos enttäuscht!“ „Es ist jetzt auch deine Regierung, Maron.“, verbesserte Zirell ihren ersten Offizier. „Vergiss das bitte nicht! Schließlich arbeitest du jetzt auch für sie!“ „Ja.“, sagte Maron und fügte deutlich leiser bei: „Leider. Ich hätte ihnen wirklich mehr Vernunft unterstellt. Allrounder Betsys Erklärung ist sicher genau das, aber keine Entschuldigung.“

Jenna war von ihrem Platz aufgestanden und hatte sich ebenfalls in die Mitte des Raumes begeben. „Wir schweifen ab, Ladies und Gentlemen.“, stellte die hoch intelligente Halbschottin fest. „Agent Sedrin, wie haben Sie sich vorgestellt, die Dimension der Nidari-Travelers zu finden?“ „Wir sollten die interdimensionale Sensorenplattform mit den Daten aus meinem Erfasser füttern.“, schlug die Demetanerin vor. „Sie sollte auch in der interdimensionalen Schicht nach Energiepfaden suchen, die von den Nidari-Travelers unter Umständen dort hinterlassen worden sein könnten. Jeder Schiffsantrieb hinterlässt solche Spuren. Die Nidari-Travelers bestehen aus reiner Energie und hinterlassen sicher auch ihre Spuren beim Durchqueren der Schicht.“ „Sie könnten Recht haben, Agent.“, sagte Jenna. „Und dann könnten wir sicher auch Rückschlüsse darauf ziehen, wie ihre Dimension aussieht. Ich denke, da sie nicht körperlich sind, wird ihre Dimension auch von der Unseren abweichen. Körperlose können im Allgemeinen in einer Dimension der Körperlichkeit, wie sie unsere beiden Universen sind, nicht lange überleben, ohne sich selbst einen Körper zu suchen oder zu erschaffen.“ „Damit kennen Sie sich ja aus, McKnight.“, sagte Sedrin. „Ihre Erfahrungen mit Lord Grandemought haben dazu sicher ihren Teil beigetragen.“ „Das stimmt, Agent.“, sagte Jenna. „Und in einer solchen Dimension herrschen auch sicher ganz andere Naturgesetze. Es könnte also sein, dass die Systeme der Schiffe, vor allem denke ich an den Antrieb, nicht funktionieren.“ „Also schön.“, sagte Zirell. „Schauen wir uns das erst mal mit der Plattform an! Sedrin, bitte gib mir deinen Erfasser.“ Die Agentin nickte und übergab ihr das Gerät.

Shimar, den Ishan inzwischen wieder gesundgeschrieben hatte, meldete sich zu Wort: „Mit welchem Schiff wollt ihr denn fliegen? Ich meine, ich wäre durchaus bereit, euch mit IDUSA hinzubringen.“ „Das sollten wir lassen, Shimar.“, sagte Sedrin. „Wenn du gerade richtig zugehört hast, dann weißt du, dass wir die Anwesenheit von Tindaranern erst mal ausschließen wollen, um die Nidari-Travelers nicht zu sehr zu erschrecken. Betsy und ich werden allein mit Lycira fliegen. Ich kann mir vorstellen, dass dir so ein Abenteuer auch Spaß machen würde, aber angesichts der Situation müssen wir sehr vorsichtig sein. Immerhin seid ihr für die genau so ein Mythos, wie sie es für euch sind. Ich weiß deinen Einsatz durchaus zu schätzen, aber …“ „Schon klar.“, sagte mein Freund lächelnd und setzte sich wieder.

„Würde Lycira tolerieren, wenn ich an ihrem Antrieb herumbasteln würde, Allrounder?“, fragte Jenna mich förmlich, eine Tatsache, die mir seltsam vorkam. So lange, wie wir uns schon kannten, hatte ich längst etwas weniger Förmlichkeit von ihr erwartet. „Ich denke, sie weiß, dass Sie ihr nichts tun, Techniker.“, erwiderte ich. Dabei betonte ich ihren Rang noch besonders, um sie auf den eben genannten Umstand aufmerksam zu machen. „Oh!“, lächelte Jenna, die längst gemerkt hatte, worauf ich hinaus wollte. Etwas anderes hatte ich aber auch nicht von ihr erwartet. „Ich verstehe schon, Betsy.“, sagte sie dann, um ihren kleinen Fauxpas von gerade wieder wettzumachen. „Schon OK, Jenna.“, sagte ich.

„Dann wissen ja alle, was sie zu tun haben.“, meinte Zirell. Alle nickten. „Na dann!“, sagte die tindaranische Kommandantin. „Mal alle wieder ab auf eure Posten! Sedrin, wir beide reden noch mal gesondert. Komm bitte erst mal mit in die Kommandozentrale!“ „OK, Zirell.“, sagte die Agentin und wendete sich danach an mich: „Sie entschuldigen mich! Verlustieren Sie sich doch noch ein wenig. Wir werden Sie rufen, sobald der Spaß losgeht.“ „Aye, Agent.“, nickte ich und ging, genau wie alle anderen auch, meiner Wege.

Zum Wiederholten Male hatte Saron das vulkanische Staatsoberhaupt an seine Vorgesetzte durchgestellt. Dem klugen Sekretär war klar, dass es ums Ganze ging. Zu lange hatte er die Korrespondenz zwischen Nugura und T’Mir bereits beobachtet und naiv war er beileibe nicht! Also wusste er ganz genau, dass Nugura es wohl nicht leicht haben würde und mit Sicherheit wirklich nicht gestört werden wollte, wenn sie das sagte. Um so mehr kam er nun ins Schwimmen, als er zum wiederholten Male jenes fremde Rufzeichen im Display des Sprechgerätes sah, das ihn schon den ganzen Morgen ziemlich genervt hatte, wenn man ihn nach seiner persönlichen Meinung fragte. Als Sekretär durfte er sich das natürlich nicht anmerken lassen, aber die Privatperson Saron hatte da durchaus seine Probleme. Die Inhaberin des Rufzeichens hatte ihm zwar gesagt, dass sie Offizierin der Sternenflotte war, aber trotzdem hatte Saron sich zunächst auf jene Scientist Cupernica nicht wirklich einen Reim machen können. Zwar war Nugura als Präsidentin der Föderation automatisch auch Oberbefehlshaberin der Sternenflotte, aber trotzdem musste ihr Sekretär nicht jeden Offizier persönlich kennen.

Jetzt waren Saron schon langsam die Ausreden ausgegangen und die Fremde dachte auch wohl gar nicht daran, ihre Rufe einzustellen. „Es tut mir leid, Scientist.“, bemühte sich Saron, ihr sachlich, aber bestimmt die Situation zu erklären. „Aber ich habe absolute Anweisung, meine Vorgesetzte nicht zu stören!“ „Also gut.“, sagte die Stimme am anderen Ende und täuschte zunächst, zumindest Sarons Interpretation nach, Einsicht vor. Dieser Eindruck schwand aber gleich wieder, als sie sagte: „Dann werde ich Ihnen jetzt erklären, was ich will. Vielleicht können Sie ja Ihre Vorgesetzte dann überzeugen, dass es sehr wichtig ist, mit mir zu sprechen, wenn sie die Föderation vor einem aus der Unvernunft geborenen Abenteuer bewahren will, was sie, zumindest meiner Meinung nach, als gute Präsidentin, auf jeden Fall tun sollte.“ „Einem aus der Unvernunft geborenen Abenteuer.“, zitierte Saron. „Sie reden, als wären Sie Vulkanierin.“ „Fast.“, sagte Cupernica nüchtern. „Ich bin Androidin. Und jetzt, da Sie das wissen, Mr. Saron, werden Sie sich ausrechnen können, dass Sie ein Duell der Geduld, wie Sie es offensichtlich anstreben, auf jeden Fall gegen mich verlieren werden. Die Tatsache, dass ich Sie immer und immer wieder rufe, wird bei Ihnen zwar irgendwann eine nervliche Krise auslösen, mich aber lässt dieser Umstand gänzlich unberührt. Sehen Sie: Jeder Computer gibt, wenn etwas nicht stimmt, eine Fehlermeldung heraus, solange das Problem andauert, was dem Fehler zugrunde liegt, auch wenn dies seinen Nutzer noch so sehr nervt. Genau so werde ich mich immer und immer wieder bei Ihnen melden, bis Sie oder Nugura mich anhören! Sie sehen also, es liegt ganz bei Ihnen, diese für Sie so sehr unbequeme Situation zu beenden.“ „Sie versuchen doch nicht etwa, mir zu suggerieren, dass ich eine Kontrolle über die Situation habe, die mir aber nicht wirklich obliegt.“, erkannte Saron. „Wenn ja, dann ist das ein ziemlich übler psychologischer Kniff, den Sie da gerade anwenden, meine Liebe. Woher haben Sie solche Informationen? Sind Sie …“ „Wie Sie meinem Rang entnehmen können.“, fiel ihm Cupernica ins Wort. „Bin ich medizinisch ausgebildet. Dazu gehört auch ein Kurs in Psychologie.“ „Ah so.“, sagte Saron, dem so langsam klar wurde, mit wem er es hier zu tun hatte. „Ganz ehrlich, Scientist, ich selbst habe auch kein gutes Gefühl bei der Sache mit dem Krieg. Ich finde auch, die Zusammenkunft hätte warten sollen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind, bevor sie Krieg und Pulverfass schreit. Aber anscheinend sieht das Nugura ja anders.“ „Rein juristisch.“, erklärte Cupernica. „Muss, oder wenigstens kann, sie es auch anders sehen. Wir haben immerhin eventuell einen Bündnisfall. Das bedeutet, wenn die Zusammenkunft uns um Hilfe bittet, können wir ihr diese gewähren. Ich denke, dass Nuguras Entscheidung auch etwas mit der Tatsache zu tun hat, dass demnächst wieder Wahlen anstehen. Sie denkt wohl, dass sie schlecht beim Wähler ankäme, wenn sie die Tindaraner jetzt im Stich lassen würde. Das einfache Volk hat sicher nicht die Informationen, die wir besitzen. Es könnte also durchaus so ankommen. Allerdings verfüge ich über eine Möglichkeit, ein für alle Mal zu beweisen, dass Sytania in diesem Fall komplett unschuldig ist!“ „Das haben die Vulkanier ja auch schon versucht.“, sagte Saron, dem gar nicht auffiel, dass er mit ihr bereits über sämtliche Details sprach. Sie hatte ihn genau dort, wo sie ihn haben wollte, aber das war ihm auch ganz recht. Er wusste ja, dass sie Ärztin war und als solche zum Schweigen verpflichtet. Jedes Wort, das sie jetzt wechselten, würde also zwischen ihnen beiden verbleiben. „Aber sie sind kläglich gescheitert. T’Mir droht sogar, Vulkan aus der Föderation zu nehmen! Stellen Sie sich das mal vor, Cupernica! Was glauben Sie, wird das für eine psychologische Wirkung auf den einfachen Bürger auf der Straße haben, wenn ein Gründungsmitglied die Föderation verlässt?! Das wäre, als würden Sie einem gesunden Patienten ein lebenswichtiges Organ entnehmen und ihn dann seinem Schicksal überlassen!“ „Ihre Reaktion, Mr. Saron, zeigt mir sehr schön.“, sagte Cupernica. „Was das bei Ihnen ausgelöst hat. Sicherlich weiß T’Mir um das Potential ihrer Drohung. Sie weiß bestimmt, dass diese bei ihren Landsleuten wohl nichts bewirken wird, aber die Wirkung ist ungleich größer beim Rest, bei Ihnen inklusive. Aber wir beide, Mr. Saron, Sie und ich, wir können die Patientin Föderation vielleicht noch retten. Dazu ist es nur dringend notwendig, dass Sie mich jetzt gleich an Nugura durchstellen! Ich werde dann alles Weitere mit ihr besprechen.“ „Das geht leider nicht, Scientist Cupernica.“, sagte Saron. „Sie wird die Sprechanlage nicht beantworten.“ Er sah auf das Display. „Außerdem spricht sie gerade. Aber es wird doch mit Sicherheit noch einen anderen Weg geben. Wie wäre es, wenn Sie mir erläutern, was Sie zu sagen haben und ich es ihr dann als Nachricht zukommen lasse?“

Saron hatte wieder nicht bemerkt, dass er auf ihre Schliche hereingefallen war. Ihre Art, ihm einzureden, dass er einen gewichtigen Beitrag zur Rettung der Föderation leisten konnte, hatte offensichtlich Früchte getragen. Aber wenn er ehrlich mit sich selbst war, dann hatte er es auch nicht merken wollen. Zu sicher fühlte er sich bei ihr! Es tat ihm gut, über die brisante Situation mit jemandem unverfänglich zu reden.

„Also gut, Mr. Saron.“, sagte die Androidin. „Dann möchte ich Sie bitten, einen Augenblick in der Leitung zu warten. Ich werde die Verbindung jetzt auf mein Handsprechgerät umlegen und Sie dann quasi mit in den Garten nehmen. Hier werde ich dann alles weiter ausführen.“ „OK.“, sagte Saron. „Ich warte.“ Dann hängte er vertrauensvoll das Mikrofon ein, allerdings, ohne die Verbindung zu beenden.

 

Aus dem Sprechgerät ertönten die fünf ersten Töne einer Wartemusik, die aus einer demetanischen Volksweise bestand. Dann hörte er erneut Cupernicas Stimme, die jetzt im Hintergrund von leisem Vogelgezwitscher begleitet wurde. „Ich bin jetzt dort, Mr. Saron.“, sagte sie. „Bitte achten Sie auf meine Kameraführung.“ Sie hielt das Sprechgerät in Richtung von Novus’ Konstruktion. „Mit diesem Käfig.“, führte sie aus. „Und mit der Hilfe unseres Katers Caruso werden wir beweisen, dass Sytania unschuldig ist. Es fehlt zwar noch ein wichtiges Stück, aber das werden wir schon noch bekommen. Da sehe ich überhaupt keine Schwierigkeiten.“ „Mit Hilfe eines Tieres?!“, fragte Saron irritiert und Cupernica konnte sehr gut die Angst in seiner von den normalen Frequenzen abweichenden Stimme feststellen. „Das wird Nugura uns nicht abnehmen! Sie wird sich nicht die Blöße geben wollen! Schon gar nicht vor den Vulkaniern! Was immer Sie auch vorhaben, sie wird …“ „Aber nein, Mr. Saron.“, tröstete die Androidin. „Gerade dann werden Sie in der Lage sein, zu beweisen, dass es manchmal sehr hilfreich sein kann, auf die Instinkte einer vergleichsweise primitiven Lebensform zu hören. Die Geschichte hat bewiesen, dass dies sogar einmal einem vulkanischen Ermittler geholfen hat, Thomas Eugene Paris zu entlasten. Ich würde mich an Ihrer Stelle mal an Ihre neue Archivarin wenden. Ich bin überzeugt, Dalylla wird die Datei sehr schnell finden und sie Ihnen genau so schnell zukommen lassen. Dann haben Sie genug Munition, um Nugura zu überzeugen. Stellen Sie sich vor, wie das ankäme, wenn ein einfacher Sekretär und eine einfache Archivarin gemeinsam die Politiker vor einem Einstieg in einen sinnlosen Krieg bewahren würden!“

Saron bemerkte nur noch fast schlafwandelnd, wie sich sein Kopf bei gedrücktem Sendeknopf senkte. Dann sagte er: „Sie verstehen es sehr gut, jemanden zu manipulieren.“ „Ja.“, gab Cupernica unumwunden zu. „Weil es in diesem Fall notwendig ist und einem höheren Ziel dient. Aber dazu gehören auch immer zwei. Nämlich einer, der manipuliert und einer, der sich manipulieren lässt und ich habe den Eindruck, Sie spielen im Moment gern die Rolle des Letzteren.“ „Sie haben Recht.“, gestand Saron. Er wusste genau, dass sie wusste, wie gut es ihm tat, dass sie ihm auf diesem Wege eine Lösung offerierte. „Dann sind wir uns ja einig, Mr. Saron.“, sagte Cupernica mit einem konspirativen Gesichtsausdruck. „Das sind wir, Scientist.“, bestätigte Saron und beendete die Verbindung.

Nach seinem Gespräch mit Cupernica musste Saron erst mal tief durchatmen. Sie hatte ihm da gerade eine Menge Informationen geliefert, die es erst mal galt zu verarbeiten. Er war sicher, dass sie ihm die Namen nicht umsonst gesagt hatte. Sicher hatte sie ihn mit Daten versorgen wollen, die ihm und Dalylla die Suche im Archiv erleichtern sollten. Er wusste, dass sie, da sie ein Gedächtnis wie eine Datenbank hatte, das einmal gelernte nicht so schnell wieder vergessen würde.

Er fasste sich ein Herz und betätigte die Sprechanlage, indem er sie auf internen Ruf stellte und das Rufzeichen des Archivs eingab. Am anderen Ende der Verbindung antwortete tatsächlich Dalylla. Jene Dalylla, in die er gerade alle Hoffnung setzte. „Was gibt es denn, Mr. Saron?!“, fragte die junge Celsianerin mit ihrer glockenhellen Stimme. „Ich muss Sie bitten, mir einen wichtigen Gefallen zu tun.“, sagte Saron.

Dalylla war schnell bewusst, dass er sehr herumdruckste. „Na, worum geht es denn?!“, fragte sie mit fast mitleidiger Betonung. „Bitte hören Sie auf, mich so zu bemitleiden.“, sagte der Sekretär unwirsch. „Oh, is’ ja schon gut.“, flapste Dalylla. „Ich wollte ja nur nett sein!“ „Mir tut es leid.“, sagte Saron. „Aber die ganze Situation …“ „Welche Situation denn?“, fragte die junge Archivarin. „Ich rede von der allgemeinen politischen Situation.“, sagte Saron. „Aber ich habe einen Tipp bekommen, dass gerade Sie mir helfen können sollen. Wir müssen vielleicht etwas mit Hilfe historischer Daten untermauern. Ich gebe Ihnen mal einige Stichworte, nach denen Sie suchen sollten: Thomas Eugene Paris, vulkanischer Ermittler und Tier.“ „Komischer Mischmasch.“, brummelte Dalylla. „Aber ich werde mein Bestes tun. Warten Sie mal kurz, oder besser, ich rufe Sie zurück, sobald ich was habe.“ „OK.“, erklärte sich Saron einverstanden und beendete die Verbindung.

In zähen Verhandlungen hatte Nugura die letzten Minuten verbracht. Es sah immer mehr danach aus, als würde T’Mir die Drohung, Vulkan aus der Föderation zu nehmen, tatsächlich wahr machen. „Sie dürfen nicht vergessen, dass wir einen Bündnisfall haben.“, sagte Nugura. „Wenn Sytania die Tindaraner angreift, müssen wir das, zumindest meiner Meinung nach, genau so betrachten, als seien wir selbst betroffen. Schließlich sind die Tindaraner unsere politischen Verbündeten.“ „Darin stimme ich Ihnen zwar durchaus zu, Nugura.“, sagte T’Mir gewohnt ruhig und sachlich. „Aber wie sagt man noch auf der Erde? Eine Freundschaft muss auch mal einen Sturm aushalten können. Ich erinnere mich noch gut an Zeiten, in denen die Tindaraner sich auch von der Föderation und ihrem Handeln distanziert haben und da hat auch niemand den Bündnisfall angeführt. Ihr momentanes Verhalten, Nugura, ist also zutiefst unlogisch. Die einzige Erklärung, die ich hätte, wäre die Tatsache, dass wieder eine Wahl ansteht und Sie befürchten, von den zumeist sehr emotional gelenkten Wählern keine Stimmen zu bekommen! Ich weiß, dass wir Vulkanier und die künstlichen Lebensformen nur einen sehr geringen Teil der Wählerschaft ausmachen. Daher ist aus Ihrer Sicht ein solches Verhalten sicher nachvollziehbar, aber dennoch höchst unvernünftig! Auf so etwas können und wollen wir uns nicht einlassen! Ich werde also in diesem Moment meinen Planeten aus der Föderation nehmen!“

Ihr letzter Satz ließ Nugura versteinern. Wie ein Echo, das sich in einer Warteschleife befand, wiederholte er sich in ihrem Kopf. Der Präsidentin war durchaus bewusst, was dieser Umstand für die Föderation bedeuten konnte. Faktisch war sicher alles nicht so schlimm, aber die psychologische Wirkung auf das einfache Volk durfte nicht unterschätzt werden. Sie hatte bereits die Überschriften der Zeitungen vor Augen, in denen sicher auch vom Zusammenbruch der Föderation die Rede sein konnte. Dass die Presse vieles aufbauschte, und dass die Leute dies eventuell sogar ihr zuschreiben könnten, war ihr bewusst. Blass sank sie in ihrem Stuhl zusammen.

Nervös saß Saron vor seinem Schreibtisch und ließ den Bildschirm mit seinem SITCH-Mail-Programm nicht aus den Augen. Er wusste zwar, dass ein Signal ihm, auch wenn er gerade nicht hinsah, jede eingehende Nachricht ankündigen würde, aber er wollte wohl nichts verpassen.

Tatsächlich kam auch in diesem Augenblick Dalyllas Nachricht herein. An sie gehängt war tatsächlich eine Datei, die sich mit jenem Ereignis befasste, auf das Cupernica ihn hingewiesen hatte. Im Textfeld standen nur die Worte: „Saron, ich hab’s gefunden!“

Sofort zog der Sekretär die Datei auf sein Pad. Dann stand er von seinem Stuhl auf und begab sich in Richtung der Zwischentür, die sein und das Büro seiner Vorgesetzten voneinander trennte. Leise klopfte er an, eine Tätigkeit, die in Zeiten von Gegensprechanlagen an fast jeder Tür sicher schon in Vergessenheit geraten war. Er hoffte, Nugura damit überraschen zu können, weil ihm irgendein unbestimmtes Bauchgefühl sagte, dass es jetzt wohl etwas Ungewöhnliches brauchte, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.

Tatsächlich fiel Nuguras Reaktion zunächst etwas seltsam aus. Die Präsidentin hatte dieses Geräusch nämlich zuletzt in einem historischen Simulationsprogramm gehört. „Kommen Sie herein, Mr. Saron.“, sagte sie etwas verwundert.

Saron legte den Finger auf den Sensor, der daraufhin die Tür öffnete. Dann trat er forschen Schrittes und mit lächelndem Gesicht ein. Gleich fiel ihm aber der im Gegensatz dazu traurige Ausdruck auf dem Gesicht seiner Chefin auf. „Was ist geschehen, Präsidentin?“, fragte Saron Anteil nehmend. „Was geschehen ist, Mr. Saron?“, fragte Nugura mit unglücklichem und fast verzweifeltem Ausdruck in der Stimme zurück. „Etwas Schreckliches ist geschehen! Sie hat es getan, Saron! Oh, sie hat es tatsächlich getan! Sie hat Vulkan aus der Föderation genommen! Bedenken Sie! Vulkan! Ein Gründungsmitglied! Die Presse wird darüber herfallen! Oh, sie werden das ausschlachten, als gäbe es kein Morgen! Oh, Mr. Saron, das wird eine Massenpanik auslösen. Die meisten Leute werden glauben, dass die Föderation auseinander bricht und das werden sie mir ankreiden! Da bin ich ganz sicher!“ „Dann habe ich hier gerade das geeignete Mittel, um Sie davon zu überzeugen, dass doch nicht alles verloren ist, Sea Federana.“, sagte Saron und holte grinsend das Pad hinter seinem Rücken hervor, um es mit einem triumphierenden Ausdruck vor ihr auf den Schreibtisch zu legen.

Skeptisch las sich Nugura den Inhalt durch. Dann bekam ihr Gesicht plötzlich einen zornigen Ausdruck und sie fuhr Saron an: „Sie erdreisten sich hier allen Ernstes, mir so etwas in unserer Situation unter die Nase zu reiben, Mr. Saron?! Und wie kommen Sie dazu, zu behaupten, es sei hilfreich?! Das möchte ich jetzt mal ehrlich von Ihnen wissen! Außerdem interessiert mich, ob diese Scientist Cupernica …!“ „Sie hat uns noch mehrmals gerufen, Madam President und ich hatte ein langes Gespräch mit ihr. Sie hat mir auch diesen Tipp gegeben.“, sagte Saron wahrheitsgemäß und sehr ruhig im Gegensatz zu ihr. Er wusste, dass er nichts zu verlieren hatte. „Sie will ein Experiment machen, in dem mit Hilfe ihres Haustieres bewiesen werden soll, dass Sytania hiermit ausnahmsweise mal nichts zu tun hat. Sie sagt, die Vulkanier werden …!“ „Haben Sie beide sich etwa zusammengetan, um mein Ansehen völlig in den Dreck zu ziehen?!“, fragte die Präsidentin der Föderation empört. „Wir können alle froh sein, dass T’Mir ihren Planeten bereits aus der Föderation genommen hat! Wenn sie das nicht schon getan hätte, hätte sie es jetzt mit Sicherheit, nachdem ich mich noch mal vor ihr so richtig zur Lachnummer gemacht hätte! Haben Sie das etwa beabsichtigt?! So etwas grenzt meiner Ansicht nach schon an Hochverrat, Mr. Saron! Ich werde im Arbeitsrecht nachsehen, ob ich Sie dafür nicht fristlos …!“ „Der Inhalt dieses Pads.“, fiel ihr Saron selbstbewusst ins Wort. „Beweist gerade das Gegenteil. Er beweist, dass Sie sich gerade vor den Vulkaniern nicht zur Lachnummer machen werden! Schließlich hat gerade ein Vulkanier in dem hier geschilderten Fall auf die Hilfe eines Tieres zurückgegriffen. Ein logischer und hoch entwickelter Vulkanier. Wenn sich also mit diesem Experiment, das der Scientist vorhat, beweisen lässt, dass Sytania hier ausnahmsweise unschuldig ist, dann werden sogar sie das glauben und Ihnen hoch anrechnen, dass Sie alles getan haben, um sich davon zu überzeugen. Wenn wir dann aufgrund der neuen Fakten noch Abstand von dem Kriegsvorhaben der Tindaraner nehmen, werden sie sicher auch in die Föderation zurückkehren! Statt einer fristlosen Kündigung sollten Sie mir also eine Belobigung aussprechen, Sea Federana!“

Mit dieser Reaktion hatte Nugura offensichtlich nicht gerechnet. Sie schluckte kräftig herunter und sagte dann: „Also gut, Mr. Saron. Ich will unsere gute Arbeitsbeziehung, die Jahre lang angedauert hat und für mich sehr profitabel war, nicht sofort über Bord werfen. Schließlich waren Sie all die Jahre hindurch mein engster und bester Berater. Sie waren besser, als es jedes andere Mitglied meines politischen Stabes je sein konnte. Es wäre doch reichlich dumm von mir, dies jetzt einfach wegzuwerfen. Damit würde ich den Vulkaniern ja tatsächlich beweisen, dass ich eine emotional gesteuerte Närrin wäre und sie würden dann auf keinen Fall zurückkommen! Und Scientist Cupernica? Sie hat sich auch oft als kompetente Person erwiesen. Geben wir ihr also eine Chance und wenn es allein dazu dient, die Vulkanier zurückzuholen, um so besser! Rufen Sie Cupernica zurück und sagen Sie ihr, dass ich einverstanden bin und das Experiment gern live mit ansehen würde. Oder, nein! Verbinden Sie mich am besten gleich selbst mit ihr! Dann informieren Sie die Fernseh- und Pressestationen über das Experiment! Jeder soll es sehen! Von mir aus auch, oder gerade ein paar Vulkanier! Informieren Sie auch deren Stationen. Noch dürfte es ja technisch für sie möglich sein, Föderationsfernsehen zu empfangen. Wenn wir uns also beeilen, kriegen sie auch noch alles mit! Rasch, Saron! Rasch!“ „Sofort, Madam President.“, nickte Saron und verschwand schleunigst wieder in sein Büro, um die notwendigen Gespräche zu führen.

Kapitel 11: „Das Ei des Columbus“

von Visitor

 

Data und Jaden waren wieder mit Datas Jeep zu dem Gebäude gefahren, in dem sie eine ihrer beiden neuen Komplizinnen vermuteten. Kate musste eigentlich noch dort sein. Ihr Dienst dauerte Jadens Berechnungen nach noch ungefähr drei Stunden. Da sie ja Sedrins neue Partnerin war und sich ihr Dienst somit an den seiner Frau koppelte, konnte dies ja wohl kaum anders sein.

Kelly Davis staunte nicht schlecht, als sie die Beiden erneut das Haus betreten sah. Sofort öffnete sie das Fenster ihres Häuschens und lächelte ihnen zu: „Was tun Sie denn schon wieder hier, Gentlemen? Man könnte ja glatt den Eindruck bekommen, Sie hätten etwas vergessen. Und warum sind Sie so hektisch, Commander Huxley?“ „Weil ich einen verdammten Krieg verhindern muss, Kelly!“, sagte Jaden und stellte sich breitschultrig vor ihr auf. Sie sollte wohl den Eindruck bekommen, dass er aus dieser Position auf keinen Fall eher weichen würde, bis er bekommen hätte, was er wollte. „Es gibt sicher keinen Grund, derart auf den Putz zu hauen.“, versuchte Kelly, ihn zu beschwichtigen. „Sagen Sie mir doch bitte erst einmal, was los ist. Vielleicht kann ich Ihnen ja auch ganz schnell und einfach helfen.“

Data fasste Jaden an der Jacke und zog ihn beiseite. „Hey! Was soll das?!“, empörte sich der etwas verwirrte Terraner. „Ich denke nicht, dass es Mrs. Davis’ Absicht ist, unsere Pläne zu sabotieren.“, sagte der Androide. „Ich weiß, dass Diplomatie nicht gerade deine Stärke ist, Jaden und ich denke, dass du mit deinem Verhalten eher dazu beitragen wirst, dass sie ihre Kooperation verweigert! Deshalb solltest du mich lieber reden lassen.“ „Ich wollte ihr ja nur verdeutlichen, wie dringend die Situation is’!“, erwiderte Jaden unwirsch. „Ich bin überzeugt.“, sagte Data. „Dass ihr diese Fakten auch bekannt sind. Ich denke nämlich, dass auch Mrs. Davis in der Lage sein dürfte, die politischen Nachrichten zu verstehen. Sie wird sicher tun, was sie kann, auch wenn das in ihrer Position vielleicht nicht sehr viel ist. Aber wenn du ihr weiterhin solche Angst machst, wird sie sicher …“ „Schon kapiert.“, sagte Jaden mürrisch. „Aber ich nehme dich mal beim Wort. Na dann mal vorwärts, du Superdiplomat! Zeig mal, was du drauf hast!“ „Gern.“, sagte Data freundlich, stolzierte mit fast überlegenem Ausdruck im Gesicht an Jaden vorbei und drehte sich dann lächelnd in Kellys Richtung, eine Fähigkeit, die ihm ebenfalls durch seinen Emotionschip ermöglicht wurde. „Bitte verzeihen Sie meinem Kollegen, Mrs. Davis.“, setzte er an. „Er ist manchmal etwas forsch. Aber die Wahrheit ist, dass wir dringend noch einmal mit Agent Malcovich sprechen müssen. Wir benötigen ihre Hilfe bei einem Experiment, dessen Leitung meine Frau übernehmen wird. Wir glauben, dass Caruso der Einzige ist, der uns vor einem schlimmen Krieg mit dem Dunklen Imperium bewahren kann. Dazu können auch Sie Ihren Beitrag leisten, indem Sie uns das Gespräch mit dem Agent ermöglichen.“ „Ach darum geht es.“, lächelte Kelly zurück. „Wissen Sie, Commander Data, einen Augenblick lang hatte ich das Gefühl, dass ich eingeschüchtert werden sollte und dass Sie sonst was von mir wollten! Aber dabei helfe ich Ihnen natürlich gern! Einen Augenblick nur. Ich werde sofort versuchen, Agent Malcovich zu erreichen.“

Sie schloss das Fenster und wandte sich der Sprechanlage zu. Data und Jaden warteten geduldig. „Das hat Sedrin mir auch immer vorgeworfen.“, sagte Jaden resigniert. „Dass ich die Sensibilität einer Abrissbirne hätte! Sie hat es zwar nie direkt gesagt. Schon gar nicht in Gegenwart der anderen Brückenoffiziere oder gar in der niederer Ränge, aber gedacht hat sie es bestimmt! Ich habe ja alles versucht, aber es klappt einfach nicht mit der Diplomatie, weißt du? Ich kann halt nich’ aus meiner Haut. Allerdings denke ich nich’, dass das ein Menschheitsproblem ist, sondern eher ein Jadenproblem. Es gibt ja durchaus menschliche …“ „Als Nächstes.“, fiel ihm Data ins Wort, dem längst klar war, wohin das wieder führen würde. „Wirst du dich bestimmt fragen, wie du es dennoch zum Commander der Sternenflotte geschafft hast! Aber diese Frage kann ich dir beantworten. Es wird Fächer gegeben haben, in denen du außerordentlich gut warst, die ebenfalls zum Berufsbild eines Raumschiffkommandanten gehören! Aufgrund dieser Tatsache wird man dir dann doch dein Patent gegeben haben. Du bist ja nie allein auf deinem Schiff. Deine Crew ist ja auch noch da und …“

Das Summen des Fensters hatte ihn verstummen lassen. Dann erschien Kellys Gesicht im Rahmen. „Agent Malcovich erwartet Sie, Gentlemen.“, lächelte Kelly. „Ich nehme an, Sie erinnern sich noch an den Weg zu ihrem Büro.“ Jaden und Data nickten. Dann sagte Data: „Vielen Dank, Mrs. Davis.“, und schritt diszipliniert voran in Richtung der gerade erwähnten Adresse. Jaden folgte etwas schlaksig.

Kate war ebenfalls sehr erstaunt, die Männer wieder zu sehen. „Was ist passiert?!“, fragte sie verwundert. „Geht es um die Gegendarstellung, die Karen geschrieben hat? Sie dürfte doch heute Morgen bereits im Contact gestanden haben.“ „Das hat sie auch, Kate.“, sagte Jaden. „Aber Data und mir ist da vorhin doch glatt das Ei des Columbus vor die Füße gerollt. Es sieht nur so aus, als würden wir Hilfe brauchen, es auszubrüten und Sie wären die ideale Kandidatin dafür! Sie und auch Ihre Schwester!“

Kate warf den Männern einen irritierten Blick zu. Dann lächelte sie scherzend: „Schräge Art, jemandem einen Antrag zu machen, Commander Huxley. Ist das bei Ihrer Frau genau so abgelaufen?“ „Hören Sie auf zu witzeln, Agent!“, sagte Jaden streng. „Das ist nämlich überhaupt nicht komisch!“ „Bei allem Respekt, Sir.“, widersprach Kate, die aufgrund von Bildern in ihrem Kopf wohl gerade mit einem heftigen Lachanfall kämpfte und drohte, diesen Kampf haushoch und mit fliegenden Fahnen zu verlieren. „Da irren Sie sich aber gewaltig!“

Sie prustete, gab einen wohl nicht ganz ernst gemeinten Schrei nach Hilfe von sich und fing dann so laut an zu lachen, dass man es noch wenigstens zwei Büros weiter bequem wahrnehmen konnte. Dabei schlug sie sich auf die Schenkel und war wohl heilfroh, auf ihrem Stuhl vor ihrem Schreibtisch zu sitzen, sonst wäre sie sicher hinten über gefallen. Jetzt schossen ihr auch noch die Lachtränen aus den Augen und sie hielt sich mit der rechten Hand den Bauch, was Data veranlasste, ihr galant ein mitgeführtes Taschentuch in die freie linke Hand zu reichen.

Jaden wandte sich seinem Freund zu: „Kannst du mir sagen, was ich jetzt wieder angestellt habe?!“ „Ich denke.“, gab Data eine Theorie zum Ausdruck. „Dass deine Ausdrucksweise mal wieder zu Missverständnissen geführt hat.“ „Oh, Mann.“, murmelte Jaden.

Kate hatte sich langsam wieder beruhigt. „Aber zu sehr charmanten Missverständnissen.“, sagte sie freundlich und tröstend. „Aber was ist denn jetzt genau der Grund, aus dem Sie mit mir reden wollen?“ „Wir brauchen ’n Zylinder mit Sytanias Energie.“, sagte Jaden. „Was?!“, fragte Kate, bei der wohl gerade sämtliche Alarmglocken angefangen hatten zu läuten. „Wozu denn?!“ „Erklär’ du es ihr besser.“, flüsterte Jaden Data zu. „Also gut.“, sagte der Androide und wandte sich an Kate: „Meine Frau wird ein Experiment leiten, in dem wir mit Hilfe unseres Katers Caruso und einer Konstruktion meines Sohnes beweisen werden, dass Katzen eben nicht alles für Thunfisch tun! Wenn Caruso Sytanias Energie spürt, dürfte er nicht an dem Zylinder vorbei gehen wollen, auch dann nicht, wenn auf ihn am anderen Ende eine leckere Portion Thunfisch wartet. Wir werden ihm einen Fluchtweg anbieten. Den wird er, so denke ich, sicherlich nehmen, auch dann, wenn es für ihn einen Umweg bedeutet.“ „Verstehe.“, sagte Kate. „Aber Sie wollen doch sicher, dass meine Schwester auch darüber schreibt. Also gut. Hier haben wir zwar keinen, aber ich habe ja Verbindungen. In irgendeiner Asservatenkammer wird sich schon noch eine Probe von Sytania finden. Ich würde sagen, ich lasse meine Kontakte spielen und Sie gehen zu meiner Schwester, die dann Presse und Fernsehen informieren wird! Das würde ja beweisen, dass Sytania an der Sache mit der Statue im Park gänzlich unschuldig ist!“ „Das ist korrekt.“, sagte Data. „Also los!“, stimmte Jaden zu und blitzschnell waren die Männer wieder aus der Tür und dem Gebäude in Richtung ihres Fahrzeugs entschwunden.

Im Gespräch zwischen Nugura und Cupernica hatte sich die Situation auch ähnlich positiv entwickelt. Auch die Androidin hatte zur Kenntnis genommen, dass Vulkan die Föderation verlassen hatte, aber sie sah darin noch keine Schwierigkeiten. „Gehe ich recht in der Annahme, Präsidentin, dass es noch diverse Übergangsfristen für den Rückbau diverser Verbindungen zwischen Vulkan und der Föderation gibt?“, fragte Cupernica. „Sicher wird es das geben.“, antwortete Nugura. „Allein der Rückbau diverser logistischer und technischer Verbindungen wird einige Zeit in Anspruch nehmen.“ „Das bedeutet.“, verifizierte die Androidin. „Dass wir ja noch etwas Zeit hätten für unser Experiment.“ „Welches Experiment?“, wollte Nugura wissen. „Sprechen Sie von dem, über das mir mein Sekretär berichtet hat?“ „Genau von diesem.“, sagte Cupernica. „Ich werde mich sofort erkundigen, ob mein Mann und Commander Huxley den dafür fehlenden Gegenstand bereits besorgen konnten.“ „Hoffen wir, dass sie es noch schaffen, bevor die Fristen für den Rückbau verstrichen sind.“, sagte die Präsidentin der Föderation. „Ich will nämlich in Wahrheit auch keinen Krieg mit Sytania. Die Demetaner, die sie ja, wie Sie auch wissen, sehr gut einschätzen können, haben diverse Modelle entworfen, was in so einem Fall auf uns zukommen könnte. Wenn ich mir diese ansehe, überkommt mich das kalte Grausen. Persönlich kann ich T’Mirs Entscheidung also sehr gut nachvollziehen. Aber das Parlament sieht die ganze Sache etwas anders und ich muss mich, da wir eine parlamentarische und keine präsidiale Demokratie haben, nach der Mehrheit richten.“ „Ah ja.“, signalisierte Cupernica, dass sie ihr Gegenüber sehr gut verstanden hatte. „Dann ist das also gar nicht auf Ihrem Mist gewachsen, sondern eher auf dem Ihrer eitlen Kollegen, die sich Sorge darum machen, nicht wieder gewählt zu werden, wenn sie durchblicken lassen, man würde die Tindaraner im Stich lassen wollen?“

Nugura musste schlucken. Sie wusste viel zu genau, dass Cupernica Recht hatte, als dass es in ihren Augen noch Sinn machen würde, sich herausreden zu wollen. „Sie haben Recht, Scientist.“, sagte sie. „Sie haben die Situation mal wieder sehr gut mit Ihrem messerscharfen Verstand erfasst. Ich für meinen Teil bin auf Ihr Experiment mehr als gespannt! Deshalb werde ich Sie jetzt auch nicht länger von dem Gespräch mit Huxley und Ihrem Mann abhalten. Zuerst, mein lieber Scientist, war ich sehr erschrocken, weil Huxley an der Sache beteiligt ist und Sedrin sich offenkundig nicht in seiner Nähe befindet. Aber Commander Data ist ein adäquater Ersatz für den Agent, finde ich. Er wird ihn schon von so manch unüberlegter Handlung abhalten. Da bin ich ganz sicher! Also dann. Ich freue mich schon auf die Übertragung!“ Sie beendete die Verbindung.

Cupernica wandte sich der Tastatur des Sprechgerätes ihres Hauses wieder zu und gab das Rufzeichen des Sprechgerätes ihres und Datas privaten Jeeps ein. Sie wusste, dass es etwas dauern konnte, bis sie von ihm eine Antwort erhielt, denn, wenn er mit dem Fahren beschäftigt war, verlangten die Gesetze, dass er zuerst eine Möglichkeit fand, einen geeigneten Parkplatz anzusteuern und den Jeep dort zu platzieren, bevor er antworten durfte. Diese Regel würde Data auf keinen Fall übertreten! Das wusste sie.

