Der Schandfleck

von Visitor
Zusammenfassung:

 

„Lügen haben kurze Beine!“, „Verbrechen zahlt sich nicht aus!“, „Die Vergangenheit holt einen immer wieder ein!“ Und wenn es 800 Jahre dauert. Drei Weisheiten, deren Bedeutung auch Präsidentin Nugura von der Föderation lernen muss, als die Übergabe eines von den Romulanern, politischen Verbündeten seit dem Krieg mit den Formwandlern, entwickelten Waffenkontrollsystems in letzter Sekunde durch eine neue Marionette Sytanias verhindert wird. Dass Sytania die offensichtliche psychische Erkrankung des armen Mannes schamlos ausnutzt und andere Fakten, die alles später in ein anderes Licht rücken könnten, werden erst durch die Tindaraner, Xylianer und andere Verbündete der Föderation aufgedeckt. Ob es Sytania schlussendlich etwas nützt, die Übergabe verhindert zu haben und ob sie ihren üblen Plan, alle Dimensionen auf einen Schlag zu erobern, ausführen kann, lest ihr am besten selbst!


Kategorien: Fanfiction, Fanfiction > Star Trek Charaktere: Keine
Genres: Science Fiction
Herausforderung: Keine
Serie: Keine
Kapitel: 66 Fertiggestellt: Ja Wörter: 367014 Aufgerufen: 320903 Veröffentlicht: 27.10.13 Aktualisiert: 23.01.14

1. Kapitel 1: Geburt eines Meilensteins von Visitor

2. Kapitel 2: Sytania, was nun? von Visitor

3. Kapitel 3: Rettungsversuche von Visitor

4. Kapitel 4: Trügerische Sicherheit von Visitor

5. Kapitel 5: Auf zu neuen Ufern! von Visitor

6. Kapitel 6: Der Heilung so nah? von Visitor

7. Kapitel 7: Schuldzuweisung von Visitor

8. Kapitel 8: Aus den Scherben erwächst neues Grauen von Visitor

9. Kapitel 9: Im Kessel gährt es von Visitor

10. Kapitel 10: Ein verordneter Trost von Visitor

11. Kapitel 11: Der Urlaub vor dem Sturm von Visitor

12. Kapitel 12: Die Hinweise verdichten sich von Visitor

13. Kapitel 13: Honigfalle für Radcliffe von Visitor

14. Kapitel 14: Tcheys Beichte und deren Konsequenz von Visitor

15. Kapitel 15: Trügerische Urlaubsfreuden von Visitor

16. Kapitel 16: Radcliffes Versagen von Visitor

17. Kapitel 17: Ungewöhnliche Wege von Visitor

18. Kapitel 18: Unbequeme Wahrheiten von Visitor

19. Kapitel 19: Agent Mikel, was nun? von Visitor

20. Kapitel 20: Rettungspläne von Visitor

21. Kapitel 21: Schwierige Rettung von Visitor

22. Kapitel 22: Ankunft eines „Eisbrechers“ von Visitor

23. Kapitel 23: Sytanias List von Visitor

24. Kapitel 24: Unverhoffte Heilung von Visitor

25. Kapitel 25: Fröhliche Feiern und finstere Absichten von Visitor

26. Kapitel 26: Spiele ohne Argwohn von Visitor

27. Kapitel 27: Wenn die Bombe platzt von Visitor

28. Kapitel 28: Das rätselhafte Schiff und andere Rätsel von Visitor

29. Kapitel 29: Der Anschlag von Visitor

30. Kapitel 30: Alarmierende Hinweise von Visitor

31. Kapitel 31: Rettungsmanöver von Visitor

32. Kapitel 32: Folgenreiche Wetten von Visitor

33. Kapitel 33: Eine Begegnung, die Weichen stellt von Visitor

34. Kapitel 34: Von Problemen und Geständnissen von Visitor

35. Kapitel 35: Ein ermittlerischer Durchbruch von Visitor

36. Kapitel 36: Radcliffes Bestrafung von Visitor

37. Kapitel 37: Vielversprechende Lösungsansätze von Visitor

38. Kapitel 38: Traurige Gewissheit und neue Pläne von Visitor

39. Kapitel 39: Finstere Aussichten von Visitor

40. Kapitel 40: Telzans Rachepläne von Visitor

41. Kapitel 41: Der Lösung so nah und doch so fern von Visitor

42. Kapitel 42: Dunkle Wolken ziehen auf von Visitor

43. Kapitel 43: Auf zu neuen Taten! von Visitor

44. Kapitel 44: Prinzessin sucht Prinz von Visitor

45. Kapitel 45: Ein weiteres Puzzleteil fügt sich ein von Visitor

46. Kapitel 46: Eine wichtige Schlacht von Visitor

47. Kapitel 47: Entscheidende Aussagen von Visitor

48. Kapitel 48: Rebellische Vorbereitungen von Visitor

49. Kapitel 49: Dolchstoß für die Wahrheit von Visitor

50. Kapitel 50: Die „schwarze“ Hochzeit von Visitor

51. Kapitel 51: Die kindliche Heldin von Visitor

52. Kapitel 52: Auf der Suche von Visitor

53. Kapitel 53: Ein Etappensieg von Visitor

54. Kapitel 54: Ein kühnes Unterfangen von Visitor

55. Kapitel 55: Ein überraschendes Ass im Ärmel von Visitor

56. Kapitel 56: Weitere positive Wendungen von Visitor

57. Kapitel 57: Rettung in letzter Sekunde von Visitor

58. Kapitel 58: Eine unglaubliche Wahrheit von Visitor

59. Kapitel 59: Carusos Urteil von Visitor

60. Kapitel 60: Befreiungsschläge von Visitor

61. Kapitel 61: Das Böse schlägt zurück von Visitor

62. Kapitel 62: Heikle Operationen von Visitor

63. Kapitel 63: Neue Probleme tun sich auf von Visitor

64. Kapitel 64: Radcliffes Heilung von Visitor

65. Kapitel 65: Telzans Irrtum und seine Konsequenzen von Visitor

66. Kapitel 66: Eine dicke Überraschung von Visitor

Kapitel 1: Geburt eines Meilensteins

von Visitor

 

Die Nacht hatte ihren schwarzen Umhang über jene Region der nördlichen romulanischen Hemisphäre gebreitet und sie mit ihren dunklen unheimlichen Armen fest umschlossen, in der sich ein einzelnes freistehendes Gebäude an einer Landstraße befand. Auch in diesem war es dunkel. Nur ein Lichtschein tanzte elfengleich einen Gang auf und ab. Folgte man diesem Lichtschein, der einladend auf eine Tür hinwies, aus der er gekommen sein musste, dann gelangte man in einen Raum. Dabei handelte es sich um ein kleines unscheinbares Labor. Hier saß ein junger Romulaner vor einem Tisch. Der Mann trug strahlendichte Kleidung und war ca. 1,80 m groß. Er hatte braune Haare und einen etwas unordentlichen 3-Tage-Bart. So lange hatte er sich nämlich mindestens nicht rasiert. Auch seine übrige Körperpflege hatte zumeist nur aus einer Katzenwäsche im benachbarten Waschraum am Handwaschbecken bestanden. Tag und Nacht war er im Labor gewesen. Er hatte seiner Vorgesetzten, einer im Rüstungswesen beschäftigten Wissenschaftlerin, versprochen, es nicht eher zu verlassen, bis es eine Lösung für das Problem gab, das beim Bau des von der Regierung beauftragten Waffensystems auf Rosannium-Basis entstanden war. Seine Professorin hatte ihm zwar längst die Weisung erteilt, endlich schlafen zu gehen, der Mann aber hatte sich standhaft geweigert. „Es wird nichts nützen, wenn Sie sich hier die Nächte um die Ohren schlagen, Remus!“, hatte ihm Professor Kimara Toreth versucht, in sein pflichtbewusstes Gewissen zu reden. „Wir experimentieren hier mit sehr gefährlichen Stoffen und es könnte etwas passieren, wenn Sie aus Unachtsamkeit einen Fehler machen!“ „Bitte geben Sie mir noch eine Nacht, Madam.“, hatte Remus um einen Aufschub gebeten. Schließlich hatte sich die streng dreinschauende Professorin damit einverstanden erklärt. „Aber morgen früh gehen Sie nach Hause!“, hatte sie noch angeordnet, bevor sie gegangen war.

Die müden Augen des wissenschaftlichen Assistenten wanderten erneut über den Versuchsaufbau. Dabei handelte es sich um ein Gestell aus Metall, auf dem kristallene Zylinder befestigt waren. Diese waren mit Energieproben telepathischer Wesen gefüllt, die teilweise natürlichen aber auch teilweise replizierten Ursprungs waren. Vor dem Gestell stand eine Art Stativ, auf dem sich ein Phaser befand. Darauf steckte eine Fokussionslinse mit einem Rosannium enthaltenden Kristall in der Mitte. Alle Teile der Versuchsanordnung waren voneinander unabhängig beweglich. Diesen Umstand nutzte Remus jetzt, um mit Hilfe einiger Hebel das Gestell und die Stellung des Phasers so zu verändern, dass ein bestimmter Kristall in den Fokus geriet. In diesem, der rot markiert war, befand sich eine Probe von Sytanias Energie. Der romulanische Geheimdienst hatte sie besorgt. Selbst Remus und Professor Toreth hatten nicht genau gewusst, wie das vonstatten gegangen war, aber es war ihnen auch egal. Nur mussten sie schnell eine Lösung finden, bevor ihnen die Proben ausgingen. Denn von Sytanias Energie hatten sie mit dieser nur noch zwei. Die Professorin würde ausflippen, so befürchtete zumindest Remus, wenn er diese auch noch für Fehlschläge verwenden würde.

Er legte seinen rechten Zeigefinger an den Abzug des Phasers und feuerte. Der eigentliche Strahl traf, wie von Remus beabsichtigt, zwar nur den anvisierten Kristall, aber der versierte wissenschaftliche Assistent wusste, dass sich die Strahlung noch weiter ausbreiten würde. Er ahnte schon, was der Computer ihm gleich sagen würde, denn jeder Kristall war an eine Überwachungseinheit angeschlossen. Trotzdem drehte er sich zum Mikrofon: „Computer, Zustand der Energieproben in allen Kristallen anzeigen! Meldung über Bildschirm und Lautsprecher!“ Es gab ein kurzes Signal und eine weibliche künstliche Stimme las vor: „Kristall Nummer 13893 vollständig entleert. Alle anderen Energieproben weisen Beschädigungen auf.“ „Verdammt!“, fluchte Remus. Dann sagte er: „Computer, Strahlungsprotokoll initiieren, sobald ich das Labor verlassen habe!“ „Ihr Befehl wird ausgeführt.“, kam es nüchtern zurück.

Remus drehte sich zur Tür und entsicherte sie mit seinem biologischen Fingerabdruck. Dann ging er hinaus. Sein nächster Weg führte ihn zu einem öffentlichen Replikator im Flur, von dem er sich ein auf Milch und Kaffee basierendes Kaltgetränk mit Strohhalm servieren ließ. Seit der ca. 800 Jahre andauernden lockeren politischen Beziehung zwischen den Romulanern und der Föderation hatte es auch kulturellen Datenaustausch gegeben. Eines muss man den Terranern lassen., stellte Remus fest. Kaffee kochen können sie. Zumindest besser als die Klingonen.

Er nahm einen großen Schluck aus der Tasse. Im gleichen Augenblick musste er aber wieder an das Experiment denken, das ihn einfach – auch während seiner Pause – nicht los ließ. Er gab einen Seufzer von sich. Dabei hatte er nicht bemerkt, dass er immer noch den Strohhalm zwischen seinen Lippen hielt. Darauf geschah aber was geschehen musste. Genau dort, wo das Ende des Halmes den Grund des bauchigen weißen Glases berührte, stiegen Blasen auf. Diese bildeten sich aber nur dort, wo der durch den Halm geleitete Luftstrom sich seinen Weg durch die Flüssigkeit bahnte. Sie tanzten und wirbelten herum, ein Schauspiel, das Remus sich fasziniert ansah. Er glaubte sogar, sie würden zu ihm sprechen und sagen: „Schau uns an! Schau, wie gut wir tanzen können! wir tanzen dich zur Lösung, jawohl! Zur Lösung tanzen wir dich! Schau genau hin! Ja, schau! Schau!“

Er zog den Halm aus dem Glas und legte ihn zur Seite. Dann schlug er die Hände vor das Gesicht und rief aus: „Remus Meret, du bist total überarbeitet! Jetzt bildest du dir schon ein, dass Flüssigkeitsblasen mit dir sprechen!“

Er beugte sich über das Glas und sah den letzten Blasen dabei zu, wie sie sich auflösten. Dann seufzte er erneut, was jetzt aber zur Folge hatte, dass sich der gesamte Inhalt des Glases zu bewegen begann und nicht nur ein Teil. Remus überkam eine Gänsehaut. Er trat von dem Fensterbrett, auf das er sein Glas gestellt hatte, zurück. Dann betrachtete er es fast ehrfürchtig aus der Ferne, als sei es ein Heiligtum, eine Reliquie einer Gottheit der Wissenschaftler und Laborassistenten, die ihm so einen Lösungsweg aufzeigen wollte. Die Wände des Strohhalms hatten den Strom seiner Atemluft eingedämmt und in eine bestimmte Richtung gelenkt. Ohne den Halm hatte dieser sich ungehindert ausbreiten können. Er ging aufgeregt zum Replikator zurück und replizierte Halme in allen Dicken und Längen. Damit kehrte er zum Glas zurück und steckte sie der Reihe nach hinein. Dann pustete er in jeden und beobachtete die Auswirkungen. Dabei wurde er immer aufgeregter. Was war, wenn es nur an einer entsprechenden Eindämmung fehlte?! Was war, wenn er den Strahl des Phasers durch ein Eindämmungsfeld begrenzen würde, das genau auf die Frequenzen der jeweiligen Probe passte und ihn somit nur genau dort hin lenken würde?! Die anderen Proben müssten dann unberührt bleiben! Plötzlich wusste er genau, was zu tun war. Er würde einen Ring aus Emittern replizieren, die aufgrund ihrer Beschaffenheit auf jede neurale Frequenz der Proben eingestellt werden konnten. Diesen Ring würde er um die Linse legen und aktivieren, nachdem er ihn auf die Probe von Sytanias Energie programmiert hatte. Dann müsste, egal wo der Zylinder mit ihrer Energie wäre, nur er getroffen werden. Alle anderen Proben müssten intakt bleiben. Er musste lächeln, denn ironischerweise hatte ein Verhalten, das Eltern eigentlich jedem Kind verboten, dazu geführt, dass er jetzt als Erwachsener ein hochwissenschaftliches Problem hatte lösen können.

Er goss den Rest seines Getränkes in die Materierückgewinnung und warf das Glas gleich hinterher. Für eine Pause hatte er jetzt keine Zeit mehr. Er musste sofort ausprobieren, was ihm gerade in den Sinn gekommen war. Remus war mit einem Schlag wieder hellwach. Er ging zur nächsten Sprechanlage und gab das Rufzeichen seines eigenen Arbeitsplatzes ein. Dann fragte er: „Computer, ist das Strahlungsprotokoll ausgeführt?“ „Affirmativ.“, kam es sachlich zurück. „Sie können das Labor wieder betreten.“

Er hängte das Mikrofon ein und rannte zur Tür des Labors zurück, die er hastig öffnete. Dann ging er auf direktem Weg zum Replikator und replizierte den erwähnten Ring aus Emittern. Diesen stülpte er über die Fokussionslinse und schloss jeden Emitter an eine Energieversorgung an. Außerdem an die Kontrollen für den Rechner. Dann ging er zum so genannten Giftschrank und nahm aus einem extra gesicherten Fach einen weiteren Zylinder heraus, der ebenfalls nur eine Nummer als Aufschrift trug. Da Remus aber mittlerweile die Katalognummern der einzelnen Proben auswendig konnte, wusste er, dass es nur die letzte Energieprobe von Sytania sein konnte. Er steckte den Zylinder auf und gab die Nummer der neuen Probe in das Programm ein. Dann aktivierte er zuerst die Emitter und stellte sie auf die entsprechende Frequenz ein. Danach drehte er den Phaser absichtlich ein Stück zur Seite und schob die Zylinder wild durcheinander. Dies war ein Härtetest für seine Theorie, das wusste Remus. Aber wenn er sicher sein wollte, dann musste er es darauf ankommen lassen. Beim Betätigen des Phasers schlug ihm das Herz bis zum Hals. Er mochte zwar ähnlich aussehen wie ein Vulkanier, im Gegensatz zu denen hatten aber die Romulaner nie ihre Gefühle unterdrückt.

Das Geräusch des feuernden Phasers ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Eine Weile lang stand er stocksteif da. Erst nach gefühlten 20 Minuten gelang es ihm, sich aus seiner Erstarrung zu lösen. Erneut drehte er sich zum Mikrofon des Rechners: „Computer, ist die neue Probe intakt?“ „Negativ.“, erwiderte die Stimme der künstlichen Intelligenz. „Vom Stand vor diesem Versuch ausgehend.“, gab Remus vor. „Wurden die anderen Proben weiter beeinträchtigt?“ „Negativ.“, sagte der Computer. „Also wurde tatsächlich nur diese Probe getroffen.“, verifizierte Mr. Meret. „Affirmativ.“, antwortete der Computer des Labors.

Der wissenschaftliche Assistent machte einen Sprung in die Luft. „Das ist die beste Antwort, die du mir seit Tagen gegeben hast, meine Liebe!“, rief er erfreut und gab dem Mikrofon des Rechners einen dicken Kuss. „Befehl unklar.“, gab dieser zu verstehen. „Befehl löschen!“, erwiderte Remus. „Verbinde mich mit Professor Toreth auf ihrem privaten Rufzeichen!“ „Befehl wird ausgeführt.“, sagte die Rechnerstimme. Remus ließ während des Wartens die Uhr des Sprechgerätes nicht aus den Augen. Da diese auch eine Kalenderfunktion hatte, konnte er auch das Datum gut sehen. „Drei Tage und vier Nächte durchgearbeitet.“, stellte er leise fest. „Aber es hat sich gelohnt.“

Professor Toreth lag in ihrem großen Haus in ihrem Schlafzimmer im Bett. Sie hatte versucht einzuschlafen und hatte sogar ein Schlafmittel genommen. Aber das ständige Piepen des heimatlichen Sprechgerätes hielt sie jetzt wach. Lange hatte sie versucht, dieses nervige Geräusch zu ignorieren, aber es wollte ihr einfach nicht gelingen. „Na dann auf, Kimara.“, sagte sie zu sich. „Wer immer das ist, der gibt ja sonst keine Ruhe.“

Schwerfällig wälzte sich die ältere Frau mit dem strengen Gesicht, die ca. 1,70 m maß und normale romulanische Nachtkleidung trug, aus ihrem schönen warmen Bett. Dann befahl ihre durchdringende und etwas schrill wirkende Stimme in Richtung eines beleuchteten Mikrofons: „Computer, Licht!“ Ein Signal und ein Surren sowie das sich Erhellen des Raumes kündeten von der Ausführung des Befehls. Kimara öffnete langsam die Augen und trat vom Bett weg. Ihr Weg führte die schwarzhaarige Romulanerin aus ihrem Schlafzimmer in den Flur. Hier sah sie auch gleich die Signalleuchte des Sprechgerätes und das ebenfalls gut beleuchtete Display, auf dem sie das Rufzeichen ihres Arbeitsplatzes erkennen konnte. „Was ist denn, Remus?!“, nahm sie das Gespräch sehr unwirsch entgegen. „Ich habe es geschafft, Professor!“, freute sich ihr Assistent am anderen Ende der Verbindung. „Wovon reden Sie, Remus?!“, fragte Kimara streng, die wohl noch nicht ganz wach war. „Die Waffe.“, erklärte Remus knapp. „Das Rosannium ist gebändigt.“ „Was reden Sie da?!“, fragte Professor Toreth. „Stammeln Sie gefälligst nicht herum wie ein Schuljunge! Und lassen Sie diese theatralischen Einlagen! Wir sind schließlich keine Cardassianer, die das nötig hätten, um andere Fehlleistungen zu kaschieren!“ „Bitte, Professor.“, entgegnete Remus. „Ich werde es Ihnen zeigen. Bitte kommen Sie her.“ „Worauf Sie sich verlassen können.“, gab Toreth zurück. „Schließlich will ich wissen, warum Sie mich zu dieser Zeit aus dem Bett klingeln! Ich ziehe mir nur etwas Anständiges an und dann bin ich unterwegs!“ „Sie werden es nicht bereuen, Professor.“, sagte Remus zuversichtlich und beendete die Verbindung.

Auf Terra in meiner Heimatstadt Little Federation war das Zuzugs- und Umzugsfieber ausgebrochen, so schien es wenigstens. D/4, die seit langem in der Stadt wohnte und arbeitete, war von ihrem alten Haus, das sie einem demetanischen Paar vermacht hatte, das eine Familie gründen wollte, in deren altes kleineres Haus gezogen, das sie inseriert hatten. Da Geld ja im 30. Jahrhundert nicht mehr existierte, war der Häusertausch bald perfekt. Außerdem fand die Sonde den Umstand ideal, dass sie jetzt sowohl zu Mikel, als auch zu mir eine gewisse örtliche Nähe hatte, was ihr ermöglichte, von Zeit zu Zeit einmal bei uns vorbeizuschauen und uns ihre Hilfe anzubieten, falls wir sie brauchen würden. Ihr Hang dazu, andere Wesen betreuen zu wollen, kam vielleicht daher, weil sie eben eine Sonde der Untergruppe D war, die im System für die Betreuung unausgereifter Sonden oder auch mal für die hilfebedürftiger Bioeinheiten zuständig war. Sie konnte eben nicht aus ihrer Haut.

Hinter ihrem Zaun auf ihrem neuen Grundstück in der Picard Avenue beobachtete sie, die ihre Habe mittels des eigenen Transporters in ihr neues Domizil verbracht hatte, einen schwarzen Jeep, der von einem weiteren rot lackierten großen Lastfahrzeug begleitet wurde. Die Fahrzeuge waren jetzt in die Picard Avenue eingebogen, die die Sisko Road und die Kirk Street miteinander verband. In der Sisko Road lebte ich und in der Kirk Street wohnte Mikel. Jetzt waren sie auf dem Nachbargrundstück von D/4’s Haus zum Stehen gekommen und eine Familie war dem kleineren Personenwagen entstiegen. Die Sonde wurde eines großen schlanken Mannes ansichtig, den ihre optischen Sensoren sofort als 1,90 m messenden Terraner mittleren Alters katalogisierten. Er hatte schwarzes Haar, trug ein rotes Hemd, eine blaue Hose aus Jeans und leicht abgewetzte braune Straßenschuhe. Neben ihm ging eine mit ihren 1,60 deutlich kleinere Zeonide, deren lange gelbe Haare sich von ihrem elegant wirkenden weißen Sommerkleid farblich abhoben. Sie trug bunte Sandalen. Dahinter wuselte jetzt ein kleiner Junge heran, der nicht älter als fünf Jahre zu sein schien. Auch er war in Alltagskleidung gehüllt und hatte einen kurzen für Jungen typischen schwarzen Putz. „Ist das unser neues Zuhause?!“, quietschte der Kleine aufgeregt und zeigte auf die Haustür. „Ja, Malcolm.“, sagte die Mutter mild. „Hier wohnen wir ab jetzt.“ „Oh, fein!“, rief Malcolm und schaute sich um. Dabei entdeckte er auch D/4 hinter ihrem Zaun. Erschrocken beschloss er, sich ein Versteck zu suchen.

Der Vater war inzwischen an den Laster herangetreten und hatte mit dessen Fahrer, einem etwas untersetzten Celsianer mit rotem Haar, einige Worte gewechselt. Die beiden Klingonen, die ihn begleitet hatten, sahen beide jetzt erwartungsvoll an. „Na dann, Jungs!“, ordnete der Celsianer an und stieg aus dem Fahrerhaus. Dann deutete er auf die Ladefläche und sagte: „Baut schon mal den Transporter auf. Dann können uns Radcliffes gleich am Bildschirm sagen, wo sie alles hinhaben wollen!“ „OK, Boss!“, nickten die Klingonen und machten sich ans Werk.

Malcolm, der sich auf der Ladefläche des Fahrzeugs versteckt hatte, machte sich ganz klein. Er hoffte, dass ihn niemand entdecken würde. Schon gar nicht die, vor der er eine solche Angst hatte. Aber der, von dem er dann schlussendlich doch gefunden wurde, bereitete ihm eher Trost. Es war nämlich Caruso, der auf seiner täglichen Tour auch an jenem Ereignis vorbeigekommen war. Neugierig sprang der Kater auf die Ladefläche und schlich laut schnurrend zu Malcolm. Dann begrüßte er ihn mit seinem allen sehr gut bekannten: „Min-Mang.“ „Hi, Mieze.“, flüsterte ihm der Junge zu. „Wir müssen ganz leise sein. Sonst bemerkt sie uns noch und assi … dingst uns. Wenn wir uns nicht bewegen, dann kann sie uns nicht sehen.“

Anhand der medizinischen Werte des Kindes hatte D/4 ablesen können, dass es wohl sehr viel Angst haben musste. Dass die Xylianer des Öfteren immer noch von manchem Zivilisten mit den Borg verwechselt wurden, war für die Sonde nichts Neues. Sie überlegte gerade, wie sie dem Kind die Angst nehmen konnte, da betätigte sich Caruso bereits als Eisbrecher. Er sprang in einem riesigen Satz von der Ladefläche über den Zaun und landete direkt neben der Sonde, die einen Behälter aus einer Tasche an ihrer Kleidung zog, aus dem eine Katzenbürste zum Vorschein kam. Diese hatte sie sich extra angeschafft. Caruso und sie waren nämlich inzwischen öfter verabredet gewesen. Caruso setzte sich vor D/4 hin und schmachtete sie an. Dann warf er sich auf den Rücken und zeigte ihr seinen Bauch. Dabei räkelte er sich und schnurrte und schnurrte. D/4 begann damit, in gleichmäßigen und ruhigen Bewegungen mit der Bürste über sein Fell zu gehen.

Die Klingonen hatten den Transporter mittlerweile aufgebaut und der Celsianer hatte ihre Arbeit kontrolliert. Dann hatte er sich an den Monitor gesetzt. „Mr. Tilus, können wir mit Malcolms Möbeln anfangen?“, fragte die helle freundliche Stimme der Ehefrau und Mutter in Richtung des Celsianers gewandt. „Aber sicher doch.“, sagte dieser schmissig. „Dann holen S’e den kleinen Mann doch gleich mal her, damit er uns sagen kann, wohin alles soll. Wo is’ er denn?“

Erschrocken warf Mrs. Radcliffe den Kopf herum, denn erst jetzt war ihr aufgefallen, dass ihr Sohn wie vom Erdboden verschluckt schien. Auch Tilus und die beiden Klingonen sowie Mr. Radcliffe, der Professor der Archäologie war, sahen sich um. Dann deutete einer der Klingonen auf die Ladefläche: „Boss?“ Tilus wandte den Blick vom Schirm und der Stelle zu, auf die sein Untergebener gezeigt hatte. „Tatsächlich!“, rief er aus. Dann stand er auf und ging um das Fahrzeug herum. Mit lächelndem Gesicht beugte er sich über den Jungen, der herzzerreißend zu weinen begonnen hatte. „Kuckuck, Malcolm.“, machte Tilus und hob den kleinen Jungen auf seinen Arm. „Willst du dem großen Onkel mal sagen, was dich so traurig macht?“ „Die, die Mieze.“, stammelte Malcolm schluchzend. „Die Borgfrau hat die Mieze.“

Tilus setzte ihn ab. „Also.“, sagte er. „Der Onkel sieht aber hier keine Borg. Außerdem sind die seit ca. 800 Jahren Geschichte. Zeig dem Onkel doch mal, was du meinst, hm?“

Malcolm zeigte auf D/4, die immer noch mit dem Bürsten Carusos beschäftigt war. „Ach die.“, lachte Tilus und prustete einige Male. „Das is’ keine Borg, das is’ ’ne Xylianerin. Die kenn’ ich. Das is’ ’ne Liebe. Wenn die Borg is’, dann bin ich der Kaiser von China! Aber da sich die zwei Herzen da in meinem Gesicht gerade nich’ in Schlitzaugen verwandelt haben, stimmt das ja wohl nich’. Komm, nimm den Onkel Tilus mal an der Patschhand. Der geht jetz’ mit dir da rüber und zeigt dir, was die Tante D/4 für ’ne Liebe is’ und dass du vor ihr keine Angst haben musst. Kuck mal, wie lieb die mit der Mieze is’. Ach warte mal.“

Er winkte einem der Klingonen, der beide flankierte. „So hat der kleine Schatz sicher noch weniger Angst.“, begründete er. Dann gingen alle drei hinüber zu der Sonde, die den ganzen Aufzug staunend beobachtet hatte. „Tilus.“, erkannte D/4 nüchtern, als ihr der Celsianer seine Hand zur Begrüßung hinstreckte. „Jawohl.“, flapste der Celsianer zurück. „Und das is’ Malcolm Radcliffe, ’n Kunde von mir. Der hatte ’ne Wahnsinnsangst vor Ihnen.“ „Deine Angst ist unnötig, Malcolm Radcliffe.“, tröstete die Sonde. „Ich habe nicht die Absicht, dir Schaden zuzufügen.“ „Sie werden mich also nich’ ass… Dings?!“, fragte Malcolm erstaunt. „Negativ.“, erwiderte die Xylianerin. „Ich habe dich untersucht, aber mehr geschieht nicht. Das machen wir Xylianer. Wir untersuchen alles, was uns neugierig macht. Aber warum sollten wir es zerstören? Davon hätten wir doch nichts. Auch Caruso hat keine Angst vor mir. Wenn ich böse wäre, dann würde er um mich bestimmt einen großen Bogen machen und sich nicht so verhalten, wie er es jetzt tut. Aber ich glaube auch, dass ich weiß, was dich trösten wird. Magst du Schokoküsse?“ „Ich mag den Schaum nich’.“, sagte Malcolm. „Der is’ so pelzig im Mund.“

D/4 sah Tilus fragend an. „Vielleicht versuchen wir es mit Eis statt Schaum.“, flüsterte ihr der Celsianer in ihr Mikrofon. „Ich könnte Ihren Replikator sicher entsprechend programmieren.“ Die Sonde nickte und schickte sich an, Mr. Tilus mit in ihr Haus zu nehmen. „Wir kommen gleich wieder, Malcolm.“, sagte er noch im Gehen. „Inzwischen kann dir die Mieze ja erzählen, was für ein Gebirgsmassiv D Bürstenstrich 4 bei ihr im Brett hat. Das is’ weitaus mehr, als nur ’n Stein.“ „OK.“, erwiderte Malcolm erleichtert.

Wenig später waren die Sonde und der Celsianer mit einem Tablett mit Kaffee und einem Teller mit einem riesigen Schokokuss zurück. Der Kaffee und das Geschirr waren für mehrere Personen ausgelegt. Auch eine Schale mit Keksen gab es. Tilus pfiff durch die Zähne: „Jungs, Pause! Und bringt die Familie mit!“

D/4 führte alle zu einer Wiese hinter ihrem Haus, auf der ein Gartentisch und Stühle standen. Dann teilte sie aus und vergaß auch nicht, Malcolm auf den Umstand hinzuweisen, dass der Schokokuss kalt war. Caruso sprang auf D/4’s Schoß, sofort nachdem diese sich gesetzt hatte. Die Sonde hatte sich so platziert, dass Malcolm und sie Caruso gemeinsam streicheln konnten. „Also, wenn die Mieze dich mag.“, schmatzte der Junge, der mit großem Genuss seinen Kuss verspeiste. „Dann mag ich dich, glaub’ ich, auch. „Weißt du vielleicht, wie die Mieze heißt?“ „Seine Kennung lautet Caruso.“, antwortete die Sonde. „Und meine vollständige Kennung lautet eigentlich Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe. Aber in Anbetracht der unausgereiften Entwicklung deines Gehirns sollten wir sie konfigurieren, damit es für dich leichter ist. Du kannst mich Tante D nennen.“ „Danke, Tante D.“, sagte der Junge und fügte hinzu: „Und meine vollständige Kennung lautet Malcolm Radcliffe drittes Mitglied der Untergruppe Radcliffe.“ „Du begreifst schnell.“, lobte die Sonde erstaunt. „Oh, ja.“, bestätigte Professor Radcliffe. „Mein Sohn ist ein helles Köpfchen. Nur mit dem sportlichen Ehrgeiz hapert es.“ „Nathaniel!“, zischte ihm seine Frau zu und stieß ihm ihren Ellenbogen in die Seite. „Warum, Nayale.“, flüsterte Professor Radcliffe zurück. „Ich sage doch nur die Wahrheit.“ „Ich werde sicher noch genug Gelegenheit haben, Ihren Sohn weiter zu untersuchen und Daten über ihn zu sammeln.“, sagte die Sonde diplomatisch, denn sie hatte festgestellt, dass sich Malcolm bei diesem Gespräch sichtlich unwohl zu fühlen schien. „Genau.“, bestätigte Tilus. „Wir sollten auch langsam zu Potte kommen. Schließlich wird es bald Abend.“ Die erwachsenen Radcliffes nickten und bedankten sich noch für die Gastfreundschaft der Sonde, bevor man wieder hinüber ging, um sich dem gemeinsamen Umzugsgeschäft zu widmen. Malcolm aber versprach D/4, sie zukünftig öfter zu besuchen.

Über dem Labor auf Romulus graute bereits der Morgen, als Remus des Jeeps seiner Vorgesetzten ansichtig wurde. Er kannte jenes Fahrzeug, einen weißen 2-Sitzer mit getönten Scheiben, sehr gut. Er hatte erneut das Strahlungsprotokoll vom Computer ausführen lassen, das Experiment aber nicht weiter fortgesetzt. Wie sollte er auch, denn es gab ja keine Probe mehr von Sytania. Er konnte Toreth jetzt nur noch anhand der Reste seines vorherigen Versuches beweisen, dass es funktioniert hatte.

Freudig beobachtete er, wie die Professorin das Fahrzeug auf dem Parkplatz abstellte und sich in Richtung des Gebäudes auf den Weg machte. Sie kommt., dachte er. Sie wird sicher Augen machen!

Kimara betrat das Haus. Unten neben dem Turbolift befand sich eine Sprechanlage, die von der Wissenschaftlerin sogleich benutzt wurde, denn Rosannium war auch für Romulaner nicht ungefährlich, wenn man bedachte, wie viel Ähnlichkeit sie mit den ebenfalls telepathischen Vulkaniern hatten. Zwar war Kimara nicht sehr begeistert von dem Umstand gewesen, dass ihr Assistent sie mitten in der Nacht geweckt hatte, wusste aber dass es dann schon etwas sehr Dringendes sein musste. Er hatte auch von Erfolg geredet, auch wenn er dies sehr theatralisch ausgedrückt hatte, was Toreth im Allgemeinen nicht schätzte, aber immerhin.

Endlich hörte sie die Stimme ihres Assistenten aus der Anlage: „Ja, Professor?“ „Woher wussten Sie, dass ich es bin?“, fragte Kimara. „Das lässt sich nicht schwer erraten, wenn man bedenkt, dass es sich bei dem angezeigten Rufzeichen um das der Flursprechanlage vor dem Turbolift im Eingangsbereich handelt.“, lächelte Remus zurück. „Dass Sie ein helles Köpfchen sind, das weiß ich genau.“, lächelte Kimara, was bei ihr, die im Allgemeinen als sehr mürrisch bekannt war, selten genug vorkam. „Haben Sie die Strahlungsprotokolle ausführen lassen?“, fragte Toreth weiter. „Ja, Professor.“, antwortete Mr. Meret. „Gut.“, sagte Kimara jetzt sehr nüchtern. „Dann komme ich jetzt hoch.“

Sie bestieg den Lift und gab als Fahrziel den dritten Stock an, dann gab sie auf Aufforderung des Rechners einen Sicherheitscode ein, denn das, woran sie und Meret arbeiteten, war sehr geheim genau wie das Labor selbst.

Remus vernahm die Tür der Schleuse. Hier würde sich seine Professorin strahlungsdichte Kleidung anziehen und dann zu ihm kommen, um sich seinen Erfolg anzusehen und erklären zu lassen. Er konnte es kaum erwarten und fühlte sich, wenn er ehrlich war, wie ein kleiner Junge unter dem terranischen Weihnachtsbaum, zumindest dann, wenn er den Dingen Glauben schenken konnte, die ihm terranische Freunde berichtet hatten. Die Zeit, bis sie endlich mit dem Umziehen fertig war, schien für ihn nicht wirklich zu vergehen. Er trat nervös von einem Bein auf das andere.

