Reitstunde mit Huch-Effekt

von Visitor
Zusammenfassung:

 

Allrounder Betsy Scott begegnet in ihrem Geburtsjahrhundert, dem 21., einer merkwürdigen Situation. Die Medien berichten von einem Einhorn, das sich in den Wäldern aufhalten soll. Sie verdächtigt sofort Sytania, an dem Geschehen schuld zu sein und leitet alles in die Wege, um es zurückzubringen. Ob ihr das allerdings gelingt, seht ihr besser selbst …


Kategorien: Fanfiction, Fanfiction > Star Trek Charaktere: Keine
Genres: Keine
Herausforderung: Keine
Serie: Keine
Kapitel: 4 Fertiggestellt: Ja Wörter: 13773 Aufgerufen: 13749 Veröffentlicht: 18.11.14 Aktualisiert: 18.11.14

1. Kapitel 1: Eine unerwartete Begegnung von Visitor

2. Kapitel 2: Die große Suche von Visitor

3. Kapitel 3: Im Angesicht der Gefahr von Visitor

4. Kapitel 4: Endlich nach Hause! von Visitor

Kapitel 1: Eine unerwartete Begegnung

von Visitor

 

Ich war in meinem Geburtsjahrhundert, dem 21. Gemeinsam mit meinem Vater in unserem Familienauto unterwegs zu jenem Reiterhof, auf dem ich seit kurzer Zeit Unterricht bekam. Es war ein ganz normaler Sommertag und ich ahnte noch nicht, was bald passieren würde. Wenn ich allerdings das Verhalten von Mausi, ja, so wurde das Pferd, auf dem ich unterrichtet wurde und das meiner Lehrerin gehörte, tatsächlich gerufen, richtig eingeordnet hätte, dann hätte ich eigentlich längst drauf kommen müssen, dass hier etwas Gewaltiges im Busch war. Etwas, von dem aber weder mein Vater, noch meine Lehrerin wirklich wissen durften.

Wir hatten Mausi also aus der Box geführt, geputzt und gesattelt, wie wir es eigentlich jedes Mal taten. Uns war aber sofort aufgefallen, wie unruhig sie heute war. Das brachte meine Lehrerin dazu, mir vorzuschlagen: „Ich nehme sie erst mal an den Strick. Heute lasse ich dich so nicht allein zum Platz reiten. Wenn sie sich nicht beruhigt, muss ich dich an die Longe nehmen. Ich weiß auch nicht, was sie hat. So kenne ich sie gar nicht.“ „Ist schon OK.“, stimmte ich schnell zu, um sie nicht merken zu lassen, dass ich längst eins und eins zusammengezählt hatte. Aber von dem Ergebnis meiner Berechnungen durfte ich ihr auf keinen Fall erzählen! Ich konnte mir denken, was Mausi gespürt hatte, aber ich durfte ihr ja nicht erzählen, dass die seit ca. zwei Tagen durch die Nachrichten und Zeitungen geisternde Story von einem merkwürdigen wilden Fohlen, dass sich in den Wäldern aufhalten sollte und das ein Horn wie ein Einhorn auf der Stirn tragen sollte, tatsächlich der Wahrheit entsprach. Lycira, meinem Schiff, das immer hinter dem Mond getarnt auf mich wartete, hatte ich heimlich per Sprechgerät den Befehl erteilt, die Wälder rund um meinen Heimatort zu scannen und nach den Biozeichen eines Einhorns oder eines Mischlings zwischen Pferd und Einhorn zu suchen. Sie war tatsächlich fündig geworden und das hatte mich in Alarmbereitschaft versetzt. Zumal Lycira mir gesagt hatte, dass sie zwar nicht das Biozeichen eines reinen Einhorns, wohl aber das eines hybriden Wesens gesehen habe. Diese Möglichkeit hatte ich in Betracht gezogen, weil der Hengst aus der Herde der Einhörner im Dunklen Imperium das schon einmal gemacht hatte. Er hatte sich mit Kipana, Logars Lieblingsstute, eingelassen und die Beiden hatten ein männliches Halbblutfohlen gezeugt. Lyciras Informationen nach war genau das jetzt wieder passiert. Dieses Mal allerdings war es ein Mädchen. Nur, wie war das Fohlen in meine Heimat gekommen? Mir war klar, dass es hier nicht bleiben konnte, denn seine Anwesenheit könnte die Zeitlinie kontaminieren. So viel stand für mich, als ausgebildete Offizierin der Sternenflotte, sofort fest. Ich hatte sogar dem Oberkommando alles gemeldet. Hierzu hatte mich Lycira zunächst mit meinem Commander verbunden, der ich alles gesagt hatte. Commander Kissara hatte sich zwar auch nicht erklären können, warum der Hengst der Einhörner schon wieder mit Kipana, einer sterblichen Stute, Nachwuchs gezeugt hatte, aber das war ein Rätsel, vor dem alle standen. Nicht nur die Wissenschaft der Föderation. Auch die Mächtigen, die unsere politischen Alliierten waren, konnten uns diese Frage nicht beantworten. Logar hatte nur zugegeben, dass das Fohlen von Sytania ins 21. Jahrhundert geschickt worden war, mehr aber auch nicht. Seine Entführung würde ihr den Vorteil verschaffen, dass sie eine gewisse Chance hätte, das Fohlen durch unsere vergleichsweise primitiven Waffen sterben zu sehen. Die Leute im 21. Jahrhundert schossen ja immer noch gern auf alles, was sie nicht verstanden. Außerdem waren die Kräfte des Einhorns noch nicht ausgereift und in wie weit es sie überhaupt geerbt hatte, war schließlich auch nicht klar. Es hatte sich also so oder so nicht gegen seine Entführung durch Sytania wehren können und seine Mutter hatte es schon gar nicht retten können. Argus, Logars treuer Stallbursche, war nur durch Kipanas Verhalten auf das Problem aufmerksam geworden. Er hatte beobachtet, wie unruhig sie hin und her gelaufen war. Dies hatte er Logar, seinem Herrn, gemeldet und der Mächtige hatte seine seherischen Fähigkeiten eingesetzt und das Fohlen in meinem Heimatjahrhundert lokalisiert. Auch die Schuldige war schnell gefunden. „Sytania!“, hatte Logar mit viel Ekel in der Stimme ausgerufen. „Oh diese Frevlerin! Aber wir müssen es geschickt anstellen, Argus. Wenn ich meine Kräfte benutze, um es zurückzuholen, wird Sytania das wissen und Gegenmaßnahmen einleiten. Das telepathische Gezerre könnte es töten!“ „Warum lasst Ihr Euch nicht von Euren sterblichen Freunden von der Föderation helfen, Majestät?!“, hatte der Stallbursche listig gefragt. „Sytania wird nicht so schnell auf sie kommen, weil sie für sie ja nicht mehr sind als Fliegen an der Wand. Sie reagiert im Allgemeinen erst dann, wenn es fast zu spät ist auf ihre Schliche.“ „Sehr gut, Argus!“, sagte der König stolz und stieg sogar von seinem Thron herab, um Argus anerkennend auf die Schulter zu klopfen. „Und jetzt gehst du in die Garnison meiner Vendar und schickst nach Iranach. Sie soll mir ein Sprechgerät bringen und mich in dessen Bedienung einweisen, damit ich Präsidentin Nugura von der Föderation auf eine Weise um Hilfe bitten kann, mit der meine ruchlose Tochter auf keinen Fall rechnen wird! Es wird keine telepathische Kommunikation zwischen Nugura und mir geben. Keine! Darauf kann Sytania warten, bis sie schwarz wird!“ „Aber damit, dass Ihr in ihren Augen primitive Technologie benutzt, wird sie nicht rechnen.“ Verstand das über beide Ohren strahlende Kind. „Du hast es erfasst!“, sagte Logar. „Und nun rasch!“ „Ja, Milord.“, nickte Argus und war aus dem Thronsaal verschwunden.

Tatsächlich hatte er Iranach bald gefunden. Sie exerzierte gerade mit einigen ihrer Soldaten auf dem Schlossplatz. Ihr erzählte er jetzt den gesamten Plan. „Ich bin einverstanden, Argus.“, sagte die Vendar. „Bitte bring mich zu Logar. Dieser Frevel muss gesühnt werden! Sytania darf damit nicht durchkommen!“ Sie gab ihrem Stellvertreter die Befehlsgewalt und folgte Argus dann in den Thronsaal zurück. So war es dazu gekommen, dass ich ausdrücklichen Befehl erhalten hatte, das Einhorn zu finden und es, notfalls auch mit Lycira, wieder unversehrt zurück in seine Heimat zu verbringen. Man würde mir zwar ein Team zur Unterstützung schicken, die Vorbereitungen für „Operation Heimkehr“ würde ich aber allein treffen müssen. Schließlich war ich diejenige, die sich hier am besten auskannte.

Inzwischen hatte ich es geschafft, Mausi einigermaßen zu beruhigen. Sie vertraute mir und wenn ich ihr sagte, dass alles gut war, nahm sie mir das auch erst einmal ab.

Wir hatten gerade mit der Warmreitephase aufgehört, als es passierte. Mausi zuckte zusammen und blieb aber stehen. Sie musste etwas gesehen haben. Unbewusst hatten wir ihr das so beigebracht, denn wir hatten, wenn immer mir etwas unklar war, angehalten, damit meine Lehrerin es mir in Ruhe erklären konnte. Auch Mausi zeigte mir so an, wenn ihr etwas unklar war. Das hatte ich schon herausgefunden. „Was ist?!“, motivierte ich sie, mir mit weiteren Verhaltensänderungen zu zeigen, was sie störte. Ich wusste, dass sie zum Beispiel, wenn wir vor dem Zaun standen, ihre Nase darauf legte, was ich über die Zügel mitbekam. „Zeig’s mir, Dicke! Zeig’s mir!“, sagte ich. Die Tatsache, dass Mausi nicht ihrem Fluchtinstinkt nachgab, zeigte mir, wie tief ihr Vertrauen zu mir war.

Ich rief nach meiner Reitlehrerin, denn ich dachte, sie hätte Mausi immer noch am Strick. Aber das stimmte nicht. Es gab zwar jemanden, die Mausi hielt, aber das war nicht mehr sie. Viel mehr war es die Inhaberin der Stimme, die in ruhigem akzentfreien Englisch zu mir sagte: „Es ist alles gut, Allrounder.“ „Agent Sedrin?!“, erwiderte ich erschrocken. „Exakt.“, sagte die Demetanerin. Im gleichen Moment nahm ich das Lebensende eines größeren Pferdeleckerchens wahr, das krachend in Mausis Maul zwischen ihren Mahlzähnen zerbarst und dann schmatzend seiner Wege hinunter in die Katakomben des Verdauungssystems geschickt wurde. Spätestens jetzt war mir klar, warum Mausi dieser ihr fremden Frau auf Anhieb vertraut hatte und nicht versucht hatte, vor ihr zu fliehen. „Sagen Sie ihr, dass wir gehen wollen, Betsy.“, wies mich Sedrin an. „Sie wird auf mich nicht hören, weil sie mich nicht kennt. Außerdem kennt sie sicher nur deutsche Kommandos.“ Ich nickte und sagte leise, aber bestimmt: „Mausi, Scheritt!“ Sie setzte sich in Bewegung. An ihrer Körperspannung konnte ich aber ablesen, wie hin und her gerissen sie war. „Ist gut.“, sagte ich ruhig und lobte, da sie ruhig und langsam hinter Sedrin herging: „Feine Maus!“ „Ich kann ihre Verwirrung nachvollziehen, Betsy.“, sagte Sedrin, die, als Tochter eines Farmers, auch einiges von Tierverhalten verstand. „Für ein Tier wie sie muss die Situation sehr verwirrend sein. Ich finde, es grenzt an ein Wunder, dass sie so gut mitspielt.“ „Sie vertraut mir, Agent!“, gab ich nicht wenig stolz zurück. „Oh ja.“, bestätigte Sedrin. „Das tut sie und dieses Vertrauen werden wir auch dringend benötigen. Halten Sie an in drei, zwei, eins!“ Ich nahm befehlsgemäß die Zügel auf und sagte: „Hoh, steh, Mausi.“ Mausi folgte auch dieser Aufforderung.

Sedrin legte den Strick über Mausis Hals. Dann sagte sie: „Ich bin nicht allein gekommen.“, drehte sich um und rief: „Illiane!“ Gleich darauf hörte ich es im Gebüsch rascheln und jemand trat an Mausi und mich heran. Dann griff eine zierliche Hand nach dem Strick. „Tauschen Sie sich aus!“, sagte Sedrin. „Ich gehe unsere Pferde hohlen.“ Dann war sie fort.