Der Rufton des Sprechgerätes hatte langsam begonnen Jaden ziemlich zu nerven. „Wann gedenkst du endlich, diesen verdammten Ruf zu beantworten?!“, fragte der Terraner mit leicht wütendem Ausdruck in der Stimme. „Sobald wir eine Parkbucht erreicht haben.“, sagte Data ruhig. „Vorher darf ich es auf keinen Fall! Da du auch Inhaber eines Führerscheins bist, sollte auch dir klar sein, dass die Benutzung eines Sprechgerätes während der Fahrt eine hohe Strafe nach sich zieht, die nicht Selten im Einzug der genannten Lizenz durch die Ordnungskräfte enden kann, speziell im Wiederholungsfall!“ „Gesetzestreu bis zum Geht-Nich’-Mehr!“, sagte Jaden genervt. „Das dürfte aber doch für dich kein Hindernis darstellen. Immerhin bist du multi-tasking-fähig.“ „Das mag sein.“, sagte Data. „Aber ich lebe, als fast Einziger, in einer Gesellschaft von Wesen, die das nicht sind, muss mich also der Gemeinschaft und ihren Regeln anpassen. Für mich gilt also keine Ausnahme und ich kann erst recht keine Rücksicht auf die Animositäten meines Beifahrers in dieser Hinsicht nehmen. Außerdem haben wir ja bereits eine Parkbucht erreicht.“

Er stellte den Jeep ab und griff dann zum Mikrofon, nachdem er das Display abgelesen hatte. Dann sagte er noch zu Jaden, bevor er dem Gerät durch Drücken des Sendeknopfes verdeutlichte, dass er die Verbindung jetzt annahm: „Es ist meine Frau.“ Dann machte er die bereits erwähnte Handbewegung und sagte: „Ja, Cupernica?“ „Ich habe gerade mit Nugura gesprochen.“, sagte die Angesprochene aus dem Lautsprecher des Sprechgerätes. „Sie sagt, T’Mir hätte Vulkan aus der Föderation genommen, es gäbe aber noch diverse Fristen für den Rückbau aller Verbindungen, sowohl technischer und wirtschaftlicher, als auch logistischer und politischer Natur. Der normale Zeitraum in so einem Fall beträgt einen durchschnittlichen terranischen Monat. Das sollte jeder halbwegs politisch gebildete Bürger wissen.“ „Dann haben wir ja noch Zeit.“, mischte sich Huxley ein, den Cupernica auch gut hören konnte, weil Data das Sprechgerät mittlerweile auf Freisprechen programmiert hatte. „Prinzipiell ja, Commander.“, sagte Cupernica. „Aber ich mache Sie darauf aufmerksam, dass es im Laufe dieser Frist immer schwieriger werden wird, Dinge, die mit Vulkan zusammenhängen, zu erledigen. Alle Verbindungen sind schließlich während dieser Frist bereits im Rückbau begriffen, werden deshalb also nicht besser, sondern eher schlechter werden. Wenn die Vulkanier also noch etwas von unserem Experiment mitbekommen sollen, dann werden wir uns wohl etwas beeilen müssen!“ „Da stimme ich dir zu.“, sagte Data. „Aber Agent Malcovich versucht bereits alles, um an eine Energieprobe von Sytania zu kommen. Wir sind außerdem auf dem Weg zu Karen Malcovich, die hoffentlich ihre Kontakte zu Presse und Fernsehen nutzen wird, um uns eine möglichst breite Plattform zu schaffen, auf der wir unser Experiment publik machen können.“ „Verstehe.“, sagte Cupernica. „Dann werde ich euch nicht länger aufhalten.“

Die Verbindung war von ihrer Seite beendet worden und Data hatte darauf den Jeep wieder in Bewegung gesetzt. „Was hat deine Frau mit den Vulkaniern?“, wollte Jaden irritiert wissen. „Ich mein’, die Spitzohren sind doch sicher die Letzten, die an ein Experiment glauben werden, in dem ein Tier als Beweisträger herhält.“ „Oder die Ersten.“, sagte Data. „Es ist nämlich allgemein bekannt, dass Tiere oft viel eher auf etwas reagieren, als es jeder Erfasser tut! Das wissen auch die Vulkanier. Es gibt sogar ein historisches Beispiel dafür, in dem der Vulkanier Tuvok auf die Hilfe eines Hundes Namens Nika zurückgegriffen hat, um einen Verdacht von Thomas Eugene Paris zu nehmen.“ „Ganz schön viele Namen, die du in diesem Fall kennst.“, staunte Jaden. „Das ist korrekt.“, sagte Data. „Und Cupernica und ich haben in diesem Fall die gleichen historischen Kenntnisse. Ich gehe davon aus, dass sie dies auch gegenüber Nugura erwähnt hat und sich somit das Einverständnis der Präsidentin besorgt hat.“ „Davon gehe ich auch aus, Data.“, sagte Huxley. „Schließlich kenne ich Ihre Frau in der Hinsicht lange genug. Sie hat ja einige Jahre unter mir gearbeitet.“

Sie bogen auf den Parkplatz vor der Zeitung ein. „Hoffentlich passiert mir nich’ das Gleiche noch mal, was mir vor Kate passiert is’.“, sagte Jaden. „Du meinst, dass du kein zweites Mal über das gemeinsame Ausbrüten von Eiern reden willst.“, sagte Data, um seinen Verdacht zu bestätigen. „Was denn wohl sonst?!“, blaffte Jaden zurück. „Weißt du, da will man schon mal nich’ so direkt sein, und dann passiert einem so was!“ „Um dies zu vermeiden.“, schlug der Androide eine Lösung vor. „Solltest du mich dann vielleicht reden lassen. Es ist mir ein Rätsel, wie ihr das auf eurer Mission gemacht habt.“ „Da hatte ich meine Leute.“, gab Jaden zu. „Besonders Sedrin und am SITCH die liebe kleine niedliche fast süß wirkende St. John. Die Beiden haben so manchen Karren wieder aus dem Dreck gezogen, in den ich ihn gefahren hatte, oder vielleicht auch nur hätte, wenn …“ „Und in diesem Fall.“, sagte Data. „Hast du mich. Das Kindchenschema trifft vielleicht auf mich nicht zu, aber ich bin sehr diplomatisch.“ „Also gut.“, sagte Jaden. „Dann lass’ ich dich mit Mrs. Malcovich reden.“

Der Pförtner winkte sie bereits durch, als sie das Gebäude betraten. Es schien den Männern fast so, als wisse er schon Bescheid. „Hier is’ doch was im Busch.“, stellte Jaden fest. „Deine Annahme wird korrekt sein.“, sagte Data, während sie den Weg zu Karens Büro einschlugen.

Die Journalistin war gerade damit beschäftigt, ein Gespräch zu beenden, als sie vor der Tür eintrafen. Das konnten Jaden und Data nur dadurch mitbekommen, dass sie Karen sagen hörten: „Ich melde mich wieder bei dir, Kate, sobald sie da sind.“ „Ich schätze, es ging um den Zylinder.“, sagte Jaden. Data nickte ihm nur bestätigend zu.

Der Androide betätigte die Gegensprechanlage der Tür, nachdem er im Display abgelesen hatte, dass die gerade noch bestandene Verbindung getrennt worden war. Dann sagte er: „Mrs. Malcovich, Commander Huxley und ich sind zurück. Wir müssen dringend mit Ihnen sprechen.“ „Kommen Sie rein.“, sagte Karen von drinnen. „Kate hat mich schon informiert.“

Die Tür öffnete sich und die Männer betraten das Zimmer. Dann schloss sich die Tür wieder hinter ihnen, was Karen, die dies beobachtet hatte, einmal tief seufzen ließ. „Endlich allein!“, stellte sie erleichtert fest. „Ich nehme an, Ihre Reaktion ist der Tatsache geschuldet, dass die Situation sehr brisant ist, in der wir uns befinden.“, sagte Data. „Sie haben Recht.“, erwiderte die leicht nervöse Reporterin. „Auf der Straße kommt das alles gar nicht gut an, was gerade passiert. Es gibt genug Gazetten, die diese Sache für sich ausnutzen und ganz offen über den Zusammenbruch der Föderation schreiben. Unser demetanischer Chef hat uns heute Morgen alle noch mal geimpft. Er hat gesagt, dass der Contact im Gegensatz dazu ein ehrliches Blatt ist, in dem so was gar nicht in die Tüte kommt! Wenn ihr also irgendwas dazu beitragen könnt, dass alles wieder in Ordnung kommt, dann aber schnell! Euer Experiment kann starten und ich bin auch gern bereit, meine Kontakte zu benutzen, um euch die benötigte Plattform zu schaffen. Wenn das dann noch dazu führt, dass die Vulkanier zurückkommen, um so besser. Dann kommt ja wirklich alles wieder in Ordnung.“

„Woher wissen Sie das mit dem Experiment?“, fragte Jaden. „Kate hat mich informiert.“, sagte Karen. „Sie hatte gehofft, euch hier zu erreichen, aber ihr habt euch wohl etwas verspätet.“ „Uns is’ eben was dazwischen gekommen.“, sagte Jaden. „Verstehe schon.“, sagte Karen. „Der Verkehr. Aber Kate lässt auch ausrichten, dass sie den Zylinder hat. Die Vulkanier hatten noch einen und ihre Kollegen vom dortigen Geheimdienst werden ihn euch per Expressfracht zukommen lassen, solange das noch geht. Es war Kate zwar auch etwas suspekt, dass sie sich so schnell damit einverstanden erklärt haben, aber sie denkt, dass sie es als sehr vernünftig erachten, erst mal alles zu Ende zu betrachten, bevor man sich ein abschließendes Urteil bildet.“

Data machte einen Schritt auf sie zu und schüttelte den Kopf. „Was meinen Sie damit, Mr. Data?“, fragte Karen irritiert. „Ich meine.“, erklärte der Androide. „Dass es vielleicht nicht nur das sein könnte, was die Vulkanier dazu bewogen hat. Sie, Karen, dürften nämlich auch einen großen Teil dazu beigetragen haben.“ „Ich?!“, fragte Karen und öffnete ihren Mund weit vor Staunen. „Was habe ich damit zu tun?“ „Eine ganze Menge.“, sagte Data. „Schließlich erwähnten Sie in Ihrem Artikel von vor zwei Wochen, dass sich eine ähnliche Statue wie die in unserem Stadtpark auch auf Vulkan befindet. Die Grundsituation war ähnlich. Sie dürfen nicht vergessen, dass die Vulkanier Telepathen sind und als solche durchaus in der Lage währen, einen Einfluss Sytanias zu erspüren. Ich denke, wenn alles nichts nützt, können wir von dort immer noch die Hilfe bekommen, der wir dann bedürfen, um den Krieg zwischen Tindara und dem Dunklen Imperium zu verhindern.“

Karen war es wie Schuppen von den Augen gefallen. Ihren eigenen Artikel hatte er soeben angeführt. Jenen Teil ihrer Serie, für den sie erst kürzlich nach Vulkan geflogen war und alle Zeugen interviewt hatte. Darunter waren auch jene Agenten gewesen, die in diesem Fall ermittelt hatten, denn auch auf Vulkan gab es, wie auf jedem Planeten der Föderation, eine Abteilung zur Ermittlung im Fall von feindlichem außerweltlichen Einfluss.

Sie tippte etwas in eine Tastatur am vorderen Teil ihres Schreibtisches, worauf sich eine Schublade öffnete. Dann nahm sie einen Datenkristall heraus, den sie Data übergab. „Da drauf.“, sagte sie leise und mit einem verschwörerischen Unterton. „Sind alle Rufzeichen von denen, die ich damals interviewt habe. Auch die beiden Agenten vom Geheimdienst. Normalerweise gibt ein Journalist ja seine Quellen nicht so einfach preis, aber ich weiß, was auf dem Spiel steht. In diesem Fall …“ „In diesem Fall Ehrenkodex am Arsch!“, sagte Jaden. Dafür kassierte er gleich wieder einen Knuff von Data. „So drastisch wollte ich es nun gerade nicht ausdrücken.“, sagte Karen, die angesichts seiner Ausdrucksweise auch sehr schockiert war.

Sie räusperte sich und versuchte dann, gleich wieder auf ein unverfänglicheres Thema zu kommen: „Kate wird den Behälter mit der Probe zu Cupernicas und Datas Haus bringen. Sie wird auch für alle strahlendichte Handschuhe mitbringen, die den Behälter berühren werden, damit nachher nicht alle in die Dekontamination müssen. Es wäre wohl gut, wenn Sie sich schon einmal dorthin begeben könnten. Ich werde noch für unsere große Plattform sorgen und dann nachkommen.“ „OK.“, sagte Jaden und auch Data nickte. Dann gingen sie wieder zu ihrem Jeep zurück, um zu Datas und Cupernicas Haus zu fahren.

 

Kapitel 12: Sytanias Revanche

von Visitor

 

Die Entwicklung der Gesamtsituation war auch von Telzan und Sytania im Dunklen Imperium beobachtet worden. Der Vendar hatte zu diesem Zweck den Kontaktkelch benutzt, den er von seiner Gebieterin bekommen hatte. Sytania selbst hatte ihre seherischen Fähigkeiten eingesetzt. Nun hatten sich beide wieder im Thronsaal der imperianischen Prinzessin getroffen, um ihre Gedanken auszutauschen. „Ich finde.“, setzte Telzan an und grinste. „Dass wir unsere Pläne noch einmal überdenken sollten, Hoheit.“ „Warum denkst du das?“, fragte Sytania. „Weil ich glaube, dass sich unsere Chancen um ein Vielfaches erhöhen werden, wenn wir mit dem Angriff doch noch warten.“, erklärte der Vendar, der ein erfahrener Stratege und Taktiker war. Er wusste aber auch genau um Sytanias Ungeduld und musste es daher schon sehr geschickt anstellen, wenn er sie überzeugen wollte.

„Wer ist der größte Verbündete der Tindaraner?“, fragte er daher wie ein Lehrer, der seiner Schülerin gerade einen Test abnahm. „Die Föderation!“, sagte Sytania mit hasserfüllter Stimme. „Diese verdammte friedliebende Föderation der vereinten Planeten! Das weiß doch heute wohl jeder einfache Bauerntölpel, Telzan! Aber wie soll uns das helfen und wie begründet es, die Tindaraner doch noch nicht anzugreifen?!“ „Weil die Föderation bald zerfallen wird wie eine Schneeflocke in der Sonne, wenn die inneren Unruhen, von denen ich ausgehe, erst mal ausbrechen werden.“, begründete der Vendar. „Von was für inneren Unruhen redest du?!“, fragte Sytania leicht irritiert. „Wenn Ihr das Gleiche gesehen habt wie ich, Hoheit.“, führte Telzan aus. „Dann dürftet Ihr wissen, dass Vulkan die Föderation verlassen hat. Bei dem Planeten handelt es sich um ein Gründungsmitglied! Das allein dürfte viele der einfachen Bürger in Angst und Schrecken versetzt haben. Aber die Boulevardpresse auf so manchem Planeten schlägt auch in unsere Kerbe. Diese Narren reden doch tatsächlich davon, dass die Föderation bald zerfallen wird. Wartet, ich werde es Euch beweisen!

Er zog ein Sprechgerät aus seiner Tasche und brachte eine schier endlose Kolonne von Eingaben hinter sich, bevor er ihr das Display vor die Augen hielt. Darauf war ein Artikel aus der terranischen Regenbogenpresse zu sehen, dessen Überschrift in riesigen Lettern Sytania geradezu ins Auge sprang: „Einsturz eines Brückenpfeilers! Die Ratte Vulkan verlässt das sinkende Schiff Föderation!“ Der Text darunter war ähnlich reißerisch und für die Vulkanier, würden sie sich gestatten, Beleidigung zu empfinden, sicher sehr beleidigend.

Nachdem sich die Prinzessin den Artikel durchgelesen hatte, wandte sie sich wieder ab und lächelte triumphierend. „Du hast Recht, Telzan.“, sagte sie. „Es ist viel besser zu warten, bis sich die Föderation selbst zugrunde gerichtet hat. Gibt es etwa noch mehr davon?“ „Oh ja.“, sagte der Vendar. „Durch die Art, in der ich mich in ihr Netzwerk geschmuggelt habe, kann ich auf alle Zeitungen zugreifen, die es dort gibt. Schließlich denken ihre Computer, ich sei ein Bürger der Föderation!“ „Clever von dir!“, lobte Sytania. „Und du glaubst ernsthaft, das wird so viel Angst und Schrecken innerhalb der Föderation verbreiten, dass die Politiker und die Sternenflotte sich eher mit inneren Unruhen befassen müssen, als sich um ihren Verbündeten, die Tindaraner, zu kümmern?“ „Genau das!“, sagte Telzan fest. „Man sollte eben die Macht der Medien nie unterschätzen!“ Zum Beweis rief er noch weitere Artikel aus anderen Zeitungen auf. Darunter waren auch Meinungen von Lesern.

„Warum, glaubst du, lassen sich die Bürger der Föderation so leicht erschrecken?“, fragte Sytania, nachdem sie auch diese durchgelesen hatte. „Ich denke.“, sagte Telzan. „Dass sie es verlernt haben, mit internen Konflikten umzugehen. Schließlich hat es schon seit Jahrhunderten keine mehr gegeben.“ „Du magst Recht haben.“, sagte Sytania und setzte ein süffisantes Grinsen auf. „Aber das kann für uns ja nur gut sein!“

Sie winkte einem Diener, der schnell auf Zehenspitzen den Raum verließ, um bald darauf mit einer Karaffe und zwei Gläsern auf einem Tablett zurückzukehren. Dieses stellte er vor Sytania und Telzan ab, die sich inzwischen an ihren Audienztisch begeben hatten. Dann schenkte er beiden großzügig ein und verließ sie genau so stumm und schnell wieder, wie er gekommen war.

Sytania erhob ihr Glas: „Auf die Ratten, die das sinkende Schiff Föderation verlassen!“, sagte sie und prostete Telzan zu, der jetzt ebenfalls sein Glas erhob, um mit ihr anzustoßen: „Auf die spitzohrigen Ratten! Möge sich dadurch tatsächlich bewahrheiten, was hier geschrieben steht. Möge sich die Föderation tatsächlich ihr eigenes Grab schaufeln! Auf die Macht der Medien!“ Die Gläser stießen aneinander. Dann nahmen beide einen tiefen Schluck.

„Ein guter Jahrgang.“, stellte Telzan fest, nachdem er den imperianischen Wein langsam seine Kehle herunter rinnen lassen hatte. „Ganz recht.“, sagte auch die Prinzessin mit einem genießerischen Blick. „Aber es stimmt schon, was die Terraner sagen. Sie sagen, im Wein liegt die Wahrheit und ich glaube, mir geht gerade auch ein Licht auf. Ich habe mich Jahre lang abgemüht, die Föderation zu zerstören, aber es ist mir nie gelungen. Aber jetzt geht das ganz von allein, ohne dass ich überhaupt etwas dafür tun muss. Und es ist einfach, Telzan! Oh, es ist so einfach! Man bringe einen Pfeiler, ein Gründungsmitglied dazu, sie zu verlassen und alle anderen reagieren wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner! Oh, Telzan, warum bin ich nicht darauf gekommen?!“ „Das weiß ich nicht, Milady.“, sagte der Vendar. „Aber wenn Ihr gestattet, werde ich drüber nachdenken.“ „Tu das!“, sagte Sytania. „Aber benutze ab und an auch noch einmal den Kontaktkelch, um dir die Geschicke der Föderation und der Tindaraner anzusehen! Ich will über alles informiert sein, was sich dort tut! Wir dürfen auf keinen Fall unsere Chance verpassen, Telzan! Hast du mich gehört?! Auf gar keinen Fall! Wir müssen ihren schwächsten Moment abpassen und dann zuschlagen! Ich denke, es wird am günstigsten sein, wenn die Zusammenkunft erkennt, dass ihr größter Verbündeter nicht mehr existiert!“ „Das denke ich auch, Hoheit!“, sagte Telzan mit Überzeugung. „Das denke ich auch!“

Im Maschinenraum von Basis 281 Alpha waren Jenna und Shannon gerade dabei, einen neuen Antrieb für Lycira zu bauen. Mit Hilfe der Daten aus Sedrins Erfasser, mit denen die interdimensionale Sensorenplattform gefüttert worden war, war es ihnen tatsächlich gelungen, die Dimension der Nidari-Travelers ausfindig zu machen. Auch über ihre Beschaffenheit wusste man genug, um zu erkennen, dass keiner von Lyciras konventionellen Antrieben hier funktionieren würde. Um ihr ein Fortkommen zu ermöglichen, musste also ein völlig neues Konzept her und wer, wenn nicht Jenna, konnte so etwas erfinden, entwerfen und bauen?

Shannon hatte ihrer Vorgesetzten, die gerade an einem Modul bastelte, ein Stück Material gereicht, das sie entfernt an einen Kolben erinnerte. Nur war es von innen hohl. „Ganz ehrlich, Jenn’.“, sagte die blonde Irin verwundert, die nun so gar nichts mit den Replikationslisten anfangen konnte, die Jenna immer wieder in Auftrag gab. „Für mich sieht das hier aus, als würden wir ein paar riesige Glühbirnen bauen.“ „In gewisser Weise tun wir das auch, Assistant.“, sagte McKnight, legte ihr Werkzeug und das halbfertige Werkstück hin, stand von ihrem Platz auf und stellte sich in die Mitte des Raums, um zu referieren: „Aus den Daten, die uns die interdimensionale Sensorenplattform geliefert hat, geht eindeutig hervor, dass die Dimension der Nidari-Travelers auf einem Frequenzband schwingt, auf dem auch künstliches Licht angesiedelt ist. Nur schwingt sie natürlich um ein Vielfaches stärker. Antriebe, die also auf Dimensionen konfiguriert sind, die auf dem 21-cm-Band oder ähnlichen schwingen, wie diverse Universen, können also dort nicht funktionieren.“ „Äääää ja.“, machte Shannon, die den Anschein erwecken wollte, als habe sie verstanden, worum es der hoch intelligenten Halbschottin tatsächlich ging. „Rein logisch. Ich hab’ die Daten ja auch gesehen. Die Dimension an sich sieht ja echt aus, als wäre sie aus einer Art silbernem Licht. Aber wie zur Hölle sollen da Planeten und so existieren, Jenn’, he?“ „Die gibt es dort auch nicht.“, sagte Jenna mit einem gelangweilten und fast müden Ausdruck im Gesicht. „Die Dimension ist kein Universum. Sie besteht aus reiner Energie, genau wie ihre Bewohner. Planeten brauchen sie deshalb dort auch nicht. Ihre Dimension ist also nicht körperlich wie ein Universum. Die Nidari-Travelers brauchen nur dann Körper, wenn sie in eine Dimension der Körperlichkeit, wie zum Beispiel das Universum der Föderation, gehen. Aber die generieren sie sich dann mit Hilfe ihrer geistigen Kräfte. Haben Sie bei der Besprechung nicht zugehört?!“ „Das habe ich schon.“, sagte Shannon. „Nur ist mir das mal wieder alles viel zu kompliziert!“ Jenna gab nur ein abfälliges: „Ach!“, von sich und wandte sich dann wieder ihrer Arbeit zu. „Sie wissen genau, dass Sie mehr können, als Sie sich selbst zutrauen, Assistant.“, sagte sie, während sie das letzte Modul mit dem restlichen Antrieb, der wegen seiner Größe auf dem Boden des Maschinenraums lag, verdrahtete. „Das war’s. Jetzt müssen wir das alte Modul heraus und das Neue hinein beamen. Dann schließe ich es an und bringe Lyciras Software dann bei, wie der neue Antrieb zu steuern ist.“, erklärte Jenna. „Kleines Problem.“, meldete die technische Assistentin Widerspruch an, eine Tatsache, mit der Jenna aber schon gerechnet hatte, denn ihre letzten Sätze waren eindeutig eine Art von Test für Shannon gewesen. „Was denn?“, fragte Jenna, die große Mühe hatte, ein Grinsen zu unterdrücken. „Ich denke.“, sagte die blonde Irin. „Dass wir die Hilfe von Allrounder Betsy Scott benötigen. Sie wird die Einzige sein, die diverse Codes kennt, die Sie vielleicht brauchen könnten, glaube ich.“ „Dann frage ich mich, was Sie hier noch herumstehen, Shannon!“, sagte die Ingenieurin. „Gehen Sie und holen Sie den Allrounder! Na los! Ich bin sehr froh, dass Sie das erkannt haben und das zeigt mir mal wieder, dass ich Recht hatte. Sie können mehr, als Sie zugeben.“ „Also gut.“, gab sich Shannon geschlagen, machte auf dem Absatz kehrt und verließ mit mürrischem Gesicht den Maschinenraum. Dabei murmelte sie vor sich hin: „Oh, ich hasse es, wenn sie mich testet!“

Gemeinsam mit der Besatzung der Kommandozentrale von Basis 281 Alpha hatten sich auch Sedrin und ich eine Sendung der tindaranischen Nachrichten angesehen, die IDUSA für uns herausgesucht hatte. Dort war auch die Rede davon gewesen, dass Vulkan die Föderation verlassen hatte, eine Tatsache, die wohl auch von tindaranischen Pressestimmen mit Besorgnis wahrgenommen worden war.

„Das könnte zu einer Panikreaktion im großen Stil führen.“, vermutete Sedrin. „Vulkan und Terra sind beides Gründungsmitglieder. So manch einfaches Gemüt wird jetzt glauben, dass die gesamte Föderation auseinander fällt. Wir wissen ja alle, wie schnell und tückisch Gerüchte sein können. Wie die Leute dazu stehen, sieht man ja schon allein daran, welche Erstkontaktsszene überall immer pünktlich zu ihrem Jahrestag aufgeführt wird in jeder nur erdenklichen Weise und welcher Tag ein gesetzlicher Feiertag geworden ist.“ „Oh ja!“, stöhnte Maron. „Sogar jede High School führt die Szene an dem Tag vor diesem Tag auf der Bühne auf. Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Mal, als ich mitspielen durfte.“ „Oh.“, machte Zirell und machte ein respektvolles Gesicht. „Wir haben einen prominenten Schauspieler unter uns! Wer warst du, Maron? Etwa Cochrane persönlich?“ „Oder ein Vulkanier?“, fragte Shimar mit ebenfalls sehr respektvollem Ton. „Oder gar Picard?“, wollte Joran wissen, der wohl auch etwas mit seinem Geschichtswissen glänzen wollte.

Maron schüttelte den Kopf und schaute verschämt Richtung Boden. „Was ist so schlimm an der Rolle gewesen, Maron?“, fragte Zirell. „Dass du es nicht wagst, es uns zu sagen? Selbst dann, wenn du einen Borg gespielt haben solltest, werden wir dir nicht …“ „Ich war kein Borg, Zirell!“, schrie Maron plötzlich außer sich und begann fast zu weinen, so verzweifelt schien er zu sein. Die Tatsache, dass man ihn auf dieses Theaterstück angesprochen hatte, musste bei ihm eine alte Wunde wieder aufgerissen haben. „Ich war nur ein Busch!“, rief er dann. „Mutter Schicksal, hat sich meine Familie für mich geschämt! Ich hatte keine andere Aufgabe, als herumzustehen und hin und wieder mal mit den Armen zu wedeln, wenn die Tontechnikerin, unsere Klassensprecherin, das Geräusch von Wind abspielte! Bei der Szene des Starts von Chochranes Schiff und der Landung des vulkanischen Schiffes durfte ich mich sogar vorbeugen, aber das war alles. Ansonsten musste ich stumm sein. Meine Lehrer glaubten wohl, ich sei mit dem Merken von Text hoffnungslos überfordert!“

Eine Weile lang herrschte betroffene Stille im Raum, in der alle Maron mitleidig ansahen. „Armer Maron.“, sagte Shimar schließlich traurig, dem ich mich im gleichen Moment zudrehte, um ihm ins Ohr zu flüstern: „Bring mich bitte zu ihm, Srinadar.“

Mein Freund stellte sich neben mich und winkelte seinen rechten Arm an, um mir die Möglichkeit zu geben, meine linke Hand darauf zu legen. So gingen wir dann gemeinsam in Richtung Maron, neben dem er mich abstellte und sagte: „Wir sind da, Kleines. Er steht jetzt genau zu deiner Linken.“ Dann trat er selbst einen Schritt zurück.

Ich drehte mich Maron zu und begann: „Sir, ich finde, dass die Rolle des Busches eigentlich eine auch sehr wichtige Rolle ist. Stellen Sie sich mal vor, Sie hätten sich nicht gebeugt, wenn das Schiff gelandet, oder das andere gestartet wäre. Die Vulkanier hätten doch glatt an den physikalischen Gesetzen der Erde zweifeln können und dann hätte die Beobachtungsphase wohl noch viel länger gedauert. Außerdem: Welcher Busch kann schon von sich behaupten, bei so einem wichtigen Moment dabei gewesen zu sein? Wer sonst sollte denn den anderen Pflanzen davon berichten? Ich meine, wer von uns Zweibeinern spricht schon Pflanzisch? Noch nicht einmal eine ausgebildete Kommunikationsoffizierin wie ich! Aber Maron, der Busch, kann dann wenigstens von sich behaupten, er hat Dinge erlebt, von denen er noch den Ablegern seiner Sämlinge erzählen wird!“ „Es ist ja schon fast niedlich, wie Sie versuchen, mich aufzumuntern, Allrounder.“, sagte Maron, was bei mir schon fast etwas abschätzig ankam.

Ich wollte explodieren! Angesichts der gerade von ihm vorgetragenen Äußerung wollte ich verbal explodieren! Ich dachte, dass er wohl das Gefühl haben musste, ich hätte dies nur aus Mitleid gesagt. Dabei hatte ich es völlig ernst gemeint!

Die Situation wurde dann aber von jemandem gerettet, der man es wohl eigentlich nicht zutrauen würde, nämlich von Shannon, die in diesem Augenblick die Kommandozentrale betrat. „Jenn’ braucht Sie, Betsy.“, flapste mir die blonde Irin zu. „Es geht um die Software für den neuen Antrieb für Lycira. Sie braucht ’n paar Codes.“ „Die kann sie gern bekommen, Shannon.“, sagte ich und hakte mich bei ihr unter: „Gehen wir. Aber ich fürchte, ich muss auf dem Weg noch was erledigen.“ „Schon OK.“, sagte Shannon.

Auch Sedrin hatte sich uns jetzt zugedreht. „Ich werde am besten auch gleich mitkommen.“, sagte sie. „Dann können wir abfliegen, sobald der neue Antrieb konfiguriert ist. So, wie sich die politische Situation im Moment darstellt, ist wohl höchste Eile geboten! Je eher wir die Nidari-Travelers treffen, um so besser. Ich bin auf McKnights Lösung wirklich gespannt!“ „Also gut.“, sagte ich. „Gehen wir!“

Wir verließen die Zentrale und gingen in Richtung des nächsten Turbolifts. Fast dort angekommen aber löste ich mich plötzlich von Shannons Arm. „Was is’ los?“, flapste sie mir etwas irritiert entgegen. „Erinnern Sie sich noch, dass ich sagte, ich hätte noch was zu erledigen?“, fragte ich. „Sicher doch.“, flapste sie. „Aber was meinen Sie damit?“ „Ich meine das.“, sagte ich, ballte meine rechte Hand zur Faust, streckte sie schnell vor, als wollte ich einen Boxschlag ausführen, stellte mir Marons Gesicht vor, in dem sie landen sollte und sagte dann laut langsam und deutlich: „Ich meinte das nicht niedlich!!! Ich meinte das verdammt ernst, Agent!“

Sedrin, die alles mitbekommen hatte, war vorsichtshalber in Deckung gegangen. „Was war das denn, Betsy?!“, fragte sie etwas verwirrt, die mit so etwas wohl kaum gerechnet hatte. „So kenne ich Sie ja gar nicht! Sonst machen Sie immer einen auf liebe Miezekatze und dann so was!“ „Tja.“, flapste Shannon. „Sie scheinen nur zu vergessen, Madam, dass auch jede liebe Miezekatze trotzdem im tiefsten Inneren noch immer ein Raubtier is’.“ Dann räusperte sie sich und fragte: „Ups, hab’ ich das jetzt wirklich gesagt?“ „Ja, das haben Sie, O’Riley.“, sagte Sedrin. „Ich war Zeugin! Und Sie liegen komplett richtig damit. Aber nun lassen Sie uns bitte weiter gehen, damit sich Ihre Vorgesetzte nicht die Beine in den Bauch steht.“ „Recht haben Sie, Agent!“, flapste Shannon. „Das würde ihre Attraktivität sicher um einiges herabsetzen und ich bin gespannt, wie Joran darauf reagiert!“ Sie grinste. „Das wollen wir doch besser nicht riskieren. Also: Auf geht’s!“ Wir setzten unseren Weg in Richtung von Jennas und Shannons Arbeitsplatz, an den sich auch gleich die Shuttlerampen anschlossen, fort.

 

Kapitel 13: Aufschlussreiche Experimente

von Visitor

 

Kate war zeitgleich mit Data und Jaden wieder an Datas und Cupernicas Haus angekommen. Aber fast im gleichen Moment hatten sich von hinten auch noch eine Menge weiterer Jeeps genähert, die alle die Firmenlogos von Fernsehsendern oder Zeitungen trugen. „Jemand wird die wohl einweisen müssen und wir brauchen wohl noch ’ne Menge Parkplätze.“, sagte Jaden und schaute Data bedient an. „Das ist korrekt, Jaden.“, sagte der Androide. „Ich werde sofort mit meiner Frau sprechen und wir werden uns dann gemeinsam mit den Chefs der Presseteams beraten. Sie werden sicher auch einige mobile Studios aufbauen wollen.“ „OK.“, sagte der Amerikaner flapsig zur Antwort. „Dann gehe ich schon mal zu Kate.“

Jaden setzte sich in Bewegung, um zu dem Platz zu gelangen, an dem ihn Agent Malcovich offensichtlich schon erwartete. Der Terraner hatte schemenhaft den Schatten ihrer Hand gesehen, die ihm gewunken hatte. „Ich habe einen Behälter, Commander!“, sagte Kate und zeigte mit fast stolzem Gesicht auf einen Container im offenen Kofferraum ihres Fahrzeugs. Auf dem Container war in Vulkanisch und Englisch deutlich der Begriff Gefahrgut zu lesen. „Das ist ein Isolationsbehälter.“, erklärte die junge Agentin. „Was wir benötigen, ist da drin.“ „Aha.“, sagte Jaden. „Ich bin sicher, das sollten wir nicht ohne Schutzhandschuhe anfassen, nicht wahr?“ „Stimmt, Commander!“, lobte Kate. „Aber wir sollten unserem kleinen Baumeister die Ehre geben, den Behälter selbst in seine Vorrichtung zu bauen. Deshalb habe ich auch ein Paar Handschuhe mitgebracht, die ihm passen sollten.“ „Der Kleine is’ Androide.“, wunderte sich Jaden. „Trotzdem!“, bestand Kate auf der Ausführung dessen, was sie vorhatte. „Sicher ist sicher, Sir.“ „Na gut.“, sagte Jaden und wandte sich ab: „Ich hol’ ihn.“

Data und Cupernica hatten sich inzwischen die Bescherung angesehen und kurzerhand entschieden, dass auch die im Moment nicht genutzten Grundstücke von Mikel und mir als Parkfläche, beziehungsweise Standorte für mobile Studios, herhalten mussten, da auf dem eigenen Grundstück Platz langsam zur Mangelware geworden war. Data hatte den Job des Parkwächters übernommen und Cupernica sprach alles Wichtige mit den Teams ab. Ganz hinten in einem der letzten Fahrzeuge konnte sie sogar ein vulkanisches Team erspähen. „Es sieht aus, als hätten die Vulkanier ein ernsthaftes Interesse daran, diese Sache zu klären.“, stellte die Androidin gegenüber ihrem Mann fest, der zwecks einer Absprache ihre Gegenwart gesucht hatte. „Das ist korrekt.“, erwiderte Data. „Obwohl ich es mir nicht wirklich erklären kann. Ich dachte immer, die Vulkanier legen keinen großen Wert auf die Befindlichkeiten vergleichsweise primitiver Lebensformen.“

Cupernica hatte darauf nichts erwidert, sondern dies lieber der Leiterin des vulkanischen Fernsehteams überlassen, die in jenem Augenblick langsam und ruhig auf Data zu ging. Sie war ca. 1,70 m groß, schlank, hatte schwarze kurze Haare und trug ein hochgeschlossenes rotes Kleid, zu dem sie flache braune Schuhe an den Füßen hatte. „Sie irren sich, Commander Data.“, sagte sie ruhig mit ihrer etwas sonoren Stimme. „Auch wir haben mittlerweile gelernt, dass es Dinge gibt, auf die Tiere viel eher reagieren, als es jedes technologische Gerät kann. Sollte Caruso also wirklich in der Lage sein, diesen unsinnigen Krieg zu verhindern, ist es nur logisch, dass wir ihm eine Chance geben.“ „Ah.“, machte Data und sah zu, wie sie sich wieder von ihm ab- und ihrem Kameramann zuwandte, um etwas auf Vulkanisch mit ihm zu besprechen.

Auf dem Weg ins Haus hatte Jaden Karen getroffen, die ihn jetzt mit vor Selbstvertrauen geschwelter Brust ansprach: „Na, habe ich Wort gehalten, oder habe ich das nicht, Commander Huxley?!“ „Das haben Sie, Karen.“, sagte Jaden. „Nur hätten Sie es meiner Meinung nach nich’ so übertreiben müssen.“ „Kann ich vielleicht was dafür, wenn sich meine Kollegen geradezu darum reißen, den Beweis für Sytanias Unschuld zu erbringen?“, fragte die Reporterin mit etwas naseweißem Ton. „Außerdem wissen Sie doch, wie das ist, Commander. Wenn es irgendwo eine Sensation zu bestaunen gibt, dann kommen wir in Scharen und stürzen uns drauf wie die Geier!“ „Is’ ja schön und gut.“, sagte Jaden. „Ich befürchte nur, dass es für Caruso vielleicht zu viele Geier sein könnten und er sich vor lauter Angst ins Fell macht und die Kooperation am Ende verweigert. Ich weiß zwar nich’ viel über das Verhalten von Tieren, aber ich bin da echt skeptisch. Ach, wo is’ Allrounder Betsy Scott, wenn man sie mal braucht?!“ „Ich denke, Commander Data wird uns da auch eine große Hilfe sein.“, sagte Karen. „Schließlich ist Caruso sein Haustier und er dürfte ihn daher am besten kennen. Suchen wir ihn doch und fragen ihn selbst. Aber Sie haben eigentlich gar keinen Grund zum Meckern, Jaden. Sie wollten eine große Plattform und ich habe sie Ihnen besorgt!“ „Ja.“, gab der Amerikaner etwas kleinlaut zu. „Nur, ob sie gleich so groß sein musste?“ Er warf noch einen skeptischen Blick in Richtung der ganzen Gesellschaft, die inzwischen ihre Ausrüstung aufbaute und ihre Plätze einnahm, die Data und Cupernica ihnen zuwiesen.

Novus hatte die Diskussion der Beiden vom Fenster seines Zimmers aus mitbekommen. Jetzt hatte er dieses verlassen und war ebenfalls in Richtung der Eingangstür gegangen. Hier stand er nun vor Karen und Jaden. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der Androidenjunge hilfsbereit. „Ihr vielleicht nich’.“, sagte Jaden flapsig. „Aber mir ganz sicher! Komm mit!“

Er führte Novus hinten herum zu Kates Jeep. „Kate, hier is’ er.“, sagte er dann zu der jungen Agentin und zeigte auf Novus. „Hi, Novus.“, sagte Kate lächelnd. „Commander Huxley und ich finden, du solltest den Behälter mit der Energie selbst in deine Konstruktion einbauen. Dafür habe ich noch etwas für dich.“ Sie gab ihm die Packung mit den strahlendichten Handschuhen. „Ich weiß zwar nicht, ob Sytanias Energie auf dich überhaupt eine Wirkung hat, aber …“ „Verstehe.“, sagte Novus und begann damit, die Packung aufzureißen, um sich die Handschuhe anzuziehen. „Die Vorschriften für den Umgang mit Gefahrgut. Meine Eltern erziehen mich zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft, Agent Malcovich, wissen Sie? Dazu gehört sicher auch, dass ich mich an die Gesetze halte. Sicher haben Sie bereits eine Ausnahme gemacht, als Sie mir erlaubten, den Behälter selbst einzubauen. Ich bin sicher, Sie würden keinen menschlichen 6-jährigen mit so etwas spielen lassen! Ist meine Annnahme korrekt?“ Kate nickte und sagte: „Und du meinst, dass wir den Bogen ja schließlich nicht überspannen wollen.“ „Bestätigt.“, sagte Novus. „Aber bitte lassen Sie uns jetzt zu meinem Bauwerk gehen und den Behälter einbauen, Agent. Dann kann sich die Strahlung schon mal ein wenig in der mittleren Kammer verbreiten. Mal sehen, ob Caruso hindurch zum Thunfisch geht, oder nicht.“ „Ich würde auf nicht wetten!“, sagte die junge Agentin selbstsicher und nahm den Isolierbehälter aus dem Kofferraum. „Wir öffnen ihn erst, wenn wir dort sind.“, erklärte sie an Novus gewandt. „Verstehe.“, sagte er und folgte ihr, die sich langsam auf den Weg zu der Drahtröhre machte, die man inzwischen gut sichtbar auf einem Rasenstück im vorderen Teil des Gartens aufgestellt hatte. Hier stellte Kate den Behälter ab. Dann geschah erst mal gar nichts.

„Würden Sie den Behälter bitte öffnen?“, fragte Novus, der von der Agentin gerade sehr fragend angesehen wurde. „Ich glaube, du hast da was übersehen.“, sagte Kate und deutete auf die mittlere Kammer. „Die Strahlung kann ja durch den Draht einfach so entweichen und könnte uns alle gefährden!“ „Kann sie nicht.“, widersprach Novus ruhig, hob das Dach der Kammer ab, nachdem er einige Schrauben gelöst hatte, und gab es Kate in die Hand. Diese bemerkte sofort, dass es noch immer durch irgendwas mit dem Rest des Käfigs verbunden war. Mit was aber vermochte sie optisch nicht wahrzunehmen, da es offensichtlich die gleiche Farbe wie der Draht hatte. Erst, als sie die seltsame Verbindung betastete, fiel ihr auf, womit sie es zu tun haben könnte. Die Innenseite der Kammer war nämlich mit demselben Material ausgekleidet, aus dem auch strahlendichte Anzüge waren, die Kate sehr gut kannte. „In das atmungsaktive Gewebe ist Rosannium eingearbeitet.“, sagte Novus. „Aber nur in die äußere Schicht. Wir sind also außer Gefahr und Caruso wird sich dem, wenn es stimmt, was wir vermuten, ohnehin nicht wirklich aussetzen. Spätestens an der Schwelle wird er, wenn er Sytanias Energie spürt, Halt machen. Ich gehe sogar davon aus, dass er aggressives Verhalten gegen die Energie zeigen wird!“ „Ich denke, spätestens dann wird es Zeit, ihm den Fluchtweg zu öffnen.“, sagte Kate mitfühlend. „Das ist korrekt.“, sagte Novus. „Wenn meine Mutter feststellen sollte, dass sein Stresslevel zu sehr steigt, dann wird sie mir ohnehin die Anweisung dazu erteilen.“

Er zog eine Art Fernsteuerung aus der Tasche und demonstrierte ihre Funktion. „Damit habe ich die Kontrolle über alle Luken und Türen dieses Käfigs.“, sagte er. „Ich sehe schon.“, sagte Kate. „Du hast an alles gedacht.“ Sie gab Novus das Dach des Käfigs zurück, der es wieder anschraubte. Dann zog sie ihr Sprechgerät, um mit dessen Hilfe und einigen Codes den Container zu öffnen, aus dem sie Novus den Behälter mit Sytanias Energie entnehmen ließ, der dann einen Bügel am Käfigdach löste, um ihn in die Vorrichtung zu schieben und ihn dort wieder mit dem Bügel zu sichern.

Data hatte sich den Beiden genähert. Er hatte einen Teller in der linken Hand, auf dem rot und appetitlich ein Happen Thunfisch glänzte. In seiner Linken hatte er eine Pinzette, mit der er den Fisch jetzt aufnahm, um ihn dann in den Napf in der dritten Kammer des Käfigs zu legen. „Wir wollen den Fisch nicht mit für Caruso vertrauten Gerüchen kontaminieren.“, sagte der Androide zur Erklärung. „Schließlich soll man uns später keine Manipulation vorwerfen können. Ich werde Commander Huxley jetzt helfen, Caruso zu suchen. Die Journalisten sind bereit, Cupernica würde gern beginnen und wir brauchen eigentlich nur noch den Ehrengast.“ „In Ordnung, Vater.“, sagte Novus und sah zu, wie Data in die Gegenrichtung davonging.

Es war aber nicht Data, sondern Jaden, der Caruso zuerst finden sollte. Ganz Kater hatte dieser sich nämlich auf einen Pfeiler gesetzt, um das doch für ihn sehr merkwürdig anmutende, aber doch sehr spannende Geschehen von oben betrachten zu können. Diesem näherte sich der Terraner jetzt vorsichtig. Er hatte ja nicht vergessen, was er selbst Caruso angetan hatte. Der Kater aber schien ihm bereits verziehen zu haben, denn er kam zu Jadens Erstaunen von seinem Ansitz und rieb sogar laut schnurrend seinen Kopf an dessen rechtem Bein. „Na, mein kleiner schwarzer Panter.“, sagte Jaden und beugte sich zu ihm herab. „Hast dem tollpatschigen Onkel Jaden seine Aktion wohl verziehen, was? Na komm mal her, du Star! Dein Frauchen will anfangen und wir sollten sie nicht länger warten lassen.“

Er zog seine Jacke aus und knotete sie wie einen Beutel zusammen, dessen Griffe, die Ärmel, er sich um die Schultern legte. Dann hob er Caruso hoch und setzte ihn hinein. „Betrachte das als deine persönliche Sänfte.“, sagte er und machte sich in Richtung des Freiluftlabors auf den Weg. „Und ich bin heute mal dein persönlicher Sänftenträger.“, sagte Jaden. „Welche andere Katze kann schon von sich behaupten, so etwas zu haben? Ach, wenn du nur wüsstest, was von dir abhängt! Aber vielleicht is’ es ja auch besser so. Der Druck wäre sonst bestimmt viel zu groß.“ Caruso gähnte nur einmal gelangweilt, aber noch nicht mal dabei hörte er auf zu schnurren. Dieser Umstand beruhigte Jaden ungemein. Wusste er doch jetzt, dass sich das Verhältnis zwischen ihm und Caruso tatsächlich wieder entspannt hatte.

Wenige Sekunden später hatten Jaden und sein kostbarer Passagier auch schon die Szenerie erreicht, die jetzt aus einem Wald aus Stativen, Kabelrollen und anderer technischer Ausrüstung bestand, die von den Medienmachern auf dem Rasen rund um die Versuchsanordnung aufgebaut worden war. Hier hindurch musste er nun, um zu Data zu gelangen, der ihn bereits am Eingang zur Drahtröhre erwartete. Er hatte einen Zeigestock in der rechten Hand und vor ihm auf einem Stein lag ein Pad mit den Photos von Carusos Verhalten an der Statue.