Endlich öffnete sich die zum Inneren des Labors zeigende Tür der Schleuse und Toreth kam heraus. „Ok, Remus.“, sagte sie. „Was haben wir denn hier?“ „Das will ich Ihnen gern erklären, Professor.“, sagte der wissenschaftliche Assistent und ging zum Tisch mit dem Versuchsaufbau hinüber. Dann stellte er sich davor und begann zu referieren: „Ich habe endlich eine Möglichkeit gefunden, wie wir Rosannium einsetzen können, ohne irgendjemanden sonst, außer den, den wir gefährden wollen, in Mitleidenschaft zu ziehen.“ Dann hielt er inne, um ihre Reaktion abzuwarten. Toreth aber war in einiger Entfernung zum Tisch stehen geblieben und sah ihn jetzt nur an. „Reden Sie weiter, Remus!“, forderte sie ihn auf. „Ich musste dafür allerdings unsere beiden letzten Proben von Sytanias Energie verbrauchen.“, fuhr Remus fort und fühlte sich dabei wie ein Sünder, dem gerade die Beichte abgenommen worden war. „Was mussten Sie!“, empörte sich Toreth. „Haben Sie eine Ahnung, wie lange der Geheimdienst gebraucht hat und wie gefährlich es war, an diese Proben zu kommen?! Wissen Sie eigentlich, wie kostbar die sind?! Ich kann es nicht glauben! Da lässt man Sie einmal allein und Sie verschleudern unseren wertvollsten Rohstoff! Ich hoffe, Sie haben eine gute Erklärung und Rechtfertigung für dieses Verhalten!“

Remus drehte sich ihr zu, räusperte sich und stemmte seine Hände in die Hüften. Dann holte er tief Luft und begann laut und voller Selbstvertrauen: „Ja, die habe ich, Professor! Ich denke, der Erfolg wird mir Recht geben! Nehmen Sie bitte einen Erfasser und scannen Sie den Versuch. Dann werden Sie sehen, dass die Art und Weise, wie er geendet hat, die Verschwendung der Energie in jedem Fall rechtfertigen wird. Außerdem ist genau das geschehen, was wir erreichen wollten! Sie können auch ruhig alle Protokolle vom Computer verlangen! Ich habe nichts zu verbergen!“ „Dann lassen Sie mal sehen.“, sagte Toreth und drehte sich dem Schrank mit den wissenschaftlichen Werkzeugen zu. Aus einem Fach des schwarzen Metallschrankes entnahm sie einen Erfasser und kehrte dann zu Remus zurück, der ihre Aufmerksamkeit stolz mit einem Fingerzeig auf den rot markierten Zylinder lenkte. „Leer.“, stellte Kimara fest. „Aber das haben Sie mir ja schon gesagt. Gibt es hier etwas, das ich noch nicht weiß?“ „Scannen Sie die anderen.“, sagte Remus. „Sie werden sehen, dass sie zwar aus einem älteren Versuch Spuren davongetragen haben, im aktuellen Fall aber nichts mit ihnen passiert ist. Der ältere Versuch fand kurz vor diesem statt und dabei ist der vorletzte Zylinder draufgegangen. Fragen Sie den Computer.“

Kimara ging zu einer Konsole im hinteren Teil des Raumes und machte einige Eingaben. Dann sagte sie, nachdem sie sich das Protokoll durchgelesen hatte: „Sie haben Recht, Remus. Anscheinend ist es Ihnen tatsächlich gelungen, das Rosannium nur die verletzen zu lassen, die es betreffen sollte, zumindest im übertragenen Sinn. Anscheinend konnten Sie dem Rosannium endlich beibringen, wer Freund und wer Feind ist. Wenn sich die Strahlung sonst unkontrolliert im All ausgebreitet hat, wurden alle Telepathen in der Nähe betroffen, aber das ist jetzt offensichtlich vorbei. Aber jetzt verraten Sie mir doch bitte mal, wie Sie das angestellt haben, Sie Strahlenflüsterer.“

Remus zeigte lächelnd auf den Ring aus Emittern. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte Kimara. „Das werde ich Ihnen zeigen, Professor.“, sagte Remus ruhig und fügte hinzu: „Wählen Sie einen Zylinder.“ „Was bitte haben Sie vor?“, fragte die Professorin. „Ich will Ihnen zeigen, was für ein Strahlenflüsterer ich tatsächlich bin.“, grinste Remus. „Na dann!“, sagte Kimara und zeigte auf einen der Zylinder, der ein repliziertes vulkanisches Energiefeld enthielt. „Wie Sie wünschen.“, sagte Remus langsam und fast feierlich, um darauf dem Computer zu befehlen, den Inhalt des Zylinders zu scannen und das Eindämmungsfeld entsprechend zu konfigurieren. Nachdem er dies getan hatte, betätigte Remus den Abzug. Das Aufblitzen des Strahls zerriss das Halbdunkel des Labors und Kimara konnte es kaum erwarten, nach dem Ergebnis zu fragen. „Computer, Status des sich im ausgewählten Zylinder befindenden Feldes!“, forderte sie. „Das Feld wurde vollständig vernichtet.“, antwortete der Rechner. „Wurden die anderen Felder beschädigt?“, fragte Kimara weiter. „Negativ.“, kam es nüchtern zurück.

Sie drehte sich Remus zu, der genau sah, dass sie vor Staunen den Mund nicht mehr zu bekam. „Wie haben Sie das gemacht?“, fragte sie fast etwas stotternd. „Das Geheimnis ist der Ring.“, sagte Remus. „Er besteht aus Emittern, die auf jede Frequenz einstellbar sind. Sie lassen das Rosannium nur in die eine Richtung, Sie verstehen?“ „Wie ein Staudamm.“, staunte Kimara. „Aber wie sind Sie nur darauf gekommen?“ „Beim Kaffeetrinken.“, sagte Remus. „Genauer beim Trinken von terranischem Eiskaffee mit einem Strohhalm.“ „Das müssen Sie mir erzählen!“, sagte Toreth im Befehlston. „Gern.“, lächelte Remus zurück. „Aber wichtiger ist jetzt doch wohl, dass wir dem Senat und der Föderation endlich die versprochene Waffe präsentieren können.“ „Ja.“, bestätigte Kimara. „Sie wissen das nicht, aber die waren kurz davor, uns die Mittel zu streichen, weil wir keine Erfolge vorgewiesen haben.“ „Mit Verlaub, Professor.“, setzte Remus an. „Dann hätte der Senat Nugura keine so vollmundigen Versprechungen machen dürfen!“ Kimara hob drohend den Zeigefinger ihrer rechten Hand, denn regierungskritische Töne waren auf Romulus nach wie vor nicht sehr willkommen. „Ich tue mal, als hätte ich Ihren letzten Satz gar nicht gehört.“, sagte sie.

Sie setzte sich an ihren Schreibtisch: „Dann werde ich mal mit meinem Bericht beginnen. Gehen Sie nach Hause und schlafen Sie sich aus. Sie haben uns heute einen Meilenstein geschaffen, Remus! Einen Meilenstein, jawohl!“ „Vielen Dank, Professor.“, sagte Remus lächelnd und drehte sich Richtung Schleuse.

Kapitel 2: Sytania, was nun?

von Visitor

 

Die Vorgänge im Labor auf Romulus waren Sytanias oberstem Vendar Telzan, der den Kontaktkelch benutzte, um die Geschicke in den beiden mit einander befreundeten Universen der Tindaraner und der Föderation zu beobachten, nicht verborgen geblieben. Er beschloss, darüber sofort mit seiner Herrin zu sprechen und war sofort auf dem Weg in den Thronsaal, wo ihn Sytania bereits erwartete. „Ich habe gespürt, dass dich etwas beunruhigt, mein guter Telzan.“, sagte die Königstochter beruhigend. „Da habt Ihr Recht, Gebieterin!“, erwiderte Telzan im Gegensatz zu ihr sehr aufgeregt. „Ich habe etwas Schreckliches durch den Kontaktkelch beobachtet! Die Götter mögen geben, dass ich den Kelch nur falsch bedient habe, aber …“ „Gib her!“, forderte die imperianische Prinzessin und riss ihm den genannten Gegenstand aus den Händen, um ihn vor sich auf den marmornen Schreibtisch zu stellen. Dann legte sie beide Hände darauf und konzentrierte sich auf Telzans geistige Prägung, denn diese würde ihr zeigen, was er gesehen hatte und sie auch zu genau dem gleichen Bild führen.

Sytania erschauerte, als sie sah, was Telzan ebenfalls gesehen hatte. „Das bedeutet ja.“, stammelte sie. „Dass es jetzt keinen Grund mehr für sie gibt, Rosannium nicht einzusetzen. Bisher mussten sie immer auf eventuelle befreundete Telepathen in ihrer Nähe Rücksicht nehmen oder auf den Umstand, dass eventuell Systeme mit Telepathen, die ihrer Meinung nach unschuldig waren, in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Aber das ist jetzt vorbei, wenn die Romulaner tatsächlich der Föderation diese Waffe geben! Und ich hatte mich schon so darauf gefreut, die Vulkanier oder andere Telepathen als Schutzschilde missbrauchen zu können!“

Telzan, der vor ihrem Thron gestanden hatte, wich instinktiv einige Schritte zurück. „Plant Ihr etwa einen neuen Überfall auf die Föderation, Milady?“, fragte er. „Genau das tue ich!“, sagte Sytania. „Aber um diese Pläne auszuführen, scheine ich mir erst mal den Weg frei machen zu müssen. Es darf auf keinen Fall dazu kommen, dass die Föderation die Waffe bekommt! Die Beziehung zwischen den Romulanern und der Föderation war mir sowieso schon immer ein Dorn im Auge. Nugura und ihr Friedensgesäusel! Die schafft es noch mal, das gesamte Universum auf ihre Seite zu ziehen. Dann stehen alle gegen uns. Es ist doch strategisch viel besser für uns, wenn sich die Sterblichen gegenseitig bekriegen, nicht wahr, Telzan?“ „Milady sprechen sicher die Wahrheit, was unsere strategische Situation angeht.“, sagte Telzan. „Aber Nugura El Fedaria hat die Beziehung mit den Romulanern nicht auf den Weg gebracht. Das war einer ihrer zahlreichen Vorgänger in der Vergangenheit.“ „Hör gefälligst auf, hier in dieser Weise Haare zu spalten!“, wies sie ihn harsch zurecht. „Ich weiß auch, dass sie nicht … Moment … Sieh mit mir durch den Kelch. Wir werden ihn zur Abwechslung aber einmal nicht nach der Zukunft oder der Gegenwart, sondern nach der Vergangenheit fragen. Ich denke, dass hier der Schlüssel zu unserem Erfolg liegen wird, Telzan.“ Sie lachte auf. Telzan, der seine Herrin aber gut genug kannte, um zu wissen, dass Geduld nicht gerade ihre Stärke war, sah sie skeptisch an. „Was schaust du so?“, fragte Sytania. „Darf ich ehrlich zu Eurer Hoheit sein?“, fragte der Vendar. „Aber natürlich.“, keifte sie zurück. „Dann muss ich Euch sagen, dass ich für Euren jetzigen Plan eigentlich keine Chancen sehe, Prinzessin. Ich bezweifle nämlich sehr, dass Ihr die Geduld aufbringen könnt, die nötig sein wird. Ich weiß nicht, wie weit wir in die Vergangenheit sehen müssen. Jeder Tag in der lockeren politischen Beziehung zwischen Romulus und der Föderation könnte wichtig sein und …“ „Du wagst es, mir das ins Gesicht zu sagen?!“, empörte sich Sytania. „Ja, Gebieterin!“, entgegnete Telzan unerschrocken. „Weil es die Wahrheit ist und auch mit ein Grund, warum Ihr an der Föderation und ihren Verbündeten so oft gescheitert seid. Ich weiß, dass ich gerade mit meinem Leben spiele, aber vielleicht ist Euch meine Rede ja auch ein Ansporn. Cirnach hat mir geraten, dass ich versuchen soll, Euch Geduld zu lehren.“ „Sieh an, sieh an.“, sagte Sytania. „Dein holdes Weib steckt also dahinter. Nun, dann wollen wir die liebe Cirnach mal nicht enttäuschen, was? Also dann auf, Telzan! Gib mir deine Hand und lege die andere auf den Fuß des Kelches. Dann werde ich dir zeigen, wie geduldig ich sein kann. Berichte deiner Frau ruhig später davon.“ „Ja, Herrin.“, nickte Telzan und führte aus, was sie ihm soeben befohlen hatte.

Nugura und ihr Sekretär saßen im Büro der Präsidentin zusammen. Nugura hatte ein Schreiben von einer mit der Sache beauftragten Senatorin des Senates der Romulaner vor sich und las Saron den Inhalt laut vor. „Sehr geehrte politische Freundin, Seit heute ist dem Senat bekannt, dass es unseren Wissenschaftlern tatsächlich gelungen ist, eine Waffe auf Rosannium-Basis zu entwickeln, die es erlaubt, sie gezielt gegen einen feindlichen Telepathen einzusetzen, ohne dass Unschuldige gefährdet werden. Diese werden wir in einer feierlichen Zeremonie auf Camp Khitomer an Sie übergeben, wenn es Ihnen ebenfalls so gefällt. Die beiden Wissenschaftler, denen wir diese Waffe verdanken, werden selbstverständlich auch anwesend sein, um die Details klären zu können, welche die Funktionalität der Waffe betreffen. Bitte teilen Sie uns doch mit, ob Sie mit diesen Vorkehrungen einverstanden sind und wann die Zeremonie stattfinden soll. Mit freundlichen Grüßen, Der Senat von Romulus (Senatorin Talera Rakal).“

Nach dem Vorlesen des Schreibens lehnte sich Nugura erwartungsvoll zurück und sah ihren Sekretär an. „Sie wollen sicher wissen, wie ich darüber denke, Madam President.“, schloss der gewitzte Demetaner. „Genau das, Mr. Saron, genau das.“, lächelte Nugura. „Und vielleicht noch, dass Sie mir meinen Terminkalender aufrufen, damit wir gemeinsam schauen können, wann demnächst etwas frei ist. Ich denke, dass wir in Anbetracht der permanenten Bedrohung durch Sytania nicht zu viel Zeit verstreichen lassen sollten.“ „Sofort, Madam.“, nickte Saron und schickte sich an, in sein Büro zu gehen. „Nein, nein.“, hielt sie ihn auf. „Benutzen Sie heute mal meinen Schreibtisch. Schließlich möchte ich auch sehen, wann wir den Meilenstein, das Symbol unserer politischen Freundschaft, in Händen halten werden.“ „Danke, Madam.“, sagte Saron und nahm hinter dem Tisch Platz, um im Computer den Terminkalender der Präsidentin aufzurufen. „Wie wäre der nächste Donnerstag?“, schlug er dann vor, nachdem er eine Weile geblättert hatte. „Ich gebe zu, das ist einen Tag nach dem allgemeinen Erstkontaktstag, der ein gesetzlicher Feiertag ist, Aber…“ „Dann kommen wir ja aus dem Feiern gar nicht mehr heraus, mein guter Saron.“, sagte Nugura. „Aber andererseits ist das ja auch kein Beinbruch, wenn man bedenkt, was wir dafür bekommen. Bedenken Sie nur mal, dass wir Sytania jetzt jede Möglichkeit nehmen können, Telepathen eroberter Planeten in einem eventuellen Krieg als Schutzschilde zu benutzen. Früher mussten wir mit dem Einsatz von Rosannium verdammt vorsichtig sein, aber jetzt ist dies Dank der Romulaner endgültig Vergangenheit. Also gut. Legen Sie den Termin fest auf, sagen wir 12:00 Uhr Mittags Föderationszeit. Dann formulieren Sie bitte auch noch ein Antwortschreiben an den Senat von Romulus, in dem Sie den Termin und mein Einverständnis mitteilen. Sobald die Bestätigung von Romulus eingeht, informieren Sie das Parlament.“ „Wie Sie wünschen, Madam President.“, sagte Saron und stand auf, um nun endgültig ins eigene Büro zurückzukehren und auszuführen, zu was ihn seine Vorgesetzte gerade beauftragt hatte.

Auch auf der Basis von Commander Zirell hatte man von der Situation Kenntnis. Nugura hatte es sich nicht nehmen lassen, ihre politischen Freunde von der Zusammenkunft, der tindaranischen Regierung, selbst zu informieren. Auch mit den Aldanern und allen anderen Verbündeten hatte sie es ähnlich gehandhabt. Jetzt saß Zirell mit Maron, ihrem demetanischen ersten Offizier, in ihrem Bereitschaftsraum zusammen, um mit ihm das zu besprechen, zu dem sie gerade Befehl bekommen hatten. „Ich finde es sehr schmeichelhaft von der Zusammenkunft, uns als Vertretung der Tindaraner zu erlauben, an dieser Konferenz teilzunehmen.“, stellte Maron fest. „Warum schmeichelhaft?“, entgegnete Zirell. „Das ist eigentlich ein ganz normaler Vorgang.“, „Ich meine ja auch nur.“, erklärte Maron. „Weil wir schon zu so vielen Missionen ausgewählt wurden.“

Zirell sah ihm eine Weile in die Augen. Dann lachte sie und meinte: „Du lieber Himmel! Bei allen Göttern, Maron! Du gehst doch nicht etwa davon aus, dass die Kommandanten anderer Basen auf mich eifersüchtig werden könnten.“ Er machte ein erschrockenes Gesicht, aber sie tröstete: „Nein, nein, Maron, ich war nicht in deinem Geist, ohne dich vorher gefragt zu haben. Mach dir darüber keine Sorgen. Dein Verhalten war nur so offensichtlich!“ Sie lachte erneut. „Ich finde das gar nicht lustig, Zirell.“, wandte er ein. „Aber warum denn nicht?“, wollte sie wissen. „Das war doch echt süß von dir, dir um solche Dinge Sorgen zu machen. Aber das ist wohl typisch für euch Demetaner. Aber ich will dir mal was sagen. Wir haben schon so oft die Kastanien für die Zusammenkunft und das gesamte dimensionäre Gefüge aus dem Feuer geholt, dass wir das meiner Meinung nach mehr als verdient haben. Aber ich habe auch gehört, dass dein Volk einen sehr hoch entwickelten Gerechtigkeitssinn besitzt. Vielleicht geht es dir deswegen so sehr gegen die moralische Hutschnur, dass wir schon wieder an so etwas teilnehmen dürfen. Aber du kannst ganz beruhigt sein. Irgendwann sind die anderen auch mal dran. Ich werde Jenna gleich mal sagen, sie soll IDUSA überprüfen. Die Zeremonie ist in zwei Tagen und ich hatte beabsichtigt, dich hinzuschicken. Shimar wird dich hinfliegen.“

Maron bekam einen hoch roten Kopf. Er fühlte sich einerseits geschmeichelt, aber andererseits konnte er auch nicht wirklich verstehen, warum sie das nicht lieber selbst in die Hand nehmen wollte. „Warum schickst du gerade mich?“, wollte der erste Offizier wissen. „Ich gebe zu, ich bin dein Stellvertreter, aber du bist Tindaranerin. Wenn das tindaranische Militär zu etwas eingeladen wird, dann sollte doch meiner Ansicht nach jemand gehen, der auch …“ „Und wie macht ihr es bei der Föderation?“, wollte Zirell spitzfindig wissen. Dabei kam sie Maron vor wie eine Advokatin, die ihm als Angeklagtem eine Straftat unbedingt nachweisen wollte. „Ladet ihr etwa Vertreter jeglicher Rassen ein? Das muss ja ganz schön voll werden bei euren Konferenzen. Ich fürchte, Nugura wird an Camp Khitomer demnächst anbauen müssen. Oder stapelt ihr euch zu vier Mann hoch in den Bänken?“

Jetzt musste auch Maron lachen, denn die Vorstellung löste merkwürdige Bilder in ihm aus. „Nein, Zirell.“, lachte er. „Wenn es dich beruhigt.“, machte sie schließlich einen Vorschlag zur Güte. „Dann kann ich ja Shimar befehlen, mit dir herunterzubeamen.“ „Alles klar.“, erklärte sich Maron erleichtert einverstanden.

Radcliffes hatten eine für D/4 sehr merkwürdig anmutende Anlage in ihrem Garten aufgebaut. Aus den Daten des Systems waren der Sonde zwar Bowlingbahnen im Allgemeinen nicht fremd, sie verstand aber nicht, warum Malcolm fast tagtäglich herkam, um dort zu trainieren, ohne dass sich seine Leistungen signifikant verbesserten. Sie hatte die Diskussionen zwischen dem Jungen und seinem Vater beobachtet, konnte sich aber irgendwie auf die gesamte Situation keinen Reim machen. Alles, was sie vom System über Bowling, speziell mit Kindern, erfahren hatte, war eigentlich, dass es ihnen Spaß bereiten und nicht sie frustrieren sollte. Aber Malcolm schien extrem frustriert, wenn sie ihn so beobachtete. Die Sonde beschloss, ihn in einem Moment, wenn sein Vater gerade nicht anwesend war, darauf anzusprechen. Dieser Moment sollte allerdings früher kommen, als sie ahnte. Wieder einmal hatte Malcolm nur acht Pins mit der eigentlich für Erwachsene konzipierten Kugel umgeworfen, was jeder normale Mensch bereits als eine sehr beachtliche Leistung ansehen würde, aber nicht Mr. Radcliffe. Er packte Malcolm am Kragen und zerrte ihn zu sich, um dann zu schreien: „Acht, nur acht? Wie sollen wir so Solok und sein Team je besiegen, wenn du dir nicht mehr Mühe gibst. Sie haben uns im Baseball geschlagen und ich war ihm auch sonst unterlegen. Dass muss sich ändern, das muss sich ändern, Jake, das muss sich ändern, jawohl! Ich sage dir jetzt etwas, mein Sohn. Entweder, dir gelingt heute noch ein Strike, oder du wirst hier die ganze Nacht trainieren! Hast du mich verstanden?!“ Das arme Kind kassierte noch eine Ohrfeige. Dann ging Mr. Radcliffe ins Haus. Wahrscheinlich musste er einmal einem biologischen Bedürfnis nachgehen.

Eingeschüchtert stand Malcolm da. Die Sonde, die jenes eigenartige Verhalten ihres Nachbarn genau gesehen hatte, nahm sofort Verbindung zu einem Datenlager des Systems auf, um einige Fakten zu klären. Die enge Stellung von Mr. Radcliffes Pupillen war ihr aufgefallen, ein Zeichen, dass er vielleicht unter Drogen gestanden haben konnte. Um ihn genauer zu scannen, hatte ihr die Zeit gefehlt. Sonst hätte sie vielleicht eine andere Erklärung finden können. Aber auch die Daten, die sie zu den Namen Jake und Solok erhielt, wollten einfach keinen Sinn machen. Die Namen fanden im Zusammenhang mit Baseball vor ca. 800 Jahren eine Erwähnung. Sie erfuhr alles über die Rivalität zwischen Sisko und seinem vulkanischen Studienkollegen, aber was hatte das mit Mr. Radcliffe zu tun? Sie beschloss, dieses Rätsel an das gesamte System zu stellen. Vielleicht konnte eine der anderen Sonden ihr bei der Verarbeitung der merkwürdigen Daten assistieren. A/1 würde es schon der richtigen Untergruppe, die für das Erledigen von Detektivarbeit zuständig war, zukommen lassen. Aber da gab es ja noch das Kind! Oder vielleicht wusste ja auch die Mutter etwas!

D/4 verließ das eigene Grundstück, um sich zu den Radcliffes zu begeben. Sie hatte vor, zunächst vorsichtig mit Malcolm über die Sache zu sprechen. Später würde sie auch Nayale zu einem geeigneten Zeitpunkt abpassen. Dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte, das war ihr klar. Sicher war medizinisch etwas mit Mr. Radcliffe nicht in Ordnung. Wenn er nicht zurechnungsfähig war, dann musste ihm unter Umständen das Recht entzogen werden, weiterhin für seinen Sohn zu sorgen. In den Augen der Sonde war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er ihn vielleicht sogar noch gefährden könnte, aber das durfte sie Malcolm auf keinen Fall sagen. Ihre Erfahrungen mit Bioeinheiten hatten sie gelehrt, dass so eine Information ein Kind zu sehr ängstigen würde. Diese Details würde sie sich für das Gespräch mit Nayale aufheben.

Sie schlich zur Bowlingbahn hinüber und sprach den vor sich hin schluchzenden Malcolm an: „Welchem Zweck dient diese Anlage?“ „Meinem Training.“, sagte der Junge traurig. „Definiere.“, sagte die Sonde. „Na ja.“, entgegnete Malcolm. „Ich soll besser im Bowling werden, um so ’n komischen Solok besiegen zu können. Weißt du, Tante D, das passiert immer dann, wenn mein Dad komisch wird.“ „Das konnte ich beobachten.“, bestätigte die Sonde. „Allerdings kann ich dich beruhigen. Solok ist längst tot. Um ihn musst du dich also nicht mehr sorgen. Ist dir aufgefallen, dass dich dein Vater mit der falschen Kennung angesprochen hat?“ Malcolm nickte. Dann sagte er: „Das macht er immer, wenn er komisch wird. Dann nennt er meine Mummy auch Jennifer. Du, Tante D, kannst du mir sagen, warum ich keinen Strike schaffe?“ „Die Anlage und du, ihr werdet examiniert werden.“, antwortete die Sonde und begann zu scannen. Gleich darauf teilte sie Malcolm ihre Ergebnisse mit. „Die Anlage ist aufgrund ihrer momentanen Konfiguration für die Bedienung durch eine Bioeinheit deines körperlichen Entwicklungsstandes ungeeignet. Sie muss konfiguriert werden. Verbleibe an dieser Position! Ich werde die notwendigen Konfigurationen vornehmen und bald zurückkehren.“ Damit ging sie. Sie, der Malcolm noch staunend nachsah. Er hatte zwar nur die Hälfte von dem verstanden, was sie gesagt hatte, aber er war sicher, sie würde ihm helfen. Er konnte ihre Rückkehr kaum erwarten.

Endlich kam sie zurück und präsentierte ihm eine Kugel, die zwar das gleiche Flächenmaß wie die vorherige Kugel hatte, allerdings durch ausgeklügelte Hohlräume in ihrem Inneren viel leichter war. Auch waren ihre Grifflöcher für die Finger erheblich kleiner im Durchmesser, nicht so tief und enger beieinander. Ihren quietschbunten Mantel zierten Motive aus Kinderserien. „Und du glaubst, damit geht es?“, fragte Malcolm. „Das ist korrekt.“, antwortete die Sonde und legte ihm die Kugel auf den Startpunkt. „Probiere es aus, dann wirst du sehen.“

Malcolm wuselte heran und nahm die Kugel auf. Dann holte er aus und ließ sie laufen. Es gab einen lauten Krach und alle 12 Pins lagen danieder. „Wow!“, freute sich Malcolm. „Danke, Tante D!“ „Ich denke, ein Glückwunsch an dich ist jetzt angebracht.“, sagte die Sonde und schüttelte seine Hand: „Gratulation!“ „Danke, Tante D!“, freute sich Malcolm erneut. „Aber ohne deine Hilfe hätte ich das nicht geschafft.“ „Deine Einschätzung ist korrekt.“, entgegnete die Sonde und sah, wie sich das Gesicht des Jungen gleich wieder ängstlich und traurig verzog. „Habe ich die zur Gratulation notwendigen Handlungen nicht korrekt ausgeführt?“, erkundigte sie sich. „Das is’ es nich’.“, schluchzte Malcolm. „Aber mein Dad wird mir die Kugel wegnehmen. Er sagt, dass Soloks Kinder niemals mit so einer leichten Kugel spielen dürfen und dann dürfen wir uns auch keine solche Schwäche leisten.“ „ Das Urteil deines Vaters ist kurzsichtig.“, urteilte die Sonde. „Aber ich denke, er fällt es nur dann, wenn er komisch ist, wie du es definiert hast. Kann man seine normale mentale Funktionalität wieder herstellen?“ „Du meinst, ob man ihn da wieder rausholen kann?“, fragte Malcolm. „Positiv.“, nickte die Sonde. „Mummy schafft das meistens irgendwie.“, sagte Malcolm. „Das ist positiv.“, sagte die Xylianerin. „Dann wird er hoffentlich vernünftigen Argumenten gegenüber wieder zugänglich sein. Aber wenn er nicht einsichtig ist, dann können wir die Kugel auch bei mir im Haus aufbewahren. Ich werde sie dir immer dann geben, wenn du hier bist.“ „Aber was machen wir, wenn du nicht da bist, Tante D?“, fragte Malcolm. „Ich meine, du musst doch sicher auch arbeiten. Was arbeitest du?“ „Ich bin Bereitschaftsärztin an Bord des Rettungsshuttles.“, antwortete sie. „Aber ich werde dir den Code für meine Haustür und das Versteck der Kugel verraten. Dann kannst du jederzeit selbstständig auf sie zugreifen.“

„D/4!“ Eine Frauenstimme hatte ihre Kennung genannt. D/4 drehte sich in die Richtung, aus der sie die Stimme vernommen hatte und wurde Nayale ansichtig. Mit einem ruhigen Gesichtsausdruck kam die junge Frau auf sie zu. „Danke, dass Sie auf meinen Sohn geachtet haben.“, sagte Nayale. „Wissen Sie, mein Mann hatte wieder so einen Anfall. Aber jetzt ist alles wieder gut. Malcolm, es tut Dad sehr leid. Du kannst ruhig wieder ins Haus kommen. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Ach, ich wünschte, sie würden endlich eine Behandlung für ihn finden. Aber bisher gibt es keine.“

„Ich muss mit Ihnen sprechen, Nayale.“, sagte D/4 und zog sie hinter ihren eigenen Zaun. Dann sagte sie: „Ich stellte eine leichte Beschädigung am Körper Ihres Sohnes fest. Diese muss Ihr Mann ihm während seines Anfalles zugefügt haben. Ich gehe davon aus, dass Ihr Kind bei Ihrem Mann gefährdet ist. Seine und die medizinische Situation Ihres Mannes werden von mir beobachtet werden. Sollte ich etwas Derartiges noch einmal sehen, werde ich es den zuständigen Behörden melden!“

Zur Überraschung der Sonde nahm Nayale sie in den Arm und zog sie an sich. „Oh, Gott!!“, sagte sie. „Vielleicht ist es so besser. „Wenn ich Sie gerade richtig verstanden habe, dann hat mein Mann unseren Sohn verletzt. Das zeigt, dass die Anfälle immer schlimmer zu werden scheinen. Es wird auch für mich immer schwieriger, ihn da herauszuholen. Heute musste ich ihn richtig schütteln! Ich könnte mich scheiden lassen, aber das würde ihm sicher auch nicht helfen, wenn sie ihn in eine Klinik stecken. Vielleicht würde es alles nur noch verschlimmern. Es hat ja niemand eine Erklärung …“ Sie begann zu weinen. „Unter Umständen kann ich zu einer Erklärung beitragen.“, sagte D/4 tröstend. „So?“, fragte Nayale. „Sie sind Zivilistin.“, begann die Sonde. „Deshalb halte ich für möglich, dass Sie nicht unbedingt wissen, für wen sich Ihr Mann während dieser Anfälle hält. Aber ich verfüge über diese Daten und werde sie mit Ihnen teilen. Konfigurieren Sie bitte Ihre Systeme für eine verbale Übermittlung. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass er sich für Captain Sisko hält, einen vor 800 Jahren sehr berühmten terranischen Sternenflottenkapitän.“ „Moment.“, sagte Nayale. „Sie sagen, er hält sich für diesen Sisko aus der Vergangenheit? Das ist doch nicht normal! Kennen Sie die Ursache?“ „Die Ursache ist dem gesamten System unbekannt.“, sagte D/4. „Aber Ihre Situation wird von mir beobachtet werden.“ „Danke.“, sagte Nayale und drehte sich fort, um wieder zu ihrem Sohn zurückzukehren.

Telzan und Sytania hatten Stunden vor dem Kontaktkelch verbracht, in denen sie sich bereits 750 Jahre der rund 800 Jahre andauernden politischen Beziehung zwischen den Romulanern und der Föderation angesehen hatten. Bedingt durch diese Tatsache hatten sie die 750 Jahre zwar erheblich gerafft, der Prinzessin ging aber auch dies nicht schnell genug. War es, weil Sytania ohnehin die Probleme und den Alltag der Sterblichen als lästig und läppisch empfand, oder weil sie einfach nur zu ungeduldig war. Jedenfalls zog sie irgendwann einfach frustriert ihre Hände aus Telzans Hand und vom Fuß des Kelches und sah ihren Diener etwas streng an. „Was ist Euch, Herrin?“, fragte Telzan ruhig, der an sich noch Stunden hätte weitermachen können. „Ich bin es leid, Telzan!“, sagte Sytania laut und schon fast wütend. „Ich bin es leid, mir die kleinen lästigen langweiligen Belange der Sterblichen Detail für Detail anzusehen! Es wird nichts dabei herauskommen! Nuguras Vorgänger haben diese verdammte Beziehung so aalglatt und wasserdicht gestrickt, dass wir nichts, aber auch gar nichts, finden werden! Ich dachte, weil Romulus und die Föderation einmal Feinde, ja sogar Todfeinde, waren, würde es leichter werden! Aber anscheinend hat man im Krieg gegen die Formwandler alle Feindschaft vergessen! Die verdammte Konferenz ist in zwei Tagen, auf der die Waffe übergeben werden soll! Bis dahin müssen wir etwas gefunden haben! Wenn uns das nicht gelingt, dann …! Ach!“ Sie warf dem Kelch einen wütenden Blick zu.

Auch Telzan hatte seine Hände von ihr und vom Kelch genommen und war aufgestanden, aber nur, um im gleichen Moment hinter sie zu treten und ihr beruhigend seine große starke rechte Hand auf die Schulter zu legen. Dann näherte er sich ihrem rechten Ohr und flüsterte hinein: „Wir sind verdammt nah dran, Gebieterin. Das spüre ich. Noch einige Sekunden und wir werden fündig sein.“ „Ach was!“, keifte Sytania und stieß ihn fort, um ihn danach mit einem strengen Blick wieder auf seinen Platz zu weisen. „Wir bräuchten einfach mehr Zeit, die wir nicht haben!“, sagte sie. „Sicher könnte ich die Zeit anhalten und dafür sorgen, dass sie nur hier weiterläuft. Aber sämtliche Sensoren würden dann Alarm schlagen. Dann wüssten unsere Feinde, dass ich hier meine Finger im Spiel habe und das wäre nicht gut, nicht wahr?“ „Da sprecht Ihr die Wahrheit, Herrin.“, versuchte Telzan sie zu beschwichtigen. „Aber ich weiß einfach, dass wir sicher nicht mehr lange suchen müssen. Das sagt mir einfach mein Gefühl.“

Sytania lehnte sich auf ihrem Thron zurück, um im gleichen Moment in schallendes Gelächter auszubrechen. „Wer hat denn so was schon mal gehört?!“, schrie sie lachend. „Wenn du eine Frau wärst, dann würde ich ja noch verstehen, wenn du von Intuition redest. Aber von männlicher Intuition habe ich noch nie gehört! Oder gibt es etwa eine Tatsache, die mir entgangen ist, die deine Behauptung untermauern könnte?“ „Nein, Gebieterin.“, musste Telzan zugeben. „Die gibt es leider nicht, aber …“ „Siehst du?“, schnitt sie ihm das Wort ab. „Dann wirst du auch die Güte haben, mich nicht länger mit deinen Schüssen ins Blaue zu nerven!“

Telzan überlegte, wie er sie gleichzeitig versöhnen und für sich einen weiteren Versuch einer Suche herausschlagen konnte. Er wusste, wenn die Prinzessin sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war sie auch nur schwer, oder auch teilweise gar nicht, davon abzubringen. Auch ihre Ungeduld, die er ja laut seiner Frau versuchen sollte zu bekämpfen, war ihr oft sehr stark im Weg gewesen und auch mit ein Grund, aus dem sie so oft von der Föderation und ihren Verbündeten besiegt worden war. Aber Augenblick mal! Sytania wollte die Intuition einer Frau, dann sollte sie diese auch bekommen. Cirnach würde ihrem Mann sicherlich gern bei der Suche behilflich sein. Jetzt musste er Sytania nur noch den Kelch aus dem Kreuz leiern. „Hoheit.“, begann Telzan unterwürfig. „Ich ahne, dass ich Euch vielleicht beim Thema Geduld noch zu viel zugemutet habe. Aber ich bin bereit, dies wieder gutzumachen. Überlasst Cirnach und mir nur den Kelch für diese Nacht. Ich bin überzeugt, dass wir einen Schandfleck in der Beziehung zwischen den Romulanern und der Föderation finden können. Einen, der so schändlich ist, dass die Romulaner der Föderation auf keinen Fall die Waffe geben werden, ja, sie werden sie sogar eher zerstören, als sie in Feindeshand fallen zu lassen.“ „Feindeshand?!!!“, schrie Sytania. „Ah, jetzt weiß ich, wie du darauf kommen kannst, dass es irgendwo etwas gibt, das es nicht geben kann. Du trägst aus irgendeinem Grund eine rosarote Brille und leidest an Realitätsverlust! Die Föderation und Romulus sind die besten Freunde! Wenn du genauer hingesehen hättest, dann wüsstest du das jetzt auch und würdest hier keine solchen Luftschlösser bauen!“ „Deshalb bitte ich Euch ja auch, mir den Kelch zu überlassen.“, bat Telzan. „Dann werde ich entweder Euch beweisen, dass ich richtig liege, oder es wird sich bewahrheiten, was Ihr gesagt habt. Egal wie, es wird uns weiterbringen, wenn Ihr ihn mir überlasst. Gebt mir bitte bis morgen Zeit. Länger werde ich nicht brauchen, Milady. Nur diese eine Nacht. Gebt Cirnach und mir nur diese eine Nacht mit dem Kelch.“

Die imperianische Königstochter legte resigniert die Hände in den Schoß. „Also gut.“, sagte sie mit einem Seufzer in der Stimme. „Wenn du glaubst, dass du und dein Weib wirklich etwas finden könnt, dann nimm ihn und geh!“ Sie schob den Kelch in seine Richtung. Telzan nahm ihn lächelnd auf und drehte sich mit den Worten: „Ihr werdet es nicht bereuen, Gebieterin, Ihr werdet es nicht bereuen.“, zur Tür des Thronsaales, um diesen dann schnellen Schrittes zu verlassen.

Tchey und D/4 waren in der Einsatzzentrale von Rescue One mit der Wartung des Shuttles beschäftigt, die jede Woche einmal anstand. Die Sonde füllte gerade die medizinischen Vorräte auf, während sich die Reptiloide vor dem Computerbildschirm sitzend etwaige Fehlermeldungen des Diagnoseprogramms notierte, um sie danach der technischen Abteilung melden zu können, damit diese notwendige Reparaturen durchführen konnte. Aber von einer Meldung war weit und breit nichts zu sehen, also legte Tchey bald zufrieden das Pad weg, welches sie zuvor auf ihrem Schoß abgelegt hatte. Dann sagte sie leise: „Wow, Lasse, du und dein Team, ihr habt sie aber klasse in Schuss. Sie schnurrt ja wie ein Kätzchen.“ Tcheys Ehemann war nämlich seit kurzem der für das Rettungsshuttle zuständige leitende Ingenieur. Dass seine Frau die zuständige Pilotin war, tat dieser Tatsache keinen Abbruch. Heute, wenn beide nach Hause gekommen wären, würde er sich sogar ein Lob von ihr abholen können. Er wusste aber auch, als er die Stelle annahm, dass sie im anderen Falle keineswegs mit dem Nudelholz in der Tür auf ihn warten würde. Wie erwachsene Menschen beziehungsweise Wesen würden sie darüber reden. Aber Lasse wusste auch, dass er für Rescue One sowieso besondere Verantwortung hatte, denn, sollte ein Einsatz aufgrund eines nicht funktionierenden Shuttles nicht stattfinden können, hing unter Umständen ein Leben daran.