Erstaunt harrte ich der Dinge, die da kommen würden. Dann wurde ich von der Frau in Sedrins Begleitung angesprochen: „Hi, Betsy.“ „Illiane?!“, fragte ich erstaunt. „Ich dachte, du bist …“ „Das stimmt auch.“, sagte sie. „Aber sagen wir mal so. Meine Verwandtschaft hat mir Ausgang gewährt, damit ich mit euch diese Mission ausführen kann. Sie haben mir einen Körper gegeben, der dem bis aufs Haar gleicht, mit dem ich geboren wurde.“ „Die Quellenwesen haben also auch ein Interesse daran, dass das Fohlen nach Hause kommt.“, schloss ich aus ihren Worten. „Verständlich, wenn das Ganze was mit dem Gleichgewicht der Kräfte in den Dimensionen zu tun hat.“

Sie wich erschrocken einige Schritte zurück. „Woher weißt du das mit den Quellenwesen?!“, fragte sie. „Das war mehr als offensichtlich.“, antwortete ich. „Der Agent hätte nicht allen nach der Mission der Eclypse einen dermaßen heftigen Maulkorb verpasst, wenn an den Gerüchten über dich nicht mindestens etwas dran wäre. Aber durch dein Geständnis ist es jetzt ja amtlich. Auch du bist ein Quellenwesen, Illiane St. John!“

Ich hörte das Trappeln von Hufen. Jemand kam angeritten und führte ein zweites Pferd mit sich. Das konnte ich aus den Geräuschen schließen. Dann hörte ich Sedrin sagen: „Ich hoffe, Sie können Mausi eine Weile allein kontrollieren. Ich muss Illiane helfen. Wir werden die Aufsteigehilfe benutzen, die dort steht. Dann stoßen wir zu Ihnen. Illiane, folgen Sie mir einfach.“ Die Angesprochene nickte und legte den Strick wieder über Mausis Hals. Dann ging sie hinter Sedrin und den Pferden her, um wenig später ebenfalls hoch zu Ross gemeinsam mit ihr zurückzukehren. „Ich nehme an, du bist keine Anfängerin mehr, Illiane.“, sagte ich, die den gleichen Rang wie sie bekleidete, sie also durchaus duzen konnte. „Die Quellenwesen werden dir sicher alle Kenntnisse gegeben haben, die du für diese Mission brauchst.“ Illiane gab einen bestätigenden Laut von sich. „Woher wissen Sie das?!“, fragte Sedrin ernst. „Sie ist zu intelligent, Agent.“, nahm mich Illiane in Schutz. „Sie musste es herausfinden. Der Maulkorb bringt gegenüber ihr nichts. Ich brauchte gar nichts zu sagen. Aber lügen wäre eh zwecklos gewesen.“ „Also schön.“, sagte Sedrin schließlich. „Aber zu niemandem sonst ein Wort, Allrounder Scott! Das ist ein Befehl!“ „Aye, Agent!“, sagte ich. „Und nun wollen wir los!“, forderte sie mich auf und nahm den Strick wieder von Mausis Hals. Ich wiederholte das gleiche deutsche Kommando, das ich Mausi schon einmal gegeben hatte und wieder ging sie brav vorwärts. So verließen wir den Hof in Richtung Straße.

Von dem Ganzen hatten Sytania und Telzan nichts mitbekommen, wie Logar schon richtig angenommen hatte. Zu sehr waren beide im Schloss der Prinzessin mit dem Feiern ihres neuesten Coups beschäftigt. „Euch ist da wirklich ein Meisterstück gelungen, Milady!“, freute sich der Vendar und stieß mit seiner Herrin an. „Oh ja.“, bestätigte die Mächtige. „Jedenfalls werde ich die nächste Generation der Einhörner gehörig traumatisieren können, wenn ich genauso mit allen anderen vorgehe, die sonst noch als Mischlinge und somit außerhalb der für sie doch ach so schützenden Herde ihres Vaters gezeugt und geboren werden. Sie alle werde ich in Zeiten und auf Planeten schicken, wo sie entweder als Fleisch, oder als Geist enden, den man jagen und vernichten muss. Spüren werden sie ja, dass ich daran schuld bin, aber sie werden nichts tun können. Das wird sich in ihrem Gedächtnis als Verknüpfung in der Weise festsetzen, dass das Benutzen übernatürlicher Kräfte nur in einer Katastrophe enden kann und sie werden sich das dann auch im Erwachsenenalter, sollten sie dies überhaupt erreichen, nicht trauen. Das bedeutet, ich habe freie Bahn. Sie werden mir nicht mehr dazwischenfunken, was immer ich auch tue.“ Telzan grinste böse. Dann sagte er: „Ich habe eine Idee, Herrin. Warum schickt Ihr das Nächste dann nicht in die Vergangenheit des Heimatplaneten der Klingonen. Sie haben doch alles gejagt, das man ihrer Meinung nach essen kann und sie verspeisen ihre Beute gern lebend. Das bedeutet, das Fohlen dürfte jeden Schmerz spüren, wenn so ein Krieger ein Stück aus ihm herausschneidet. Wenn es dann noch die telepathischen Fähigkeiten seines Vaters geerbt hat, wird es um Hilfe rufen. Vielleicht hört das ja sogar seine sterbliche Mutter. Kipana wird wahnsinnig werden und das ist ihr Tod. Ein verrücktes Schlachtross kann Euer Vater nicht gebrauchen und das wäre ihr Tod. Das wiederum dürfte Logar richtig fertig machen, so sehr, wie er an ihr hängt. Aber auch der Vater und die Herde der Einhörner werden sich nicht einmischen, weil sie viel zu sehr auf das Gleichgewicht der Kräfte in den Dimensionen bedacht sind. Zu viele Zeitlinien würden kontaminiert. Das werden sie nicht zulassen und bis sie einen Weg gefunden haben, der für alle am angenehmsten ist …“

Sytania schlug sich auf die Schenkel und lachte gemein: „Oh du bist so teuflisch wundervoll, mein guter Telzan! So richtig schön durchtrieben, bösartig und gemein! Ich werde dem Verräter Joran nicht länger hinterhertrauern. Schließlich habe ich ja jetzt dich und damit einen viel besseren Tausch gemacht. Genauso werde ich es machen! Nur, mein Vater wird wohl kaum zulassen, dass ich die Geschicke an seinem Hof mit meinen seherischen Kräften …“ „Das müsst Ihr auch nicht.“, beruhigte sie Telzan. „Dafür habe ich ja unter seinen Vendar meine Spione.“ „Oh ja.“, sagte Sytania und atmete erleichtert auf. „Und das ist auch sehr gut so. So kommen wir durch die Hintertür. Etwas, das mein Vater wohl am wenigsten erwarten dürfte. Auf meine telepathische Einmischung kann er warten, bis er schwarz wird! Die wird es nämlich nicht geben.“ Sie kicherte hexenartig.

Eine kleinere Gestalt schob sich hinter einer Säule hervor. Es war ein Vendar-Novize mit braunem kurzem Jugendfell. Er trug die übliche Uniform eines Novizen und maß ca. 1,70 m, was für einen männlichen Vendar unterdurchschnittlich klein war. Aber er war ja noch sehr jung mit seinen 13 Jahren und wuchs sicher noch. Er war von drahtiger Statur.

Vorsichtig trat er an Telzan heran und flüsterte in sein rechtes Ohr: „Ich muss dich Sprechen, Anführer. Aber allein.“ „Also gut.“, flüsterte Telzan zurück. Dann sagte er zu Sytania, nachdem er sein Trinkhorn in den Ständer gestellt hatte: „Bitte entschuldigt mich, Gebieterin.“, und ging mit dem Jungen mit.

Der Novize führte seinen Meister in das gleiche Versteck, aus dem er selbst gerade gekommen war. Dann sagte er: „Erkennst du mich, Anführer?“ „Ja, ich erkenne dich.“, antwortete Telzan. „Du bist Gelman, einer meiner Agenten an Logars Hof. Diese schwere Aufgabe habe ich dir allerdings nur gegeben, weil mir deine Ausbilderin berichtet hat, dass du alle anderen in ihrer Gruppe bereits überflügelt hast. Eine beachtliche Leistung in deinem geringen Alter von knapp 13 Jahren. Aber nun sprich! Was hast du mir zu sagen?“ „Ich habe das Gespräch zwischen dir und unserer Herrin teilweise mitbekommen.“, sagte Gelman. „Ich muss dir leider mitteilen, dass Logar offenbar den gleichen Gedanken hatte. Er hat über ein Sprechgerät, das ihm von meiner dortigen Ausbilderin Iranach persönlich gebracht wurde, Kontakt zu Nugura El Fedaria aufgenommen und sie um Hilfe gebeten, statt dies, wie es sonst für ihn üblich ist, auf telepathischem Wege zu tun. Offensichtlich wollte er erreichen, dass sich Sytania in falscher Sicherheit wähnt.“ „Was sagst du da?!“, fragte Telzan empört und fluchte leise: „Kelbesh!“, was so viel wie „Scheiße!“, bedeutet. „Aber das ist noch lange nicht alles.“, fuhr Gelman fort. „Nugura El Fedaria hat darauf ihre Beste geschickt. Agent Sedrin Taleris-Huxley! Außerdem Commander Huxley selbst, Technical Assistant Heroito Takahashi, und Scientist Cupernica. Außerdem gibt es noch Gerüchte, dass sich Allrounder Betsy Scott und ein Quellenwesen einmischen sollen. Dill und Logar haben außerdem …“ „Was für ein schwarzer Tag, Gelman!“, platzte es aus Telzan heraus. „Ich werde davon sofort unserer Herrin berichten müssen. Wir werden Gegenmaßnahmen einleiten! Rasch! Zurück auf deinen Spionageposten! Schleich dich am besten genauso unbemerkt wieder zurück, wie du hier hergekommen bist.“ „Das dürfte keine Kunst für mich sein, Anführer!“, versicherte der Junge und war verschwunden.

Telzan hatte große Mühe, den wütenden Ausdruck in seinem Gesicht zu verschleiern, als er wieder an Sytania herantrat. „Nun?!“, fragte die Königstochter ungeduldig. „Was hat er dir für Nachrichten gebracht?“ „Schreckliche Nachrichten fürwahr, Gebieterin.“, sagte Telzan und schlug traurig die Augen nieder. „Er sagt, Logar hätte unsere Idee aufgegriffen. Er hat über Technologie mit Nugura Kontakt aufgenommen und sie um Hilfe gebeten. Sie hat daraufhin ihr bestes Team unter der Führung der Unaussprechlichen geschickt. Eigentlich hat Jaden H. Huxley das Kommando, aber dies ist eine Spionagemission, weshalb es automatisch an sie fällt. Zumindest, was alles das angeht, das direkt mit dem Auffinden des Einhorns zu tun hat. Außerdem soll sich Allrounder Betsy Scott einmischen und ein Quellenwesen.“ „Das stimmt nicht!“, sagte die Prinzessin fest. „Die Einmischung eines Quellenwesens hätte ich spüren müssen. Das ist wohl nur ein Gerücht, das Iranach streuen lassen hat, weil sie genau weiß, dass auch sie ausspioniert wird. Du hättest es sicher nicht anders gemacht, oder?“ „In der Tat, Gebieterin.“, gab Telzan zu. „Aber alles andere sollten wir bestätigen. Oder auch nicht.“

Er zog sein Sprechgerät und tippte das Rufzeichen seiner Garnison ein. Cirnach, die das Gespräch annahm, erteilte er den Auftrag, eine Datenverbindung zum interdimensionalen Sensorennetzwerk der Vendar herzustellen und es auf das 21. Jahrhundert und dort auf die Erde zu richten. Dies tat seine Ehefrau und Stellvertreterin auch bereitwillig und übergab ihm dann die Verbindung und Kontrolle über ebendiese.

Sytania schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als sie die Bilder sah. „Das kann doch nicht wahr sein!“, rief sie aus. „Da sind ja alle, von denen du gerade gesprochen hast, inklusive des so genannten Quellenwesens. Aber ihre Verwandten haben Illiane St. John wieder sterblich gemacht! Aber das ist leider keine Garantie dafür, dass sie scheitern. Selbst als Sterbliche kann sie mir sehr gefährlich werden! Zumal dann, wenn sie Sedrin an ihrer Seite hat. Die Beiden haben mir oft genug das Leben schwer gemacht während der Mission der Eclypse. Die eine hinterlistig wie eine Füchsin und die andere vermeintlich lieb und nett, so dass man denkt, dass sie kein Wässerchen trüben könnte, aber …!“ Sie gab einen wütenden Schrei von sich und zerschmetterte ihr Trinkhorn mittels eines schwarzen Blitzes aus ihren Augen. „Denken Milady nicht, dass Ihr Eure Kräfte weitaus sinnvoller nutzen solltet?!“, versuchte Telzan, sie auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. „Wie denn das, he?!“, fuhr Sytania ihn an. „Das Shuttle hat einen riesigen Rosannium-Kristall im Bauch und mein Vater und Dill haben gemeinsam die Zeit angehalten. Nur das Außenteam kann sich bewegen, weil Agent Sedrin einen Kontaktkelch trägt, mit dem sie die, von denen sie will, dass sie sich bewegen können, nur berühren muss. Das Einhorn hat offensichtlich doch einige Kräfte seines Vaters geerbt. Sonst könnte es sich auch nicht bewegen, aber das kann es. Was tun wir da nur?!“ „Ich hätte einen Plan.“, sagte der Vendar. „Warum, glaubt ihr, hat diese ruchlose Demetanerin es vorgezogen, Pferde zur Fortbewegung zu nutzen? Ich werde es Euch verraten. Sie will sich bewegen wie das Einhorn, um seine eventuellen Verstecke besser ausmachen und es so leichter finden zu können. Wenn Ihr Eure Soldaten mit Streitwagen hinschickt, sind sie in der gleichen Lage. Außerdem müssen sich Dill und Logar dann noch mehr anstrengen, um die Zeitlinie zu schützen. Das wird ihre Kräfte zu sehr fordern und irgendwann wird ihr Schutzwall einbrechen, ohne dass sie etwas dagegen tun können. Dann sieht sich Sedrin El Demeta mit allen Gefahren konfrontiert, die eben eine Einmischung in die Vergangenheit so mit sich bringt. Ich bin gespannt, wie sie da wieder rauskommen will! Wenn sie dann nicht sogar ihre Mission abbrechen muss, weil Eure Leute das Einhorn bereits getötet haben. Schickt ihren Hauptmann am besten vorher zu mir. Ich werde ihm einen Pfeil mit einer Spitze aus Rosannium mitgeben.“ „Exzellenter Plan, Telzan!“, lobte Sytania. „Genauso machen wir es!“