„Da seid ihr ja.“, sagte der Androide und wechselte einige Blicke mit seiner Frau, die dann zu den Journalisten nach hinten fragte: „Sind Sie alle so weit, Ladies und Gentlemen?“ Die Antwort war ein einhelliges Kopfnicken. „Gut.“, sagte Cupernica. „Dann beginnen wir also. Bitte setzen Sie Caruso in die erste Kammer, Commander Huxley.“ „OK, Scientist.“, sagte Huxley flapsig und nahm Caruso aus seiner Sänfte. Dann flüsterte er ihm zu: „Es geht los, mein Kleiner. Jetzt kommt alles auf dich an.“ Dann setzte er ihn in die Kammer, die von Novus vorher auf Anweisung seiner Mutter per Fernsteuerung geöffnet worden war und dann auch gleich wieder geschlossen wurde.

Sofort waren zig Kameras auf das Geschehen gerichtet. Die Reporter überschlugen sich fast mit: „Ich melde mich live aus dem Garten von Commander Data und Scientist Cupernica in Little Federation!“ Oder auch: „Ein denkwürdiges Experiment wird hier stattfinden, an dessen Ende wir hoffentlich klarer sehen, was die Schuld, oder auch die Unschuld unserer Erzfeindin Sytania angeht!“ Aber auch: „Wir werden gleich alle Zeugen werden, verehrte Zuschauer, wie ein Kater Richter über Sytania werden wird! Er wird uns sagen, ob sie schuldig, oder unschuldig ist!“ Natürlich waren solche Sätze hauptsächlich von den Teams gekommen, die aus emotional geleiteten Reportern, wie die Vulkanier fanden, bestanden. Sie, die ihren Zuschauern natürlich nur die Fakten präsentierten, würden natürlich nur müde über so etwas lächeln.

Scientist Cupernica und Commander Data waren von den Fernsehteams an ihrer Kleidung mit mobilen Kameras und Mikrofonen ausgestattet worden. Deshalb konnten sie jetzt auch selbst über das berichten, was hier gerade passierte. „Sie sehen, Ladies und Gentlemen.“, begann Cupernica. „Im Augenblick ist Caruso noch ganz ruhig. Er hat ja auch noch keinen Grund, sich aufzuregen, denn er ist ja der Strahlung auch noch nicht ausgesetzt. Mein Sohn Novus wird das aber jetzt ändern.“

Sie gab Novus einen Wink, der sofort die strahlendichte Luke zwischen der ersten und der zweiten Kammer öffnete. Caruso, der von Natur aus sehr neugierig war, tigerte zur Schwelle, blieb aber dann doch davor stehen und ging plötzlich in Hockstellung, als wollte er auf etwas losspringen, oder es angreifen! Seine Nackenhaare stellten sich auf! Sein ganzes Fell sträubte sich! Sein peitschender Schwanz wurde mindestens doppelt so dick und er machte einen Buckel! Außerdem riss er das Maul bedrohlich auf, so dass seine Zähne gut zu sehen waren! Seine Krallen waren ausgefahren und er hob bedrohlich seine rechte Vorderpfote! Außerdem fauchte und knurrte er sehr laut und gab schrille hohe kreischende Töne von sich, die schon so manchen Feind das Fürchten gelehrt hatten!

„Das müssen wir in den Kasten kriegen!“, beorderte ein celsianischer Reporter seine demetanische Kamerafrau. „Los, Ragidis, halt drauf! Und gib mir auch noch ’ne Großaufnahme von der Leiterin von diesem Experiment hier!“ Die kleine zierlich gebaute Demetanerin nickte ihrem großen krausbärtigen Vorgesetzten zu und gab einige Befehle in ein Pad ein, auf die sich die auf einer Kugel aufgebaute Kamera selbstständig in die richtige Richtung drehte.

Cupernica betrat den Vordergrund des Bildes. Dann sagte sie: „Sie sehen also, Ladies und Gentlemen, dass Caruso durchaus auf Sytanias Energie reagiert. Die Frage bleibt allerdings, ob er diese Haltung für Thunfisch wirklich aufgeben würde, wie es allgemein behauptet wird und wie die Regierung der Föderation auch ihre Zweifel begründet. Novus, öffne ihm bitte den direkten Weg zum Thunfisch!“ „Ja, Mutter!“, nickte der Androidenjunge eifrig und hielt seine Hand mit der Fernsteuerung brav in die Kamera der Celsianer, die offensichtlich einen exklusiven Platz ergattert hatten. Dann nahm er die entsprechenden Schaltungen vor, auf die sich die Luke tatsächlich öffnete, was von Ragidis auch wieder aufgenommen wurde.

Caruso stutzte zwar kurz, als er den Geruch des Thunfisches wahrnahm, führte dann aber seinen Scheinangriff fort. Cupernica wandte sich darauf nur mit einem sachlichen Blick zu Data, der ab hier das Referieren übernahm. Mit Pad und Zeigestock drehte er sich in Richtung der Kameras und begann: „Betrachten Sie bitte alle diese Bilder, Ladies und Gentlemen! Sie werden sehen, dass sich Caruso gegenüber der Statue im Stadtpark ganz anders verhalten hat.“ „Ach, das sieht doch so keiner, Mr. Data.“, stöhnte der Celsianer. „Das machen wir anders!“

Er nahm ein Sprechgerät aus der Tasche und gab das Rufzeichen seines Heimatstudios ein. Dann sagte er: „Hallo, Technik, könnt ihr mal die Matz aus der Zeitung über unsere Bilder legen?!“ Da er einen Ohrhörer benutzt hatte, bekam niemand die Antwort der Techniker mit, aber auf dem Monitor der Kamera war auch bald das Gewünschte zu sehen. „OK.“, sagte der Celsianer. Dann wandte er sich an Data: „Alles klar. Jetzt können Sie weiter reden.“ „Vielen Dank, Sir.“, sagte Data höflich und setzte sein Referat fort: „Diese Energieprobe, die wir hier benutzen, kommt eindeutig von Sytania und Sie sehen alle, dass Caruso auf sie hoch aggressiv reagiert! Auch der Thunfisch hält ihn offensichtlich nicht davon ab. Um dem Vorwurf der Tierquälerei allerdings keinen Vorschub zu leisten, denke ich, dass es besser wäre, wir würden das Experiment bald beenden.“ Er sah seine Frau an.

Cupernica tauschte mit ihrem Mann wieder den Platz. Dann sagte sie: „Mein Mann hat ganz Recht. Aber wir sind allen noch einen letzten eindeutigen Beweis schuldig. Da alle Türen in der Konstruktion meines Sohnes strahlendicht sind, wird es für Caruso einen attraktiven Fluchtweg geben, den unser Sohn ihm jetzt öffnen wird. Novus!“

Erneut nickte Novus und tat, was ihm Cupernica soeben gesagt hatte. Tatsächlich drehte sich Caruso um und witschte gut sichtbar für alle den längeren aber ungefährlicheren Fluchtweg entlang, bis er von dort zum Thunfisch gelangte, den er sich dann erst schmecken ließ. Allerdings gelang es ihm offensichtlich nur langsam, sich zu beruhigen, was selbst Novus nicht verhindern konnte, der die Luke wieder hinter ihm geschlossen hatte, damit er auf keinen Fall mehr der Strahlung ausgesetzt wäre.

„Sie sehen also, Ladies und Gentlemen.“, beendete Data sein Referat. „Dass Caruso sehr wohl unterscheiden kann, wer gut und wer böse ist. Das Fazit unseres Experimentes lautet also, dass Sytania mit der Statue im Park nichts zu tun haben kann! Folge dessen ist auch der Plan der Tindaraner, Sytania den Krieg zu erklären, um Rache für eine nicht vorhandene Falle zu nehmen, total unsinnig und entbehrt keiner logischen Grundlage mehr!“ „Vielen Dank, Data.“, sagte Cupernica. „Also erkläre ich das Experiment hiermit für beendet. Es wird nur noch etwas dauern, denke ich, bis sich Caruso beruhigt hat. Dies sollten wir noch abwarten, bevor wir ihn wieder aus dem Drahtkäfig nehmen im Interesse der eigenen Gesundheit. Aber das ist etwas, das wir gern im privaten Rahmen erledigen würden. Mein Mann und ich stehen Ihnen aber noch gern für ein Interview zur Verfügung.“

Ihren letzten Satz bereute Cupernica allerdings fast schon wieder, denn jetzt entbrannte ein wilder Streit unter den Reportern, wer sie und Data zuerst interviewen dürfte. „Sie sollten vielleicht Nummern verteilen.“, flapste Jaden. „Oh, ich denke, das wird nicht nötig sein, Commander.“, beruhigte Cupernica ihren ehemaligen Vorgesetzten. „Ich denke, dass wir im Interesse der Sachlichkeit zuerst den Vulkaniern den Vortritt lassen sollten. Dann kommen die Celsianer und der Rest in einer alle einschließenden Pressekonferenz.“ „Effizient wie immer.“, sagte Jaden mit fast bewunderndem Ausdruck in der Stimme. „Ich bleib’ dann am besten mal bei Caruso. Dann is’ er nich’ so allein.“ „In Ordnung, Jaden.“, sagte Data und folgte seiner Frau ins Haus, die dorthin bereits von dem vulkanischen Fernsehteam begleitet wurde.

 

Kapitel 14: Die Rückkehr der „verlorenen Kinder“

von Visitor

 

Wir waren im Maschinenraum der Basis 281 Alpha eingetroffen, wo ich Jenna die entsprechenden Codes für Lyciras Systeme gab. So war es ihr möglich, die neue Software für den Antrieb aufzuspielen und sie mit ebendiesen ohne Schwierigkeiten zu verknüpfen. Dann baten Sedrin und ich sie, uns zu erklären, wie der neue Antrieb denn nun funktionieren würde. Für Sedrin war das Ganze wohl eher ein reiner Akt der Neugier, ich aber musste es wissen, weil sich mein Schiff unter Umständen in fliegerischer Hinsicht ganz anders verhalten konnte, als sie es sonst tat.

„Im Prinzip ist es ganz einfach.“, sagte die Ingenieurin. „Sagen wir einfach, Lycira wird, sobald Sie in der Dimension der Nidari-Travelers sind, von einem Polster aus reinem Licht getragen werden. Mehr werde ich darüber nicht sagen, denn eine weitere Erklärung würde viel zu weit führen und Sie beide sicher nur langweilen.“ „Schon gut, McKnight.“, stimmte Sedrin zu, die wohl sehr froh war, dass die hoch intelligente Halbschottin sie nicht weiter mit technischen Fachbegriffen und Details langweilen würde, die sie ohnehin nicht verstand.

Die Agentin wandte sich mir zu: „Kommen Sie, Allrounder! Je eher wir abfliegen und die Nidari-Travelers von dem Dilemma in Kenntnis setzen, das sie ausgelöst haben, um so besser!“ „OK, Madam.“, sagte ich und war im Begriff, ihr zur Andockrampe zu folgen, aber im gleichen Moment öffnete sich die Tür und Zirell betrat den Maschinenraum. „Ich habe hier etwas für euch, das ihr euch auf jeden Fall noch ansehen solltet, bevor ihr los fliegt.“, sagte die tindaranische Kommandantin. „Unter Umständen ist nämlich gar nicht mehr so große Eile geboten.“

Sedrin drehte sich der älteren Tindaranerin zu, die auf ein Pad in ihrer Hand gezeigt hatte. „Dann lass mal sehen, Zirell.“, sagte sie. Bereitwillig gab ihr die Angesprochene das Pad. In großen Lettern konnte Sedrin eine wohl aus einer Zeitung stammende Überschrift erkennen: „Im Zweifel für die Angeklagte! Kater killt Kriegspläne!“

Sedrin gab einen verächtlichen Laut von sich. Dann fragte sie: „Aus welchem Käseblatt hast du das, Zirell?!“ „Du hast mich soeben als Leserin der Boulevardpresse der Föderation überführt.“, gab Zirell zu. „Das war es doch, was du mit deiner abschätzigen Äußerung gerade sagen wolltest, nicht wahr?“ „In gewisser Hinsicht stimmt das.“, sagte Sedrin ruhig und wandte sich wieder dem Pad zu, um den unter der sehr alliterationsabhängigen Überschrift stehenden Artikel doch noch zu lesen. „Wenn das alles so stimmt.“, sagte sie dann. „Dann haben wir hier den Beweis!“ „Das heißt, meine Regierung wird sich bei Sytania entschuldigen müssen.“, schloss Zirell. „Das müssen sie wohl.“, sagte Sedrin. „Damit würden sie auf jeden Fall echte Größe zeigen. Aber wir sollten warten, bis es auch in den offiziellen Tageszeitungen zu lesen ist. So ein Boulevardblatt ist zwar schnell, hat aber auch den Ruf zu berichten, bevor es recherchiert.“ „Das ist wohl wahr.“, sagte Zirell. „Also wird es wohl gut sein, wenn ihr zu den Nidari-Travelers fliegt und ihnen von uns berichtet. Dann können sie ja auch der Zusammenkunft beweisen, dass es sie gibt und schon ist das dumme Missverständnis wieder aus dem Weg.“ „Das stimmt!“, sagte Sedrin zuversichtlich, bevor sie zu mir in Lyciras Cockpit stieg und wir abflogen.

Saron hatte von der Übertragung des Experimentes durch seine Freundin erfahren, die durch Zufall, oder sollte ich lieber Schicksal sagen, einen der unzähligen Fernsehkanäle der Föderation auf ihrem privaten Sprechgerät eingeschaltet hatte. „Hast du eine Möglichkeit zum Fernsehen in deiner Nähe, Jineron?!“, hatte sie aufgeregt gefragt. „Die Gleiche wie du, Jinya!“, sagte Saron. „Dann weißt du ja sicher, was die Stunde geschlagen hat! Es ist möglich, dass es gar keinen Krieg mehr gibt! Vorausgesetzt, die Tindaraner zeigen Größe und entschuldigen sich bei Sytania, wovon ich aber ausgehe.“ „Davon gehe ich auch aus, Jinya!“, sagte Saron freudig erregt. „Aber Sytania wird das weniger gut finden. Schließlich fällt jetzt ihr schöner Grund weg, die Tindaraner anzugreifen, zumindest dann, wenn sie sich entschuldigen und bewiesen werden kann, dass es die Nidari-Travelers wirklich gibt und sie sich nur deswegen nicht zuerst bei den Tindaranern gemeldet haben, weil sie diese für einen Mythos gehalten haben.“

Nugura war auf das Gespräch zwischen ihrem Sekretär und seiner Freundin aufmerksam geworden. Da Saron dem Computer mit ihrem Einverständnis befohlen hatte, die Tür im halboffenen Zustand zu blockieren, nahm dies nicht Wunder. „Na so was!“, sagte Nugura sehr angespannt, der die politische Situation immer noch sehr große Kopfschmerzen bereitete. „Sie mögen zwar einige Freiheiten genießen, Mr. Saron, die ich sicher nicht jedem meiner Mitarbeiter geben würde, aber das geht zu weit! Wie kommen Sie dazu, während Ihrer Arbeitszeit Privatgespräche zu führen und fern zu sehen?! Und reden Sie sich bitte nicht mit Gesprächen zu Diplomaten oder etwas Ähnlichem heraus! Ich bin sicher, Sie würden keinen von denen in Ihrer Muttersprache mit Schatz anreden!“ „Sie haben Recht, Madam.“, sagte Saron, klang dabei aber sehr ruhig und sachlich. Ihm war klar, dass sie im Moment wohl wegen der ganzen Situation etwas überreagierte. Aber über diesen Umstand sah er großzügig hinweg. „Ich habe ein privates Gespräch geführt und ich habe fern gesehen. Meine Freundin hat mich gerufen, um mich auf etwas aufmerksam zu machen, das vielleicht die entscheidende Wende bringen könnte.“

Er zeigte ruhig auf den Bildschirm des Sprechgerätes, wo immer und immer wieder die Szenen aus dem Experiment durch die eilig angesetzten gesonderten Nachrichtensendungen geisterten. Jetzt setzte auch Nugura ein Lächeln auf. „Das ist natürlich etwas anderes, Mr. Saron.“, sagte sie. „In diesem Fall ist es Ihnen natürlich erlaubt, Privatgespräche während der Arbeitszeit zu führen und fern zu sehen. Es würde mich ja nicht wundern, wenn …“

Ein Signal hatte sie irritiert. Rasch wechselte Saron das Bildschirmfenster, um sich und ihr einen Einblick in die Situation zu verschaffen. Weder der demetanische Sekretär noch seine Vorgesetzte konnten aber glauben, was sie dort sahen. „Das ist das Rufzeichen der vulkanischen Regierung!“, staunte Nugura. „Was kann sie dazu bringen, noch einmal Kontakt mit uns aufnehmen zu wollen? Ich meine, verabschiedet haben wir uns doch schon längst und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Vulkanier sentimental werden und mit mir noch einmal über alte Zeiten plaudern wollen.“

„Piep, piep!“, machte das Sprechgerät beide erneut auf den Ruf aufmerksam. „Wollen Sie sich nicht mal kümmern, Mr. Saron?“, fragte Nugura. „Also gut.“, sagte Saron, fasste sich ein Herz, räusperte sich, nahm das Mikrofon in die Hand, drückte den Sendeknopf und sagte dann: „Hier Präsidentin Nuguras Büro, Sie sprechen mit Sekretär Saron.“ „Hier ist T’Mir, das Staatsoberhaupt von Vulkan.“, kam eine sachliche Antwort zurück. „Ist Ihre Vorgesetzte verfügbar, Mr. Saron?“ „Ja, das ist sie.“, sagte der etwas verwirrte Sekretär, der sich beileibe keinen Grund vorstellen konnte, aus dem sie noch einmal mit ihm oder ihr sprechen wollen sollte.

Er sah Nugura an. „Verbinden Sie in mein Büro, Saron!“, erteilte diese ihm eine klare Anweisung. „Ja, Madam President.“, sagte Saron und führte ihre Weisung aus.

Nugura war gleich darauf in ihr Büro gegangen und hatte dem Computer befohlen, die Blockade der Tür aufzuheben und diese zu schließen. Dann hatte sie das Gespräch entgegen genommen. „Was gibt es, T’Mir?!“, fragte sie. In ihrer Stimme lag gut hörbar immer noch eine gewisse Anspannung. „Möchten Sie etwa mit mir über alte Zeiten plaudern? Das wäre doch für eine Vulkanierin ziemlich untypisch, nicht wahr?“ „Sie haben Recht, Nugura.“, sagte T’Mir gewohnt sachlich. „Aber wenn, wie Sie schon richtig erkannt haben, das sentimentale Plaudern über alte Zeiten für eine Vulkanierin wie mich so untypisch ist, wie Sie sagen, Präsidentin, dann sagen Sie mir doch, was die logische Konsequenz daraus wäre.“

Sie hatte den Sendeknopf losgelassen, was für Nugura gut durch ein Signal hörbar und auch auf dem Display durch ein Symbol gut sichtbar war. Jetzt, das wusste Nugura, lag der Ball in ihrem Feld. Aber sie war nicht in der Lage, oder besser wagte es nicht, das auszusprechen, was ihr gerade durch den Kopf ging.

„Nun.“, lächelte sie schließlich diplomatisch. „Sagen Sie es mir doch, T’Mir. Immerhin ist die Logik Ihr Fachgebiet.“ „Na gut.“, sagte T’Mir geduldig. „Sie haben ja schon richtig erkannt, dass es mir nicht um alte Zeiten gehen kann. Aber ich möchte mit Ihnen statt dessen über neue Zeiten reden, Nugura. Über neue Zeiten, die jetzt anbrechen werden. Jetzt, da Vulkan in die Föderation zurückkehren wird!“

Wie versteinert saß Nugura in ihrem Stuhl und ließ den letzten Satz ihrer Gesprächspartnerin in ihrem Kopf immer wieder nachhallen. Sie konnte nicht glauben, was sie da gerade gehört hatte. Ihre vor Freude zitternde Hand griff nach dem Mikrofon, das ihr vor lauter Schreck aus der Hand gefallen war. „Könnten Sie das bitte noch einmal wiederholen, T’Mir?“, fragte sie. „Natürlich.“, sagte die Vulkanierin. „Und ich bin auch bereit, dies vor Zeugen zu tun und auch vor Zeugen meine Gründe darzulegen. Vielleicht könnten Sie Ihren klugen und unerschütterlichen Sekretär dazu bitten. Ich wette, die Gründe, die ich Ihnen gleich nennen werde, haben nicht wenig mit ihm selbst zu tun. Vielleicht war alles sogar allein seine Idee.“

Hinter T’Mir war plötzlich wie auf Stichwort ein weiterer Schatten aufgetaucht. Es handelte sich um einen großen muskulösen Mann, einen Klingonen, der offensichtlich zu ihrer Leibwache gehörte. Er war geschätzte zwei Meter groß, sein Körper war wie üblich stark behaart und er trug die typische Uniform eines Leibwächters. An seiner rechten Seite hing ein Halfter mit einem Phaser des Typs drei. Zwar hätten alle Nicht-Vulkanier den Planeten eigentlich schon längst verlassen müssen, wäre es wirklich zu einer fristgerechten Abwicklung gekommen, aber das war ja nun Geschichte und zu alledem kamen ja auch noch die normalen Kündigungsfristen im Arbeitsrecht.

„Also.“, sagte T’Mir. „Ich habe meinen Zeugen. Mr. Klan hier wird so liebenswert sein, alles, was ich jetzt sage, gegenüber allem und jedem zu bestätigen, der danach fragt. Wie sieht es mit Ihrem Zeugen aus?!“

Immer noch ungläubig stand Nugura von ihrem Schreibtisch auf und ging zur Zwischentür, die ihr und das Büro ihres Sekretärs voneinander trennte. Dann legte sie den Finger auf den Türsensor, was die Tür augenblicklich zur Seite gleiten ließ.

Saron war in die Bearbeitung einiger Akten vertieft und wurde ihr erst wirklich ansichtig, als sie bereits vor seinem Schreibtisch stand. Ihm fiel sofort ihr blasses Gesicht auf. „Was ist los, Sea Federana?“, fragte der immer typisch demetanisch hilfsbereite Mann. „Was hat sie gesagt?“ „Sie will zurückkehren, Mr. Saron.“, stammelte Nugura und fiel fast in Ohnmacht, eine Tatsache, die ihrem Sekretär nicht entgangen war. Rasch holte er einen der Gästesessel von einem Nebentisch und half ihr darauf. „Sie ist sogar bereit, dies vor Zeugen zu wiederholen.“, sagte Nugura immer noch sehr blass und zittrig. „Ich frage mich, was wir getan haben, um das zu verdienen. Sollte am Ende tatsächlich alles mit dem Experiment zusammenhängen und sollte es die Vulkanier wirklich so beeindruckt haben? Ich meine, immerhin ist Caruso doch nur ein primitiver Vierfüßler in ihren Augen. Wie könnte er denn …?“ „Ich bin sicher, Präsidentin, dass T’Mir uns das alles erklären wird. Lassen Sie uns doch hinüber gehen und sie persönlich fragen.“ „Das wird wohl das Beste sein.“, sagte die Präsidentin der Föderation. „Also dann!“

Leider war ihr Versuch aufzustehen nicht von sehr großem Erfolg gekrönt, denn ihre Beine versagten ihr den Dienst. Viel zu aufgeregt war sie angesichts der neuen Tatsachen gewesen. Saron stellte sich schräg zu ihrer Linken und beugte sich leicht vor, um ihr zu ermöglichen, ihren linken Arm um seine Schultern zu legen. Dann zählte er bis drei und beide standen gemeinsam auf. „Ich bin froh, dass uns jetzt kein Reporter zusieht.“, sagte Nugura. „In der momentanen Situation, Präsidentin, wäre mir das ziemlich egal, offen gesagt.“, sagte Saron. Dann setzte er sie auf ihren Stuhl und half ihr, sich noch zurechtzurücken.

Sie räusperte sich und nahm dann das Gespräch wieder auf, das sie zuvor in die Warteschleife ihres Sprechgerätes gelegt hatte: „So, Präsidentin T’Mir.“, sagte sie. „Nun sind auch hier alle vollzählig.“ „Also gut.“, sagte die Vulkanierin und legte einen feierlichen Ausdruck in ihr Gesicht. „Dann sage ich es hiermit noch einmal hoch offiziell. Vulkan wird ab heute wieder der Föderation der vereinten Planeten angehören, nachdem alle anderen endlich zur Vernunft gekommen sind! Scientist Cupernicas Experiment hat gezeigt, dass Sie durchaus in der Lage sind, logisch zu handeln, wenn Sie wollen.“ „Aber wie können Sie das als logisch bezeichnen?!“, fragte Nugura, die von den neuen Fakten immer noch nicht ganz überzeugt war. „Wo doch Caruso nur ein primitiver Vierfüßler ist.“ „Das mag sein.“, sagte T’Mir. „Aber auch wir haben mittlerweile gelernt, dass primitive Vierfüßler zuweilen Talente besitzen, die uns Zweibeinern abgehen. Terranische Katzen zum Beispiel sind dafür bekannt, dass sie auf Telepathie reagieren können. Sei sie nun negativ oder positiv. Das weiß ich unter anderem aus einem Bericht von Allrounder Betsy Scott, der mir vorliegt. Laut diesem hat Caruso sogar eindeutig zwischen der Energie von Shimar und der von Sytania unterscheiden können. Sprechen Sie doch mal mit ihr darüber. Aber wer hat eigentlich die Idee zu diesem hoch beeindruckenden und sehr wissenschaftlichen Experiment gehabt? Ich bin sicher, das ist allein auf Mr. Sarons Mist gewachsen, nicht wahr?“ „Das ist es nicht.“, sagte Nugura. „Mr. Saron und Scientist Cupernica hatten mindestens gleiche Anteile daran.“ „Das lässt sich denken.“, sagte T’Mir. „Jedenfalls können sich die Beiden dazu beglückwünschen, uns in die Föderation zurückgeholt zu haben.“ Die Verbindung wurde von ihrer Seite beendet.

Nugura atmete einmal tief durch. „Daran hätte ich im Leben nicht geglaubt, Saron!“, sagte sie. „Im Leben nicht! Aber anscheinend haben der Scientist und Sie da tatsächlich eine kleine Meisterleistung vollbracht! Und T’Mirs Rat, mit dem Allrounder über das Verhalten von Katzen zu sprechen, werde ich auch annehmen. Sie war ja schließlich selbst einmal eine ehemalige Katzenhalterin und ist auch noch Hobbyverhaltensforscherin. Außerdem kennen ja wir alle wohl den Bericht, den T’Mir gemeint hat. Das ist ja alles noch gar nicht so lange her. Versuchen Sie bitte, sie zu erreichen, Mr. Saron. Unter einem der Rufzeichen, die wir von ihr haben, dürfte das ja wohl möglich sein und wenn es das ihres privaten Schiffes ist!“ „Sofort, Präsidentin.“, sagte Saron und war aus der Tür.

In seinem Haus im Dunklen Imperium hatte Telzan gemeinsam mit seiner Frau vor dem Kontaktkelch gesessen und sich die Situation angesehen. Auf Cirnachs Bitten hatte er den Kelch sogar nach der Zukunft befragt, ihm hatte aber so gar nicht gefallen, was er dort gesehen hatte. „Wir müssen zu Sytania gehen und uns mit ihr beraten, Telshanach.“, sagte der Vendar mit blassem Gesicht. „Das würde ich auch sagen.“, erwiderte Cirnach mit bedientem Blick. „Unsere Herrin muss wissen, was demnächst auf uns einprasseln wird, wenn wir nicht aufpassen. Komm, Telshan, lass uns gehen!“

Sytania saß nichts ahnend auf ihrem Thron, als sich Cirnach und ihr Mann näherten. Die Wache am Schlosstor hatte sie ohne Schwierigkeiten passieren lassen, da alle Wächter die beiden Vertrauten der Königstochter gut kannten. Jetzt kündigte der Herold sie an: „Der Vendar Telzan und seine Frau Cirnach, Euer Hoheit!“ „Lass sie vortreten!“, befahl Sytania und der Herold winkte die beiden Vendar durch. Dann bekam er von Sytania den Befehl: „Lass uns allein!“ Folgsam ging er.

Telzan und Cirnach schritten ehrfürchtig vor Sytania hin und verbeugten sich vor ihr. Dann begann der Vendar: „Hoheit, meine Frau und ich haben gerade den Kontaktkelch benutzt und leider Dinge gesehen, die Euch gar nicht gefallen könnten, wenn wir sie nicht ändern. Wir bitten Euch, Eure seherischen Fähigkeiten zu nutzen, damit Ihr auf dem gleichen Stand seid. Dann solltet Ihr beurteilen, wie dringend die Situation ist.“ „Na schön.“, sagte Sytania. „Sehen wir mal, wovon ihr geredet habt.“

Konzentriert sah die mächtige Prinzessin auf einen Punkt an der ihrem Thron gegenüber liegenden Wand des Raums. Dann verfinsterte sich plötzlich ihr Gesicht und sie rief aus: „Oh, wie schauderhaft! Es wird zu einem ersten Kontakt kommen und eventuell zu noch viel mehr, wenn wir nicht aufpassen! Wenn es Allrounder Betsy Scott und Agent Sedrin Taleris-Huxley gelingt, die Nidari-Travelers davon zu überzeugen, dass es die Tindaraner wirklich gibt, dann werden sich die Tindaraner sicher bei mir entschuldigen! Das ist so sicher wie das Amen in der terranischen Kirche und dann fällt mein schöner Grund für einen Krieg weg! Außerdem Cupernicas widerliches Experiment, das die Vulkanier in die Föderation zurückgebracht hat! Der Teufel stehe uns bei!“ „Aber wer sagt denn.“, begann Telzan. „Dass Ihr die Entschuldigung annehmen müsst?“ „Die Klugheit sagt das, mein geliebter Ehemann.“, sagte Cirnach mit einem Ausdruck im Gesicht, als wollte sie ihn besänftigen. „Wenn Sytania die Tindaraner dann noch angreift, wenn sie sich entschuldigt haben, wäre sie die Aggressorin und es wäre wie immer. Dass wir handeln müssen, steht außer Frage. Entweder, wir greifen die Tindaraner jetzt an, was nicht gut wäre, weil die Föderation, die ja eigentlich kurz vor dem Zerfall war, auch wieder neu erstarkt ist und somit geschlossen an ihrer Seite stehen würde, oder wir verhindern, dass Betsy und Sedrin die Nidari-Travelers je erreichen! Aber es gibt auch noch einen weiteren Grund, aus dem wir dringend handeln müssen. Ihr habt das ja sicher auch gesehen. Ich spreche von Commander Huxley.“ „Huxley?!“, fragte Sytania ungläubig und mit einem verächtlichen Lachen. „Du machst dir immer noch Sorgen um diesen unbeholfenen Cowboy?! Ich sage dir was: Der hat noch nie was zustande gebracht und wird auch nie was zustande bringen! Zumindest nicht allein und um seine holde Angetraute, die daran noch was ändern könnte, werden wir uns ja jetzt kümmern, nicht wahr? Na, wo ist sie denn?!“

Wieder begann Sytania, sich zu konzentrieren. Die Frage, die sie sich allerdings jetzt im Geist stellte, lautete: Wo sind Allrounder Betsy Scott und Agent Sedrin Taleris-Huxley?!

Es vergingen einige Sekunden, bevor Telzan es wagte, seine Herrin erneut anzusprechen: „Habt Ihr sie gefunden?“ „Das habe ich.“, sagte Sytania. „Nimm meine Hand und gib die andere deinem holden Weibe. Dann soll sie mir ihre zweite Hand geben. Na ja. Ihr kennt das ja schon.“ „Das stimmt, Gebieterin.“, nickten Telzan und Cirnach und führten aus, wessen sie beide soeben angewiesen hatte. Nun sahen auch die beiden Vendar, dass wir uns mit Lycira von der tindaranischen Basis fortbewegten. „Sie werden einen Punkt im tindaranischen Raum anfliegen, von dem aus sie gut in den interdimensionalen Modus wechseln können.“, sagte Telzan, der des Fliegens eines Schiffes mit interdimensionalem Antrieb durchaus kundig war. „Das dachte ich mir schon.“, sagte Sytania. „Aber das wird eines meiner neuen Geschöpfe verhindern!“

Es gab einen schwarzen Blitz und wenige Sekunden darauf flog ein Adler durch den Raum. Er war allerdings so groß, dass er mit seinen Füßen bequem ein Shuttle von Lyciras Größe packen und transportieren konnte. Merkwürdig an der ganzen Sache fand Cirnach allerdings, dass sie die Schreie des Vogels nicht mit ihren Ohren, sondern nur in ihren Gedanken wahrnehmen konnte. Was dies bedeuten konnte, ahnte die kluge Vendar bereits, wollte es aber noch einmal verifizieren. Zu diesem Zweck zog sie ihren Erfasser und stellte ihn auf das Auffinden von Energiewolken ein. Das Gerät wurde auch glatt fündig und sie steckte es grinsend wieder ein.

Telzan stand wie vom Donner gerührt da. Er konnte nicht begreifen, was hier gerade passierte. „Aber ein Adler kann doch im Weltraum nicht überleben, Herrin.“, sagte er. „Dazu benötigt er doch Sauerstoff und …“ „Ein normaler Adler vielleicht.“, sagte Sytania gelangweilt, die Telzan wohl durchaus zugetraut hatte, den Unterschied zu erkennen. „Du enttäuschst mich! Die liebe Cirnach aber hat alles richtig gemacht. Lass dir von ihr und ihrem Erfasser erklären, was der geniale Unterschied ist!“

Telzan sah seine Frau an, die noch immer über beide Ohren grinste. „Was meint sie?“, fragte er. „Bitte hilf mir, Telshanach! Bitte, bitte, bitte!“

Cirnachs Gesicht wechselte von triumphal grinsend zu mitleidig. Dann sagte sie, während sie ihren Erfasser zog und ihn in Telzans Richtung hielt: „Sieh her, mein Ehemann. Aus was besteht wohl dieser Vogel?“ „Er sagt.“, sagte Telzan, der sich die vendarischen Sätze auf dem Display des Gerätes jetzt genau durchgelesen hatte: „Dass er aus einer Art photonischer Energie besteht.“ „Richtig!“, lobte Cirnach. „Und das ist auch der Grund, aus dem wir ihn sehen können, aber er trotzdem keine wirklich feste Substanz besitzt. Jedenfalls nicht fester, als jedes andere Energiewesen, das Sytania je geschaffen hat. Deshalb wird auch das Vakuum des Weltraums für ihn keine Gefahr darstellen. Aber er wird eine für Allrounder Betsy und Agent Sedrin sein und für ihr Schiff. Ich nehme an, unsere Herrin wird ihm den Befehl erteilen, sie zu töten!“ „Sehr gut, Cirnach!“, lobte Sytania. „Ach, wie gut du mich doch kennst! Diesen Befehl habe ich meiner Schöpfung längst telepathisch erteilt!“

Sie wandte sich einem ihrer Wächter zu: „Hey, du, Wachsoldat, scher dich zum Fenster und öffne es!“ „Ja, Herrin!“, sagte der Soldat zackig und machte auf dem Absatz kehrt, um sich zu einem der großen schweren Fenster des Thronsaals zu begeben. Dann löste er den Riegel und schob die riesigen Flügel auseinander. Staunend beobachteten Telzan und Cirnach, wie Sytanias Schöpfung hinausflog. „Werdet Ihr ihn den ganzen Flug durch die Wirbel machen lassen, Hoheit?“, fragte Telzan. „Sicher nicht.“, sagte Sytania. „Aber er soll seine Schwingen ruhig noch eine Weile prüfen und trainieren, bevor ich ihn mittels meiner Macht in ihre Nähe bringe. Alles andere wird sich dann schon ergeben. Vertraut mir einfach.“ „Das tun wir, Gebieterin.“, versicherte Telzan und Cirnach nickte zustimmend. „Das tun wir.“

Kapitel 15: Eine neue Gefahr

von Visitor

 

Lycira, Sedrin und ich waren guter Dinge, was unsere Pläne anging. Wir ahnten ja noch nicht, was auf uns zukommen sollte. So kam es auch, dass wir völlig andere Themen in unseren Unterhaltungen erörterten. „Wie kommen Sie eigentlich dazu, mich so anzulügen?!“, fragte mich die Agentin mit viel Empörung in der Stimme. „Hat man Ihnen auf der Akademie nicht beigebracht, dass es ungehörig ist, eine Vorgesetzte zu belügen?!“ „Ich habe keine Ahnung, von was Sie reden, Madam.“, sagte ich. „Bei allem Respekt!“ „Na, wie war das denn wohl mit Ihren Kenntnissen in Pflanzisch?!“, fragte sie immer noch im Verhörton. „Den Ablegern seiner Sämlinge! Ich denke, diesen Satz haben Sie mit voller Absicht gewählt, oder? Ich halte das schon mal für einen guten Anfang und dann behaupten Sie trotzdem noch, dass Sie …“ „Das war sicher nichts weiter, als ein gut gemeinter Versuch, Agent!“, fiel ich ihr nervös ins Wort. „Selbst wenn!“, sagte sie. „Dann war es ein verdammt Guter! Sie müssen dringend aufhören, Ihr Licht immer so unter den Scheffel zu stellen. Ganz dringend!“

Sie konnte ihre Standpauke nicht fortsetzen, denn im gleichen Augenblick fuhr eine heftige Erschütterung durch Lyciras gesamten Rumpf. Wie sie es gewohnt war, forderte Sedrin nur: „Bericht!“ Statt mir antwortete ihr aber dann Lycira telepathisch: Wir scheinen uns in den Krallen eines riesigen Adlers zu befinden, Sedrin. Ich kann mir das auch nicht erklären. „Zeig Betsy und mir den verdammten Raubvogel, Lycira!“, befahl Sedrin. „Und dann gib uns alle Werte, die du von ihm empfangen kannst!“ Wie du willst, Sedrin., gab mein Schiff zurück und zeigte uns die Sensorenbilder. „Tatsächlich! Ein Adler!“, stellte ich fest. „Für einen Moment hatte ich noch gehofft, wir wären nur in den Traktorstrahl eines klingonischen Kriegsschiffes geraten und dass Sie das gemeint hätten, Agent! Aber das ist ja wirklich einer! Aber wie kann das sein?! Auf Sauerstoff angewiesene Kreaturen können doch im Weltraum nicht überleben?!“ „Das ist korrekt, Allrounder.“, erwiderte Sedrin. „Aber all das ist relativ, sobald es sich um Geschöpfe von Sytania handelt! Das wissen Sie doch! Lycira, zeig ihr den Rest!“

Mein Schiff hatte ihren Befehl ausgeführt und so hatte ich auch bald gesehen, was sie gemeint hatte. Anhand der Energiewerte des Wesens hatte auch ich schließen können, dass es sich um Sytanias Schöpfung handeln musste. Aber ein bisschen hatte ich mich auch über mich selbst geärgert. Wie war ich darauf gekommen, dass hier ein klingonisches Schiff in der Nähe sein sollte?! Wo sollte das denn herkommen?! Zuerst das Harmloseste anzunehmen, war zwar eigentlich eine gute Sache, um nicht in Panik zu geraten, aber in diesem Fall wohl völlig fehl am Platze!

„Es tut mir leid, Agent.“, entschuldigte ich mich. „Was tut Ihnen leid, Allrounder?“, fragte Sedrin. „Es tut mir leid, dass ich so naiv war. Ein Klingonenschiff! Pah! Wo sollte das denn wohl herkommen und warum sollten denn die Klingonen gegen uns feindliche Absichten hegen?! Sie sind doch schon seit Jahren politisch mit uns verbündet!“ „Das mag sein.“, tröstete Sedrin. „Aber das waren die Vulkanier auch. Trotzdem haben sie der Föderation einen ziemlichen Denkzettel verpasst, wenn Sie mich fragen. Sie haben den Artikel nicht gesehen, Betsy, aber Cupernica und meine neue Partnerin, sowie mein Mann und noch viele andere, aber vor allem Caruso, müssen die Vulkanier wohl schwer beeindruckt haben. Sonst wären sie sicher nicht in die Föderation zurückgekehrt.“ „Sie glauben den Artikel doch!“, fragte ich irritiert. „Den Grundinhalt ja.“, erklärte Sedrin. „Nur die Aufmachung dieser Art von Presse gefällt mir gar nicht! Aber vielleicht ist ja ein Körnchen Wahrheit darin enthalten.“

Lycira zeigte uns plötzlich weitere Bilder, die von ihren Sensoren empfangen worden waren. „Unter uns ist ein Asteroidenfeld!“, stellte Sedrin alarmiert fest. „Es ist so dicht, dass wir darin nicht manövrieren könnten, selbst wenn wir es wollten. Wir werden zwangsläufig auf einen der Asteroiden treffen, wenn uns die Kreatur fallen lässt!“ „Das weiß ich!“, entgegnete ich aufgeregt. „In diesem Zustand würde uns auch Lyciras Antrieb nicht helfen! Das Wesen ist viel zu stark! Deshalb habe ich ihr auch längst befohlen, ihn zu deaktivieren! Sie soll ja schließlich ihre Energie nicht verschwenden!“ „Das war sehr gut!“, lobte Sedrin. „Dann werden wir wenigstens genug Energie haben, falls uns doch eine Möglichkeit zur Flucht einfällt!“

Das Wesen gewann plötzlich stark an Höhe und flog immer schneller. „Was ist genau unter uns, Lycira?“, fragte Sedrin. „Zeig es bitte erst mal nur mir! Ich will nicht, dass Betsy noch mehr Angst bekommt!“ OK, Sedrin., gab mein Schiff zurück und führte den Befehl meiner momentanen Vorgesetzten aus.

„Das ist ein ziemlich felsiger Asteroid!“, stellte Sedrin nach Ansicht der Sensorenbilder fest. „Wenn uns die G-Kräfte beim Absturz nicht erledigen, dann wird es spätestens einer dieser spitzen Steine dort unten tun, auf die wir prallen werden!“ Ich wünschte auch, ich könnte uns irgendwie retten!, sagte Lycira. „Du kannst ja nun am wenigsten dafür, du kleines tapferes Schiff!“, sagte Sedrin. „Mach dir keine Vorwürfe! Was immer auch mit uns dreien geschieht, du trägst mit Sicherheit keine Schuld daran!“ Danke, Sedrin., sagte mein Schiff erleichtert.

Wir hörten eine Stimme in unseren Geistern, die einige lang gezogene primitive Sätze in schrillen Lauten formulierte: Gleiiich steeerbt iiihr! Gleiiich! Die Modulation erinnerte mein geschultes Kommunikationsoffizierinnengehör sofort an die Schreie eines Adlers, was sicher auch kein Wunder war, denn wir hatten es ja schließlich mit so etwas Ähnlichem zu tun. Aber das war typisch für Sytania. Sie liebte nun einmal majestätische Auftritte.

Er wird uns sicher gleich loslassen, Betsy!, wendete sich Lycira angstvoll an mich. Was soll ich tun?! Bitte sag mir, was ich tun soll! „Ich weiß es nicht, Lycira!“, musste ich zugeben. Zwar hätte ich Mut vortäuschen können, aber ich wusste, dass dies wegen unserer direkten telepathischen Verbindung wohl zwecklos war. Sie hätte längst gespürt, wie es mir wirklich ging.

Sytanias Geschöpf war mit uns höher und höher gestiegen. Ich befürchtete, es war nur noch eine Frage der Zeit, wann er uns loslassen würde. Wahrscheinlich würde er uns sogar noch einen kräftigen Stoß verpassen, damit uns die Trägheit, die normalerweise im Weltraum herrscht, auch ja in die richtige Richtung bringen würde. Dieser Stoß würde sicher durch einen Sturzflug erfolgen! Den Rest würde die Anziehung des Asteroiden erledigen, aber je mehr Anlauf er hatte, desto stärker war der Stoß, den er ausführen konnte. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass er das ganz genau wusste.