Auch die Sonde war nun mit ihrer Arbeit fertig und gesellte sich zu Tchey ins Cockpit, was die Echsenartige als sehr überraschend empfand. „Nanu, welch’ Glanz in meiner Hütte.“, flapste sie der Xylianerin mit ihrer zuweilen etwas schrill wirkenden hohen Stimme entgegen. Dabei grinste Tchey, so dass ihre langen Zähne gut zu sehen waren. „Um mal in Ihrem Sprachgebrauch zu bleiben.“, sagte sie dann. „Ihr Verhalten ist ungewöhnlich.“ „Ihre Feststellung ist korrekt.“, sagte die Sonde und setzte sich auf den hinteren Sitz. „Kommen Sie ruhig näher.“, bot Tchey ihr den Platz auf dem Copilotensitz an. „Ich werde schon nicht beißen. Außerdem habe ich heute Morgen gut gefrühstückt und keinen Appetit auf künstliche Stoffe.“

Vorsichtig, ja fast zögerlich, nahm die Sonde das Angebot an. Tchey sah ihr erwartungsvoll ins Gesicht, als sie fragte: „Wo drückt denn nun der Schuh?“ „Ich beabsichtige.“, begann die Sonde. „Mit Ihnen Daten über eine komplexe Situation zu teilen.“ „Oh.“, stöhnte Tchey. „Dann wollen wir mal hoffen, dass ich der Komplexität der Daten gewachsen bin. Selber testen kommt immer noch am besten.“ „Dann konfigurieren sie bitte Ihre Systeme für eine verbale Übermittlung.“, forderte D/4 sie auf. „Betrachten Sie sie als konfiguriert.“, erwiderte Tchey, die genau wusste, dass damit nichts anderes gemeint war, als dass sie von D/4 gebeten worden war, ihr zuzuhören. „Es geht um eine offensichtlich gefährdete Protoeinheit.“, begann D/4. „Ich war Zeugin der Ereignisse.“ „Sie haben eine Kindesmisshandlung beobachtet?“, übersetzte Tchey erschrocken. „Das ist korrekt.“, antwortete die Sonde. „Die Gefährdung der Protoeinheit resultiert aus einer mentalen Funktionsstörung des Vaters. ER hält sich meinen Daten zufolge offensichtlich für Captain Benjamin Sisko.“ „Was?!“, fragte Tchey alarmiert. „Hat der noch alle Latten am Zaun?! Aber reden Sie weiter. Ich meine, dass er sich für Sisko hält, ist ja noch keine Misshandlung. Was ist passiert?“ „Er hat während eines solchen Anfalles seinem Sohn einen körperlichen Schaden zugefügt.“, sagte D/4.

Tchey zog Luft durch die Zähne ein und verzog das Gesicht: „Oh, das is’ natürlich was ganz Fieses. Wenn das in einem Anfall von geistiger Umnebelung passiert, dann kann man für nichts garantieren. Waren Sie damit schon beim Jugendamt?“ „Das wäre mein nächster Schritt.“, sagte die Sonde. „Dann gehen wir am besten gleich morgen.“, schlug Tchey vor und rief im Computer den Dienstplan für die nächsten Tage auf. „Ab morgen beginnt sowieso unsere freie Woche und dann haben wir Zeit.“ „Vielen Dank, Tchey.“, sagte D/4 und lächelte sogar.

Telzan war mit dem Kontaktkelch in der Hand in sein Haus in der Nähe des Palastes zurückgekehrt. Erstaunt über diesen Umstand sah ihn Cirnach an. „Was willst du hier mit dem Kelch, mein Ehemann.“, fragte sie. „Ich muss unbedingt etwas Bestimmtes in der Vergangenheit der Föderation finden.“, antwortete Telzan. „Sytania und ich haben es gemeinsam versucht, aber sie ist immer so ungeduldig!“ „Darüber haben wir ja zur Genüge gesprochen.“, erinnerte ihn Cirnach. „Hast du ihr nicht gesagt, dass sie sich im Prinzip jedes Mal selbst besiegt hat, weil sie sich selbst mit der eigenen Ungeduld im Weg stand?“ „Das habe ich versucht, ihr zu verdeutlichen.“, sagte Telzan. „Aber anscheinend kann sie nicht aus ihrer Haut. Ich habe ihr den Kelch abgeluchst, damit wir beide, also du und ich, gemeinsam weitersuchen können. Ich weiß, dass wir schon ganz nah waren, aber sie hat einfach aufgegeben. Ja, sie hat sich sogar über mich lustig gemacht.“

Cirnach setzte sich auf eines der in vendarischen Häusern üblichen Sitzkissen im Wohnzimmer, das beide in der Zwischenzeit betreten hatten und sah ihn an. Dann sagte sie: „Hör mir zu, Telzan. Unsere Herrin mag kein Beispiel an Geduld sein, aber ich bin es dafür um so mehr. Lass uns gemeinsam suchen. Wenn ihr schon so nah dran wart, dann wird es uns ein Leichtes sein, denke ich.“

Telzan atmete erleichtert auf und stellte den Kelch zwischen sich und Cirnach auf den Boden, bevor er sich setzte. Dann legten beide eine Hand auf den Fuß des Kelches und gaben sich die jeweils andere. „Wonach sollen wir suchen?“, fragte Cirnach. „Konzentriere dich auf Sytanias und meine geistige Prägung, Telshanach.“, erwiderte der Vendar sehr zärtlich. Da Vendar auch sich untereinander und erst recht die Anwesenheit von Mächtigen spüren können, sollte dies auch für die sehr neugierige Cirnach kein Problem darstellen. „Ich werde dich schon zu der Stelle führen, die ich meine.“ „Wie du möchtest, Telzan.“, sagte Cirnach und begann mit der Ausführung seiner Anweisung.

Einige Minuten hatten die Vendar so schon still vor dem Kelch verbracht. In diesen Minuten hatten beide das Leben auf Deep Space Nine beobachtet. Allerdings lief alles rückwärts ab. Plötzlich nahm Cirnach ihre Hand vom Kelch und sah ihren Mann aufgeregt an. „Hast du das gesehen, mein Telzan?!“, fragte sie aufgeregt. „Hast du gesehen, dass Sisko, der ach so moralische Sisko, ein Mordkomplott gegen die romulanischen Gesandten geschmiedet hat, um es dann den Formwandlern in die Schuhe zu schieben?“ „Oh, ja, meine geliebte Cirnach. Das habe ich gesehen. Wenn er auch technologisch alles gelöscht haben mag, die Zeit, mein Liebling, die Zeit, sie vergisst es niemals. Jetzt müssen wir uns nur noch etwas überlegen, wie wir dies zu unserem Vorteil nutzen können.“ „Ich wüsste da schon eine Möglichkeit.“, sagte Cirnach, in deren Familie es viele Priesterinnen gegeben hatte. „Mit Göttern und deren Machenschaften kenne ich mich aus.“ „Wie soll uns das helfen?“, fragte Telzan verwirrt, der beim besten Willen nicht verstand, worauf sie hinaus wollte. „Was haben die vendarischen Götter mit der Situation um Sisko zu tun?“ „Nicht unsere Götter.“, erklärte Cirnach. „Ich rede von den bajoranischen Göttern, die sie auch die Propheten nennen. Aber zuerst will ich dir mal was über die Beziehung zwischen Göttern und Sterblichen im Allgemeinen erklären. Du hast das vielleicht nicht so verinnerlicht, weil du nicht sehr gläubig bist. Aber im Allgemeinen ist es so: Sterbliche glauben, dass sie nur mit reinem Gewissen ihren Göttern entgegentreten dürfen. Bei Sisko El Taria kam noch hinzu, dass er selbst ein halber Prophet war. Er mag zwar damals als Mensch gesagt haben, er könne mit dieser Schuld leben, aber das heißt nicht, dass er sie vollends als einen Teil von sich akzeptiert hat. Als er dann also vor seine Verwandten getreten ist, ist ihm in den Sinn gekommen, oder könnte ihm zumindest in den Sinn gekommen sein, dass er nicht rein genug sein könnte, um unter ihnen zu leben. Vielleicht ist er ja als Mensch wiedergeboren worden oder so. Quasi als Strafe! Du verstehst?“ „Oh, meine Frau, meine liebe kluge Frau!“, grinste Telzan und nahm sie fest in den Arm. „Ich glaube, ich weiß, was du sagen willst. Aber allein schaffen wir das nicht. Dazu benötigen wir die Hilfe unserer mächtigen Gebieterin. Aber ich denke, Sytania wird sich darauf einlassen, wenn sie erst einmal sieht, was wir gefunden haben. Bitte begleite mich zum Palast. Dort können wir ihr dann also beweisen, dass sie zu früh aufgegeben hat.“ Cirnach nickte und stand auf. Telzan tat es ihr gleich und nahm auch den Kelch auf. Dann gingen beide in Richtung Schloss davon.

Kapitel 3: Rettungsversuche

von Visitor

 

D/4 hatte ihre Regeneration beendet und ihre Dockingstation verlassen. Dann war sie in ein blaues Sommerkleid und rote Sandalen geschlüpft. Sie hatte zwar eigentlich ihren Körper nicht verhüllen müssen, als Anpassung an die terranische Kultur fand sie dies aber adäquat.

Sie verließ ihr Haus und bog auf den Fußgängerweg ein, als vor ihrer Nase plötzlich ein quietschgrüner Jeep an der nächsten Kreuzung verhinderte, dass sie die Straße überquerte. Die Hand, welche der Sonde zuwinkte, konnte diese einwandfrei identifizieren. „Tchey.“, erkannte sie nüchtern. „Ihre Annahme ist korrekt.“, emittierte Tchey grinsend den Sprachgebrauch der Sonde. Dann sagte sie, während sie auf die Beifahrerseite deutete: „Steigen Sie ein.“ „Dass Sie mich begleiten wollten.“, sagte D/4, als sie einstieg. „War mir bekannt. Aber ich dachte nicht, dass Sie mich abholen würden.“ „Überraschung.“, grinste die Echsenartige, als sie den Jeep in Richtung Enterprise Lane in Bewegung setzte.

Telzan und Cirnach waren auf dem Weg zu Sytanias Thronsaal fast an einer übereifrigen Wache gescheitert, bei der es sich um Dirshan, Telzans jüngsten, aber gewissenhaftesten Novizen, handelte. „Lass deine Waffe stecken, Junge.“, beruhigte Telzan den mit gezogenem Phaser vor ihm und seiner Frau stehenden Jugendlichen. „Wir sind es nur, dein Ausbilder und seine Frau.“ Erleichtert ließ Dirshan die Waffe wieder sinken. „Bitte vergib mir, Ausbilder.“, bat er. „Was soll ich dir vergeben?“, fragte Telzan ruhig. „Soll ich dir etwa deine Aufmerksamkeit vergeben? Ich wüsste nicht, dass dies ein Verbrechen darstellt. Von deiner Sorte müsste es auch unter den bereits ausgebildeten Kriegern viel mehr geben, mein Junge, jawohl. Viel mehr. Und nun melde Cirnach und mich unserer Gebieterin. Sag ihr, wir hätten eine Lösung gefunden, die ihr sicher auch gefallen wird.“ „Ja, Ausbilder.“, nickte Dirshan und öffnete die schwere Tür zum Thronsaal. Dann sagte er laut und deutlich: „Telzan und seine Frau Cirnach, Euer Hoheit!“ „Lass sie eintreten!“, entgegnete Sytania. Der Junge nickte und winkte den beiden erwachsenen Vendar, die sich sofort auf den Weg machten. Er selbst blieb draußen und schloss die Tür wieder hinter ihnen.

Drinnen stellte Telzan den Kelch mit gleichmütigem Gesicht vor Sytania auf dem Schreibtisch ab. „Was soll das also für eine Lösung sein, die ihr da gefunden habt?“, fragte die Prinzessin mit leicht unwirschem Ton. „Milady, wir müssen Euch um etwas bitten.“, begann Cirnach. „Bitte benutzt Eure seherischen Kräfte, um herauszufinden, ob ein gewisser Benjamin Sisko unter Umständen aus dem Reich der Toten, oder besser der Propheten, zurückgekehrt ist. Damit steht und fällt unser gesamter Plan.“ „Ich weiß zwar nicht, wie uns das helfen soll.“, entgegnete Sytania. „Aber weil ihr es seid.“ Damit begann sie, sich auf die ihr eben gestellte Frage zu konzentrieren. Tatsächlich wurde sie bald fündig und grinste ihre Untergebenen zufrieden an. „Oh, ja.“, sagte sie. „Er ist wiedergeboren worden. Nur wie bei allen, denen dies widerfahren ist, erinnert er sich nicht daran, oder zumindest nur manchmal.“ Sie lachte hexenartig. „Und ich glaube, ich weiß auch warum. Der gute Benjamin hatte nämlich kein so wirklich reines Gewissen, als er gestorben ist. Und genau auf diese Sache wollt ihr hinaus, nicht wahr?“ „In der Tat, Gebieterin.“, sagte Telzan. „Diese Sache, wie Ihr es nennt, macht ihn zu einem sehr guten Anwärter auf ein Werkzeug für uns, mit dem wir die Beziehung zwischen den Romulanern und der Föderation empfindlich stören können. Wie wäre es, wenn Ihr einen Gegenstand erschafft, der Eure geistige Prägung enthält und die Botschaft, dass er unbedingt allen die Wahrheit sagen muss. Die dazu notwendigen Kräfte liefert Ihr natürlich gleich mit. Jedes Wesen hat eine gute und eine böse Seite. Wenn Ihr ihn benutzen würdet, um die böse Seite von jedem abzuspalten, dann könnten wir uns diese auch zu Nutze machen. Und …“ „Oh, wie wunderbar perfide, mein lieber Telzan.“, sagte Sytania. „Aber eines nach dem anderen. Zuerst werde ich mich mal um den Gegenstand kümmern.“ Es gab einen schwarzen Blitz und vor ihnen stand ein Kristallkegel mit allerlei seltsam anmutenden Schriftzeichen. „Ich nehme an, die telepathische Botschaft enthält er bereits.“, sagte Cirnach und deutete darauf. „Ich bin doch keine Anfängerin.“, sagte Sytania. „Und nun verstecke ich ihn auf einem Planeten im Niemandsland.“, sagte sie und ließ den Kegel mittels ihrer Kräfte verschwinden. „So.“, sagte sie dann. „Und jetzt kümmere ich mich noch um die Erinnerungen des guten Sisko, oder besser des Professor Radcliffe, wie er jetzt heißt. Er muss ja schließlich wissen, wo er den Kegel finden wird, oder?“ „Selbstverständlich, Gebieterin.“, sagte Telzan und warf ihr einen schmeichelnden Blick zu. „Ich wusste, wir verstehen uns.“, sagte sie und winkte ihm und Cirnach zum Gehen. Beide nickten und verließen den Sal.

D/4 hatte Tchey auf der Fahrt die gesamte Geschichte erzählt, von der sie vorher nur einige Bruchstücke erfahren hatte. „Dass es so schlimm is’.“, sagte die Reptiloide, als sie den Jeep auf dem Parkplatz abstellte. „Jetzt wissen Sie, warum die Situation so komplex ist.“, sagte die Sonde.

Sie betraten das Rathaus von Little Federation und dann einen Turbolift, der sie in den zweiten Stock brachte, in dem sich das Jugendamt befand. Hier zweigten von einem Gang mehrere Zimmer ab, von denen das Erste als Anmeldung ausgewiesen war. In dem Zimmer befand sich ein langer holzfarbener Tresen, hinter dem eine junge Demetanerin auf einem weißen Bürostuhl saß. Sie trug einen weißen Rock, eine rote Bluse und spitze blaue Schuhe. Sie warf den Beiden Besucherinnen einen fragenden Blick zu. „Wir müssen eine Kindesmisshandlung zur Anzeige bringen.“, sagte D/4 ruhig. „Warten Sie bitte einen Augenblick.“, lächelte die junge Frau mit ihrer hellen leisen Stimme und ließ ihren Blick über einen Bildschirm schweifen. Dann sagte sie: „Gehen Sie bitte den Gang weiter herunter zu Raum 201. Mr. Miller kümmert sich dort um Sie.“ „Danke.“, erwiderte die Sonde und winkte Tchey, ihr zu folgen.

Mr. Miller war ein älterer Beamter und mochte es gar nicht, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Das bemerkten Tchey und D/4 auch gleich, nachdem sie ihm die Sache geschildert hatten. „Sind Sie wirklich sicher, dass das alles so passiert ist?“, fragte Miller mit seiner etwas rauchig anmutenden tiefen Stimme. „Ich meine, Professor Radcliffe ist ein angesehener und berühmter Mann in aller Welt und …“ „Tragisch is’ nur, dass er sich für Captain Sisko hält.“, warf Tchey flapsig ein. „Sie hat alles gesehen.“ Damit deutete sie auf D/4. „Und sie hat es auch aufgezeichnet.“ „Das ist so eine Sache.“, sagte Miller. „Die Gerichte streiten darüber ob man die Erinnerungen künstlicher Lebensformen wie Erinnerungen oder wie technische Aufzeichnungen behandeln soll. Die Aufzeichnungen eines technischen Gerätes sind vor einem Gericht nicht aussagekräftig, weil sie theoretisch manipulierbar sind. Wäre sie eine Androidin, oder ein Hologramm, dann wäre die Rechtslage eindeutig zu ihren Gunsten. Aber …“ „Wie bitte, Sie Sesselfurzer?!“, ereiferte sich Tchey. „Es geht hier um Kindesmisshandlung und Sie erzählen mir hier was über die Rechtslage?!“ „Ihr Verhalten ist kontraproduktiv.“, sagte D/4 im Vergleich zu Tchey sehr ruhig und sachlich. „Und Ihres ist duckmäuserisch!“, schrie Tchey zurück. „Negativ.“, antwortete die Sonde. „Sie wissen, dass seine Ausführungen korrekt sind. Im Zugestehen von Rechten für künstliche Lebensformen, seien sie nun erbaut oder wie die Xylianer von natürlicher Herkunft und politische Verbündete der Föderation, ist die Rechtsprechung der Föderation nicht eindeutig. Die Mehrheit der einfachen Bevölkerung hat damit Probleme dank des Borgtraumas und die Politiker wissen das. Deshalb …“ „Borgtrauma!“, lachte Tchey. „Das ist 800 Jahre her!“ „800 Jahre sind offensichtlich nicht genug.“, stellte D/4 fest. Die Sonde ahnte nicht, wie prophetisch ihr letzter Satz in einem anderen Zusammenhang noch sein würde. „Mit Ihrer Aktion erreichen Sie nur, dass er uns negativ gegenüber gesonnen ist.“, klärte sie Tchey auf. „Außerdem hat er gesagt, dass es im Ermessen der zuständigen Richter liegt …“

Plötzlich stand sie auf. „Wir müssen abbrechen.“, erklärte sie, während sie zur Tür ging. „Was ist los?“, fragte Tchey deutlich. „Es ist Nayale Radcliffe.“, sagte D/4. „Ich habe ihr meine persönliche Interlinkfrequenz für den Notfall gegeben.“ „Sie haben sie mit ihrem Sprechgerät sozusagen in Ihren Kopf eingeladen?“, fragte Tchey. Die Sonde nickte. Dann sagte sie alarmiert: „Folgen Sie mir!“ Tchey nickte, warf Mr. Miller noch einen verächtlichen Blick zu, zischte: „Glück gehabt, mein Lieber!“, und sauste hinter der bereits einen erheblichen Vorsprung aufweisenden Xylianerin her.

Ich hätte sonst was drum gegeben, jetzt irgendwo anders, als auf der Sternenbasis 817 zu sein. Sicherlich war dies die Basis, auf der ich stationiert war und auf der ich auch im Normalfall meinen Dienst versah. Aber gerade das durfte ich im Augenblick nicht. Loridana hatte mich sozusagen krankgeschrieben. Aber sie wollte mich weiter beobachten können, um zu erforschen, ob unsere letzte Mission, bei der meine temporale Orientierung ganz schön durcheinander geraten war, psychische oder körperliche Auswirkungen gehabt haben könnte. Dazu gehörten unter anderem auch die allmorgendlichen Gespräche mit ihr. Aber meistens fanden diese eher am späten Vormittag statt, was bedeutete, dass ich in den meisten Fällen ausschlafen konnte, was für mich als Sternenflottenoffizierin an Bord der eigenen Dienststelle wohl sehr ungewöhnlich war. Über meinen sonstigen trostlosen Alltag trösteten mich allenfalls Tcheys tägliche Mails hinweg, in denen sie mir unter der Überschrift: „Neues aus Little Federation“ die neuesten Nachrichten mitteilte. So war ich auch über den etwas schrullig wirkenden Professor Radcliffe und sein kleines Problem informiert. Tchey hatte dies zwar sehr lustig geschildert, aber irgendwas sagte mir, dass uns das Witzeln bald vergehen würde. Heute war keine Mail von ihr gekommen, was ich zunächst als sehr ungewöhnlich empfand. Ich ahnte ja nicht, wie beschäftigt sie war.

Die Sprechanlage riss mich aus meinen Gedanken. Aber ich war auch froh, dass sie meine Langeweile beenden würde und mir auch über die Enttäuschung über die ausgebliebene Mail helfen würde. „Ja.“, antwortete ich flapsig, ohne vorher den Computer um das Vorlesen des Rufzeichens zu ersuchen. „Hier ist Mikel.“, kam es zurück. „Ich bin aber nicht allein. Commander Kissara ist bei mir.“ „Kommt rein.“, entgegnete ich lächelnd. Besuch war das Beste, was mir jetzt passieren konnte. Auch das Abfragen des Rufzeichens hätte nichts genützt. So wie sich die Situation darstellte, hätte der Computer ohnehin nur: „Externe Türsprechanlage.“, gesagt.

Ich befahl dem Rechner also, die Tür zu entriegeln und empfing die Beiden auf dem Flur meines Quartiers. Dann führte ich sie in mein Wohnzimmer, wo ich dem Replikator das Replizieren eines Glases Kölsch, einer Tasse thundarianischer Fleischbrühe und einer Tasse Kaffee in Auftrag gab. „Oh, machen Sie sich keine Mühe, Betsy.“, sagte Kissara. „Wir und vor allem Sie, werden ohnehin nicht zum Austrinken kommen, wenn Sie erst mal hören, was wir Ihnen zu sagen haben.“ „Geht es um meine Befunde?“, fragte ich und musste schlucken. „Hat Loridana etwa festgestellt, dass es mir so schlecht geht, dass ich meine Uniform an den Nagel hängen muss?“ „Dass du immer gleich das Schlimmste vermuten musst.“, sagte Mikel. Dann drehte er sich zu Kissara und flüsterte ihr zu: „Aber so war sie schon in der Schule.“ „Im Gegenteil, Allrounder.“, tröstete Kissara mit ihrer weichen für eine Frau etwas tiefen Stimme, die zuweilen an die deutsche Stimme von Captain Janeway erinnerte. Nur hatte sie noch einen für die Thundarianer typischen katzenartigen Schmelz. „Loridana findet sogar, dass Sie eine Kur verdient haben. Und die sollten Sie am besten in Ihrer Heimat absolvieren. Mikel und ich haben auch ab heute Urlaub. Ich wollte Little Federation immer schon einmal sehen und Mikel und Sie wohnen dort ja sogar.“ „Es gibt nur ein Problem.“, sagte Mikel. „Es ist weit und breit kein Bereitschaftspilot aufzutreiben und meine Kapsel ist sozusagen in Jannings’ Werkstatt.“ „Was hast du wieder gemacht?!“, scherzte ich in Mikels Richtung. „Fiese Experimente mit dem Antrieb? Na ja. Jannings wird sich bestimmt schon die Haare raufen. Aber Lycira und ich haben nichts dagegen, euch zwei mitzunehmen. Nun, dann sollte ich wohl anfangen zu packen.“ „Danke, Betsy.“, sagte Mikel. „Ich freue mich schon! Deine Lycira ist nämlich echt knautschig.“ „Ach, wie süß!“, sagte ich und umarmte Mikel. „Aber deine zeitländische Kapsel ist auch voll cool.“ „Sie kann aber ganz ehrlich gegen Lycira nicht anstinken.“, sagte Mikel mit leicht verschämter Betonung. „Vielleicht schicken dir ja irgendwelche Fremden auch mal ein Schiff.“, tröstete ich. „Das bezweifle ich.“, meinte Mikel. „Lassen wir den Allrounder in Ruhe ihre Koffer packen, Agent!“, rief Kissara, die bereits zur Tür gegangen war. „Wir werden die Unserigen holen und dann schon mal zur Schleuse gehen.“ „Also gut, Ma’am.“, sagte Mikel und folgte ihr. Während des ganzen Packens wurde ich das Gefühl nicht los, dass Mikel und Kissara die Situation absichtlich herbeigeführt hatten. Aber ansprechen sollte ich sie darauf besser nicht, oder erst dann, wenn mir der Zeitpunkt als günstiger erschien.

Tchey hatte den Jeep auf dem Grundstück der Radcliffes zum Stehen gebracht und die Sonde war ausgestiegen. Jetzt offenbarte sich ihr der Grund, aus dem Nayale sie gerufen hatte. Mr. Radcliffe schien sie und den gemeinsamen Sohn über die Wiese zu jagen. Dabei hatte er eine Bowlingkugel in der Hand, die er bedrohlich in Richtung von Nayales Kopf hielt. Dabei schrie er immer wieder mit fast kippender Stimme: „Du hast was mit Solok, Jennifer! Du hast was mit Solok!“

Malcolm hatte die Xylianerin erspäht und rief ängstlich aus: „Tante D, hilf uns!“ Wortlos fasste D/4 den Jungen um die Hüften und hob ihn hoch, um ihn dann auf die Rückbank des Jeeps zu verfrachten, nachdem Tchey, die diese Situation auch erfasst und als gefährlich eingestuft hatte, die Tür per Knopfdruck öffnete. „Verbringen Sie die Protoeinheit an einen sicheren Ort und sorgen Sie für eine Ablenkung!“, wies D/4 sie an. Tchey nickte, aktivierte das Sicherungskraftfeld, das die Funktion eines Gurtes ersetzt, schloss die Tür wieder, startete den Jeep und legte einen Blitzstart hin, der sich gewaschen hatte.

D/4, die zurückgeblieben war, blieb aber auch nicht untätig. Im Gegenteil. Sie schnappte sich Nayales Hand und zog sie dicht an sich. Dabei nahm sie eine bestimmte Position zu einem Haufen Gras ein, der in einer Ecke der Wiese lag. Dann aktivierte sie ihre xylianischen Schutzschilde und dehnte sie um Nayale und sich aus. „Ich bin so froh, dass Sie da sind.“, sagte die junge Zeonide erleichtert. „Mein Mann ist jetzt schon seit Stunden in dem Anfall und ich kriege ihn da nicht raus.“ „Bei mir sind Sie sicher. Ich werde Sie beschützen.“, sagte die Sonde. „Muss das mit den Schilden wirklich sein?“, fragte Nayale mitleidig. „Positiv.“, antwortete D/4.

Radcliffe hatte entdeckt, was mit seiner Frau geschehen war. Jetzt drehte er sich zu den beiden Frauen. D/4 konnte gut jene Stellung der Pupillen erkennen, die sie schon beim ersten Mal darauf gebracht hatte, dass etwas mit dem Professor nicht stimmen konnte. „Hätte ich mir denken können!“, sagte Radcliffe, „Dass sich Solok mit den Borg verbündet, um …Ah!“ Er war an D/4’s Schilden abgeprallt und mit dem Kopf auf dem Boden aufgekommen. Die Intensität des Aufpralls hatte ausgereicht, um ihn bewusstlos werden zu lassen, was nicht zuletzt auch dem Grashaufen zu verdanken war, in den er gefallen war.

Die Sonde senkte ihre Schilde und zog die weinende Nayale noch enger an sich. „Ist er tot?“, fragte die stark geschockte junge Frau. „Negativ.“, tröstete die Sonde. „Ich habe die Intensität meiner Schilde und unsere Positionierung exakt berechnet. Es war nicht meine Absicht, ihn zu töten.“ „Aber Sie wollten sozusagen einen Neustart seiner Systeme veranlassen, um mal in Ihren Worten zu sprechen.“, verstand Nayale. „Offensichtlich wissen Sie ganz genau, was Sie tun.“ „Das ist korrekt.“, sagte die Xylianerin.

Radcliffe schlug die Augen auf, was von D/4 mit Zufriedenheit zur Kenntnis genommen wurde. Er versuchte aufzustehen, aber die Sonde war sofort neben ihm und hielt ihn an den Schultern am Boden. „Nennen Sie zuerst die Kennung Ihrer Frau!“, forderte sie. „Nayale Radcliffe.“, antwortete Radcliffe mit schwacher Stimme. „Nennen Sie die Kennung ihres Sohnes!“, insistierte d/4 weiter. „Malcolm Radcliffe.“, antwortete er. „Und ich bin Professor Nathaniel Radcliffe, wenn Sie es genau wissen wollen.“ „Ihre Kennung lautet also nicht Benjamin Sisko?“, überprüfte D/4. „Nein.“, sagte der Professor und wurde blass. „Ich hatte doch nicht schon wieder einen, oder?“ „Doch.“, sagte Nayale aus dem Hintergrund. „Du hast mich bezichtigt, ein Verhältnis mit einem toten Vulkanier zu haben und der soll die Borg angeheuert haben, Malcolm zu entführen. Du warst total von Sinnen. Fast wie besessen! Du wolltest mich mit einer Bowlingkugel verletzen!“ „Oh, nein!“, rief Radcliffe. „So einen Schwachsinn habe ich behauptet? Das wird ja immer schlimmer mit mir!“ Er begann zu weinen. „Das muss aufhören! Bitte, D/4, machen Sie, dass das aufhört!“ „Meine Fähigkeiten sind limitiert.“, sagte die Sonde. „Solange es keine Erklärung für diese Anfälle gibt, wird auch nichts Sie heilen können.“

Sie drehte sich zu Nayale: „Sie sollten mit der Protoeinheit an einen anderen Ort ziehen. Seine Sicherheit hat Priorität eins.“ „Sie haben sicher Recht.“, sagte Nayale. „Ich werde ihm einfach sagen, wir machen eine Weile Ferien bei Oma in der Kolonie auf dem Mars.“ „Ich denke, das ist adäquat.“, antwortete D/4.

Schluchzend und zitternd saß Malcolm auf der Rückbank von Tcheys Jeep. Der Junge hatte nicht verstanden, was da gerade mit seinem Vater vorgegangen war. Die Entscheidung der Sonde, ihn einfach in ein fremdes Fahrzeug zu verfrachten, hatte noch mehr zu seiner Verwirrung beigetragen. Er wusste nur, dass hier etwas nicht stimmte, was aber die wahren Gründe waren, war ihm noch immer ein Rätsel. Sicher war es auch für einen 6-Jährigen unmöglich, die gesamte Bandbreite der Situation zu erfassen. Er hoffte nur, dass die Fremde, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte, ihm da weiterhelfen konnte. „Wer bist du?“, wendete er sich an Tchey, die den Jeep an einer Ampel angehalten hatte. „Ich bin die Tante Tchey.“, antwortete die Angesprochene. „Die Tante D ist meine Chefin, deshalb habe ich auch gemacht, was sie gesagt hat. Ich bringe dich jetzt in unsere Zentrale. Da zeige ich dir das Cockpit von Rescue One.“ „Cool!“, quietschte Malcolm, dem es angesichts der Aussichten jetzt schon viel besser ging. „Aber warum is’ mein Dad so komisch, Tante Tchey?“ „Dein Dad ist krank.“, antwortete Tchey. Sie wusste aber nicht genau, ob der Junge ihr folgen konnte. Einem 6-Jährigen zu erklären, was mit Mr. Radcliffe los war, fand sie selbst für sich zu kompliziert. Sie hoffte so, dass ich jetzt bei ihnen sein könnte, denn ich würde das sicher irgendwie hinkriegen, wie mir viele Leute schon des Öfteren bescheinigt hatten. Unter diesen Leuten war auch D/4 gewesen, die sehr treffend formuliert hatte: „Zu diesem Zweck sollte man Allrounder Betsy Scott kontaktieren. Ihr Talent, Komplexe Daten für das Verständnis von Protoeinheiten zu konfigurieren, ist in ganz Little Federation unerreicht. Meine Versuche, ihr nachzueifern, waren nicht erfolgreich.“ Deshalb murmelte Tchey jetzt wohl auch: „Wo bist du, wenn man dich braucht, Betsy.“

Die Ampel schaltete um und Tchey setzte den Jeep wieder in Bewegung. Lange würden sie nicht mehr fahren müssen. Sie fragte sich, ob Tom Paris schon einmal ein verstörtes Kind hatte beruhigen müssen. Wenn dies der Fall wäre, dann würde sie im Notfall zumindest auf Daten aus der Vergangenheit zurückgreifen können. Sie konnte ja nicht wissen, was ihre Gedanken an die Vergangenheit noch für ein Wink mit dem Zaunpfahl sein würden. Sie fragte sich, ob D/4 mit der Situation um Radcliffe und seine Frau zurechtkommen würde und was sie mit dem Jungen anstellen könnte, wenn er in der Zentrale alles gesehen hatte und sie immer noch nicht zurück war. Wie würde außerdem das weitere Vorgehen bezüglich Radcliffe aussehen? Was würde geschehen, wenn er in eine Klinik eingewiesen werden müsste? Wie sollte man einem kleinen Kind so etwas beibringen?

Sie waren endlich angekommen, denn aus Tcheys Sicht hatte sich die Straße wie ein Kaugummi unter dem Jeep gezogen. „Na komm.“, lächelte sie Malcolm zu, der inzwischen mit einigen Taschentüchern seine Tränen getrocknet hatte. Dann gingen sie um das Gebäude der Einsatzzentrale herum auf ein freies Gelände, auf dem ein Shuttle stand. „Darf ich vorstellen?“, sagte Tchey flapsig. „Malcolm, das ist Rescue One, Rescue One, das ist Malcolm.“ „Guten Tag, Rescue One. Schön, dich kennen zu lernen.”, sagte Malcolm höflich und lächelnd und strich über die Schiffshülle.

Mittels ihres biologischen Fingerabdrucks öffnete Tchey beide Türen zum Cockpit und forderte Malcolm dann auf, während sie auf die rechte Tür deutete: „Steig ein!“ Bereitwillig folgte der Junge ihrer Aufforderung. Sie selbst stieg links ein. Dann schloss sie per Stimmkommando die Türen wieder. „Was machst du, wenn jetzt ein Einsatz kommt?“, fragte Malcolm. „Der kommt nich’.“, flapste Tchey. „Tante D, Rescue One und ich, wir haben diese Woche frei. Rescue Two übernimmt das.“

Malcolms Blick schweifte über die langen Reihen von Schaltern und Knöpfen. Dabei sah er auch zwei Joysticks. „Wow!“, machte er. „Und damit kommst du klar, Tante Tchey?“ „Jops.“, machte Tchey cool. „Aber natürlich nicht von Anfang an. Dafür musste ich erst mal drei Jahre lernen und vor her mindestens zehn Jahre zur Schule gehen. Aber wenn man erst mal ein System erkennt, is’ das gar nicht so schwer.“

Erneut schaute Malcolm sich die Knöpfe an. Ihre Andeutung hatte alles plötzlich nicht mehr so kompliziert scheinen lassen. Jetzt sah er sich alles Schalttafel für Schalttafel an. Plötzlich quietschte er: „Das Ding kenne ich!“, und zeigte auf die Tafel oben rechts. „Das is’ das Sprechgerät!“ „Voll ins Schwarze!“, grinste Tchey. „Das war ja schon mal ein guter Anfang.“

Grübelnd sah sich Malcolm die beiden Sticks an, die sich doch sehr von allen anderen Knöpfen zu unterscheiden schienen. „Was macht man damit?“, fragte er. „Beweg mal.“, schlug Tchey vor. „Der Antrieb ist nicht aktiv. Es kann gar nichts passieren. Dafür müsste ich erst mal einen bestimmten Schaltschlüssel auf einen bestimmten Zapfen stecken und das habe ich nicht.“ „OK.“, sagte Malcolm und tat, was sie ihm soeben vorgeschlagen hatte. Dabei fiel ihm auf, dass sich der eine Stick nur nach vorn und hinten, der andere nur nach rechts und links bewegen ließ. „Sagst du Rescue One damit, ob sie sinken oder steigen oder nach rechts oder links fliegen soll?“, fragte er. „Genau!“, sagte Tchey. „Dann is’ der Schieberegler sicher wegen der Geschwindigkeit.“, vermutete Malcolm. Tchey nickte und klopfte sich begeistert auf die Schenkel. „Das is’ ja wie bei der Fernsteuerung von meinem Spielzeugschiff.“, sagte Malcolm. „Und was macht die Tafel mit den vielen Zahlen und Buchstaben da drüber?“ „Da kann ich Kurse und Zielplaneten eingeben, wenn ich auf das manuelle Fliegen mal keine Lust habe, oder dann, wenn es nicht geht, weil wir auf Warp sind und damit zu schnell.“, erklärte Tchey kindgerecht. „Kannst du den Schlüssel holen und wir drehen ’ne Runde?“, fragte Malcolm. Tchey räusperte sich. „Bei aller Abenteuerlust.“, sagte sie. „Das darf ich nicht. Dann fliege ich aus meinem Job und dann ist nichts mehr mit Fliegen.“ „Bist du dann traurig?“, fragte Malcolm mit einem mitleidigen Blick. Tchey nickte. Dann sagte sie: „Aber ich hab’ ’ne Idee! Wir gehen zum Simulator im Schulungsraum. Den kann ich so programmieren, dass er sich genau so wie Rescue One benimmt.“ „Oh, fein!“, quietschte Malcolm und wuselte hinter ihr her aus dem Shuttle ins Gebäude, wo sie bald einen großen Raum betraten, in dem sich ein Shuttlesimulator befand. Tchey ging zum Computermikrofon und befahl dem Rechner, das Profil von Rescue One zu laden. Dann kam sie zu Malcolm zurück, der sich bereits an die rechte Tür gestellt hatte, nahm ihn bei der Hand und führte ihn einmal halb um den Simulator herum. „Du fliegst, ich helfe dir.“, sagte sie grinsend. „Ich weiß nich’.“, sagte Malcolm zögerlich. „Na komm, Tiger.“, tröstete Tchey. „Eben hast du doch noch gesagt, es sei wie bei deinem Spielzeugschiff. Du brauchst echt keine Angst zu haben. Erstens ist das nicht real und zweitens ist ja Tante Tchey da. Die holt uns schon wieder aus der Patsche.“ „Na gut.“, sagte Malcolm und stieg in das Shuttle. Tchey tat es ihm auf der rechten Seite gleich.

Ein Blinklicht auf der Schalttafel für das Sprechgerät ließ Malcolm genauer hinsehen und darauf zeigen: „Was is’ das?“ Tchey betrachtete das Display und sagte: „Die Raumkontrolle hat Sehnsucht. Das mache ich. Ist wohl ’n bisschen kompliziert für dich.“ „OK.“, sagte Malcolm und hörte aufmerksam zu, wie Tchey der simulierten Raumkontrolle ihren Flugplan mitteilte. Dann gab sie dem Jungen einen Schaltschlüssel, den Malcolm sofort auf den dazugehörigen Zapfen steckte. „Du lernst schnell.“, stellte sie fest.