Von Sytanias bösen Plänen ahnten wir nichts, die wir friedlich nebeneinander die Straße durch das Wohngebiet in Richtung Wald entlangritten. Sedrin ritt voran auf einem braunen Wallach, dann folgte ich auf meiner treuen lieben Mausi und am Schluss war Illiane auf einem Schimmel unterwegs, bei dem es sich ebenfalls um einen Wallach handelte. Sedrin und sie mussten sich die Pferde im Reitstall sozusagen ausgeliehen haben, denn anders war für mich Mausis Verhalten nicht zu erklären. Sie benahm sich auf jeden Fall nicht so, als wären ihr die Pferde fremd. Im Gegenteil! Es schien für sie das normalste der Welt zu sein, zwischen ihnen herzulaufen. Weder schnupperte, noch schaute sie übermäßig oft nach ihnen. Nein, sie gab sich sogar betont entspannt, was ich sehr gut an ihrer Kopf- und Körperhaltung ablesen konnte, die mir meine Hände über die Zügel und meine Beckenmuskulatur über den Sattel mitteilten. Außerdem meine Ohren, mit denen ich von Zeit zu Zeit ein ausgedehntes wohliges tiefes Prusten von ihr wahrnahm. Sicher hatte auch Sedrins Leckerchen dazu beigetragen, dass sie uns in der ihr doch eigentlich so fremden Situation derart stark vertraute. Ich wusste von ihr, dass Vertrauen bei ihr in gewisser Weise durch den Magen ging.

Es war (bitte entschuldigt meine Ausdrucksweise) verdammt still um uns! Noch nicht einmal ein Lüftchen, das sich eigentlich in den Bäumen hätte als Rauschen widerspiegeln müssen, war zu hören. Kein Vogel sang und kein Auto brummte. Das fand ich sehr ungewöhnlich, zumal Sedrin meinen Versuch, Mausi an der Straße anzuhalten, sofort unterband: „Es ist OK, Allrounder. Lassen Sie sie gehen!“ „Aber die Autos, Agent!“, erwiderte ich besorgt, die ich davon ausging, dass sie vielleicht die Verkehrsregeln des 21. Jahrhunderts nicht unbedingt parat hatte. „Von denen droht uns keine Gefahr!“, versicherte sie. „Sie dürften hören, dass keinerlei Bewegung um uns herum stattfindet. Zu was für einem Schluss bringt Sie das?“

Ich begann nachzudenken. Allerdings waren mir meine eigenen Gedanken so was von nicht geheuer, dass ich kurz zusammenzuckte, eine Tatsache, die Mausi nicht entgangen war. Wie sie es durch meine Reitlehrerin und mich unbewusst gelernt hatte, blieb sie stehen und wandte die Ohren in meine Richtung. Ich streichelte ihren weichen Hals und flüsterte: „Ist gut.“ Ich wusste, dass sie das, worüber ich gerade nachgedacht hatte, sicher nicht verstehen würde.

Sedrin gab einen schweren Seufzer von sich. Dann sagte sie: „Ich habe den Eindruck, hier ist gar nichts gut. Na schön. Wir halten dort auf der Wiese und dann erkläre ich Ihnen alles.“

Wir hielten tatsächlich auf der Wiese an und ließen alle drei die Zügel locker, so dass die Pferde etwas schnuppern und grasen konnten, zumindest soweit dies mit der Beißstange im Maul möglich war. Dann sagte Sedrin: „Dill und Logar haben die Zeit angehalten. Sie sorgen dafür, dass sich keiner in diesem Jahrhundert, der es nicht soll, später mehr an das Geschehene erinnern können wird, da es für sie nie stattgefunden hat. So schützen sie uns vor Komplikationen bezüglich der Zeitlinie. Ich habe einen Kontaktkelch in Form eines Rings bei mir. Alles, was ich damit berühre, kann ich so von der angehaltenen Zeit isolieren und somit zum Leben erwecken. Das habe ich mit allen im Shuttle, mit dem Shuttle selbst und mit Ihnen und den Pferden gemacht. St. John ist ein Quellenwesen. Bei ihr brauchte ich das nicht. Das Gleiche gilt für das Einhorn. Zumindest hoffe ich das. Es handelt sich um ein weibliches Tier und die Mutter ist sterblich. Folge dessen ist nicht klar, in wie weit es die Fähigkeiten seines mächtigen Vaters überhaupt geerbt hat. Sie wissen ja, wer die Einhörner sind.“ Ich nickte und seufzte erleichtert. Dann aber schlussfolgerte ich: „Oh mein Gott, Agent! Dill und Logar müssen ja gerade eine immense mentale Leistung erbringen! Ich hoffe, dass sie das lange genug durchhalten!“ „Das hoffe ich auch!“, sagte die ausgebildete Agentin. „Und deshalb sollten wir uns jetzt beeilen!“ Sie zog ein Sprechgerät. Dann bekam ich mit, wie sie sagte: „Mr. Takahashi, erfassen Sie mein Signal und …“ „Nein!!!“, fuhr ich erschrocken dazwischen. „Ein so plötzlicher Ortswechsel könnte die Pferde erschrecken und wir könnten zu lange damit zu tun haben, sie wieder zu beruhigen. Das wäre unserer Mission sicher nicht sehr zuträglich, Agent!“

Sedrin hatte das Gerät sinken lassen und offenbar kurz nachgedacht. Dann sagte sie: „Also, wo Sie Recht haben, da haben Sie Recht.“ Dann hob sie es wieder in Richtung ihres Mundes und sagte: „Vergessen Sie es, Tak.“, und beendete die Verbindung, um dann zu flüstern: „Ich kann ja von den Tieren nicht erwarten, dass sie kapieren, was ein Transporter ist. Danke, Betsy. Sie haben uns wohl vor sehr starken Schwierigkeiten bewahrt. Logar und Dill werden jetzt allerdings noch eine Weile länger durchhalten müssen.“ Wir setzten uns wieder in Bewegung.

Kapitel 2: Die große Suche

von Visitor

 

Wenig später waren wir in dem Wald angekommen, in dem das Oberkommando an Hand meiner Meldung das Einhorn vermutete. Allerdings war man nicht sicher, denn man konnte es weder auf den bildgebenden Sensoren, noch allein aufgrund seiner Lebenszeichen lokalisieren. Nur der Vergleich meiner Informationen mit für sie historischen Karten aus meinem Heimatjahrhundert hatte sie eine eventuelle Position des Wesens feststellen lassen. Über dieser kreiste nun das Shuttle des Außenteams in einer geo-stationären Umlaufbahn.

„Ich gehe davon aus, dass sich das Einhorn instinktiv unsichtbar gemacht hat.“, machte Illiane einen Versuch, die Umstände zu erklären. „Ich meine, auch wenn seine Kräfte noch nicht ausgereift sind, so dürfte es doch genug instinktive Fähigkeiten haben, um sein Überleben zu sichern, oder?“ „Kein oder, St. John!“, sagte Sedrin stolz. „Ihre Theorie ist die einzige vernünftige Erklärung zu dem Thema, die ich bisher gehört habe. Ich hatte gehofft, dass Sie, als Quellenwesen, endlich gelernt hätten, Ihr Licht nicht immer so häufig unter den Scheffel zu stellen. Was meinen Sie, als Hobbyverhaltensforscherin, zu Allrounder St. Johns Theorie, Allrounder Scott?“ „Ich halte das durchaus für möglich, Agent.“, entgegnete ich der resoluten Spionageoffizierin. „Obwohl ich nicht ganz verstehe, warum die Natur es so einrichtet, dass so ein kleines hilfloses Wesen nur passive Verteidigungsmechanismen zur Verfügung hat. Die meisten aktiven Kräfte bilden sich bei Mächtigen meines Wissens erst im späten Teenageralter aus. Ich verstehe einfach nicht, warum!“ „Dann werde ich Ihnen einmal eine ganz einfache Frage stellen, beziehungsweise Sie ermutigen, sich einmal ein bestimmtes Szenario vor Augen zu führen.“, sagte Sedrin, die dafür offenbar eine Erklärung zu haben schien. „Stellen Sie sich einmal ein mächtiges Kind in der Trotzphase im Alter von ca. drei Jahren vor. Haben Sie eine Ahnung, was es in unkontrollierter Wut mit aktiven Kräften anrichten könnte, auch dann, wenn es ihm später leid täte?!“ Die Vorstellung allein ließ mich hörbar schlucken. „Sehen Sie?!“, sagte Sedrin streng. „Ich, ich, ich denke schon, Agent.“, stammelte ich und senkte beschwichtigend den Kopf. „Bitte verzeihen Sie mir. Das hätte mir klar sein müssen. Aber offenbar war ich durch die emotionale Situation und mein Mitleid mit dem armen Fohlen gedanklich blockiert.“ „Erklärung akzeptiert, Allrounder.“, sagte Sedrin. „Mutter Schicksal sei Dank bin ich ja keine Vulkanierin. Ich kann also sehr gut nachvollziehen, wie es Ihnen geht. Um ehrlich zu sein, mir geht es genauso. Aber ich lasse mich davon allerhöchstens in der Art beeinflussen, dass ich versuche, das Mitleid in Motivation zu verwandeln, diese Mission deshalb jetzt erst recht erfolgreich zu beenden!“ „Das ist auch mein Motiv, Madam!“, sagte ich und auch Illiane nickte zustimmend. „Na also.“, sagte Sedrin. „Dann sind wir uns ja einig, Ladies.“