„Ich glaube, wir dürfen unser Testament machen, Agent.“, sagte ich irgendwann resignierend. Mir fiel nichts ein, was uns retten könnte und Lycira offenbar auch nicht, aber wenn noch nicht einmal Sedrin eine Idee hatte, dann war wohl Hopfen und Malz für uns verloren! „Ich bin neugierig auf mein Ende, Sedrin.“, meinte ich dann. „Sehende berichten davon, dass sie ein weißes Licht sehen, wenn es so weit ist. Wie es wohl für mich sein wird!“

Sie holte plötzlich tief Luft, blieb aber dann wie versteinert sitzen. Ich kannte dieses Verhalten von ihr. Ich kannte es aber nur dann, wenn in ihr ein so genialer Plan reifte, dass sie es selbst kaum wahrhaben wollte. „Was haben Sie gerade gesagt?!“, fragte sie schließlich, hatte aber wieder einmal diese gewisse Betonung, als hätte ich ihr gerade die Erlösung verkündet, die ich aber auch schon von ihr kannte. „Ich sagte.“, erklärte ich. „Dass ich mich fragte, ob ich wohl auch ein weißes Licht …“

Sie zuckte plötzlich, klatschte in die Hände und sagte mit skandierendem Ton: „Mutter Schicksal, das ist es! Warum haben Sie das nicht früher gesagt?! Befehlen Sie Lycira, McKnights neue Erfindung zu aktivieren!“ „Das wird uns hier im Weltraum nichts nützen, Agent.“, erwiderte ich ruhig, die ich offensichtlich noch nicht verstanden hatte, was sie meinte und die ich mich wohl schon mit meinem Ende arrangiert hatte. „Jenna hat doch gesagt, der Lichtantrieb funktioniert nur in der Dimension der Nidari-Travelers. Nur dort kann er uns voranbringen.“ „Kommt ganz darauf an, wie Sie voranbringen definieren, Allrounder.“, sagte Sedrin. „Vertrauen Sie mir?!“ „Ja.“, antwortete ich. „Dann geben Sie Lycira jetzt den Befehl! Beweisen Sie mir, dass Sie mir vertrauen, Betsy! Beweisen Sie es mir!“, sagte Sedrin mit viel Dringlichkeit in der Stimme.

Ich hatte Lycira den Gedankenbefehl erteilt und hatte bald das starke Gefühl, dass auch sie nicht ganz wusste, was das bringen sollte. Aber im selben Augenblick sollten wir es erfahren, denn Sytanias Geschöpf ließ uns mit einem letzten lauten Schmerzensschrei in unseren Geistern los und flog davon. Lycira hatte zu trudeln begonnen und ich musste all meine fliegerischen Kenntnisse aufbieten, um sie zunächst auf Impuls wieder zu stabilisieren. „Sehr schön!“, sagte Sedrin. „Und jetzt bringen Sie uns auf Maximum Warp und so schnell wie möglich weg von hier. Der Kurs liegt in Ihrem Ermessen! Los!“ „Ja, Ma’am!“, erwiderte ich zackig und total automatisiert, bevor ich ihre Befehle an mein Schiff weitergab.

Nur sehr langsam war die Angst aus meinen Gliedern gewichen. Jene Angst, in die mich Sytanias Geschöpf versetzt hatte. Aber jetzt wusste ich, dass alles wieder gut wurde, obwohl mir noch nicht wirklich klar war, was da eigentlich gerade passiert war. „Flieg nur zurück, du Ausgeburt der Hölle!“, hatte ich noch gezischt. „Was war das denn?!“, fragte Sedrin verwirrt. „Das ist schon das zweite Mal heute, dass ich Worte von Ihnen höre, die ich mir nicht erklären kann, weil sie nun so gar nicht zu der lieben Miezekatze passen wollen, die Sie sonst immer sein wollen.“ „Das erkläre ich Ihnen, wenn Sie mir vorher mal was erklären, Agent.“, sagte ich. „Was hat meine Vorstellung vom Tod mit dem zu tun, was Sie mir gerade befohlen haben?!“ „Licht.“, sagte Sedrin ruhig. „Licht war das entscheidende Wort, Allrounder. Sytanias Schöpfungen sind Produkte der Dunkelheit. Licht bedeutet Schmerz für sie. Je mehr, desto stärker. Erinnern Sie sich noch, was Techniker McKnight über ihre Erfindung sagte?“ Ich nickte. Dann fragte ich: „Woher wissen Sie das, Agent?“ „Ich weiß es von Illiane.“, sagte sie. „Als wir gemeinsam auf diesem gewissen Planeten abgestürzt waren, wurden wir von Sytanias Geschöpfen belästigt. Es war Illiane, die vorschlug, aus Holzspänen, die wir in Baumharz tauchten und im Kreis um unser Lager aufstellten, einen Wall aus Licht zu bauen. Ich leistete dem Folge und half ihr, um ihr zu beweisen, dass ich ihr vertraute.“ „Dann hat sie uns ja gerade wieder geholfen, Madam!“, sagte ich fast ehrfürchtig. „Sogar von dem Ort aus, an dem sie jetzt ist.“ „Wenn Sie das so sehen wollen, Betsy.“, sagte Sedrin. „Ja, das will ich.“, sagte ich.

Sie saß eine Weile lang sinnierend neben mir. Dann sagte sie: „Hier wäre ein guter Platz, um in den interdimensionalen Modus zu gehen. Finden Sie nicht?“ „Oh doch.“, sagte ich und gab meinem Schiff die entsprechenden Befehle: „Also los, Lycira! Bring uns zu den Nidari-Travelers!“ Sie führte meinen Befehl aus und wir verschwanden in einem Blitz.

Sytania hatte das Tun ihrer Schöpfung genau beobachtet und war daher auch über sein Wohl und Wehe informiert. Genau hatte sie gesehen, dass er versagt hatte! Das war eine Tatsache, die sie niemals ungestraft lassen würde. Sie hatte den Adler aus Energie zwar zurück in ihre Dimension geholt, das war aber der einzige Akt der Gnade, den sie ihm zukommen lassen wollte, wie sie Telzan bald wissen ließ.

„Was werdet Ihr jetzt tun, Hoheit, um Euer Geschöpf zu bestrafen?“, fragte der Vendar. „Nun.“, sagte Sytania. „Ich habe mir da schon etwas besonders Grausames ausgedacht, mein guter Telzan. Du siehst, dass er sehr stark verletzt ist?“ „Das sehe ich, Milady.“, sagte der Vendar, der gemeinsam mit ihr den Kontaktkelch nutzte. „Dieses seltsame Lichtgerät, das sie an ihrem Schiff hatten, hat …“ „Genau das.“, sagte Sytania. „Dahinter steckt bestimmt wieder Techniker Jenna McKnight! Aber wie konnte sie wissen, was ich plane?“ „Ich bin sicher, das hat sie nicht gewusst, Herrin.“, beruhigte Telzan sie. „Ich bin sicher, der Antrieb, den sie in dieses seltsame Schiff eingebaut hat, diente eigentlich dazu, ihnen in der Dimension der Nidari-Travelers ein Fortkommen zu ermöglichen. Sie hat mit Sicherheit nicht mit Eurem Adler gerechnet. Nur Agent Sedrin Taleris-Huxley El Demeta hat die Situation mal wieder schamlos ausgenutzt!“

Sytania sprang von ihrem Thron auf. „Wenn dir dein Leben lieb ist, Telzan.“, sagte sie. „Dann erwähnst du diesen Namen nicht mehr in meiner Gegenwart! Hast du mich verstanden?!“ „Ja, Herrin!“, sagte Telzan fest. „Ich bin sicher, es genügt Euch schon, dass diese Hexe, deren Namen ich nicht erwähnen darf, Euch mal wieder so eine schmachvolle Niederlage beschert hat. Da will ich nicht noch zusätzlich Salz in die Wunde streuen. Soll ich auch meinen Leuten befehlen, dass sie den Namen nicht mehr aussprechen dürfen?“ „Tu das!“, sagte Sytania.

Telzan holte sein Sprechgerät aus der Tasche und programmierte einen Sammelruf an alle Mitglieder seiner Truppe. Auch der einfachste Soldat sollte es hören und Sytania sollte dies auch mitbekommen. Es lag ihm viel daran, die Wunde, die Sedrin an ihrem Ego geschlagen hatte, wieder zum Heilen zu bringen.

Als das Gerät ihm meldete, dass die Verbindung zustande gekommen war, sagte er: „Tshê, Vendar! Unsere Herrin Sytania lässt verlauten, dass ab heute niemand von uns mehr den Namen von …“

Er ließ den Sendeknopf los und sah sie peinlich berührt an. „Ich muss es noch einmal sagen, Milady. Bitte seid tapfer.“ „Na gut.“, sagte Sytania und biss die Zähne aufeinander.

Er nahm das Gespräch wieder auf und fuhr fort: „Agent Sedrin Taleris-Huxley El Demeta aussprechen dürft! Ab sofort sagt ihr nur noch die Unaussprechliche! Wer dies verstanden hat, meldet sich sofort zurück!“ Er ließ das Gerät die Verbindung fürs erste beenden. Wenige Sekunden danach kam von allen Rufzeichen ein einhelliges: „Verstanden, Anführer!“, zurück.

Sytania atmete erleichtert auf. „Das hast du sehr gut gemacht, Telzan.“, sagte sie. „Jetzt werde ich wieder ruhig schlafen können. Auch meiner Dienerschaft werde ich auftragen, so zu verfahren. Sollte einem von ihnen der Name dieser kleinen verfluchten demetanischen Hexe doch mal über die Lippen kommen, so soll er oder sie sofort mit dem Tode bestraft werden! Ach ja. Die Bestrafungen für deine eigene Truppe überlasse ich dir! Ach ja. Da war ja noch etwas.“

Sytania schickte nach ihrem Stallburschen, der den Auftrag erhielt, ihr Pferd zu satteln. Auch für Telzan sollte er eines bereitstellen. „Ich will dir zeigen, was ich mit Geschöpfen tue, die in meinem Dienst versagen.“, sagte sie. „Auch dann, wenn es meine Eigenen sind.“

Telzan und sie gingen hinunter in den Hof, wo sie bald dem schwarzen feurigen Hengst ansichtig wurden, der Sytania gehörte. Neben ihm stand ein deutlich kleinerer Wallach, der wohl für Telzan bestimmt war.

Der Vendar fasste seine Herrin um die Hüften und hob sie mit Leichtigkeit in den Damensattel, bevor er selbst auf sein Pferd stieg. Dann wartete er ab, bis Sytania befahl: „Folge mir!“, und los ritt. Sie wusste schließlich genau, wo sie nach dem Adler suchen mussten.

Sie kamen bald in einen dunklen Wald. Hier hatten Sytanias seherische Fähigkeiten den Adler auf einer Lichtung ausgemacht. „Warum hasst Ihr die Unaussprechliche so?“, wollte Telzan wissen. „Immerhin ist sie nur eine einfache Sterbliche, die Ihr mit einem Gedanken hinwegfegen könntet.“ „Und damit soll ich mir den Zorn der gesamten Föderation auf den Leib ziehen?!“, fragte Sytania empört. „Oh nein! Dafür ist sie viel zu gut vernetzt und ich wäre dumm, wenn ich das tun würde. Aber ich werde dir sagen, warum ich sie so hasse. Sie ist eine Frau wie ich, kann sich also verdammt gut in meine Denkweise versetzen. Außerdem ist sie Demetanerin! Denen habe ich noch nie getraut! Selbst dann, wenn ich ihre Gedanken lesen kann, ist es fraglich, ob das, was sie denken, auch dem entspricht, was sie dann auch tun. Sie sind so schrecklich doppelzüngig! Ja, manchmal sogar doppelzüngiger, als ich es je sein kann!“ „Ich höre aus Miladies Worten doch nicht etwa Neid?!“, fragte Telzan etwas unsicher. „Nenn es, wie du willst!“, sagte die imperianische Prinzessin.

Sie waren an der Lichtung angekommen und stiegen ab. Hier lag, das konnte auch Telzan gut sehen, tatsächlich das Energiewesen am Boden. Es sah aus, als würde es aus den Augen stark bluten. Schmeeerz! Schmeeerz!, hörten es beide in ihrem Geist. „Ach, hör auf zu jammern, du Versager!“, schimpfte Sytania gleichzeitig laut und in Gedanken. „Du sollst erfahren, was mit Wesen passiert, die mich enttäuschen!“

Sie wandte sich Telzan zu: „Sag mir! Weißt du, auf welche Distanz ein Pferd sehen kann?“ „Ja, das ist mir bekannt, Herrin.“, sagte der Vendar. „Dann wirst du jetzt die Pferde nehmen und mit ihnen zwei mal diese Distanz hinter dich bringen. Wir wollen ja nicht, dass sie sich noch vor dem erschrecken, was ich mit diesem Nichtsnutz hier tun werde. Ich werde dir telepathisch Bescheid geben, wenn mein Werk getan ist. Erst dann kommst du zurück.“ „Ich habe verstanden, Hoheit.“, sagte Telzan und nahm die Zügel beider Pferde: „Na kommt!“

Sytania wandte sich ihrem Geschöpf zu: „Und nun zu uns beiden!“ Dann gab es einen schwarzen Blitz und der Adler hatte plötzlich einen festen Körper. Die Wunden in seinen Augen und seine Schwäche waren aber geblieben. Lyciras Licht hatte ihm die Augen regelrecht verbrannt. „So wirst du erfahren, was es heißt, sterblich zu sein!“, sagte Sytania. „Und damit kein dummer Jäger auf die Idee kommen könnte, in einem Akt der Gnade dein nutzloses Leben zu beenden, werde ich auch noch hier vorsorgen!“

Es gab einen weiteren schwarzen Blitz und der Adler war von einer Energiekuppel überdeckt worden, die wie ein Zelt aussah. Sie war durchsichtig, aber jede Art von Materie prallte an ihr ab, also auch Pfeile. Auch für die Energie eines Phasers war sie undurchdringlich. „Hier sollst du nun bis an dein Ende vor dich hin leiden!“, sagte Sytania. „Stirb langsam, du Klotz am Bein! Du nichtsnutzige Kreatur! Stirb langsam und qualvoll, aber stirb!“ Dann gab sie Telzan telepathisch Bescheid, wie sie es ihm versprochen hatte und beide kehrten zufrieden ins Schloss zurück, nachdem sich Telzan auch die Strafe angesehen hatte. Auch er fand, dass alles so gut war. Schließlich hatte niemand das Recht, seine Herrin zu enttäuschen. Auch, oder besser schon gar nicht, ihre eigenen Schöpfungen.

Jaden war, wie er es versprochen hatte, bei Caruso geblieben. Er hatte beobachtet, wie der Kater zunächst die Reste des Thunfisches aus dem Napf geschleckt hatte und sich dann begonnen hatte zu putzen. Dabei schnurrte er friedlich vor sich hin. „Na, Caruso.“, sagte Jaden. „Hast dich wohl langsam wieder beruhigt, was? Dann sollten wir mal dafür sorgen, dass du hier wieder raus kommst.“

Er winkte Novus, der sich noch immer im Hintergrund aufgehalten hatte. „Kannst du ihm mal die Tür aufmachen?“, fragte Jaden den Androidenjungen und zeigte auf Caruso und den Drahtkäfig. „Gewiss, Commander.“, sagte Novus höflich und zog die Fernsteuerung aus der Tasche, mit der er wieder abwechselnd die nötigen Türen öffnete, bis Caruso aus dem Käfig geschleust worden war.

Entgegen Jadens Erwartungen kam er sofort zu ihm und köpfelte sogar mit seiner rechten Hand. Das bedeutet, er rieb seinen Kopf daran, ein eindeutiges Zeichen, dass er Jaden doch mochte. Dabei schnurrte er laut tief und ausgedehnt. „Na, du verzeihst aber schnell.“, stellte Jaden fest. „Tiere leben zumeist im Hier und Jetzt im Gegensatz zum Menschen.“, referierte Novus. „Sie erinnern sich nur länger an Dinge, die sehr traumatisierend für sie sind. Aber offenbar zählt das versehentliche Ziehen seines Schwanzes für Caruso nicht dazu, das Sie ihm angetan haben, Commander.“ „Na ja.“, vermutete Jaden. „Er is’ Freigänger und als solcher vielleicht hart im Nehmen. Trotzdem sollten wir den Bogen auch bei ihm nich’ überspannen.“ „Bestätigt.“, sagte Novus und nickte sogar, um seine Meinung noch zu unterstreichen. „Eine Anzeige wegen Tierquälerei im Privaten würde sich sicher nicht gut machen in der Akte eines Sternenflottenoffiziers.“ „Wenn du wüsstest, was ich schon alles in meiner Akte hätte, wenn Sedrin nich’ …“, sagte Jaden. „Die Fakten sind mir bekannt.“, sagte Novus. „Im Grunde verdanken Sie Ihre weitere Karriere also Ihrer Frau. Sie können dann ja froh sein, dass Sie den Agent kennen und lieben gelernt haben.“ „Oh ja!“, bestätigte Jaden. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal eine Demetanerin kennen lernen würde, die mir den Atem nimmt in doppelter Hinsicht.“ „Bitte definieren Sie.“, bat Novus, der wohl mit dieser Redewendung seine Schwierigkeiten hatte. „Erst hab’ ich gedacht, sie würde mich nur einschränken wollen, wenn sie in unseren Diskussionen so viel über Rücksichtnahme und andere Kulturen und ihre Sitten geredet hat, die man respektieren muss und nich’ wie ’ne Dampfwalze auf sie einrollen darf, nur um die eigenen Interessen durchzusetzen. Heute weiß ich, dass sie Recht hatte. Mir würd’s ja genau so gehen. Und ausgerechnet in die musste ich mich doch glatt verlieben.“ Er seufzte. „Aber ich bereue das kein bisschen, weißt du?“

Novus hatte einen Moment geschwiegen. Dann sagte er: „Ich habe Ihre kleine Redewendung durchaus verstanden, Commander. Allrounder Betsy Scott und ich haben gemeinsam eine Art gefunden, mir dies zu ermöglichen. Meine Nachfragen galten lediglich der Verifizierung. Natürlich ist mir klar, dass der Agent nicht versucht hat, Sie zu ermorden!“ „Dann is’ ja gut.“, sagte Jaden erleichtert. „Ich weiß nämlich, dass man bei euch Androiden manchmal verdammt vorsichtig sein muss, was man so von sich gibt, um Missverständnisse zu vermeiden, die in meinem Fall mal wieder sicher zu diversen diplomatischen Zwischenfällen führen würden, so wie ich die Situation einschätze. Ich habe wohl das Pech gepachtet, wie es aussieht.“

Wieder verging einige Zeit, in der Novus zu überlegen schien. Dann sagte er: „Aber jeden Pachtvertrag kann man kündigen, Commander. Das wissen Sie doch hoffentlich.“ „So wörtlich meinte ich das nich’, Novus.“, sagte Huxley. „Was is’ mit deiner Methode von Allrounder Betsy? Klappt die hier etwa nich’?“ „Doch.“, sagte Novus. „Sie funktioniert sogar hervorragend. Aber überlegen Sie doch bitte einmal, ob ich nicht wirklich meinen könnte, was ich gesagt habe! Ich gebe Ihnen ein Stichwort und eine kleine Hilfe. Wissen Sie, was eine sich selbst erfüllende Prophezeiung ist?“

Nun war es an Jaden, nachzudenken. Plötzlich sagte er: „Ich glaube, ich weiß, was du meinst, Novus! Ich glaube ja selbst schon, dass bei mir alles schief gehen muss und arbeite dann vielleicht sogar unbewusst darauf hin. Ich denke, das muss ich schleunigst ändern, nicht wahr?“ „Korrekt!“, sagte Novus und klatschte in die Hände. „Ach du Scheiße.“, murmelte Huxley. „Muss ich mich doch glatt von einem 6-jährigen Androiden therapieren lassen.“

Kate hatte das Geschehen beobachtet und kam nun auf die Beiden zu. „Ich hätte eine Idee, wie wir weitermachen, Commander.“, sagte sie. „Wir haben doch die Rufzeichen von meiner Schwester und da ist ja auch das der Ermittler auf Vulkan dabei. Zufällig sind das genau die Agenten, die mir auch den Behälter verehrt haben. Agent T’Pera und ihr Assistent Koss haben mir versichert, dass sie alles tun werden, um meine Ermittlungen zu unterstützen. T’Pera meinte sogar zu mir, ich wäre bemerkenswert logisch für einen Menschen meines geringen Alters. Ich habe uns schon den nächsten Liner herausgesucht. Das Taxi zum Raumflughafen nach Washington wartet auch bereits hier um die Ecke. Bitte schnappen Sie Ihre Zahnbürste, Commander und dann los!“ „Also gut, Agent Malcovich!“, sagte Huxley ungewöhnlich selbstsicher. „Ich komme mit!“ Er musste sich Novus’ kleine Prüfung wohl sehr zu Herzen genommen haben. „Und dass die Vulkanier Sie für sehr logisch gehalten haben, is’ kein Wunder. Sie kämpfen mit allen Mitteln darum, diesen sinnlosen Krieg zu verhindern und die Ermittlungen abzuwarten. Das is’ ja auch das Vernünftigste.“

Er hakte sich bei ihr unter: „Los, gehen wir. Lassen wir den Fahrer nich’ unnötig lange warten! Wir kriegen das hin, Kate! Zusammen kriegen wir das hin!“

Kate nickte ihm nur zu, während sie mit ihm in Richtung des bereits wartenden Taxis ging. Sie war sehr erstaunt und überrascht zugleich über den neuen Huxley. Sie wusste ja nicht, wer, oder besser was, zu seiner plötzlichen spontanen Veränderung geführt hatte. Aber sie fand, dass diese sehr gut zu ihm passte.

Kapitel 16: Sedrins „Paukenschlag“

von Visitor

 

Wir waren inzwischen in der Dimension der Nidari-Travelers angekommen. „Ich hoffe, dass wir bald auf einige von ihnen treffen, Agent.“, sagte ich zu Sedrin. „Wir müssen ihnen unbedingt unsere Situation klar machen!“ „Sicher müssen wir das.“, versicherte sie. „Und ich bin sicher, dass uns das auch irgendwie gelingen wird.“ „Aber wie?“, wollte ich wissen. „Es wäre wirklich gut, wenn wir eine Möglichkeit hätten, sie auf uns aufmerksam zu machen. Die Nidari-Travelers sind nicht körperlich. Es wird also auch keine Sprechgeräte geben, die auf einen eventuellen Ruf reagieren könnten.“

Sedrin schien ihre kleinen grauen Zellen mal wieder anzustrengen. Jedenfalls sagte mir das ihre leicht steif wirkende Sitzhaltung. Da sie auf dem Copilotensitz genau neben mir saß, konnte ich das sehr gut erspüren. „Worüber denken Sie nach, Madam?“, fragte ich. „Woher wissen Sie, dass ich nachdenke?!“, fragte sie erstaunt zurück. „Haben Sie etwa plötzlich telepathische Fähigkeiten entwickelt? Ist das etwa eine Auswirkung der Schutzverbindung mit Ihrem Freund?“ „Wenn Sie genau nachdenken, Agent.“, setzte ich an. „Dann müssten Sie wissen, dass dies, selbst wenn es so wäre, jetzt unmöglich wäre, weil die Verbindung im Moment schlafend ist, weil wir uns in zwei verschiedenen Dimensionen befinden. Aber Ihr Verhalten, mein lieber Agent, spricht Bände.“ „So, so.“, sagte sie. „Mein Verhalten also. Und was genau bringt Sie daran zu dem Schluss, dass ich nachdenken muss, meine kleine Verhaltensforscherin?“ „Das typische Sedrin-Verhalten, wenn sie nachdenkt.“, sagte ich und grinste sie an. „Und was ist das typische Sedrin-Verhalten, wenn sie nachdenkt?“, fragte sie und grinste zurück. „Stocksteifes Dasitzen, irgendwann verwundert nach einer Kleinigkeit fragen, die auf den ersten Blick nicht wichtig scheint und dann plötzlich mit der Lösung herausplatzen!“, erklärte ich. „Aber so weit sind wir noch nicht. Das passiert im Allgemeinen erst in Stufe drei. Als ich Ihr typisches Verhalten entdeckte, waren Sie erst in Stufe eins.“ „Interessant.“, antwortete Sedrin. „Aber ich werde Ihnen jetzt mal erzählen, worüber ich nachgedacht habe. Ich habe gerade überlegt, welche Reichweite wohl Lyciras Telepathiezentrum hat. Ich meine, immerhin ist es ein Echtes und kann daher wohl auch mit jedem biologischen Telepathen Kontakt aufnehmen.“ „Fragen Sie doch einfach mal!“, ermutigte ich sie, ihre Hände in die Kommunikationsmulden zu legen.

Sie folgte meinem Vorschlag. Dann dachte sie: Lycira, wie weit reichen deine telepathischen Fähigkeiten? Oh, nach außen hin schon einige Lichtjahre, Sedrin., gab Lycira zurück. Ich schraube sie nur herunter, wenn wir die Konsolen hier im Cockpit benutzen. Darauf bin ich programmiert, weil ich ja normalerweise für einen telepathischen Piloten gedacht war. Meine Erbauer haben ja damals noch nicht ahnen können, dass sich Baltars und meine Energie nicht vertragen würden. Wenn ich mit voller Energie arbeiten würde, wäre das sicher das Gleiche, als würde ihn jemand permanent anschreien. Betsy würde das sicher nichts machen und dir auch nicht, weil ihr Nicht-Telepathinnen seid. Aber ein Telepath würde da schon anders reagieren. Nur, damit ich das jetzt richtig verstehe., vergewisserte sich die Demetanerin. Selbst dann, wenn du dein Telepathiezentrum nach außen hin mit voller Energie betreiben würdest, würden wir hier drin nichts davon merken, weil wir quasi für Telepathie taub sind?“ So ungefähr., erklärte Lycira. Ihr seid ja nur Empfänger. Jemand, der auch senden kann, ist da weitaus empfindlicher. Logisch!, dachte Sedrin. Aber das bedeutet ja, wir können es tatsächlich tun. Weißt du, wie der Standardruf der Sternenflotte geht? Ich denke nicht, dass es die feine englische Art wäre, wenn ich unter falscher Flagge fliegen würde., widersprach mein Schiff. Zumal die Nidari-Travelers mit Sicherheit spüren werden, woher ich wirklich komme. Ich denke zwar, einige werden in Ohnmacht fallen, aber ich glaube, dass auch ein paar Mutige unter ihnen sein werden, die mir durchaus antworten könnten, wenn sie fühlen, dass ich ehrliche Absichten hege und ihr auch. Bei einer Lüge sehe das sicherlich schon anders aus, denke ich! Du hast Recht., meinte Sedrin. Ich wollte ja nur vorsichtig sein, weil sie ja schon Kontakt mit der Föderation haben und das ja eigentlich keine so schwere Lüge wäre. Schließlich ist deine Pilotin Sternenflottenoffizierin und ich auch, als ihre momentane Vorgesetzte. Aber du hast Recht. Es bliebe trotzdem eine Lüge, wenn auch nur eine kleine, aber es wäre eine und wir haben ja gelernt, was so etwas anrichten kann. Nein, nein. das werde ich nicht zulassen! Vielen Dank, Lycira, dass du mir die Augen geöffnet hast. Gern geschehen, Sedrin., lächelte Lycira zurück.

Am Rascheln ihrer Kleidung hörte ich, dass sie die Hände wieder aus den Mulden genommen haben musste. Dann seufzte sie schwer und sagte etwas zu sich auf Demetanisch, das ich sehr gut verstehen konnte, eine Tatsache, die ich mir aber nicht anmerken lassen wollte. Ich dachte mir bereits, dass das, was sie sagte, nichts Positives sein würde und dass sie, wenn sie in die Verlegenheit käme, es zu übersetzen, sich bestimmt selbst kompromittieren würde. Deshalb tat ich unwissend: „Was ist los, Agent?“ „Ach.“, machte sie. „Ich bin nur über mich selbst ein wenig erbost, Allrounder. Ich hätte Ihr Schiff nämlich fast zum Lügen angestiftet, wenn sie nicht …!“ „Ups?“, machte ich. „Und das von der immer so ehrlichen und disziplinierten Sedrin? Sie müssen ja extrem nervös sein. Aber was haben Sie denn jetzt mit ihr abgemacht, was den Kontaktversuch angeht?“ „Ich weiß jetzt, dass ihr Zentrum doch einige Lichtjahre weit reicht.“, sagte Sedrin. „Sie hat vorgeschlagen, von sich aus Kontakt mit den Nidari-Travelers aufzunehmen.“ „Oh je!“, sagte ich. „Das wäre aber ein ziemlicher Paukenschlag. Aber vielleicht ist es ja auch notwendig. Immerhin steht unsere Dimension fast vor einem Krieg mit Sytania und die Tindaraner auch. Wir müssen dringend mit ihnen reden, Agent! Verdammt dringend! Von daher finde ich Lyciras Idee gar nicht so schlecht. Ich werde ihr jetzt also sagen, dass sie es tun darf.“ „In Ordnung.“, sagte Sedrin.

Ich wandte mich also gleichzeitig laut und in Gedanken an mein Schiff: „Leg los, Lycira!“ Sehr gern., gab sie zurück. Aber ihr wollt doch sicher hören, was ich sage, oder? „Wäre vielleicht ganz gut.“, sagte ich. „Was wäre gut?“, fragte Sedrin. „Sie will, dass wir hören, was sie sagt.“, erklärte ich. „Dagegen ist doch sicher nichts zu sagen.“, sagte Sedrin und legte ihre Hände wieder in die Mulden, was für Lycira ein eindeutiges Signal war. Sie brachte ihr Telepathiezentrum also auf volle Energie und dachte: Ich bin das saloranische Interdimensionsschiff Lycira. Ich habe die Sternenflottenoffizierinnen Agent Sedrin Taleris-Huxley und Allrounder Betsy Scott an Bord. Es gab diverse Missverständnisse, was euch, meine Erbauer und die Tindaraner angeht, über deren Konsequenzen wir dringend mit euch reden müssen. Sonst droht Krieg mit einer fremden sehr aggressiven Macht, den wir unter allen Umständen verhindern müssen! Bitte antwortet mir!

Sedrin gab einen hektischen Laut von sich und begann an ihrer Uniform herumzufingern. „Oh, um sich schön zu machen, ist es meiner Ansicht nach noch etwas früh, Agent!“, scherzte ich. „Außerdem sind Sie bestimmt schon salonfähig.“ „Woher …?“, fragte sie. „Sedrin-Verhalten.“, gab ich ihr ein Stichwort. „Faszinierend.“, sagte sie schnell. Dabei wurde ihre Stimme immer aufgeregter. „Aber wo wir schon mal beim Thema sind: Wer sind Sie und was haben Sie mit Allrounder Betsy gemacht?!“ „Ich sitze doch hier neben Ihnen.“, sagte ich irritiert. „Ich meinte ja auch nur.“, sagte die Agentin. „Weil Sie im Augenblick gar kein typisches Betsy-Verhalten zeigen, wenn ich das mal sagen darf. Normalerweise sind Sie als die Nervöse bekannt und ich bin die Ruhige. Aber heute scheint es umgekehrt zu sein.“ „Man sagt mir aber auch nach.“, sagte ich. „Dass ich manchmal auch anders kann, wenn es von mir verlangt wird. Insofern zeige ich gerade wohl doch typisches Betsy-Verhalten.“

Ich befahl meinem Schiff einen vollen Stopp und den Ankerstrahl zu setzen, denn für das, was jetzt folgte, würde ich meine gesamte Konzentration benötigen. Dann stellte ich fest: „Oh, ich glaube, da braucht jemand dringend eine Ablenkung. Wie sieht es eigentlich genau da draußen aus, Agent? Lycira lässt gewisse Informationen weg, wenn sie mir Sensorenbilder direkt zeigt, weil mich Licht und Farben sicher nur total verwirren würden. Aber gegen eine verbale Beschreibung von Ihnen habe ich nichts.“ „Kein Wunder.“, sagte Sedrin. „Ihr Gehirn hat ja nie gelernt, solche Informationen zu verarbeiten. Worte hingegen können Sie verstehen. Also, dann will ich mal mein Bestes versuchen. Es ist sehr friedlich hier, Allrounder. Sehr fröhlich und freundlich.“

Ich hörte deutlich, wie sehr sie sich bemühte, Informationen über Farben und Lichtstufen, wie Lycira auch, weg zu lassen. „Die ganze Dimension.“, fuhr sie fort. „Ähnelt meiner Interpretation nach einem Zuhause, in dem man sich sehr geborgen fühlen kann.“ „Das war sehr gut, Ma’am.“, lobte ich. „Damit kann ich arbeiten.“ Sie gab einen auf große Erleichterung hindeutenden Laut von sich. Dann sagte sie: „Ich hatte schon befürchtet, ich würde das nicht hinkriegen. Wissen Sie, ich arbeite so selten mit Blinden aus unserer Zeit, die keinen Visor benutzen.“ „Mikel und ich sind ja auch die Einzigen, auf die das zutrifft.“, sagte ich. „Das stimmt, soweit ich weiß.“, sagte sie und tippte nervös mit dem rechten Fuß auf den Boden. Das zeigte mir, dass meine Aufgabe des Ablenkens noch lange nicht vollendet war. „Sie hatten übrigens mit noch etwas Recht.“, sagte ich. „Was meinen Sie?“, fragte sie. „Pflanzisch.“, gab ich ihr ein Stichwort, das uns wieder auf ein unverfänglicheres Thema lenken sollte. „Meines Wissens.“, referierte ich und setzte einen klugen Blick auf. „Unterteilt es sich in Baumisch, Buschisch, Blumisch, Staudisch, Strauchisch und Grasisch, Agent. Das sind alles verschiedene Dialekte.“ Dabei grinste ich. „Sie haben Krautisch vergessen.“, grinste sie und wir beide lachten. Wir lachten aus irgendeinem Grund so sehr und aus voller Kehle, dass uns bald beiden die Bäuche wehtaten und wir sie uns gegenseitig halten mussten. Aber so ein Lachanfall tat in unserer angespannten Situation sicher auch mal ganz gut. Jedenfalls wirkte er sehr befreiend, zumal ich mir bei dem Wort Buschisch fast die Zunge gebrochen hätte und es jetzt schon klang, als hätte ich den übermäßigen Genuss von Alkohol hinter mir. Sicher war ein solches Verhalten nicht gerade das, was man sich von zwei disziplinierten Sternenflottenoffizierinnen vorstellte, aber wir waren ja schließlich keine Maschinen, sondern auch eben nur Lebensformen mit Fehl und Tadel.

Plötzlich gab es einen silbernen Blitz, wie mir Sedrin beschrieb, und ein Geräusch, die mich an jene Situation erinnerten, wenn ein Mächtiger oder ein telepathisches Wesen aus unserem Universum ihre Kräfte benutzten. Nur war es um ein Vielfaches stärker. Es zwang Lycira sogar, in eine höhere Umlaufbahn zu wechseln. „Was hat sie, Allrounder?!“, fragte Sedrin alarmiert, die mit ihrer schnellen Reaktion nun so gar nichts anfangen konnte. „Sie musste ausweichen, Sedrin.“, antwortete ich. „Sonst wären wir sicher alle drei von dem Energiestoß erschlagen worden.“ „War das feindliche Absicht?!“, fragte Sedrin. „Ich weiß es nicht.“, entgegnete ich und gab die Frage gleich an mein Schiff weiter. Sag ihr, dass ich keine feindliche Absicht spüren konnte, Betsy., gab Lycira zur Antwort. Im Gegenteil! Ich glaube, die Nidari-Travelers meinten es sehr freundlich. Sieh selbst und bitte Sedrin auch, ihre Hände in die Mulden zu legen.

„Was hat sie Ihnen gesagt?“, wollte Sedrin wissen. „Sie sagt.“, erklärte ich. „Dass sie davon ausgeht, dass die Nidari-Travelers es sehr freundlich meinten, als sie uns diesen Energieblitz entgegen schleuderten. Wahrscheinlich war es nur eine Auswirkung dessen, was sie gemacht haben. Sie möchte, dass auch Sie Ihre Hände in die Mulden legen. Dann wird sie uns alles zeigen.“ „Also gut.“, entgegnete die Agentin und leistete Lyciras Bitte Folge.

Jetzt sahen wir beide etwas vor unseren geistigen Augen, das uns an das Aussehen einer Stadt auf dem Schirm eines Sternenflottenschiffes erinnerte. Natürlich ließ Lycira bei mir wieder alle Farben weg, aber Sedrin beschrieb mir: „Ich sehe eine freundliche blühende Stadt, Allrounder. In den Straßen sind auch Biozeichen. Lycira, kannst du mal eines für mich isolieren und mir das Bild zeigen? Danke! Betsy, die sehen aus wie Tindaraner! Sie kleiden sich auch so ähnlich!“ „Aber wie kann das sein, Agent?“, fragte ich. „Die Nidari-Travelers sind doch eigentlich nicht körperlich.“ Das sind sie eigentlich sicher auch nicht., erklärte Lycira statt dem Agent. Aber ich denke, dass sie gesehen haben, dass wir es sind. Also wollten sie ihre Dimension sicher nur so darstellen, dass wir sie besser verstehen, eben körperlich.

Sedrin strich mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand über einige leere Ports, wie sie es bei mir schon oft gesehen hatte, um ein von Lycira als sehr positiv empfundenes Massesignal auszulösen. „Kluges Schiff! Kluges Schiff!“, lobte sie. „Genau das Gleiche wollte ich auch gerade sagen.“

Sie griff nach der kleinen Handtasche mit ihrer Ausrüstung, die sie, genau wie ich auch, in einem Staufach über den Sitzen verstaut hatte. Dann sagte sie: „Auf geht’s, Allrounder! Stürzen wir uns ins Getümmel!“ „Sollten wir uns nicht vorher noch vorbereiten?“, fragte ich. „Ich meine typische Kleidung und so. Die Protokolle verlangen doch eigentlich eindeutig, dass …“ „Das wird völlig unnötig sein.“, sagte Sedrin. „Ich bin sicher, die Nidari-Travelers wissen längst, wer wir sind. Also müssen wir uns auch nicht verstellen und nun kommen Sie!“ Auch ich schulterte meine Sachen und befahl Lycira dann, uns herunter zu beamen und in der Umlaufbahn auf uns zu warten. In jener Umlaufbahn, die sie um die offensichtlich sphärisch dargestellte Kuppel, die um die Stadt lag, eingenommen hatte.

Wir landeten in einer sehr anheimelnden Umgebung. Um uns herum war ein buntes Gewirr von Geräuschen, wie auf einem vergnüglichen Dorffest zu hören. Die milde und warme Luft fühlte sich an wie eine warme weiche Decke, in die man sich nur so hinein kuscheln wollte. Es duftete nach allerlei Pflanzen, deren Geruch ich auch von Tindara kannte. Durch meine Aufenthalte dort, wenn ich Shimar besucht hatte, waren sie in meinem Gedächtnis hängen geblieben.

Ich wurde von Sedrin untergehakt, die mich einmal um den gesamten Dorfplatz führte. Dabei gewann ich immer mehr den Eindruck, dass diese Sphäre, als die man uns die Dimension zwecks eines besseren Verständnisses jetzt offensichtlich darstellte, Tindara doch sehr ähnlich war. Nur war es eben kein Planet, sondern eine so genannte Pangäa-Dimension wie zum Beispiel das Dunkle Imperium. Die Sprache, die ich allerdings hier überall hörte, erinnerte mich sehr an das Tindaranische. Jedenfalls waren alle vier Grundlaute gleich und ich konnte sogar einige Vokabeln herleiten. Je mehr ich hörte, desto ähnlicher schienen mir die beiden Sprachen, was ich Sedrin auch gleich mitteilte. „Wie sicher sind Sie?“, fragte sie. „Ich bin mir zu 100 % sicher, Agent.“, sagte ich. „Diese Sprache ist dem Tindaranischen sehr ähnlich! Sie sind fast identisch! Ich gehe sogar davon aus, dass sie mich verstehen würden, wenn ich jemanden langsam und deutlich auf Tindaranisch ansprechen würde.“

Gerade kamen wir an einem kleinen Springbrunnen vorbei, wo einige Jugendliche sich die Zeit mit Wasserspielen vertrieben. „Testen wir Ihre Theorie doch gleich einmal.“, flüsterte mir Sedrin zu und drehte mich in die Richtung der Teenager. „Reichen Ihre Kenntnisse des Tindaranischen aus, um nach dem Weg zu einer Behörde oder einem öffentlichen Platz zu fragen?“ Ich nickte. „Dann werden Sie jetzt genau das tun!“, befahl sie leise, aber dennoch mit einem Ton, der mir sehr stark verdeutlichte, dass sie wohl keinen Widerspruch dulden würde.

Ich musste tief durchatmen, bevor ich mich dazu durchringen konnte, denn ich konnte mir die Reaktion der Jugendlichen schon sehr gut vorstellen. Sicher würden sie sich erschrecken, wenn sie plötzlich die Sprache eines der mythisch geglaubten Schwestervölker aus dem Mund einer Fremden hören würden. Aber vielleicht würden sie ja auch zu ihren Eltern laufen und dann hätten wir ja die Aufmerksamkeit, die wir benötigten. Also fragte ich schließlich doch langsam und deutlich in bemüht akzentfreiem Tindaranisch nach dem Weg zum Rathaus. Ein Junge aus der Gruppe, den wir etwa auf 16 Jahre schätzten, wurde nur leichenblass und rannte davon. Vorher zischte er seinen Freunden noch etwas zu, das ich als: „Ich hole meine Eltern.“, übersetzte.

Sedrin zog mich zu einer nahen Bank. „Gut gemacht!“, sagte sie, während sie mir half, mich neben ihr zurechtzurücken. „Ich komme mir so schäbig vor, Agent.“, sagte ich. „Die armen Kids! Die sind jetzt bestimmt geschockt. Wollten Sie das wirklich?!“ „Manchmal muss man mit einem Paukenschlag auftreten, um auf sich aufmerksam zu machen, Allrounder.“, sagte Sedrin. „Oder denken Sie ernsthaft, man würde uns einfach so glauben, wenn wir erzählen würden, dass es die Tindaraner wirklich gibt. Manchmal muss man den Leuten schon einen gehörigen Köder hinwerfen.“ „Das vielleicht schon.“, sagte ich. „Aber doch nicht auf Kosten der seelischen Gesundheit dieser armen Kinder!“ „Die armen Kinder sind in einem Alter, in dem sie das wohl schon verschmerzen werden, auf Tindaranisch angesprochen worden zu sein!“, sagte Sedrin fest. „Wer weiß. Vielleicht findet der Junge die Tatsache ja auch einfach nur schräg und ist deshalb so hin und weg. Ich nehme an, dass seine Eltern Forscher sind, die sich mit der Sache beschäftigen.“

Wenige Sekunden nach unserer Unterhaltung hörte ich Schritte herannahen. Es waren die Schritte einer Frau und eines Mannes, sowie die kleinen und schnellen Schritte des Jungen, die ich mir bereits bei seinem Davoneilen gemerkt hatte. Die Frau und der Mann unterhielten sich offensichtlich mit dem Jungen, der ihnen sehr aufgeregt schilderte, was er gesehen und vor allem, was er gehört hatte. „Und du bist sicher, dass sie Tindaranisch gesprochen hat?“, wollte der Mann wissen. „Ja, Vater!“, antwortete der Junge. „Tindaranisch! Ich habe doch erst neulich in der Schule einen Test darüber geschrieben, den ich mit einer Eins abgeschlossen habe. Erinnerst du dich nicht?“ „Oh doch, mein Sohn.“, sagte der Mann stolz. „Du wirst noch mal in die Fußstapfen deines Großvaters Sidar treten. Er ist ja der größte Mythenforscher, den wir haben.“

Er wandte sich der Frau zu: „Nyell, du bist doch auch mit den Forschungen deines Vaters vertraut. Soviel ich weiß, kannst du doch die Sprache der Tindaraner entschlüsseln und erkennen. Jedenfalls ist dir das schon bei alten Artefakten gelungen. Geh doch bitte mal zu der Fremden und sprich sie an. Außerdem hast du doch kürzlich selbst einen Planeten in der Föderation der Körperlichen besucht, genau wie dein Vater. Nach allem, was uns unser Sohn hier berichtet, könnten die Frauen von dort stammen. Aber was wissen sie über die Tindaraner?“ „Das weiß ich noch nicht, Minar.“, sagte die Frau. „Aber das werde ich gleich herausfinden! Sibar, es ist besser, wenn du nach Hause gehst. Du bist ja total verstört.“ „Also gut, Mutter.“, sagte der Junge folgsam und ging, obwohl er sicher eigentlich noch gern geblieben wäre. Aber die Situation war ihm verständlicherweise auch etwas unheimlich.

Sedrin stieß mir ihren Ellenbogen in die Seite: „Sie kommt auf uns zu! Bitte helfen Sie mir, Allrounder! Kann es sein, dass ihre Namen fast tindaranisch klingen? Zumindest denke ich, dass es sich bei manchen Worten, die sie benutzt haben, um Namen handeln könnte.“ Ich nickte ihre Vermutung ab, denn ich hatte einen Großteil der Unterhaltung tatsächlich verstehen können.