Der Antrieb machte ein Geräusch und Malcolm zog den Joystick für die Höhenregelung zu seinem Bauch, aber außer einem kleinen Ruck geschah nichts. „Es geht nich’.“, sagte Malcolm. „Kannst du hoch oder sehr weit springen ohne Anlauf?“, fragte Tchey. „Nein.“, sagte Malcolm. „Siehst du?“, fragte die Reptiloide. „Und genau so braucht sie auch Schub. Aber pass auf, dass sie nicht zu schnell wird. Dann übersteuerst du sie und wir könnten abstürzen.“ Sie deutete auf den Regler für die Geschwindigkeit: „Schieb mal.“

Der Antrieb summte auf und sie hoben tatsächlich vom Boden ab. „Weißt du, was du gerade gemacht hast?“, fragte Tchey stolz. „Du hast gerade ein Shuttle gestartet und das noch nicht mal schlecht!“ „Danke, Tante Tchey.“, lächelte Malcolm. „Und was jetzt?“ „Jetzt steigen wir, bis wir aus der Atmosphäre sind und dann schiebst du den Regler so weit vor, bis im Display ein voller Impuls steht.“, sagte Tchey. „Ich kann noch nich’ so gut lesen.“, sagte Malcolm. „Ich bin gerade erst in die Schule gekommen.“ „OK.“, sagte Tchey. „Dann sage ich dir, wenn es so weit ist.“

Mikel, Kissara und ich hatten uns an der Schleuse getroffen. „Haben Sie Ihrem Schiff schon erklärt, dass Sie Passagiere mitnehmen?“, erkundigte sich mein Commander. „Ja, Ma’am.“, antwortete ich. „Das weiß Lycira bereits. Sie hat sogar gesagt, dass Sie zwei ihr die allerliebsten Passagiere sind.“ „Immer für ein Kompliment gut, deine Lycira.“, wendete sich Mikel an mich.

Jannings kam aus der Tür. „Ihr Schiff ist bereit, Allrounder.“, sagte er. „Danke, Techniker.“, entgegnete ich und winkte meinen beiden Vorgesetzten, mir zu folgen.

Kissara blieb aber plötzlich zurück. „Warten Sie bitte einen Moment.“, sagte sie und begann nervös in ihrer Tasche zu kramen. „Verdammtes Sprechgerät!“, zischte sie. „Ich wünschte, ich hätte das Ding in meinem Quartier gelassen!“

Endlich hatte sie den genannten Gegenstand zutage gefördert. Im Display las sie das Rufzeichen der Stationszentrale ab, in der jetzt Ribanna, meine feste Vertretung, ihren Dienst versah. „Was gibt es, Allrounder.“, fragte sie. „Ich habe Präsidentin Nugura für Sie, Commander.“, sagte die junge dunkelhaarige Indianerin. „Stellen Sie durch!“, befahl Kissara. „Unsere Oberbefehlshaberin sollten wir nicht warten lassen.“ Ribanna nickte und führte ihren Befehl aus. „Hier ist Kissara.“, gab sich selbige zu erkennen. „Gut, dass ich Sie noch erreiche, Commander.“, sagte die Präsidentin und Oberbefehlshaberin der Sternenflotte erleichtert. „Ich wollte, oder besser muss, Ihnen mitteilen, dass Sie und ihre Crew die Ehre haben, die Föderation gemeinsam mit mir bei der Übergabe des Meilensteins zu repräsentieren.“ „Bei der Übergabe von was?“, fragte Kissara verwirrt. „Tut mir leid, Madam President. Ich vermag Ihnen nicht ganz zu folgen.“ „Hören Sie keine Nachrichten, Commander?“, fragte Nugura ernst und fast so, als wollte sie Kissara für ihre scheinbare Unwissenheit bestrafen. „Sprechen Sie etwa von der neuen romulanischen Waffe, Nugura?“, rettete sich Kissara aus der Affäre. „Genau von der rede ich.“, sagte die Präsidentin. „Die Romulaner haben sie so genannt. Es ist ja auch irgendwo die Wahrheit. Aber über Details werden wir noch früh genug informiert werden. Die Romulaner haben vor, sie uns als Zeichen ihrer freundschaftlichen Beziehung zu uns in einem zeremoniellen Akt auf Camp Khitomer zu übergeben. Time und Cinia sind auf Mission und so sind Sie dran.“ „Also gut.“, sagte Kissara. „Wir kommen.“ Damit beendete sie die Verbindung.

„Dann ist der Urlaub wohl gestrichen.“, stellte Mikel fest und schickte sich an, seinen Rollkoffer wieder in die komplett andere Richtung davonzuziehen. „Soll ich …“, begann ich. Aber Kissara fiel mir ins Wort: „Sie sind krank, Allrounder. Sie haben den medizinischen Segen für einen Urlaub. Mikel und ich haben da weniger Glück. Ribanna wird auch weiterhin Ihren Posten übernehmen. Fliegen Sie ruhig zur Erde und gönnen Sie sich ein paar schöne Tage, bevor Ihnen hier die Decke auf den Kopf fällt! Das ist ein Befehl!“ Ich nickte und nahm Jannings’ Hand entgegen, die er mir freundlich mit folgenden Worten hingestreckt hatte: „Kommen Sie. Ich weiß, Sie finden den Weg zu Lycira auch allein, aber dann fängt Ihr Urlaub eben schon etwas früher an. Ich habe gehört, Sie und der Agent müssen den ganzen Tag über konzentriert sein bei allem, was Sie tun, damit Sie nirgendwo anecken und so.“ „Kommt schon in gewisser Weise hin, Techniker.“, lächelte ich. „Deshalb nehme ich Ihre Hilfe auch gern an.“

Er führte mich zu Lyciras Einstiegsluke und schob meinen Koffer hinterher. Doch keine Passagiere, Betsy?, fragte Lycira verwundert, als ich ihr den Gedankenbefehl zum Abdocken gab. „Nein, Lycira.“, erwiderte ich in Gedanken und gleichzeitig laut. „Die zwei wurden in letzter Sekunde abberufen. Sie müssen sich mit Nugura auf einer langweiligen Konferenz herumschlagen.“ Die Ärmsten., dachte Lycira. Da hattest du wohl mehr Glück. „Das kann man wohl sagen.“, erwiderte ich. „Sobald wir weit genug von der Basis weg sind, gehst du auf Interdimensionsflug.“ Willst du zu Shimar?, erkundigte sie sich. „Nein.“, sagte ich. „Ich will, dass wir hier aus dem Universum heraus und in der Umlaufbahn der Erde wieder hinein fliegen. Ich habe kein gutes Gefühl, was Tchey angeht. Wir sollten so schnell wie möglich in ihrer Nähe sein. Mit diesem Pilotentrick dauert unser Flug ja nur eine Sekunde.“ Nur, weil sie dir heute nicht gemailt hat?, versuchte mein Schiff, mich zu beruhigen. Ich bin sicher, dafür gibt es ganz natürliche Gründe. Vielleicht hat sie es einfach nur vergessen. „Das glaube ich nicht, Lycira!“, sagte ich mit Überzeugung. „Irgendetwas läuft hier gewaltig schief!“ Ich spüre deine Sorge., tröstete sie und führte meine Befehle aus.

Wenig später waren wir in der Umlaufbahn der Erde angekommen und ich hatte der völlig verdatterten Raumkontrolle auseinandergesetzt, woher wir kamen und wohin wir wollten. Der Kontrolloffizier musste ein Neuling gewesen sein, denn seine Kollegen kannten Lycira und mich bereits. Sie mussten wohl vergessen haben, ihn zu informieren. „Also gut, Allrounder.“, stammelte er. „Setzen Sie Ihren Flug fort. Es war nur das allererste Mal für mich, ein Schiff mit einem interdimensionalen Antrieb zu sehen.“ „Hätten Sie mich sonst abschießen lassen?“, fragte ich. Sag ihm, dass er das ruhig mal versuchen kann., mischte sich Lycira ein. Jannings hat mir bescheinigt, dass ich so gut in Schuss bin, dass ich es sogar mit einer Armada von Borgkuben und Sytania noch dazu aufnehmen könnte. Das grinsende Gesicht ihres Avatars, das sie mir zeigte, bewies mir, dass sie dies wohl nicht ganz ernst gemeint haben konnte. „Wer angibt, der hat mehr vom Leben, was, Lycira?“, lächelte ich zurück. Dann sagte ich zu dem noch immer verdatterten Kontrolloffizier: „Machen Sie sich keine Sorgen. Lycira und ich sind harmlos.“ „Also gut.“, sagte er. „Dann glaube ich Ihnen mal.“ Er übermittelte mir noch einen Kurs, auf dem ich am schnellsten zu meinen Landekoordinaten kam und beendete dann das Gespräch. Wie immer würde ich Lycira auf der Wiese hinter meinem Haus parken. Ganz Little Federation kannte sie und hatte kein Problem damit, dass irgendwo im Vorgarten eine Raumkapsel stand. Lycira war ja auch nicht die Erste. Mikel machte es ja mit seiner Kapsel genau so und ich hatte es ja auch mit Lyciras Vorgängerin nicht anders gehandhabt.

Kapitel 4: Trügerische Sicherheit

von Visitor

 

D/4 hatte ihren eigenen Jeep geholt und war mit dem schwarzen schnittigen Modell zum Haus der Radcliffes zurückgekehrt. Ihr Plan war es, Nayale zur Einsatzzentrale von Rescue One zu bringen. Dort würden sie auf Tchey und Malcolm treffen. Dann würde sie ihn und seine Mutter zum Raumflughafen von Washington fahren, wo die Beiden den nächsten Liner zum Mars besteigen würden. Welche Fluggesellschaft es wäre, wäre in diesem Fall nicht relevant gewesen. Sie hatte ihnen zwar schon mehrere Verbindungen herausgesucht, aber welche sie denn nun nehmen würden, hing auch ganz entscheidend davon ab, wann sie von hier wegkommen würden. Sie beschloss, zu Nayale und ihrem Mann ins Haus zu gehen, um sich nützlich zu machen. Solange Radcliffe keinen neuen Anfall bekam, sollte er auch vernünftigen Argumenten gegenüber zugänglich sein. Sie würde ihm noch einmal erklären, warum seine Frau und sein Sohn ihn jetzt verlassen würden.

Radcliffe sah traurig auf die Koffer, die Nayale vor ihm auf dem Bett ausgebreitet hatte und in die sie einige Sachen gepackt hatte. „Das ist jetzt also das Ende unserer Familie.“, sagte er. „Ja.“, sagte Nayale eben so traurig. „Es tut mir ja auch leid, Nathaniel. Aber ich habe keine Wahl. In deinen Anfällen wirst du für uns zur Gefahr. Das kann ich nicht zulassen. Außerdem muss ich auch an unseren Jungen denken. Ich liebe dich aber trotzdem. Wenn du wieder gesund bist, werde ich auch zu dir zurückkehren. Aber jetzt ist es für mich und auch, oder besonders für Malcolm, hier nicht mehr sicher.“ „Wenn ich wieder gesund werde.“, sagte Radcliffe. „Du weißt, dass niemand eine Erklärung dafür hat und du weißt auch, dass ich schon bei diversen Psychologen war. Aber alle haben …“ „Die menschlichen Psychologen und die der gesamten Föderation mögen dich aufgegeben haben.“, sagte Nayale. „Aber wenn ich D/4 richtig verstanden habe, sind die Xylianer davon noch weit entfernt. Ich muss dir etwas gestehen. Du fragst dich vielleicht, woher sie so schnell Bescheid wusste und so früh vor Ort sein konnte. Sie hat mir ihre persönliche Interlinkfrequenz genannt. Darüber hat sie mir auch Daten über Solok und die Rivalität zwischen Sisko und ihm gegeben. Ich weiß alles. Die Xylianer können sich zwar auch noch nicht erklären, was du hast, aber ich soll ihr, solange ich kann, noch so viele Daten zukommen lassen, wie ich kann. Vielleicht wird ja irgendwann ein Schuh draus.“

Wie auf Stichwort betrat D/4 das Haus. Sie deutete auf die Koffer und sagte in Nayales Richtung gewandt: „Ich werde Ihnen assistieren.“ „Ja, ja!“, meinte Professor Radcliffe frustriert. „Helfen Sie meiner Frau ruhig, mich zu verlassen.“ „Das hat sie gar nicht gesagt.“, nahm Nayale für die Sonde Partei. „Sie hat nur gesagt, dass sie mir beim Packen der Koffer behilflich sein wird. Aber ich glaube, du hast mir nicht wirklich zugehört. Ich will mich nicht von dir trennen. Ich bleibe nur so lange mit Malcolm bei meiner Mutter auf dem Mars, bis du gesund bist!“ „Also für immer.“, sagte Radcliffe und begann zu weinen. „Diese verdammte Krankheit ruiniert alles! Wegen ihr musste ich schon meinen Beruf an den Nagel hängen und jetzt macht sie noch meine Familie kaputt!“ „Man wird eine Möglichkeit finden, dich zu heilen.“, tröstete Nayale und strich ihm über das Haar. „Davon bin ich nicht überzeugt.“, sagte Radcliffe resignierend.

D/4 hatte die umliegenden Sachen auf die beiden Koffer verteilt und sah Nayale fragend an. „Danke.“, sagte die junge Zeonide und schloss die Gepäckstücke. Dann zogen sie und die Sonde jeweils eines vom Bett. „Wir werden jetzt gehen.“, sagte Nayale und warf ihrem Mann einen letzten traurigen Blick zu. „Wenn wir angekommen sind, werde ich veranlassen, dass Cupernica sich weiter um dich kümmert. Als unsere Hausärztin ist sie ja auch über deine Krankengeschichte informiert.“ „OK.“, nickte der verzweifelte Radcliffe und sah zu, wie die Sonde und seine Frau das Haus verließen.

Wenig später waren sie beim Jeep angekommen und D/4 verstaute die Koffer im Gepäckraum. Dann führte sie Nayale zur Beifahrerseite. „Den Weg hätte ich auch allein gefunden.“, sagte sie. „Es war so sicherer für Sie.“, antwortete die Sonde, während sie auf der Fahrerseite einstieg. „Glauben Sie wirklich, mein Mann würde …“ „Das Verhalten Ihres Mannes ist unberechenbar, Nayale Radcliffe.“, sagte die Sonde. „Oh.“, bemerkte Nayale. „Sie können mich ruhig einfach nur Nayale nennen.“ „Das habe ich registriert.“, antwortete die Sonde und startete den Jeep.

Das Programm des Simulators hatte Tchey und Malcolm das Verlassen der Atmosphäre angezeigt. „So, jetzt ist es so weit.“, sagte die versierte Pilotin. „Gib mal ’n bisschen mehr Stoff.“ „Was is’ mit unserem Kurs, Tchey.“, fragte Malcolm. „Der ist richtig.“, sagte die Reptiloide. „Wir können gar keinen falschen Kurs fliegen, weil ich diese Route als einzig möglichen Weg programmiert habe.“ „Schade.“, sagte Malcolm. „Na ja.“, meinte Tchey. „Wir wollen dich ja nicht gleich überfordern.“ „Also gut.“, sagte Malcolm und schob den Geschwindigkeitsregler nach vorn. Das Shuttle beschleunigte. „Is’ das so richtig, Tchey?“, fragte er. „Aber genau!“, lobte sie. „Lass den Regler jetzt genau so stehen. Sonst geht sie gleich auf Warp und das ist in einem Sonnensystem nicht gerade zu empfehlen.“ „Wieso nich’.“, wollte das aufgeweckte Kind wissen.

Tchey legte die Stirn in die Hände und überlegte. Sie fragte sich, wie sie diesem kleinen Jungen das mit der Warpgeschwindigkeit erklären sollte. „Wenn du schnell rennst.“, setzte sie schließlich an. „Dann musst du doch auch bremsen, wenn du um eine Kurve laufen willst, oder?“ „Ja.“, sagte Malcolm. „Sonst laufe ich irgendwo gegen oder falle auf die Nase. Aber ein Shuttle kann doch nich’ auf die Nase fallen.“ „Nein!“, lachte Tchey. „Das kann es nicht. Aber irgendwo gegen fliegen, das kann es. In einem Sonnensystem sind die Sterne total dicht zusammen. Da kann man dann nicht so schnell die Richtung ändern.“ „Aber du kannst das doch auch, wenn …“, widersprach Malcolm. „Ich habe das ja auch gelernt.“, erklärte Tchey. „Ich bin eine geübte Pilotin und schaffe das auch bei Warp eins. Aber darüber hinaus würde ich auch …“ „Schon klar.“, antwortete der Junge.

Sie waren in der Umlaufbahn des Mars angekommen und die Planetenkontrolle verlangte über SITCH nach ihnen. „Regelst du das wieder?“, fragte Malcolm. „Nein, dieses Mal nicht.“, sagte Tchey grinsend. „Du kannst ihnen ja wohl auch erklären, dass wir nur hin und zurück fliegen.“ „Na gut.“, meinte Malcolm und nahm sich mit klopfendem Herzen das Mikrofon. „Rescue One, hier ist Allrounder Jane Wilson von der planetaren Marskontrolle.“, wurde der Ruf wiederholt. „Bitte nennen Sie ihre Absichten.“ „Hi, ich bin der Malcolm.“, sagte dieser. „Die Tante Tchey und ich fliegen nur einmal hin und her.“ „Na dann ist ja gut.“, lächelte die junge Terranerin. „Du bist nämlich noch reichlich jung für einen Piloten. Aber ihr könnt so auf dem gleichen Kurs wieder nach Hause fliegen. Es sind keine anderen Schiffe oder Hindernisse zu erwarten.“ „Danke.“, sagte Malcolm höflich und beendete die Verbindung. „Das war gar nicht so schlecht.“, sagte Tchey und klatschte in die Hände. „Dann dreh uns mal um.“

Malcolm legte den Joystick für den Kurs ganz nach links, aber Tchey korrigierte ihn sofort von der Nebenkonsole. Dann sagte sie: „Schau dir mal genau unsere Position an und dann guck mal, was unser Heck macht.“ „Das stößt ja an den Planeten.“, sagte Malcolm erschrocken. „Genau.“, sagte Tchey. „Und wie krieg’ ich uns jetzt rum?“, fragte Malcolm. „Lass sie einen Kreis um den Planeten machen.“, riet Tchey. „Genau. Und jetzt langsam wieder auf den alten Kurs.“ „Wiedersehen, Mars.“, sagte Malcolm. Tchey musste grinsen. „Das war gemein.“, sagte Malcolm. „Du wolltest doch eine Herausforderung.“, entgegnete Tchey. „Aber jetzt haben wir dich genug gefordert, denke ich. Die Landung übernehme ich. Dann gehen wir in den Aufenthaltsraum und da genehmigen wir uns erst mal ’ne Pizza. OK?“ „Ich mag keine Pizza.“, sagte Malcolm. „Aber Spaghetti, die mag ich! Am liebsten mit Käse!“ „OK.“, sagte Tchey. „Dann eben einmal Spaghetti mit Käse und einmal Pizza mit Fisch und Muscheln.“

Tchey hatte das Shuttle bald gelandet und sie und Malcolm waren dem Simulator entstiegen. Dann hatten sie sich in den Aufenthaltsraum begeben und Tchey hatte das Essen repliziert. „Kommen Tante D und meine Mummy auch?“, fragte das Kind. „Ich denke, die dürften schon unterwegs sein.“, antwortete Tchey, nachdem sie kurz auf die Uhr gesehen hatte. Dann stellte sie Malcolm den Teller mit Spaghetti vor die Nase: „Hau rein!“, bevor sie sich selbst über ihre Pizza hermachte.

D/4 und Nayale hatten den Parkplatz erreicht. Die Sonde stellte den Jeep vorschriftgemäß ab und wandte sich dann an Nayale. „Meine Daten über den letzten Anfall Ihres Mannes sind lückenhaft.“, stellte sie fest. „Was hat dazu geführt und warum waren Ihre Methoden, ihn aus dem Anfall zu holen, dieses Mal nicht effektiv?“ „Das weiß der Himmel.“, antwortete Nayale. „Aber zum Auslöser kann ich Ihnen vielleicht etwas sagen. Ich denke, dass es sogar in gewisser Hinsicht meine Schuld gewesen ist.“ „Definieren Sie.“, sagte die Sonde ruhig. „Es war so.“, setzte Nayale an. „Mein Mann hat Malcolm mit der Kugel, die Sie ihm geschenkt hatten, im Garten trainieren sehen. Das hat ihm wohl nicht gefallen und ich habe ihm die Daten gezeigt, die Sie mir über Solok gegeben hatten. Ich habe ihm erklärt, dass vulkanische Kinder auch körperlich stärker, als terranische Kinder sind und dass dies vielleicht der Grund sein könnte, warum Soloks Kinder auch mit Kugeln für Erwachsene spielen dürfen, was für menschliche Kinder eventuell sogar schädlich sein könnte. Sie haben mir ja alle relevanten Daten zukommen lassen.“ „Warum sind Sie so vorgegangen?“, fragte D/4 verwundert. „Ich habe versucht, in seine Welt, in die er gegangen ist, vorzudringen. Ich hatte nämlich den Eindruck, dass er schon wieder einen Anfall bekäme und, wie wir beide wissen, hat dieser Eindruck ja auch nicht getäuscht.“ „Ihre Annahme, Sie seien an dem Anfall schuld, ist inkorrekt.“, sagte D/4. „Ihr Mann war den Daten zufolge, die Sie mir jetzt gegeben haben, schon auf dem Weg in den Anfall, bevor Sie überhaupt begonnen haben, mit ihm zu kommunizieren.“ Nayale ließ erleichtert die Luft aus ihren Lungen entweichen. „Wenn Sie das sagen, dann wird es schon stimmen.“, sagte sie. „Schließlich sind Sie Medizinerin.“ „Das ist korrekt.“, sagte die Sonde und machte Anstalten, das Fahrzeug zu verlassen. Nayale folgte ihr.

„Was ist eigentlich mit der Kugel geschehen?“, wollte die Sonde wissen, als sie und die junge Zeonide das Gebäude betraten. „Die Kugel existiert nicht mehr.“, sagte Nayale traurig. „Mein Mann hat sie Malcolm weggenommen und sie dann in die Materierückgewinnung geworfen, weil er sie als ein Zeugnis von Schwäche ansah. Aber das haben wir wohl alles dem Anfall zuzuschreiben, nicht wahr?“ „Ihre Vermutung ist korrekt.“, sagte D/4.

Malcolm widmete sich seinen Nudeln und Tchey sich ihrer Pizza. Dabei sah der Junge fasziniert zu, wie die freundliche Außerirdische, die er gerade erst kennen gelernt hatte, mit ihrer Pizza verfuhr. Die Tatsache, wie Tchey sich dem Thema gegenüber verhielt, fand er höchst amüsant. Sie hatte nämlich die Pizza in Kreuzform einmal nur andeutungsweise durchgeschnitten, um zuerst ihre Hälften und dann diesen Halbkreis noch einmal umzuklappen. Dabei war eine Art 4-stöckiges Tortenstück entstanden, von dem sie jetzt kleine Scheibchen abschnitt, um sich diese in aller Gemütsruhe in den Mund zu schieben. So mancher italienische Koch würde dies vielleicht als Vergewaltigung eines Nationalgerichtes bezeichnen. Tchey hingegen nannte es nur: „Methode 35.“ Das kam daher, weil sie in der näheren Vergangenheit einen wohl nicht ganz ernst gemeinten Ratgeber mit dem Titel: „50 Wege, mit Pizza fertig zu werden“, geschrieben hatte. Tchey musste verschmitzt grinsen, denn sie dachte daran, wie wohl Tom Paris, mit dem sie des Öfteren schmeichelhaft verglichen wurde, ihr Buch und die Ausführung ihrer Methoden finden würde. Sie wusste, dass er auch gern Pizza gegessen hatte.

Aber nicht nur Malcolm hatte sie beobachtet, sondern auch sie ihn. Dabei war ihr aufgefallen, wie schnell er darin war, seine Nudeln auf die Gabel zu drehen. „Du hast gerade in Warpgeschwindigkeit einen Teller Spaghetti verschlungen!“, staunte sie. „Die waren ja auch super!“, schmatzte Malcolm und leckte sich die Lippen. „Ich werde das an die Firma weitergeben, die unseren Replikator programmiert und gebaut hat.“, lächelte Tchey. „Mich würde nur noch mal was ganz anderes interessieren. Die meisten Kinder, die ich kenne, mögen Pizza, aber du nicht. Sag mir doch mal, was du daran so fürchterlich findest.“ „Ich mag nur den Rand.“, sagte Malcolm. „Die Mitte mag ich nich’. Die is’ immer so matschig.“ „Ufff!“, machte Tchey. „Habe ich was falsch gemacht?“, fragte Malcolm angesichts ihres plötzlich sehr gequälten Gesichtsausdrucks. „Nein.“, sagte Tchey. „Aber jetzt muss ich den Titel meines Buches ändern und mein Verleger ist stur wie ein Esel, weißt du? Jetzt haben wir nämlich 51 Wege, mit Pizza fertig zu werden.“ „Ui!“, machte Malcolm tröstend. „Aber hast du das wirklich noch nicht geschrieben? Guck doch noch mal nach.“ „Na ja.“, sagte Tchey schließlich. „Nachschauen kann ja nicht schaden. Danke, Malcolm.“

Sie wollte gerade vom Stuhl aufstehen, als sich plötzlich die Tür des Raumes öffnete und Nayale und D/4 diesen betraten. „Mummy! Mummy!“, schrie der kleine Junge und warf sich Nayale in die Arme. Dann bemerkte er auch die Sonde und sagte erheblich förmlicher: „Hi, Tante D.“ „Jetzt wird alles wieder gut, Malcolm.“, sagte Nayale, während sie ihn an sich drückte. „Du brauchst jetzt keine Angst mehr zu haben. Wir fliegen zu Oma auf den Mars und machen da Ferien. Dad muss gesund werden und das kann er besser ohne uns. Dann musst du auch keine Angst mehr vor ihm haben. Tante D wird uns Bescheid sagen, wenn mit Dad wieder alles in Ordnung ist. Sie bringt uns auch gleich nach Washington.“ „Auf dem Mars waren Tante Tchey und ich heute schon, Mummy.“, sagte Malcolm unbedarft. „Stell dir vor, ich habe sogar das Schiff geflogen!“

D/4 wandte sich Tchey zu. Dabei machte ihr Blick keinen Hehl daraus, dass es jetzt wohl ein Donnerwetter geben würde. Die sonst eigentlich immer neutral schauende Sonde kniff die Augen zusammen und spannte jeden Muskel ihres Gesichtes an, was Tchey schon nichts Gutes ahnen ließ. Dann begann sie streng: „Ihre Methoden sind ungewöhnlich, das bin ich von Ihnen gewohnt! Aber dass Sie Rescue One in einer solchen Weise missbrauchen und damit unautorisierte Flüge zur Belustigung kleiner Kinder unternehmen, ist inakzeptabel! Sie wissen, dass ich gezwungen bin, dies an unsere Vorgesetzten weiterzugeben. Der Verlust Ihrer Arbeitsstelle wird unausweichlich sein!“ „Aber doch nich’ in echt!“, versuchte Malcolm, dem Tchey jetzt sehr leid tat, auf kindliche Art die Situation zu retten. D/4 sah alle fragend an. „Haben Sie hier vielleicht einen Simulator?“, fragte Nayale schließlich. „Positiv.“, erwiderte die Sonde und fügte im gleichen Atemzug bei: „Ich verstehe. Tchey, ich entschuldige mich.“ „Angenommen.“, sagte die Reptiloide flapsig. „Hätten Sie mir ernsthaft zugetraut, dass ich einen Arbeitsplatz riskiere, dessen Ausfüllung mir einen solchen Spaß bereitet?“ „Ihr Verhalten ist oft unberechenbar.“, sagte D/4. „Solange ich nicht so schlimm werde wie Mr. Radcliffe.“, scherzte Tchey. „Negativ.“, sagte D/4 beruhigend. „Ich würde Sie eher auf die gleiche Stufe wie Tom Paris stellen.“ „Oh.“, meinte Tchey. „Das sehe ich als Kompliment.“

Die Sonde hatte sich jetzt Malcolm zugewandt. „Deinen medizinischen Werten zufolge.“, sagte sie. „Hast du keine Angst mehr.“ „Positiv!“, strahlte der Junge sie an. „Das habe ich nur Tante Tchey zu verdanken. Sie hat mir erst Rescue One gezeigt, dann sind wir mit dem unechten Shuttle zum Mars geflogen und dann haben wir hier zusammen gegessen.“ „Sie wollten ja, dass ich ihn ablenke.“, sagte Tchey. „Ihre Ablenkung war anscheinend effektiv.“, lobte die Sonde.

Tchey musste plötzlich grinsen. Am Verhalten der Sonde gegenüber ihr war ihr etwas klar geworden, das sie jetzt nur noch untermauern wollte. „Sie schienen fast erschrocken, als Malcolm fast einen Kündigungsgrund geliefert hat.“, fasste sie das Geschehene zusammen. „Aber warum? Ich meine, Sie würden dann doch sicher eine andere Pilotin zugeteilt bekommen, die sich vielleicht viel eher an die Vorschriften hält.“ „Das wäre sicher korrekt.“, sagte die Sonde. „Dennoch bevorzuge ich Sie. Ihre Methoden mögen zwar manchmal unorthodox und am Rande der Legalität erscheinen, trotzdem sind sie im Ergebnis meistens sehr effizient. Es ist unwahrscheinlich, dass es eine zweite Person mit Ihrem Mut und Ihrer Fähigkeit zu improvisieren unter den zur Verfügung stehenden Kandidaten gibt.“ „Das muss ich mir erst mal auf der Zunge zergehen lassen.“, meinte Tchey ziemlich bedient, aber gleichzeitig positiv überrascht. „Tun Sie das!“, ordnete die Sonde an. „Dazu werden Sie ja jetzt eine Menge Zeit haben. Ich werde Nayale und die Protoeinheit nach Washington verbringen. Wenn ich zurück bin, können Sie mir ja mitteilen, welchen Eindruck meine Begründung auf Sie gemacht hat.“ Damit winkte sie Malcolm und Nayale, ihr zu folgen. „Danke, Tante Tchey, für die Spaghetti.“, verabschiedete sich Malcolm höflich und ging dann mit seiner Mutter und der Sonde aus dem Haus. Auch Nayale hatte Tchey heimlich die Hand gegeben.

Ich hatte mein Schiff auf dem üblichen Platz auf der Wiese hinter meinem Haus gelandet und war nun kurz davor, das Cockpit zu verlassen, um meinen Koffer aus Lyciras Laderaum zu holen. Was ist mit deinem neuen Nachbarn, Betsy?, fragte mich Lycira noch. „Was soll mit dem sein, Lycira?“, erkundigte ich mich irritiert. „Du glaubst doch nicht etwa, dass ich Angst vor ihm hätte.“ Das denke ich nicht., tröstete sie. Aber ich denke, du solltest trotzdem vorsichtig sein. Soweit ich das interpretieren kann, was Tchey dir schon geschrieben hat, ist er unberechenbar und kann in Situationen, wenn seine Krankheit zuschlägt, auch sehr gefährlich werden. „Ich bin ein großes Mädchen und eine ausgebildete Sternenflottenoffizierin, Lycira.“, tröstete dieses Mal ich. „Ich kann schon auf mich aufpassen.“ Hoffentlich hast du Recht., ermahnte sie mich. Du weißt, dass ich in der Lage bin, Vorahnungen zu entwickeln und jetzt habe ich gerade eine. Ich denke, du wirst noch an meine Worte denken. Ich winkte ab und verließ sie, ohne zu ahnen, wie Recht sie noch haben sollte.

Radcliffe hatte dem Jeep, der mit seiner Frau und der Sonde die Auffahrt verlassen hatte, lange nachgeschaut. So war ihm auch meine Ankunft nicht entgangen. Aber bevor er sich noch über deren Konsequenzen klar werden konnte, wurde ihm schwarz vor Augen und er bekam das Gefühl, dass sich alles um ihn herum zu drehen begann. Im nächsten Moment glaubte er, sich in einer Art Gewölbe wieder zu finden. Hier nahm er einige merkwürdige Gestalten wahr, die aus dem Halbdunkel traten. Die Gestalten hatten allesamt Ähnlichkeit mit Personen, die er kannte. Er sah seine Frau, seinen Sohn, D/4 und sogar den celsianischen Umzugsunternehmer.

Die Gestalt, die wie D/4 aussah, näherte sich ihm und begann damit, ihn zu scannen. Dann sagte sie: „Es ist der Radcliffe.“ Dabei hatte sie sich zu den anderen Gestalten umgedreht. „Der Radcliffe ist traurig.“, fügte die Gestalt hinzu, die seinem Sohn zum Verwechseln ähnlich sah. „Der Radcliffe ist verzweifelt.“, stellte die Nayale verkörpernde Gestalt fest. „Warum das?“, fragte der Tilus Ähnliche. „Ich verstehe das nicht.“, sagte Radcliffe. „Wer sind Sie und wo bin ich hier?“ „Der Radcliffe versteht nicht.“, stellte die D/4 fest. Die anderen nickten ihr bestätigend zu. „Er kann es nicht verstehen, weil er sich nicht erinnert.“, bemerkte die Nayale verständnisvoll. „Wieso kann er sich nicht erinnern?“, fragte der Tilus. „Seine Denkweise ist wieder linear.“, ersann der Malcolm eine Theorie. „Der Radcliffe ist auch rastlos.“, bemerkte die D/4. „Er will eine Schuld tilgen.“ „Genau das will ich.“, sagte Radcliffe. „Vielleicht könnt ihr mir dabei helfen. Ich will diese Anfälle nicht mehr. Kennt ihr, wer immer ihr seid, vielleicht eine Möglichkeit?“ „Der Radcliffe muss die Wahrheit finden.“, analysierte die D/4. „Aber dazu wird er Hilfe benötigen.“, fügte der Malcolm bei. „Die kann er bekommen.“, meinte die Nayale. „Er hat den Weg schon gesehen.“, sagte der Tilus. „Was meint ihr damit?“, fragte Radcliffe. „Der Radcliffe versteht immer noch nicht.“, stellten alle gemeinsam fest. „Dann helft mir!“, bat Radcliffe verzweifelt. „Ich will endlich eine Heilung von dieser Krankheit! Sie ruiniert mir alles!“ „Der Radcliffe wird bald wissen, was zu tun ist.“, sagte die Nayale. Dann hatte Nathaniel das Gefühl, erneut einem Drehschwindel zum Opfer zu fallen.

Er fand sich auf dem Boden seines Wohnzimmers liegend wieder. Er war noch sehr benommen, aber das Bild eines kristallenen Kegels, das sich noch in seinem Geist befand, ließ ihn nicht los. Je mehr er über dieses Bild nachdachte, desto sicherer wurde er, dass er diesen Kristall finden musste. Er schien auch genau zu fühlen, wo er sich befand. Es wahr ihm, als würde der Kristall nach ihm rufen. Er wusste, dass er sich wohl auf einem anderen Planeten befinden musste. Er würde ein Schiff benötigen. Aber dieses Problem hatte sich ja gerade gelöst. Schließlich war gerade eines genau vor seiner Nase gelandet und die dazugehörige Pilotin würde er schon überreden können. Spätestens, wenn sie hören würde, dass es um die Gesundheit seines Kindes ginge, würde sie nicht nein sagen können. Er beschloss, gleich in das Haus in der Nachbarschaft zu gehen, in das er meine Silhouette verschwinden sehen hatte.

Telzan saß mit Sytania gemeinsam in deren Thronsaal zusammen. Der Vendar war außer sich vor Begeisterung über das, was er soeben gesehen hatte. Die Prinzessin hatte ihn an ihrem kleinen telepathischen Streich teilhaben lassen. „Ihr wart großartig, Gebieterin!“, freute er sich. „Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr in der Lage seid, die Propheten von Bajor so täuschend echt zu emittieren. Und dann seid Ihr ja auch noch in mehrere Rollen geschlüpft! Nein, das hätte ich Euch wirklich nicht zugetraut!“ „Man muss schon manchmal über sich hinaus wachsen.“, sagte Sytania. „Gerade dann, wenn man einen solchen Plan verfolgt. Aber mein Plan, die Übergabe der Waffe zu vereiteln, ist nur die Vorstufe zu einem viel größeren Vorhaben.“ „Ich ahnte, dass Milady einen weiteren Plan haben.“, sagte Telzan und grinste sie teuflisch an. „Darf ich erfahren, welcher Natur der ist?“ „Alles zu seiner Zeit, mein lieber Telzan.“, sagte Sytania. „Du wirfst mir vor, ungeduldig zu sein, aber bist selbst auch nicht viel besser.“ „Ich möchte ja nur meine Möglichkeiten ausloten, Milady behilflich zu sein.“, beschwichtigte Telzan. „Die Möglichkeit wirst du noch früh genug bekommen.“, sagte Sytania. „Aber wie ich schon sagte. Alles zu seiner Zeit. Ich werde dir schon sagen, wenn es so weit ist. Vertrau mir. Das tust du doch, oder?“ „Natürlich, Hoheit.“, sagte Telzan und lehnte sich entspannt und wartend zurück.

Von Entspannung konnte bei mir nun wahrlich keine Rede sein. Nervös war ich zu meinem Sprechgerät gegangen und hatte das Rufzeichen der Zentrale von Rescue One nebst Unterrufzeichen des Aufenthaltsraumes eingegeben. Dass mir Tchey diese Daten gegeben hatte, durfte natürlich niemand wissen. Ich wusste, dass ich sie zu Hause wohl nicht erreichen würde, obwohl sie mir neulich geschrieben hatte, dass sie ihre freie Woche hatte.

Immer noch beeindruckt von D/4’s Erklärung saß Tchey stocksteif da. Sie hörte zwar das Signal der Sprechanlage, war aber total unfähig aufzustehen und dort hin zu gehen. Die Sonde hatte Dinge gesagt, die sie schwer verwirrt hatten. Dass D/4 so über sie dachte, hatte Tchey nicht im Geringsten für möglich gehalten. Ihre Coolheit, die sie sonst an den Tag gelegt hatte, bekam doch einige Risse. „Na komm schon, Tchey.“, zischte sie sich selbst zu. „Du bist doch sonst nicht so leicht zu beeindrucken.“

Sie schlich zur Sprechanlage hinüber die sie jetzt doch schon erheblich nervte. „Ja.“, flapste sie nur gelangweilt ins Mikrofon. Sie mochte es gar nicht, wenn die coole Tchey in so einem uncoolen Moment erwischt wurde, wie ihr die Knie weich wurden, auch, wenn diejenige, die sie erwischt hatte, eine alte Freundin aus Akademietagen war, wie sie am Rufzeichen unschwer ablesen konnte. „Na das is’ ja ’ne freundliche Begrüßung.“, lächelte ich ironisch zurück. „Sorry, Betsy.“, meinte sie. „Ich bin nur gerade völlig geplättet.“ „Das ist ja mal ganz was Neues.“, stellte ich fest. „Die unerschütterliche Tchey Neran-Jelquist ist total geplättet. Wer hat dir das angetan, he?“ „Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe hat mir das angetan, wenn du es genau wissen willst.“, gab sie zurück. „Ich sage dir. Ich hab’ keine Ahnung, ob Seven das schon mal bei Tom Paris geschafft hat, aber manche künstlichen Lebensformen verstehen es, einen zu überraschen. Ich dachte immer, sie toleriert mich nur, weil ich eine qualifizierte Pilotin bin. Aber sie hat mir auf ihre Weise zu verstehen gegeben, dass sie mich sogar mag. Was sagst du dazu?“ „Na ja.“, meinte ich. „Immerhin ist einer ihrer Urahnen ein Mensch gewesen. Wenn auch nur dessen Geist, aber du weißt schon. Die Xylianer können das. Sie können jemanden mögen. Da V’ger damals die menschlichen Gefühle erfahren wollte, als er sich mit Commander Decker vereinigte, …“ „Ich brauche keine Nachhilfe in Geschichte!“, unterbrach sie mich unwirsch, entschuldigte sich aber gleich wieder: „Sorry. War nicht so gemeint.“ „Schon gut.“, gab ich zurück und nahm im gleichen Augenblick das Piepen meiner Türsprechanlage wahr. „Ich muss Schluss machen.“, sagte ich. „Ich bekomme gerade Besuch.“ „Na dann.“, lächelte sie, die langsam ihre alte Coolheit wieder zu finden schien und beendete die Verbindung.