Wir bogen auf einen Waldweg ein. Das, was wir dort aber dann zu sehen bekamen, jagte zumindest Illiane einen eiskalten Schauer über den Rücken und ließ sie hörbar scharf Luft einziehen. „Was haben Sie?!“, fragte Sedrin leicht alarmiert, die so eine Reaktion schon von ihr kannte. In ihrer gemeinsamen Zeit auf der Eclypse hatte sie diese immer dann gezeigt, wenn sie große Angst hatte. Da sich Illiane und Sedrin sehr stark angefreundet hatten, nahm die Demetanerin die Reaktion ihres Gegenübers nicht wirklich krumm. Im Gegenteil! Diese Reaktion sprach ihre rassetypischen Helferinstinkte an, weshalb sie geduldig zuhörte, als Illiane stammelte: „Da stehen ein Mann und ein Hund. Beide sind wie eingefroren! Ich weiß, das ist logisch, wenn die Zeit stillsteht, aber ich finde es echt gespenstisch! Bitte verzeihen Sie, Agent. Ich denke, Ensign Sato hätte sich nicht so angestellt.“ „Die hatte auch einen Vorteil gegenüber dir.“, griff ich Sedrin vor. „Die war zur Akademie der Sternenflotte gegangen, was du nie bist. Mir scheint, die Quellenwesen haben dich wissenstechnisch so eingestellt, dass du auf dem Stand bist, den du bei Ende eurer Mission hattest. Alles andere wäre sicher zu risikoreich für sie. Das große universelle Wissen, das sie haben, dir zu lassen, wenn du sterblich bist, ist bestimmt …“ „Genau!“, skandierte Sedrin. „Exakt das Gleiche wollte ich auch gerade sagen. Sie haben ein sehr gutes Verständnis für unsere Situation, Betsy. Ach übrigens, Illiane, haben die Quellenwesen Ihnen gesagt, was mit Ihnen geschieht, wenn diese Mission vorbei ist?“ „Sie sagen, ich werde zu ihnen zurückkehren und dieser Körper, der gewissermaßen eine Leihgabe ist, wird sich einfach auflösen. Sie werden also keine Scherereien mit meiner Beerdigung haben.“ „Als ob die Beerdigung einer Freundin Scherereien bedeuten würde.“, sagte Sedrin. „Das haben Sie mir noch nie gesagt.“, sagte Illiane gerührt und vergoss sogar eine Träne. „Ich habe es zwar immer gespürt, aber Sie haben es nie gesagt.“ „Commander Huxley hätte mir sicher den Kopf abgerissen und das Oberkommando noch dazu.“, entgegnete die Demetanerin. „Das musste ich schon schlau anfangen, wenn nicht bekannt werden sollte, dass ich eine Freundschaft zu einer Untergebenen aufgebaut hatte. Bei Ihnen, Betsy und bei Agent Mikel ist das was anderes. Sie waren schon seit Ihrer Kindheit Freunde, also lange bevor Sie der Sternenflotte beitraten. Da konnten sie nichts machen, aber …“ „Und im Geheimhalten sind Sie ja sehr gut, Frau Geheimdienst.“, frotzelte ich, machte aber gleich danach wieder ein verschämtes Gesicht. „Die Wahrheit zu sprechen.“, begann Sedrin. „Sollte Ihnen niemals peinlich sein, Betsy. Aber nun noch einmal zu dem Mann am Wegrand. Um ihn einordnen zu können, wüsste ich gern, wer er ist. Falls Dill und Logar aus irgendeinem Grund die mentale Sicherung nicht aufrecht halten können, muss ich, als kommandierende Offizierin dieser Mission, wissen, ob uns von ihm Gefahr drohen könnte, oder ob er Dinge tun könnte, die am Ende die Zeitlinie gefährden.“ „Um das beurteilen zu können, Agent.“, begann ich, die geahnt hatte, dass ihre Worte wohl als Aufforderung an mich zu verstehen waren, ihr die Situation zu verdeutlichen. „müsste ich eine genauere Beschreibung von dem Mann bekommen.“ „Na los, Illiane!“, sagte Sedrin mit einem auffordernden Blick zu ihrer ehemaligen Kameradin. „Sie haben ihn am genauesten gesehen.“ „Also gut.“, sagte Illiane, der das Herz bis zum Hals klopfen musste, was ich ihrer Stimme durchaus anhören konnte, wenn sie sich an die für sie so unheimliche Begegnung erinnerte. „Er war ca. 1,90, trug grüne Kleidung, war muskulös und hatte einen Vollbart. Er trug ein Gewehr über der Schulter und hatte einen kleinen Hund dabei. Ich würde sagen, ein Dackelrüde.“ „Dass du so genau hingeschaut hast.“, grinste ich sie an. „Rüden sind bei den meisten Hunderassen größer und stämmiger gebaut als Hündinnen.“, sagte Sedrin. „Ich hatte angenommen, das wüssten Sie.“ „Das weiß ich natürlich auch, Agent.“, entgegnete ich in fast tröstender Tonlage. „Ich habe auch lediglich einen Scherz gemacht, um sie aufzuheitern. Sie sollte nicht mehr an ihre Angst erinnert werden, wenn sie an das Bild denkt.“ „Clever!“, lobte Sedrin. „Und wenn Sie schon so clever anfangen, dann wissen Sie doch mit Sicherheit auch, wer der Mann ist, nicht wahr?“ „Das stimmt, Agent!“, sagte ich sicher. „Er ist unser Förster und könnte uns schon gefährlich werden, weil sein Hund das Einhorn vielleicht finden kann. Es ist auf natürliche Art gezeugt worden und nicht durch die Kräfte eines Mächtigen entstanden. Es könnte also durchaus einen Geruch haben.“ „Genau das Gleiche hat der Chief-Agent auch schon vermutet.“, sagte Sedrin. „Deshalb habe ich auch neulich von ihr eine kleine süße Frachtsendung erhalten. Aber mehr sage ich dazu noch nicht! Vielleicht müssen wir das, was ich da bekommen habe, ja gar nicht einsetzen. Das hoffe ich sogar.“ „Es wird doch wohl hoffentlich keine Technologie aus dem 30. Jahrhundert sein?!“, hinterfragte ich ihre Sätze erschrocken. „Hm, jein.“, überlegte sie. „Aber Sie können davon ausgehen, dass ich alles versuchen werde, um die Zeitlinie unangetastet zu lassen! Bitte vertrauen Sie mir.“

Plötzlich ließ mich ein unvermutetes Geräusch nach rechts lauschen. Mausi, die zuvor einen recht flotten Schritt am Leib gehabt hatte, wurde merklich langsamer und lauschte in meine Richtung. Als kein Kommando oder gar ein tröstendes Wort von mir kam, hielt sie schließlich vollständig an, was ich nicht quittierte, da ich es kaum gemerkt hatte. Ich war nämlich immer noch mit dem Geräusch beschäftigt gewesen. „Anhalten, St. John!“, befahl Sedrin zu Illiane nach hinten, bevor sie ebenfalls ihr Pferd mittels einer energischen Parade zum Stehen brachte. Sie wusste, wenn ich mich so verhielt, dann musste etwas im Busch sein.

Sie wandte sich zu mir um und fragte langsam und deutlich: „Was hören Sie?“ „Schellen.“, flüsterte ich immer noch angespannt lauschend. „Da sind Schellen, Agent.“ „Wo sind sie, Allrounder Scott?“, fragte Sedrin jetzt sehr eindringlich und fast hypnotisch. Ihre Stimmlage hatte mich an die von Lomādo erinnert, als er mir verdeutlicht hatte, dass ich damals durchaus seine Hilfe annehmen durfte. „Welche Richtung? Welche Richtung? Sagen Sie es mir! Sagen Sie es!“, flüsterte Sedrin sehr ruhig, aber gleichzeitig auch sehr bohrend, so dass ich nicht anders konnte, als zu sagen: „Drei Uhr, Madam.“ Ich wusste, dass ihre Vernehmungsmethode zuweilen etwas merkwürdig anmutete, gerade dann, wenn sie wollte, dass sich jemand traute, ihr Informationen zu geben, die er oder sie eigentlich lieber unter Verschluss gehalten hätte, weil die Person Angst vor den Konsequenzen hatte. Aber am eigenen Leib erlebte ich dies jetzt zum ersten Mal.

Ohne zu zögern hatte Sedrin den Strick, den sie zuvor losgelassen hatte, wieder ergriffen und mein und ihr Pferd in die von mir angegebene Richtung gedreht. Illiane war uns selbstständig gefolgt. „Aber das ist unmöglich, Agent.“, sagte ich. „Die Schellen erinnern mich an einen Schlitten. Aber es ist Sommer und so kann hier kein Schlitten sein!“ „Ein Schlitten sicher nicht.“, erklärte St. John. „Aber du weißt doch, dass man auch Schellengeläute hört, wenn ein Einhorn in der Nähe ist.“ „Stimmt.“, sagte ich. „Aber bei einem Mischling war ich nicht sicher.“ „Sicher oder nicht.“, sagte Sedrin. „Jetzt wissen wir zumindest, dass es ganz in der Nähe sein muss. Sie werden vorreiten. Schließlich kennen Sie als einzige die Richtung. Wir Sehenden sind jetzt aufgeschmissen, weil es sich bestimmt, wie Illiane schon sicher richtig vermutet hat, aus Angst unsichtbar gemacht hat. Es findet seine Situation sicher nicht sehr angenehm, so weit weg von Mutter und Freunden und dem heimatlichen Stall. Ich habe ein Auge auf Sie und passe auf, dass Sie vor kein Hindernis reiten, wenn mir Ihre Mausi diese Aufgabe nicht schon abnimmt. Ich habe Ihre Interaktion mit ihr längst beobachtet und meine Schlüsse gezogen.“ „Also gut, Agent.“, sagte ich auf Englisch zu Sedrin und dann zu Mausi auf Deutsch: „Na komm, Dicke!“ Sie folgte willig. Warum sie mich so dringend benötigten, war mir jetzt in gewisser Weise klar. Aber warum brauchten sie Illiane? Warum hatten die Quellenwesen sie geschickt und warum brauchten sie ausgerechnet Mausi? Warum hatte Sedrin sie immer wieder ausdrücklich erwähnt? Ich ahnte nicht, dass sich diese Fragen schneller beantworten sollten, als uns allen lieb war.

Mausi trug mich nun allen voran in die Richtung, aus der ich das Geräusch wahrgenommen hatte. Sedrin und Illiane folgten auf ihren Pferden mit etwas Abstand. Die Agentin hatte versprochen, mich nicht aus den Augen zu lassen und dann war da ja auch noch Mausi, die es auf dem Reitplatz mit dem Aufpassen auf mich schon fast zur Perfektion gebracht hatte. Was sollte mir also passieren? Meine Sternenflottenhilfsmittel, die mir im 30. Jahrhundert immer sehr geholfen hatten, hatte ich jetzt selbstverständlich nicht bei mir. Das war aber für mich nicht weiter schlimm, denn ich hatte mir schon gedacht, dass ich dadurch vielleicht sogar einen Vorteil haben könnte. Agent Sedrin hatte, als ich sie darauf angesprochen hatte, nur zu mir gesagt: „Die einzigen Sensoren, die wir benötigen, sind Augen, oder in Ihrem Fall besser Ohren und in Illianes Fall die Nase, Allrounder. Ich halte es durchaus für möglich, dass Sytania versuchen könnte, die Naturgesetze so zu verändern, dass unsere Technologie nicht mehr funktionieren könnte.“ „Schon verstanden, Agent.“, hatte ich erwidert. Jetzt war mir aber auch klar, warum sie mich gerade hier und gerade jetzt abgepasst hatte.

Mausi hatte plötzlich den Kopf leicht gehoben, als wollte sie uns auf etwas aufmerksam machen, das eine geringe Größe hatte. Dann spürte ich, wie sie stehen blieb und sich ihre Flanken leicht senkten und hoben. Außerdem hörte ich ihre intensiver gewordene Atmung. Das Schellengeläute, das ich zuvor gehört hatte, war jetzt genau vor uns. Nur Sedrin und Illiane schienen nichts zu sehen. Jedenfalls entnahm ich dies der Frage der Agentin: „Was hat Mausi da, Betsy?“ „Ich denke.“, sagte ich. „Sie hat gerade Kontakt zu dem Fohlen aufgenommen, Madam. Wir müssen jetzt nur verhindern, dass sie es als herdenfremdes Tier ablehnt. Ich weiß aber auch schon wie.“

Ich stellte mich in die Steigbügel, um mich besser und sicherer abstützen zu können und griff mit der linken Hand in den Riemen am Sattel, den ich auch sonst zum Festhalten in so mancher Situation benutzte. So konnte ich mich besser verankern bei dem, was ich jetzt vorhatte. Die Zügel hatte ich losgelassen. Dann legte ich mich auf den Bauch und tastete an Mausis Hals entlang. Wenig später traf meine rechte Hand auf ihre Ohren, an denen ich mich abwärts entlanghangelte, bis meine Hand unterhalb ihres Kopfes auf den des Halbblutfohlens stieß. Ich begann sofort damit, es zu kraulen. „Ich nehme an.“, sagte Sedrin, die dieses Schauspiel eine ganze Weile beobachtet hatte. „Sie wollen ihr zeigen, dass Sie das Fohlen quasi in Ihrer Herde akzeptieren. Da Mausi auf Sie hört, haben Sie bei ihr im Augenblick den Status einer Leitstute. Das bedeutet, wenn Sie das Fohlen akzeptieren, wird es für sie auch OK sein?“ „Jedenfalls hoffe ich das, Agent.“, entgegnete ich.

Plötzlich spürte ich etwas wie einen nassen Lappen neben meiner Hand. Aufatmend zog ich sie zurück und setzte mich wieder gerade hin. Ich wusste, der nasse Lappen war Mausis Zunge gewesen, mit der sie jetzt das Fohlen liebkoste. Sehen konnte sie es zwar auch nicht, aber riechen wohl dafür umso besser. Sie hatte nie ein eigenes Fohlen gehabt, aber jetzt schienen die Mutterinstinkte bei ihr durchzukommen.

„Verrätst du mir vielleicht, warum deine Mausi die Luft ableckt?!“, fragte Illiane verwundert. „Sie leckt nicht die Luft ab, St. John.“, antwortete ihr Sedrin statt mir, die längst die richtigen Schlüsse gezogen hatte über das, was hier im Gange war. „Warten Sie. Ich zeige Ihnen, was das ist, das sie ableckt. Betsy, wir werden Ihre Hilfe brauchen.“

Sie stieg vom Pferd und wies Illiane an, es ihr gleichzutun. „So und jetzt brauchen wir Sie.“, sagte sie dann an mich gewandt. „Wie kann ich das Fohlen finden, ohne dass Illiane Angst haben muss?“ „Lassen Sie Illiane links von sich gehen und nehmen Sie ihre Hand.“, schlug ich vor. „Ihre eigene rechte Hand legen Sie auf Mausis Hals und streichen daran entlang. Gleich unter ihrem Kopf müssten Sie auf das für Sie anscheinend noch immer unsichtbare Fohlen treffen. Wenn Sie das haben, führen Sie bitte ihre Hand dort hin.“ „Bitte warnen Sie mich aber vor, Sedrin.“, sagte Illiane ängstlich. „Ich werde bis drei zählen.“, sagte Sedrin und führte aus, worum ich sie gerade gebeten hatte. Tatsächlich stieß auch sie bald auf das Fohlen. „Na, mein Kleines.“, sagte sie ruhig. „Wir sind hier, um dich heimzubringen. Vertrau ruhig deiner Ersatzmutter. Sie wird uns helfen, auf dich aufzupassen. So, Illiane. Passen Sie auf! Eins, zwei, drei!“ Damit führte sie Illianes Hand zum Fohlen. Sie aber schreckte verängstigt zurück. „Entschuldigung!“, sagte sie. „Nicht schlimm.“, sagte ich. „Schließ doch einfach beim nächsten Versuch deine Augen. Ich denke, sie blockieren dich. Sie sagen dir, dass da eigentlich nichts sein dürfte, aber deine Hände sagen etwas anderes. Dein armes Gehirn muss ja total überfordert sein.“ „Du meinst also.“, sagte Illiane. „Meine Reaktion ist rein logisch?“ „Ja.“, sagte ich. „Zumindest für eine Sehende, meiner Meinung nach.“

Sedrin zog Illiane ein Stück zurück. Dann sagte sie zu ihr leise, aber bestimmt: „Sie atmen jetzt erst einmal tief durch und dann versuchen wir Betsys Tipp, in Ordnung?“ Die zierliche Halbcapellanerin nickte. Dann tat sie, was die demetanische Agentin ihr gerade vorgeschlagen hatte. Dieses Mal klappte es und Illiane begann sogar, das Fohlen liebevoll zu streicheln. „Na also.“, sagte Sedrin.