Nun kam Nyell tatsächlich auf uns zu. Sie war von kleinem Wuchs, etwas fülliger Statur und trug ein rotes Kleid, zu dem sie blaue Sandalen an den Füßen hatte. Sie hatte schwarzes langes Haar, das ihr verspielt über die Schultern hing. Schließlich stand sie vor uns und begrüßte uns ebenfalls auf Tindaranisch: „Seid gegrüßt. Wer seid ihr und woher kommt ihr und vor allem, was wisst ihr über die Tindaraner?“

Ich stellte uns vor, was ihr bereits den Atem stocken ließ. Dann sagte sie: „Tatsächlich! Aber wir können auch Englisch sprechen. Ich habe die Föderation besucht. Zwar war ich auf Vulkan, aber die Planeten sind ja alle politisch miteinander verflochten, wie ich erfahren habe. Mein Vater hat Terra besucht. Bitte folgt mir zu meinem Haus. Dort können wir über alles andere reden. Hier in der Öffentlichkeit ist das nicht gut.“ „OK, Nyell.“, sagte ich und wir standen auf, um ihr die Straße entlang zu ihrem Haus zu folgen. Dabei schien ich bereits jede Kurve der Straße im Voraus zu ahnen. „Sie sagen mir jetzt sofort, woher Sie das wissen!“, sagte Sedrin, die über diesen Umstand sehr erstaunt war. „Die Straßen auf Tindara sind ebenfalls in Spiralform angeordnet.“, sagte ich. „Mein Verhalten war also eine Anfrage, ob es hier genau so ist.“ „Ach so.“, sagte Sedrin. „Dann haben Sie hier meine Antwort.“ Sie ging eine Kurve und holte dabei extrem weit aus. „Alles klar.“, sagte ich.

Wir betraten die Auffahrt zu einem großen ansehnlichen Haus, das wohl einem sehr hochgestellten Bürger gehören musste. Jedenfalls schloss ich das aus der großzügigen Bauweise der Anlage, die es umgab. Sie ähnelte einem Park mit vielen Pflanzen und verschlungenen Pfaden, auf denen wir uns, wenn wir nicht von Nyell geführt worden wären, sicher leicht hätten verlaufen können.

Schließlich betraten wir eine große Eingangshalle, die mit Wandbildern ausgestattet war, die wohl einige Mythen über die Tindaraner und die Saloraner erzählten. „Hier scheinen wir verdammt richtig zu sein, Betsy.“, zischte mir Sedrin zu, nachdem sie mir die Bilder beschrieben hatte. Ohne Zweifel hatte ich aber einiges davon als tatsächliche Dichtung identifizieren können. Es stimmte zum Beispiel nämlich überhaupt nicht, dass sich die Tindaraner bei Vollmond allesamt in Waldgeister verwandelten und durch die Gegend spukten. Wenn ich Shimar das erzählen würde, würde er sich sicher kaputtlachen.

Nyell führte uns in ein weiteres Zimmer, das wir wohl als das Wohnzimmer identifizierten. Hier saß auf einem Sessel ein alter Mann, der genau wie die Statue im Park aussah, was Sedrin wohl fast einen Schlag versetzte. Jedenfalls gab sie mir bald darauf ein sehr plötzliches und unmissverständliches Signal, stehen zu bleiben. Dann zischte sie mir zu: „Sie warten hier und rühren sich nicht vom Fleck! Dass ist ein Befehl, Allrounder!“ „Aye, Ma’am.“, gab ich leise zurück und ließ sie los.

Der Alte stand auf und lächelte uns zu. Dann machte er einige langsame bedächtige Schritte in unsere Richtung. „Warum so ängstlich?“, fragte er dann. „Ich habe keineswegs die Absicht, euch etwas zu tun. Meine Tochter hat euch schon telepathisch angekündigt und die Theorie eures Schiffes stimmt auch. Wir haben unsere Dimension für euch körperlich gemacht, damit ihr sie besser erfassen könnt. Sie haben also keinen Grund, Ihre Untergebene vor mir zu schützen, Agent Sedrin. Ja, Allrounder Betsy. Ich bin es wirklich! Sidar!“ Ihm musste klar geworden sein, dass ich seine Stimme erkannt hatte.

Sedrin atmete auf und löste sich aus jener verteidigungsbereiten Haltung, die sie eingenommen hatte. Dann sagte sie: „Sehr erfreut, Mr. Sidar. Oder sollte ich nur Sidar sagen? Ich meine, auf Tindara und wahrscheinlich auch hier scheint es doch üblich zu sein, sich zu duzen.“ „Richtig.“, sagte Sidar mild. „Aber setzt euch doch her. Wir haben sicher viel zu besprechen.“ Dankend nahmen wir an und setzten uns gemeinsam mit den Nidari-Travelers um den kleinen roten Tisch auf die schon bekannten Sitzkissen, die es hier offensichtlich auch gab, um alles mit ihnen zu besprechen. Allerdings hatte ich Sedrin das Wort überlassen. Ich wusste, mein großer Auftritt würde ja noch kommen. Spätestens dann, wenn sie mich auf die Existenz der Schutzverbindung untersuchen würden. Ich fragte mich allerdings, ob Shimar davon etwas mitbekommen würde.

Sedrin hatte geendet. „Das ist ja schrecklich!“, rief Nyell aus und hielt sich die Hände vor den Mund. „Das wollten wir beileibe nicht! Wir wollten doch nur hallo sagen und nun stehen drei Dimensionen unseretwegen vor einem Krieg miteinander. Bei allen Göttern! Das müssen wir verhindern!“ „Wenn das stimmt, was diese Frauen sagen, Nyell!“, mischte sich Minar, offensichtlich Nyells Ehemann, ein. „Du weißt, dass schon viele Betrüger hier waren und versucht haben, uns zu belügen, was unsere Schwestervölker angeht. Aber das kann ich ja leicht herausfinden.“

Er wandte sich mir zu. „Ich muss dich ja nur telepathisch untersuchen. Deine Vorgesetzte hat schließlich gesagt, dass du den Beweis in dir trägst, dass es die Tindaraner tatsächlich gibt. Du musst keine Angst haben. Ich weiß, was ich tue. Ich bin extra für so eine Art von Untersuchung ausgebildet. Ich bin staatlich anerkannter Examineur. So nennt man bei uns die Leute, die andere telepathisch untersuchen dürfen. Bitte komm mit mir.“

Ich sah Sedrin an, die mir nur zuzischte: „OK.“ Dann folgte ich ihm aus dem Zimmer, während sie dort blieb, um die vielen Fragen der offensichtlich aus Forschern bestehenden Restfamilie zu beantworten.

Auch Sibar war wieder ins Zimmer gekommen und lugte neugierig hinter einem Vorhang hervor. „Setz dich doch zu uns, mein Enkel.“, sagte Sidar. „Dann kannst du gleich auch alles erfahren. Das kann ja für dein Wissen nur gut sein.“

Der Junge nickte und setzte sich. Dann wandte er sich an Sedrin: „Tut es eigentlich weh?“ „Was meinst du?“, fragte die Agentin lächelnd zurück. „Einen Körper zu haben, das meine ich.“, sagte Sibar. „Ich nehme an, ihr seid eurer körperlichen Existenz längst entwachsen.“, sagte Sedrin. „Sonst würdest du sicher nicht solche Fragen stellen, Kind.“ „Wie intelligent sie doch ist!“, stellte Sidar begeistert fest. „Aber es stimmt, was du vermutest. Wir sind dieser Stufe der Evolution längst entwachsen. Körper brauchen wir nicht mehr. Trotzdem wollen wir niemals vergessen, woher wir kommen. Wir wollen nämlich nicht so enden wie diese Sytania, von der du uns erzählt hast. Wenn es die Tindaraner und die Saloraner wirklich gibt, dann sind sie wohl unsere erheblich jüngeren Schwestern, da sie anscheinend noch immer Körper benötigen.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Sedrin diplomatisch.

Nyell stand plötzlich auf. „Wir müssen auf jeden Fall etwas tun, um den Krieg zu verhindern.“, sagte sie. „Die Vulkanier, bei denen ich war, schienen mir doch sehr vernünftig. Ich weiß, dass ich eigentlich erst wieder einen Monat ruhen muss, bevor meine Energie ausreichen dürfte, um mir einen neuen Körper auf Vulkan zu generieren. Aber ich kann ja meinen Alten wieder aufsuchen!“ „Bist du sicher, dass du das wirklich tun willst, Tochter?!“, fragte Sidar erschrocken. „Ja, das bin ich.“, sagte Nyell entschlossen. „Ich weiß um die Risiken, aber sie sind es mir wert!“ Es gab einen silbernen Blitz und sie war verschwunden.

 

Kapitel 17: Ein Aufsehen erregendes Puzzleteil

von Visitor

 

Zur gleichen Zeit waren Kate und Jaden auf Vulkan angekommen. Die beiden Agenten, zu denen Kate den Kontakt hergestellt hatte, hatten sie sogar vom Raumflughafen abgeholt. Sicher war das für Vulkanier ungewöhnlich, aber die Situation und ihre Dringlichkeit verlangten es.

Sie waren direkt zu jenem Gebäude gefahren, in dem T’Pera und ihr Partner Koss arbeiteten. Hier standen sie nun vor einem grauen Behälter, der ungefähr die Größe eines durchschnittlichen humanoiden Körpers hatte. Am Deckel des Behälters befand sich ein Bedienelement. „Was is’ denn das für’n Sarg?“, fragte Jaden flapsig. Kate gab ihm nur einen kleinen Stoß in die Seite. „Das ist ein Stasiscontainer.“, erklärte T’Pera, der Jaden erst jetzt, als sie sich langsam in seine Richtung gedreht hatte, wirklich ansichtig wurde. Sie war ca. 1,70 m groß, schlank, hatte kurze blonde Haare und trug die übliche Uniform eines Sternenflottenagenten. Ihr Partner Koss, der hinter ihr stand, überragte sie mit seinen 1,90 m noch. Auch er war in die übliche Agentenuniform gekleidet, von sportlicher Statur und hatte aber ebenfalls kurzes, aber rötliches Haar und einen rötlichen ordentlich gepflegten Bart. Beide hatten die obligatorischen spitzen Ohren. „War ja auch nich’ so wörtlich gemeint.“, versuchte Jaden, die Situation noch zu retten. „Hab’ ja nur einen kleinen Scherz gemacht.“ „Wir sind auf Vulkan, Commander.“, flüsterte Kate ihm zu. „Ich denke, Sie sollten das mit dem Scherzen etwas weniger intensiv betreiben, solange wir hier sind.“ „Also gut, Agent.“, sagte Jaden. „Ich werde mich bemühen. Könnte ja auch ein schlechtes Licht auf Sie werfen. Ich mein’, könnte ja sein, dass die denken, was wir wohl für Witzfiguren sind. Eine Anfängerin, die noch grün is’ hinter den Ohren und ein Clown. Das käme sicher nich’ gut an.“ „Genau das.“, sagte Kate leise.

T’Pera war zum Bedienelement des Containers gegangen und hatte etwas eingegeben, worauf einige Lämpchen auf einem Display erloschen waren. Unter dem Deckel, der sich jetzt langsam, aber stetig beiseite schob, konnte Jaden die immer deutlicher werdenden Umrisse einer Statue aus Kristall ausmachen. Sie schien blaue Sandalen und ein rotes Kleid zu tragen. Sie war ca. 1,60 m groß, etwas füllig und hatte wohl langes schwarzes Haar, das ihr verspielt über die Schultern hing. „Ich nehme an, das ist Ihre Besucherin.“, sagte Kate. „Ihre Annahme ist korrekt.“, sagte T’Pera mit ihrer zwar sehr hellen, aber dennoch sehr abgeklärt klingenden Stimme. „Zeugen haben sie im Park der Hauptstadt gesehen.“, fügte Koss ebenfalls in sehr neutraler Betonung bei. „Damals war sie natürlich noch keine Statue.“, sagte T’Pera. „Dachten wir uns.“, sagte Kate. „Ich denke, dass sie sehr wohl gelebt hat und dass sich die Zeugen, wie bei uns auch, sehr gut mit ihr unterhalten haben, bevor sie ihren Körper verlassen hat und er versteinert ist.“ „Genau so war es, Frau Kollegin.“, sagte Koss, der durchaus erkannt hatte, dass sie im selben Rang wie er und seine Partnerin stand.

„Fragen Sie nach Sytania!“, zischte ihr Jaden zu. „Das hatte ich gerade vor!“, gab Kate etwas genervt zurück. Sie mochte es nämlich gar nicht, wenn sich jemand in ihre Ermittlungen einmischte, der ihrer Meinung nach davon gar keine Ahnung hatte.

Sie drehte sich T’Pera zu und fragte: „Hat irgendeiner Ihrer Zeugen vielleicht eine telepathische Präsenz bemerkt?“ Sie hatte ihr mit Absicht keine Worte in den Mund legen, oder reine Ja-Nein-Fragen stellen wollen, wie sie es in der Agentenschule gelernt hatte. „Das haben sie allesamt.“, sagte T’Pera. „Die Präsenz schien aber nicht feindlich zu sein und von Sytania schien sie schon gar nicht zu kommen, falls Sie das meinen. Meine Leute und ich lesen nämlich auch Zeitung und wir halten rein gar nichts von den Plänen der Tindaraner. Wir sind allerdings sehr erleichtert über den Umstand, dass es dem Team um Scientist Cupernica offensichtlich tatsächlich gelungen ist, zumindest die Regierung der Föderation umzustimmen. Das ist ja auch der Grund, warum unsere Regierung beschlossen hat, doch in die Föderation zurückzukehren. Logik und Vernunft haben also doch noch gesiegt.“ „Wenn Sie das so betrachten wollen.“, sagte Kate diplomatisch.

Die vulkanische Agentin zeigte auf ihren Partner, der jetzt vortrat, um das Referat, welches sie begonnen hatte, fortzusetzen. „Die Präsenz.“, sagte er. „Kam wohl von der Fremden selbst. Es war eine uns völlig unbekannte Präsenz. Aber sie schien, wie meine Partnerin bereits ausführte, sehr freundlich zu sein. Zeugen beschrieben sie sogar als äußerst neugierig.“ „In welchem Sinn?“, fragte Kate. „Ich meine, Neugier kann positiv, aber auch negativ sein.“ „Sie hat keine intimen Fragen gestellt, falls Sie das meinen.“, versuchte Koss, sie zu beruhigen. Er wusste genau, dass sie wusste, dass die Vulkanier so etwas nicht mochten und war daher sehr bemüht, Missverständnisse zu vermeiden. „Sie hat sich, laut Aussage der Zeugen, mehr wie eine Forscherin verhalten, die mehr über unsere Kultur im Allgemeinen wissen wollte. Sie hat sich sogar vorgestellt. Einer Zeugin gegenüber sagte sie, ihr Name sei Nyell.“ „Klingt nich’ sehr vulkanisch.“, meinte Jaden. „Das ist korrekt.“, erwiderte Koss. „Es klingt eher tindaranisch. Aber warum sollte ein Tindaraner vorgeben, ein Vulkanier zu sein und uns beobachten wollen? Das wäre doch sehr unlogisch, oder? Zumal wir ja längst mit den Tindaranern eine politische Beziehung pflegen, da sie Verbündete der Föderation und wir Mitglieder derselben sind, was die Tindaraner ja auch wissen. Das ließ nur einen logischen Schluss zu. Es musste sich um ein ähnliches Volk handeln. Da bereits eines der von den Tindaranern mythisch geglaubten Schwestervölker als real bewiesen werden konnte, hielten wir es genau so für möglich, dass es das Zweite vielleicht auch geben könnte.“ „Sie glauben also auch an die Existenz der Nidari-Travelers?“, fragte Kate und Jaden blieb vor Staunen der Mund offen. „Ich halte ihre Existenz zumindest nicht völlig für ausgeschlossen.“, sagte T’Pera und Koss nickte bestätigend.

Plötzlich fuhr ein silberner Blitz durch die Decke und eine Art silberne Wolke durchquerte den Raum in Richtung des Containers. Sie senkte sich auf den Körper der Statue nieder, prallte aber gleich wieder von ihm zurück. Gleichzeitig glaubten alle, einen telepathischen Schrei wahrzunehmen, der sie an einen Schmerzensschrei erinnerte. Jaden, der selbst wohl nicht genau wusste, was er da tat und vor allem nicht, warum er es tat, hechtete in Richtung der Wolke, mit der er dann schlussendlich zusammenstieß. Dann sank er ohnmächtig zu Boden.

Die Ereignisse, die Kate gerade beobachtet hatte, hatten sie so stark erschreckt, dass sie sich selbst auch erst einmal setzen musste. So war es an den beiden Vulkaniern, sich um Jaden zu kümmern, der nur ganz langsam wieder zu sich kam. Das Erste, das er wahrnahm, war T’Pera, die sich mit einem Erfasser über ihn gebeugt hatte. „Bleiben Sie ruhig liegen.“, sagte sie. „Sie hatten einen Unfall. Offensichtlich sind Sie mit einer telepathischen Präsenz zusammengetroffen, die sich, zumindest laut meinem Erfasser, jetzt in dem Teil Ihres Gehirns befindet, in dem auch Ihr Unterbewusstsein gelagert ist.“ „Ich weiß.“, sagte Jaden mit schwacher Stimme. „Ich weiß, dass sie verletzt is’. Ich wollte sie retten. Ich wollte sie einfach nur retten. Los! Hilft mir mal einer auf die Beine!“

Kate, die sich jetzt deutlich zusammengerissen hatte und die hinzugeeilt war, griff beide seiner Hände und zerrte ihn unter Einsatz ihrer gesamten Kraft auf die Beine. Dann fragte sie: „Was um Himmels Willen haben Sie sich dabei gedacht?!“ „Ich weiß es nich’.“, sagte Jaden. „Wahrscheinlich habe ich gar nich’ gedacht, wie so oft. Wichtig is’ jetzt nur, dass wir mich nach Tindara bringen. Vielleicht kann uns beiden dort geholfen werden, ihr und mir. Bitte! Sie is’ sehr schwach.“

T’Pera war mit ihrem Erfasser hinzugetreten und hatte Jaden noch einmal gescannt. „Eine ungewöhnliche Situation.“, sagte sie. „Aber diese Bilder bestätigen, was Commander Huxley soeben gesagt hat. Koss, verständigen Sie die Flugbereitschaft!“ Der Vulkanier nickte und wandte sich zur Tür. Dann fragte er: „Möchten Sie zu einer speziellen Adresse auf Tindara?“ „Sagen Sie auf Basis 281 Alpha Bescheid, Mr. Koss.“, sagte Jaden leise. „Das is’ eine Militärbasis und ich kenne den Commander.“ „In Ordnung.“, sagte Koss und ging aus dem Raum.

Minar und ich waren in den Nebenraum gegangen. Hier schien er sich, zumindest war dies mein Eindruck, eine Art Praxis eingerichtet zu haben. Jedenfalls führte er mich zu einer Art weicher Liege, die einem Tischchen mit zwei Sesseln gegenüber stand. „Es liegt ganz bei dir, ob du sitzen oder liegen willst, während ich dich untersuche.“, sagte er. „Ich sage dir aber gleich, dass es etwas turbulent werden könnte. Dein Geist wird eine Art Eigenleben entwickeln. Aber wenn du mich machen lässt und nicht dagegen arbeitest, wird das auch nicht unangenehm werden.“ „Das habe ich nicht vor, Minar.“, sagte ich in der Absicht, wohl auch mich zu beruhigen, denn ich hatte noch nie eine telepathische Untersuchung erlebt, außer einmal von Shimar. Ihm aber hatte ich von vorn herein vertraut.

Ich drehte mich der Liege zu: „Ich glaube, ich lege mich besser hin.“ „Kluge Entscheidung.“, sagte Minar. „Zumal du Nicht-Telepathin bist und als solche sicher wenig Erfahrung hiermit hast. Aber sei gewiss. Ich werde ganz vorsichtig sein.“

Ich ließ mich auf den Polstern der Liege nieder. Sie war aus weichem Stoff, hatte einen glatten Bezug und war gerade richtig für meine Größe. Mein Kopf fand auf einem dicken Kissen Platz, das ich sofort sehr mochte. „Gefällt mir, wie du dich entspannst!“, lobte Minar. „Das wird es uns gleich allen beiden viel leichter machen.“

Er setzte sich mir gegenüber auf einen der Sessel, den er sich heran geschoben hatte. Dann war eine Weile sehr konzentrierte Stille im Raum und dann begann ich plötzlich, Dinge aus meiner gemeinsamen Zeit mit Shimar zu sehen. „Gut so.“, lächelte Minar. „Lass es einfach zu.“

Wir waren bei jenem Erlebnis angekommen, bei dem ich Shimar kennen gelernt hatte. Damals hatte er mich sehr beeindruckt und das war auch der Moment, in dem ich mich in ihn verliebt hatte. Diesen Moment schien Minar sehr intensiv beleuchten zu wollen. Jedenfalls führte er mich immer wieder dort hin zurück und ließ mich sogar Shimar ausführlich betasten. Er wusste wohl, dass es ihm nichts nützte, sein Bild einfach nur in meinen geistigen Fokus zu rücken.

Plötzlich ließ er von mir ab und holte tief Luft. „Habe ich es dir schwer gemacht?“, fragte ich schuldbewusst. „Nein.“, tröstete er. „Es ist für mich nur ungewohnt, mit einer Nicht-Telepathin zu arbeiten, die noch dazu nichts sieht und noch nie einen Visor benutzt hat. Es gibt eine Menge, auf das ich achten muss, um dich nicht zu verwirren. Die Dinge, die ich deinem Unterbewusstsein sage, müssen von ihm ja auch verstanden werden. Es liegt also ganz bei mir, ob ich alles richtig, oder alles falsch mache. Du trägst überhaupt keine Schuld. An gar nichts!“ „OK!“, atmete ich erleichtert auf. „Aber kann ich trotzdem etwas tun, um dir zu helfen?“ „Du hilfst mir schon sehr, wenn du dich einfach nur entspannst.“, sagte Minar. „Und nicht mehr darüber nachdenkst, ob du etwas richtig oder falsch machst. Es ist ja schließlich mein Job, herauszufinden, ob es die Tindaraner wirklich gibt und nicht deiner. Du bist ja nur eine Zeugin und welche Zeugin fragt schon ihren Vernehmer, ob ihre Aussage richtig oder falsch ist. Ich habe in meiner Ausbildung gelernt, mit den Mitgliedern verschiedenster Spezies umzugehen, bei denen Telepathie möglich ist, also werde ich auch für uns beide eine Möglichkeit finden. So etwas wie du ist mir zwar zum ersten Mal untergekommen, aber ich finde, dass wir uns doch bisher recht gut durchgewurstelt haben, nicht wahr?“ Ich nickte. „Na siehst du.“, sagte Minar und lächelte hörbar. Gleich darauf entschuldigte er sich aber wieder. „Du musst dich nicht entschuldigen.“, sagte ich. „Ich habe einen ganz normalen Sprachgebrauch.“ „OK.“, sagte er und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

„Hör zu!“, sagte er dann ruhig, aber doch sehr bestimmt. „Was ich jetzt mache, könnte dir vielleicht etwas Angst machen. Ich habe da nämlich etwas in deinem Geist entdeckt, das tatsächlich eine schlafende Schutzverbindung zu einem Tindaraner sein könnte. Wie du vielleicht weißt, können wir Nidari-Travelers, da wir in der Evolution viel weiter sind, als unsere jüngere Schwester, die Tindaraner, unsere Fähigkeiten über dimensionale Grenzen hinaus nutzen. Ich werde mich also quasi als Relais betätigen. Das dürfte die Verbindung kurzzeitig wieder erwecken. Wenn ich dann spüre, was ich vermute zu spüren, können wir ganz sicher sein. Ich weiß nur nicht, wie du darauf reagieren wirst. Deshalb möchte ich dir vorschlagen, dass wir abwechselnd bis drei zählen. Du fängst an.“ „Warum möchtest du, dass ich anfange?“, fragte ich verwirrt. „Weil du dann drei sagst und somit bestimmst, wann es los geht.“, erklärte er. „Einverstanden.“, sagte ich und zählte: „Eins.“ Er sagte: „Zwei.“, worauf ich: „Drei!“, hinzufügte. „Das kam ja wie mit dem Phaser geschossen!“, lächelte er. „Ich hätte mit mehr Zögern gerechnet. Aber gut.“

Er nahm erneut Verbindung zu mir auf. Im nächsten Moment bemerkte ich jenes Gefühl, das ich nur von der Verbindung zwischen Shimar und mir kannte. Das plötzliche Auftauchen jener Verbindung entlockte mir allerdings einen Quietschlaut, für den ich mich sofort wieder entschuldigen wollte, aber Minar wiegelte ab: „Man merkt, dass du ihn liebst. Warum also sollte dir das peinlich sein? Ich habe schon ganz andere Sachen gehört. Aber …“

Er hatte plötzlich mitten im Satz inne gehalten. Den Grund dafür vermochte ich nicht zu erkennen. „Ist etwas nicht in Ordnung, Minar?“, fragte ich, erhielt aber keine Antwort. Auch auf eine zweite Anfrage sagte er nichts. Ich war total verwirrt, denn ich befürchtete, doch etwas falsch gemacht zu haben. Deshalb stand ich von der Liege auf, tastete in dem kleinen Raum herum, bis ich zur Tür kam, öffnete sie mittels des Sensors und rief laut in den Flur: „Agent!“

Wenig später hörte ich ihre vertrauten Schritte auf dem Bodenbelag. Dann stand sie vor mir und fragte: „Was ist los, Betsy?“ „Bitte kommen Sie mit!“, sagte ich außer mir und zog sie mit in den Raum. „Minar hat mich nur telepathisch untersucht, wie er es auch tun wollte.“, erklärte ich. „Aber ich glaube, dabei ist irgendwas falsch gelaufen. Haben Sie Ihren Erfasser?“

Sie zog mich näher an sich. Dann sagte sie, während sie mir tröstend eine Hand auf die rechte Schulter legte: „Den brauche ich nicht, um zu erkennen, was hier los ist. Es ist nämlich gar nichts Schlimmes passiert. Minar sieht nur sehr fasziniert aus. Oh! Warten Sie! Jetzt tut sich was. Er hat gerade angefangen zu lächeln.“ „Uff!“, machte ich erleichtert.

Endlich, nach einer für mich unendlich langen Zeit, schien Minar seine Sprache wieder gefunden zu haben. „Es ist faszinierend!“, sagte er. „Das ist der Beweis! Das ist der ultimative Beweis! Du stehst tatsächlich in einer Beziehung mit einem Tindaraner und dein Schiff, mit dem du ja auch eine Verbindung hast, als ihre rechtmäßige Pilotin, stammt tatsächlich von den Saloranern. Da gibt es gar keinen Zweifel! Wir haben wohl einen großen Fehler gemacht, als wir die Tindaraner einfach übergangen haben. Das müssen wir dringend ändern. Wir sollten …“

Ein Aufschrei aus dem Wohnzimmer hatte uns alle hellhörig werden lassen. Sedrin hakte mich unter und wir gingen hinter Minar her, der sich bald einem sehr blassen und zittrigen Sidar gegenüber sah. „Was ist los, Schwiegervater?!“, fragte er. „Es geht um Nyell!“, stammelte Sidar. „Ich glaube, sie ist in Gefahr, oder war es! Sie hätte das nicht tun dürfen! Nein, sie hätte das nicht tun dürfen! Ich habe sie ja noch gewarnt!“

Sedrin setzte sich auf die Sessellehne und legte ihren Arm um Sidars Schultern, um ihn zu stützen. Dann sagte sie: „Was genau hast du gesehen, Sidar?“ „Darf ich es dir zeigen?“, fragte er. Die demetanische Agentin nickte. Dann zeigte ihr Sidar telepathisch, was er gesehen hatte. Warum Minar trotz der Schutzverbindung mit seiner Frau aufgrund ihrer Beziehung nichts gemerkt hatte, war uns allen klar. Er war ja mit mir beschäftigt gewesen.

Jetzt hatte auch Sedrin jenes Bild von der Wolke gesehen, die in Jadens Kopf gedrungen war. „Sie ist in Sicherheit.“, sagte Sedrin. „Wenn jetzt alles richtig läuft, ist sie jetzt in Sicherheit. Oh, bitte, mach alles richtig, Jineron Terraneron! Mach bitte einmal in deinem Leben alles richtig!“

Ihren letzten Satz hatte auch ich mitbekommen. „Was meinen Sie damit, Agent?“, fragte ich. „Auf Ihrem Schiff.“, sagte Sedrin. „Bitte sagen Sie Lycira, sie soll uns hoch beamen. Dann müssen wir sofort nach Tindara!“ „OK, Ma’am.“, sagte ich und zog mein Sprechgerät: „Lycira, zwei zum Beamen und aktivieren!“

Es gab einen silbernen Blitz und wir fanden uns in Lyciras Cockpit wieder. „Das ging ja schnell.“, staunte Sedrin. „Wieso konntest du uns so schnell erfassen, Lycira?“ Weil ihr die ganze Zeit hier wart., erklärte mein Schiff. Ihr habt mein Cockpit nie verlassen. Auch, wenn es für euch beide sehr real war. Aber was ihr erlebt habt, hat nur in eurem Kopf stattgefunden. Die Nidari-Travelers hatten allerdings eindeutig eine telepathische Verbindung zu euch und ich habe alles aufgezeichnet. „Oh, Lycira, du Goldstück!“, entfuhr es Sedrin. „Wir können der Zusammenkunft also tatsächlich alles beweisen! Lass uns nun zurück nach Tindara fliegen! Wenn ich mich nicht täusche, haben wir dort auch noch etwas zu erledigen!“ OK, Sedrin., sagte Lycira. Aber ich sollte mich selbst steuern. Weder Betsy noch du dürftet im Moment dazu in der Lage sein. Ihr seid bestimmt noch sehr durcheinander. „Das kann man wohl sagen.“, sagte ich. „Vor allem, weil mir die ganze Sache so real vorkam.“ „Ich denke, das war die Absicht der Nidari-Travelers.“, sagte Sedrin. „Sie wollten ja, dass wir alles über sie erfahren und sie wollten auch, dass wir sie ernst nehmen. Also haben sie es uns auch so gezeigt, als wäre es das. Oder hätten Sie einen Traum sonderlich ernst genommen, Allrounder?“ „Sicher nicht.“, sagte ich. „Sehen Sie?“, fragte Sedrin. „Aber nun bring uns nach Tindara, Lycira!“ Wie du willst., sagte mein Schiff und aktivierte ihren interdimensionalen Antrieb.

Zirell und ihre Leute waren wieder dem Tagesgeschäft auf Basis 281 Alpha nachgegangen. Viel konnten sie ohnehin im Moment nicht tun, denn sie mussten abwarten, wie sich die Situation weiter entwickelte. Dass die Vulkanier offensichtlich den Weg zurück in die Föderation gefunden hatten, war ein großer Fortschritt, reichte aber bei Weitem nicht aus, um die schwierige politische Lage wirklich zu entschärfen. Dafür bedurfte es noch anderer Mittel, die ihnen aber noch nicht zur Verfügung standen, was sich aber bald ändern sollte. Jedenfalls meldete Joran, der mit Zirell und Maron ihren gemeinsamen Dienst in der Kommandozentrale versah, bald: „Anführerin Zirell, IDUSA hat gesehen, dass gerade zwei Schiffe die interdimensionale Schicht verlassen haben. Das Eine ist das private Schiff von Betsy El Taria und das Andere ist ein Schiff der vulkanischen Flugbereitschaft. Beide haben Kurs auf unsere Basis genommen. Die Vulkanier rufen uns sogar auf der Notruffrequenz!“ „Ein vulkanischer Notfall?“, erkundigte sich Zirell. „Du machst mich neugierig. Weise Betsy nach Andockplatz vier und gib mir die Vulkanier, Joran!“ „Wie du wünschst, Anführerin.“, sagte Joran und stellte die von Zirell gewünschte Verbindung her.

Vor dem geistigen Auge der tindaranischen Kommandantin erschien das Bild einer älteren Vulkanierin auf dem Neurokoppler. Sie war von drahtiger, fast militärisch durchtrainierter Statur, trug die übliche Uniform einer Bereitschaftspilotin, hatte rötliches kurzes Haar und maß ca. 1,70 m. Hinter ihr auf der Rückbank des Cockpits konnte Zirell schemenhaft die Umrisse von Jaden und Kate wahrnehmen. „Ich bin Zirell, Kommandantin der tindaranischen Basis 281 Alpha.“, sagte Zirell, um sich zu erkennen zu geben. „Ich bin T’Mora, Bereitschaftspilotin der vulkanischen Flugbereitschaft.“, stellte sich die Vulkanierin vor. „Ich habe zwei Passagiere, von denen einer dringend einer medizinischen Behandlung bedarf. Bitte informieren Sie Ihren Arzt. Genau genommen sind es sogar drei Passagiere. Aber den Rest würde ich Ihnen gern auf der Station erklären.“ „Sie sprechen in Rätseln, T’Mora.“, sagte Zirell diplomatisch korrekt, obwohl es für eine Tindaranerin wie sie sicher ungewöhnlich war, die Sie-Form zu benutzen. „Aber das wird sich sicher alles aufklären. Ich werde sofort meinem medizinischen Offizier Bescheid geben. Er wird sich um den Patienten kümmern. Wünschen Sie eine Vernehmung durch meinen ersten Offizier? Ich meine, anscheinend ist ja hier etwas geschehen, das ziemlich ungewöhnlich ist. Ich kann durch meine telepathische Wahrnehmung nämlich tatsächlich bestätigen, dass Sie in der Tat drei Passagiere haben. Ich gebe Sie jetzt an meinen SITCHer zurück, der Sie nach Andockplatz fünf weisen wird. Bitte warten Sie dort.“ „Vielen Dank für Ihr Angebot.“, sagte T’Mora diplomatisch. „Aber eine Vernehmung durch Ihren ersten Offizier benötige ich nicht. Ich weiß dazu nicht genug und es wäre somit nur Verschwendung von Zeit. Aber meine zweite Passagierin ist Agent Kate Malcovich. Sie ist eine Kollegin von Agent Maron und würde gern mit ihm sprechen.“ „Dann werde ich alles Notwendige veranlassen.“, sagte Zirell und gab das Gespräch an Joran zurück.

Maron wendete sich seiner Vorgesetzten zu: „Was meintest du damit, dass es drei Passagiere sind, Zirell? Ich habe außer der Frau nur zwei weitere Personen auf dem Schirm gesehen.“ „Sagen wir mal so.“, sagte Zirell. „Es sind zwei Körper, aber drei Seelen. Die dritte Präsenz ist aber dort, wo sie bestimmt niemand vermuten würde.“ „Geht etwa im Moment die vulkanische Rätselkrankheit um?“, fragte Maron irritiert. „Erst diese T’Mora und dann auch noch du, Zirell. Mir ist zwar bekannt, dass eine vulkanische Krankheit auf telepathischem Wege übertragen werden kann, aber das ist sicher nicht die.“

Zirell gab ein genervtes Seufzen von sich und schaute gelangweilt in Jorans Richtung. Dann sagte sie: „Erklär’s ihm!“ Sie wusste, dass Joran, als so genannter passiver Telepath, durchaus in der Lage war, Präsenzen zu spüren. Alles andere hätte es den Vendar ja auch unmöglich gemacht, Telepathenjäger zu werden. „Es ist ganz einfach, Maron El Demeta.“, sagte Joran. „Jaden El Taria hat den Geist einer fremden Person in seinem Gehirn. Sie scheint aber sehr schwach zu sein und wir werden eine Möglichkeit finden müssen, ihr zu helfen, wenn sie nicht sterben soll.“ „Verstehe.“, sagte Maron. „Ich werde dann also zuerst mal Agent Malcovich und dann Allrounder Betsy und Agent Sedrin vernehmen. Vielleicht wird ja aus ihren Aussagen ein schlüssiges Puzzle, mit dem wir alle offenen Fragen beantworten können und die Zusammenkunft endlich davon überzeugen können, dass ein Krieg mit Sytania der völlig falsche Weg ist!“ „Tu das.“, sagte Zirell. „Ich verständige inzwischen Ishan. Shannon werde ich sagen, sie soll Commander Huxley direkt auf die Krankenstation beamen.“ „In Ordnung.“, nickte der erste Offizier die Anweisungen seiner Vorgesetzten ab und führte seinen Teil aus. Das bedeutete, dass er sich auf den Weg zur Andockschleuse machte, um uns und Kate dort zu empfangen.

Auch Lycira war das vulkanische Schiff aufgefallen, das an der Nachbarschleuse gedockt hatte. Was mögen die wollen?, fragte sie gleichsam Sedrin und mich. „Wie wäre es, wenn wir sie einfach mal fragen, wenn sie ausgestiegen sind?“, schlug Sedrin vor. „Ich denke nämlich, das haben sie vor.“ Also gut.“, sagte Lycira. Aber bitte haltet mich auf dem Laufenden, ja? „Du kennst uns doch.“, lächelte Sedrin und nahm mich bei der Hand, um gemeinsam mit mir ihr Cockpit zu verlassen.

Ich hatte erkannt, dass an Bord der Station wohl eine ziemlich hektische Betriebsamkeit herrschen musste. „Können Sie mir sagen, was hier los ist?“, fragte ich an Sedrin gewandt. „Ich weiß es nicht.“, sagte die Agentin. „Aber vielleicht können wir … Kate!“

Sie hatte ihre neue Partnerin erspäht und zog mich jetzt mit sich den Gang entlang, der die beiden Andockschleusen miteinander verband. Jetzt standen wir jener kleinen aufgeregten Person gegenüber, die gerade wild gestikulierend Maron den Grund für ihr Hiersein auseinandersetzte. „Schon gut, Kate.“, tröstete der Demetaner, dem durchaus klar war, wie aufgeregt sie sein musste. „Ich denke, ich sollte meine Pläne etwas ändern, was meine Reihenfolge der Vernehmungen angeht. Vielleicht sollte ich erst mit Sedrin und Betsy anfangen und warten, bis du dich wieder beruhigt hast. Du bist ja noch ganz neu in dem Job und dann stürzt gleich so was auf dich ein. Kein Wunder, dass du total überfordert bist.“ „OK, Maron.“, sagte Malcovich. „Aber ich möchte Commander Huxley auf der Krankenstation zur Seite stehen. Er benötigt sicher Hilfe und ich habe keine ruhige Minute, bevor ich nicht …“ „Also gut.“, sagte Maron.

Er wandte sich der technischen Assistentin zu, die auch in der Nähe gewartet hatte, um gegebenenfalls Befehle für die Wartung der Schiffe entgegen zu nehmen: „O’Riley, bringen Sie Agent Malcovich auf die Krankenstation!“ „Aye, Sir!“, erwiderte Shannon und winkte Kate, ihr zu folgen. Die Entscheidung, ob Kate wirklich in ihrem aufgeregten Zustand dort bleiben konnte, würde er Ishan überlassen.

Er hatte Sedrin und mich wohl erst jetzt gesehen. Jedenfalls drehte er sich fast erschrocken nach uns um, bevor er sagte: „Da seid ihr ja schon. Ich denke, ich sollte erst mal mit euch anfangen. zusammensetzen kann ich die Aussagen ja immer noch später.“ „OK, Maron.“, sagte Sedrin. „Mit wem willst du anfangen?“ „Immer mit der, die fragt.“, lächelte der Demetaner. „Also gut.“, sagte Sedrin und drehte sich in die Richtung, in die er gezeigt hatte. „Gehen wir.“

Ich zog etwas aus der Tasche: „Agents, Sie haben noch etwas vergessen!“ Sedrin, die den glänzenden Gegenstand in meiner Hand erst gar nicht gesehen hatte, drehte sich jetzt schnell zu mir um und nahm ihn mir ab. „Das ist ein Datenkristall mit Lyciras Aufzeichnungen.“, erklärte ich.“ „Ach ja.“, sagte sie. „Mutter Schicksal, Allrounder! Wenn ich Sie und Ihr Schiff nicht hätte!“ „Man tut, was man kann.“, sagte ich lächelnd und ging in die Gegenrichtung davon. Es war meine Absicht, mich ein wenig mit Shimar zu verlustieren, bevor ich mit meiner Aussage dran wäre. Ich hoffte nur, dass er Zeit und Lust darauf hatte.

Jaden hatte sich auf der Krankenstation auf einem Biobett wieder gefunden. Über ihn gebeugt befand sich Nidell, die ihn mit einem Erfasser untersuchte. Ishan stand einige Schritte entfernt in einer Ecke und beobachtete das Geschehen von dort. Ihm war es ja möglich, einen Scan mit den eigenen Augen vorzunehmen. Für den Terraner war so etwas nicht weiter befremdlich, war er diese Art der Untersuchung doch von Cupernica gewohnt.

„Bitte bleib ruhig liegen, Jaden.“, sprach Nidell ihren Patienten an. „Ich schätze, du wirst dich nicht sehr gut fühlen. Meine Ergebnisse bestätigen, dass du ganz schön mit etwas zu kämpfen hast.“ „Das kann man wohl sagen.“, sagte Jaden, der sich nicht daran störte, von ihr soeben geduzt worden zu sein. Er wusste ja, dass er sich auf einer tindaranischen Basis befand, wo das durchaus zum üblichen Rahmen gehörte, was die Kommunikation anging. Er wollte sich einfach nicht mehr nachsagen lassen, zu dumm zu sein, um auf andere Kulturen einzugehen.

Huxleys Versuch, sich auf die andere Seite zu drehen, vereitelte Nidell auch sofort wieder, indem sie ihn sanft, aber bestimmt festhielt. „Wenn ich sage, du sollst ruhig liegen bleiben, dann meine ich das auch, Jaden.“, begründete sie sachlich. „Tut mir leid.“, entschuldigte sich Jaden, der im gleichen Moment einen sehr starken Anflug von Schwindel zu spüren bekam. „Aber wieso fühle ich das so genau?“, fragte er. „Ich meine, die Vulkanier haben gesagt, dass sich die Fremde in meinem Unterbewusstsein befindet. Zu dem habe ich normalerweise keinen sonderlich guten Kontakt. Ich war immer verdammt mies in solchen Sachen wie licht Träumen und so. Noch nich’ mal Meditation hat bei mir geklappt! Ich bin sicher, selbst der geduldigste buddhistische Mönch hätte mit mir die Geduld verloren.“

Nidell sah fragend zu ihrem Vorgesetzten hinüber, der sich nun einen Schritt auf seinen Patienten und seine Assistentin zu bewegte. „Nun.“, sagte Ishan. „Dein Nervensystem meldet deinem Körper natürlich die fremde Energie und ihren Zustand. Dieser reagiert dann mit Alarmsignalen. Das hat nichts damit zu tun, ob du in Kontakt mit ihr treten kannst, oder nicht.“ „Is’ also rein körperlich, he?“, fragte Jaden zur Verifizierung. „Könnt ihr da was machen?“ „Sicher.“, sagte der Arzt und deutete auf eine Patrone in einem Regal in einem der durch Nidell gerade geöffneten Schränke an der Wand. „20 mg, Nidell!“, wies er die junge Tindaranerin an. Diese nickte und führte seine Anweisung aus, indem sie die Patrone herausnahm, auf einen Hypor steckte, diesen einstellte und ihn dann über Jadens zuvor frei gelegten Arm hielt. „Soll ich bis drei zählen?“, fragte sie fürsorglich. „Is’ nich’ nötig.“, sagte Jaden flapsig. „Ich kenne das. Wenn nur bald dieser Schwindel aufhört.“

Nidell hatte lächelnd den Knopf betätigt, der den Hypor auslöste. Bald darauf verspürte Jaden das Abebben des Schwindels. Das verschaffte ihm große Erleichterung. „Na endlich!“, sagte er und atmete auf. „Wurde aber auch Zeit!“ „Wir haben aber lediglich die Symptome abgefedert.“, erklärte Ishan. „Die Medizin, die wir dir gaben, verhindert nur, dass die Signale, die dir den schwachen Zustand der Fremden melden, zu deinem Gehirn durchdringen können. Ihren Zustand verändern sie nicht. Dafür müssen wir eine andere Lösung finden. Eigentlich hilft in solchen Fällen nur ein Vendar.“

Wie auf Stichwort hatte sich Nidell an eine Konsole begeben und hatte dort eine Art Kalender aufgerufen. Dann sah sie Ishan traurig an. „Jorans Sifa-Zyklus lässt im Moment keine Aufnahme eines Wesens zu.“, sagte sie. „Das Einzige, was wir noch tun könnten, wäre Sianach zu fragen, ob einer ihrer Leute vielleicht das Wesen übernehmen kann.“ „Tu das!“, sagte Ishan. „Und informiere am besten gleich auch Zirell!“ „Ja, Ishan.“, nickte Nidell und wandte sich der Sprechanlage zu.