D/4, Malcolm und Nayale waren mit dem Jeep der Sonde immer noch auf dem Freeway nach Washington unterwegs. Nayale hatte sich zu ihrem Sohn auf die Rückbank gesetzt, um ihn besser beruhigen zu können, denn Malcolm war noch immer sehr aufgeregt. Kein Wunder! Er verstand ja nicht, was mit seinem Vater vorgegangen war. Dazu war er, wie sich die Sonde ausgedrückt hatte, noch nicht ausgereift genug. Bei seinem jetzigen Entwicklungsstand würde er die Dinge, so wie sie waren, wohl noch nicht begreifen. Aber Nayale und D/4 wussten, dass er sich sehr auf den Urlaub bei seiner Großmutter freuen würde.

Die Xylianerin lenkte den Jeep vom Freeway. Jetzt fuhren sie den Zubringer zum Raumflughafen entlang. „Wir werden den Raumflughafen in fünf Minuten erreicht haben.“, erklärte die Sonde. „Dann werden sich unsere Wege trennen.“

Sie griff ins Handschuhfach, was ihr trotz der Tatsache, dass sie das Fahrzeug fuhr, nur deswegen möglich war, da sie es über ein mobiles Antennenset, das sie in solchen Fällen immer bei sich trug, steuerte. Diesen Vorgang hatte Malcolm fasziniert beobachtet. Dann gab sie Nayale ein Pad. „Dies sind die Daten für Ihren Flug.“, erklärte sie. „Es ist die effizienteste Verbindung, die ich angesichts der Umstände finden konnte.“ „Danke, D/4.“, lächelte die junge Zeonide.

„Kann ich später, wenn ich groß bin, Technik wie du bedienen, Tante D?“, fragte der Junge von hinten. „Negativ.“, sagte die Sonde mild. „Dir fehlen dazu die notwendigen körperlichen Attribute. Die wirst du auch nie erhalten, weil du kein Xylianer werden kannst. Wir assimilieren niemanden, weißt du?“ „Was meint sie, Mummy?“, wendete sich Malcolm an seine Mutter. „Sie meint, dass es nicht geht.“, übersetzte Nayale. „Und das andere heißt, dass die Xylianer ganz anders mehr werden, als die Borg es tun.“ „Und wie werdet ihr mehr, Tante D?“, fragte Malcolm unbedarft und neugierig. „Wie macht ihr Babies?“ „Das fragt man nicht!“, zischte Nayale ihrem Sohn zu. „Ihre Ansicht ist meiner Meinung nach inkorrekt.“, sagte die Sonde vorsichtig, denn sie konnte sich denken, dass Nayales Reaktion aus dem Umstand rührte, dass ihr das Thema vielleicht selbst nur zu peinlich sein könnte. Bei Bioeinheiten hatte die Sonde ein solches Verhalten des Öfteren beobachten können. „Ich denke, Nayale.“, fuhr sie fort. „Dass man Protoeinheiten so früh wie möglich an adäquates Wissen mit ausreichenden Methoden heranführen sollte. Aber dies übersteigt meine Fähigkeiten. Die Daten sind komplex. Sie sollten bei Zeiten Allrounder Betsy Scott zur Einholung einer konvertierten Form der Daten kontaktieren. Ihr Talent, komplexe Daten auf ein Niveau zu konfigurieren, dass sie für Protoeinheiten verständlich werden, ist in ganz Little Federation unerreicht.“

Malcolm strahlte. Er hatte nichts von dem verstanden, was die Sonde gesagt hatte, aber mein Name war ihm ein Begriff. „Machen wir das, Mummy?!“, fragte er aufgeregt. „Reden wir mit Betsy?!“ „Sicher.“, versicherte Nayale. „Aber wir müssen schon schauen, wann sie da ist. Sie arbeitet ja für die Sternenflotte. Deshalb wird sie auch wissen, wie die Xylianer Babies machen.“ „Weiß man das, wenn man für die Sternenflotte arbeitet?!“, fragte Malcolm. Nayale nickte ihrem Sohn zu. „Dann will ich später auch für die Sternenflotte arbeiten.“, schloss der für sein Alter schon sehr intelligente kleine Junge. „Dazu ist eine sehr gute Schulbildung erforderlich.“, sagte D/4. „Ich werde ganz bestimmt ganz doll in der Schule aufpassen.“, erwiderte Malcolm.

Sie passierten das Tor zum Gelände des Flughafens. Die Sonde stellte ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz ab und alle drei entstiegen ihm. Dann half sie Nayale noch, die Koffer aus dem Gepäckraum zu holen. „Ist meine Assistenz weiterhin notwendig?“, wandte sie sich an Nayale. „Ich denke, den Rest schaffen wir allein.“, sagte die junge Zeonide und schnappte sich den größeren Koffer. Malcolm fasste ein Zugband, das sich an dem Kleineren befand und zog ihn damit hinter sich her. „Noch einmal danke für alles.“, lächelte Nayale der Sonde noch zu, bevor sie und der Junge hinter der Drehtür verschwanden. „Bitte pass auf meinen Dad auf, Tante D!“, rief Malcolm. „Ich werde auf deinen Vater achten.“, versprach die Sonde. Dann ging sie wieder zu ihrem Fahrzeug zurück, um nach Hause zu fahren. Was sich genau dort, oder besser in der unmittelbaren Nachbarschaft gerade abspielte, ahnte sie nicht.

Radcliffe stand blass und zitternd vor meiner Tür, als ich sie öffnete. „Wer sind Sie?“, fragte ich, die ihn ja noch nicht wirklich kannte. Durch die sehr blumigen Schilderungen von Tchey war er mir zwar in gewisser Weise beschrieben worden, dass sie aber einen Hang zur Übertreibung hatte, musste ich aber bei all diesen Dingen stets berücksichtigen. „Ich bin Nathaniel Radcliffe.“, stellte er sich vor. „Genauer Professor Nathaniel Radcliffe. Ich muss etwas mit Ihnen besprechen.“ „Angenehm.“, sagte ich ruhig und sachlich und gab ihm die Hand. „Allrounder Betsy Scott.“ Bei der Berührung unserer Hände war mir nicht entgangen, wie aufgeregt er zitterte. „Kommen Sie.“, sagte ich beruhigend und zog ihn Richtung Wohnzimmer. Hier führte ich ihn zu meiner Couch, wo er sich sofort erleichtert in die Kissen fallen ließ. Dies war für mich ein weiteres Zeichen dafür, dass etwas mit ihm nicht stimmen konnte. „Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte ich fürsorglich. „Soll ich unsere Nachbarin, Scientist Cupernica, holen? Sie ist Ärztin. Ich weiß, dass Sie erst hierher gezogen sind und hier noch niemanden kennen, aber …“ „Woher wissen Sie das?“, fragte Radcliffe. „Ich habe eine ziemlich gesprächige Freundin.“, gab ich zu. „Sie hat mir über Sie berichtet.“

Radcliffe begann zu schluchzen, eine Reaktion, die ich in diesem Zusammenhang nicht erwartet hätte. Eine Zurechtweisung oder anderes, das wäre wohl eher etwas Passendes gewesen, denn es war ja wirklich nicht gerade höflich, jemandem mit einer vorgefertigten Meinung, die noch dazu nur aus Klatsch und Tratsch bestand, zu begegnen. Sein Verhalten hatte mich derart alarmiert, dass ich nicht anders konnte, als mich sofort neben ihn zu setzen. „Was haben Sie?“, fragte ich und ergriff seine linke Hand, seine kalte linke Hand, die wohl aufgrund seiner Kreislaufsituation nicht wirklich warm sein konnte: „Habe ich etwas Falsches gesagt?“ „Im Gegenteil.“, antwortete Radcliffe und holte einige Male tief Luft. „Wenn Sie schon so viel über mich wissen, dann muss ich die ganze peinliche Geschichte ja nicht noch vor Ihnen ausbreiten.“ „Hängt davon ab, ob mein Wissen richtig ist.“, sagte ich. „Meine Freundin hat mir zum Beispiel geschrieben, dass Sie sich von Zeit zu Zeit für Captain Sisko halten. Ist das richtig?“ Er atmete auf und griff meine Hand fester. „Ganz ruhig.“, sagte ich, die ich bereits erkannt hatte, wie nah wir an der Wahrheit sein mussten. „Es kommt in Schüben!“, platzte es aus ihm heraus. „Aber dann werde ich auch gefährlich für meine Umwelt! Beim letzten Anfall wollte ich meine Frau und meinen Sohn verletzen! Ich erinnere mich nicht selbst! Es wurde mir nur erzählt!“ „Schschsch.“, machte ich. „Waren Sie damit schon einmal bei einem Psychologen?“ „Nicht nur bei einem!“, schrie Radcliffe verzweifelt. „Was glauben Sie, was ich schon für eine Odyssee hinter mir habe! Aber seit heute weiß ich, was ich tun muss, um diese Anfälle endlich zu besiegen! Ich weiß auch schon, wer mir dabei helfen wird, nämlich Sie!“ „Oh.“, sagte ich verschämt. „Ich fürchte, dass hier ein Missverständnis vorliegt. Wissen Sie, ich bin ausgebildete Kommunikationsoffizierin und Raumschiffpilotin. Aber ich habe keine medizinischen oder psychologischen Kenntnisse. Wie soll ich …“ „Aber das ist genau das, was ich brauche, eine Raumschiffpilotin!“, sagte Radcliffe mit Überzeugung. „Eine Raumschiffpilotin und ihr Schiff!“ „Ich könnte meinem Commander die Situation zu erklären versuchen.“, bot ich an. „Allerdings bezweifle ich, dass wir unter den gegebenen Umständen die Granger und die Erlaubnis zu dieser Mission bekommen.“ „Nein.“, sagte Radcliffe. „So meinte ich das auch nicht. Ich sprach von Ihrem Schiff. Von dem Schiff, das draußen auf der Wiese steht.“

Ich fuhr erschrocken zusammen. Er musste unsere Ankunft beobachtet haben. „Sie tragen Zivil.“, setzte er mir weiter zu. „Das heißt, Sie sind im Urlaub und können doch dann wohl machen, was Ihnen gefällt. Bitte, helfen Sie mir, Allrounder Betsy Scott! Bitte! Wenn Sie es schon nicht für mich tun wollen, dann bitte für mein armes Kind und meine arme Frau. Wenn ich die Krankheit endlich los bin, dann können sie auch ohne Gefahr zu mir zurückkehren. Bitte, tun Sie es für sie! Bitte, bitte, bitte!“

Er fiel vor mir auf die Knie. Seine Verzweiflung war für mich überdeutlich geworden. Ich pfiff plötzlich auf alle Gegenargumente und sagte, während ich versuchte, ihn wieder auf die Beine zu ziehen: „Packen Sie ein, was Sie benötigen, Professor Radcliffe. Wir treffen uns dann bei Lycira!“ „Lycira heißt Ihr Schiff?“, erkundigte er sich. „Das ist kein typischer Name für ein Shuttle der Sternenflotte.“ „Sie ist auch kein Sternenflottenschiff.“, erklärte ich. „Aber ich werde Ihnen alles auf dem Flug erklären. Das wird nämlich eine längere Geschichte.“ „Gut.“, sagte Radcliffe und wandte sich zum Gehen. Ich hingegen, die ich meinen Koffer noch nicht ausgepackt hatte, schnappte diesen und ging aus dem Haus in Richtung von Lycira. Ich wusste, dass ich unbedingt vor ihm bei ihr sein musste, denn es würde sicher ein ziemliches Stück Arbeit werden, sie davon zu überzeugen, dass wir Radcliffe helfen mussten. Radcliffe, vor dem sie mich ja indirekt gewarnt hatte.

Kapitel 5: Auf zu neuen Ufern!

von Visitor

 

Zirell saß in ihrem Bereitschaftsraum über einer Mail von der Zusammenkunft, als Maron diesen betrat. Der interessierte Blick des ersten Offiziers wanderte sofort ebenfalls zu der Mail auf dem virtuellen Schirm, nachdem Maron gewohnheitsgemäß seinen Neurokoppler aus der Tasche gezogen und angeschlossen hatte, um dann noch das Laden seiner Reaktionstabelle abzuwarten. „Ich konnte mir denken, dass es etwas Dienstliches ist.“, sagte er ruhig. „Das stimmt.“, sagte Zirell. „Aber ich wusste gar nicht, dass du inzwischen so gut Tindaranisch lesen kannst.“ „Oh, das kann ich nicht wirklich.“, gab der Demetaner zu. „Aber ich erkenne das Logo der Zusammenkunft auf dem Briefkopf.“ „Faszinierend.“, lächelte Zirell. „Und ich dachte, die Vulkanier wären die Logiker bei euch.“ Auch Maron musste leise lachen. Ihr Wortspiel hatte er durchaus verstanden. „Worum geht es denn jetzt eigentlich?“, fragte er. „Ich meine, als dein erster Offizier, sollte ich doch eigentlich wissen, was auf dieser Station demnächst geschehen wird, nicht wahr?“ „Aber sicher.“, nickte die Tindaranerin. „Dann hör mir jetzt mal genau zu, Nummer Eins. Die Zusammenkunft wird jeder Station ein zweites Patrouillenschiff zuordnen. Die Bedrohung durch Sytania ist so stark geworden, dass die Zusammenkunft es für besser hält, wenn wir ein wenig mehr Präsenz zeigen.“ „Verstehe.“, sagte Maron. „Das bedeutet wohl, Shimar muss sich demnächst zweiteilen.“ Er grinste, als er das sagte. „Aber nein!“, rief Zirell aus, die sich das wohl gerade ziemlich bildlich vorstellte. „Wir sind doch in der glücklichen Lage, einen zweiten eben so qualifizierten Flieger in unseren Reihen zu haben, der noch dazu Sytanias Schliche am besten von allen kennt. Er stand schließlich 90 Jahre lang in ihren Diensten. Für den Rest werden wohl ein paar Reservisten einrücken müssen.“ „Du meinst, Joran wird der Stammpilot der zweiten Einheit?“, vergewisserte sich Maron. „Genau.“, bestätigte die tindaranische Kommandantin. „Morgen kommt das Schiff an und übermorgen starten ja Shimar und du zu der Konferenz auf Camp Khitomer. Danach werdet ihr zurückkehren und dich nur hier absetzen. Ich habe vor, Joran und das neue Schiff verstärkt auf Patrouille zu schicken, damit sich beide aufeinander einspielen. Für Shimar und unsere bisherige Einheit heißt das Urlaub. Ich habe für IDUSA bereits einen Platz auf einer celsianischen Werft gebucht und Shimar wird wohl seine Freundin besuchen wollen, deren Ehemann ja auch dort lebt. So haben alle etwas davon.“ „Schäm dich, du fiese kleine Kupplerin.“, meinte Maron und pfiff anerkennend durch die Zähne. „Aber du hast Recht. Von Celsianern auseinander genommen zu werden, wird für IDUSA wohl ungefähr so wohltuend sein wie für uns eine Behandlung in einem Wellnestempel. Die sind ja technisch sehr versiert und Shimar, Allrounder Betsy und Techniker Scott …“ Er musste grinsen, was dazu führte, dass er seinen Satz nicht beenden konnte. „Ganz genau.“, sagte Zirell. „Ich werde dann mal zu Jenna gehen.“

Im Maschinenraum der Basis 281 Alpha, der einen direkten Zugang zum Hangardeck hatte, saß Jenna vor einer Konsole und las sich IDUSAs Diagnosebericht durch, den ihr ein dazu in die Datenbank des tindaranischen Schiffes überspieltes Programm lieferte. Auch eine direkte Kommunikation mit IDUSA war darüber möglich. „Ist es richtig, dass ich eine Kollegin bekommen soll?“, wendete sich das Schiff an ihre betreuende Ingenieurin. „Das weiß ich nicht, IDUSA.“, antwortete Jenna. „Aber wenn du willst, dann frage ich Zirell, was an dem Gerücht dran ist.“ „Das würde mich sehr beruhigen.“, sagte der Schiffsavatar.

Erneut ließ Jenna ihren Blick über den virtuellen Monitor schweifen, den ihr IDUSA zeigte. Dann sagte sie: „Was genau beunruhigt dich denn an der Tatsache, dass du über diese Sache nicht Bescheid weißt?“ „Ich habe nicht gesagt, dass mich etwas beunruhigt, Jenna.“, sagte IDUSA, die sich wohl in gewisser Weise ertappt gefühlt hätte, wenn ihr diese Empfindung möglich gewesen wäre. „Das stimmt.“, sagte die Terranerin mittleren Alters. „Das hast du nicht gesagt. Du hast aber gesagt, dass es dich beruhigen würde, wenn du wüsstest, ob das Gerücht über eine eventuelle zweite Einheit stimmt. Daraus habe ich geschlossen, dass du ohne dieses Wissen beunruhigt sein musst und sei es auch nur aus mathematischen Überzeugungen. Also, was ist los?“ „Also gut.“, sagte der Avatar und machte vor Jennas geistigem Auge ein verschämtes Gesicht. „Sie haben mich erwischt. Es ist nur so. Wenn ein zweites Schiff hier ist, dann wird es vielleicht auch mal mit Shimar Patrouillen absolvieren und ich …“ „Daher weht also der Wind.“, sagte Jenna. „Du bist eifersüchtig! Aber mach dir keine Sorgen. Ich kenne die Gerüchte nämlich auch und weiß, dass der Stammpilot des zweiten Schiffes wohl Joran sein wird. Also, mach dir keine Sorgen. Dein Shimar bleibt dir erhalten. Aber das ist es doch nicht wirklich, oder? Ich bin schon viel zu lange deine betreuende Ingenieurin, um dich nicht zu durchschauen, IDUSA. Deine wahre Motivation liegt doch ganz woanders.“ „Ich hätte wissen müssen, dass Sie zu intelligent sind, Jenna, dass ich Ihnen etwas vormachen könnte.“, resignierte das Schiff. „Aber es ist schwierig für mich, Ihnen die Wahrheit zu sagen, weil sie unter Umständen einen Gewissenskonflikt auslösen könnte.“ „Na, raus damit, IDUSA.“, sagte Jenna. „Wenn wir es nicht probieren, dann werden wir beide niemals wissen, ob dieser Konflikt wirklich ausgelöst wird oder nicht.“ „Na gut.“, sagte der Avatar und schaute sie an, als wolle sie jetzt schon um Vergebung bitten für eine Sache, die noch gar nicht gesagt war. „Wenn ein zweites Schiff kommt.“, sagte IDUSA. „Dann könnte es doch sein, dass Sie sich ab und zu mal nicht um mich kümmern können, weil das andere Schiff vielleicht gerade bei einem Angriff beschädigt worden ist und …“ „Ach so.“, meinte Jenna. „Nun, IDUSA, es kann schon mal sein, dass, wenn ihr beide dann beschädigt seid, je nach Schweregrad des Fehlers sich auch mal Shannon um dich kümmert, aber …“ „Shannon!“, fiel IDUSA ihr ins Wort, als hätte sie etwas gesagt, das total unmöglich ist. „Jetzt hör mal zu!“, sagte Jenna ernst. „Meine Assistentin hat vielleicht die diplomatischen Fähigkeiten einer Abrissbirne, aber handwerklich ist sie sehr gut. Du kannst dich genau so vertrauensvoll in ihre Hände begeben wie in meine.“

Zirell betrat den Maschinenraum. Ihre Augen scannten die Reihen von Konsolen ab. Schließlich erblickte sie diejenige, nach der sie bereits die ganze Zeit gesucht hatte. „Jenn’?!“, wandte sie sich an die Gesuchte. Die Technikerin reagierte zunächst nicht auf die Ansprache. Deshalb war sie um so erstaunter, im schwachen Licht des Raumes plötzlich der kleinen Statur der Kommandantin ansichtig zu werden. „Oh.“, sagte sie schnell, um über ihre Flüchtigkeit hinwegzutäuschen. „Tut mir leid, Zirell. Ich habe dich nicht gleich bemerkt. Ich war wohl zu beschäftigt.“ „Das dachte ich mir schon.“, sagte Zirell und stellte sich direkt neben ihre Untergebene. „Was macht IDUSA?“, fragte sie. „Nun, bis nach Khitomer wird sie es wohl gerade noch schaffen.“, scherzte die hoch intelligente Halbschottin. Zirell fuhr erschrocken zusammen. „Warum hast du mir nicht eher gesagt, wie schlecht es um sie steht?!“, fragte sie ernst. „Ich meine, dann hätten wir …“ „Ein Scherz.“, tröstete Jenna mit leicht aufgeregter Stimme. Mit einer solchen Reaktion von Zirell hatte sie nämlich nicht gerechnet. „Du solltest doch wissen, dass ich sie immer gut in Schuss halte. Außerdem hätte ich von dir als geübter Telepathin etwas anderes erwartet. Ich hätte gedacht, dass du mir eher auf die Schliche kommst.“ „Ich würde niemals in deinen Geist eindringen, ohne dich vorher gefragt zu haben!“, rechtfertigte sich Zirell mit leichter Empörung in der Stimme. Sie musste wohl schon eine wage Bedrohung spüren, sonst ließ sich nicht erklären, dass die manchmal etwas strenge, aber auch sonst zu Scherzen aufgelegte Zirell heute so reagierte. „Tut mir leid, Zirell.“, sagte Jenna. „Ach, Schwamm drüber Jenn’.“, meinte Zirell. „Vielleicht bin ich heute auch einfach nur etwas überreizt.“

„Ach, wo du schon mal hier bist.“, setzte Jenna an. „Stimmt es, dass wir eine zweite Einheit bekommen?“ „Ja.“, nickte Zirell. „Ich war eigentlich gerade hier, um es dir und Shannon mitzuteilen. Joran wird übrigens der Stammpilot der zweiten Einheit werden.“ „Dann werde ich es ihm gleich sagen, wenn ich von meiner Schicht komme.“, sagte McKnight. „Wie du sicher weißt, hat er gerade dienstfrei und ist jetzt wohl in unserem Quartier.“ „OK.“, sagte Zirell ruhig und verließ den Maschinenraum wieder.

Tchey war während des Nachdenkens auf ein Geräusch an der Tür aufmerksam geworden. Die dem Geräusch folgenden uhrwerkgleichen Schritte konnte sie sofort einordnen, ohne die Person, die sie machte, wirklich zu sehen. Das hatte sie im Laufe unserer Freundschaft von mir gelernt. „D/4?“, fragte sie in Richtung der Eingangstür des Aufenthaltsraumes. „Das ist korrekt.“, erwiderte eine gleichmütige Stimme und eine Gestalt schob sich durch die Tür. „Haben Sie über meine Äußerung reflektiert?“, fragte die Sonde. „Das habe ich!“, sagte Tchey fast stolz. „Und ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass Sie mich wohl mögen müssen. Gut, Ihre Redeweise ist manchmal etwas schroff, aber im Grunde sagen Sie doch mit diesen ganzen hochtrabenden Sätzen nur, dass Sie …“ „Ihre Interpretation meiner Ausführungen ist korrekt.“, sagte die Sonde mild. Ihre sonst so durchdringende und zuweilen etwas laute Stimme war auf einmal ganz freundlich und Tchey hatte fast den Eindruck, sie sei gerührt über den Umstand, dass ihre langjährige Kollegin das endlich erkannt hatte.

Die Sonde setzte sich zu Tchey an den Tisch. „Ich will Ihnen nicht zu nahe treten.“, sagte sie. „Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie nicht ganz selbstständig zu dieser Erkenntnis gelangt sind.“ „Sie haben mich erwischt.“, sagte Tchey. „Aber was in drei Teufelsnamen lässt Sie so denken?“ „Sie haben geSITCHt!“, sagte die Sonde und deutete auf die rechte Hand der Reptiloiden. „Und schon wieder erwischt.“, gab Tchey zu. „Leugnen ist zwecklos. Ich weiß.“ „Korrekt.“, sagte die Sonde und fügte hinzu: „Sie halten nämlich das Mikrofon fest, als wäre es ein Schatz, von dem Sie befürchten, ich könnte ihn Ihnen wegnehmen.“ Erst jetzt fiel Tchey auf, dass sie das Mikrofon noch immer in der Hand hielt und hängte es ein. „Ups!“, machte sie. „Wer war Ihr Gesprächspartner?“, wollte D/4 wissen. „Allrounder Betsy Scott, wenn es Sie interessiert.“, antwortete Tchey. „Das habe ich mir gedacht.“, sagte die Xylianerin. „Die Wahrscheinlichkeit ist groß gewesen, dass es sich bei Ihrem Gesprächspartner um einen Offizier der Sternenflotte gehandelt hat, denn nur so jemand kennt unsere sprachlichen Gepflogenheiten exakt genug, um Ihnen entsprechende Assistenz geben zu können. Ein ausgebildeter Kommunikationsoffizier ist eine noch adäquatere Wahl. Ihre Freundschaft zu Allrounder Betsy Scott lässt für mich den Schluss zu, dass sie ihre Assistenz bei der Lösung der Ihnen von mir gestellten Aufgabe bevorzugen. Außerdem erfüllt sie alle vorher von mir genannten Parameter.“ „Dann muss ich ja im Prinzip gar nichts mehr sagen, Sie kleine xylianische Hobbydetektivin Sie.“, scherzte Tchey. „Das müssen Sie wirklich nicht.“, sagte D/4. „Vorausgesetzt, Sie bestätigen alles. Ich habe lediglich von Wahrscheinlichkeiten gesprochen. Wahrscheinlichkeiten lassen aber immer auch noch eine Varianz zu und sei sie noch so klein. Nicht alles ist komplett berechenbar.“ „Dann haben Sie dieses Mal aber echt Schwein!“, flapste Tchey. „Allerdings habe ich nicht Betsy gerufen, sondern sie mich. Ich weiß nicht warum. Aber sie klang am SITCH irgendwie komisch, als würde sie sich um mich sorgen.“ „Hat das Sprechgerät das Gespräch aufgezeichnet?“, wollte D/4 wissen. Tchey nickte. Dann fragte sie: „Wollen Sie eine Frequenzanalyse von Betsys Stimme machen?“ „Positiv.“, antwortete die Sonde. „Außerdem benötige ich das private Rufzeichen des Allrounders. Ich muss es Nayale Radcliffe übermitteln. Sie wird mit ihr Kontakt aufnehmen, damit sie der Protoeinheit erklären kann, wie wir Xylianer uns fortpflanzen.“ „Wie war das?!“, platzte es aus Tchey heraus. „Über was für Themen habt ihr in Gottes Namen auf der Fahrt gesprochen?“ „Wir kamen eher zufällig darauf.“, gab die Sonde zu. „Malcolm hat gesehen, dass ich das Fahrzeug über mein Antennenset gesteuert habe und mich gefragt, ob er das später auch genau so erlernen könnte. Darauf habe ich ihm gesagt, dass das nicht geht, weil wir niemanden assimilieren, um uns fortzupflanzen. Natürlich wollte er sofort wissen, wie das bei uns geht.“ „Oh, D/4!“, rief Tchey. „Sie haben doch wohl genug Erfahrung mit Bioeinheiten, um zu wissen, dass Kinder, oder wie Sie sagen, Protoeinheiten, verdammt neugierig sind und jedes Wort auf die Goldwaage legen. Aber lassen Sie mich raten. Die Sache ist Ihnen zu peinlich und Sie wollen jetzt, dass die arme Betsy für Sie den Karren aus dem Dreck zieht, in den sie ihn hinein gefahren haben.“ „Ihre Annahme ist inkorrekt, was die Peinlichkeit angeht, Tchey!“, tadelte die Sonde. „Aber mit der Anforderung von Allrounder Betsys Assistenz liegen Sie richtig. Sie ist die einzige Person, die dafür die Qualifikationen besitzt. Sie verfügt über die entsprechenden Daten und das Talent, sie auf das für Protoeinheiten verständliche Niveau zu konvertieren. Meine Versuche, ihr darin nachzueifern, sind bisher immer gescheitert. Ich werde ihr eine SITCH-Mail mit der Erläuterung des Problems und Nayales Kontaktdaten auf dem Mars zusenden.“ „OK.“, sagte Tchey lässig und rutschte mit dem Stuhl und einem genießerischen Blick langsam zur Seite. Dabei aktivierte sie noch das Menü für den Rückruf und meinte flapsig: „Bedienen Sie sich.“

Dass ich diese Mail wohl nicht mehr bekommen sollte, konnte sie natürlich nicht ahnen, denn sie wusste ja nicht, dass ich mich in Lyciras Cockpit befand und ihr gerade unsere neuesten Pläne auseinandersetzte. Das kann nicht dein Ernst sein, Betsy!, gab mir mein Schiff zu verstehen. Du kannst nicht ernsthaft diesem Verrückten Glauben schenken. „Ich gebe zu, seine Geschichte klingt abenteuerlich, Lycira.“, beschwichtigte ich sie, deren Avatar vor meinem geistigen Auge die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und ein entsetztes Gesicht gemacht hatte. „Aber wir haben schon weitaus merkwürdigere Sachen erlebt. Aber ich sehe das auch als Chance, ihm begreiflich zu machen, dass alles vielleicht nur eine Fantasie ist, wie du meinst. Wenn es aber der Realität entspricht, dann können wir ihn vielleicht tatsächlich von seiner Krankheit heilen. Falls wir dich verlassen, kannst du uns ja jederzeit überwachen.“ Also gut, Betsy., ließ sich Lycira dann doch auf die Mission ein. Aber erlaube mir bitte, alles zu tun, um dein Überleben zu sichern. Dein Commander wäre sicher nicht erbaut über die Tatsache, wenn du in deinem Urlaub dein Leben verlieren würdest. „Das passiert schon nicht.“, beruhigte ich sie. „Ich denke, unser Professor ist harmlos.“ Hoffentlich hast du Recht., meinte sie. Ich habe nämlich eine ganz schlimme Ahnung! Ich lächelte nur müde.

Im nächsten Moment nahm ich schwere männliche Schritte wahr, die sich auf uns zu bewegten. „Hierher, Professor!“, rief ich einladend und mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Radcliffe ging einen Bogen, drehte sich dann in unsere Richtung und blieb in einiger Entfernung zu Lycira stehen. „Kommen Sie schon.“, versuchte ich, ihn zu motivieren. „Dieses Schiff beißt nur, wenn ich es sage.“ „Was für ein makaberer Scherz.“, gab Radcliffe zurück und ging einige Schritte mehr auf Lycira zu. „Sieht merkwürdig aus, Ihr Schiff.“, meinte er, nachdem er sie von allen Seiten beäugt hatte. „Kein bekanntes Sternenflottendesign.“ „Wie ich Ihnen bereits sagte, Professor.“, sagte ich. „Sie ist kein Sternenflottenschiff. Aber woher ich sie habe, das werde ich Ihnen auf dem Flug erzählen. Steigen Sie ein.“

Radcliffe verstaute seine Ausrüstung in Lyciras Frachtraum und kam dann zu mir ins Cockpit. Ich gab ihr die Gedankenbefehle zum Schließen aller Luken und zum Start. „Merkwürdige Steuerkonsole.“, wunderte sich der Archäologe. „Das werde ich Ihnen alles erklären.“, versicherte ich erneut. Frag ihn, welchen Kurs wir fliegen sollen, Betsy., sagte Lycira. „Welchen Kurs, Professor?!“, fragte ich auffordernd. „Das ist nicht so einfach.“, sagte Radcliffe. „Ich fühle den Kurs. Es wäre leichter, wenn ich das Fliegen übernehmen könnte, aber das geht wohl nicht.“ „Nein.“, lächelte ich. „Lycira traut Ihnen nämlich nicht wirklich. Aber ich habe eine andere Idee.“ Damit gab ich meinem Schiff den Befehl, sich in 10-Grad-Wenden um sich selbst zu drehen. Alle 10 Grad sollte sie für ca. 20 Sekunden innehalten. „Hoffentlich wird Ihnen nicht schwindelig.“, meinte Radcliffe. „Konzentrieren Sie sich auf Ihren Kurs.“, erwiderte ich.

„Stopp!“, rief er plötzlich aus. Lycira, die gerade eine weitere 10-Grad-Wende begonnen hatte, stoppte augenblicklich. „Das ist unser Kurs, Allrounder!“, sagte Radcliffe mit Überzeugung. „Aber wir sollten uns beeilen. Ich wünschte, wir könnten diesen Flug in einer Sekunde hinter uns bringen. Der Gegenstand, den ich suche, befindet sich auf einem Planeten im Cordana-System. Ich fühle es deutlich!“ „Das mit der einen Sekunde können Sie haben.“, beruhigte ich ihn. „Sie hat einen Interdimensionsantrieb.“ „Na ,um so besser!“, sagte Radcliffe sehr aufgeregt. „Aktivieren, bitte, schnell!“ Ich nickte und gab Lycira die entsprechenden Befehle. Dein Professor hat es wohl sehr eilig., machte sie mir deutlich. Ich bleibe dabei, hier ist was faul! „Es wird schon schief gehen, Lycira.“, sagte ich. Vergiss nicht, dass ich dir erlaubt habe, alles zu tun, um mein Leben zu schützen. Den zweiten Teil meiner Antwort hatte ich mit Absicht nur gedacht und nicht laut ausgesprochen. Je länger wir flogen, desto mehr beschlich mich nämlich jetzt auch ein seltsames Gefühl.

Sytania und Telzan hatten sich unsere Abreise vom Palast der Prinzessin aus angesehen. „Da fliegen sie.“, sagte Telzan mit einem gemeinen Grinsen und deutete auf den Kontaktkelch. „Ja.“, bestätigte Sytania. „Und die liebe Betsy, eine ausgebildete Sternenflottenoffizierin, wird ausgerechnet zu meinem Werkzeug. Nicht zu vergessen die Reinkarnation von Commander Sisko, die meine Marionette werden wird. Mit seiner Hilfe und dem, was ich außerdem noch plane, wird es mir endlich gelingen, das Universum der Föderation ein für alle Mal zu unterwerfen. Sie werden mir nichts entgegenzusetzen haben, denn mit dem, was ich tun werde, haben sie nicht gerechnet und werden sie auch niemals rechnen.“ „Darf ich den zweiten Teil des Plans erfahren, Milady?“, fragte Telzan. „Und du sagst, ich sei ungeduldig.“, stöhnte Sytania. „Nein, das darfst du noch nicht. Alles zu seiner Zeit und die Zeit dafür ist einfach noch nicht gekommen. Nur so viel: Du wirst eine große Rolle darin spielen und er wird dir gefallen.“

Telzan überlegte, ob er darauf noch etwas erwidern sollte oder nicht. Sie hatte ihn eigentlich noch nie enttäuscht und es würde seiner Meinung nach von wenig Vertrauen zeugen, wenn er nachbohren würde. Also entschied er, es zunächst dabei bewenden zu lassen.

Nayale und ihr Sohn hatten den Mars mit Hilfe der Flugverbindung erreicht, die D/4 ihnen herausgesucht hatte. Am Raumflughafen der Kolonie wurden sie bereits von Nayales Mutter, einer älteren Zeoniden mit kurzen bereits leicht grauen Haaren, erwartet. „Ich habe so schnell nicht mit dir gerechnet, Nayale.“, sprach die Alte ihre Tochter an, als sie die Straße zum nahen Haus entlang gingen. „Als du und der Kleine uns im letzten Jahr besucht habt, sagtest du, es ginge dieses Jahr nicht. Ach, wo ist denn Nathaniel?“ „Genau er ist der Grund, warum wir dich jetzt schon wieder besuchen.“, deutete Nayale an. „Aber alles andere würde ich gern in Abwesenheit von Malcolm besprechen, du verstehst? Außerdem müssen Malcolm und ich eine Weile bei dir bleiben.“ „Na, das klingt ja fast nach einer Katastrophe.“, erkannte die Großmutter. „Aber ihr zwei seid mir jederzeit willkommen. Ich sehe meine Tochter und meinen kleinen Enkel schon nur ein Mal im Jahr. Dann möchte ich schließlich auch was von den Beiden haben.“

„Wie geht es Yara?“, quietschte Malcolm dazwischen. „Kann ich mit ihr spazieren gehen und mit ihr spielen?“ „Aber sicher!“, lächelte die Großmutter, die natürlich um das gute Verhältnis zwischen ihrem Haustier, einer demetanischen Wollkatze und ihrem Enkel wusste. Da sie Angst um Yara hatte, war ihr beigebracht worden, an der Leine zu gehen. Die Verkehrsdichte hatte nämlich in der Kolonie ziemlich zugenommen. „Yara vermisst dich.“, sagte die Großmutter zu Malcolm. „Nachdem du weg warst, hat sie fast einen ganzen Monat kaum gefressen und dich immer wieder gesucht.“

Wie auf Stichwort war plötzlich ein tiefes Fauchen hinter ihnen zu hören und eine schwarze 4-beinige Gestalt schob sich hinter einem Busch hervor, um dann mit hoch erhobenem Schwanz auf Malcolm zu zu schleichen. Vor ihm setzte sie sich hin und begann damit, mit ihrer langen breiten rauen Zunge seine Hände zu bearbeiten. Vor dem Tier, das wie eine Tigerin mit gelocktem wolligen Fell aussah, hatte das Kind keine Angst. Im Gegenteil. Er streichelte sie und wuschelte ihr Fell, worauf sie laut zu schnurren begann und sich auf den Rücken drehte. „Meine Yara!“, freute sich Malcolm. „Na, die Beiden werden eine Weile beschäftigt sein.“, sagte die Großmutter in Richtung von Nayale gewandt. „Lass uns ins Haus gehen und schon mal deine Sachen auspacken. Vielleicht erzählst du mir dann auch, was zwischen dir und Nathaniel nicht stimmt.“ „OK.“, sagte die junge Frau und folgte ihrer Mutter ins Haus.