Ich hoffte, dass sie jetzt einige Kapazitäten in ihrem Kopf für mich freischaufeln konnte, jetzt, wo Illiane versorgt war. Also sagte ich: „Mir ist da immer noch etwas nicht ganz klar, Agent. Wozu genau benötigen Sie Mausi?“ „Jeder Profiler.“, begann die Agentin. „Weiß, dass Kinder viel eher fremden Frauen, als fremden Männern vertrauen. Die Mutter ist eben präsenter als der Vater, zumindest in den meisten Fällen. Der Chief-Agent und ich gehen davon aus, dass dies bei Fohlen in diesem geringen Alter ähnlich ist. Mausi ist eine ältere lebenserfahrene Stute. Das kann das Fohlen an ihrem Geruch feststellen. Illiane, ich denke, Sie können am ehesten nachvollziehen, worüber ich rede. Ihr Geruchssinn könnte sicher locker mit dem eines Jagdhundes mithalten.“ „Sie haben Recht, Agent.“, sagte Illiane lächelnd. „Obwohl ich mit meinem auf menschliches Denken ausgelegten Gehirn sicher keinen so großen Wert auf diese Art von Information lege und sie daher bestimmt nicht in dieser Weise verarbeiten kann.“

Sie hielt plötzlich inne und lächelte. Dann sagte sie: „Es muss aufgehört haben, Angst zu empfinden. Jedenfalls rieche ich keine mehr.“ Im gleichen Moment sahen Sedrin und Illiane etwas, das wie das langsam immer klarer werdende Bild auf einem Bildschirm aussah. Es war aber nur das Fohlen, das langsam seine Verteidigung aufgegeben hatte und auch für alle wieder sichtbar geworden war. Da dies sehr langsam passierte, erschrak sich auch Mausi nicht davor. „Gut so, meine Kleine!“, lobte Sedrin. „Du kannst uns wirklich vertrauen.“ „Bist du süß!“, rief Illiane freudig aus. „Schwer zu glauben, dass dir jemand nach dem Leben trachten soll.“ „Sie dürfen nicht vergessen, wer das tut.“, sagte Sedrin. „Für Sytania gelten keinerlei moralische Grenzen und wenn sie irgendwo Angst und Schrecken verbreiten kann, dann tut sie das auch.“

Sedrin hatte gerade ausgesprochen, als das Fohlen aus für uns alle unerfindlichen Gründen plötzlich wieder unsichtbar wurde. „Was hat die Kleine?“, fragte Illiane, die sich dieses Verhalten nicht erklären konnte. „Das weiß ich nicht.“, sagte Sedrin und wandte sich an mich: „Allrounder Scott, was habe ich falsch gemacht?“ „Ich bin sicher, Sie haben gar nichts falsch gemacht, Agent.“, sagte ich, die ich die eventuelle Ursache für das Verhalten des Fohlens unter Umständen bereits kannte, denn ich hatte einige merkwürdige Geräusche wahrgenommen. Geräusche, die nun so gar nicht ins 21. Jahrhundert passen wollten. Ich hörte nämlich das Donnern von Hufen und imperianische Streitwagen. Eines war nur komisch an diesem Donnern. Die Pferde schienen irgendwie nicht richtig im Takt zu laufen. Jedenfalls schien es für mich so. Außerdem waren sie schon so nah, dass ich hören konnte, wie schwer sie atmeten, da sie immer wieder von den Kutschern angetrieben wurden. Ich lauschte noch einige Sekunden diesem Geschehen, um sicher zu sein. Dann meldete ich: „Agent, ich denke, dass ich die Ursache für die Angst des Fohlens kenne.“ „Dann raus damit, Allrounder!“, befahl sie. „Hier sind imperianische Streitwagen.“, sagte ich und drehte mich kurz in die Richtung, aus der ich die Geräusche gehört hatte. Dann drehte ich mich wieder zu ihr und fuhr fort: „Ich denke, Dills und Logars mentaler Schild wird durchlässig. Aber ich höre auch, dass wir trotzdem einen Vorteil haben könnten. Die Pferde unserer Gegner gehen enorm ataktisch. Das mag damit zusammenhängen, dass sie eine geringere Schwerkraft und die hochdichte Atmosphäre des Dunklen Imperiums gewohnt sind, die sie normalerweise fast über dem Boden schweben lässt.“ „Ich kann die Informationen von Allrounder Scott nur bestätigen.“, sagte Illiane unaufgefordert. „Aber ich kann Ihnen auch sagen, dass es sich definitiv um keine Vendar handelt, die Sytania geschickt hat. Der Wind steht so günstig, dass ich die stinkenden und verlausten Imperianer meilenweit riechen kann!“ Sie machte ein angewidertes Gesicht und gab einen auf starken Ekel hinweisenden Laut von sich. „Also gut!“, sagte Sedrin. „Dann eben Plan B!“ Damit stieg sie so schnell auf ihr Pferd, dass Illiane erst nach ihr suchen musste, als sie diese ansprach: „Fangen Sie!“, und ihr einen Gegenstand zuwarf. Dann machte sie ein Geräusch mit den Lippen, auf welches Hin ihr das Pferd sofort die Ohren zudrehte, legte ihr rechtes Bein hinter den Sattelgurt, drückte das linke an die Flanke ihres Pferdes und schnalzte. Das Tier, das sofort verstanden hatte, galoppierte aus dem Stand an und preschte mit ihr in unsere genaue Gegenrichtung davon. Illiane und ich blieben erstaunt zurück. „Was um alles in der Welt hat sie vor?“, fragte ich. „Ich denke.“, antwortete Illiane. „Sie will die Imperianer ablenken, damit wir das Fohlen in Sicherheit bringen können.“, sagte Illiane und gab mir das Ding, das ihr von Sedrin zugeworfen worden war. Ich betastete es genau und erkannte einen Transportverstärker. Dann sagte sie: „Du bist die Einzige, die das Fohlen jetzt sehen kann. Befestige den Verstärker bitte in seiner Mähne. Er wird sich aktivieren, sobald du den Verschluss der Spange geschlossen hast. Dieses Signal kriegt Tak.“ „Alles klar.“, sagte ich, stieg von Mausis Rücken und näherte mich dem Fohlen, das immer noch neben ihr stand und sich von ihr ablecken und somit beruhigen ließ. Aber auch es leckte zurück, soweit es eben an die viel größere Mausi herankam. Das erleichterte mich doch sehr, was ich auch durch ein beruhigtes Aufatmen zum Ausdruck brachte. „Was bedeutet das?“, fragte Illiane. „Wir haben gewonnen!“, sagte ich. „Die Beiden betreiben das, was man unter Verhaltensforschern als so genannte Soziale Körperpflege bezeichnet. Das ist ein feststehender Begriff dafür und sie zeigen damit an, dass sie zu einer Gruppe oder Herde zugehörig sind.“ „Willst du mir damit etwa sagen, die Kleine würde deiner Mausi jetzt folgen, wo auch immer sie hinginge?“ „Wahrscheinlich.“, sagte ich. „Sogar höchst wahrscheinlich. Aber wie will der Agent die Imperianer loswerden?“ „Ich denke, sie will sie ablenken, indem sie sich als Köder zur Verfügung stellt.“, sagte Illiane. „Sie ist ein ebenso guter Köder wie das Einhorn. Das können sie jetzt nicht sehen, denn sie sind ja nicht mit einem blinden Kameraden gesegnet im Gegensatz zu uns. Sie werden genau denselben Fehler machen, den die meisten Sehenden machen, hofft sie, nämlich lieber das nehmen, was sie auf den ersten Blick wahrnehmen können. Sie will sich so lange von ihnen jagen lassen, bis wir das Einhorn an Bord des Shuttles gebracht haben. Sie weiß, wie gern Sytania ihr habhaft werden würde und hofft, dass ihre Soldaten bei ihrem Anblick nicht widerstehen können. Deine Informationen werden für sie in dieser Hinsicht sehr hilfreich sein, denke ich.“ „Nun sei nicht so bescheiden.“, sagte ich. „Was ist denn mit deinen Informationen? Dass Sytania keine Vendar, sondern Imperianer geschickt hat, wird ihr mit Sicherheit auch sehr helfen. Schließlich werden sie nicht so schnell hinter ihren Plan steigen, wenn überhaupt. Die Vendar denken viel mehr nach als die Imperianer.“ „Das stimmt allerdings.“, bestätigte Illiane. „Das weiß ich selbst aus eigener Erfahrung. Aber wir sollten unser Glück nicht zu sehr strapazieren und vor allem das vom Agent nicht. Wer weiß, wie lange sie die Soldaten ablenken kann. Bitte tu es jetzt, Betsy.“

Ich näherte mich dem Einhorn und befestigte den Transportverstärker in ihrer Mähne. Dabei flüsterte ich ihr zu: „Ganz ruhig, meine Süße. Es wird alles gut.“ Dann schloss ich die Spange. Augenblicklich ertönte von dem Gerät ein Signal und eine Computerstimme sagte: „Verstärker aktiv.“ Dann hörte ich ein wohl bekanntes Signal aus Illianes Tasche. Es war ihr Sprechgerät, über das sich Tak bei ihr meldete: „Ich habe eine stabile Erfassung, Illiane. Ich beame das Fohlen jetzt in den vorbereiteten Frachtraum.“ „OK, Tak.“, gab Illiane zurück und beendete die Verbindung. Dann erfolgte der Transport.

„Woher wusste er, dass er sich an dich und nicht an den Agent zu wenden hat, Illiane?“, fragte ich. „Sie beobachten uns.“, sagte Illiane mit ihrer glockenhellen leisen Stimme, die mich leicht an die deutsche Stimme von Ensign Sato erinnerte. „Der Agent und ich tragen Wanzen mit Kamera und Tonübertragung. Sie wollen sofort eingreifen können, wenn es Komplikationen gibt.“ Sie zeigte mir ihre Wanze, einen Knopf ihrer Uniform.

Nervös fasste sie plötzlich erneut in ihre Tasche. „Ich werde schon wieder gerufen.“ Damit zog sie ihr Sprechgerät hervor und las sich das Display durch. „Es ist das Rufzeichen des Shuttles.“ Dann beantwortete sie den Ruf: „St. John hier.“ „Illiane, hier ist Huxley.“, kam es amerikanisch flapsig zurück. „Wir haben ein gigantisches Problem! Wir können es nicht sehen, aber anhand der Geräusche aus dem Frachtraum glauben wir, dass das total verängstigte Einhorn verrücktspielt. Geben Sie mir sofort diese kleine Verhaltensforscherin da neben Ihnen, bevor es Kleinholz aus unserem schönen Schiff macht!“ „Sag ihm, Mausi und ich kommen her!“, sagte ich zu ihr. „Jetzt kann nur noch ihre Ersatzmutter sie beruhigen und das ist Mausi! Ich bin aber deren Ruhepol und hoffe, dass sie mir so weit vertraut, dass sie den Transport und den plötzlichen Ortswechsel nicht als beängstigendes Erlebnis empfindet.“ „Soll ich nicht mitkommen?“, fragte Illiane. „Ich meine, du kennst deine Umgebung dort auch nicht und wenn Mausi doch Angst haben sollte aufgrund des plötzlichen Ortswechsels, dann könnte sie dich schwer verletzen, wenn sie …“ „Es wird schon gehen.“, sagte ich. „Es muss gehen! Bleib du hier und warte auf Sedrin!“ „Na gut.“, überlegte Illiane und sagte dann zu Commander Huxley: „Allrounder Scott und ihr Pferd kommen her, Sir. Bitte sagen Sie Tak das.“ „OK, Illiane.“, sagte Huxley. Dann wurde Mausis und mein Transport in die Wege geleitet.