Jaden hatte sich dem androiden Arzt zugewandt und hatte ihn sich genauer angesehen. „Ich hatte zwar schon viel von dir gehört.“, sagte er. „Aber ich glaube, wir haben uns noch nie leibhaftig gesehen.“ „Das ist korrekt.“, sagte Ishan. „Wenn du willst, dann kann ich dir noch einige Fragen zu meiner Person beantworten, die dir vielleicht auf der Seele liegen könnten.“ „Da is’ tatsächlich was.“, sagte Jaden. „Is’ es richtig, dass du ein Androide mit aldanischem Bewusstsein und vendarischem Namen bist?“ „Ja.“, nickte Ishan. „Ich verdanke mein Leben, oder besser mein Überleben von Sytanias Gefängnis nämlich in erster Linie der Vendar Sianach und Techniker McKnight. Aber das ist eine lange Geschichte, die hier sicher zu weit führen würde.“ „Schade.“, sagte Jaden. „Die würde mich echt brennend interessieren. Aber ich glaube, ich sollte erst mal schlafen.“ Er gähnte. „Oh, Gott! Ich bin hundemüde!“ „Verständlich.“, sagte Ishan und legte Jaden noch ein medizinisches Gerät an. „Dies informiert mich über deinen Zustand, während du schläfst.“, sagte er zur Erklärung. „Deine Situation ist ein völliges Novum und daher noch nicht erforscht. Ich möchte in der Lage sein, auf Komplikationen sofort reagieren zu können.“ „Is’ schon OK.“, sagte Jaden noch, bevor er auf der Stelle einschlief.

Maron und Sedrin hatten es sich im Quartier des Demetaners bequem gemacht. „Netter Ort für eine Vernehmung.“, sagte Sedrin. „Eine andere Möglichkeit haben wir im Moment wohl nicht.“, sagte Maron.

Er schob ihr eines der üblichen Sitzkissen vor einer Konsole zurecht: „Setz dich.“ Dann setzte er sich selbst genau neben sie auf ein weiteres Kissen und zog seinen Neurokoppler aus der Tasche, um ihn an einen Port an der Konsole anzuschließen. Für Sedrin ließ er IDUSA gleich noch einen replizieren, mit dem auch sie in gleicher Weise verfuhr. „Bist du so weit?“, fragte er seine langjährige Kollegin und Freundin. Sedrin nickte. „Also gut.“, sagte Maron und wandte sich an den Rechner: „IDUSA, die Personalien von Agent Sedrin Taleris-Huxley aufrufen und mit dem Vernehmungsprotokoll verknüpfen, sobald sie durch Agent Sedrin Taleris-Huxley bestätigt worden sind.“ „Woher soll sie meine Personalien kennen?“, fragte Sedrin. „Na, erlaube mal!“, sagte Maron. „Du warst doch einmal Zirells erste Offizierin! Erinnerst du dich etwa nicht mehr? McKnight hat meines Wissens nie Anweisung von Zirell erhalten, deine Datei zu löschen. Also wird sie ja wohl noch vorhanden sein. Ah! Da ist sie ja.“

Beide erhielten jetzt Einblick in einen Bogen mit Sedrins Daten. Gleichzeitig zeigte sich ihnen IDUSAs Avatar mit einem Zeigestock in der rechten Hand. „Hat sich an Ihren Personalien etwas geändert, Agent Sedrin?“, fragte der Rechner. „Nein, IDUSA.“, sagte die Demetanerin, nachdem sie sich die Daten durchgelesen hatte. „Also gut.“, sagte IDUSA und verknüpfte die Datei mit dem Vernehmungsprotokoll, wie Agent Maron es ihr befohlen hatte. Dann sagte sie: „Beginne Aufzeichnung.“

„Du findest es nicht ungewöhnlich, eine Kollegin zu vernehmen?“, fragte Sedrin. „Warum sollte ich das ungewöhnlich finden?“, fragte Maron zurück. „Du kannst mir glauben. Ich habe schon ganz andere Dinge gesehen, die sicher viel ungewöhnlicher waren. Aber nun zu dir. Was hast du gesehen?“ „Das ist alles nicht so leicht zu erklären.“, sagte Sedrin. „Aber es gibt eine Möglichkeit, es dir zu zeigen.“

Sie stand von ihrem Kissen auf, um leichter an ihre Hosentasche kommen zu können. Aus dieser zauberte sie jenen Datenkristall, den ich ihr gegeben hatte. Diesen nahm Maron ihr ab und steckte ihn in das Laufwerk an der Konsole.

„Wir werden gleich einen sehr intimen Einblick erhalten.“, warnte Sedrin ihn vor. „Wenn ich Allrounder Betsys Schiff richtig verstanden habe, dann hat sie alles das aufgezeichnet, was wir mit unseren geistigen Augen wahrgenommen haben.“ „Du willst mir also damit sagen.“, sagte Maron. „Dass die Nidari-Travelers mit euch telepathischen Kontakt aufgenommen haben?“ „Anscheinend ja.“, sagte Sedrin. „Obwohl es für uns total real schien. Aber ich denke, die Nidari-Travelers brauchten diese Täuschung, um sich unsere Kooperation zu sichern.“ „Dann sehen wir also gleich Bilder aus Betsys und deinem Kopf.“, verifizierte Maron. „Genau.“, nickte Sedrin. „Also gut.“, sagte Maron und gab IDUSA den Befehl, die Datei abzuspielen. Da ihr Betriebssystem mit dem von Lycira weitgehend kompatibel war, machte dies keine Schwierigkeiten.

Nervös hatte Zirell auf den Rückruf Sianachs gewartet, die sich natürlich sofort bereit erklärt hatte, sich selbst und ihre Leute auf die Aufnahmefähigkeit ihrer Sifas zu testen. Die Tindaranerin wusste, dass der Test allein nur drei Minuten dauern würde, aber da gab es ja auch noch die Vorbereitungszeit. Bis Sianach alle informiert hatte, konnte schon einige Zeit vergehen und bis sich dann alle getestet hatten, sicher noch mehr. Je nach Informationslage konnte sich das Ganze also ziemlich hinziehen. Um so überraschter war sie, ziemlich bald doch IDUSAs Ankündigung zu vernehmen: „Commander, ich habe Sianach für Sie.“ „Stell sie durch!“, befahl Zirell. „Sofort, Commander.“, gab der Rechner nüchtern zurück. Dann erschien das Zirell bereits sehr gut bekannte Gesicht der Anführerin der Vendar-Rebellen auf dem virtuellen Schirm vor ihrem geistigen Auge.

Zirell wusste allerdings sofort, auch ohne Sianach im Moment telepathisch wahrzunehmen, was die Stunde geschlagen hatte. Zu enttäuscht und traurig schaute sie drein. „Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, Zirell El Tindara.“, sagte sie. „Aber weder ich, noch meine Leute vermögen im Augenblick, dir zu helfen.“ „Soll das bedeuten, keine eurer Sifas ist auch nur annähernd aufnahmebereit?“, fragte Zirell zurück. „Das ist korrekt, Zirell El Tindara.“, sagte Sianach traurig und hielt demonstrativ ihren eigenen Testkristall in die Kamera ihres Sprechgerätes. Zirell konnte leider kein bisschen schwarz an ihm erkennen, was ein Zeichen für ihre Aufnahmefähigkeit gewesen wäre. „Meine Leute und ich hätten dir wirklich gern geholfen.“, sagte die Vendar. „Bitte glaube mir.“ „Das tue ich.“, sagte Zirell tröstend, die sich nicht anmerken lassen wollte, wie kurz vor dem Aufgeben sie war. Sianach war ihre letzte Hoffnung gewesen und die war jetzt so einfach dahingeschwunden. „Es ist schon gut, Sianach.“, sagte Zirell, nachdem sie sich ausgiebig geräuspert, mühsam gefasst und die Sorgenfalten in ihrem Gesicht geglättet hatte. „Niemand kann etwas für seinen Biorhythmus. Wir werden uns einfach eine andere Möglichkeit suchen müssen, dem fremden Wesen zu helfen. Aber du trägst sicher keine Schuld an dem, was auch immer noch geschehen wird.“ „Ich danke dir.“, sagte Sianach erleichtert. „Ich habe zu danken.“, sagte Zirell. „Ich danke euch allein dafür, dass ihr bereit wart, es zumindest zu versuchen. Auch, wenn ihr nicht helfen konntet, so wart ihr zumindest bereit dazu. Ihr hättet ja auch allesamt nein sagen können. Oder hat das etwa jemand?“ „Deine Geschichte, Zirell El Tindara.“, erwiderte die junge Vendar. „Hat meine Leute und mich sehr berührt. Niemand hat nein gesagt.“ „Das ist sehr löblich.“, sagte Zirell und beendete die Verbindung.

Sie atmete tief durch und lehnte sich auf ihrem Sitzkissen, das ihren Kommandosessel darstellte, nachdenklich zurück. Dies war ein Umstand, der dem Rechner der Station nicht verborgen geblieben war, denn sie hatte ihren Neurokoppler nicht abgesetzt, ein eindeutiges Signal für IDUSA, die Verbindung zu ihr aufrecht zu halten. „Kann ich Ihnen behilflich sein, Commander?“, fragte der Rechner Anteil nehmend, denn Zirells Gedanken waren, aus den gerade genannten Gründen, für sie sehr leicht nachzuvollziehen.

Die ältere Tindaranerin fuhr erschrocken herum. Sie hatte nicht damit gerechnet, von IDUSA angesprochen zu werden. Dass sie den Neurokoppler noch auf dem Kopf sitzen hatte, war ihr völlig entgangen. Wahrscheinlich war es wie mit allem. Woran man sich gewöhnt hatte, das bemerkte man auch nicht mehr so leicht. Da bildete wohl sicher auch Zirell keine Ausnahme.

Sie musste einige Male Luft holen und ansetzen, bis ihr ihre Stimme wieder gehorchte. Dann sagte sie: „Vielleicht kannst du das wirklich. Hast du vielleicht eine Möglichkeit in deiner Datenbank, wie wir diesem armen Wesen helfen können, bevor es vielleicht sogar sterben muss? Ishan sagt, es sei sehr schwach. Das ist kein Wunder, nach dem, was es gerade durchgemacht hat und nach dem Risiko, das es eingegangen ist, nur um uns zu helfen, diesen verdammten Krieg zu verhindern!“ „Ich werde nachsehen.“, sagte der Rechner. „Bitte gedulden Sie sich einen Moment, Commander.“ „OK.“, sagte Zirell und dachte bei sich: Hoffentlich haben wir die Zeit noch.

Die Sekunden, bis sich IDUSA wieder bei ihr meldete, schienen für Zirell zu Stunden zu werden. Schließlich sagte der Rechner: „Es tut mir leid, Commander. Mit einer medizinischen Lösung kann ich leider nicht dienen, aber ich weiß, dass Sie sonst immer einen sehr effizienten Weg gehen, um solche Probleme zu lösen. In solchen Fällen berufen Sie zumeist eine Konferenz aller Offiziere ein, in der alle ihre Meinung kundtun dürfen. Dies hat schon oft zu sehr guten, weil spartenübergreifenden Lösungen geführt. In 80 % der Fälle war das der Moment, in dem sich Techniker McKnight einmischte. Ich frage mich, warum Sie gerade heute von diesem sonst schon von mir als natürlich eingestuften Verhalten abweichen.“

Zirell saß stocksteif da und ließ ihre Worte auf sich wirken. Dass sie Recht hatte, das wusste die Tindaranerin. Sonst hatte sie es immer so gemacht. Also warum ausgerechnet heute eigentlich nicht? Dafür, gerade heute damit aufzuhören, gab es keinen Grund! Also setzte sie ihr freundlichstes Lächeln auf und sagte: „Oh, IDUSA! Wenn ich dich nicht hätte und deine mathematische Genauigkeit, mit der du auch mein Verhalten beobachtest! Du hast selbstverständlich ganz Recht. Warum sollte ich mit einer Tradition brechen, die uns schon aus so vielen verfahrenen Situationen gerettet hat?“ „Bedeutet das, ich darf der Crew Bescheid geben?“, fragte IDUSA nach, um sich zu vergewissern. „Natürlich!“, sagte Zirell. „Gib der Crew Bescheid und auch unseren Gästen! Ich denke, außer Jaden wird sicher jeder gern etwas beitragen wollen.“ „Wie Sie wünschen, Commander.“, sagte IDUSA und initiierte den Sammelruf an alle Sprechanlagenterminals und Sprechgeräte.

Maron und Sedrin hatten ihren kleinen Ausflug in die Wahrnehmungswelt von Sedrin und mir sozusagen beendet. Erschrocken hatte Maron die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als er von der Risikobereitschaft Nyells gehört und sie auch quasi mit eigenen geistigen Augen gesehen hatte. „Mutter Schicksal!“, rief er aus. „Sie hat ihr Leben riskiert, um uns zu helfen. Es muss doch eine Möglichkeit geben, wie wir jetzt ihr dafür helfen können!“ „Ich bin sicher, die wird es auch geben.“, sagte Sedrin. „Zumindest dann, wenn du mich jetzt zu der Konferenz begleitest. Dort werden wir sicher eine gemeinsame Lösung finden, wie es meistens der Fall ist. Es hat sich gezeigt, dass es oft sehr ertragreich sein kann, spartenübergreifend danach zu suchen. So haben Jaden und ich es auf unserem Schiff auch oft gehandhabt.“ „Zirell und ich machen es genau so.“, sagte Maron. „Dann beweg die Füße!“, sagte Sedrin. „Es wäre ja sicher nicht gut, wenn wir zu spät kämen.“ „Das stimmt.“, sagte Maron. „Das wäre ganz und gar nicht gut.“ Er verließ gemeinsam mit ihr seine privaten Räume in Richtung des Konferenzraums.

Kapitel 18: Wegweisende Gespräche

von Visitor

 

 

Parallel zu den dramatischen Ereignissen auf der Krankenstation, in Marons Quartier und in der Kommandozentrale hatte ich mich auf einem der Flure zum nächsten Computermikrofon begeben. Hier hatte ich IDUSA nach Shimars Position gefragt, eine Auskunft, die mir der Rechner auch bereitwillig erteilte. Ihre Antwort irritierte mich allerdings sehr: „Shimar ist auf dem Weg zu Ihrer Position, Allrounder.“ „Er ist was?“, fragte ich. „IDUSA, bist du sicher?“

Natürlich war sie sicher. Die Frage hätte ich mir schenken können, das wusste ich. Ich wusste aber auch, dass sie wusste, dass es sich um eine rein rhetorische Frage handeln musste. Zumindest hoffte ich das. Aber auch ein Sensorenfehler konnte eine falsche Information auslösen. Das verwarf ich aber auch gleich wieder, denn ich wusste zu genau, wie gut Jenna die Systeme der Station im Griff hatte. Meine Hoffnung, IDUSA würde die Rhetorik erkennen, zerschlug sich aber im gleichen Augenblick. „Natürlich bin ich sicher, Allrounder.“, sagte sie. „Meine Sensoren funktionieren einwandfrei und somit kann ich ihn eindeutig orten und seine Position in Beziehung zur Ihren setzen.“ „Das war eine rhetorische Frage, IDUSA.“, sagte ich. „Es tut mir leid.“, erwiderte sie. „Aber etwas Derartiges vermag ich nicht zu erkennen. Das ist aber ein Problem, mit dem die meisten künstlichen Intelligenzen zu kämpfen haben. Die besten Ingenieure kämpfen seit Jahrhunderten um eine Lösung. Als Sternenflottenoffizierin müssten Sie das ja eigentlich wissen.“ „Da hast du schon Recht.“, sagte ich, behielt mir aber einen weiteren Satz vor, den ich weitaus später benutzen würde, wenn der Plan, den ich verfolgte, funktionieren sollte. Statt des Satzes sagte ich also nur: „Ich denke, dass wir das Problem zusammen lösen können, IDUSA!“ „Wie soll das Ihrer Meinung nach vonstatten gehen?“, fragte mich der Rechner und ich hatte fast das Gefühl, leichte Verwirrung in ihrer Stimme wahrzunehmen. „Die findigsten Ingenieure der Föderation und der Tindaraner arbeiten seit Jahrhunderten daran, ohne ein Ergebnis vorweisen zu können. Meines Wissens umfasst die Ausbildung einer Kommunikationsoffizierin und Raumschiffpilotin keine Programmierkenntnisse. Wie wollen Sie mir also helfen können?“ „Das warte mal ab!“, sagte ich selbstbewusst. „Du weißt, dass ich oft auch ungewöhnliche Wege beschreite, um Probleme zu lösen. Vielleicht reicht ja gerade das, was man als Kommunikationsoffizierin lernt, völlig aus, um dein Problem in den Griff zu bekommen. Schließlich handelt es sich ja um ein kommunikatives Problem, nicht wahr? Aber es liegt natürlich ganz bei dir, ob du dich auf das Experiment einlassen kannst oder nicht.“

Ich schlenderte langsam zur gegenüber liegenden Wand und lehnte mich dort demonstrativ an. Ich wusste, dass ihre Auswertung der Datenbank, die sie sicher konsultieren würde, eine Weile dauern würde. Wie gesagt: In der Sternenflotte war ich bekannt wie ein bunter Hund dafür, Probleme manchmal auf sehr unkonventionelle Weise anzugehen. Jeden Gedanken an Shimar hatte ich längst weit von mir geschoben. Mit meiner Aktion wollte ich IDUSA aber auch zeigen, dass ich anscheinend alle Zeit der Welt hatte, wenn nicht sogar des gesamten Universums und aller anderen Dimensionen noch dazu.

Es dauerte tatsächlich nicht lange und ich hörte ihre Stimme aus dem kleinen Lautsprecher: „Allrounder, ich habe es mir überlegt. Lassen Sie es uns zumindest versuchen.“ „OK!“, sagte ich etwas lauter, denn ich konnte auf die Entfernung nicht genau einschätzen, ob IDUSA mich akustisch wahrnehmen können würde. Dann ging ich wieder zum Mikrofon. „Also.“, sagte ich. „Du weißt doch, dass du sicher warst, Shimar lokalisieren zu können.“, erklärte ich. „Bestätigt.“, sagte die künstliche Intelligenz. „Dann weißt du.“, fuhr ich fort. „Dass es nur eine logische Konsequenz geben kann. Meine Frage muss also rhetorischer Natur sein, denn faktisch wäre sie ja nicht korrekt, da es ja keinen Zweifel an deiner Funktionalität gibt. Das kannst du übrigens auch auf andere Dinge anwenden, zum Beispiel auf Sprichworte, oder Ironie, mit denen ihr künstlichen Intelligenzen ja auch eure Schwierigkeiten habt. Wenn jemand zum Beispiel sagt, dass er für jemanden anders seine Hand ins Feuer legt, dann kannst du deine Datenbank konsultieren und dort nachsehen, ob du Daten darüber findest, dass derjenige ein Kandidat für Selbstgefährdung ist oder nicht. So kannst du alles über deine Datenbank verifizieren. Wenn es dort keine Übereinstimmung zu den zu verifizierenden Fakten gibt, muss es rhetorisch oder als Sprichwort, oder auch ironisch gemeint sein. Es sei denn, du bekämst später andere Informationen. Aber bis dahin kannst du davon ausgehen. Übrigens würde mich interessieren, ob die Ingenieure, die mit deinem Problem gekämpft haben, dafür den Phaser oder das Schwert benutzt haben. Die Wahl der Waffen kann schließlich manchmal entscheidend sein, wenn man einen strategischen Vorteil erlangen will.“

Ich war gespannt! Auf ihre Reaktion war ich total gespannt! Ich hatte mir große Mühe gegeben, bei meinem letzten Satz, bei dem es sich auch um den handelte, den ich zurückgestellt hatte, nicht etwa zu lächeln, um ihr keine versteckten Hinweise zu geben. Ich wollte, dass sie nur allein meine Theorie ausprobieren musste. Wenn sie wusste, dass es Lösungsversuche von technischer Seite gegeben hatte, dann musste sie diese ja auch in der Datenbank finden können und merken, dass sie nichts mit dem zu tun hatten, was ich gerade gesagt hatte. Dann musste sie allein durch diese Abweichung ja darauf kommen, dass es nicht wörtlich gemeint sein konnte. Das würde das, was ich gerade versucht hatte, ihr zu erklären, ja nur bestätigen.

Tatsächlich konnte IDUSA wenige Sekunden später mit einem Ergebnis aufwarten. „Ich habe meine Datenbank konsultiert, Allrounder.“, sagte sie. „Genau, wie Sie es mir für solche Fälle aufgetragen haben. Ich stellte fest, dass weder ein Phaser, noch ein Schwert benutzt wurden, um die Probleme zu lösen. Also muss Ihre Frage einen rein rhetorischen Hintergrund haben. Dass Sie so etwas fragen, überrascht mich allerdings. Sie, als ein biologisches Wesen, das außerdem keine Vulkanierin ist, dürften doch eigentlich mit so etwas sehr vertraut sein und wissen, dass das Kämpfen in diesem Fall nicht wörtlich zu nehmen ist.“ „Clevere Schülerin!“, lobte ich. „Bedeutet das.“, setzte IDUSA zu einer Frage an. „Sie haben diese Formulierung mit Absicht gewählt, um mich zu testen?“ „Genau das!“, bestätigte ich.

Ich hörte einen Laut hinter mir, den ich mit dem Angriffslaut eines Tigers verband. Nur war er um ein Vielfaches leiser und irgendwie zärtlich. Die Stimme, die ihn hervorgebracht hatte, hatte ich auch längst erkannt. Wenn, dann war es ein Tiger, der einen warmen weichen zärtlichen Schmuseangriff auf mich vorhatte. Das war etwas, das ich sehr gern über mich ergehen lassen wollte!

Ich drehte mich also der Stimme zu und gab einen gurrenden Laut von mir zur Antwort. Dann grinste ich über beide Ohren. Das Nächste, das ich spürte, waren Shimars Arme, die sich um mich legten. Dann gab er mir einen nassen stürmischen Kuss. „Ich habe gespürt, dass du wieder hier bist!“, sagte er schnell und leicht außer Atem. „Wie lange weißt du das schon, Srinadar?“, fragte ich. „Seit ihr in der Dimension der Nidari-Travelers aufgebrochen seid.“, sagte er. „Einer von denen hat unsere Schutzverbindung untersucht und sie dafür über die Grenzen der Dimensionen hinaus aktiviert. Deshalb weiß ich es. Es sieht aus, als würde seine Telepathie noch nachwirken. Ich habe nicht schlecht gestaunt. Es gibt sie also wirklich! Oh, bei allen Göttern! Jetzt weiß ich, warum ich mich ausgerechnet in dich verlieben sollte! Ich glaube, das war Schicksal, damit du uns zu unseren mythisch geglaubten Schwestervölkern führen kannst!“ „Schicksal, hm.“, machte ich. „Na ja. Das würde zumindest einiges erklären. Ich habe mich immer schon gefragt, warum ausgerechnet mir immer solche Dinge passieren.“ „Kann ich mir vorstellen.“, sagte Shimar. „Aber ich finde das total aufregend! Und weil du so aufregend bist, habe ich für uns eine kleine Überraschung in der Simulationskammer vorbereitet! Komm mit!“

Er fasste meine Hand, aber im gleichen Moment machte das Signal der Sprechanlage seine Pläne zunichte. Im Display konnte er gut Zirells Aufforderung lesen, dass wir uns sofort im Konferenzraum einfinden sollten. „Klasse Timing, Zirell!“, sagte Shimar missmutig. „Das war sicherlich nicht wörtlich, sondern ironisch gemeint.“, sagte IDUSA. „Ihre medizinischen Werte weisen nämlich darauf hin, dass Sie es nicht wörtlich gemeint haben können. Sie sind nämlich nicht in jener Hochstimmung, die normalerweise zu Ihren Worten passen würde.“ „Richtig, IDUSA.“, sagte Shimar und hakte mich unter, um mit mir in Richtung Konferenzraum zu gehen. Unterwegs zischte er mir noch zu: „Was war das denn? Seit wann kann sie Ironie? Hat Jenn’ …?“ „Nicht Jenn’!“, sagte ich stolz. „Sondern ich.“ „Du?“, fragte er erstaunt. „Das musst du mir erklären.“ „Oh sicher.“, sagte ich. „Hör mal zu.“ Dann erklärte ich ihm meinen Ansatz, während wir gemeinsam den Weg zum Versammlungsort beschritten.

Bald waren dort fast alle versammelt. Fast alle, außer Nidell, die freiwillig bei Jaden auf der Krankenstation geblieben war und ihm mit IDUSAs Hilfe ermöglichte, alles auf dem Monitor mit anzusehen. Zirell stand in der Mitte des Raums und hatte ein Pad in der Hand. Auf diesem war eine Datei mit Stichworten zu sehen. Die Tindaranerin wollte wohl sicher gehen, nichts zu vergessen. „Ihr wisst sicher alle, warum wir hier sind.“, sagte sie. „Im Groben wissen wir Bescheid.“, sagte Jenna. „Es geht darum, Commander Huxley und dem Wesen zu helfen.“ „Das ist richtig, Jenna.“, sagte Zirell und gab IDUSA einen Befehl auf Tindaranisch, worauf diese alle Reaktionstabellen über einen Simulator im Raum lud. Jetzt konnten alle sehen, was auch Zirell sah. Alle sahen jetzt das, was Sedrin und mir bei den Nidari-Travelers widerfahren war. Dann folgte ein Bericht, den Sedrin nach der Vernehmung der Zeugen in Little Federation verfasst hatte. Sie und ich hatten uns mit der Weitergabe der Daten gegenüber Agent Maron einverstanden erklärt.

Die Aufzeichnungen hatten geendet und Zirell sah uns mit einer Mischung aus Freude, Erstaunen und Entsetzen an. Entsetzen wohl deshalb, weil sie in ihrem gesamten Leben einfach so die Existenz der Nidari-Travelers geleugnet hatte, nur weil man es ihr gesagt hatte. „Diese Daten.“, sagte die tindaranische Kommandantin. „Werden selbstverständlich auch der Zusammenkunft zu Gesicht gebracht werden. Ich bin neugierig, ob sie Sytania dann immer noch verdächtigen. Aber das soll jetzt nicht unser Problem sein. Wir müssen uns jetzt um Jaden und Nyell, so heißt das Wesen doch, oder, Sedrin?“ Sedrin nickte nur, worauf Zirell fort fuhr: „Und um Nyell kümmern. Ishan, wie schätzt du den Gesundheitszustand der Beiden ein?“

Der Arzt trat vor und neben sie hin. Dann sagte er: „Nun, Commander Jaden H. Huxley würde sich sicherlich bester Gesundheit erfreuen, wenn man Nyell aus seinem Gehirn entfernen würde. Dies könnte sicher telepathisch, oder auch auf technologischem Wege geschehen, hätte aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihren sofortigen Tod zur Folge! Das ist etwas, mit dem sicher weder Jaden, noch Nyell, oder einer von uns einverstanden sind. Das Einzige, was hier helfen würde, zumindest meinem bisherigen Wissen nach, ist ihr Aufenthalt in der Sifa eines Vendar, der sie durch das Fütterungsritual mit der eigenen Energie stabilisieren könnte. Aber der einzige Kandidat hierfür, den wir auf der Station haben, ist im Moment nicht aufnahmefähig.“

Joran meldete sich: „Kannst du meine Sifa nicht mit Medikamenten so weit stimulieren, Ishan?“ „Das könnte ich zwar.“, antwortete der Arzt. „Aber ich darf es nicht. Ich müsste dir so viel Medizin geben, dass sie deinen Körper vergiften und deine Sifa auf immer schädigen würde, Joran! Bringen würde uns das also gar nichts!“ „Kelbesh!“, fluchte der Vendar leise und setzte sich wieder.

Shannon war zu ihm geschlichen und hatte sich neben ihn gesetzt. Der blonden Irin, die sonst eigentlich nicht für ihre Sensibilität bekannt war, hatte er doch sehr leid getan und so versuchte sie ihn aufzuheitern, indem sie ihm zuflüsterte: „Hey, Grizzly, vielleicht solltest du Huxley mal das Fütterungsritual beibringen.“ Welche Wellen ihr eigentlich als Scherz gemeinter Spruch noch schlagen sollte, ahnte sie nicht.

Joran hatte gegrinst. Das war ein Umstand, der wiederum Maron nicht entgangen war. Der erste Offizier hatte gesehen, dass Shannon zu Joran gegangen war und auch das, was sie getan hatte. „Wenn Sie etwas beizutragen haben, O’Riley.“, sagte er. „Dann tun Sie es bitte laut und deutlich, damit wir es alle hören können!“ „Oh, es war nur ein kleiner Scherz, Sir.“, sagte Shannon, die sich wohl extrem ertappt fühlte. „Sie kennen mich doch. Ich hab’ das nich’ so ganz ernst gemeint, das mit dem Fütterungsritual. Ups!“

Jenna hatte den Fauxpas ihrer Assistentin auch bemerkt. Sie wusste, dass hinter Shannons kleinen Ausrutschern oft mehr stecken konnte, als diese selbst zugab. Deshalb sagte sie: „Agent Maron hat Recht, Assistant. Sie dürfen ruhig laut sagen, was Sie denken. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Zirell einem von uns den Mund verboten hat.“ „Ach.“, wischte Shannon ihre Ermunterung weg. „Ich hab’ doch bloß gesagt, dass Joran Huxley versuchen soll, das Fütterungsritual beizubringen. Ich hab’ das aber rein als Witz gemeint, um Ihren Freund ’n bisschen aufzuheitern, Jenn’. Ich weiß doch auch, dass das nich’ geht.“

Mit ihrem letzten Satz musste Shannon ein Rattern in Jennas Kopf ausgelöst haben. Jedenfalls setzte sie plötzlich wieder jenen Blick auf, den ihre Vorgesetzten bereits von ihr kannten und den sie immer dann aufsetzte, wenn in ihr eine Theorie am Reifen war. Maron und Zirell ahnten, dass etwas geschehen würde, wussten aber, dass es noch dauern würde, biss Jenna die Idee vollständig ausgebrütet hatte. Deshalb lächelte Zirell ihren ersten Offizier nur an, worauf dieser konspirativ zurückzwinkerte.

Die tindaranische Kommandantin wandte sich wieder uns allen zu. Dann fragte sie: „Hat sonst noch jemand etwas beizutragen?“ Wir alle schüttelten vereint die Köpfe. „Dann erkläre ich diese Konferenz hiermit für aufgelöst! Falls doch noch jemand eine Idee haben sollte, kann er oder sie damit ruhig zu mir kommen. Ich bin mit meinem Latein zugegebenermaßen hoffnungslos am Ende und somit für jeden Vorschlag offen! Das wär’s erst mal! Wegtreten!“ Alle verließen in verschiedene Richtungen den Ort des Geschehens.

Shimar hatte mich an die Hand genommen und mich in Richtung von Agent Maron geschoben, den ich erwartungsvoll ansah. „Was gibt es, Allrounder?“, fragte mich der demetanische Spionageoffizier. „Ich dachte, Sie wollten mich vielleicht noch vernehmen, Sir?“, fragte ich verunsichert, denn ich hatte in dieser Hinsicht noch keine Nachricht von ihm bekommen. „Das ist nicht mehr nötig, Betsy.“, sagte er. „Agent Sedrin war so freundlich, mir bereits alle Daten zur Verfügung zu stellen. Darunter befand sich auch eine Aufzeichnung, die alles aus Ihrer beider Sicht schildert, Ihrer sehr privaten Sicht, um genau zu sein. Ihre Vernehmung ist also nicht mehr von Belang. Sie sollten Shimar begleiten. Ich glaube, er hat noch etwas mit Ihnen vor, soweit ich sein grinsendes Gesicht interpretieren kann. Ich denke, es wird etwas sehr Schönes sein. Das haben Sie nach Ihrer erfolgreichen Mission aber auch verdient! Schließlich haben Sie und Agent Sedrin uns allen bewiesen, dass es die Nidari-Travelers tatsächlich gibt und somit auch Sytanias Unschuld! Hoffen wir, dass die Zusammenkunft zumindest diesen Daten Glauben schenkt. Aber solange, bis wir das herausgefunden haben, sollten Sie Ihrer gemeinsamen Freizeitbeschäftigung nachgehen. Agent Sedrin wird das mit Sicherheit auch tun.“ „Danke, Sir.“, sagte ich und drehte mich Shimar zu, um meine Hand in seiner Armbeuge verschwinden zu lassen. Ich konnte aber nicht umhin, Agent Maron noch auf etwas anzusprechen, bevor wir endgültig gingen. „Wissen Sie, dass Sie eine prophetische Gabe haben, Sir?“, fragte ich. „Was meinen Sie?“, fragte er zurück. „Sie haben zu mir gesagt, dass ich eventuell telepathisch untersucht werden würde und Sie haben mich gefragt, ob ich damit einverstanden wäre. Das ist auch genau so eingetreten. Nur erfolgte die Untersuchung nicht durch einen Ihrer tindaranischen Kollegen, sondern durch einen leibhaftigen Nidari-Traveler!“ Bei meinem letzten Satz hatte ich sogar etwas Stolz in meine Stimme gelegt. „Das ist wohl wahr.“, sagte Maron. „Vielleicht war es ja Schicksal, dass ich Sie sozusagen vorwarnen durfte.“ „Das kann schon sein.“, lächelte ich und drehte mich zu Shimar: „Lass uns gehen! Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, was du für mich als Überraschung vorbereitet hast!“ „OK.“, sagte mein Freund und setzte sich in Bewegung. Dann lächelte er mir noch zu: „Es wird dir bestimmt gefallen!“

Wir suchten die Simulationskammer auf, wo wir uns auf die üblichen Sitze setzten und unsere Köpfe in üblicher Weise in die Mulden legten. Dann gab Shimar IDUSA einige Befehle auf Tindaranisch, die ich zwar verstand, auf die ich mir aber irgendwie keinen wirklichen Reim machen konnte. Was meinte er mit Programm Shimar 3 und was mit Unterprofil Shimar 2 und wer zur Hölle waren nicht anwesende Personen, die durch Simulationen ersetzt werden sollten?

Das Programm startete und wir fanden uns auf einer Waldlichtung wieder, die mich an das Dunkle Imperium, genauer an Logars Seite der Dimension, erinnerte. „Was tun wir hier, Srinadar?“, fragte ich, die ich Shimar als neben mir stehend wahrgenommen hatte. „Warte es ab.“, grinste er. „Ruf als Erstes doch einfach mal nach deinem Lieblingspferd unter Logars Rössern.“ „Warum soll ich das?“, fragte ich verwundert. „Kipana kann doch gar nicht hier sein.“ „Wer weiß, wer weiß?“, grinste der junge Tindaraner listig. „Probier es doch einfach mal aus!“ „Na gut.“, sagte ich, holte tief Luft und rief laut: „Kipana! Komm her, dicke Maus! Komm!“

Das Nächste, das ich wahrnahm, war das Getrappel von Hufen, die mir die Anwesenheit eines galoppierenden Pferdes verdeutlichten. Erst kurz vor mir wurde es langsamer und verstummte schließlich ganz. Dann fühlte ich warme weiche Nüstern auf dem Rücken meiner rechten Hand, deren Eigentümerin sich wohl vergewisserte, ob ich es wirklich war. Dann spürte ich eine gut bekannte feuchte warme Zunge, die mir den schon bekannten Code über den Handrücken schleckte, woran auch ich Kipana zweifelsfrei erkannte. Ich erkannte aber außerdem auch, dass sie Sattel und Zaumzeug trug. „Das ist ja total süß von dir!“, freute ich mich gegenüber Shimar. „Warte mal ab!“, sagte er. „Es wird noch süßer.“

Er gab einen Pfiff von sich, worauf es im nahe gelegenen Gebüsch kräftig raschelte. Dann trat jemand aus einem Versteck hervor, der mich mit den Worten: „Ich grüße dich, Betsy El Taria.“, begrüßte und mir seine pelzige weiche Hand gab, an deren Fellstruktur ich ihn, wenn ich bis jetzt auch nicht ganz sicher war, ohne Zweifel erkannt hatte. „Joran?“, fragte ich leicht irritiert, denn die Situation war mir immer noch nicht ganz klar. „In der Tat.“, sagte der Vendar und machte Anstalten, Kipanas Zügel in die Hand zu nehmen. Dann erteilte er Shimar die Anweisung: „Führe Betsy El Taria bitte den Hügel dort hinauf!“, und zeigte in eine bestimmte Richtung. Kipana flüsterte er nur zu: „Komm mit, mein großes Mädchen.“

Shimar führte mich, wie Joran es ihm gesagt hatte, einen sanft ansteigenden Abhang zur Spitze eines kleinen Hügels hinauf, der an den drei anderen Seiten, wie er mir schilderte, viel steiler abfiel. Dann drehte er mich um ca. 90 Grad, so dass ich quer zu einer dieser Seiten stand. „Was wird das, wenn es fertig ist?“, fragte ich. Shimar erwiderte aber nichts. Statt dessen hörte ich Jorans und Kipanas Schritte im Laub, die immer näher kamen. Dann rief Joran dem Pferd ein leises, aber bestimmtes: „Steh!“, zu, worauf Kipana sofort anhielt. „Fein!“, lobte Joran mit viel Stolz in der Stimme und strich ihr über die Stirn.

Shimar führte mich noch einen Schritt näher an die Kante und hieß mich dann, meine rechte Hand nach vorn zu strecken. Ich erreichte tatsächlich das Sattelhorn. Erst jetzt ließ ich ihn, dem ich meine linke Hand auf den Arm gelegt hatte, los, um mit ihr den Steigbügel zu greifen und meinen linken Fuß hineinzustellen. Dann wartete ich, bis Joran mir das OK gab und zog mich hoch. Auf sein OK musste ich warten, weil er mit der anderen Hand den Sattel gerade hielt, damit dieser nicht verrutschen konnte. Shimar achtete von hinten darauf, dass ich nicht abrutschte. Es hätte ja sein können, dass ich vor lauter Aufregung daneben griff. Joran zog den Sattelgurt straff. „Ach so.“, kapierte ich. „Das hier ist also eine natürliche Aufsteighilfe. Aber was macht ihr zwei denn? Ich meine, ihr werdet doch nicht etwa die ganze Zeit zu Fuß neben mir herlatschen wollen, oder?“ „Oh nein.“, sagte Shimar. „Jetzt kommt nämlich Teil zwei meiner Überraschung!“

Er grinste Joran an, der ihm nur zunickte und dann ging. Mich überkam ein leichtes Gefühl der Unsicherheit. Er kannte sich doch mit Pferden gar nicht aus! Shimar war doch dafür bekannt, sich niemals freiwillig mit etwas außer den eigenen Beinen fortzubewegen, das nicht mindestens Warp eins schaffte. So etwas machte ihm doch keinen Spaß! Was war hier los? Aber auch Kipana spürte meine Unsicherheit und wurde leicht unruhig. Dann geschah aber noch etwas, das mich sehr irritierte. Souverän griff Shimar nach den Zügeln in der Nähe der Trense, wie es jeder machen würde, der ein Pferd führen wollte und sagte: „Hoh, ruhig, Dicke. Es ist alles in Ordnung. Keine Angst!“ Zu mir sagte er nur: „Bitte vertrau mir, Kleines.“ Als Telepath wusste er ja schließlich genau, dass ich die Quelle für Kipanas Angst war.

Joran war zurück. Aber er war nicht allein gekommen. Mit sich hatte er zwei weitere große stattliche Pferde geführt, die ebenfalls gesattelt waren. Eines davon führte er nun auch wieder zu dem Hügel, um es dort in gleicher Weise abzustellen. Dann rief er Shimar zu sich, der es bestieg, wonach er sich selbst auf das Dritte setzte. Jetzt war ich völlig verwirrt! Was ging hier eigentlich vor? Eine Entscheidung zu treffen war mir unmöglich, was auch dazu führte, dass mir Kipana diesen Prozess abnahm, indem sie sich in Bewegung setzte und brav den anderen beiden Pferden folgte, die sich jetzt in Richtung Waldmitte bewegten. Das war mir ganz recht, denn ich konnte, wenn ich hinter ihnen war, sie viel besser hören und besser einschätzen, wenn sie abbogen. „Bist du eigentlich sicher, dass das hier gut gehen wird?“, fragte ich an Joran gewandt. „Ich meine, wegen Shimar.“ „Sei ohne Sorge, Betsy El Taria.“, gab der Vendar zurück. „Ich habe sein Pferd am Strick, wie es jeder anständige Reitlehrer mit seinem Schüler zu Anfang tun sollte!“ Jetzt war es heraus!

Jetzt war heraus, was Shimar für mich als Überraschung geplant hatte. Er hatte extra für mich angefangen, das Reiten zu erlernen! Das war etwas, das ich ihm so gar nicht zugetraut hatte. Vor Freude begann ich sogar zu weinen und stammelte: „Oh, Srinadar! Du, du, du bist so süß, so süß, dass …“ „Ich weiß.“, sagte Shimar. „Ich bin so süß, dass selbst der brasilianische Zuckerhut neidisch werden könnte.“ Joran lachte und auch ich begann wieder zu lächeln. „Es kann ja sowieso nichts passieren.“, sagte ich dann. „Ich meine, das hier ist die Simulationskammer! Die Sicherheitsprotokolle sind online und hier werden die Karten zu unserem Vorteil gemischt.“ „Du weißt, Betsy El Taria.“, erinnerte mich Joran mit mahnender Stimme. „Dass dies ganz im Ermessen des Schreibers des Programms liegt.“ „Außerdem klingst du, als bräuchtest du eine kleine Herausforderung, Kleines.“, fiel Shimar ein.

Er sah Joran an und deutete auf den Strick in seiner Hand und auf mich. Der Vendar nickte nur grinsend. Dann sagte er: „Wie wäre es, wenn du zur Abwechslung mal die Aufsicht und somit den Strick übernehmen würdest, Betsy El Taria. Ich bekomme nämlich langsam einen lahmen Arm.“ „Bist du sicher, dass das in Ordnung geht?“, fragte ich irritiert. „Ich meine, ihr dürft nicht vergessen, Jungs, dass ich nichts sehe.“ „Oh, hier sind fünf Augenpaare, die das sicher gern für dich übernehmen würden, Kleines.“, erwiderte Shimar. „Außerdem kann ich ja auch schon ein bisschen was. Wenn wir im Schritt bleiben, kann gar nichts passieren, sagt Joran. Aber vielleicht hast du heute ja einfach deinen feigen Tag, he?“ Er grinste mich hörbar an. „Ich gebe dir gleich einen feigen Tag, du Frechdachs!“, grinste ich zurück. Dann drehte ich meinen Kopf in Richtung von Kipanas Ohren und sagte: „Na komm, Dicke! Jetzt ist Frauenpower angesagt!“ Dann drückte ich meine Waden leicht an ihre Flanken und schnalzte ihr zwei mal kurz zu, worauf sie antrabte. Joran verlangsamte sein Pferd gleichzeitig fast bis zum Stehen, damit ich zwischen die Beiden gelangen konnte. Dann verlangsamte ich auch Kipana wieder und nahm den Strick aus Jorans Hand im Vorbeireiten entgegen. „Das hat ja prima geklappt!“, lobte Joran, der sich jetzt hinter uns befand. „Das finde ich auch.“, sagte Shimar. „Sie kann eben doch mehr, als sie manchmal zugibt.“ „In der Tat.“, stimmte Joran zu.

Shimar grinste plötzlich und gab einen auf großes Entzücken hindeutenden Laut von sich. Dann sagte er: „Deine Dicke schielt ständig zu meinem Pferd herüber. Es sieht aus, als wollte sie dir tatsächlich helfen, auf mich aufzupassen.“ „Das kann ich mir vorstellen.“, sagte ich.

Alle drei Pferde senkten plötzlich wie auf ein geheimes Kommando die Köpfe und begannen zu prusten und zu schmatzen. Ich begann über beide Ohren zu grinsen. „Das ist ein schönes Geräusch, was, Kleines?“, fragte Shimar. „Ja.“, nickte ich. „Es zeigt, dass sie sich mit uns und der Situation wohlfühlen.“ „Ich weiß.“, sagte Shimar. „Das hatten Joran und ich nämlich in der Theoriestunde schon.“ Wieder begann ich vor Rührung zu schluchzen. Es schien mir, als würde Shimar das wirklich ernsthaft betreiben.