Die Stufen zum Eingang des roten Hauses in Backsteinoptik kamen Nayale wie der Gang über eine Sündentreppe vor, obwohl sie eigentlich ja keinen Grund hatte, so zu denken. Von ihrer Mutter hatte sie keinen Tadel zu erwarten. Sie würde auf ihrer Seite stehen, das wusste sie, aber ihr war auch bewusst, dass sie ziemlich genau nachfragen würde, wenn sie erst mal mit dem Erzählen beginnen würde. Aber vielleicht war es auch gut so, denn jetzt konnte Nayale sich endlich den Schmerz von der Seele reden.

Die Frauen gelangten über den großzügig geschnittenen Flur, dessen Wände eine bunte Frühlingsblumenpracht zierte, die auf den in die Wand eingelassenen Displays zu sehen war, in ein ebenfalls freundlich eingerichtetes Wohnzimmer, in dessen Mitte auf einem Podest der Tisch mit dem Hausrechner stand. An der hinteren Wand stand eine weiche grüne Couch, über der sich die Displays vom Rest unterschieden. Hier waren Yara und ihr Frauchen, sowie Nayale, Malcolm und Nathaniel zu sehen. Vor dem Sofa stand ein grüner Tisch in ovaler Form.

Nayale setzte sich neben ihre Mutter auf das 2-sitzige Sofa und sah sie ernst an, während sie auf das Bild ihres Mannes deutete. „Ich schätze, das wirst du bald löschen müssen.“, sagte sie. „Ich weiß nämlich nicht, wie lange ich es noch mit Nathaniel aushalte. Vielleicht habe ich dir erzählt, dass er …“ „Ich weiß über die Sache Bescheid.“, sagte die Alte eben so ernst. „Aber ihn gerade jetzt allein zu lassen, ist auch keine Lösung, Nayale!“ „Das sagt sich so leicht.“, erwiderte die soeben Getadelte. „Weißt du, dass er unseren Sohn und mich im letzten Anfall beinahe verletzt hat? Wenn D/4 nicht gewesen wäre …“ „Das wusste ich nicht.“, gab die Großmutter zu. „Dann sieht die Sache natürlich anders aus. Aber diese D/4. Hat sie etwa auch dafür gesorgt, dass ihr jetzt hier seid?“ Nayale nickte und sagte dann: „Sie will versuchen, meinen Mann irgendwie heilen zu lassen. Vielleicht kommen ihre Leute auf etwas, das unsere Psychologen übersehen haben. Sie ist Xylianerin. Die haben eine Menge Daten. Sie kann vielleicht wirklich helfen. Nur, ich weiß nicht, wie lange das dauern wird. Unter Umständen müssen wir Malcolm hier in der Schule anmelden.“ „Kein Problem.“, tröstete die Großmutter. „Deinem Mann wird sicher geholfen werden können. Ich denke auch, dass diese Xylianer sehr kompetent sind. Sie haben sicher eine Menge Daten gesammelt und jede einzelne Sonde soll auch sehr intelligent sein. Sie können sich ja vernetzen, aber auch als einzelne Einheiten funktionieren. Außerdem wird die Motivation von dieser D/4 sein, dass die Föderation und die Xylianer politisch befreundet sind. Sie wird dir sicher gern helfen.“ „Das weiß ich.“, sagte Nayale. „Schließlich interessiere ich mich auch für Politik. Das hast du mir ja schon in meiner Kindheit immer eingebläut.“ „Das stimmt.“, sagte die Großmutter und ging zum Replikator, nachdem sie auf dem Display des Hausrechners die Uhrzeit abgelesen hatte. „Ich bereite dann schon mal das Abendessen vor.“, begründete sie. „Dann hole ich mal Malcolm.“, sagte Nayale und stand auf.

Eben jene D/4, von der gerade die Rede war, saß immer noch auf ihrem Platz im Aufenthaltsraum der Einsatzzentrale des Rettungsshuttles. Tchey, die bereits ihre Sachen gepackt hatte, war dies nicht entgangen. „Ich weiß nich’, auf was Sie warten.“, flapste sie ihrer Vorgesetzten entgegen. „Aber ich werde jetzt gehen. Schließlich haben wir beide unsere freie Woche und ich beabsichtige, noch ein ganzes Stück davon mit Lasse zu verbringen.“ „Tun Sie das.“, sagte die Sonde ruhig, ohne ihren Platz zu verlassen. „Ich werde auf die Antwort des Allrounders warten.“

Tchey drehte sich um. „Wie kommen Sie darauf, dass Sie von ihr heute noch eine erwarten können?“, fragte sie. „Das Rufzeichen im Display.“, begann die Xylianerin. „Ist ihr Privates. „Also wird sie auf der Erde sein.“ „Sie wird aber bestimmt nicht den ganzen Tag vor ihrem Sprechgerät sitzen.“, meinte Tchey. „Außerdem ist es schon spät und ich weiß, dass sie immer zeitig ins Bett geht, auch dann, wenn sie Heimaturlaub hat. Das ist so eine Marotte von ihr. Sie war schon immer recht pflichtbewusst. Das weiß ich, weil ich schon seit unserer gemeinsamen Zeit auf der Akademie mit ihr befreundet bin. Sie können mir in der Hinsicht also echt vertrauen.“ „Also gut.“, meinte die Sonde. „Offensichtlich ist heute keine Antwort mehr zu erwarten. Ihre Argumente scheinen stichhaltig und passen auch zum Verhaltensprofil des Allrounders, das ich Dank Ihrer Erzählungen und meiner flüchtigen Begegnungen mit ihr erstellen konnte. Ich werde auch nach Hause gehen. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag.“ „Aber zu Hause werden Sie doch bestimmt auch nicht ruhen.“, sagte Tchey mit einem Grinsen auf den Lippen. „Ich meine, da gibt es doch noch unseren Professor Unheimlich. Was ist, wenn er tatsächlich eine Reinkarnation von Sisko ist?“

Die Sonde sah starr geradeaus. Das war eine Theorie, die ihr noch gar nicht in den Sinn gekommen war, aber sie hatte schon zu viel gesehen, um sie von vorn herein ausschließen zu können. Deshalb nahm sie sofort Verbindung zum Zentralring der Xylianer und zum Unterrufzeichen von A/1 auf. Per Datenverbindung erklärte sie dann ihrem Staatsoberhaupt, was soeben geschehen war. „Sag der Bioeinheit, sie soll ihre Theorie mir selbst vortragen.“, gab der xylianische Regierende zurück.

Tchey hatte bemerkt, dass D/4 beschäftigt sein musste, denn die Sonde hatte einen leicht abwesenden Blick. „Was machen Sie da?“, fragte sie irritiert. „Ich habe eine Verbindung zum Zentralring hergestellt.“, antwortete die Sonde, als wäre es das Selbstverständlichste. „Wieso?“, fragte Tchey gewohnt flapsig weiter. „Ich habe A/1 Ihre Theorie mitgeteilt.“, erklärte die Xylianerin. „Was für ’ne Theorie?“, fragte Tchey und sah sie verwirrt an. „Ihre Theorie über die Wiedergeburt von Commander Sisko in der Gestalt von Professor Radcliffe!“, sagte D/4 etwas unwirsch, denn sie dachte sich, dass Tchey ja wohl kaum unter so einem heftigen Gedächtnisverlust leiden könnte, dass sie vergessen hätte, was vor einigen Minuten erst geschehen war. „Leiden Sie unter Gedächtnisschwund?“, fragte sie. „Falls dies der Fall ist, werde ich Sie examinieren.“ „Nein, D/4.“, sagte Tchey. „Das ist nicht nötig. Ich habe nur einen Witz gemacht, als ich sagte, dass Radcliffe eine Reinkarnation von Sisko sein könnte. Verstehen Sie, ich wollte Ihnen eine kleine gruselige Gänsehaut über den Rücken jagen.“ „Meine Hülle ist nicht in der Lage, dieses Phänomen zu generieren.“, sagte D/4. „Vergessen Sie doch mal, wie ich es genannt habe, D/4.“, sagte Tchey etwas missgelaunt. Sie erinnerte sich noch an einen Bericht, in dem Tom Paris auf einen Spott von Tuvok ähnlich reagiert hatte wie sie jetzt selbst. Paris’ Missionen hatte sie in ihrer Freizeit während unserer gemeinsamen Zeit auf der Akademie regelrecht verschlungen, wenn sie nicht gerade mit Mikel und mir unterwegs gewesen war. „Es tut mir leid.“, entschuldigte sich die Sonde. Dies tat sie wohl auch vor dem Hintergrund, dass sie Tchey ja noch zu etwas bewegen musste, das sie bestimmt nicht freiwillig tun würde, wenn dies unausgesprochen bleiben würde. „Ich wollte Sie nicht verspotten.“, sagte sie. „Falls dies entsprechend bei Ihnen angekommen sein sollte, bitte ich Sie, meine Entschuldigung anzunehmen.“ „Schwamm drüber.“, flapste Tchey. „Aber Sie haben Ihrem Oberindianer das doch nicht wirklich geschickt, oder? Kommen Sie, D/4, bitte sagen Sie mir, dass Sie jetzt auch einen Scherz gemacht haben.“ „Ich hörte, dass Lügen in den meisten Gesellschaften von Bioeinheiten ein inakzeptables Verhalten darstellt.“, sagte D/4. „Eine Ausnahme bilden vielleicht die Ferengi, aber meine Daten darüber sind lückenhaft. Sie werden festgestellt haben, dass ich mein Verhalten den Regeln in Ihrer Gesellschaft angepasst habe und nicht der Lebensweise der Ferengi, da ich nicht in deren Gesellschaft, sondern in Ihrer lebe. Außerdem kann eine Lüge zu sehr traumatischen seelischen Verletzungen und Enttäuschung führen und ich habe nicht die Absicht, Ihnen Schaden zuzufügen.“ „Soll das heißen …“, setzte Tchey an, deren Gesichtsschuppen sich aufstellten, was bei ihrer Rasse ein eindeutiges Zeichen dafür war, dass es ihr nicht gut ging. „Korrekt.“, fiel ihr die Sonde ungerührt ins Wort. „Aber das wäre doch sicher total unwissenschaftlich.“, versuchte Tchey weiter, sich aus der Affäre zu ziehen. „Ich meine, wieso denken Sie, er könnte das glauben.“ „Ihre Ausführungen sind inkorrekt.“, korrigierte die Sonde. „So unwissenschaftlich ist Ihre Theorie nicht. Wenn alles Logische ausfällt, muss das Unlogische die einzig mögliche Lösung sein. Diese These haben schon bedeutende Wissenschaftler vertreten. Außerdem sind wir noch beim Sammeln von Daten. A/1 möchte, dass Sie ihm Ihre Theorie persönlich unterbreiten. Sie werden durch mich zu ihm sprechen.“ Damit stellte sich die Sonde Tchey direkt gegenüber.

Tchey wurde heiß und kalt. „Muss das jetzt sein?“, fragte sie. „Haben Sie nicht irgendwelche Verbindungsprobleme oder so was?“ „Negativ.“, sagte D/4. „Meine Verbindung zu A/1 steht und ist stabil.“ „Scheiße.“, flüsterte Tchey. „Ich bin sicher, Ihr großes Vorbild, Tom Paris, hätte nicht gekniffen.“, ertappte die Sonde ihre reptiloide Untergebene. „Der musste auch niemals der Borgkönigin eine völlig hirnrissige Theorie …“, setzte Tchey an, aber D/4 strich ihr mit mildem fast mitleidigem Blick über den Rücken und sagte: „Lampenfieber ist unnötig.“ „Also gut.“, resignierte Tchey, der beim besten Willen nichts mehr einfiel, um das Unvermeidliche noch weiter herauszuzögern. „Muss ich einen Kniefall machen?“, fragte sie. „Ein solches Verhalten ist unnötig.“, sagte D/4.

„Hört er mich jetzt?“, wollte Tchey wissen, nachdem sich D/4 erneut entsprechend ihres Vorhabens positioniert hatte. „Positiv.“, erwiderte die Sonde ruhig. „Also gut.“, sagte Tchey, holte tief Luft, räusperte sich und begann dann: „Also, A/1. Hier ist Bioeinheit Tchey Neran-Jelquist. Ich glaube, dass Radcliffe die Reinkarnation von Sisko ist.“

Auf ein Signal ihres Regierenden hin konfigurierte die Sonde ihre Systeme so, dass Tchey die Antwort von A/1 direkt mit dessen Stimme hören konnte: „Bioeinheit Tchey Neran-Jelquist, Ihre Theorie wird examiniert werden.“ Daraufhin kippte Tchey fast ohnmächtig nach hinten. D/4 konnte sie gerade noch auffangen und auf einen Stuhl setzen. „Das kann der nich’ ernst meinen.“, stammelte Tchey. „Nein, das kann der nicht ernst meinen.“ „Doch.“, sagte D/4, die sich inzwischen dem Replikator zugewandt hatte, um einen starken Kaffee für Tchey zu replizieren. „A/1 beliebt in einer solchen Situation keine Scherze zu machen.“

Sie ging mit der Tasse in Richtung des Tisches, der vor dem Stuhl stand, auf dem sie Tchey platziert hatte und stellte sie vor ihr ab. „Die meisten Bioeinheiten benötigen diese Art von Nährstoffen nach einer aufregenden Situation.“, begründete sie. „Da haben Sie Recht.“, sagte Tchey und nahm einen großen Schluck aus der inzwischen auf eine erträgliche Temperatur abgekühlten Tasse. „Es tut mir leid, dass ich mich so geziert habe.“, entschuldigte sich Tchey. „Zur Kenntnis genommen.“, sagte die Sonde freundlich. „Aber es klingt doch auch echt haarsträubend.“, meinte Tchey. „Meine Denkweise in diesem Zusammenhang dürfte Ihnen bekannt sein.“, sagte die Sonde. „Ich weiß.“, sagte die Reptiloide. „Solange Sie noch keine Theorie durch Daten verifizieren können, wird jede in Betracht gezogen.“ „Das ist korrekt.“, sagte D/4.

Tchey trank ihren Kaffee aus und nahm ihre Sachen. „Nachdem das geklärt ist.“, sagte sie. „Können wir ja wohl beide ganz beruhigt nach Hause gehen.“ „Das ist korrekt.“, bestätigte die Xylianerin und nahm ebenfalls ihre Habe, um dann mit Tchey gemeinsam das Gebäude zu verlassen.

Kapitel 6: Der Heilung so nah?

von Visitor

 

Beide konnten nicht ahnen, dass ich nicht friedlich zuhause im Bett lag, sondern mich mit einem mir fremden Mann auf ein Abenteuer eingelassen hatte, dessen Ausgang noch immer ungewiss war. Lycira hatte jedenfalls auf mein Geheiß hin die interdimensionale Schicht wieder verlassen. Wir sind im Cordana-System, Betsy., informierte sie mich. Ich sehe nur einige Planetoiden. Kannst du mir verraten, was wir hier sollen? Ich meine, laut meiner Datenbank ist das hier Niemandsland. „Ich weiß es nicht, Lycira.“, gab ich in Gedanken, aber auch gleichzeitig laut, zurück. „Aber ich werde unseren Professor mal fragen.“ „Was werden Sie mich fragen, Allrounder?“, fragte Radcliffe, der zumindest den Teil der Unterhaltung zwischen Lycira und mir mitbekommen hatte, den ich beigesteuert hatte. „Sie sagt, hier seien nur einige unbedeutende Planetoiden.“, übersetzte ich Lyciras Gedanken für Radcliffe. „Außerdem ist das hier Niemandsland, was ich auch bestätigen kann. Sie fragt sich, was wir hier wollen.“ „Immer skeptisch, Ihr kleines niedliches Schiff, was?“, lächelte Radcliffe.

Ich legte meine Hände in die Mulden an der Steuerkonsole und befahl in Gedanken: Lycira, Antrieb aus, Ankerstrahl setzen! Sie führte meine Befehle bereitwillig aus. „Warum haben wir gestoppt?“, fragte Radcliffe. „Weil ich Ihnen etwas erklären muss.“, erwiderte ich. „Sie wissen, dass Lycira Ihnen misstraut. Ich weiß nicht warum, aber sie hat mir gesagt, dass sie eine schlimme Vorahnung hätte.“, begann ich, meinen Sorgen Luft zu machen. Die Konsequenzen dieses Geständnisses waren mir egal. Es war mir egal, ob Radcliffe mich zusammenfalten würde, oder gar etwas Schlimmeres. Ich war in einer vorteilhaften Position gegenüber ihm. Er war auf mich und mein Schiff angewiesen, um zu jenem Ort zu kommen, an dem er sich Heilung erhoffte. Er würde es sich also schwer überlegen, mir etwas anzutun. Er konnte Lycira nicht fliegen und sie würde auch keinen Versuch tolerieren, selbst, wenn er es versuchen wollte. Sie hatte außerdem die Erlaubnis von mir, alles zu tun, um mein Leben zu schützen, was er nicht wusste. Mit ihrem Transporter hätte sie ihn aus dieser Position leicht auf einem der Planetoiden aussetzen können, wenn er mir in ihren Augen zu nahe getreten wäre. „Wir sollten ihr beweisen, dass sie mir vertrauen kann.“, sagte Radcliffe und legte seine Hände genau wie ich in die Mulden an der Konsole für einen eventuellen Copiloten, aber nichts geschah. Ich werde nicht mit ihm kommunizieren, Betsy!, machte Lycira ihre Abneigung gegen ihn mir gegenüber deutlich. Warum nicht?, fragte ich dieses Mal auch nur in Gedanken, was mir nicht wirklich leicht fiel, denn ich war es gewohnt, Befehle oder Fragen an Computer von Raumschiffen sonst laut auszusprechen, aber jetzt musste ich wohl ein wenig Heimlichtuerei betreiben. Ich spüre, dass er mit etwas Bösem in Kontakt war., übermittelte Lycira. Warte, ich zeige es dir. Ihre Übermittlung weckte in mir ein Ekelgefühl! Außerdem überkam mich eine ziemlich heftige Gänsehaut. Da ich keine Telepathin war, wusste ich nicht genau, was mir Lycira da eigentlich zeigen wollte. Dass ich aber besser auf sie gehört hätte und auf der Stelle umgekehrt wäre, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. „Ist Ihnen kalt?“, fragte Radcliffe, der auch meine Gänsehaut und mein Verhalten gesehen hatte. „Ja, Professor.“, sagte ich und versuchte, dabei so zuversichtlich wie möglich zu klingen. „Aber ich habe Lycira bereits befohlen, die Umgebungstemperatur zu erhöhen, vorausgesetzt, Sie haben kein Problem damit. Sehen Sie, es wird schon wärmer.“ Warum lügst du?, wendete sich mein Schiff an mich. Weil das besser ist., gab ich zurück. Ich kann ihn nicht mit der Wahrheit konfrontieren. Wir müssen etwas Rücksicht nehmen! Er ist schließlich ein kranker Mann! Vielleicht war es ja auch nur seine Krankheit, die du gespürt hast! Aber wenn all das eintritt, was er sich erhofft, dann ist er die ja auch bald los! Du wirst deine Entscheidung noch einmal bitter bereuen, Betsy., meinte sie. Wir werden sehen!, gab ich zurück und versuchte Radcliffe fragend anzusehen. Da ich aber nie gesehen hatte, wie ein fragender Blick bei anderen aussah, wusste ich nicht, ob mir dies gelungen war. „Von mir aus können wir unseren Flug fortsetzen, Allrounder.“, sagte Radcliffe. „Also schön.“, antwortete ich. „Sie müssten mir nur noch die Richtung angeben. Schließlich haben Sie gesagt, dass nur Sie unseren Kurs spüren können.“ „Fliegen Sie einfach geradeaus bis zum nächsten Planetoiden.“, sagte Radcliffe und meinem sensiblen Gehör war nicht entgangen, dass er wohl innerlich ziemlich bebte. Woran das lag, konnte ich mir nicht erklären. Zumindest noch nicht. Ich schob es allerdings auf seine Euphorie, die ihn bei dem Gedanken daran erfasst haben musste, bald geheilt zu sein. „Laut Lyciras Sensoren ist der Planetoid nicht weit.“, versuchte ich, den immer aufgeregter werdenden Professor zu beruhigen. „Mit einem halben Impuls werden wir in zwei Minuten dort sein.“ „OK.“, nickte Radcliffe und ich befahl in Lyciras Richtung: „Geradeaus weiter, Lycira! Ein halber Impuls! Und übernimm das Steuer! Ich muss jemanden beruhigen.“

Radcliffe hatte neben mir stark zu zittern begonnen und ich bekam Angst, er würde mir hier noch zusammenbrechen. Deshalb drehte ich mich zu ihm, was dazu führte, dass ich meine Hände aus den Mulden nehmen musste. Ich legte ihm meine rechte Hand auf den Rücken und strich auf und ab. Dabei flüsterte ich: „Sachte, sachte, Professor. Ganz langsam und ruhig atmen. Ich kann verstehen, dass Sie aufgeregt sind. Aber wir sind ja gleich da.“ Dann befahl ich Lycira, den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre im Cockpit zu erhöhen. „Es ist der Gegenstand.“, sagte Radcliffe und ich konnte eine große Not aus seiner Stimme hören. „Er ruft mich!“

An meinem Hosenboden merkte ich, dass wir in die Umlaufbahn eingeschwenkt sein mussten. Gleichzeitig piepte Lyciras Sprechgerät. „Was heißt das Signal?“, fragte der Professor. „Wir werden gerufen.“, antwortete ich und nahm das Mikrofon in die rechte Hand. „Von wem?!“, fragte Radcliffe und klang dabei schon wieder sehr aufgeregt. „Das weiß ich nicht.“, sagte ich. „Aber Lycira wird es mir schon gleich sagen. Sie müssen sich bestimmt keine Sorgen machen. Ich rede schon mit denen. Als Sternenflottenoffizierin bin ich auch in gewisser Weise in Diplomatie ausgebildet. Es wird bestimmt nichts passieren.“ „Aber wenn noch jemand hier ist.“, meinte Radcliffe. „Dann bedeutet das Konkurrenz und die dulde ich nicht! Der Gegenstand hat mich hergerufen! Mich! Mich ganz allein!“ „Beruhigen Sie sich bitte, Professor.“, versuchte ich, die schäumenden Wogen zu glätten. „Ich werde ihnen die Situation erklären. Vielleicht sind sie ja auch nur auf dem Vorbeiflug und wollen einfach nur „Hallo“ sagen.“ „Das hoffe ich für sie.“, meinte Radcliffe. „Sonst …!“

Ich steckte das Mikrofon, für meine Verhältnisse schlampig, in die Halterung zurück und griff Radcliffes Schultern, um ihn an mich zu ziehen. „Ist ja gut.“, sagte ich. „Sch. Lassen Sie mich erst mal mit ihnen reden. Ich bin überzeugt, dann klärt sich alles. Möchten Sie mithören?“ Radcliffe nickte, was ich durch unsere Positionierung gut spüren konnte. „OK.“, sagte ich. „Dann setzen Sie sich bitte erst mal wieder ganz ruhig hin. Ich schaue erst mal, wer da draußen ist und dann kläre ich alles. OK?“ „Ja.“, meinte Radcliffe außer Atem. Die für ihn doch sehr aufregende Situation schien ihn doch auch sehr anzustrengen. „Bitte, Allrounder, halten Sie mich nicht für einen dummen überdrehten Zivilisten.“, bat er. „Aber …“ „Niemand hat gesagt, dass Sie dumm und überdreht sind.“, beruhigte ich ihn. Dann wandte ich mich an Lycira, nachdem ich meine Hände wieder in die Mulden gelegt hatte: Zeig mir erst mal das Rufzeichen, Lycira! Vor meinem geistigen Auge erschien ein Rufzeichen mit der planetaren Kennung: .brn. Sofort wusste ich, dass dies ein Schiff der Breen sein musste. Als Kommunikationsoffizierin musste ich die meisten Planetenkennungen auswendig wissen. Aber die Gruppierung der übrigen Zeichen verriet mir auch, dass es ein ziviles Schiff sein musste. „Stell mich durch, Lycira!“, befahl ich. Du kannst sprechen., erwiderte sie. Bald darauf erschien das Bild eines weiblichen Breenteenagers. Ihre Umrisse waren schwer zu erkennen, was ich auch auf ihren Kälteanzug zurückführte. „Hi.“, begrüßte ich sie. „Ich bin Allrounder Betsy Scott und wie heißt du?“ „Ich bin Nitprin.“, gab sie zurück und ich schätzte sie aufgrund ihrer Stimme auf ca. 13 Jahre ein. Allerdings war dies schwierig, denn wie die Stimmen aller Breen hatte sie einen leicht metallischen Nebenklang. „Fein, Nitprin.“, sagte ich. „Aber du bist sicher nicht allein. Gibt es einen Erwachsenen, der die Verantwortung für dich hat?“ „Ja.“, sagte sie. „Das ist mein Vater, Professor Motpran. Aber der schläft gerade. Er ist Archäologe, Allrounder Scott, müssen Sie wissen.“

Radcliffe war plötzlich wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen und hatte mein rechtes Handgelenk ergriffen. „Lassen Sie uns gehen!“, zischte er mir zu. „Solange mein Konkurrent schläft, haben wir jede Chance!“ „Niemand hat gesagt, dass er unser Konkurrent ist.“, meinte ich diplomatisch. „Nein.“, sagte er. „Aber das rieche ich!“ „Wir werden herunterbeamen.“, versuchte ich, ihn zu beruhigen. „Dann werden wir auch klären, was da los ist. Vielleicht sind die Breen ja an einer ganz anderen Sache dran.“ Ich würde lieber landen, Betsy., wendete sich Lycira an mich. „Also gut.“, sagte ich. „Was will sie?“, fragte Radcliffe. „Landen.“, erwiderte ich kurz und knapp. „Sie meint, es sei sicherer.“ „Dann aber schnell!“, insistierte Radcliffe. „Hoffentlich dauert ein solches Manöver mit dieser Art von Schiffen nicht zu lange.“ „Was glauben Sie, wie schnell Lycira und ich beim Landemanöver sein können.“, lächelte ich. „Beweisen Sie es.“, sagte Radcliffe. „Na dann!“, sagte ich und gab meinem Schiff die entsprechenden Gedankenbefehle. Die Breen landen auch, Betsy., gab mir Lycira zu verstehen. Aber das sollten wir unserem Professor lieber noch verschweigen. Er wird es früh genug sehen., gab ich zurück.

Auf 281 Alpha ging Jenna laut singend den Gang zu ihrem und Jorans Quartier entlang. Die Terranerin konnte es kaum erwarten, ihrem Freund die freudige Botschaft zu überbringen, dass er bald ein eigenes Schiff fliegen würde. Sie ahnte wohl schon, wie sehr ihn das freuen würde.

Vor der Tür blieb sie stehen und betätigte die Sprechanlage. Dabei verdeckte sie aber ihr Gesicht mit einem Ärmel ihrer Uniform. Dazu legte sie ihre rechte Hand entsprechend darüber. „Wer ist draußen?!“, fragte die tiefe Stimme des Vendar vom anderen Ende der Verbindung. „Dreimal darfst du raten.“, lächelte Jenna mit einem gewissen Singsang in der Stimme. „Wenn das nicht meine Telshanach ist.“, grinste Joran ins Mikrofon. „Sehr richtig.“, meinte Jenna und betätigte den Türsensor, worauf der Stationsrechner die Türen auseinander gleiten ließ. Dann betrat sie den Flur, auf dem Joran ihr bereits entgegen schritt. Zärtlich nahm er ihre Hand und führte sie ins Wohnzimmer auf die Couch. „Jetzt verrate mir doch bitte, was dich so fröhlich gestimmt hat, Telshanach.“, lächelte Joran. „Ich habe eine gute Nachricht für dich, Telshan.“, grinste Jenna zurück. „Du wirst bald dein eigenes Schiff haben, zumindest, was Patrouillen angeht. Natürlich gehört die neue Einheit in erster Linie den tindaranischen Streitkräften, aber …“ „Ein eigenes Schiff?“, fragte der Vendar ungläubig. „Was habe ich darunter zu verstehen? Geht Shimar etwa schon in den Ruhestand und überlässt mir IDUSA? Ich meine, dafür ist er noch etwas jung, findest du nicht?“ „Ich glaube, du hast mir nicht zugehört.“, meinte Jenna. „Ich habe nichts davon gesagt, dass du eine abgelegte IDUSA-Einheit erben wirst, sondern eher davon, dass du eine eigene ganz Neue bekommen wirst.“

Joran überlegte. „Ich komme nicht drauf, Telshanach.“, resignierte er nach einer Weile angestrengtem Nachdenkens. „Ich habe zwar eine Theorie, aber die ist sicher viel zu schön, um wahr zu sein.“ „Erzähl sie mir doch.“, bat Jenna. „Dann werden wir ja sehen, ob sie zum Wahrsein zu schön ist.“ „Also gut.“, sagte Joran und lehnte sich auf seinem Platz zurück. „Ich bin schon lange der Meinung, die Zusammenkunft sollte ihr Kontingent an Patrouillenschiffen aufstocken. Gerade jetzt, wo die Bedrohung durch Sytania so stark geworden ist. Aber es scheint mir ja niemand zuhören zu wollen.“ „Ich glaube, da irrst du dich gewaltig.“, sagte die hoch intelligente Halbschottin mit einem Grinsen auf den Lippen. „Man hat dir wohl endlich zugehört. Jedenfalls soll morgen das neue Schiff ankommen. Dann kommst du zu mir in den Maschinenraum und wir zwei regeln alles Weitere.“

Joran saß zunächst starr wie eine Salzsäule da, bevor er sich plötzlich wieder aus ebendieser Erstarrung löste, um sie fest in die Arme zu schließen. „Meine Telshanach.“, flüsterte er in ihr rechtes Ohr. Dabei spielte seine Zunge sanft mit ihrem Ohrläppchen. „Das ist die beste Nachricht, die ich je bekommen habe. Aber was ist mit den anderen Stationen, die keinen zweiten Flieger haben?“ „Ich schätze mal, dass dafür einige Reservisten einrücken müssen.“, sagte Jenna. „Eine andere Lösung gibt es nicht. Aber dass du an sie denkst, finde ich echt süß von dir. Du bist halt immer um deine Kameraden besorgt.“ „Kameradschaft wird unter den Vendar sehr groß geschrieben.“, sagte Joran. „Mag sein, dass es davon kommt.“ „Ich weiß.“, lächelte Jenna und küsste ihn.

Sytania und Telzan hatten unsere Ankunft auf dem Planetoiden beobachtet. „Bald ist es so weit, Telzan!“, kreischte die Prinzessin schadenfroh. „Bald wird unser lieber guter Professor finden, wonach er sucht und dann wird er endlich zu meinem Werkzeug, ohne es selbst zu wissen. Er wird glauben, die Propheten hätten …“ „Aber was ist mit der Sternenflottenoffizierin, Gebieterin.“, sorgte sich der Oberste der Vendar-Krieger. „Sie weiß, dass die Propheten nie so offensichtlich handeln würden. Sie weiß, dass sie immer eher in Rätseln gesprochen und einen Teil lieber im Dunkeln gelassen haben. Sie könnte ihm sagen, dass Ihr daran schuld seid. Den Verdacht wird sie sicher hegen und dann …“ „Zweifeln wir etwa an unserem eigenen Plan, he?!“, schrie sie ihn an. „Nein, Gebieterin.“, sagte Telzan leise und machte eine unterwürfige Geste. „Du kannst mir glauben!“, setzte ihm Sytania weiter zu. „Das werde ich schon in die Hand nehmen. Wenn ich mit unserem Professor fertig bin, dann wird er alles für mich tun. Da kann sie ihm noch so sehr ins Gewissen reden. Dafür wird er taub sein. Außerdem wird er sie durch ihre eigene Technologie zu Tode kommen lassen. Genau so wird es den Breen gehen. Wie du weißt, hasse ich Zeugen!“ „Dann ist ja alles gut.“, sagte Telzan und seufzte erleichtert. „Aber lasst mich bitte zusehen.“ „Aber natürlich.“, sagte die Prinzessin für ihre Verhältnisse recht mild und führte seine rechte Hand auf den Fuß des Kontaktkelches, während sie danach seine linke Hand fast zärtlich in die Ihre nahm.

Ich hatte Lycira gelandet und gemeinsam mit Radcliffe ihr Cockpit verlassen. Vorher hatte ich mir von ihr noch die Spezifikationen des Planetoiden und seiner Atmosphäre geben lassen. „Wir sollten uns was Leichteres zum Anziehen besorgen, Professor.“, schlug ich vor. „Lycira sagt, es sei hier sehr heiß und sie hat nicht übertrieben. Außerdem ist 90 % des Planetoiden Wüste.“ „Um so besser für uns.“, sagte Radcliffe. „Diese Umgebung dürfte nicht gesund sein für die Breen.“ „Die haben ihre Kälteanzüge.“, widersprach ich. „Die werden es hier genau so gut aushalten wie wir. Es wird also einen gerechten Wettbewerb geben, wenn Sie das unbedingt so sehen wollen.“ „Warum meinen Sie, dass nur ich es so sehen will?!“, fragte Radcliffe und ich bekam den Eindruck, ihn mit meiner Äußerung vielleicht sogar empört zu haben. Ich ahnte, dass ich wohl etwas zurückrudern musste, aber auf der anderen Seite auch nicht weiter dafür sorgen durfte, dass er sich weiterhin in seinen Wahnsinn verrannte. In dieser Umgebung hätte das für ihn sonst eventuell tödlich enden können. Also sagte ich nur: „Ich bin auf gar keiner Seite. Ich sehe das Ganze eher neutral. Vielleicht ist es ein Teil Ihrer Krankheit, dass Sie glauben, dass hier irgendein Gegenstand ist, der Sie ruft, vielleicht ist es aber auch die Wahrheit. Ich weiß es nicht. Aber man hat schon die seltsamsten Dinge gesehen. Lassen Sie uns jetzt am besten einen Platz suchen, an dem wir unsere Zelte aufschlagen können.“

Radcliffe drehte sich um und um, als suche er nach etwas. „Wo sind die Breen?“, fragte er. „Sie müssen ganz in unserer Nähe sein.“, vermutete ich mit der Absicht, ihn ein wenig zu trösten. Ich hatte schon wieder gemerkt, wie aufgeregt er geworden war. Die Anwesenheit einer weiteren Expedition musste ihn rasend vor Neid machen. Ich hoffte sehr, dass es mir auch weiterhin gelingen würde, sein Temperament herunterzukühlen.

„Allrounder Scott!“ Eine helle leicht metallische Stimme hatte meinen Namen gerufen. Ich drehte mich in die Richtung, aus der sie gekommen war und erwiderte: „Ich bin hier, Nitprin!“ Im nächsten Augenblick schritt eine kleine Gestalt in einem Kälteanzug auf mich zu und drückte mich fest an sich. „Endlich sehen wir uns!“, strahlte sie. „Ja.“, lächelte ich zurück und schlang ebenfalls meine Arme um sie. „Sie werden doch wohl nicht mit unserer Konkurrenz fraternisieren!“, empörte sich Radcliffe. „Hab’ ich was falsch gemacht?“, fragte Nitprin verschämt. „Aber nein.“, tröstete ich. „Aber du musst mich mal eben loslassen, damit ich jemandem die Meinung sagen kann. OK? Außerdem arbeite ich unter meinem Vornamen für die Sternenflotte, obwohl ich keine Außerirdische bin. Aber das erkläre ich dir noch.“ „Darauf freue ich mich schon, Allrounder Betsy.“, antwortete die junge Breen korrekt, was mich in großes Erstaunen versetzte. Sie musste sehr intelligent sein.

Sie hatte mich losgelassen und ich drehte mich Radcliffe zu. „Ich habe nicht fraternisiert, klar!“, sagte ich streng. „Angesichts dieser unwirtlichen Umgebung halte ich es nur für besser, wenn wir miteinander, statt gegeneinander, arbeiten würden! Aber für heute sollten wir ohnehin erst mal unser Nachtlager aufschlagen. Wüsten haben es an sich, dass es dort nachts sehr kalt und tags sehr heiß ist. Ich würde sagen, wir schlafen auf den Schiffen. Da können wir zumindest die Temperatur regeln. Energie sparen müssen wir Gott sei Dank ja nicht, da die Schiffe ihren Vorrat gut mit Solarstrom auffüllen können. Aber trotzdem sollten wir mit unseren eigenen Vorräten sehr gut haushalten. Wir sollten nur in den Abend- und Morgenstunden arbeiten. Dann ist es für uns alle am Angenehmsten. Sie sollten auf mich hören, Professor! Ohne mich kommen Sie hier nicht mehr weg! Wenn Sie nicht vernünftig sind, werden Lycira und ich Sie auf der Stelle verlassen. Denken Sie darüber nach!“ „Militärlogik.“, murmelte der Professor. „Ich hätte eigentlich gedacht, dass Sie ein bisschen mehr Sinn für Wettbewerb und Herausforderungen haben, Betsy.“ „Aber trotzdem schalte ich meine Vernunft nicht gänzlich aus.“, erwiderte ich und begann, Lyciras Rufzeichen in mein Sprechgerät einzugeben. Danach folgte eine Befehlssequenz. Das Gerät hielt ich dabei so, dass Radcliffe das Display gut sehen konnte. „Das tun Sie nicht wirklich.“, sagte er. „Sie verlassen mich nicht tatsächlich, oder?“ „Hängt davon ab, wie Sie sich entscheiden.“, sagte ich. „Entweder, Sie bringen sich um, oder, wir spielen nach meinen Regeln!“

Er begann damit, aus einer Tasche, die er mit sich geführt hatte, altertümliche Grabwerkzeuge wie Sparten und Schaufeln zu holen. Das alles kannte ich zwar aus meinem eigenen Jahrhundert, aber es kam mir doch für heutige Verhältnisse sehr befremdlich vor. Normalerweise wurden auch zu einem solchen Zweck im 30. Jahrhundert Transporter verwendet, nachdem man die Stelle, an der das Artefakt lag, vorher durch Scannen lokalisiert hatte. Mit Ausgrabung im eigentlichen Sinne hatte Archäologie heute nicht mehr viel zu tun. „Und die letzte Taste heißt: Enter.“, sagte ich. „Nein!“, rief Radcliffe außer sich, dem wohl ein gewisser Körperteil langsam auf Grundeis ging. „Bitte, bleiben Sie. Ich sehe es ja ein. Nur würde ich gern einen warmen Schlafsack für die Nacht haben. Ihr Schiff kann den doch sicher replizieren, oder? Verstehen Sie doch. Ich muss hier draußen übernachten. Ich darf nicht zu weit weg vom Gegenstand sein. Sonst verliere ich vielleicht sogar noch den Kontakt. Der Gegenstand wird mir in dieser Nacht genau zeigen, wo er ist. Das spüre ich genau. Ihr Schiff hat gesagt, dass die Rotationsgeschwindigkeit dieses Planetoiden um sich selbst dreimal so schnell ist wie die des Planeten, an dem sich die Zeitrechnung auf Khitomer orientiert. Wir haben also noch genug Zeit. Ich werde sicher nichts übertreiben. Das versichere ich Ihnen. Lycira kann ja gern nachschauen, ob ich unvernünftig bin.“ „Na gut.“, sagte ich nachdenklich. „Mit diesem Kompromiss kann ich leben.“ Damit löschte ich die vorangegangenen Befehle und ersetzte sie durch neue, in denen Lycira aufgefordert wurde, die nötigen Dinge für Radcliffe zu replizieren. Neben einem für Wüstenklima geeigneten Schlafsack bekam er noch einen Sack mit Proviant und eine Flasche Wasser. „Das reicht für diese Nacht.“, sagte Radcliffe. „Vielen Dank.“ „Gern geschehen.“, erwiderte ich und drehte mich zum Gehen. Dabei warf ich noch ein: „Falls es Ihnen doch zu kalt werden sollte, werden Lycira und ich Sie nicht abweisen.“ „Es wird schon gehen.“, meinte er und ich hörte das Geräusch eines sich schließenden Reißverschlusses, das ich mit Erleichterung zur Kenntnis nahm.