Kapitel 3: Im Angesicht der Gefahr

von Visitor

 

Die Imperianer hatten Sedrin längst erspäht, die sich ihnen zu Pferd genähert hatte und zunächst ganz den Anschein machte, als ritte sie ihnen sogar freiwillig entgegen. Ein junger Rekrut, der sich durch in unseren Augen sicher zweifelhafte Verdienste die Ehre erarbeitet hatte, neben dem Hauptmann auf dessen Streitwagen mitfahren zu dürfen, sah sie als erster. Der etwas schmächtig wirkende Junge drehte sich zu seinem Vorgesetzten, einem krausbärtigen großen Imperianer mit griesgrämigem Gesicht, herum. Auch ihm war bekannt, wie gern Sytania Sedrin in ihrem Gefängnis sehen würde. „Sieh nur, Hauptmann!“, rief der Junge begeistert aus. „Da ist die Unaussprechliche! Die, deren Namen unsere Herrin nicht in den Mund nehmen kann, ohne dass es ihr das Herz zerreißt! Das Einhorn ist weit und breit nicht zu sehen, aber wir haben die Chance, wenigstens sie zu bekommen! Was glaubst du, wird Sytania sagen, wenn wir mit ihr als Gefangene zurückkehren?! Ich weiß, unser Befehl lautete eigentlich, das Halbblut zu finden und zu töten! Aber das ist nicht möglich, wie du hier siehst! Also lass uns doch besser das nehmen, was wir kriegen können! Sieh doch! Sie ergibt sich ja schon fast freiwillig!“

Der Hauptmann schien für einen Moment hin- und hergerissen. Er überlegte angestrengt für eine ganze Weile, was Sedrin, die aus ihrer Position heraus sein Gesicht gut sehen konnte, sehr wohl beobachtet hatte. Die demetanische Agentin nahm die Zügel ihres Pferdes leicht auf, so dass dieses seinen doch sehr scharfen Galopp jetzt stark verlangsamte. Sie hoffte so, als ein noch attraktiverer Köder zu erscheinen, ein Plan, der auch aufzugehen schien, denn der Hauptmann machte plötzlich ein Gesicht, als hätte man ihm eine gebratene Taube vor den Mund gehalten und sagte zu dem Rekruten: „Du hast Recht, mein kluger Junge! Besser der Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach. Ich werde dich lobend bei Sytania erwähnen. Vielleicht schlägt sie dich ja sogar zum Ritter dafür, dass du uns diese Möglichkeit gegeben hast. So ist es recht! Immer die Augen offen halten. Nimm die Zügel. Ich muss was erledigen!“ Der Rekrut nickte und nahm dem Hauptmann die Zügel ab. Dieser stand auf, holte etwas aus seiner Tasche und hielt es hoch, so dass alle Soldaten es sehen konnten. „Seht ihr dieses Goldstück?!“, rief er ihnen zu. „Wo das ist, da ist noch mehr! Wer mir die Unaussprechliche fängt und bringt, ob tot oder lebendig, der soll großzügig entlohnt werden! Sicher nicht nur von Sytania, sondern auch von mir! Also los! Alle Mann ausschwärmen zur Jagd nach einer ganz besonderen Füchsin!“ Dann nahm er dem Jungen die Zügel wieder ab und zog eine Peitsche aus seinem rechten Stiefel. Damit knallte er und rief: „Lauft, ihr Zossen!“, worauf die beiden großen muskulösen Rappen vor dem Wagen in scharfen schnellen Trab verfielen. Mehr war für sie aufgrund der Umwelteinflüsse, denen sie jetzt ausgesetzt waren, einfach nicht drin. Natürlich hatte der Hauptmann ein großes Interesse daran, sein Gold zu behalten, also die Belohnung am Ende selbst einzustreichen. Dadurch hatte er einen regelrechten Tunnelblick auf seinen eigenen Vorteil entwickelt und nicht gesehen, wie unorganisiert seine Soldaten ausgeschwärmt waren. Ein Umstand, der Sedrin aber nicht verborgen geblieben war. Sie beschloss sofort, dies auszunutzen und ritt im Slalom um einige Holzstöße herum, die vom Fällen einiger Bäume übriggeblieben sein mussten. Tatsächlich versuchten einige der Imperianer unvorsichtigerweise, ihr zu folgen, was aber mit den Streitwagen nicht möglich war, da die Stöße so dicht zusammenstanden, dass sie zwangsläufig daran hängenblieben. Die Pferde, die ohnehin mit ihrer für sie sehr fremden und damit beängstigenden Situation nicht im Reinen waren, versuchten panisch, sich loszureißen. Sedrin war das nicht entgangen, denn sie hatte es ja in gewisser Weise auch beabsichtigt. Um auch die letzten Verfolger abzuschütteln, schlug sie noch ein paar Haken und sprang sogar über einige Holzstöße hinweg. Dann ließ sie sich rücklinks fallen und rollte sich hinter einen dicken Baum, was auch für ihr Pferd eine große Überraschung war. Da es ihr aber mittlerweile sehr vertraute, folgte es ihr sogar in das Versteck und sah relativ gelassen zu, wie sie seinen fremden Artgenossen sogar noch beim Losreißen half, indem sie mit ihrem Phaser auf Stränge und Zugketten schoss, die sie mit den Streitwagen verbunden hatten. Außer sich vor Angst stoben die Pferde auseinander und galoppierten in alle Richtungen davon.

Der Rekrut und sein Hauptmann waren mit ihrem Streitwagen umgekippt. Unter großen Mühen war es ihnen gelungen, sich aus ihrer Situation zu befreien. Jetzt standen sie in mitten ihrer ratlos dreinschauenden Kameraden und sahen sich bedient um. „Sie hat uns hereingelegt, Hauptmann!“, stellte der Rekrut fest. „Die Unaussprechliche hat uns doch tatsächlich hereingelegt!“ „Das hat sie.“, gab der Hauptmann mürrisch zu und hielt sich sein rechtes Knie, an dem er sich bei dem Unfall verletzt hatte. „Jedenfalls werden wir sie so nicht mehr einholen, wo immer sie jetzt auch sein mag. Aber jetzt müssen wir uns sowieso erst einmal um unsere eigenen Verluste kümmern! Versagt haben wir sowieso schon in Sytanias Augen. Los, sag allen, sie sollen ausschwärmen zum Pferdeeinfangen! Nein, was für ein Debakel! Wie konnte ich auf sie hereinfallen?! Wie konnte ich auf die Unaussprechliche hereinfallen! Egal, wo sie jetzt ist. Wir werden sie so nicht mehr kriegen und das Fohlen erst recht nicht! Oh nein! Welche Schmach! Welche Niederlage! Ich hoffe nur, dass Sytania uns bald einsammelt.“

Sedrin hatte das Wehklagen des Imperianers aus ihrem Versteck heraus, in dem sie bewegungslos verharrt hatte, sehr gut vernehmen können. „Dabei bin ich direkt vor eurer Nase, ihr Strolche!“, hatte sie leise und schadenfroh gegrinst. Dann hatte sie sich zu ihrem Pferd umgedreht, dass hinter ihr stand und sie beschnupperte, als wolle es sie auf ihren Gesundheitszustand untersuchen. „Guter Junge.“, lobte Sedrin leise und langsam in Englisch, von dem sie sicher war, das es nicht von dem Pferd verstanden wurde, aber sie wusste, dass allein der Tonfall zählte. Deshalb gab sie sich große Mühe, sehr freundlich zu klingen. „Danke für dein Vertrauen. Wir kennen uns ja quasi noch gar nicht und du hast trotzdem so fein mitgespielt. Aber ich denke, du wirst gleich noch einmal allen Mut brauchen. Wie ich unsere Feindin kenne, wird sie nämlich bald ihre Leute einsammeln und das könnte noch einmal ungemütlich werden.“

Kaum hatte sie das gesagt, zerriss ein schwarzer Blitz die Luft und die Imperianer und ihre Streitwagen mitsamt den Pferden waren verschwunden. Sedrins Pferd hatte dies zwar mitbekommen, allerdings nur kurz den Kopf gehoben und mit den Ohren gezuckt, um sich dann wieder ihr zuzuwenden, die es mit beiden Händen fest zu kraulen begonnen hatte. „Brav.“, lobte sie und nahm eine Hand von seinem Kopf, um damit in ihre rechte Uniformtasche zu greifen, aus der sie ein weiteres der genannten Leckerchen hervorzauberte, das sie ihm mit den Worten: „Hier hast du.“, offerierte. Der Wallach nahm es vorsichtig von ihrer Hand und ließ es sich schmecken. „So.“, sagte Sedrin und nahm die Zügel etwas unterhalb der Trense in die Hand. „Und nun komm mit!“ Damit führte sie ihn in die Richtung davon, in der sie Illiane und mich mit unseren Pferden zurückgelassen hatte.

Mittels ihrer telekinetischen Kräfte hatte Sytania die Soldaten direkt im Hof ihres Schlosses abgesetzt. Hier stand sie nun mit vor Wut rotem Kopf vor dem Hauptmann, den sie anschrie: „Ich habe alles genau gesehen! Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, du Versager, he?!“ „Es tut mir leid, Milady.“, sagte der Hauptmann leise und senkte beschwichtigend den Kopf. „Ich war wohl etwas kurzsichtig. Das Angebot, die Unaussprechliche für Euch zu fangen, war wohl zu verlockend. Ich hätte eben nicht auf diesen Bengel hören sollen.“ Er warf dem Rekruten, von dessen Plan er noch vor Sekunden so begeistert gewesen war, einen strafenden Blick zu. Jetzt hatte er wohl nichts anderes mehr im Sinn, als nur noch seine eigene Haut zu retten und sich möglichst gut darzustellen. Die Prinzessin aber ging darauf nicht ein und verhörte ihn weiter: „Du machst also einen Rekruten für deine Fehlentscheidungen verantwortlich! Sag mir! Haben die Rekruten etwa in deinem Regiment die Befehlsgewalt?!“ Sie lachte spöttisch auf und sagte: „Das wäre ja ein echtes Novum!“ „Natürlich nicht, Hoheit.“, sagte der Hauptmann. „Die Befehlsgewalt habe immer noch ich. Aber der Kleine hat …“ „Ich will deine Ausflüchte nicht mehr hören!!!“, unterbrach ihn die Königstochter harsch. „Ich bin sie leid und ich bin dich leid. So etwas Undiszipliniertes wie dich dulde ich nicht in meiner Armee. Fällt auf die Honigfalle dieser verdammten Agentin herein wie ein Anfänger und lässt sich von Rekruten die Handlungen diktieren. So jemand ist für mich nichts nütze und nur ein unnützer Esser. Ich werde dich enthaupten lassen vor aller Augen, damit deine Soldaten sehen, wie es jemandem ergeht, der mich enttäuscht!“

Sie blickte sich unter den Soldaten um und zeigte schließlich auf einen: „Du, geh und hole Telzan! Sag ihm, er soll sein schärfstes Schwert mitbringen.“ Der Soldat nickte und lief in Richtung der Garnison der Vendar davon.

Wenig später kehrte er mit Telzan zurück, der tatsächlich ein Schwert in der Hand hielt. „Ich bin informiert, Milady.“, sagte der Vendar mit schon fast tröstender Stimme in Richtung Sytania. Dann fügte er noch hinzu: „Ich werde es kurz machen.“, holte aus und schlug dem Hauptmann ohne mit der Wimper zu zucken den Kopf ab. Der flog quer durch den Hof und das Blut spritzte nach allen Seiten. Der Körper des Hauptmanns fiel zuckend danieder. Dann drehte er sich wieder Sytania zu und sagte: „So! Habt Ihr sonst noch einen Wunsch, Herrin?“ „Nein, Telzan.“, sagte die Königstochter erleichtert und entfernte mittels ihrer Fähigkeiten selbst die Leiche und das Blut. Ihrer Meinung nach sollte beides den Schlosshof nicht länger verschandeln. „Das war eine Augenweide!“, sagte sie dann zu ihrem obersten Vendar und dann zu ihren Soldaten: „Ich hoffe, das war euch eine Lehre!“ Alle nickten verschüchtert und schlichen wieder in ihre Kasernen.

Mausi und ich waren inzwischen auch im Frachtraum des Shuttles angekommen. Hier roch es etwas nach Pferdestall, was ja auch kein Wunder war, denn man hatte den Frachtraum großzügig mit Stroh ausgelegt. In einer Ecke waren sogar eine Tränke und ein Haufen Heu. Das wusste ich, weil ich in aller Ruhe an der Wand entlang gehen und mir somit ein Bild über die Situation machen konnte. Entgegen Illianes Befürchtungen hatte Mausi nämlich fast keine Angst gezeigt. Sie war ob der fremden Umgebung zwar zuerst etwas skeptisch gewesen, was ich an ihrer Kopfhaltung und den Lauten, die sie von sich gab, gut merken konnte, aber dann hatte sie sich sofort wieder entspannt, denn ich hatte den Strick von ihrer Trense gelöst und sie verbal ermutigt, sich die Situation selbst anzusehen. Das war etwas, das sie auch bei ihrem Frauchen durfte und wer war ich schon, dass ich deren Erziehung in Frage stellen konnte? Außerdem profitierte ich ebenfalls davon, denn Fluchttiere wie Pferde flüchteten ja nur vor Situationen, die sie nicht kannten, aber sie waren auch sehr neugierig und Mausi wusste, dass ihre zweibeinigen Leittiere sie bisher nie in Situationen geführt hatten, in denen ihr ein Leid geschehen war. Warum sollte dies also ausgerechnet jetzt anders sein?