Joran hatte wohl auf die Uhr gesehen. „Wir sollten umkehren.“, sagte er. „Über unser Vergnügen dürfen wir unseren Dienst nicht vergessen, der morgen wieder früh beginnen wird.“ „Hast recht.“, sagte Shimar schnell. „Aber du solltest für die Wendung den Strick wieder übernehmen, glaube ich, Joran. Betsy ist, glaube ich, viel zu gerührt dafür und kann sich wohl nicht so ganz mehr darauf konzentrieren, auch dann, wenn du ihr Anweisungen geben würdest, oder ich.“ „Spricht er die Wahrheit, Betsy El Taria?“, erkundigte sich der Vendar fürsorglich. Ich nickte nur abgekämpft. „Also gut.“, sagte Joran und schloss zu uns auf. Dann übernahm er den Strick aus meiner Hand, worauf wir wieder die Positionen tauschten.

Wir waren bald wieder an den Punkt zurückgekehrt, an dem unser Ausritt begonnen hatte. Hier stiegen wir ab und dann befahl Shimar IDUSA, das Programm zu beenden. „Du bist so knuffig!“, rief ich, fiel ihm um den Hals und küsste ihn stürmisch. „Danke, Kleines.“, sagte Shimar. „Das hättest du nicht von mir gedacht, was?“ Ich gab nur einen negierenden Laut von mir. „Aber deshalb bist du ja so …!“ Ich küsste ihn erneut. „Die Überraschung ist dir echt gelungen!“

IDUSA zeigte sich uns über die Simulatoren in den Sitzen. „Es wird Zeit.“, sagte sie. „Dass Sie beide schlafen gehen. Ihr Dienst …“ „Wissen wir, IDUSA.“, sagte ich. „Aber danke, dass du uns noch mal erinnerst.“ „Möchtest du bei Sedrin im Gästequartier schlafen?“, fragte Shimar. „Oder lieber bei mir?“ „Wie kannst du da noch fragen?!“, erwiderte ich und umarmte ihn erneut fest. Dann wandte ich mich an den Rechner: „IDUSA, sag Agent Sedrin, sie braucht mit dem Abendbrot und auch dem morgigen Frühstück nicht auf mich zu warten!“ „Wird ausgerichtet, Allrounder.“, gab IDUSA zurück. Dann verließen Shimar und ich die Kammer in Richtung seines Quartiers.

 

Kapitel 19: Der überraschende Durchbruch

von Visitor

 

Der echte Joran hatte mittlerweile festgestellt, dass bereits Stunden vergangen waren, seit er dem Rechner der Station befohlen hatte, das Licht im Schlafzimmer seines und Jennas gemeinsamen Quartiers zu löschen. Der Vendar hatte sich immer wieder mal umgedreht, um nachzuschauen, ob sich seine Gefährtin denn irgendwann einmal zu ihm auf ihre Seite des Bettes bequemen würde, aber nichts dergleichen war geschehen. McKnight hatte ihm zwar gesagt, sie wolle noch arbeiten, aber es ging jetzt schon auf Mitternacht und er machte sich langsam wirkliche Sorgen um ihre Gesundheit, denn so viel komplizierte Arbeit konnte im Zusammenspiel mit noch weniger Schlaf ja nicht gut sein.

Er stand also auf und schlich in das gemeinsame Wohn- und Arbeitszimmer. Hier sah er die Ingenieurin tatsächlich vor einer Konsole sitzen. Angestrengt wanderte Jennas Blick von einem Fenster des Bildschirms zum anderen und wieder zurück. Joran konnte sich nicht erklären, was sie dort tat. Er versuchte über die Überschriften der Dokumente etwas herauszubekommen. Was er sah, gab ihm allerdings noch mehr Rätsel auf. Die Überschriften erinnerten ihn an die medizinische Datenbank. Aber warum sollte Jenna in Ishans Gebiet wildern? Er wusste zwar, dass seine Freundin zuweilen ungewöhnliche Wege beschritt, um Probleme zu lösen, was das Einzige war, das sie mit Samantha Carter aus Shannons Lieblingsschmöker gemein hatte, aber dieses hier wollte ihm nun so gar nicht einleuchten.

Leise setzte er sich neben sie und sah ihr bei der Arbeit zu, was der Techniker ehrenhalber offensichtlich nicht zur Kenntnis nahm. Erst als er sie ansprach, wandte sie langsam den Kopf in seine Richtung. „Soll ich Ishan Bescheid geben, Telshanach?“, fragte Joran fürsorglich. „Was?!“, lautete Jennas erschrockene Antwort. „Ich meine.“, erklärte Joran sein Verhalten. „Du schaust dir immerhin Dinge aus der medizinischen Datenbank an. Das ist normalerweise ja nicht dein Fachgebiet. Deshalb meinte ich …“

McKnight legte den Neurokoppler ab und schaute in seine Richtung. Dabei gab sie einen resignierten Seufzer von sich. Trotz IDUSA den Text auch auf dem normalen Bildschirm der Konsole angezeigt hatte, hatte sie ihn Jenna auch auf einem virtuellen Monitor vor ihrem geistigen Auge serviert. Warum Jenna IDUSA diese Einstellungen befohlen hatte, wusste sie selbst nicht genau. Aber gerade dies sollte sich jetzt als ihr Rettungsanker herausstellen.

„Ich komme bald ins Bett, Joran!“, sagte Jenna bestimmt. „Bitte lass mich nur noch diese Sache zu Ende bearbeiten!“

Sie setzte den Koppler wieder auf und der Blick ihres geistigen Auges glitt wieder über den virtuellen Schirm. Gleichzeitig aber bewegte sie ihre Augen auch über den realen Schirm, was Joran, der sich jetzt mit dem Seinen an ihren Blick geheftet hatte, ihr gleichtat. Da Jenna nur auf den Text achtete, blieb ihr seine kleine Spionageaktion verborgen. Er fand höchst merkwürdig, welche Kombination von Fenstern sie offen hatte. In dem einen Dokument ging es um die Sifa der Vendar und ihre Verbindung zum Gehirn, im zweiten Dokument ging es um das so genannte Lichte Träumen und der dritte Text behandelte das Fütterungsritual. Das war eine Kombination, aus der Joran leider ohne Weiteres keinen Schluss ziehen konnte. Er erinnerte sich auch nicht, dass Zirell oder Maron ihr die Lösung eines ungewöhnlichen Problems auf diese Weise befohlen hatten. Es würde ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, als sie direkt zu fragen. „Warum schaust du dir das an, Telshanach?“, fragte er.

Erneut legte Jenna den Koppler ab. Dann stand sie sogar von ihrem Stuhl auf und stellte sich neben ihn. „Ach, Joran.“, seufzte sie. „Du erinnerst dich doch bestimmt an das Wesen in Commander Huxleys Gehirn, oder?“ „In der Tat.“, bestätigte der Vendar. „Und du erinnerst dich an unsere Besprechung mit Zirell.“ Joran nickte. „Dann weißt du ja sicher auch noch, was meine Assistentin dir ins Ohr geflüstert hat.“ „Auch das weiß ich, Telshanach.“, sagte Joran. „Aber Shannon O’Riley hat gesagt, dass sie es als Scherz gemeint hatte.“ „Schön und gut.“, sagte McKnight. „Was ist aber, wenn es kein Scherz bleiben muss? Was ist, wenn man einen Weg finden könnte, Commander Huxley das Fütterungsritual beizubringen?“

Joran war einen Schritt zurückgewichen. Diese vendarische Geste der Ehrfurcht und des Respekts machte er immer dann, wenn er sicher war, dass sie gleich etwas sagen würde, das ihre überlegene Intelligenz aufs Neue bewies. Er wusste, gleich würde sie zu einer Theorie ausholen, die ihresgleichen suchen sollte. „Komm ruhig wieder näher!“, sagte Jenna. „Sonst siehst du ja nichts!“ „Also gut.“, sagte Joran und ging langsam wieder auf sie zu, obwohl er sich fast für unwürdig befand, mit ihr vom selben Bildschirm lesen zu dürfen.

Jenna befahl IDUSA jetzt, die Anordnung der Dokumente so zu ändern, dass das Dokument über das Lichte Träumen zwischen denen über die Sifas und das Fütterungsritual stand. Dann sagte sie, während sie mit einem extra dafür am nahen Replikator hergestellten Zeigestock auf das oberste Fenster zeigte: „Eure Sifas haben doch eine direkte Verbindung zu euren Gehirnen, nicht wahr?“ „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Sonst könnte das Fütterungsritual ja nicht funktionieren.“ „Ich weiß.“, sagte Jenna und zog mit dem Zeigestock eine gedachte Linie zwischen den beiden Dokumenten. „Du übersiehst dabei nur, Telshanach.“, sagte Joran. „Dass Jaden El Taria weder ein Vendar ist, noch eine Sifa hat.“ „Vielleicht nicht direkt.“, sagte Jenna. „Aber er hat das Wesen in dem Teil seines Gehirns, der sein Unterbewusstsein beherbergt. Dorthin bekommt man Kontakt, wenn man träumt.“ Sie zog ebenfalls eine gedachte Linie zwischen dem Dokument über das Lichte Träumen und dem über das Fütterungsritual, sowie zwischen dem über das Lichte Träumen und dem über die Sifas. Joran, der ihren Bewegungen mit den Augen gefolgt war, war sofort aufgefallen, dass sich die Linien jetzt alle miteinander gekreuzt hatten. „Du willst mir also sagen, Telshanach.“, sagte er. „Dass es hier durchaus eine Gemeinsamkeit gibt?“, fragte Joran. „Genau das.“, sagte Jenna. „Ich denke, wenn sich Huxley darauf einlässt, könnte das Ritual tatsächlich auch bei ihm funktionieren. Gut: Er kann vielleicht nicht licht träumen, aber das ist ja nur eine Frage des Flusses seiner Neuronen. Wenn wir die in die richtige Richtung schubsen wollen, dann könnten sie durchaus einen Pfad zwischen seinem Bewusstsein und seinem Unterbewusstsein herstellen. Viel Zeit für mentales Training haben wir nicht, also würde ich die Benutzung eines Stimulators vorschlagen, um das zu erreichen. Die Elektroden an die richtige Stelle gesetzt, ein Energiestoß und … Natürlich muss ich mit Ishan darüber reden. Aber …“ „Aber das können wir ja gleich mal tun!“, sagte Joran fest und ging zur nahen Sprechanlage. Er war sehr stolz auf seine Freundin! Stolz auf den Umstand, dass sie mal wieder ein Problem gelöst zu haben schien, für das kein anderer eine Lösung hatte.

Ishan selbst beantwortete den Ruf von der Krankenstation aus. Als Androide musste er ja nicht mehr schlafen und hatte somit die Nachtschicht selbst übernommen. Am Rufzeichen im Display hatte er längst erkannt, von wem der Ruf gekommen war. „Was gibt es, Joran?“, fragte er gewohnt freundlich. „Weck’ deinen Patienten, Ishan!“, sagte der Vendar im Befehlston. „Jenna McKnight und ich müssen dringend mit ihm sprechen!“ „In Ordnung.“, sagte Ishan ruhig und beendete die Verbindung, obwohl er sich keinen Reim darauf machen konnte, was Jenna und Joran von Jaden wollen konnten. Er wusste aber, dass Joran, wenn er so sprach, sicher keinen Widerspruch duldete und dass Jenna sicher wieder eine Theorie hatte, die am Ende alle verblüffen sollte. Dafür war sie ja bekannt.

Mit siegessicherem und genießerischem Blick ließ auch Joran das Mikrofon wieder in die Halterung sinken. „Ich hatte eigentlich mit mehr Gegenwehr von Ishans Seite gerechnet, Telshanach.“, sagte er zu Jenna. „Ich hatte eigentlich gedacht, er würde eher darauf bestehen, dass Jaden El Taria seine Ruhe benötigt.“ „Du hast mich erwähnt.“, erklärte Jenna. „Mein Name gilt schon als so eine Art Türöffner, was Problemlösungen angeht. Shannon meinte mal, dass die Regierung und die Vorgesetzten in ihrem Unterhaltungsschmöker ähnlich auf den Namen von Samantha Carter reagieren würden.“ „Dass ich schon immer gut war, was die Wahl meiner Waffen anging.“, sagte Joran. „Wusste bereits Sytania zu schätzen.“ „Klar.“, grinste Jenna. „Umsonst hatte sie dich ja nicht zu ihrem obersten Vendar gemacht. Aber sie hat ja wohl gesehen, was sie davon hatte.“ „In der Tat.“, sagte Joran, nahm ihre Hand, zog sie, die sich wieder an den Tisch vor der Konsole gesetzt hatte, vorsichtig, aber bestimmt auf die Beine und sagte: „Komm, Telshanach!“ Dann machten sich beide auf den Weg zur Krankenstation. Ob sich Huxley darauf einlassen würde, war eine Frage, die es noch zu klären galt, aber beide waren sicher, dies bald tun zu können. Spätestens dann, wenn sie ihm direkt gegenüber standen. Im Interesse des Wesens, das stand für sie fest, hatte er keine andere Wahl, als es zumindest zu versuchen!

Jaden war nicht sehr erbaut über den Umstand, mitten in der Nacht aus seinen schönsten Träumen gerissen zu werden. „Warum weckst du mich, Ishan?!“, fragte er mit leichter Empörung in der Stimme. „Weil Jenna, die du vielleicht eher als Techniker McKnight kennst und Joran auf dem Weg zu dir sind.“, antwortete der Androide. „Sie haben wohl eine neue Theorie, wie wir dem Wesen in deinem Unterbewusstsein helfen können.“ „Na, auf die bin ich gespannt.“, sagte Jaden und setzte einen ungläubigen Ausdruck auf. „Du hast doch gesagt, es gäbe keine Möglichkeit, oder? Ich mein’, Joran, oder einer seiner Leute, war doch die einzige Option, die ihr hattet und die können wir doch gründlich knicken!“ „Das ja.“, sagte Ishan. „Aber du solltest Jennas Talent, Probleme zu lösen, nicht unterschätzen.“ „Sie kann vielleicht einen kaputten Rechner wieder zum Laufen kriegen.“, sagte Jaden abschätzig. „Aber das hier dürfte auch sie überfordern. Schließlich handelt es sich hier um kein technisches, sondern um ein rein medizinisches Problem. Wenn noch nich’ einmal du, als ehemaliger Aldaner, dafür eine Lösung hast, dann kann sie es doch erst recht nich’. Ich mein’, schließlich habt ihr doch höheres Wissen, oder so was, he? Oder bin ich da total auf dem Holzweg? Und du, du bist jetzt ja eine künstliche Lebensform, für die das Anhäufen von Wissen ja noch viel leichter sein sollte. Du musst es doch einfach nur in deine Datenbank laden.“ „Das mag sein.“, sagte Ishan, dem längst klar war, dass Jadens Verhalten nur eine Aneinanderreihung von Ausreden war, weil er in seinem sehr schwarzweiß geprägten Denken Jennas Theorie einfach keine Chance geben wollte, weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte. Er wusste, dass er hier einen komplett neuen Ansatz brauchte.

„Hör mir bitte mal zu, Jaden.“, sagte Ishan, nachdem er sich auf das Fußende des Bettes seines Patienten gesetzt hatte. „Ich kann verstehen, wenn dir das alles etwas merkwürdig vorkommt. Wir sind es gewohnt, Jenna in allen Lebenslagen zu vertrauen, denn wir wissen, dass sie nicht nur ein technisches, sondern ein Universalgenie ist. Sie hat uns schon aus so vielen misslichen Lagen befreit! Unter anderem verdanke ich ihr meine Existenz, als der, der ich heute bin. Ohne sie hätte sich damals meine geistige Energie mit Narāja vereint, weil Sianachs Sifa mich doch irgendwann abgestoßen hätte und ich somit gestorben wäre. Dann wäre ihr Plan, mich und mein Wissen zu retten und es den Tindaranern zu bringen, sicher fehlgeschlagen! Wie man mir später allerdings berichtete, war es eigentlich Shannons Idee, die es aber selbstverständlich nie zugeben würde. Das ist eben ihre Natur. Jenna hat die Idee, die Shannon einfach so dahingesagt hatte, aber dann umgesetzt. Man könnte also sagen, dieser Körper ist McKnights Werk, aber O’Rileys Schöpfung. Überzeugt dich das?“ „Nich’ so wirklich.“, flapste Jaden. „In deinem Fall mag das ja alles geklappt haben, aber bei mir sehe ich da schwarz.“ „Ich habe nur versucht, dir klar zu machen.“, sagte Ishan. „Dass es durchaus Schnittpunkte zwischen der Technik und der Medizin geben kann. Wenn du es schon nicht für dich glauben und versuchen willst, dann tu es wenigstens für Nyell. Die Arme hat es nicht verdient, bei ihrer Mission zu sterben, nur weil wir zu engstirnig sind!“ Er hob mahnend den Zeigefinger seiner rechten Hand. „Ach ja.“, sagte Jaden. „Die Sache mit dem Beweis und mit dem verdammten Krieg, den es auf keinen Fall geben darf.“

Er setzte sich schwerfällig auf. Der schwache Zustand, in dem Nyell war, musste ihn auch bereits sehr mitgenommen haben. Dann sagte er: „Aber ich will vorher noch mit Sedrin darüber reden. Besteht die Möglichkeit, sie zu wecken und herzuholen?“ „Diese Möglichkeit besteht durchaus.“, sagte Ishan höflich und gab IDUSA über seine Datenverbindung per Haftmodul die nötigen Befehle. „Deine Frau dürfte bald hier eintreffen.“, beruhigte er den etwas ängstlich dreinschauenden Terraner, der sich die größte Mühe gab, sich seine Angst aber nicht anmerken zu lassen.

Auf ähnliche Weise wie damals Shimar hatte IDUSA nun auch Sedrin geweckt. Die Agentin hatte allerdings ohnehin noch nicht geschlafen. Irgendein unbestimmtes Gefühl hatte sie dazu getrieben, bei reduzierter Beleuchtung noch etwas zu lesen. Dabei hatte sie aber das Display der Sprechanlage nie ganz aus den Augen gelassen. Sie hatte es zwar nicht konzentriert fixiert, aber aus dem Augenwinkel hatte sie es schon beobachtet. Deshalb wusste sie jetzt auch, was die Stunde geschlagen hatte, ohne dass IDUSA erst alle Register ziehen musste.

Sedrin drehte sich dem nächsten Computermikrofon zu. „Was ist los, IDUSA?“, fragte sie freundlich hinein. „Agent, Ihr Ehemann benötigt Sie auf der Krankenstation.“, erwiderte der Rechner. „Er möchte sofort mit Ihnen sprechen. Ich denke, es wird besser sein, ich beame Sie direkt dort hin.“ „Na, wenn es so dringend ist.“, sagte Sedrin und zog ihre Uniform glatt. „Dann aktivieren!“

Nachdem IDUSA den Befehl der Demetanerin ausgeführt hatte, fand diese sich bald genau neben dem Krankenbett ihres Mannes wieder. „Was gibt es so Dringendes, Jineron, dass du mich mitten in der Nacht sprechen musst?“, fragte sie. „Du wirst es nich’ für möglich halten, Jinya.“, sagte Jaden. „Aber dieser Androide behauptet doch tatsächlich, dass Techniker Jenna McKnight Nyells und mein Problem lösen könnte. Das klingt für mich aber sehr abenteuerlich! Ich weiß nich’, ob Captain Archer in so einem Fall T’Pols Rat gesucht hätte, aber …“

Sedrin wandte sich Ishan zu. „Was hat dir McKnight über ihre Theorie verraten?“, fragte sie in ruhigem ernsten vernehmerischen Ton. „Gar nichts.“, gab der Arzt zu. „Weil ich gar nicht mit ihr, sondern nur mit Joran gesprochen habe, der lediglich etwas angedeutet hat.“ „Aha.“, sagte Sedrin und drehte sich wieder ihrem Mann zu: „Du hörst also, wir werden wohl abwarten müssen.“

Die Tür der Krankenstation öffnete sich erneut und Jenna und Joran betraten den Ort des Geschehens. „Da seid ihr ja.“, sagte Ishan. „In der Tat, hier sind wir!“, sagte Joran stolz und schob Jenna vor sich her in Ishans Richtung.

Erst jetzt fiel sein Blick auch auf Sedrin. „Ich grüße dich, Sedrin El Demeta.“, sagte er verwundert. „Was tust du hier?“ „Ich.“, sagte Sedrin und lehnte sich gelassen leicht zurück. „Ich bin nur Jadens seelischer Beistand.“ „Wenn er mir vertraut.“, sagte Joran. „Dann wird er diesen aber hoffentlich nicht benötigen.“ „Tja, wenn.“, machte Sedrin eine halblaute Andeutung, deren Ziel es auch in gewisser Weise war, Jaden etwas zu provozieren. In den langen Jahren ihres gemeinsamen Dienstes und auch der gemeinsamen Ehe hatte sie längst gelernt, wie sie ihn zu nehmen hatte, um ihre Ziele zu erreichen.

Jenna und Joran waren zu Jaden an sein Bett getreten. „Was is’ das nun für ’ne Theorie, McKnight?“, fragte Jaden. „Meine Telshanach ist sicher, Jaden El Taria!“, begann der Vendar mit stolzer Stimme eine Ausführung, nachdem er einige Blicke mit Jenna gewechselt hatte. „Dass ich in der Lage sein werde, dir das Fütterungsritual beizubringen! Damit könntest du Nyell selbst retten!“

Jaden begann laut und verächtlich zu lachen. „Das Fütterungsritual!“, platzte es aus ihm heraus. „Sehen Sie mich an, Techniker McKnight. Habe ich irgendwelche Ähnlichkeit mit ’nem Vendar? Und irgendwelche Wunderdinge kann man von mir auch nich’ erwarten. Ich war schon immer mies im Meditieren und in all solchen Sachen wie die meisten meines Schlages. Es mag Terraner geben, die so was können, aber so einer bin ich nich’. Meine Biologie entspricht ganz den primitiven menschlichen Vorschriften!“

Sedrin ging zur anderen Seite des Raums und stellte sich dort an die Wand. Dann sagte sie: „Ah so. Du willst es also nach Vorschrift. Fein! Also dann! Techniker McKnight, Achtung! Die Augen zu mir!“

Jenna richtete sich befehlsgemäß auf und schaute in Sedrins Richtung. Dabei fiel es der hoch intelligenten Halbschottin extrem schwer, ernst zu bleiben, denn sie hatte Sedrins Plan, sich über Jadens ihrer Meinung nach mal wieder völlig unnötige Selbstunterschätzung lustig zu machen, längst verstanden. Aber sie wusste auch, dass es jetzt um so wichtiger für sie war, um so ernsthafter mitzuspielen. „Erläutern Sie Ihre Theorie bezüglich meines Mannes und des Fütterungsrituals!“, befahl Sedrin weiter. „Zu Befehl, Agent, Ma’am!“, erwiderte Jenna schmissig und salutierte. Dann führte sie im gleichen Ton aus: „Ich gehe davon aus, dass wir den nötigen Pfad mit einem Stimulator schreiben können, der zwischen dem Unterbewusstsein Ihres Mannes und seinem Bewusstsein geschaffen werden muss, Agent! Der Rest ist eine reine Frage der Vorstellungskraft!“ „Ich habe verstanden, Techniker!“, sagte Sedrin. „Rühren! Und stehen Sie bequem!“ Jenna stellte sich wieder lässig hin. Dann grinste sie.

Mit einer Mischung aus Hilflosigkeit und Verzweiflung sah Jaden seine Frau an. „Ich hasse es, wenn du dich über mich lustig machst, Jinya.“, sagte er. „Und ich hasse es, wenn du alles von vorn herein abblockst, nur weil du es nicht verstehst.“, sagte Sedrin. „Wo ist denn dein Forschergeist?“ „Um ehrlich zu sein.“, sagte Jaden. „Den hatte ich nie. Ich bin nur zur Sternenflotte gegangen wegen der Familientradition. Ich mag eigentlich das Unbekannte nich’ wirklich, weil ich nich’ der Hellste bin und mich gern orientiere. Ich mag es nich’, wenn schwarz plötzlich nich’ mehr schwarz und weiß plötzlich nich’ mehr weiß is’.“ „Aber dafür gibt es doch eine Lösung.“, sagte Sedrin tröstend. „Sie, oder besser er, heißt Joran und ist der beste Lehrer, den du in diesem Fall bekommen kannst. Außerdem ist da Ishan, der bei jeder medizinischen Komplikation sofort eingreifen kann. Wenn du willst, dann kann ich auch bleiben.“

Jaden überlegte eine Weile. Ihm leuchtete durchaus ein, wie Recht sie hatte. Schließlich sagte er: „Also gut. Aber du und McKnight, ihr könnt ruhig gehen. Vor ihr habe ich sonst zu viel Lampenfieber, weil es ja ihre Theorie is’ und du kannst ja eh nichts tun. Wir werden das Kind schon schaukeln, Joran, Ishan und ich. Danke, Jinya Demetana.“ „Also gut.“, sagte Sedrin zu Jaden und drehte sich dann Jenna zu: „Folgen Sie mir, McKnight!“ Die terranische Ingenieurin nickte und verließ gemeinsam mit der demetanischen Agentin die Krankenstation.

Joran wandte sich Jaden zu. „Und nun zu uns beiden, Jaden El Taria.“, sagte der Vendar ruhig. „Einen Moment.“, ging Ishan dazwischen. „Jetzt bin erst mal ich dran. Du kannst ihn sofort haben, sobald ich mit ihm fertig bin.“

Er drehte sich zu einer Konsole, auf der ein Neurokoppler lag. Diesen nahm er auf und setzte ihn Jaden auf den Kopf. „Das hier ist ein medizinischer Koppler.“, sagte er. „Wo so etwas normalerweise nur zwei Pole hat, verfügt dieser über mehrere, die sich über das gesamte Gerät verteilen. Er kann somit auch an einem Stimulator benutzt werden. Der Plan ist nun also, eine Verbindung zwischen deinem Bewusstsein und deinem Unterbewusstsein herzustellen. Dazu müssen wir deine Neuronen, die Energie geladenen Teilchen in deinem Gehirn, dazu bringen, zwischen ihnen hin und her zu pendeln. Sicherlich könnte man das auch durch viel mentales Training erreichen, aber die Zeit haben wir nicht. Nyell ist zu schwach. Sie würde die Zeit, die bis dahin verginge, nicht überstehen. Außerdem musst du ja auch noch das Fütterungsritual erlernen und zwei Dinge auf einmal würden dich sicher überfordern. Abgesehen davon ist das eine nicht ohne das andere möglich.“ „Endlich verstehen wir uns.“, sagte Jaden. „Und was passiert jetzt?“ „Jetzt werde ich das Gerät aktivieren!“, sagte Ishan. „IDUSA und ich haben es bereits programmiert.“

Er nahm eine Fernsteuerung aus der Tasche und drückte auf ihr einen Knopf. Augenblicklich erschien vor Jadens geistigem Auge das Gesicht und die Statur der Frau, die er auf Vulkan in Gestalt der Statue von Nyell gesehen hatte. Erschrocken fuhr der Terraner zusammen. „Was ist los?“, fragte Ishan. „Was hast du gesehen?“ „Ich hab’ Nyell gesehen!“, stammelte Jaden blass. „Ich konnte mich nich’ wehren. Es ging alles so schnell!“ Er rang nach Luft.

Ishan winkte Joran und der Vendar trat vor, während er selbst sich in den Hintergrund begab. „Jetzt beruhigst du dich erst einmal, Jaden El Taria!“, sagte Joran zwar bestimmt, aber gleichzeitig auch beruhigend. „Es ist bis jetzt alles so, wie es sein soll. Das nächste Mal, wenn du Nyell siehst, hältst du dieses Bild einfach in deinem Geist fest und stellst dir vor, dass ihr zwei euch in einem Raum an einem reich gedeckten Tisch gegenüber sitzt. In der Mitte zwischen euch steht eine große Schüssel, die angefüllt ist mit der köstlichsten Speise, die du kennst. Deine Augen sind der Spender dieser Speise. Du hältst einen Löffel in der Hand, mit dem du Nyell fütterst. Was immer auch mit dir während des Rituals passiert, lass es zu!“ „Na, ich bin gespannt, ob bei mir überhaupt etwas passiert!“, sagte Jaden skeptisch. „Es wird passieren!“, sagte Joran zuversichtlich. „Es wird ganz sicher etwas passieren! Noch etwas: Versuch bitte, dich dabei nicht zu verkrampfen. Du musst es schon wollen, aber nicht zu sehr, verstehst du? Denk liebevoll an Nyell dabei, als wäre sie dein armes krankes Kind. Und sei nicht enttäuscht, wenn es beim ersten Mal nicht funktioniert. Manche Novizen benötigen Monate, bis sie es das erste Mal schaffen, den Zustand der Fütterung zu erreichen. Deshalb verlieren sie oft ihre ersten Energiefelder.“ „Na, das sind ja schöne Aussichten.“, sagte Jaden. „Wir haben nicht viel Zeit und du kommst mir mit so was.“

„Nun.“, sagte Ishan aus dem Hintergrund. „Ich werde mit Sicherheit Mittel und Wege finden, das zu verhindern! Aber ob meine Hilfe überhaupt nötig sein wird, wissen wir erst, wenn du es versucht hast, Jaden. IDUSA und ich überwachen dich natürlich dabei und Joran tut auch sicher sein Bestes. Du bist also so sicher wie im Leib deiner Mutter, Jaden.“ „Na gut.“, sagte Huxley flapsig. „Ich will euch mal glauben, was mich angeht. Aber hoffentlich gilt das Gleiche auch für Nyell.“ „Das tut es!“, sagte Joran zuversichtlich. „Und nun lasst uns beginnen. Je mehr Zeit wir vertun, desto schlechter geht es ihr.“

Er warf einen auffordernden Blick zu dem Androiden hinüber. „Oh nein!“, sagte Jaden etwas ängstlich. „Nicht noch mal!“ „Oh doch!“, erwiderten Joran und Ishan entschlossen wie aus einem Mund und der Androide aktivierte den Stimulator.

Wieder sah Jaden das Gesicht Nyells vor sich. Dieses Mal hielt er sich aber genau an das, was ihm Joran gesagt hatte. Er stellte sich den Raum mit dem festlich gedeckten Tisch vor. In der Schüssel auf dem Tisch befand sich Schokoladenpudding, den er vorsichtig mit einem Löffel aufnahm, um ihn Nyell zu geben. Von Zeit zu Zeit sah er in die Schüssel und stellte sich vor, wie der Vorrat an Pudding wieder größer wurde. Dabei hatte Jaden bemerkt, dass seine Wahrnehmung des Raums auf der Krankenstation immer mehr verschwamm und den Platz zu Gunsten derer dieses emmaginären Raums freigab. Irgendwann war er völlig in seine Gedankenwelt abgetaucht. Er hatte Joran zwar erst noch fragen wollen, ob das alles so seine Richtigkeit hatte, aber dann hatte er sich an die Worte des Vendar erinnert: „Was immer auch während des Rituals passiert, lass es zu!“

Irgendwann kam Jaden wieder zu sich. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Er hatte ein Gefühl, als hätte er eine sportliche Höchstleistung vollbracht, fühlte sich aber gleichzeitig sehr wohl, wie nach einem guten Essen. „Wie fühlst du dich, Jaden El Taria?“, fragte Joran stolz, der seinen neuen Novizen mit einem Erfasser überwacht hatte. „Gut.“, antwortete Jaden knapp, aber zufrieden. „Irgendwie bin ich erschöpft, wie nach einem Marathon, aber ich fühle mich auch satt und zufrieden, wie nach einem guten Essen. Kannst du mir vielleicht mal erklären, wie das zusammenpasst, Joran?“ „Das kann ich in der Tat, Jaden El Taria!“, sagte Joran lächelnd und legte Jaden väterlich die Hand auf die Schulter. „Das ist genau das, was ein Vendar nach erfolgreichem Fütterungsritual fühlen soll. Das zufriedene und satte Gefühl ist das, was dir Nyell übermittelt hat und das dafür gesorgt hat, dass du wieder aus dem Zustand der Fütterung zu uns zurückgekehrt bist.“ „Du erzählst mir also allen Ernstes, ich hätte das hingekriegt?“, fragte Jaden ungläubig. „In der Tat.“, sagte Joran. „Oh ja!“, bestätigte Ishan. „Meine und IDUSAs Daten sagen auch nichts anderes. Aber ich hatte auch nichts anderes erwartet. Schließlich war es Techniker McKnights Theorie!“ „Auch sie kann sich mal irren.“, sagte Jaden. „Sie ist schließlich auch nur ’n Mensch.“ „Aber der Zeitpunkt, an dem sie sich irren wird.“, sagte Joran. „War offensichtlich nicht heute, Jaden El Taria. Ich bin neugierig, wer dir was angetan hat, dass du deine eigene Rasse immer so runter machen musst!“ „Das weiß ich auch nich’, Joran.“, sagte Jaden. „Aber ich komme mir immer unter den ganzen Außerirdischen, die so viel höher entwickelt scheinen, so klein und mickerig vor.“ „Die haben sicher auch ihre Fehler, Jaden El Taria.“, sagte Joran. „Glaube mir. Wir Vendar sind sehr gut darin, die Schwachpunkte unserer Feinde herauszufinden und als ich noch Sytania gedient hatte, war das unter anderem meine Aufgabe und die meiner Leute. Die anderen Mitglieder der Föderation sind auch nicht ohne Fehl und Tadel.“ „Das glaube ich gern, dass ihr darin gut seid.“, sagte Jaden. „Schließlich wart ihr nicht umsonst Jahrtausende lang die Elitekrieger der Mächtigen und seid es ja heute teilweise auch noch. Und das hängt sicher nich’ nur mit euren Fähigkeiten als Telepathenjäger zusammen.“ „In der Tat.“, sagte Joran. „Aber das sollte dir auch zeigen, dass die Dinge oft nicht so sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen.“ „Kann sein.“, sagte Jaden. „Aber wenn das hier bei mir tatsächlich klappt, dann habe ich wohl ’ne Menge Schwein gehabt. Oder wie nennst du das, he, mein behaarter Freund?“ „Ich würde sagen, dass du talentiert bist, Jaden El Taria.“, sagte Joran. „Mehr fällt mir dazu nicht ein. Wie gesagt: Du hast heute Nacht schon viel mehr erreicht, als die meisten Novizen.“ „Das habe ich aber bestimmt auch dem kleinen Wunderhaarreif hier zu verdanken, den mir unser Onkel Doktor hier verehrt hat.“, sagte Jaden. „Ohne den geht es sicher nich’.“ „Diesen Wunderhaarreif, wie du ihn nennst.“, sagte Ishan. „Wirst du tatsächlich immer dann tragen und benutzen müssen, wenn du das Fütterungsritual ausführen willst. Ich würde dir empfehlen, dass du dich dafür mit Joran und mir hier auf der Krankenstation verabredest. Dann kann ich auf dich aufpassen und er kann dir bestimmt noch einige nützliche Tipps geben.“ „OK.“, sagte Jaden. „Aber kann ich das Ding jetzt abnehmen? Ich kriege das bestimmt kein zweites Mal hin heute und möchte eigentlich gern mal wieder ’ne Runde schlafen.“ „Sicher.“, sagte Ishan und nahm ihm selbst den Neurokoppler ab. „Morgen werde ich dir zeigen, wie man mit der Fernsteuerung umgeht.“, sagte er. „Das wirst du nämlich in Zukunft selbst machen. Ich werde Nyell und dich jetzt noch einmal untersuchen.“

Er nahm eine etwas entfernte Position zu Jadens Bett ein, so, dass er ihn im Ganzen gut scannen konnte und begann damit, seinen geschulten Blick über ihn wandern zu lassen. Dann sagte er: „Nun, Nyells Muster ist schon viel stabiler! Ich würde ihr glatt bescheinigen, dass sie außer Lebensgefahr ist. Wenn du regelmäßig so weiter machst, wird sie deinen Körper bald verlassen können.“ „Das sind ja sehr gute Nachrichten, Ishan.“, sagte Jaden, drehte sich um und schlief auf der Stelle ein.

Ishan wandte sich Joran zu. „Es wird besser sein, wenn du jetzt auch gehst.“, flüsterte er ihm zu. „Das werde ich.“, sagte Joran. „Sag Jaden El Taria bitte nur noch von mir, dass er ab heute den Status eines Vendar-Novizen hat!“ „Das wird ihn sehr freuen.“, sagte Ishan. „Das denke ich auch!“, sagte Joran stolz und verließ mit stolzem Gesichtsausdruck die Krankenstation.

An Schlaf war für Jenna nicht zu denken gewesen. Viel zu stark hatte sie die Frage beschäftigt, ob ihre Theorie wohl richtig gewesen war. Sie hatte IDUSA sogar befohlen, anhand der ihr bekannten Daten eine Simulation zu erstellen, aber deren Ergebnis war immer anders ausgefallen, je öfter Jenna den Versuch wiederholen lassen hatte. Sie war letztendlich zu dem Schluss gekommen, wohl irgendeinen wichtigen Faktor vergessen zu haben.

Joran betrat ihr gemeinsames Quartier. Er sah sehr wohl, dass im Wohnzimmer immer noch das Licht eingeschaltet war. „Telshanach!“, sagte er mahnend. „Du schläfst ja immer noch nicht! Wenn du nicht bald ins Bett gehst, wird Anführerin Zirell dich wegen Müdigkeit am Arbeitsplatz ermahnen müssen.“ „Das wird schon nicht passieren, Joran!“, versicherte Jenna. „Ich bin nicht sehr müde. Dafür ist das kleine Rätsel hier viel zu spannend, das ich zu lösen versuche.“

Sie holte einen zweiten Neurokoppler aus einem Fach unter der Konsole und gab ihn Joran, der ihn sich bereitwillig aufsetzte. Dann befahl sie in Richtung des Stationsrechners: „IDUSA, verknüpfe Jorans Reaktionstabelle mit dem laufenden Programm!“

Der Rechner hatte bereitwillig ausgeführt, was von ihr verlangt worden war. Jetzt sah auch Joran die Simulationen. „Deine Experimente, Telshanach.“, sagte er. „Sind total unnötig. Wir haben es nämlich schon hinter uns gebracht.“

Jenna machte ein erleichtertes Gesicht und ließ gut hörbar die Luft aus ihren Lungen entweichen. „Und ich dachte schon, ich müsste etwas dazu beitragen, um Huxley zu überzeugen. Das wäre aber extrem schwierig geworden, weil es mal funktioniert hätte und mal nicht. Er hätte das Experiment in der Luft zerreißen können, weil die Simulationen nicht immer gleich ausgegangen sind. Ich glaube, dass ich etwas vergessen habe, weiß aber nicht genau was.“

Joran ließ das , was er gesehen hatte, noch einmal Revue passieren. Dann sagte er: „Du hast nur seine Motivation jedes Mal verändert, Telshanach. Mal war er überzeugt davon, dass es funktionieren kann und mal nicht. Du programmiertest doch die Simulationen selbst. Warum ist dir das nicht aufgefallen?“ „Weil ich IDUSA diesen Faktor zufällig einfließen lassen habe.“, sagte Jenna. „Ich wollte nicht, dass er mir später vorwerfen kann, dass ja alles quasi funktionieren kann, wenn man es sich nur fest genug einbildet und dann … Ach, ich sollte vielleicht tatsächlich mal für heute Schluss machen. Aber eines würde mich schon interessieren. Wie ging es denn nun wirklich?“ „Wie ein Löffel durch ein gut zubereitetes Tchalback, Telshanach!“, sagte der Vendar laut und mit viel Stolz in der Stimme. „Geschmeidig und locker! Ishan und ich hatten zwar erst ein ziemliches Stück Arbeit vor uns, ihn davon zu überzeugen, aber dann hat er sich selbst übertroffen und auch die meisten anderen Novizen.“ „Die anderen Novizen?“, fragte Jenna irritiert. „Sag mir bitte nicht, dass du ihn in den Status eines Vendar erhoben hast.“ „Na ja.“, sagte Joran. „Wenigstens in den eines Vendar-Novizen. Schließlich trägt er ja auch ein Energiefeld und führt das Fütterungsritual aus.“ „Na, OK.“, sagte Jenna und musste grinsen. „Solange er nicht plötzlich damit anfängt, Telepathen zu jagen, ihm nicht plötzlich ein Fell wächst und er nicht noch mindestens 40 cm an Körpergröße zulegt, mache ich mir da sowieso keine Sorgen. Kleiner Scherz.“ „Oh, Telshanach!“, lachte Joran so laut, dass Jenna befürchtete, die gesamte Station könnte einstürzen, wenn sie nicht so solide gebaut wäre. „Du fängst langsam an, im Spezialgebiet deiner Assistentin zu wildern. Sprüche und Witze sind doch eigentlich ihr Job. Genau so, wie es eigentlich der Deine ist, auf schier unmögliche Lösungen zu kommen. Ich denke, jetzt seid ihr beide quitt.“ „Das denke ich auch.“, sagte Jenna. „Aber ich werde wohl auch noch etwas Überzeugungsarbeit vor mir haben, wenn ich Shannon erkläre, zu was ihr Scherz geführt hat. Sie wird das sicher wieder klein reden wollen. Aber darüber werden wir morgen weiter reden. Lass uns jetzt endlich schlafen gehen.“ „Wie du wünschst.“, sagte Joran und schlug die Richtung zum gemeinsamen Schlafzimmer ein. Jenna folgte ihm, nachdem sie alle Programme auf der Konsole beendet und diese heruntergefahren hatte.

Kapitel 20: Die letzte Schlacht

von Visitor

 

Ruhelos hatte sich Telzan die Geschicke auf der Basis 281 Alpha durch den Kontaktkelch angesehen. Es störte ihn gewaltig, was hier im Gange war. Von vorn herein hatte er sich Sorgen gemacht, was den Plan anging, den Sytania verfolgte, denn sie hatte seiner Meinung nach Huxley gewaltig unterschätzt! Jenen Huxley, der zwar eigentlich tatsächlich ein etwas tollpatschiges Wesen war, der aber, wenn ihm die richtigen Leute in der richtigen Art und Weise und zum richtigen Zeitpunkt halfen, durchaus etwas zustande bringen konnte. Dies war aber ein Gedanke, der nun so gar nicht in das Weltbild der imperianischen Königstochter passen wollte. Das wusste der Vendar. Er wusste, dass es sehr viel Überzeugungsarbeit bedürfen würde, ihr beizubringen, in was für eine Lage sie jetzt geraten waren. Aber eigentlich musste sie ja nur ihre seherischen Fähigkeiten einsetzen. Dann würde sie ja automatisch sehen, was die Zukunft ihnen brächte, würden sie jetzt nicht eingreifen, um das Blatt noch zu wenden.

Er nahm den Kontaktkelch auf und ging damit in Richtung des Schlosses seiner Herrin. Hier würde er hoffentlich Gehör finden.

Die Erste, die ihm allerdings auf dem Weg zu Sytanias Gemächern begegnete, war Cirnach, seine eigene Ehefrau. Sie war bei Sytania gewesen, um mit ihr die weiteren Pläne zu bereden. Sie ahnte ja noch nicht, welche brisanten Informationen ihr Mann zutage gefördert hatte.