Die kleine Gestalt, die sich mit mir in Richtung Lycira begab, bemerkte ich erst dann, als sie mich anstupste. „Darf ich bei dir schlafen?“, fragte sie. „Von mir aus gern.“, lächelte ich. „Aber wir müssen deinen Vater fragen, was er davon hält. Schließlich kennst du mich ja gar nicht.“ „Aber Sie machen mich neugierig.“, sagte Nitprin. „Sie sind so geheimnisvoll, Allrounder. Sie haben mir versprochen, mir alles zu erklären.“ „OK.“, sagte ich. „Aber wir müssen dich zumindest bei deinem Vater abmelden.“

Lycira öffnete die Luke, um uns einsteigen zu lassen. Der Professor hat sich aber sehr verändert, Betsy., stellte sie scherzend fest. „Das ist nicht Professor Radcliffe!“, lachte ich. „Das ist Nitprin. Sie wird heute hier übernachten. Radcliffe bleibt da draußen. Es wäre gut, wenn du ihn überwachen und mir eine Verbindung zum Schiff der Breen herstellen würdest.“ Wie du möchtest., erwiderte Lycira und führte meine Befehle aus. „Ich will meinen Vater selbst fragen!“, quietschte Nitprin. „Aber sicher.“, sagte ich und gab ihr das Mikrofon. Sag ihr, dass sie sprechen kann., verdeutlichte mir Lycira, dass die Verbindung zustande gekommen war. „Du kannst sprechen.“, sagte ich. „Hallo, Vater.“, sagte Nitprin. „Ich wollte dich nur fragen, ob ich heute bei Allrounder Betsy übernachten kann. Sie hat so ein cooles Schiff! Außerdem ist sie auch total geheimnisvoll. Sie will mir alles über sich erklären!“ „Na, da bin ich aber traurig, dass du das Schiff einer Fremden cooler findest, als das deines alten Herren.“, kam es zurück. „Aber von mir aus. Nur, warum nennst du sie Allrounder Betsy. Soweit ich weiß, werden die terranischen Offiziere bei der Sternenflotte mit ihren Nachnamen angesprochen.“ „Das ist ein Teil ihres Geheimnisses.“, sagte Nitprin. „Das will sie mir aber alles erklären.“ „Also gut.“, meinte Motpran. „Aber denk vor lauter Geschichten auch daran, dass du deinen Schlaf brauchst. Wir haben morgen noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns.“ „Geht klar.“, erwiderte das Mädchen lächelnd und deutete mir an, die Verbindung nach ihrem nächsten Satz beenden zu lassen. Dann sagte sie noch: „Gute Nacht, Vater.“ „Die wünsche ich dir und dem Allrounder, wie immer sie jetzt auch heißen mag, auch.“, lächelte der Professor zurück. Dann beendete Lycira die Sprechverbindung.

„Erzählen Sie mir jetzt die Geschichte?“, fragte Nitprin. Ich nickte und entgegnete: „Sicher.“ Dann lehnte ich mich zurück und begann: „Ich bin eine Pendlerin zwischen den Jahrhunderten. Ursprünglich komme ich aus dem 21. Aber Dill, der König von Zeitland und Beschützer der Zeit, hat mir sein OK gegeben, dass ich hier sein darf.“ „Wieso?“, fragte sie. „Ist es nicht eigentlich schädlich für die Zeitlinie, wenn Sie …“ „Nach unserem Verständnis ja.“, sagte ich. „Aber Dill scheint es OK zu finden. Vielleicht muss es so sein. Ich weiß, das klingt wie die abgedroschenste Ausrede für Verstöße gegen den Schutz der Zeitlinie, aber …“ „Und Betsy ist auf der Erde ein so häufiger Vorname, dass niemand auf Anhieb denken kann, Sie sind diejenige, welche, falls …“, vermutete Nitprin. „Richtig.“, lächelte ich. „Na dann, wenn Sie sogar ein königliches OK haben, will ich nichts gesagt haben.“, sagte sie.

Ich stand vom Sitz auf und reckte mich. „Weißt du, was ich denke?“, sagte ich. „Ich glaube, wir sollten jetzt nach hinten gehen, um etwas zu schlafen.“ „Nur noch eine Frage.“, bettelte Nitprin. „Na gut.“, sagte ich. „Aber dann gehen wir schlafen.“ „OK.“, meinte sie und fragte: „Woher haben Sie das coole Schiff?“ „Lycira ist mir quasi passiert.“, sagte ich. Nitprin musste lachen. „Ups!“, lachte sie. „Wie habe ich denn das zu verstehen? Oh, das war ja schon die zweite Frage.“ „Nicht schlimm.“, sagte ich tröstend. „Aber ich habe eine Idee. Lycira kann es dir selbst erzählen und sogar zeigen!“ „Oh, ja!“, meinte Nitprin begeistert. „Cool! Aber wie denn? Ich meine, ich habe immer schon wissen wollen, wie Sie mit ihr reden.“ „Erst mal.“, bot ich an. „Kannst du ruhig du zu mir sagen und dann … Setz dich hin und leg deine Hände in die Mulden vor dir.“ Dabei deutete ich auf den Platz neben mir, nachdem ich mich selbst gesetzt hatte. Bereitwillig tat das Mädchen, was ich ihr aufgetragen hatte. Hi, Nitprin., hörte sie bald darauf Lyciras telepathische Stimme. „Hi, Lycira!“, quietschte die Kleine. „Wow, hast du eine liebe Stimme!“ Danke, Nitprin., gab Lycira zurück. Du aber auch. Wenn du jetzt wissen möchtest, wie Betsy und ich uns kennen gelernt haben, dann pass mal auf. Damit begann sie, Nitprin die ganze Geschichte in bewegten Bildern zu zeigen.

Auf der Brücke der Granger, die von Ribanna in Richtung Khitomer geflogen wurde, besprachen Mikel, Kissara, Ribanna und Kang das weitere Vorgehen. „Werden wir alle herunterbeamen, Kissara?“, fragte Mikel. „Soweit ich weiß, Agent, ist das genau so vorgesehen.“, antwortete die thundarianische Kommandantin. „Wenn alle Besatzungen der eingeladenen Schiffe geschlossen herunterbeamen.“, äußerte Ribanna. „Dann muss Nugura wohl bald anbauen, nicht?“ „Ich bezweifle, dass alle das tun werden, Allrounder.“, beruhigte Kang sie. „Ich schätze viel eher, dass Nugura uns geschlossen dabei haben will, weil wir schon viel Ehre für sie eingeholt haben.“ „Hoffentlich bleibt das auch so.“, stöhnte Mikel und ließ laut hörbar die Luft aus seinen Lungen entweichen. Kissara, die sich auf so eine Äußerung ihres ersten Offiziers tatsächlich einen Reim machen konnte, flüsterte ihm nur zu: „In meinem Raum, Agent.“ Dann wandte sie sich an die dunkelhäutige und dunkelhaarige Frau an der Flugkonsole: „Ribanna, Sie haben die Brücke!“ Dann zog sie Mikel mit sich fort.

In ihrem Bereitschaftsraum angekommen befahl sie dem Computer sofort, die Tür zu verriegeln und die internen Sensoren abzuschalten. Sie wusste, wenn Mikel sich so äußerte, dann musste es einen so wichtigen Grund haben, dass es wohl besser war, wenn niemand so schnell etwas davon mitbekommen würde. Alles sollte wohl besser zwischen ihr und Mikel bleiben.

„Also raus mit der Sprache!“, insistierte sie, nachdem sie für den Agenten und sich Getränke repliziert hatte und beide sich auf die üblichen weichen Sessel gesetzt hatten. „Was wissen Sie? Ich kenne Sie mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass Sie sich, wenn Sie sich schon so äußern, sicher etwas dabei denken.“ „Das ist richtig, Kissara.“, sagte Mikel und nahm einen großen Schluck aus seinem Glas Kölsch. „Wenn ich nicht wüsste, dass es Synthehol ist.“, meinte Kissara, die dieser Anblick nur noch mehr in ihrem Glauben bestärkte, dass etwas nicht stimmte. „Dann könnte man ja meinen, Sie müssten sich Mut antrinken. Aber Sie wissen doch, dass Sie das bei mir nicht nötig haben.“ Bei ihren letzten Sätzen hatte sie leise geschnurrt, da sie wusste, dass der blinde Mann einen schmeichelnden und tröstenden Blick ja nicht wahrnehmen konnte. „Das weiß ich, Kissara.“, sagte Mikel. „Dennoch fällt es mir nicht leicht, Ihnen zu sagen, was ich Ihnen zu sagen habe.“ „Na, worum kann es schon gehen.“, versuchte Kissara, ihm behilflich zu sein, die offensichtlich so schwierigen Sätze endlich loswerden zu können. „Dieser Meilenstein.“, begann Mikel doch schließlich. „Gerüchten nach soll er Rosannium auf jede beliebige Frequenz konfigurieren können. Denken Sie ernsthaft, dass Sytania da einfach so zusehen wird? Ich meine, das würde uns in die Lage versetzen, sie direkt angreifen zu können, ohne auf eventuelle telepathische Alliierte Rücksicht nehmen zu müssen, falls sie uns vorher dumm gekommen wäre. Sie wissen schon, was ich meine.“ „Natürlich.“, sagte Kissara. „Aber anscheinend weiß sie nichts davon und jetzt ist ihr ja auch jede Möglichkeit genommen, irgendwelche Telepathen als Schutzschilde zu missbrauchen. Dieses Modell haben die Strategen nämlich auch schon überdacht. Deshalb ist man ja so froh, endlich diese Waffe zu bekommen. Aber ich werde Ihre Warnung keinesfalls in den Wind schlagen, Mikel. Ich werde auf der Hut sein. Schließlich wissen Sie mehr über die Mächtigen, im Speziellen über Sytania, als wir alle zusammen.“ „Vielen Dank, Madam.“, sagte Mikel und stand auf, um sein leeres Glas der Materierückgewinnung zuzuführen. „Ist nun alles geklärt?“, fragte Kissara tröstend, ja fast mütterlich. Der Agent nickte. „Dann lassen Sie uns gehen.“, meinte sie und hakte Mikel unter.

Sie kehrten auf die Brücke zurück und begaben sich wieder auf ihre Plätze. Fast im gleichen Moment meldete Ribanna: „Commander, wir haben Khitomer erreicht. Ich sehe einige Schiffe. Auch ein Romulanisches ist darunter.“ „Das ist ganz logisch, Allrounder.“, sagte Mikel. „Schließlich sind es die Romulaner, von denen wir die Waffe bekommen werden. Sie müssen sich also keine Sorgen machen.“

Langsam löste sich die junge Pilotin und Kommunikationsoffizierin aus ihrer verkrampften Haltung, die sie vor Sorge angenommen hatte. „Es tut mir leid, Sir.“, sagte sie. „Aber ich bin so erzogen, dass man den Romulanern immer noch mit einer gewissen Skepsis im Bauch begegnen sollte.“ „Dann war Ihre Erziehung aber nicht mehr zeitgemäß.“, meinte Kang. „Wir haben seit ca. 800 Jahren eine wenn auch etwas lockere politische Freundschaft mit den Romulanern. Also …“ „In gewisser Weise haben Ribannas Eltern sicher Recht.“, vermittelte Kissara. „Dass man offiziell miteinander eine politische Beziehung führt, muss nicht automatisch bedeuten, dass auf einmal alles Friede, Freude und Eierkuchen ist. Aber geben Sie uns die Schiffe doch mal auf den Schirm, Ribanna. Ich bin sicher, dann sind wir alle etwas schlauer.“ Erleichtert nickte die junge Indianerin und führte aus, was Kissara ihr gerade aufgetragen hatte. „Das romulanische Schiff vergrößern!“, befahl Kissara, deren scharfe Katzenaugen längst erkannt hatten, um welche Art von Schiff es sich handelte. Sie wollte aber auch allen anderen die Chance geben, das Gleiche zu erkennen. „Mikel, sagen Sie Ihrem Hilfsmittel, es soll Ihnen das romulanische Schiff beschreiben!“, wendete sie sich ihrem ersten Offizier zu. „Computer.“, begann dieser. „Das romulanische Schiff klassifizieren!“ „Wissenschaftliches Spezialfrachtschiff.“, kam eine nüchterne Antwort von der warmen weiblichen Stimme des Rechners zurück. „Also kein Warbird?“, verifizierte Mikel. „Negativ.“, gab der Rechner zurück. „Das kann ich nur bestätigen, Agent.“, sagte Kang, der das Schiff mit eigenen Augen gesehen hatte. Auch Ribanna nickte. „Sie haben eine ganz spezielle Art, jemandem seine Angst zu nehmen, Kissara.“, sagte Mikel. „Das muss ein guter Commander doch können, nicht wahr?“, schnurrte sie. Dann stand sie auf: „Lassen Sie uns gehen, Ladies und Gentlemen. Wir sollten Nugura nicht warten lassen.“ Alle nickten, meldeten sich aus den Systemen ab und folgten ihr zum Transporterraum.

Radcliffe wälzte sich in seinem Schlafsack hin und her. Etwas hatte ihn nicht schlafen lassen. Etwas, das ihn sehr beunruhigen musste. Er begann auch langsam zu spüren, dass ich Recht gehabt hatte, was das Wüstenklima anging. Es war nämlich tatsächlich sehr kalt geworden. Aber das war es nicht, was ihn gestört hatte. Er fragte sich nur, wann diese merkwürdige Rastlosigkeit, die er immer stärker spürte, seinen Körper endlich verlassen würde.

Er beschloss aufzustehen. Ein kurzer Spatziergang würde ihm wohl sehr gut tun. Aber kaum hatte er sich aufgerappelt, überkam ihn ein Schwindelgefühl, das dem, welches er in seinem Haus verspürt hatte, sehr stark ähnelte.

Erneut fand er sich in dem Gewölbe wieder, in dem er schon vorher auf die seltsamen Gestalten getroffen war und da waren sie auch allesamt. „Was wollt ihr von mir?“, fragte Radcliffe. „Warum holt ihr mich so kurz vor meinem Ziel wieder zu euch? Habe ich mich nicht an eure Regeln gehalten, oder müsst ihr mir noch etwas sagen?“ „Der Radcliffe ist ungeduldig.“, stellte die Gestalt von Malcolm fest. „Er denkt in die falsche Richtung.“, meinte die D/4. „Dabei hat er Zeit genug.“, sagte die Nayale. „Er will immer alles sehr schnell.“, meinte der Tilus. „Der Radcliffe wird sein Ziel bald finden.“, sagte die D/4. „Wenn er dem Mond folgt.“, fügte der Malcolm bei.

 

Radcliffe sprang auf und versuchte, sich an irgendeiner Lichtquelle zu orientieren. Er wusste, es gab hier insgesamt drei Monde, also war ihm nicht klar, welchem er folgen sollte, aber er dachte sich auch, dass dem Mond folgen genau so gut heißen konnte, dass er in der Nacht arbeiten sollte. Im gleichen Augenblick fiel sein Blick auf eine Stelle, an der sich die drei Strahlen der Monde zu treffen schienen. Er hockte sich hin und begann, wie ein Besessener mit den bloßen Händen im Boden zu graben.

Nitprin hatte sich die ganze Geschichte über Lycira und mich angesehen. „Oh, Lycira. Da wäre ich liebend gern dabei gewesen!“, lachte sie. „Vor allem, wie du und Betsy diesen Kriegsschiffkommandanten vorgeführt habt. Oh, Backe! Der war sicher geknickt, gefaltet und so klein mit Hut!“ Davon kannst du ausgehen., gab Lycira zurück.

Ihr Avatar machte plötzlich ein erschrockenes Gesicht. „Was ist?“, fragte Nitprin. Bitte geh nach hinten und weck Betsy., sagte Lycira. Ich muss euch beiden etwas zeigen. „Was ist denn los?“, wiederholte das Mädchen ihre Frage. Später!, entgegnete das Schiff schon ziemlich alarmiert. Ich glaube, unser Professor macht Dummheiten. „OK!“, schnippte Nitprin, stand auf und drehte sich zu der Tür, die Achterkabine und Cockpit voneinander trennte.

Tatsächlich hatte ich mich zum Schlafen auf eine der hinteren Bänke gelegt und war etwas erstaunt, als mich plötzlich etwas an den Schultern rüttelte. Schlaftrunken warf ich den Kopf herum und fragte: „Bist du es, Nitprin?“ „Ja.“, gab ihre leicht metallische Stimme zurück. „Lycira hat mich gebeten, dich zu wecken. Sie hat etwas gesehen. Sie sagt, unter Umständen macht unser Professor …“

Ich war hellwach und sprang auf. Dann griff ich ihre Hand: „Komm mit!“ Und ab ging es in Richtung Cockpit, wo ich Lycira sofort aufforderte, uns zu zeigen, was draußen vorging. „Er gräbt mit den bloßen Händen!“, rief Nitprin. „Ist er denn verrückt geworden?! Na ja. Dass er einen Schaden hat, ist ja nicht neu.“ „So redet man nicht über einen kranken Mann, junge Dame!“, tadelte ich sie. „Es tut mir leid.“, sagte sie leise. „Es war nur der Schreck.“ Sie schmiegte sich an mich. „Ist schon gut.“, tröstete ich. „Ich habe mich ja auch erschrocken. Ich meine, jetzt sind es immerhin fast Minus 20 Grad da draußen. Der Boden wird auch gefroren sein und man kann sich dann schon ganz schöne Erfrierungen holen, wenn man nicht aufpasst. Lycira, zeig uns sein Gesicht!“

Der Avatar nickte und vor unseren geistigen Augen erschien bald das Gesicht des Professors mit den bereits bekannten eng gestellten Pupillen. „Er hat wieder so einen Anfall.“, stellte ich fest. Dann wendete ich mich an Nitprin: „Du bleibst hier!“ „Ist er gefährlich, wenn er das hat?“, fragte sie. Ich nickte. „Dann lass mich bitte mitgehen.“, schlug sie vor. „Ich meine, dann bist du nicht allein und zu zweit kommen wir schon mit ihm klar.“ „Na gut.“, sagte ich. „Aber du bleibst nah bei Lycira und hältst dich bereit, einzusteigen, wenn ich es dir sage, OK?“ „Ich bin kein Baby mehr.“, sagte Nitprin. „Außerdem wirst du jemanden brauchen, der etwas sieht. Ich weiß, dass du das nicht kannst und das könnte unser Professor sonst eventuell vielleicht ausnutzen.“ „Da hast du auch wieder Recht.“, musste ich zugeben. Ich informiere Nitprins Vater, Betsy., schlug Lycira vor. Ich nickte ihr zu und dann verließen Nitprin und ich ihr Cockpit.

Die Kälte machte Radcliffe schwer zu schaffen. Die Luft, die er einatmete, hinterließ ein schneidendes Gefühl in seinen Lungen und da er bereits bis zur Erschöpfung gegraben hatte und trotz Kälte sehr schwitzte, fror ihm die Kleidung bereits am Körper fest. Aber aufgeben kam für ihn nicht in Frage. Er hatte bereits ein stattliches Loch ausgehoben, als seine rechte Hand plötzlich auf etwas Glattes Kegelförmiges stieß, das er sogleich aus dem Boden zog. Als er es jedoch berührte, wurde er von einem schwarzen Blitz durchzogen, der ihn zu Boden warf. Er rappelte sich jedoch wieder auf und es kam ihm vor, als sei er durch und durch erneuert worden. „Jetzt weiß ich, was ich zu tun habe!“, rief er aus. „Jetzt weiß ich auch, wer ich bin und warum ich wiedergeboren wurde! Ich soll eine große Sünde sühnen, die ich als Benjamin Sisko begangen habe. Als Nathaniel Radcliffe aber habe ich die Chance erhalten, alle von dieser Sünde rein zu waschen!“

Er drehte sich in unsere Richtung und blitzte uns mit seinen Augen an. „Wie unheimlich!“, sagte Nitprin und begann vor Angst zu weinen. Endlich erschien auch ihr Vater auf der Bildfläche. Lycira musste ihn endlich erreicht haben. „Kümmern Sie sich um Ihre Tochter!“, zischte ich ihm zu und ging in Radcliffes Richtung. „Professor, was ist los?“, fragte ich im Versuch, zu dem meiner Ansicht nach völlig fehlgeleiteten Mann durchzudringen. Mittlerweile hatte ich nämlich meinen Erfasser aus Lyciras Frachtraum geholt und der hatte mir gezeigt, dass keinesfalls die Propheten, sondern eindeutig Sytania hinter dem hier steckte. „Dies, Allrounder!“, begann Radcliffe und hielt den Kegel hoch. „Dies ist der Gegenstand, der mir mein Heil gebracht hat! Jetzt weiß ich alles! Jetzt weiß ich, zu was ich wiedergekehrt bin! Ich soll die gesamte Föderation und auch alle anderen, die es wollen, von einer großen Blutschuld reinwaschen! Die Propheten haben es mir gesagt! Lassen Sie mich gleich mit Ihnen beginnen. Mit Ihnen und den Breen!“ „Nein!“, rief ich aus. „Ich weiß nämlich, dass das hier nicht von den Propheten kommt, sondern von jemandem anders. Von jemandem, die nur Böses im Sinn hat!“ Damit drehte ich meinen Erfasser so, dass er das Display sehen konnte. Gleichzeitig hatte ich den akustischen Alarm eingeschaltet. „Das haben Sie manipuliert!“, sagte er außer sich. „Sie müssen ja nur den entsprechenden Dateinamen zuweisen!“ „Das habe ich nicht!“, versuchte ich, mich zu rechtfertigen. „Sie!“, schäumte Radcliffe. „Sie unbelehrbare Sünderin! Sie wollen nicht rein gewaschen werden, dann werde ich Sie durch Ihre eigene Technologie zu Tode kommen lassen!“

Ich hörte ein Summen. Ein Summen, dessen Tonlage mir bereits bekannt war. Es hatte in meiner Kindheit eine Zeit gegeben, in der ich mir alles Mögliche ans Ohr gehalten hatte. Unter anderem auch einmal einen Transformator für ein elektrisches Spielzeug. Daher wusste ich, wie sich ein Energiefluss anhörte, nur war dieses Summen um ein Vielfaches lauter. Mit seiner Äußerung zusammengenommen konnte dies nur bedeuten, dass der Gegenstand ihn in die Lage versetzt hatte, durch reine Willenskraft ein Feld zu generieren, das alle Geräte in seinem Umkreis überlasten würde. Nicht genug mit der Explosion! Die elektrische Entladung würde uns alle in Stücke reißen!

Ich warf meinen Erfasser, meinen Phaser und mein Sprechgerät so weit von mir, wie ich konnte. Dann schrie ich den Breen zu: „Werft eure Geräte weg! Werft sie so weit weg von euch, wie ihr könnt!“

Nitprin folgte meiner Aufforderung, aber ihr Vater blieb wie vom Donner gerührt einfach nur stocksteif stehen. Ich wusste, für ihn konnte ich nichts mehr tun. Also griff ich die Hand des Mädchens und zerrte sie hinter einen Felsen, wo ich ihr zuzischte: „Hock dich hin und verschränk die Arme vor der Brust. Und vor allem, sieh auf den Sand! Sieh auf den Sand!“

Es gab einen Blitz und Motpran gab einen letzten markerschütternden Schrei von sich. Dann kam Radcliffe zu uns herüber und gab mir mein Sprechgerät in die Hand. „Schicken Sie Ihr Schiff weg!“, forderte er. „Tun Sie es, sonst stirbt noch jemand!“ Mit zitternden Händen gab ich Lyciras Rufzeichen ein. „Schicken Sie es an den äußersten Rand seiner Transporterreichweite!“, diktierte Radcliffe. „Es soll Sie später abholen, wenn ich weg bin! Na wird’s bald?!“ Er demonstrierte mir seine neue Macht erneut, indem er einen schwarzen Blitz auf Nitprin abfeuerte. Schlaff brach sie neben mir zusammen. „Lycira, flieg weg!“, befahl ich mit zitternder Stimme. „Flieg bis an den äußersten Rand deiner Transporterreichweite! Sobald Radcliffe weg ist, holst du mich wieder ab!“ „Brav!“, lobte Radcliffe mit einer gehässigen Betonung. „Und jetzt rühren Sie sich nicht von der Stelle!“

Er ging in Richtung des Breenschiffes. Wenn er eines der Sprechgeräte an sich gebracht hatte, war es ihm ein Leichtes, seine Systeme zu knacken und jetzt, mit seinen neuen Kräften, konnte er ja eh alles tun, worauf er Lust hatte.

Ich hörte den Antrieb des Schiffes. Er war fort. Wie es Nitprin ging, konnte ich nicht mehr herausfinden, denn im gleichen Moment nahm ich ein bekanntes Transportersurren wahr. Dann fand ich mich in Lyciras Cockpit wieder. Betsy., hörte ich ihre schmeichelnde Stimme. Ist ja gut. „Gar nichts ist gut, Lycira!“, schrie ich außer mir. „Du hattest Recht! OH, du hattest so Recht! Da muss noch ein Breenlebenszeichen sein. Du musst …“ Da ist nichts, Betsy., sagte sie. Die Kleine wird tot sein. Aber ich sehe eine Breenantriebssignatur. Soll ich ihr folgen? „Nein, Lycira.“, überlegte ich, soweit ich das überhaupt noch konnte in meinem aufgewühlten Zustand. „Bring mich einfach zur Erde und dann flieg der Granger entgegen! Du musst gegenüber Mikel aussagen! Oh, Gott, worauf habe ich mich da eingelassen. Was habe ich getan?!“ Du wolltest nur helfen., versuchte sie, mich zu beruhigen. „Genau das ist das Problem.“, sagte ich. „Und jetzt tu, was ich dir gesagt habe!“

Ihr Avatar nickte und dann aktivierte sie den interdimensionalen Antrieb, um ihn nahe der Erde wieder zu deaktivieren. Sie wusste, dass schnell gehandelt werden musste. Auch ich würde mich dem Geheimdienst stellen und eine Aussage machen müssen. Vielleicht war das Schlimmste ja noch zu verhindern.

Kapitel 7: Schuldzuweisung

von Visitor

 

Auch Shimar und Maron waren mit IDUSA zwischenzeitlich auf dem Weg nach Khitomer. „Hoffentlich geht alles gut.“, wendete sich der Agent an seinen tindaranischen Kameraden. „Hey.“, flapste Shimar zurück. „Ich bin der mit den telepathischen Fähigkeiten. Eigentlich müsste ich die Vorahnungen haben.“ „Du hast mich ertappt.“, sagte Maron und machte ein schuldbewusstes Gesicht. „Meine Äußerung sollte eigentlich nur dazu dienen, dich aufmerksam zu machen, damit du deine seherischen Fühler mal ausstreckst. Mein Problem ist nämlich, dass ich tatsächlich ein unbestimmtes Bauchgefühl habe, es aber nicht verifizieren kann.“ „Und bevor du dich bei Zirell völlig blamierst, wolltest du lieber jemanden fragen, der sich damit auskennt.“, witzelte der junge tindaranische Flieger. „Aber im Augenblick kann ich dir da leider nicht helfen. Immerhin habe ich ein Schiff zu fliegen.“ „Sie kann sich doch auch gut selbst …“, setzte Maron an, bevor ihn die Simulation des Schiffsavatars unterbrach: „Sie wäre Ihnen aber auch sehr dankbar, wenn Sie nicht über mich sprechen würden, als wäre ich nicht anwesend, Agent.“ Maron erschrak und sah zu Shimar hinüber, der stark grinsen musste. „Habe ich etwa schon wieder?“, fragte der ehemalige Sternenflottenoffizier, dem sein Verhalten gegenüber der künstlichen Intelligenz doch sehr peinlich war. Er wusste, dass IDUSA in der tindaranischen Rechtsprechung den gleichen Status wie eine biologische Lebensform hatte, also auch das Recht, in Unterhaltungen einbezogen zu werden. Dies war zwar wohl in seinem Kopf, aber wie es schien, noch nicht in seinem Herzen angekommen, geschweige denn, dass es ihm in Fleisch und Blut übergegangen war. „Es tut mir leid, Shimar.“, sagte Maron. „Sag ihr das.“, gab der Patrouillenflieger zurück. „Mich hast du nicht beleidigt!“ Damit hatte er einen Treffer in die nicht gerade minder ausgeprägte Magengegend des Demetaners gelandet. Maron schaute bedient. Dann sagte er: „Tut mir leid, IDUSA.“ „Da Sie anscheinend noch immer Anfänger sind, was die tindaranische Rechtsprechung angeht, werde ich Ihnen noch einmal verzeihen, Agent.“, sagte das Schiff. „Aber so langsam sollten Sie eigentlich Bescheid wissen.“ „Das tue ich auch.“, sagte Maron. „Und in meiner Ausbildung bei der Sternenflotte habe ich auch gelernt, mich anderen Kulturen anzupassen. Ich kann selbst nicht verstehen, warum mir das bei euch einfach nicht gelingen will. Ich meine, ich würde einen Androiden oder ein Hologramm nie übergehen. Wieso passiert mir das nur immer wieder bei dir, IDUSA?“ „Ich fürchte, diese Frage können Sie sich nur selbst beantworten.“, meinte IDUSA. „Oder unter Umständen kann Ihnen auch Ishan dabei helfen. Er hat außer einer medizinischen auch eine psychologische Ausbildung.“ „Willst du damit sagen, er sei verrückt?!“, ergriff Shimar für Maron Partei. „Das hat sie nicht gesagt.“, nahm dieser jetzt das Schiff in Schutz. „Ich bin sicher, sie hat nur die Eventualitäten ausgelotet. Außerdem ist nicht jeder gleich verrückt, der mal etwas mit einem Psychodoktor besprechen will. Aber ich könnte mir denken, dass das schon als ziemlich verrückt, also nicht normal, bei euch ankommt, wenn jemand, der für euch arbeitet, einfach eure fundamentalsten Gedankengänge nicht übernehmen will.“ „Oh, ich bin sicher, Sie wollen, Agent.“, sagte IDUSA schmeichelnd. „Aber aus irgendeinem Grund können Sie nicht.“ „Genau.“, sagte Maron. „Und damit ich mich nicht weiter quäle und nicht vom Fleck komme, werde ich mir, sobald wir wieder auf 281 Alpha sind, Hilfe bei diesem Problem besorgen!“

IDUSAs Sensoren nahmen die langen Reihen verschiedenster Schiffe wahr, die sich in einer Umlaufbahn um Khitomer befanden. „Gentlemen, ich hoffe, dass wir kein Parkplatzproblem bekommen.“, scherzte IDUSA. „Ach was.“, sagte Shimar zuversichtlich. „Na komm! Ich werde uns schon vernünftig einreihen.“ Damit schob er IDUSA langsam in eine Lücke zwischen dem Schiff der aldanischen Delegation und Space Force One. „Sie schmeicheln mir.“, stellte sie fest. „Mich direkt neben dem Schiff der Präsidentin der Föderation zu parken.“ „Es war gerade kein anderer Platz frei.“, lächelte Shimar. Dann gab er IDUSA noch die Gedankenbefehle: Antrieb aus! und Ankerstrahl setzen!, bevor er seinen Neurokoppler absetzte. Der demetanische erste Offizier tat es seinem Kameraden gleich und dann standen beide vom Sitz auf, was für IDUSA ein unmissverständliches Zeichen war, den Transporter zu aktivieren.

Sie fanden sich im großen Saal wieder, in dem die feierliche Übergabe von Meilenstein stattfinden sollte. Etwas nervös suchte Shimar die Reihen der Anwesenden ab. „Was suchst du.“, zischte ihm sein Vorgesetzter zu. „Vielleicht solltest du lieber fragen, wen ich suche.“, flüsterte Shimar zurück. „Ich habe die Granger gesehen, aber Betsy ist nicht hier.“ „Sie wird Heimaturlaub haben.“, beruhigte ihn Maron. „Oder, vielleicht ist sie krank.“ „Wenn irgendwas wäre, dann hätte sie mir doch bestimmt geschrieben.“, sagte Shimar irritiert. „Vielleicht wollte sie dich nicht beunruhigen.“, vermutete Maron.

Es wurde still im Raum und Maron legte den Finger an die Lippen, um seinem Untergebenen ein Zeichen zum Schweigen zu geben. Nugura betrat die Bühne. Begleitet wurde sie von Senatorin Rakal, die ebenfalls ein feierliches Gesicht machte. Beide Frauen trugen elegante schwarze Seidenkleider, die wohl dem Ereignis angemessen waren. Dazu ebenfalls schwarze Schuhe. Die Romulanerin, welche Nugura noch um einige Zentimeter überragte, hatte außerdem noch eine rote Spange in ihrem langen schwarzen Haar. Sie blieb zunächst einige Schritte hinter Nugura zurück, die sofort zum Rednerpult ging und das Mikrofon in die Hand nahm. Dann gab sie ihrem an einem Schreibtisch im Hintergrund sitzenden Sekretär ein Zeichen, auf das er ein Pad aus der Tasche zog, um es ihr zu reichen. Dieses legte sie vor sich ab und begann: „Bürger und Verbündete der Föderation, heute ist ein denkwürdiger Tag! Seit vielen Jahren und Jahrhunderten haben wir Frieden in unserem Gebiet, aber dieser Friede wird immer wieder bedroht! Sie alle kennen den Nahmen der wohl fürchterlichsten Bedrohung! Der Rücksichtslosesten überhaupt, gegen die selbst die Borg wie Spielzeugsoldaten wirkten! Seit ungefähr der gleichen Zeit ist uns aber auch ein Gegenmittel bekannt! Nur war seine Benutzung nicht immer ganz ungefährlich, auch für unsere telepathischen Verbündeten, denn die Strahlung von Rosannium macht nun einmal keinen Unterschied zwischen Freund und Feind! Aber die Zeit der Vorsicht, die ist jetzt vorbei! Dank der unermüdlichen wissenschaftlichen Arbeit unserer Verbündeten von Romulus können wir es endlich bändigen und ihm beibringen, wen es bekämpfen soll! Ich bitte Sie also nun um einen herzlichen Applaus für Senatorin Talera Rakal, die Romulus politisch vertritt und Professor Kimara Toreth und ihren Assistenten, Remus Meret, die Meilenstein erbaut haben! Gemeinsam mit mir werden sie die Waffe jetzt enthüllen!“

Alle standen auf und begannen zu klatschen. Dann betraten die Romulaner, deren Namen sie soeben genannt hatte, die Bühne. Nugura übergab das Mikrofon an die direkt hinter ihr stehende romulanische Senatorin. „Als Zeichen der Freundschaft übergeben wir, die romulanische Regierung, die Waffe Meilenstein feierlich an die Föderation der vereinten Planeten!“, sagte diese. Danach drehten die Politikerinnen sich synchron um und gaben ihren jeweiligen Anwesenden Offizieren ein Zeichen. Die romulanischen Offiziere und die der Sternenflotte bildeten ein gemischtes Ehrenspalier, das ihren Weg zur anderen Seite des Raumes säumte. Dann schritten sie Hand in Hand durch die Gasse, die sich gebildet hatte. Shimar fand das alles sehr übertrieben. „Was tut man nicht alles für die Presse!“, zischte er Maron zu.

Auf einem Tisch befand sich ein Gegenstand, der mit roten und grünen Stoffen verhüllt war. Daran hing eine Schnur mit einer weißen Kugel aus Metall herunter, die Senatorin Rakal in die rechte Hand nahm, um sie gleich darauf in einer feierlichen Bewegung Nugura zu übergeben. Fast im gleichen Moment blendete ein schwarzer Blitz alle und vor ihnen stand Radcliffe. „Zu dieser Übergabe darf es nicht kommen und es wird auch nicht dazu kommen, weil ich Ihnen allen jetzt ganz genau zeigen werde, dass die politische Freundschaft zwischen der Föderation und Romulus auf einer Lüge basiert!“, sagte der verblendete Professor. „Auf einer Lüge, jawohl!“

Es gab einen erneuten schwarzen Blitz und alle fielen in eine Art Schockstarre. Dann mussten sie, ob sie wollten oder nicht, sich ansehen, was damals auf Deep Space Nine passiert war. Kaum war dies vorbei, sah Rakal Nugura mit einem vorwurfsvollen Blick an. „Einer Ihrer Offiziere hat den Plan ersonnen, unsere Gesandten umzubringen und es den Formwandlern in die Schuhe geschoben?!“, fragte sie ernst. Nugura wurde leichenblass. „Ich schwöre, Senatorin.“, begann sie. „Davon habe ich nichts gewusst! Keiner meiner Vorgänger im Amt hat je ein Wort darüber verloren.“ „Um so schlimmer!“, erwiderte die Romulanerin scharf. „Aber nicht genug damit! Nachdem wir die Sache mit dem Thermolytischen Datenstäbchen den Göttern sei Dank aufgedeckt hatten, schicken Sie einen zwielichtigen Cardassianer als gedungenen Mörder hinter unserem Schiff her, der …“ „Wer weiß, wer dieser Fremde ist.“, versuchte Nugura, die jetzt doch sehr angespannt scheinende Situation zu entschärfen. „Wer weiß, ob das, was er uns gerade gezeigt hat, wirklich der Wahrheit entspricht. Die Sicherheit soll ihn in Gewahrsam …“ „Dass können die gern mal versuchen!“, lachte Radcliffe dreckig und schmetterte alle anwesenden Sicherheitsleute und Geheimdienstler, die sich ihm nähern wollten, mit Hilfe seiner neuen Kräfte an die Wände des Raumes. Alle außer Mikel, dem Kissara noch zugeflüstert hatte, in jedem Fall in ihrer Nähe zu bleiben und nichts Dummes zu tun. Da niemand mit so etwas gerechnet hatte, war auch keiner der Agenten im Besitz einer Rosannium-Waffe. Die an die Wände geschmetterten Agenten waren sofort tot.