Ich hatte sie also mit dem Kommando: „Schau!“ ihre Umgebung erkunden geschickt. Aber eigentlich hatte ich das gar nicht gebraucht, denn sie war schon allein auf Wanderschaft gegangen. Das war kein Wunder, denn ihr Frauchen hatte die hoch intelligente Stute ja auch zum Mitdenken in jeder Situation erzogen. Jetzt ging Mausi langsam hinter mir her und schnupperte hier und dort. Als sie den Heuhaufen entdeckte, begann sie sogar, in aller Gemütsruhe davon zu fressen. „Gewonnen.“, flüsterte ich erleichtert und näherte mich ihr vorsichtig. Dabei sprach ich vor mich hin, damit sie mich hören würde, falls sie so stünde, dass ich von hinten an sie herankam. „Fein machst du das!“, lobte ich, denn ich bewunderte sehr, wie ruhig sie in dieser für sie doch sehr fremden Umgebung war. Da ich aber wusste, dass Pferde, die absolutes Vertrauen in ihren Menschen hatten, sogar für ihn im wahrsten Sinne des Wortes durchs Feuer gingen, Was ich einmal in einem Bericht über eine mittelalterliche Stuntshow mit Pferden gesehen hatte, machte mich das auch sehr stolz auf die eigene Leistung im Hinblick auf den Aufbau unserer Beziehung. Ich musste irgendwas verdammt richtig gemacht haben!

Das Fohlen, das mir gerade bis zur Hüfte reichte, kam jetzt ebenfalls von der anderen Seite zu mir getapst und schmiegte sich an Mausis rechte Seite. Auch seine Angst schien wie weggeblasen. Aber das lag sicher an Mausi, die jetzt extreme Ruhe verströmte.

Leise öffnete sich die Tür zum Frachtraum und zwei Personen betraten diesen. Es waren ein Mann und eine Frau, wie ich an den Schritten unschwer erkennen konnte. Die Schritte des Mannes waren eher schlurfend und die der Frau eher uhrwerkgleich, was für mich nur einen Schluss zuließ. „Hallo, Commander, hallo, Scientist.“, begrüßte ich beide zum Erstaunen von Commander Huxley korrekt. „Woher wissen Sie das denn nun schon wieder, Allrounder Scott?!“, fragte der Amerikaner etwas mürrisch, wie es nun einmal seine Art war. Er erinnerte in seinem Verhalten manchmal stark an Captain Archer. Er war der typische Ami, wie man ihn sich vorstellte.

„Der Allrounder verfügt über ein sehr gutes Gehör.“, erklärte Cupernica statt mir. „Da ihre Welt zum Großteil aus akustischen Eindrücken besteht, sollte es Sie nicht wundern, dass sie solche Dinge so schnell abspeichern und abrufen kann, Sir.“ „Danke, Cupernica.“, sagte Jaden etwas bedient.

„Was tun Sie zwei hier?“, fragte ich. „Wir wollten sehen, wie gut Sie klarkommen.“, sagte Huxley. „Falls Sie und Ihre Mausi das Fohlen nicht hätten beruhigen können.“, fügte Cupernica bei. „Hätte ich es eventuell betäuben müssen. Sein Stresslevel war sehr hoch. Da ich aber nicht genau weiß, ob und in wie weit es überhaupt auf Betäubungsmittel reagieren würde, wollte ich dieses Risiko nicht leichtfertig eingehen und mir diese Option nur für den absoluten Notfall aufheben. Immerhin ist das Fohlen ein halber Mächtiger und ich habe keine Daten, auf die ich zurückgreifen könnte, um Dosen oder die genaue Zusammensetzung der Medikamente zu berechnen. Aber um das einfach auszuprobieren, war mir unser Passagier einfach zu wertvoll. Ich glaube nicht, dass es Logar gefallen hätte, wenn wir ihm irgendwann ein totes Fohlen präsentiert hätten.“ „Dazu wird es ja auch nicht kommen!“, sagte ich zuversichtlich. „Mausi und ich sind ja jetzt da.“ „Oh ja.“, sagte Jaden. „Das sind Sie.“ Dann verließen er und die Androidin wieder den Frachtraum. „Na, Tante Mausi.“, scherzte ich und klopfte meiner Dicken, wie ich sie oft liebevoll nannte, noch einmal den Hals. „Da hast du ja eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe.“ Dann setzte ich mich ganz in der Nähe auf einen Heuballen und beobachtete die Beiden beim Schmusen. Hier würde nichts passieren! Das stand für mich fest.

Dass nichts passieren würde, davon war jemand anderes leider gar nicht überzeugt. Es handelte sich um Illiane, die sich in diesem Moment einer viel haarigeren Situation gegenübersah. Da das Anhalten der Zeit nicht mehr so funktionierte, wie es eigentlich sollte, waren auch Förster und Hund aus ihrer Erstarrung erwacht und hatten sich entlang der Spur des Einhorns, die der Hund tatsächlich aufgenommen hatte, auf Illiane zubewegt. Dann hatte der Förster sie mit schwerem ostfriesischen Akzent auf Deutsch angesprochen: „Hallo, mien Deern. Was machen Sie denn so allein hier? Haben Sie vielleicht das komische Tier gesehen, das ich einfangen soll? Seine Spur führt auf jeden Fall zu Ihnen.“

Starr vor Entsetzen stand Illiane da und brachte kein Wort heraus. Nicht etwa, dass sie ein einziges Wort von dem verstanden hätte, was er gesagt hatte, aber die gesamte Situation machte sie in Angst. Wo sind Sie, Agent, wenn ich Sie brauche?!, dachte sie mit Schrecken. Sie hätte zwar ihren Universalübersetzer heimlich in der Tasche programmieren können, so dass er auch für sie mit ihrer Stimme geantwortet hätte, aber das war ihr alles viel zu gewagt. Deshalb sagte sie nur in Englisch: „Tut mir leid, Sir. Ich bin eine amerikanische Touristin. Ich kann Sie leider nicht verstehen.“

Gerade wollte der Mann anfangen, mit Händen und Füßen mit ihr zu reden, als sein Hund plötzlich begann, verrücktzuspielen. Er rannte herum, schnupperte überall, knurrte von Zeit zu Zeit, sabberte und sträubte das Nackenfell. Der Mann hatte alle Hände voll damit zu tun, ihn wieder unter Kontrolle zu bringen. Illiane konnte sich nicht wirklich erklären, was dafür die Ursache war, obwohl sie auch eine Veränderung der Gerüche in der Luft wahrgenommen hatte. Sie hatte den Eindruck bekommen, es hätte plötzlich halb nach Katze und halb nach läufiger Hündin gerochen. Dann zog sie jemand zu sich und eine bekannte Stimme zischte ihr auf Demetanisch zu, dass alles in Ordnung sei. Dann hörte sie nur noch ein in ein Sprechgerät gezischtes: „Aktivieren, Mr. Takahashi!“, und fand sich kurz darauf neben Sedrin im Cockpit des Shuttles wieder.

Kapitel 4: Endlich nach Hause!

von Visitor

 

„Wo sind Betsy und ihr Pferd?“, wollte Sedrin bald darauf von allen Anwesenden inklusive Illiane wissen. „Im Frachtraum, Jinya.“, sagte Jaden. „Es gab Komplikationen. Wir mussten …“ „Was?!“, fragte die Agentin ihren Ehemann, die wohl glaubte, nicht richtig gehört zu haben. „Sie ist dort in unbekannter Umgebung mit einem über 600 Kilogramm schweren Fluchttier allein, das sie, wenn es Angst hat, schwer verletzen könnte, Vertrauen hin oder her! Wie konntest du dich darauf einlassen, Jaden?! Aber gut. Das kriegen wir schon wieder hin. Jetzt müssen wir erst einmal unsere Spuren verwischen. Mr. Takahashi, erfassen Sie Illianes und mein Pferd auf der Oberfläche und beamen Sie beide auf die Weide. Dann entfernen Sie das Sattelzeug und beamen es an seinen Platz in der Sattelkammer. Illiane, für die interdimensionale Reise brauchen wir unsere beste Pilotin. Ich kümmere mich um die Sache im Frachtraum.“ Damit rauschte sie los nach hinten.

Auf das, was Sedrin dort allerdings zu sehen bekommen sollte, war sie wohl am wenigsten gefasst. Jedenfalls vermittelte sie den Eindruck, als sie sich vom Computer die Tür zum Frachtraum hatte öffnen lassen. Überrascht über den Umstand, dass Mausi und das Fohlen einträchtig nebeneinander standen und ich ganz ruhig auf dem Strohballen saß, hatte sie zunächst einen Schritt rückwärts gemacht, um dann nur zu stammeln: „Computer, Tür blockieren!“ Sie musste nämlich befürchten, falls sie diesen Befehl nicht gab, von der Tür eingeklemmt zu werden, würde sie sich nicht mehr bewegen. Der Sensor würde sie dann nicht mehr wahrnehmen können. Das Sicherheitssystem würde zwar dafür sorgen, dass sie nicht verletzt werden könnte, aber die Erfahrung selbst wäre doch sehr unangenehm.

Mausi hatte sofort bemerkt, dass sich etwas geändert hatte. Sie drehte sich zum Ausgang des Frachtraums und spitzte ihr Maul, um dann ein schallendes Gewieher loszulassen. Diesem folgte ein lautes Prusten. Für mich hörte es sich an, als könne sie sich vor Lachen kaum halten. Ich gebe zu, das ist eine sehr menschliche Interpretation, aber sie sorgte definitiv auch bei mir für Erheiterung. Die sonst immer so taffe Sedrin war auch einmal geplättet! Sie, die sonst in jeder gefährlichen Situation gern das Heft in die Hand nahm, wusste auch einmal nicht, wie ihr eigentlich geschah. Aber auch für mich war Mausis Lautäußerung etwas Neues, da sie eigentlich ein sehr stilles Pferd war und sich selten in dieser Weise zu Wort meldete. Aber wenn, dann hatte sie sicher ihre Gründe. Darin waren sie und ich uns sehr ähnlich.

„Aber Agent.“, sagte ich betont beruhigend, die ich selbst gerade vor einem gigantischen Lachkrampf stand, sie dies aber auf keinen Fall wissen lassen wollte. „Kommen Sie doch herein. Sie werden sehen, es ist alles in Ordnung.“ „Also gut.“, stammelte eine total perplexe Sedrin zurück und wankte zu mir. Derweil befahl sie noch in Richtung des Rechners: „Computer, Blockade der Tür aufheben!“

Sobald sie neben mir war, nahm ich ihre Hand und zog sie zu mir auf den Strohballen. Dann fragte ich: „Ist es möglich, dass Sie etwas verwirrt sind, Agent?“ „Nicht nur etwas.“, gab die Demetanerin zu. „Wie um alles in der Welt haben Sie diese Situation unter Kontrolle bekommen?! Ich meine, Das Fohlen und Mausi müssen doch durch den plötzlichen Ortswechsel ziemliche Angst bekommen haben.“ „Bezüglich des Fohlens muss ich das bestätigen, Madam.“, sagte ich. „Das ist ja auch der Grund, aus dem man Mausi und mich geholt hat. Ihr Mann hat gesagt, es bedürfe dringend einer Beruhigung und ich war sicher, dass diese nur von der Ersatzmutter kommen konnte. Also habe ich veranlasst, dass Mausi und ich hier hergebeamt wurden. Aber Mausi hat ihre Sache sehr gut gemacht! Sie hatte keine Angst, obwohl sie ein Fluchttier ist. Aber Pferde haben nur Angst und flüchten vor dem, was sie nicht kennen. Wenn wir ihnen aber die Möglichkeit geben, ihre Situation für sich selbst zu erfassen und sie uns stark vertrauen, kann es sein, dass sie auch eine fremde Situation annehmen. Wenn wir sagen, das geht, dann glauben sie es uns auch, vorausgesetzt die Beziehung stimmt.“ „Und die stimmt bei Ihnen und Mausi definitiv.“, atmete Sedrin auf. „Sonst hätte sie das ja bestimmt nicht mitgemacht.“ „Davon können Sie ausgehen.“, lächelte ich.

Die Sprechanlage beendete unsere Unterhaltung. Mausi zuckte kurz mit den Ohren, kam dann aber sofort angelaufen und schnupperte sogar neugierig am Lautsprecher. Ich stand auf, nahm sie am Zügel und führte sie wieder auf ihren Platz zurück. „Ich kann ja verstehen, dass du wissen willst, was das ist, Dicke.“, sagte ich beruhigend. „Aber jetzt geht das nicht.“

Während ich mich mit Mausi beschäftigt hatte, war Sedrin zur Anlage gegangen und hatte den Ruf beantwortet. Da die Anlage auf Lautsprecher geschaltet war, konnte auch ich hören, dass Commander Huxley am anderen Ende war. „Ist alles bei euch in Ordnung, Jinya?“, wandte er sich an seine Frau. „Ja, das ist es, Jaden.“, sagte Sedrin. „Allrounder Scott hatte die Situation von Anfang an unter Kontrolle. Sicher hat sie dies auch Mausi zu verdanken, die dank ihrer großen Lebenserfahrung aufgrund ihres hohen Alters nicht so leicht ins Bockshorn zu jagen ist. Aber das kann für uns ja nur gut sein.“ „Mausi!“, lachte der Amerikaner, der jetzt eine Chance sah, ihr endlich einmal Paroli zu bieten. „Du redest doch nicht etwa von jenem ängstlichen Fluchttier, das sie hätte ach so schwer verletzen können, he?“ „Doch, ach, du weißt doch genau, was …“

Ich hatte nach ihr gerufen, denn an der Situation hatte sich etwas geändert. Das Fohlen war zu mir gekommen und ich hatte begonnen, es zu streicheln. Dabei hatte es sich plötzlich hingelegt. Mausi war nur kurz hergekommen und hatte an ihrem Adoptivkind geschnuppert, um sich dann aber genauso schnell wieder ihrem Heu zuzuwenden. Sicher hatte sie gerochen, dass alles in Ordnung war. Auch Sedrin bestätigte dies jetzt, nachdem sie das Fohlen kurz mit ihrem Erfasser gescannt hatte. „Mutter Schicksal, Betsy!“, rief sie aus und lächelte. „Sie haben es niedergeschmust! Es muss sich ja bei Ihnen sehr sicher fühlen. Aber das ist auch sehr gut, wenn man bedenkt, dass wir gleich die interdimensionale Reise antreten werden. Die fremden Geräusche könnten noch einmal zu einem beängstigenden Faktor werden.“ „Das glaube ich nicht, Agent!“, sagte ich fest. „Sie haben sich schon beim letzten Mal geirrt. Ich bin der Meinung, wir können es ruhig riskieren.“ „Also gut.“, sagte Sedrin und nahm die Verbindung wieder auf: „Jaden, wir können. Aber frag Illiane bitte, ob sie sich zutraut, das Shuttle im Schlosspark zu landen. Ich will Mausi und dem Fohlen im Moment nicht noch einen Transport zumuten. Es reicht schon, wenn wir das in Betsys Heimat noch einmal tun müssen.“ „OK.“, sagte Jaden. „Aber St. John hat alles mitbekommen und sie meint, sie kriegt das schon hin.“ „OK.“, sagte Sedrin erleichtert und beendete die Verbindung.