Sie sah den blassen Telzan verwirrt an, mit dem sie fast zusammengestoßen war. „Was ist los, mein armer geliebter Ehemann?“, fragte sie, die durchaus gesehen hatte, wie schlecht es ihm ging. „Huxley!“, stammelte Telzan nur. „Dieser verdammte Sohn einer räudigen Füchsin und …!“ „Was ist mit ihm?“, drängte Cirnach auf eine rasche Erklärung seinerseits. Sie konnte und wollte nicht mit ansehen, dass er so litt, deshalb hoffte sie wohl, dass er, wenn er es herausließ, bald wieder von seinem Leiden geheilt worden war. „Es ist den Tindaranern und meinem persönlichen Widersacher Joran Ed Namach tatsächlich gelungen, ihm das Fütterungsritual beizubringen. Ich weiß nicht wie, aber sie haben es offensichtlich geschafft. Das bedeutet für uns aber nur Schlechtes, denn das Wesen wird gesunden und dann wird es vor der Regierung der Tindaraner beweisen, dass es ein Nidari-Traveler ist. Wenn das gelingt, wird sich die Zusammenkunft bei Sytania entschuldigen, dass man sie zu Unrecht beschuldigt hat, die Tindaraner verladen zu wollen. Damit fällt für Sytania jede rechtliche Grundlage für einen Angriff auf Tindara weg. Wenn sie trotzdem angreift, wird sie, wie immer, die Aggressorin sein und ihr Vater und alle anderen werden sich auf die Seite der Tindaraner schlagen. Das ist etwas, dass wir um jeden Preis verhindern müssen!“

Er sank auf die Knie und ihm fiel fast der Kontaktkelch aus der Hand, was Cirnach nur durch eine hastige Bewegung verhindern konnte. Dann sagte sie: „Lass es mich mal sehen, mein aufgeregter armer Liebling.“ Dann begann sie, sich auf den Vorwärtslauf der Sonne zu konzentrieren, was für den Kontaktkelch auch der Befehl war, ihr die Zukunft zu zeigen. Was Telzan gesehen hatte, konnte sie nur bestätigen. „Du hast Recht, Telzan!“, sagte sie. „Wenn das unsere Herrin nicht in Alarmbereitschaft versetzt, dann weiß ich nicht, was wir noch tun sollen. Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass sie tatenlos zusieht! Komm!“

Sie führte ihn mit sich fort an den Wachen vorbei in Sytanias Thronsaal, wo die Königstochter erstaunt bei ihrem Anblick aufsah. „Was führt euch zwei denn schon wieder her?!“, fragte sie erstaunt. „Und warum in drei Teufelsnahmen seid ihr so aufgeregt?“ „Es geht um die Zukunft, Herrin!“, sagte Telzan und stellte den Kontaktkelch vor ihr am Boden ab. „Der Kelch hat uns wahrhaft schreckliche Aussichten gezeigt, Milady, wenn wir nichts tun, um das zu verändern.“ „Nun.“, sagte Sytania genervt und lehnte sich gelangweilt zurück. „Was sollen das denn schon für schlimme Aussichten sein? Erkläre es mir, Telzan!“

Der Vendar öffnete den Mund, aber die Worte wollten ihn einfach nicht verlassen, so sehr er es auch versuchte. Zu schrecklich und damit zu unaussprechlich erschien ihm das, was er Sytania sagen musste. Hilflos sah er zu Cirnach hinüber, die schließlich vortrat und sagte: „Er ängstigt sich sehr wegen Jaden H. Huxley, Milady.“

Sytania stand von ihrem Thron auf, schlug sich auf die Schenkel und begann gleichzeitig, ohrenbetäubend und hexenartig schrill zu lachen. Dabei prustete sie immer wieder: „Huxley?!, Huxley? Nein, Telzan! Du sorgst dich tatsächlich um Huxley! Du machst dir tatsächlich Sorgen darüber, dass er unseren Plänen gefährlich werden könnte?! Du machst dir tatsächlich Sorgen wegen dieses unbeholfenen Cowboys?! Ich will dir mal was sagen! Er ist dafür bekannt, nichts auf die Reihe zu kriegen und das wird sich auch nicht ändern! Was du gesehen hast, hast du sicher nur falsch interpretiert! Lass mich mal!“

Sie begann damit, sich auf die Benutzung ihrer seherischen Fähigkeiten zu konzentrieren. Nach einer Weile sagte sie: „Ich habe mir dass alles angesehen und festgestellt, dass du dir keine Sorgen zu machen brauchst, mein lieber Telzan. Es ist alles in Ordnung. Dass das Fütterungsritual einmal geklappt hat, war sicher nur ein Zufallsprodukt. Ich bin sicher, ein zweites Mal kriegt er das nicht hin, weil er eben Jaden H. Huxley ist, der vom Pech verfolgt ist. Das behauptet er ja immer gern selbst von sich und steht sich damit selbst im Weg. Das wird sich niemals ändern, Telzan! Niemals wird sich das ändern! Er hat das Selbstvertrauen einer Fliege und ohne sein demetanisches Weib ist er nichts! Wäre es Sedrin, in deren Gehirn sich der Traveler befindet, hätte ich schon mehr Angst! Aber so?!“ Sie spuckte verächtlich auf den Boden und lachte erneut laut auf. „Mit Verlaub, Herrin.“, versuchte Telzan, sie zum Umschwenken zu bewegen. „Ihr irrt Euch sicher. Ihr interpretiert die Bilder …“

Cirnach sah ihren Mann flehend an und legte den Finger an den Mund. Dann flüsterte sie ihm auf Vendarisch zu: „Halt an dich! Ein falsches Wort kann dich den Kopf kosten!“, und zog ihn mit sich fort, ohne Sytania eines weiteren Blickes zu würdigen.

Auf dem Korridor vor dem Thronsaal ließ sie ihn wieder los, was Telzan gleich nutzte, um sich in ihre Richtung zu drehen und zu fragen: „Was hatte das zu bedeuten, Cirnach?!“ „Das will ich dir gern verraten, mein Ehemann.“, sagte sie. „Mir ist auch bekannt, dass Sytania sicher nur das sieht, was sie sehen will. Ich weiß auch, dass sie einen großen Fehler machen wird! Aber vielleicht ist es ja mal wieder an uns Vendar, diesen auszubügeln! Du und einige ausgewählte Krieger sollten die Tindaraner angreifen. So könnt ihr ihre technologischen Kräfte binden, denn sie halten sehr viel von einem fairen Kampf. Ihre geistigen Kräfte würden sie nur einsetzen, wenn sich auch Sytania an dem Kampf beteiligen würde. Aber das können wir wohl vergessen! Allerdings kann man auch mit Technologie die Besatzung von 281 Alpha töten und Commander Jaden H. Huxley und das Wesen gleich mit. Seine Demetanerin und Allrounder Betsy Scott sollen auch dort sein. Die wären wir dann auch gleich los. Aber ihr solltet einige Ablenkungsmanöver starten, damit euer Ziel nicht so offensichtlich ist. Greift am besten auch andere Basen an.“

Telzan dachte nach. Ihm war durchaus bewusst, dass sie Recht hatte. Aber er war zu treu gegenüber Sytania, um einfach so gegen sie zu meutern. „Siehst du denn nicht, dass unsere Situation kein anderes Handeln zulässt?!“, setzte ihm Cirnach zu. „Während sich unsere Herrin in ihrer Selbstgefälligkeit sonnt, geht uns eine gute Gelegenheit durch die Lappen, bei der wir die Tindaraner gut für ihre Frechheit, sie einfach so zu beschuldigen, zahlen lassen könnten. Du sagst immer, auf unsere Herrin darf nichts Schlechtes kommen. Wenn du sie jetzt nicht dafür rächen willst, was ihr durch diese haltlose Beschuldigung angetan wurde, bist du in meinen und sicher auch in ihren Augen dein Amt nicht wert! Sytania wird dir diese kleine Meuterei sicher verzeihen, wenn sie erst mal sieht, was ihr das Ergebnis gebracht hat! Bitte vertrau mir, Telzan und spring endlich über deinen Schatten!“

Sie hatte ihn überzeugt. Mit ihrem letzten Argument hatte sie ihn schlussendlich tatsächlich doch überzeugt. „Also gut.“, sagte Telzan. „Aber wir müssen es klug anfangen, damit sie nicht sofort etwas von meiner Meuterei mitbekommt. Du, die Novizen und Sytanias persönliche Leibwache, ihr werdet hier bleiben. Der Rest fliegt mit mir. Wenn wir an mehreren Ecken gleichzeitig losschlagen und die Tindaraner dadurch verwirren wollen, muss ich schon eine beachtliche Zahl an Kriegern mitnehmen.“ „Sehr gut, Telzan!“, freute sich Cirnach. „Genau so machen wir es!“ „Dann sind wir uns ja einig, meine kleine süße kluge Telshanach.“, sagte Telzan, drehte sich mit unschuldigem Blick weg und ging seiner Wege. Auch Cirnach tat, als würde sie normal ihren Alltagsgeschäften nachgehen wollen. Beide wollten sich, auch den imperianischen Dienern gegenüber, schließlich nichts anmerken lassen.

Zirell war von Ishan über die positiven Geschehnisse auf der Krankenstation informiert worden. Die tindaranische Kommandantin ahnte allerdings noch nicht, dass ihre Freude nur von kurzer Dauer sein würde. „Ich hätte nicht gedacht, dass das Fütterungsritual auch bei Nicht-Vendar funktionieren würde.“, entgegnete sie ihrem medizinischen Offizier an der Sprechanlage. „Wie du siehst.“, sagte Ishan. „Funktioniert es tatsächlich. Allerdings dürfen wir nicht leugnen, dass ich ein wenig mit medizinischen Geräten nachgeholfen habe.“ „Das hatte ich nicht vor, Ishan.“, sagte die Tindaranerin.

Plötzlich zeigte sich IDUSA allen Anwesenden über die Neurokoppler. „Ladies und Gentlemen, ich benötige Ihre Aufmerksamkeit!“, sagte sie. Dann sahen alle die Bilder der vendarischen Schiffe, die sich auf 281 Alpha zu bewegten. „Gerade jetzt muss Sytania uns angreifen.“, stöhnte Maron. „Das fehlte noch.“ „Ich denke nicht, dass die Vendar auf Sytanias Befehl handeln, Maron.“, sagte Zirell. „Das würde ich nämlich zweifelsfrei spüren!“

Maron sah Joran, der sich von der SITCH- an die Waffenkonsole gesetzt hatte, fragend an. „Kann es sein, dass deine ehemaligen Kameraden auch ohne den Befehl ihrer Herrin losschlagen würden?“, fragte er. „In der Tat, Maron El Demeta!“, sagte der Vendar mit Überzeugung. „Telzan wird die Gelegenheit als günstig erkannt haben, da es sonst wahrscheinlich zu spät sein könnte. Ich denke, sie werden ein Ablenkungsmanöver starten, damit wir ihr wahres Ziel nicht erkennen. IDUSA kann bestätigen, dass nicht alle in Richtung unserer Basis fliegen. Sie sagt, die Truppe hat sich geteilt und fliegt scheinbar planlos Basen an. Ein kleiner Kreis jedoch ist bei Telzan verblieben. Sie sind weiterhin auf Kurs zu uns.“ „Was können sie wollen?“, fragte Maron. „Na, das ist doch wohl mehr als offensichtlich.“, sagte Zirell. „Sie wollen Jaden und Nyell töten. Joran, fahr die Schilde hoch. Du kennst die Strategien deiner ehemaligen Kameraden am besten! Ich gebe dir freie Hand, was unsere Verteidigung angeht. Koordiniere dich mit den strategischen Offizieren der anderen Basen!“ „Wie du wünschst, Anführerin Zirell!“, sagte der Vendar schmissig.

Auf der Krankenstation war Jaden einmal mehr mit dem Fütterungsritual beschäftigt. Ishan hatte ihm bescheinigt, dass er jetzt auch ohne die Hilfe von Joran zurechtkam. Wieder schien alles wie am Schnürchen zu verlaufen. Es war sogar dazu gekommen, dass Nyell begonnen hatte, mit ihm zu kommunizieren. Ich muss dir etwas sagen, Jaden., erklärte das Wesen. Du hast mich bereits sehr gut stabilisiert. So gut sogar, dass ich deinen Körper schon heute verlassen kann. Das möchte ich aber im Regierungsgebäude der Tindaraner auf Tindara Prime tun, um allen zu beweisen, dass es uns Nidari-Travelers tatsächlich gibt und wir kein Mythos sind. Außerdem müssen wir schnell handeln! Ich weiß, dass nicht nur wir, sondern auch der Friede in Gefahr ist. Deshalb entlasse ich dich jetzt aus dem Zustand der Fütterung!

Huxley spürte, wie er wieder erwachte. Er wollte sich nicht dagegen wehren, denn er wusste, was auf dem Spiel stand. Sofort rief er nach Ishan, der sehr überrascht war, dass das Ritual schon wieder beendet war. „Was ist los?“, fragte der Arzt. „Funktioniert es nicht?“ „Oh doch!“, antwortete Jaden hektisch. „Es hat sogar sehr gut funktioniert! Nyell hat nur angekündigt, dass sie meinen Körper in Kürze verlassen wird. Das will sie aber auf Tindara Prime tun, um der Zusammenkunft zu beweisen, dass es die Nidari-Travelers wirklich gibt und sie kein Mythos sind. Was geht eigentlich da draußen vor? Ich höre Kriegslärm!“

Die Station wurde von einer Salve Photonentorpedos stark erschüttert. „Offensichtlich werden wir angegriffen.“, erkannte Jaden. „Das ist korrekt.“, sagte Ishan. „Ich werde in der Kommandozentrale anfragen, was los ist und ob man eine Möglichkeit sieht, dich nach Tindara zu bringen.“

Im Maschinenraum hatte Jenna gerade wieder eine der unzähligen Diskussionen mit ihrer Assistentin geführt. Wieder einmal ging es um das alte Thema, dass sich Shannon immer wieder unterschätzte. „Sie können sagen, was Sie wollen, Assistant.“, sagte Jenna. „Es war nun einmal Ihre Idee, die dem Wesen das Leben retten wird. Da beißt die Maus keinen Faden ab!“ „Ach!“, schnaubte die blonde Irin. „Das war doch alles nur ein Zufallstreffer.“

Jenna wollte noch etwas erwidern, aber ein direkter externer Ruf über SITCH verhinderte das, weil das Sprechgerät piepend nach ihr verlangte. Im Display konnte die Ingenieurin gut Lyciras Rufzeichen erkennen. „Was willst du, Lycira?“, fragte Jenna. „Bitte warte meine Systeme, Jenna.“, sagte mein Schiff. „IDUSA und ich haben uns unterhalten und sie hat mir erklärt, was hier los ist. Sie sagt, dass Joran vermutet, dass die Vendar die technologischen Kräfte der Tindaraner binden sollen, das heißt, dass sie die Stationen angreifen, um die anderen zu verwirren, damit keiner merkt, dass sie in Wahrheit auf dem Weg sind, um Nyell und Jaden zu töten. Aber was die können, kann ich schon lange! IDUSA hat mir auch verraten, dass jeder der Vendar ein Energiefeld trägt, das er theoretisch Sytania geben könnte, wenn Not am Mann wäre. Diesen Fakt sollten wir ausnutzen und versuchen, die Vendar wieder von hier weg zu locken. Ich weiß auch schon wie. Ich werde Sytania etwas bedrohen. Ich werde sie dazu bringen, zu versuchen, meine Systeme zu kontrollieren. Du weißt, dass ich eine biologische Komponente habe, die es mir ermöglicht, echte Telepathie auszuüben. Sie ist mit meinen technologischen Systemen verbunden.“ „Das weiß ich, Lycira.“, sagte Jenna. „Sonst wäre es ja für dich und deine Pilotin nicht möglich, telepathisch zu kommunizieren. Aber wie genau willst du …?“

Die Ingenieurin beobachtete einen Datentransfer. „Ich habe dir die Software in deine Arbeitskonsole überspielt, die ich mir selbst geschrieben habe und die ich benutzen werde. Urteile selbst, ob es funktionieren kann! Sag den Brückenoffizieren, sie sollen mir vertrauen und tu das bitte auch. Bitte gib die Andockklammern frei, Jenna, damit ich los fliegen kann, sobald bei mir alles in Ordnung ist.“ „Aber selbst dann, wenn du Sytanias Dimension erreichst.“, wandte die Technikerin ein. „Dann kann sie dich doch jederzeit einfach hierher zurückwerfen, bevor du …“ „Dann fliege ich eben immer wieder zurück.“, sagte mein Schiff. „Ich habe schließlich einen guten interdimensionalen Antrieb. Um mich daran zu hindern, müsste Sytania schon direkte Kontrolle über meine Systeme ausüben und dann habe ich sie! Ich werde langsam immer mehr Systeme online schalten. Wenn die Vendar nicht riskieren wollen, dass das Gehirn ihrer Herrin unter der Belastung zusammenbricht und sie wahnsinnig wird, werden sie zurückkehren und sie mit der Energie, die sie tragen, stabilisieren müssen.“

Jenna hatte einen kurzen Blick auf die Software geworfen und alles in Programmiersprache bestätigt gesehen, was ihr Lycira soeben erklärt hatte. „Das ist genial, Lycira!“, sagte sie. „Sytania ist bestimmt nicht so multi-tasking-fähig wie du. Wenn die Vendar nicht riskieren wollen, dass sie verrückt wird, werden sie alles daran setzen, sie zu retten.“

Sie schaltete die Andockklammern frei, nachdem sie über ein Diagnoseprogramm eine kurze Fernwartung meines Schiffes vorgenommen hatte: „Flieg! Ich erkläre der Brücke alles!“ „Danke, Jenna.“, war Lyciras kurze Antwort, bevor sie ihren Antrieb aktivierte und die Station verließ.

IDUSA hatte der Brückencrew bereits gemeldet, was geschehen war. „Warum macht sich Allrounder Betsys Schiff gerade jetzt selbstständig?!“, hatte Maron empört gefragt. „Lycira müsste doch eigentlich wissen, dass hier an der Station der sicherste Ort für sie ist!“ „Vielleicht verfolgt sie eigene Pläne, Maron El Demeta.“, sagte Joran, der gerade mit Sorge von IDUSA die Information erhalten hatte, dass die Schilde der Station nur noch zu 30 % hielten. „Wir benötigen jede Hilfe, die wir bekommen können, Anführerin. Offensichtlich haben meine ehemaligen Kameraden bemerkt, dass wir durch ihre Pläne gestiegen sind.“ „Aber warum konnte sie die Station überhaupt verlassen?“, fragte Maron. „Weil Jenna offensichtlich die Andockklammern gelöst hat, Agent.“, erwiderte IDUSA. „McKnight!“, sagte der erste Offizier mit leichter Empörung, aber auch gleichzeitig einem seltsamen Anflug von Erleichterung in der Stimme. „Was weiß sie schon wieder, das wir nicht wissen? Na, ich werde runtergehen und sie selbst interviewen. Ich wette, sie hat für ihr Verhalten eine gute Erklärung, die uns sicher allen später mal wieder den Hintern retten wird!“ „Maron!“, sagte Zirell und schnalzte. Dann wandte sie sich an den Rechner: „IDUSA, gib Allrounder Betsy, Agent Sedrin und Shimar Bescheid. Vielleicht weiß eine der Beiden, was Lycira will und Shimar solltest du holen, falls wir sie verfolgen müssen.“ „OK.“, sagte der Rechner knapp und führte die Befehle der tindaranischen Kommandantin aus.

Maron war inzwischen im Maschinenraum angekommen. Hier hatte er sich von Jenna bereits schildern lassen, was gerade geschehen war. Das Verhalten der hochintelligenten Halbschottin hatte viel Zuversicht versprüht. „Woher wissen Sie so genau, dass das klappen könnte, McKnight?!“, fragte der erste Offizier. „Genau deshalb, Sir.“, sagte Jenna und zeigte auf den Schirm ihrer Arbeitskonsole. „Schon wieder Fach-Jenn’-Nesisch, Techniker?!“, fragte Maron genervt. „Ihnen sollte klar sein, dass ich keine Programmiersprache lesen kann! Also bitte noch mal einfach zum Mitschreiben für so dumme erste Offiziere wie mich!“ „Also gut, Sir.“, sagte Jenna. „Diese Software ermöglicht Lycira, Sytania in den Wahnsinn zu treiben, wenn die Vendar sie nicht stabilisieren. Allrounder Betsys Schiff hat vor, ins Dunkle Imperium zu fliegen und die Prinzessin dazu zu bringen, sie telepathisch zu kontaktieren. Sie will sie dazu verleiten, ihre Systeme kontrollieren zu wollen. Dann wird sie immer mehr von ihnen online schalten, solange, bis Sytania mit der Kontrolle gänzlich überfordert ist. Das werden ihre Vendar, die bei ihr geblieben sind, auch sehen und ihre Kameraden zurückbeordern, damit diese ihr die Energie, die sie tragen, zur Stabilisierung verabreichen können. Das werden sie sogar müssen, wenn sie nicht ihren Verstand verlieren soll.“

Maron gab einen erfreuten Laut von sich und machte ein fröhliches Gesicht. Dann sagte er: „Oh, das ist ja genial, McKnight! Mal wieder! Vergessen Sie, dass ich Sie der Meuterei bezichtigen wollte! Vergessen Sie das! Ich hätte mir denken müssen, dass wieder so eine geniale Idee von Ihnen dahintersteckt!“ „Oh, die war nicht von mir, Sir.“, sagte Jenna. „Lycira ist ganz allein darauf gekommen.“ „Aber Sie haben erkannt, wie genial das ist.“, sagte Maron. „Ich an Ihrer Stelle hätte wohl nicht so einfach die Klammern freigegeben.“ Er drehte sich lächelnd um und ging aus dem Raum.

„Der hätte Sie ja am liebsten geknutscht!“, bemerkte Shannon aus dem Hintergrund. „Aber eines nehme ich ihm verdammt krumm! Fach-Jenn’-Nesisch! Mann, Sprüche klopfen is’ mein Job hier! Setzt dieser verdammte Demetaner seine akustischen Duftmarken doch glatt in meinem Revier! Schweinerei so was!“ „Na, jetzt haben Sie aber mindestens schon drei mal erfolgreich drüber markiert, Assistant.“, sagte Jenna und grinste sie an. „Was?“, fragte Shannon. „Wo?!“ „Überlegen Sie noch mal genau!“, sagte Jenna. „Ich bin sicher, Sie kommen drauf.“

Shimar, Sedrin und ich waren inzwischen auf der Brücke angekommen. Hier war auch die Information über Jadens Gesundheitszustand Zirell bekannt geworden. Nachdem ich ihr erklärt hatte, dass ich definitiv nicht wüsste, welches Ziel mein Schiff verfolgte, hatte sie dem auch keine sehr große Priorität mehr beigemessen. Ihr primäres Augenmerk galt nun eher der Frage, wie man Jaden am schnellsten und sichersten herunter nach Tindara Prime bekam. Ishan hatte empfohlen, dass Joran ihn auf jeden Fall begleiten sollte, weil er wusste, wie er sich jetzt, da Nyell offenkundig kurz davor stand, seinen Körper zu verlassen, verhalten musste. Dadurch wurde es schon mal notwendig, dass Shimar den Platz des Vendar an der Waffenkonsole übernahm. „Ich kann aber unmöglich gleichzeitig ein Schiff durch ein Kriegsgebiet steuern und Jaden El Taria anleiten.“, sagte Joran. „Das mit dem Steuern übernehme ich.“, meldete ich mich freiwillig. „Shimar, bitte gib mir den Schaltschlüssel zu deinem Schiff und deinen Neurokoppler. IDUSA und ich verstehen uns sozusagen blind.“ Zirell nickte meinen Vorschlag ab. „Hier, Kleines.“, sagte Shimar und übergab mir das Gewünschte. Für die Waffenbedienung griff er nun auf den Neurokoppler zurück, den Joran zurückgelassen hatte. „Ich verspreche auch, keine Kratzer in dein Schiff zu machen.“, grinste ich. Shimar grinste wortlos zurück.

„Ich werde besser auch mitkommen.“, sagte Sedrin. „Ich denke, Jaden wird in der Situation, in der er jetzt ist, jeden seelischen Beistand brauchen können, den er bekommen kann.“ „OK, Sedrin.“, sagte Zirell.

Lycira hatte inzwischen ihr Ziel, das Dunkle Imperium, erreicht. Hier kam sie nun zu einem vollen Stopp und begann damit, zu versuchen, zu Sytania telepathischen Kontakt aufzunehmen, was von der Prinzessin nicht unbemerkt geblieben war.

Was willst du von mir?!, sprühte Sytania ihr blanken Hass entgegen. Euch etwas herausfordern will ich!, erwiderte Lycira frech. Wollen doch mal sehen, ob Ihr mich kontrollieren könnt. Das wirst du gleich sehen!, drohte Sytania und warf sie in die tindaranische Dimension zurück. Damit hatte ihr Navigationscomputer aber gerechnet und so war sie schneller wieder da, als es Sytania lieb sein konnte. Mehr habt ihr nicht drauf?!, fragte Lycira enttäuscht. Mehr nicht, als das bisschen Ballspielen mit einem kleinen harmlosen Schiffchen wie mir? Ich dachte, die mächtige Sytania könnte versuchen, mir ihren Willen aufzuzwingen, also meine Systeme direkt zu kontrollieren! Oder traut Ihr Euch das etwa nicht?! Wir können auch dieses hin und her so lange weitermachen, bis eine von uns müde ist. Nur, eines weiß ich ganz sicher. Ich werde das nicht sein, denn ich bin ein Stück Technologie. Diese biologische Komponente ist nur ein Organ. Aber Ihr, Ihr seid ein biologisches Wesen, das trotz seiner Unsterblichkeit irgendwann eine Pause benötigen wird, denn, mich immer wieder zurückzuwerfen, kostet Euch sicher sehr viel Energie. Energie, die Euch nachgeliefert werden müsste, wenn es schnell gehen soll! Und das wird es ja wohl müssen, wenn Ihr nicht wollt, dass ich gewinne! Ich werde dir gleich zeigen, wer hier gewinnt!, gab Sytania wütend zurück. So eine Frechheit wollte sie sich nicht gefallen lassen. So?, meinte mein Schiff ruhig. Dann zeigt mal. Sie wartete, bis Sytania versucht hatte, direkte Kontrolle über ihren Antrieb zu erlangen und begann dann damit, ihren Plan auszuführen.

Man hatte Jaden von der Krankenstation zu uns an Bord von Shimars Schiff gebeamt. Sedrin, Joran und er saßen nun auf der Rückbank des Cockpits, während ich im Pilotensitz Platz genommen hatte und IDUSA per Neurokoppler in Richtung Tindara Prime steuerte. „Betsy, ich habe all Ihre Biozeichen maskiert und die Schilde gehoben, wie Sie es mir befohlen haben.“, sagte IDUSA. „Braves Mädchen!“, lobte ich. „Wir wollen ja schließlich nicht, dass die Vendar noch auf uns aufmerksam werden. So und nun verbinde mich bitte mit der tindaranischen Anflugkontrolle.“ „Zu Befehl.“, sagte IDUSAs Avatar.

Cirnach war von einem der imperianischen Diener, die ständig um Sytania herum waren, zur Hilfe gerufen worden. Die Auswirkungen von Lyciras Plan waren durchaus zu sehen gewesen. Sie hatten sich in Krampfanfällen manifestiert, von denen die Prinzessin jetzt geschüttelt wurde. Die Imperianer wussten, dass sie in so einem Fall einen Vendar zur Hilfe zu rufen hatten.

„Kelbesh!“, fluchte Cirnach, nachdem sie Sytania mit ihrem Erfasser gescannt hatte. „Sie muss diese unselige Verbindung sofort beenden!“ „Das habe ich schon versucht, ihr zu sagen.“, stammelte der Imperianer blass. „Aber sie hört mich nicht.“ „Natürlich nicht!“, schnauzte Cirnach. „Sie ist ja auch kurz davor, den Verstand zu verlieren, du dummer Bauerntölpel! „Es ist einfach zu viel, was sie da versucht. Lauf! Mach dich nützlich und hole die Novizen und die vendarischen Leibwächter! Wir werden ihr die Energie geben, die wir tragen. Das wird sie hoffentlich stabilisieren. Wie kann sie sich auf den Kampf mit einer Maschine einlassen! Los, geh endlich!“ Der Imperianer nickte und rannte davon. Dass Cirnach so mit ihm umsprang, wunderte ihn nicht. Immerhin standen die Vendar noch über den anderen Dienern in der Hierarchie, weil sie etwas konnten, das den anderen versagt blieb.

Wenig später war er mit den Gewünschten zurück. Cirnach rief ihren Untergebenen einige Befehle auf Vendarisch zu, worauf diese mit ihr eine Kette bildeten, indem jeder den anderen an der Schläfe berührte. Sie selbst stand ganz vorn an und hielt Sytanias Kopf. Dann zählte sie bis drei und alle begannen damit, sich auf die Abgabe der Energie aus ihren Sifas zu konzentrieren. Bald darauf sah sie aber ein, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein war. „Wir benötigen die anderen!“, entschied sie. „Nur mit Hilfe ihrer Energie kann sie wieder zurückgeholt werden!“

Sie zog ihr Sprechgerät und gab panisch das Rufzeichen ihres Mannes ein. „Was gibt es, Telshanach?“, fragte Telzan. „Ihr müsst zurückkommen!“, entgegnete Cirnach flehend. „Sytania duelliert sich gerade mit einer Maschine telepathisch und ist in Gefahr, ihren Verstand zu verlieren und wenn wir nicht aufpassen, dann auch ihr Leben!“ „Eine telepathische Maschine?“, fragte Telzan ungläubig. „Was soll das für eine sein? Die Borg gibt es doch schon lange nicht mehr und …“ „Das weiß ich nicht!“, sagte Cirnach panisch, der die immer schwächer werdenden Biozeichen ihrer Herrin langsam große Sorgen machten. „Bitte, Telzan, glaub mir einfach, bei allen Göttern! Komm zurück und hilf!“ „Also gut.“, sagte Telzan und beendete die Verbindung.

IDUSA hatte mir das Gespräch mit der tindaranischen Anflugkontrolle ermöglicht und sie hatten uns, nachdem ich ihnen alles erklärt hatte, tatsächlich einen direkten Korridor bis zu einem Punkt direkt über dem Regierungsgebäude frei gegeben.

„Wir sind gleich da.“, informierte ich die anderen. „Wie geht es Commander Huxley, Joran?“ „Es geht ihm den Umständen entsprechend, Betsy El Taria.“, antwortete Joran. „Es wäre gut, wenn wir ihn bald herunterbringen könnten.“ „Kein Problem.“, meinte ich und gab IDUSA den Gedankenbefehl, in die Umlaufbahn über dem Gebäude einzuschwenken.

„Betsy!“, meldete sie mir plötzlich. „Es scheint, als würde uns von den Vendar bald keine Gefahr mehr drohen. Sie drehen ab und sind dabei, die interdimensionalen Antriebe ihrer Schiffe auf das Dunkle Imperium zu konfigurieren. Es sieht aus, als hätten sie es sehr eilig.“ „Sehr gut.“, sagte ich ruhig. „Dann kannst du ja deinen Transporter in aller Ruhe auf den großen Sitzungssaal einstellen.“ „Was meinten Sie, Betsy?“, fragte Sedrin. „Lyciras Plan scheint aufzugehen, Agent!“, sagte ich freudig. „Ich denke, sie hat es geschafft!“ „Sehr gut.“, sagte Sedrin und half Jaden beim Aufstehen. Durch die Vorgänge in seinem Gehirn war es ihm erneut sehr schwindelig geworden. Joran fasste ihn auf der anderen Seite unter. Dann gab ich IDUSA den Befehl, sie herunter zu beamen. Die Zusammenkunft würde überrascht sein, aber das war ja auch unser Ziel. Ich selbst blieb an Bord des tindaranischen Schiffes zurück. Da Sedrin aber über ihr Sprechgerät eine Verbindung zu IDUSAs Rufzeichen hergestellt hatte, würde ich über alles informiert sein.

Tatsächlich nahm man das Eintreffen des Außenteams bei der Zusammenkunft mit sehr großer Überraschung und Verwunderung wahr. Sie waren nämlich mitten in eine kriegswichtige Sitzung geplatzt. „Könnte mir bitte mal jemand diesen Auftritt erklären?!“, empörte sich Darell, die Vorsitzende der Zusammenkunft. „In der Tat, Darell El Tindara!“, sagte Joran. „Wir sind hier, um zu beweisen, dass es die Nidari-Travelers wirklich gibt und dass sie kein Mythos sind!“

„Gutes Stichwort.“, sagte Sedrin, winkte Joran und deutete auf ihren Erfasser. „Verstehe, Sedrin El Demeta.“, sagte der Vendar und eilte zum Ort des Geschehens. „Wie es aussieht, Jaden El Taria.“, sagte er. „Ist Nyell kurz davor, deinen Körper zu verlassen.“ „Das merke ich.“, sagte Jaden. „Aber was soll ich machen, Joran?! Hilf mir!“ „Lass es einfach zu.“, sagte Joran. „Er meint, du sollst dich einfach entspannen, Jineron.“, übersetzte Sedrin. „Also gut.“, sagte Huxley und entspannte sich.

Alsbald stieg ein silberner Nebelschleier von ihm auf und alle hörten die Stimme Nyells in ihrem Geist, die ihnen eindringlich vortrug: Offensichtlich sind wir alle Narren gewesen. Jeder hat vom anderen geglaubt, er sei ein Mythos. Aber das stimmt nicht, wie ihr bald an meinem starken Zeichen sehen sollt!

Es gab einen silbernen Blitz und dann stand eine Frau vor ihnen, die klein und von etwas fülliger Statur war. Sie trug ein rotes Sommerkleid und blaue Sandalen dazu. Des Weiteren hatte sie schwarzes langes Haar, das ihr verspielt über die Schultern hing.

Die gesamte tindaranische Regierung war starr vor Schreck. Ihre telepathische Wahrnehmung verriet ihnen allerdings eindeutig, dass alles, was Nyell ihnen gesagt hatte, der Wahrheit entsprach.

Darell fand als Erste ihre Fassung wieder. „Was sind wir doch für Narren gewesen?!“, sagte sie. „Ihr, als unser Schwestervolk, wolltet nur Hallo sagen und jetzt haben wir einen Krieg mit Sytania angefangen, den es gar nicht geben müsste. Wie kommen wir da nur wieder heraus?!“

„Ich hätte schon einen Vorschlag.“, sagte Sedrin und trat vor. „Ihr solltet gemeinsam eine Sonde besprechen, auf der ihr euch bei Sytania entschuldigt. Nichts hasst sie mehr, als wenn man ihr den Wind aus den Segeln nimmt. Wenn ihr euch entschuldigt, zeigt ihr in jedem Fall mehr Größe, als sie je haben wird. Das wird sie als große Schmach ansehen und nur schwerlich ertragen. Damit fügt ihr der Prinzessin eine viel bitterere Niederlage zu, als es jede Waffe je könnte. Glaubt mir! Ich kenne sie gut genug, um das beurteilen zu können.“ „Klingt sehr überzeugend, Agent Sedrin.“, sagte Darell. „Genau so machen wir es.“

Telzan und seine Truppe waren wieder im Palast eingetroffen. Sofort waren alle in den Thronsaal geeilt, wo sie die Bescherung gesehen hatten. „Wir können sie so nicht stabilisieren!“, entschied Telzan, nachdem er sie mit seinem Erfasser gescannt hatte. „Zuerst muss diese unselige Verbindung weichen!“

Er zog seine Waffe. Cirnach sah, dass er eine Linse mit Rosannium aufgesteckt hatte. „Was bei allen Göttern hast du vor?!“, fragte sie erschrocken. „Es muss sein, Telshanach.“, sagte Telzan ruhig und zielte auf Sytanias Kopf. „Aber Rosannium!“, stammelte seine Frau und ihre Gesichtshaare stellten sich auf, ein Zeichen, dass sie blass wurde. „Du weißt, dass die Dosis das Gift macht, Telshanach!“, sagte Telzan und feuerte.

Dann zog er seinen Erfasser und scannte die bewusstlos vor ihm liegende Sytania. „So weit, so gut.“, sagte er erleichtert und nahm sie über seine Schulter. „Bringen wir sie in ihr Gemach! Dort geben wir ihr dann die Energie, die wir in uns tragen!“

Er wandte sich an seine Truppe: „Das Ganze folgen!“ Dann ging es marschierend durch die Flure in Richtung der Gemächer der Königstochter. Hier trafen sie aber auch gleichzeitig mit der tindaranischen Sonde ein, die sich wohl per Interdimensionsantrieb Zugang zum Palast verschafft haben musste. Ihre Zielkoordinaten mussten von Anfang an in Sytanias Gemach gelegen haben. Als ihre Sensoren Cirnach ansichtig wurden, flog sie genau auf sie zu und landete auf ihrer ausgestreckten Hand. „Also schön, du kleine tindaranische Brieftaube.“, sagte die Vendar. „Mal sehen, was du für uns hast.“

Sie berührte die Sonde an einem dafür extra ausgewiesenen Feld, worauf diese begann, die Entschuldigung der tindaranischen Regierung abzuspielen. „Das wird Sytania gar nicht gefallen.“, sagte Cirnach und ließ den Vorgang pausieren. „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Telzan. „Sie zeigen damit schließlich mehr Größe, als unsere Herrin es je tun würde. Sie wäre viel zu rachsüchtig. Aber nun lasst uns ihr erst einmal helfen!“ Damit nahmen die Vendar die gleiche Kettenformation ein, die auch vorher Cirnach und die Novizen eingenommen hatten.

Sytania war in ihrem Bett in ihrem Gemach aufgewacht. Telzan hatte nach seiner Rückkehr zwar sofort in die Wege geleitet, dass sie alle Energie bekam, die seine Leute aus ihren Sifas kratzen konnten, aber er hatte dann leider auch mit einem Rosannium geladenen Phaser auf sie schießen müssen, um ihre Verbindung zu Lycira zu beenden. Diese hatte dies zwar bemerkt, aber es nur zufrieden zur Kenntnis genommen und war umgekehrt. Ihre Ablenkung hatte ja prima funktioniert. Durch eine Datenverbindung mit IDUSA wusste sie außerdem längst, dass auch wir unseren Teil des Plans erfolgreich ausgeführt hatten. Sie würde uns jetzt an der tindaranischen Basis erwarten.

„Was ist geschehen?“, fragte Sytania verwirrt. „Wir mussten Euch mit Rosannium beschießen, Herrin.“, sagte Telzan. „Anders ließ sich Euer Abgleiten in den Wahnsinn nicht verhindern. Wenn Ihr Euren Verstand verloren hättet, hättet ihr nicht mehr über diese Seite der Dimension herrschen können. Wie konntet Ihr es überhaupt wagen, Euch mit einer multi-tasking-fähigen Maschine zu duellieren?!“ „Sie hat mich provoziert!“, sagte Sytania mit schwacher Stimme. „Und ich Idiotin habe mich auch noch provozieren lassen. Oh, dieses verdammte Schiff von diesem verdammten Tindaranerliebchen! Sie wusste ganz genau, wo sie mich zu packen hatte und auch wie!“ „Und das ist leider noch nicht alles, Hoheit.“, sagte Cirnach und holte die tindaranische Sonde hervor, die inzwischen eingetroffen war.

Als Sytania diese berührte, begann sie damit, den Entschuldigungstext der tindaranischen Regierung abzuspielen: „Lady Sytania, hiermit entschuldigen wir uns offiziell dafür, Euch beschuldigt zu haben, uns eine Falle zu stellen. Wir wissen jetzt, dass wir Narren gewesen sind und dass es die Nidari-Travelers wirklich gibt. Eine von ihnen steht nämlich gerade leibhaftig neben mir. Von uns geht also diesbezüglich keine Feindseligkeit mehr aus.“ Die Aufzeichnung endete.

Blass sank Sytania in die Kissen. „Auch noch das!“, sagte sie bedient. „Jetzt fällt auch noch mein schöner Grund weg, gegen sie Krieg zu führen! Auch noch das! Ich könnte wetten, da steckt wieder diese Demetanerin dahinter! Sie weiß genau, wie sie mich mit dem Rücken zur Wand bekommt! Wenn ich jetzt trotzdem noch Krieg gegen die Tindaraner führen würde, wäre das eine aggressive Handlung meinerseits ohne Berechtigung, aber mit den üblichen Konsequenzen! Oh, ich hasse dich, Sedrin Taleris-Huxley! Ich hasse dich!“ „Das beruht sicher ganz auf Gegenseitigkeit.“, sagte Cirnach. „Das kann ja sein.“, sagte Sytania. „Es ändert aber nichts daran, dass ich schon wieder verloren habe.“

Auf politische Anordnung hin wurde auf ganz Tindara drei Tage lang ein rauschendes Fest gefeiert, in dessen Vordergrund Huxley, Sedrin, Nyell und ich standen. Zirell hatte zu diesem Anlass treffend formuliert: „Nun sind die drei Schwestern ja endlich wieder vereint und das haben wir nur der Sternenflotte zu verdanken, aber insbesondere einem gewissen Offizier, dem man sicher nicht zugetraut hätte, was er getan hat.“ „Redest du etwa von mir, Zirell?!“, hatte Huxley verwundert gefragt. „Ja, sie redet von dir, mein unbeholfener Cowboy, auf den ich sehr stolz bin.“, antwortete Sedrin an ihrer Statt. Dann flüsterte sie ihm heiß ins Ohr: „Ich bin so stolz auf meinen kleinen unbeholfenen Cowboy, dem Sytania das hier niemals zugetraut hätte. So stolz.“

Kate war an unseren Tisch gekommen. „Es tut mir leid, wenn ich in diesem Fall meine Kompetenzen überschritten haben sollte.“, sagte sie. „Davon möchte ich nichts hören, Kate!“, sagte Sedrin ruhig, aber bestimmt. „Du hast einen furiosen Start hingelegt! Ohne dich hätten wir diesen Fall sicher nicht gelöst! Sie haben mir alles erzählt. Du bist die beste Partnerin, die ich je hatte und Tamara soll sich ja nicht einfallen lassen, dich mir wieder wegzunehmen!“ „Dann auf neue Partnerschaften.“, sagte Kate. „Seien sie nun politischer oder dienstlicher Natur.“ „Auf neue Partnerschaften.“, wiederholte Sedrin. Dann stießen beide miteinander an.

Dass es O’Riley und Huxley gewesen waren, die das Problem eigentlich gelöst hatten, war von der Presse nicht unbeachtet geblieben. Auch der Umstand, dass den Beiden durch die jeweiligen Regierungen, für die sie arbeiteten, die Tapferkeitsmedaille verliehen worden war, hatte ermöglicht, dass auch die Öffentlichkeit davon Wind bekommen hatte. Dies führte zu einem Ereignis, mit dem Jaden wohl kaum gerechnet hatte, als er und Sedrin wieder auf der Erde angekommen waren.

Jaden war in ein Gespräch mit Sedrin vertieft, als die Haussprechanlage ihn auf eine angekommene Fracht im Keller aufmerksam machte. „Geh ruhig mal hin.“, grinste Sedrin, die aber recht genau zu wissen schien, was dort auf ihn warten würde. Jedenfalls entnahm Jaden das ihrem grinsenden Gesicht.

Er ging also in den Keller und gab dort seinen persönlichen Code in die Konsole des Frachtsystems ein. Dieses spuckte daraufhin eine der üblichen Kapseln aus, die Jaden mit sich nach oben nahm. Erst in Sedrins Beisein traute er sich, sie zu öffnen. Zum Vorschein kam eine brandneue Springball-Ausrüstung! Außerdem enthielt die Kapsel einen Datenkristall.

Jaden öffnete die Kiste mit der Ausrüstung und nahm Schuhe, Schläger und Anzug in Augenschein. „Das ist ja genau meine Größe!“, stellte er erfreut fest. „Wer weiß denn so genau …?!“ „Hast du den Rechner nach dem Absender gefragt?“, fragte Sedrin. „Nein.“, gab Jaden zu. „Aber vielleicht ist ja etwas auf dem Kristall.“

Er ging zur nächsten Konsole und steckte den Kristall hinein. Dann befahl er dem Rechner, die sich darauf befindende Nachricht abzuspielen.

Auf dem Bildschirm erschien die Statur einer älteren Demetanerin. Sie war 1,70 m groß, trug ein mit Rüschen besetztes grünes Kleid und rote Sommerschuhe dazu. Sie hatte schwarzes gelocktes Haar. Ihr Mund lächelte, als sie in akzentfreiem Englisch folgende Worte an ihn richtete: „Hallo, Schwiegersohn! Dieses Geschenk ist für meinen tapferen Jaden! Den wohl tapfersten Schwiegersohn im gesamten Universum, nein, in allen Dimensionen! Wenn du nicht getan hättest, was du getan hast, hätten wir jetzt einen furchtbaren Krieg! Nicht nur meine Tochter, deine Frau, ist stolz auf dich! Ich bin es auch! Deine stolze Schwiegermutter Taleris!“ Die Aufzeichnung endete.

Jaden umarmte Sedrin fest und küsste sie. „Darüber habt ihr also geredet bei dem Gespräch, das ich nicht verstehen sollte.“, sagte er. „Du hast ihr gesteckt, dass ich Springball lernen will, wegen meiner Koordination, damit ich meinen Ruf als Tollpatsch endlich loswerde.“ „Genau.“, grinste Sedrin. „Und dein bajoranischer Trainer wartet schon hinter dem Haus. Den Rest habe ich arrangiert und nun los! Sonst kommst du noch am ersten Tag zu spät und das wäre höchst peinlich.“ „Danke, Jinya Demetana.“, sagte Jaden, küsste sie noch einmal und ging. Er war sonst eigentlich kein Freund von neuen Herausforderungen gewesen, aber jetzt war er sicher, dass er mit dem neuen Selbstvertrauen, das er erworben hatte, das sicher hinbekam.

Ende

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