Sie drehte sich zu mir um und setzte sich wieder neben mich. Dann fragte sie: „Haben Sie noch etwas auf dem Herzen? Sie sehen auf jeden Fall so aus.“ „Allerdings.“, bestätigte ich. „Ich würde mich nämlich gern mit Ihnen über Motive unterhalten, Frau Kriminalistin.“ „Über Motive.“, sagte Sedrin. „So, so. Aber dass es nicht um Basteln oder Malen geht, konnte ich mir schon denken. Also, was haben Sie zum Thema Motive beizutragen, Allrounder Scott?“ „Ich denke.“, sagte ich selbstbewusst, „Dass ich Sytanias Motiv kenne, das Fohlen entführt zu haben. Ich glaube, sie wird das mit noch mehr Nachkommen von Kipana und dem Hengst der Herde der Einhörner tun, wenn wir ihr jetzt keinen Riegel vorschieben. Ich denke, dass es ihr Ziel ist, die nächste Generation der Einhörner zu traumatisieren, damit sie sich später nicht mehr trauen, ihre Kräfte zu benutzen. Dann hätte sie freie Bahn und …“ „Moment, Allrounder.“, sagte Sedrin. „Wieso sollten sie sich später nicht mehr trauen, ihre Kräfte zu benutzen?“ „Weil sie sehr wohl merken, auf welchem Weg sie entführt worden sind.“, sagte ich. „Allerdings werden sie auch merken, was danach mit ihnen passiert ist und werden das in ihrem kindlichen Verständnis so abspeichern, dass das Benutzen solcher Kräfte nur zu einer Katastrophe führen kann. Wenn wir dagegen nichts tun, könnte das durchaus so enden, meinen Sie nicht?“

Sedrin überlegte eine Weile. Dann sagte sie: „Mutter Schicksal! Sie könnten Recht haben. Ein kindliches Gemüt denkt ja noch ganz anders als ein Erwachsener. Wenn die Fohlen mit ihrer Entführung durch Sytanias Kräfte Angst und Schrecken verbinden, werden sie später wohl kaum in der Lage sein, frei mit ihrer Macht umzugehen. Noch dazu, weil sie sich ja damals nicht wehren konnten. Immerhin sind sie halb sterblich, was zu einer verzögerten oder schwächeren Ausbildung ihrer Kräfte auch im Erwachsenenalter führen könnte. Ich werde dem Chief-Agent Ihre Theorie vortragen. Ich bin sicher, Tamara wird dem zustimmen. Aber damit sind wir schon beim nächsten Problem. Wenn bei der Paarung nur geschwächte halb sterbliche Wesen herauskommen, warum tut der Hengst das dann? Er ist ja ein pandimensionales Wesen, das lediglich die Gestalt eines Pferdes mit einem Horn auf der Stirn zur Unterbringung des telepathischen Zentrums angenommen hat. Was hat er davon? Vielleicht können Sie, als Hobbyverhaltensforscherin, mir das erklären.“

Jetzt musste ich eine Weile nachdenken. Dann aber entflog es mir plötzlich: „Vorsicht!“ „Was ist?!“, fragte Sedrin alarmiert und sah sich im Raum um. „Hier ist kein Grund, aus dem wir vorsichtig sein sollten, Betsy.“ „Nein!“, sagte ich aufgeregt. „Sie missverstehen mich, Agent! Ich meine, dass er vielleicht befürchtet, dass seine Nachkommen, wenn sie sich nur unter Mächtigen paaren, irgendwann das Maß für die Dinge verlieren und überheblich werden könnten wie Sytania! Wenn ein Teil eines Jeden aber auch verwundbar und sterblich ist, werden sie sich immer wieder daran erinnern, wie empfindlich die Natur ist. Weil sie es ja selbst teilweise sind!“ „Das ist eine sehr gute Theorie, Allrounder!“, rief Sedrin aus. „Und vor allem ist es eine, die sogar vor dem Direktor des wissenschaftlichen Rates der Föderation Bestand haben wird. Direktor Delvok hat nämlich bisher alle anderen Theorien verworfen mit der Begründung, sie seien entweder zu emotional romantisch verklärt, oder zu primitiv sexuell motiviert.“ „Aha.“, sagte ich. „Der meint also, der Hengst hätte weder eine romantische Beziehung zu einer Sterblichen, wie manche Götter in der griechischen Mythologie, noch erregten ihn Sterbliche einfach. Was ist denn sein eigener höchst logischer Vorschlag, Agent, he?“ „Er gibt es nicht zu.“, sagte Sedrin. „Aber zwischen so manchen Zeilen seiner Statements konnte ich lesen, dass er selbst gar keine Idee hat.“ „Na toll.“, sagte ich spöttisch. „Da muss erst eine Hobbyverhaltensvorscherin von der Erde kommen und diesem Vulkanier zeigen, wo der Frosch die Locken hat.“ „Wenn Sie damit ausdrücken wollen, dass Sie die richtige Theorie haben, neige ich dazu, Ihnen zuzustimmen.“, sagte Sedrin. „Jedenfalls klingt das sehr einleuchtend. Sobald wir wieder in Little Federation sind, verspreche ich Ihnen, dass wir gemeinsam ein Schreiben an die Direktion der wissenschaftlichen Abteilung der Föderation aufsetzen werden. Mal sehen, was die dazu meinen. Ich bin sicher, das wird der erste vernünftige Vorschlag sein, den sie seit langem gehört haben!“ „Danke, Agent.“, sagte ich. „Wir müssen Ihnen danken.“, sagte sie. „Es könnte ja so einfach sein. Aber manchmal sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht.“

Die Sprechanlage unterbrach uns. Am anderen Ende war Huxley. „Wir sind im Dunklen Imperium.“, sagte er. „Illiane hat einen Platz zum Landen in der Nähe der Pferdekoppeln ausgemacht. Logars Vendar leuchten ihn bereits für uns aus.“ „Das ist OK, Jaden.“, sagte Sedrin, die zur Anlage gegangen war, um das Gespräch entgegenzunehmen. „Aber wir werden mit Mausi und dem Fohlen einen kleinen Umweg gehen, damit sich Mausi die Gegend ansehen kann, damit sie keine Angst bekommt.“ „Geht klar.“, sagte Commander Huxley flapsig und beendete das Gespräch. „Sie lernen schnell, Agent.“, stellte ich fest. Sedrin lächelte nur.

Bald waren wir sanft auf dem Platz gelandet, den uns die Vendar zugewiesen hatten. Sedrin und ich führten Mausi am Zügel durch die Außenluke des Frachtraums ins Freie. Das Fohlen ging vertrauensvoll hinterdrein. Dabei führte ich Mausi und Sedrin führte mich. Sie hatte allerdings das lange Ende der Zügel in der Hand, damit sie, falls ich stolpern oder Angst bekommen sollte, oder falls das sogar Mausi passieren sollte, sie sofort einfangen und sich später um mich kümmern könnte. In so einem Fall hätte ich nämlich sowohl ihren Arm, als auch die Zügel loslassen müssen, um nicht verletzt zu werden, falls Mausi vor Schreck losrennen sollte. Mausi aber ging ganz ruhig neben uns, als hätte sie ihr ganzes Leben lang nichts anderes gemacht. Hin und wieder nahm sie sogar einen kleinen Snack in Form einer Wiesenblume, was wir ihr durchaus erlaubten. Dies konnte nämlich dem Kennenlernen der Umgebung nur förderlich sein.

Iranach begrüßte uns. „Seid gegrüßt, Betsy El Taria und Sedrin El Demeta.“, sagte sie. „Mein Herr und Dill werden froh sein, ihren Geistern etwas Ruhe gönnen zu können. Ich werde gleich ausrichten, dass ihr da seid.“ „Tu das, Iranach.“, sagte Sedrin. „Aber vielleicht könntest du auch Argus rufen. Wir werden nämlich jemanden brauchen, der uns das Tor zur Koppel öffnet und es wieder schließt, wenn wir es sagen. Wir werden Mausi und ihr Adoptivkind nämlich jetzt trennen müssen.“ „Wie du wünschst, Sedrin El Demeta.“, sagte die Vendar und machte auf dem Absatz kehrt, um ins Schloss zu verschwinden. Sie rief uns nur noch ein: „Bitte wartet hier!“, zu.

Wenig später war sie mit dem Jungen und Logar selbst zurück. „Ich kann nicht glauben, was Iranach mir soeben berichtet hat.“, sagte der Herrscher zwar angestrengt, aber zufrieden. „Ich musste es einfach mit eigenen Augen sehen.“ „Glaubt es ruhig, Milord.“, sagte Sedrin. „Es ist nämlich die Wahrheit.“ Dann sagte sie zu Argus: „Geh bitte vor zur Koppel und stell dich ans Tor. Ruf Kipana und öffne das Tor, wenn wir es dir sagen. Wir kommen nach, sobald sich Kipana von innen nähert.“ „OK, Sedrin.“, sagte der Stallbursche vertrauensvoll und flitzte zum Tor, wo er sogleich nach Kipana rief, die auch gleich angetrabt kam. „Sie kommt!“, rief er dann zu uns zurück. „Wir auch.“, sagte Sedrin und gab mir ein Zeichen, mich mit Mausi in Bewegung zu setzen. „Öffne jetzt bitte langsam das Tor, Argus!“, wies Sedrin den Jungen an. „Wir kommen!“ Argus nickte und tat, was sie gesagt hatte.

Langsam führten wir Mausi auf die Koppel. Das Fohlen, das ihr gefolgt war, sah sofort seine Mutter und galoppierte auf sie zu. Kipana leckte es zur Begrüßung kurz ab und stellte sich dann zwischen Mausi und ihr Kind. „Ja, ja.“, sagte ich beruhigend zu Kipana. „Es ist ja dein Kind. Die Fremde geht ja schon. Dafür sorge ich jetzt.“ Dann führten Sedrin und ich Mausi langsam einige Schritte rückwärts, bis wir die Koppel wieder verlassen hatten. Sedrin wies Argus an, das Tor wieder zu schließen. Mausi schaute zwar noch etwas verwirrt, ließ sich dann aber wieder sehr schnell von mir beruhigen.

Logar hatte uns zwar noch zu einer Feier eingeladen. Aber wir hatten verneint, da wir Mausi und mich ja auch noch zurückbringen mussten. Das geschah auf die gleiche Weise, wie der Hinweg vonstattengegangen war. Bevor Mausi und ich allerdings wieder heruntergebeamt wurden, fragte ich noch: „Agent, Illiane hat mir berichtet, dass sie dem Förster begegnet ist und Sie zu ihrer Rettung einige kleine Stinkbomben fallen lassen haben. Ist das nicht etwas unanständig?“

Sedrin lachte. Sie lachte so schallend, dass ich glatt davon angesteckt wurde. „Mutter Schicksal!“, prustete sie. „Was um alles in der Welt glauben Sie denn, habe ich getan? Ich hatte doch nur zwei kleine Flaschen von Tamara, die ich fallen lassen hatte. In der einen war der Geruchsstoff von Katzen und in der anderen der einer läufigen Hündin.“ „Ach so.“, lachte ich jetzt ebenfalls und hielt mir den Bauch. „Und ich dachte schon. Na, da wird wohl selbst der wohlerzogenste Hund schwach!“ Wir lachten beide und zwar so sehr, dass mir ganz schwindelig wurde. Alles begann sich zu drehen und sich aufzulösen.

Ich fand mich in meinem Bett wieder. Wieder einmal hatte ich nur geträumt. Im ersten Moment hatte ich gar nicht gewusst, wie mir geschah. Wenn also etwas von dieser traumhaften Reitstunde geblieben war, dann sicher ein ziemlich heftiger Huch-Effekt.

ENDE

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