„Geben Sie zu, dass Sie …!“, setzte nun auch Rakal Nugura weiter zu. „Ich werde in jedem Fall eine Untersuchung veranlassen.“, sagte die Präsidentin diplomatisch. „Sollte diese ergeben, dass unser nun fast schon 800 Jahre andauerndes Bündnis auf einer Lüge basiert, werde ich …“ „Ich glaube Ihnen kein Wort!“, zischte Rakal. „Sie werden das genau so unter den Teppich kehren, wie es Ihre Vorgänger im Amt getan haben! 800 Jahre! 800 Jahre und Sie besitzen noch nicht einmal die Stirn, uns die Wahrheit zu sagen. Sie werfen uns vor, feige und hinterlistig zu sein, dabei sind Sie selbst noch viel schlimmer! Einer Spezies ein Verbrechen anzuhängen, das sie gar nicht begangen hat, finde ich selbst das höchste aller Verbrechen!“ Sie gab einen Befehl auf Romulanisch in ihr Sprechgerät ein und sie, die Wissenschaftler und das Gerät verschwanden. Verstört blieben Nugura und die anderen zurück.

Der Fremde, der alles gesehen hatte, näherte sich der Präsidentin mit mitleidigem Blick. „Ich kann Sie rein waschen.“, sagte er. „Ich kann Sie von Ihrem bösen Ich und von dieser Sünde befreien. Sie alle. Sie müssen nur damit einverstanden sein.“ In ihrer Verzweiflung nickten alle, außer Kissara, die dieses Angebot nur noch wachsamer gemacht hatte. Mein Commander hatte wohl schon im Gefühl, dass hier etwas Böses im Gange war.

Nun ging der Fremde die Reihen ab und berührte jeden. Alsbald stand neben ihm ein genaues Ebenbild der Person, das aber weitaus finsterer dreinschaute. Jetzt war die Reihe an Kissara. „Nein Danke!“, sagte sie langsam, aber bestimmt und hielt ihm bedrohlich ihre Hände mit ausgefahrenen Krallen hin. „Aber dann sind Sie für immer von aller Schuld befreit.“, versuchte der Fremde, sie zu überzeugen. „Zumindest alle biologischen Lebensformen. Bei den Künstlichen und bei denen, die nicht einverstanden sind, geht es nicht. Aber …“ „Interessante Information.“, sagte Kissara. „Aber trotzdem werde ich da nicht mitspielen. Ich bin mir keiner Schuld bewusst, die rechtfertigt, dass Sytania so was mit mir machen lässt.“ „Es war nicht Sytania, die mir diese Kräfte verliehen hat!“, sagte Radcliffe. „Es waren die Propheten!“ „Das glauben Sie doch nicht ernsthaft!“, versuchte Kissara, ihm die Realität begreiflich zu machen. „Doch.“, sagte Radcliffe freundlich. „Sie werden es gleich selbst spüren.“ Damit fasste er ihre Schultern, aber da sie einen extrem biegsamen Körper und eine sehr dehnbare Haut wie eine Katze hatte, gelang es ihr, sich zu befreien. Er wagte einen neuen Versuch, aber kam nicht mehr an sie heran, denn Tatz! Kratz! Ratsch!, hatten ihre Hände vorher sein Gesicht erreicht, um dort zehn tiefe blutige Furchen zu hinterlassen. „Offensichtlich können Sie Ihre Kräfte nicht benutzen, wenn Sie Schmerzen haben.“, stellte Kissara fest. „Aber anscheinend musste ich ja so deutlich werden! Ich nenne das eine interessante Nebeninformation. Wer weiß, wozu es noch mal gut sein kann, das zu wissen. Seien Sie gewiss, ich werde Sie und Sytania auf keinen Fall hiermit durchkommen lassen! Agent, sagen Sie dem Computer, er soll uns alle an Bord der Granger zurückbeamen!“ Der terranische Agent nickte und zog sein Sprechgerät. In einem schwarzen Blitz waren auch Radcliffe und seine neuen Freunde verschwunden.

Maron und Shimar hatten sich in IDUSAs Cockpit wieder gefunden. „Was war das?“, fragte der Agent verwirrt. „Das kann ich dir nicht sagen.“, sagte Shimar. „Mir ist die ganze Situation eben so ein Rätsel wie dir.“ „Ich dachte nur, du hättest vielleicht etwas Außergewöhnliches gespürt.“, sagte der Demetaner. „Das habe ich tatsächlich.“, gab der junge Tindaraner zu. „Aber ich kann dir nicht genau sagen, was es war. Ich würde es am ehesten mit einem schalen Nachgeschmack nach einem schlechten Bier oder so etwas vergleichen. Ich weiß nur, dass ich allein dagegen nicht angekommen wäre und die anderen Telepathen waren wohl auch total überrascht. Sonst hätten sie …“ „Wieso können Telepathen von so was überrascht sein?“, fragte der erste Offizier irritiert. „Wenn der Fremde sich gut genug abschirmen konnte.“, warf IDUSA ein. „Für mich war die Situation auch unklar, deshalb habe ich Sie sofort beide wieder an Bord geholt.“ „Das hast du richtig gemacht.“, entschied Maron. „Wer weiß, was Sytania da wieder für ein Monster geschaffen hat. Wir sollten zurückfliegen und ich sollte Zirell berichten. Flieg du ruhig erst mal in den Urlaub, Shimar. Ich glaube, das wäre besser.“ Der Angesprochene nickte.

„Fühlen Sie sich in der Lage, mich zu steuern?“, fragte IDUSA, nachdem sie Shimars medizinische Werte überprüft hatte. „Ich glaube, das kannst du knicken, falten und in die Tonne treten.“, gab der Tindaraner zu. „Bring uns in die interdimensionale Schicht und von dort aus beamst du Maron direkt vor Zirells Nase. Dann Kurs Terra. Falls ich bis dahin wieder einigermaßen bei mir bin, kann ich ja übernehmen.“ IDUSAs Avatar nickte und führte die Befehle zunächst aus. „Es wird nur schwierig mit dem direkt vor die Nase Beamen.“, sagte sie. „Commander Zirell steht nämlich gerade in ihrem Quartier unter der Schalldusche.“ „Dann setz mich vor ihrer Tür ab.“, sagte Maron. Das tat IDUSA auch. Dann flog sie aus der Schicht ins Universum der Föderation zurück.

Wie benommen hatte Nugura, die ja von Radcliffes Reinwaschung betroffen war, den Rest der Szene mit angesehen. Sie kam erst wieder zu sich, als sie eine künstlich anmutende Stimme ansprach: „Bioeinheit Nugura?“ Sie wendete den Kopf und erkannte eine männliche xylianische Sonde, die sich ihr langsam näherte. „Sie sind der Vertreter der Xylianer.“, erkannte sie. „Das ist korrekt.“, antwortete er. „Das System bietet Ihnen an, bei der Erforschung des Problems zu assistieren.“ „Wie?“, fragte Nugura resigniert. Sie wusste, dass es genau so gut wahr wie unwahr sein konnte, was dieser Fremde ihnen vor seinem Verschwinden gemeinsam mit den bösen Alter Egos gezeigt hatte. Wenn es aber wahr sein sollte, dann war eine seit 800 Jahren andauernde Beziehung zerstört. Aber in diesem Schwebezustand durfte alles auch nicht bleiben. „Übergeben Sie uns die Überreste von Deep Space Nine, die sich im Museum auf Bajor befinden. Wir werden sie examinieren. Außerdem werden wir die Tindaraner um einen Kanal auf der interdimensionalen Sensorenplattform bitten, um die Vergangenheit zu examinieren, falls die Daten aus der Museumsbasis keinen Aufschluss geben. Es ist die einzige Chance.“, erklärte die Sonde.

Nugura dachte nach. Sie war extrem betroffen über das, was sie gerade gesehen hatte, aber sie wusste, dass sie ehrlich sein musste. Die Romulaner würden sonst vielleicht wieder einen neuen Krieg mit der Föderation beginnen. Deshalb sagte sie: „Gut. Die Basis wird examiniert werden. Ich werde alles in die Wege leiten.“ „Ihre Entscheidung wird produktiv sein.“, sagte der Xylianer, strich ihr tröstend über das Gesicht und beamte fort. Gern hätte Nugura noch die Kennung ihres Helden erfahren. Des Mannes, der sie gerade aus ihrer Verzweiflung gerettet hatte. Sie wusste, wenn jemand noch etwas aus 800 Jahre alten Datenkristallen quetschen konnte, dann die Xylianer. Sie waren schließlich mit technischen Geräten auf Du und Du. Außerdem gab es noch die Plattform. Die Tindaraner würden sicher nicht verneinen.

Nach einem ausgedehnten Besuch ihrer Schalldusche hatte Zirell ihre Uniform wieder angelegt und war aus ihrem Quartier getreten. Überrascht blieb sie stehen, als sie Maron vor der Tür ansichtig wurde. „Maron!“, sagte sie erstaunt. „Wo kommst du denn jetzt schon her und wo ist Shimar mit IDUSA? Joran hatte Befehl, euch anzukündigen, wenn ihr euch zurückmelden würdet.“ „Er kann nichts dafür.“, stammelte der Agent, dem offensichtlich die Knie weich wurden. „Komm erst mal mit.“, sagte Zirell beruhigend und nahm seine Hand, um den immer noch zitternden Maron in ihr Quartier zu führen. Hier setzten sich beide ins Wohnzimmer auf die Couch. Dann ging Zirell zum Replikator, um zwei Gläser mit Cola zu replizieren. Eines davon stellte sie vor Maron hin. „Du willst deinen ersten Offizier also abfüllen.“, machte der Demetaner einen gequälten Scherz. Zirell sah ihn fragend an. „Weißt du etwa nicht, dass Kohlensäure auf meine Spezies die gleiche Wirkung hat, wie auf andere zum Beispiel Alkohol?“ „Entschuldige.“, sagte Zirell und nahm das Glas wieder fort. „Ich dachte nur, es sei besser im Augenblick. Du siehst nämlich aus, als könntest du einen Drink vertragen. Was ist überhaupt passiert?“ „Wenn ich das so genau wüsste.“, sagte Maron und schaute verzweifelt. „Hast du die öffentliche Datenübertragung von Khitomer etwa nicht gesehen?“ „Nein.“, gab Zirell zu. „Aber ich denke auch, dass die Technik nicht in der Lage wäre, uns die relevanten Dinge, die dich so irritiert haben, zu zeigen.“ „Da könntest du Recht haben.“, sagte Maron, dem es verdammt recht war, dass sie dem Knackpunkt wohl schon sehr nah gekommen war. „Also.“, sagte Zirell und nahm eine wartende Haltung ein. „Die Übergabe von Meilenstein sollte gerade stattfinden, da ist ein merkwürdiger Fremder aufgetaucht.“, begann Maron. „Er sah aus wie ein Terraner, hatte aber Kräfte wie Sytania oder ein anderer Mächtiger. Er hat uns allen eine ungeheuerliche Sache gezeigt. Zirell, wenn das wahr ist, dann …“ „Was für eine Sache denn?“, fragte die tindaranische Kommandantin, die langsam kurz davor war, mit ihrem Untergebenen die Geduld zu verlieren. „Hör gefälligst auf zu schwafeln! Du bist ja schlimmer als mancher Politiker!“

Maron öffnete seinen Mund, aber es kam nichts heraus. Auch ein erneuter Versuch brachte nichts. „Zirell, ich kann nicht.“, gab er seufzend auf. „Wenn wahr sein sollte, was er uns gezeigt hat, dann würden alle Prinzipien verraten sein, an die ich seit meiner Zeit als Kadett geglaubt habe. Das kann nicht … Das darf nicht …“ „Du weißt, es gibt noch einen anderen Weg.“, deutete die Telepathin an und sah ihm erwartungsvoll ins Gesicht. „OK.“, sagte Maron und lehnte sich zurück. „Tu es!“

D/4 war in ihren Garten zurückgekehrt. Sie dachte, dass sie die Radcliffes in Sicherheit gebracht hätte. Als was für ein Trugschluss sich das noch herausstellen würde, konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Sie interessierte jetzt nur, warum ich immer noch nicht auf ihre Mail geantwortet hatte. Deshalb beschloss sie, zu meinem Haus hinüber zu gehen, um nach dem Rechten zu sehen.

Lycira und ich hatten die Umlaufbahn der Erde erreicht. Ich werde dich jetzt hinunterbeamen., sagte sie. Da ist sogar jemand, die auf dich wartet. „Wer ist es, Lycira?“, fragte ich. Eine Xylianerin., interpretierte sie die Signale, die ihre Sensoren von D/4 empfangen konnten. Persönlich kannte sie die Sonde noch nicht. „OK.“, sagte ich. „Ich kann mir schon denken, wer das ist.“ Sie aktivierte den Transporter.

Mit leichter Verwirrung sah D/4 auf die sich vor ihr materialisierende Gestalt. „Allrounder.“, stellte sie fest. „Wo waren Sie?“ „Lange Geschichte.“, stammelte ich, bevor ich durch einen Kreislaufzusammenbruch bedingt in ihre Arme fiel. Der Schock, den mir das Ganze versetzt hatte, musste erst jetzt wirklich zum Tragen gekommen sein. „Ihre Biozeichen sind unregelmäßig.“, stellte die Sonde fest. „Sie haben einen Schock!“ „Das weiß ich nicht erst seit heute.“, versuchte ich, die Situation aufzuhellen, aber das gelang mir nicht. Im nächsten Moment übergab ich mich direkt vor ihren Augen.

Sie legte mich über ihre Schultern und brachte mich in ihr Haus. „Wo wollen Sie mich hier hinlegen?“, fragte ich benommen. „Ich meine, Sie haben kaum Möbel und …“ „Dieses Haus verfügt über ein Gästezimmer.“, sagte die Sonde. „Dort sind zweifellos genug Möbel.“

Sie musste ihrem Hausrechner mit Hilfe ihres internen Sprechgerätes befohlen haben, die Tür zum Gästezimmer zu öffnen. Im nächsten Augenblick fand ich mich auf einer weichen Matratze wieder. Unter meinem Kopf befand sich ein weiches dickes Kissen. Dann legte sie eine weiche warme Decke über mich. „Die Decke und das Kissen sind mit Tribblewolle gefüllt.“, erklärte sie. „Habe ich mir schon gedacht, so weich, wie das ist.“, sagte ich. „Sagen Sie bitte nicht, das haben Sie extra von Demeta einfliegen lassen.“ „Ihre Annahme ist korrekt.“, meinte die Sonde. Ich staunte.

Plötzlich musste ich mich ruckartig aufsetzen und gab einen Laut von mir, der sie in Alarmbereitschaft versetzte. Mittels ihres internen Transporters hatte sie blitzschnell einen Eimer aus dem fast nie benutzten Badezimmer hergeschafft. Diesen hielt sie mir jetzt mit der rechten Hand vor mein Gesicht, während sie mit der Linken meine Stirn hielt, um mich zu stabilisieren. Ich entließ den gesamten Inhalt meines Magens in den Eimer. Diesen säuberte sie schnell und brachte ihn mir danach wieder. „Ich werde den Eimer hier an das Kopfende des Bettes stellen.“, sagte sie und tat es. Dann klopfte sie noch einmal daran. „Wollen Sie eine Rede halten?“, scherzte ich. „Negativ.“, sagte sie. „Mein Operationsziel und meine Absicht waren es eigentlich, Ihnen zu verdeutlichen, wo Sie den Eimer im Notfall finden können.“, erklärte sie. „Ich werde jetzt nämlich Medikamente für Sie besorgen, um Ihren Zustand zu verbessern.“ „OK.“, sagte ich. „Aber wenn das geschehen ist, muss ich unbedingt aussagen. Ich habe Scheiße gebaut, D/4! Echte große Scheiße!“ „Scheiße ist unpräzise.“, sagte sie und setzte sich auf einen Hocker neben das Bett. „Ich kann jetzt nicht reden.“, sagte ich. „Vielleicht geht es, wenn ich die Medizin intus habe. Aber jetzt wären meine Angaben nur verwirrend.“ „Also gut.“, sagte die Sonde und holte etwas aus einer Schublade. „Geben Sie mir Ihr rechtes Handgelenk!“, forderte sie mich auf. Ich tat es und sie legte mir den Gegenstand an. Er sah aus wie eine Art Armband mit Messeinrichtung. „Das Gerät informiert mich über Ihren Gesundheitszustand während meiner Abwesenheit von Ihnen.“, erklärte sie. „Versuchen Sie, etwas zu schlafen. Ich bin in wenigen Minuten wieder hier.“ Ich nickte und drehte mich um. Es ging mir bereits erheblich besser, seit ich mein Essen los war. Aber ich dachte mir, auch ihre Anwesenheit hätte einen großen Teil dazu beigetragen. Sie war ausgebildete Medizinerin und ich fühlte mich bei ihr in guten Händen. Sie beobachtete noch, wie ich einschlief, um das Haus dann zu verlassen.

Radcliffes und die Alter Egos der Föderation und ihrer betroffenen Verbündeten hatten das Dunkle Imperium erreicht. Aus Platzmangel an Bord des Breenschiffes hatte Radcliffe entschieden, sie telekinetisch vorauszuschicken. Dann war er selbst mit dem Schiff nachgekommen. Jetzt standen er und sie vor Sytania. „Nathaniel!“, begrüßte sie ihn, als sei er ein alter Freund. „Das hast du sehr gut gemacht.“ „Wer seid Ihr?“, fragte Radcliffe, der sie zwar aufgrund ihrer Kleidung und ihres Habitus als Prinzessin erkennen konnte, aber nicht genau wusste, wer die Unbekannte war, zu der es ihn gezogen hatte. Das konnte man ihm aber auch nicht verübeln, wenn man bedachte, dass er ein ahnungsloser Zivilist war. „Seid Ihr einer der Propheten?“, fragte er unbedarft. „Was?!“, lachte Sytania, der bei dem Gedanken, mit den Propheten verglichen zu werden, schier die Ekelpusteln ins Gesicht schossen. „Aber nein.“, sagte sie. „Ich bin Sytania! Ich bin die Kronprinzessin dieser Dimension, in der du dich jetzt befindest. Sie heißt das Dunkle Imperium. Aber du musst keinen Schreck bekommen. Hier sind zwar dunkle Mächte am Werk, aber das ist reine Interpretationssache. Es kommt immer darauf an, auf welcher Seite man steht. Oder findest du es etwa böse, dass ich dir die Möglichkeit gegeben habe, die Föderation von ihren Sünden rein zu waschen, oder gar dich von deiner Krankheit geheilt habe?!“ „Nein, Hoheit.“, sagte Radcliffe und machte eine unterwürfige Geste. „Da siehst du es.“, sagte Sytania. „Und jetzt mache ich dir noch ein weiteres Geschenk.“

Mit einem schwarzen Blitz beförderte sie alle Alter Egos hinfort. „Wo sind sie?“, fragte Radcliffe. „Versuch sie zu finden.“, sagte Sytania. „Wünsch dir einfach, dass du sie siehst.“

Das tat Radcliffe und fand sie tatsächlich wieder. Er sah, dass sie sich in einer Dimension befanden, die dem Universum der Föderation bis aufs Haar glich. „Ihr habt ihnen eine Heimat geschaffen.“, stellte er fest. „Ganz genau.“, sagte Sytania. „Und ich nenne sie das Antiuniversum. Sie sind die Antiföderation und du bist der Oberbefehlshaber der Antiföderation. Auch die Antinugura ist dir unterstellt. Sie muss und wird alles mit dir absprechen. Du wirst hier bei mir im Schloss wohnen und das gemeinsam mit deiner Familie, die du nachholen wirst. Ach, ich sollte dich vielleicht noch von diesen Wunden befreien.“ Damit heilte sie die Kratzer buchstäblich in einem Augenblick. „Vielen Dank.“, sagte Radcliffe und zog das Sprechgerät der Breen, das er sich tatsächlich angeeignet hatte, um wieder auf das Schiff zu beamen. Er war fest entschlossen, bei Sytanias Plänen mitzumachen. Er kannte sie ja leider nicht gut genug, um zu wissen, dass er dies lieber nicht getan hätte.

Zirell hatte nach dem Studium von Marons Erlebnissen wieder von seinem Geist abgelassen. „Viel hast du nicht sehen können.“, stellte sie fest. „Weil IDUSA uns rechtzeitig wieder an Bord geholt hat.“, antwortete der Demetaner. „Die Situation muss sie auch ziemlich irritiert haben.“ „Verständlich.“, bestätigte die Tindaranerin. „In ihrem Fall wäre ich das sicher auch.“ „Zumal dann, wenn meine Sensoren mir sagen würden, dass es sich offensichtlich bei dem fremden Eindringling um einen Terraner handelt, ich aber auf der anderen Seite feststellen muss, dass er imperianische Fähigkeiten hat.“, antwortete Maron. „Das klingt ja fast, als würdest du Verständnis für IDUSA aufbringen.“, lobte Zirell. „Lob den Tag besser nicht vor dem Abend.“, sagte Maron schuldbewusst. „Ich meine, das klappt leider nicht immer. Warum kann ich dir nicht sagen, aber ich werde mit Ishan darüber reden müssen. Ich glaube kaum, dass es eine organische Ursache gibt, aber vielleicht habe ich ja irgendwo ein verstecktes Kindheitstrauma.“ „Das Naheliegenste wäre Wolf 359.“, scherzte Zirell. „Das würde erklären, warum du künstlichen Intelligenzen keine freiheitlichen Rechte zugestehen kannst.“ „Für wie alt hältst du mich?!“, fragte der erste Offizier erstaunt. „Darf ich dich vielleicht daran erinnern, dass diese Sache über 800 Jahre zurückliegt und ich da noch gar nicht geboren war? Und meine Familie hat auch gar nichts damit zu tun gehabt. Demeta war damals noch nicht …“ „Entschuldige bitte!“, sagte Zirell langsam, aber energisch. „Ich habe ja nicht gedacht, dass dich der Umstand, dass du mit unserem Rechtssystem in der Hinsicht auf Kriegsfuß stehst, so stark beschämt, dass man noch nicht mal einen kleinen Scherz machen darf.“ „Ja, er beschämt mich, dieser Umstand.“, sagte Maron. „Weil es eigentlich nicht so sein sollte. Ich bin ausgebildeter Sternenflottenoffizier! Als ein Solcher sollte ich mich viel besser und leichter an fremde Kulturen anpassen können, findest du nicht?“ „Ich finde vor allem.“, setzte Zirell an. „Dass du dich viel zu sehr unter Druck setzt. Wie wäre es erst mal, wenn du damit aufhörst. Dann kommt der Rest sicher von ganz allein. Davon bin ich überzeugt!“ „Wenn du meinst.“, sagte der Demetaner mit skeptischem Blick. „Ja, das meine ich.“, sagte die Tindaranerin. „Und zwing mich nicht dazu, es dir zu befehlen! Falls das nichts bringt, kannst du ja immer noch zu Ishan gehen.“ „Also schön.“, sagte Maron und stand auf, um ihr Quartier in Richtung des Eigenen zu verlassen.

Kapitel 8: Aus den Scherben erwächst neues Grauen

von Visitor

 

D/4 war in die Sisko Road eingebogen. Hier befand sich außer meinem Haus, an dem sie jetzt vorbei ging, auch die Praxis von Cupernica, von der sie die Medikamente für meine Behandlung besorgen wollte. Außerdem war dort auch das Haus der Huxleys, aus dem jetzt eine Gestalt auftauchte, die das Tor durchquerte und dann schnellen Schrittes auf sie zu ging. Erst spät erkannte die Sonde, wer es war. „Agent Sedrin Taleris-Huxley.“, identifizierte sie die Demetanerin mittleren Alters, die dicke Winterkleidung trug und ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte. „Das ist korrekt.“, scherzte Sedrin. „Ich wollte gerade einen Spaziergang machen.“ „Mein Operationsziel ist eher dienstlicher Natur. Ich muss Medikamente besorgen.“, erwiderte die Sonde. „Aha.“, lächelte die demetanische Agentin. „Dienstlich also. Wenn ich nicht wüsste, dass Sie für die Rettung arbeiten, hätte ich das sicher nicht verstanden. Aber wäre es nicht effizienter, die Medikamente einfach zu bestellen? Oder ist der Rechner in der Zentrale des Rettungsshuttles ausgefallen?“ „Negativ.“, sagte D/4. „Die benötigte Menge der Medikamente würde allerdings unsere Bestellmenge deutlich unterschreiten. Ein Frachttransport wäre also ineffizient. Ich benötige die Medizin nur für eine einzige Patientin.“ „Ich wusste gar nicht, dass Rescue One einen Einsatz hatte.“, sagte Sedrin. „Wir hatten auch keinen offiziellen Einsatz.“, erklärte die Xylianerin. „Die Patientin ist buchstäblich vom Himmel gefallen.“ „Dass Ihnen so etwas auch mal passiert.“, lachte Sedrin. „Aber sagen Sie jetzt bloß nicht, sie fiel Ihnen auch noch direkt in die Arme.“ „So könnte man es ausdrücken.“, sagte die Sonde. „Aber die Patientin und ich werden Ihre Assistenz benötigen, wenn sie in der Lage ist, eine Aussage zu machen. Ihr medizinischer Zustand lässt dies im Moment noch nicht zu.“ „Und eine Aussage unter Medikamenten ist juristisch ungültig.“, sagte Sedrin, der die Gesetzeslage als ausgebildeter Agentin sehr wohl klar war. „Das ist korrekt.“, sagte die Sonde. „Die Medikamente, die ich der Patientin verabreichen muss, haben einen sedativen Charakter. Sie werden ihre zeitliche und örtliche Orientierung einschränken.“ „Reichlich ineffizient, wenn man sich an Daten, Zeiten und Orte erinnern soll, nehme ich an.“, sagte die Geheimdienstlerin. „Ihre Annnahme ist korrekt.“, antwortete die Bereitschaftsärztin.

Sedrin zog D/4 zu einem nahen Pfeiler in der Nähe der Straße. Dort bedeutete sie ihr, sich neben sie zu setzen. „Sie haben mich ganz schön neugierig gemacht.“, sagte sie. „Und, wenn Sie mir nicht gerade gesagt hätten, dass Sie meine Hilfe bräuchten, würde ich auch gar nicht fragen, weil ich weiß, dass Sie an die Schweigepflicht gebunden sind. Aber wer ist Ihre Patientin?“ „Allrounder Betsy Scott.“, sagte D/4. „Ihr Vertrauensverhältnis zu Ihnen ist stabil und ich denke, sie wird Ihnen gegenüber leichter aussagen, als gegenüber einem Ihrer Kollegen.“

Sedrin fuhr herum. „Wenn Sie so etwas sagen.“, sagte sie. „Dann muss etwas sehr Schlimmes geschehen sein. Wann, glauben Sie, wird sie fähig zu einer Aussage sein und was ist überhaupt passiert?!“ „In 24 Stunden wird sie aussagen können, wenn ich ihr die Medikamente sofort gebe.“, berechnete D/4. „Aber meine Daten über die Ereignisse sind lückenhaft.“, gab sie dann zu. „Der Allrounder hat sich mir gegenüber nur sehr unpräzise ausdrücken können, was ich auf ihren Gesundheitszustand zurückführe. Sie hat einen Schock. Sie sagte nur, sie habe Scheiße gebaut.“ „Allrounder Betsy Scott baut keine Scheiße!“, sagte Sedrin alarmiert. „Sie geht immer lieber den geraden Dienstweg. Es könnte allerdings sein, dass sie in irgendetwas hineingeraten ist und sich jetzt irrtümlich die Schuld gibt. Das würde auf jeden Fall eher dem Charakter entsprechen, den ich von ihr kenne. Sie hat bisher weder erhöhte kriminelle Energie, noch erhöhte Risikofreude gezeigt. Sagen Sie mir bitte sofort Bescheid, D/4!Dann komme ich zu … Wo ist sie?!“ „Das werde ich.“, versicherte die Sonde. „Sie befindet sich in meinem Haus in meiner persönlichen Obhut.“

Sie stand auf, um ihren Weg zu Cupernicas Praxis fortzusetzen. Hier würde sie, da Cupernica meine Hausärztin war, auch gleich erfahren können, ob ich Allergien hatte und all das, was für die Gabe von Medikamenten unter Umständen wichtig sein konnte. Auch Sedrin setzte ihren Spatziergang fort, allerdings hatte sie die gesamte Zeit über ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Was die Sonde ihr gerade über mich verraten hatte, beunruhigte sie sehr. Sie kannte mich gut und wusste, dass, was immer auch passiert war, sehr schlimm für mich sein konnte und mich unter Umständen nicht mehr los lassen würde, wenn ich niemanden hätte, mit dem ich darüber reden konnte. Auch für D/4 war dies offensichtlich, weshalb sie auch ihren Besuch bei ihrer Kollegin auf das Nötigste beschränkte, um dann mit der Medizin so schnell es ging zurück an mein Krankenbett zu eilen.

Auf Space Force One hatte Nugura gerade ganz andere Sorgen. Sie hatte sich, nachdem sie und Saron wieder an Bord der Raumjacht waren, in ihr Quartier zurückgezogen. Dabei handelte es sich um einen mit warmen Farben eingerichteten Raum, dessen Wohlfühlatmosphäre sich auch an den Wänden und in den Möbeln fortsetzte. Hier saß die Präsidentin der Föderation nun an ihrem hellbraunen Schreibtisch in Holzoptik auf ihrem ebenfalls Ton in Ton zu dem Tisch passenden Stuhl und dachte nach. Immer wieder waren ihr die Dinge durch den Kopf gegangen, die sie auf Khitomer erlebt hatte. Sie hatte zwar keinen Beweis, dass Sisko damals tatsächlich den Mord an den romulanischen Gesandten geplant hatte, aber einen Gegenbeweis, der seine Unschuld beweisen würde, gab es auch nicht. Sie wusste, dass sie veranlassen musste, dass die Xylianer in den Besitz der Datenkristalle aus dem Museum kamen. Schließlich hatte sie es ihnen versprochen. Bei der Untersuchung konnte alles Mögliche herauskommen, wenn überhaupt noch etwas zu erfahren war. Der Zerfall der Kristalle wurde schließlich seit ca. 800 Jahren durch einen Abschluss von den Elementen verhindert. Wenn noch etwas auf den Kristallen zu finden war, dann würden sie es sicher finden. Erst danach konnte festgestellt werden, welchen Einfluss das auf die Beziehung zwischen der Föderation und den Romulanern haben würde. Würde tatsächlich festgestellt werden können, dass es stimmte, was der Fremde ihnen gezeigt hatte, dann hätten die Romulaner jedes Recht, die Beziehungen abzubrechen. Ja, sie könnten sogar Krieg führen wollen. In der Vergangenheit hatten schon weitaus nichtigere Gründe als ein Mord dazu ausgereicht.

Die Sprechanlage, welche das Kommen ihres Sekretärs ankündigte, hatte Nugura überhört. So sehr war sie in ihre Gedanken vertieft. Um so erstaunter war sie, als Saron plötzlich vor ihr stand und sich an sie wendete: „Madam President?“ „Mr. Saron!“, sagte Nugura erstaunt und warf den Kopf herum. „Bitte verzeihen Sie mein Eindringen.“, entschuldigte sich der Demetaner. „Aber ich denke, wir sollten dringend über die Situation reden, die uns der Fremde gezeigt hat. Ich weiß, dass ich nur ein einfacher Sekretär bin und sicher nicht das Recht habe …“ „Sie haben jedes Recht, mein guter Saron.“, sagte Nugura und deutete auf einen Sessel rechts neben dem Ihren. Vorsichtig, ja schon fast würdevoll, setzte sich Saron. Unbeeindruckt davon fuhr Nugura fort: „Sie haben jedes Recht, mit mir über die Situation zu reden. Ich bin mit Ihren Ratschlägen bisher immer gut gefahren und ich frage mich, warum sich das plötzlich ändern sollte.“ „Ich schätze, ich muss Sie enttäuschen.“, sagte Saron. „Dieses Mal habe ich nämlich keinen Rat für Sie. Ich bin genau so ratlos. Falls das stimmen sollte, was der Fremde uns gezeigt hat und es sich nicht um eine Art von telepathischer Bildmontage von Sytania handelt, dann hätte die Föderation eine große Schuld auf sich geladen. Eine Schuld, für die es keine Verzeihung gibt. Mord verjährt bekanntlich nicht und Sie wissen genau so gut wie ich, dass die Romulaner dann jedes Recht hätten, die ohnehin schon brüchige Bindung mit uns aufzukündigen.“

„Für einen einfachen Sekretär, als den Sie sich gerade bezeichnet haben.“, begann Nugura, nachdem sie beiden eine Tasse Kaffee repliziert hatte. „Haben Sie ein sehr gutes Verständnis für die große Politik.“ „Mit Verlaub, Madam President.“, entgegnete Saron. „Dazu braucht man keinen intellektuellen Geist, sondern nur ein gesundes Moralempfinden.“ „Mag sein, mag sein.“, sagte Nugura. „Aber ich werde zunächst mal dafür sorgen müssen, dass die Xylianer die Kristalle erhalten. Von ihren Ergebnissen wird alles Weitere abhängen. Wir stehen mal wieder vor einem riesigen Scherbenhaufen, Mr. Saron.“ „Lassen Sie uns zunächst abwarten, was die Xylianer herausfinden.“, tröstete Saron. „Sie denken doch wohl nicht ernsthaft, dass sie etwas zu unseren Gunsten finden werden!“, sagte Nugura. „Warum nicht?!“, meinte Saron optimistisch. „Sie haben es selbst gesagt, Madam President. Es ist noch nichts bewiesen!“ „Für uns nicht.“, korrigierte Nugura. „Aber für die Romulaner schon. Ich kann den Ausdruck auf dem Gesicht der Senatorin nicht vergessen, Saron! Ich kann ihn einfach nicht vergessen. Sie ist davon überzeugt, dass wir schuldig sind. Dessen bin ich sicher. Ich glaube nicht, dass sie an eine Bildmontage von Sytania glaubt. Natürlich hätte Sytania ein Motiv, das Ganze zu erfinden, um Zwietracht zwischen uns und den Romulanern zu sähen. Gerade jetzt, wo es den Romulanern gelungen ist, Meilenstein zu bauen. Aber was ist, wenn der Fremde uns die Wahrheit gezeigt hat? Auch diese Möglichkeit darf ich nicht von der Hand weisen, auch dann nicht, wenn sie ja eigentlich so gar nicht in die Moral der Föderation passen will. Aber damals herrschte Krieg und im Krieg ist man zu so manchen Taten fähig, die man später bereut.“ „Da haben wir den Kasus Knactus!“, entdeckte Saron. „Ihre Amtsvorgänger haben nämlich gar nichts bereut. Wenn wir mal davon ausgehen, dass es etwas zu bereuen gibt. Die Sache mit dem Krieg ist sicher nur eine Erklärung und ich will nicht, dass Sie sie als Entschuldigung missdeuten.“ „Das habe ich nicht, Mr. Saron.“, sagte Nugura und strich ihrem Sekretär über das Haar. „Keine Angst. Wenn ich so naiv wäre, dann würde ich mir ja selbst ein Bein stellen. Sie sind doch nicht davon ausgegangen, dass ich mich demnächst in einem Schreiben an die Romulaner damit entschuldige, dass im Krieg und in der Liebe alles erlaubt ist. Nein! Politik kann ein hartes Geschäft sein, Mr. Saron und da ist kein Platz für wildromantische Vorstellungen. So einen Brief wird es nie geben und ich werde erst einmal die Ergebnisse der Xylianer abwarten! Dann werde ich über mein weiteres Vorgehen entscheiden!“ „Haben die Romulaner das Angebot der Xylianer mitbekommen?“, fragte Saron. „Ich meine, in der momentanen angespannten Situation könnten sie bereits jetzt auf eine Antwort warten und sich wundern, wo diese bleibt. Ich denke, wir sollten sie informieren, damit sie nicht schlimm von uns denken.“ „Da haben Sie wohl Recht, Saron.“, sagte Nugura. „Wir sollten sie wirklich informieren. Nur mit einer Sache liegen Sie leider falsch. Die Romulaner denken bereits schlecht über uns. Wir können jetzt den Schaden nur noch begrenzen, indem wir, wenn die Wahrheit zu unseren Ungunsten ausfallen sollte, uns dem stellen. Wir können das Thema dann nur noch aufarbeiten und den Romulanern alle Informationen darüber zur Verfügung stellen, die wir selbst besitzen. Gut, wir würden dann ganz schön viel Abbitte zu leisten haben, aber wer sündigt, der muss auch Buße tun.“ „Da stimme ich Ihnen vollkommen zu, Madam.“, sagte Saron. „Und ich finde es sehr mutig, Sea Federana, dass Sie dies in Betracht ziehen und nicht sofort nach einer Möglichkeit suchen, sich aus der Sache zu lavieren.“ „Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, Saron.“, sagte Nugura. „Aber wir werden nicht untätig bleiben, was die Wahrheitssuche angeht. Das bedeutet für Sie, dass Sie 800 Jahre Präsidentschaft der Föderation im Archiv aufarbeiten werden. Ich muss herausfinden, wie viel meine Vorgänger im Amt über diese Affäre wussten. Sie können den Rechner ja nach den Schlagworten Mord und romulanische Gesandte suchen lassen.“ „Und nach Sisko.“, warf der Sekretär ein. „Ja und nach Sisko.“, sagte Nugura. „Ich weiß, dass wir damit einen Helden töten, denn Sisko war im einfachen Volk sehr beliebt, aber alle machen mal Fehler.“ Saron nickte gequält.

„Wollen Sie gleich mit den Romulanern sprechen?“, fragte er. „Das wäre wohl am besten.“, sagte Nugura. „Dann werde ich in die Wege leiten, dass das so schnell wie möglich geschieht.“, sagte Saron und nahm sich das Mikrofon der Sprechanlage, um auf der Brücke Bescheid zu sagen. „Hier Allrounder Janson.“, meldete sich eine tiefe sonore Stimme vom anderen Ende der Verbindung. „Hier ist Saron.“, sagte dieser. „Bitte verbinden Sie mich mit dem romulanischen Senat.“ „Einen Augenblick.“, sagte der terranische Kommunikationsoffizier, ein Schwede.

Es vergingen quälend lange Minuten. Minuten, die Nugura nur sehr ungern wartete. Sie konnte sich denken, wie die Senatoren auf ihre Versuche einer Kommunikation reagieren würden. Schließlich hatte das romulanische Schiff einen gewaltigen Vorsprung.

Endlich hörte sie das erlösende Signal. Aber nicht sie, sondern Saron beantwortete den Ruf, weil er das Mikrofon noch immer in der Hand hielt. „Ja, Allrounder?“, sagte der Sekretär. „Es tut mir leid.“, sagte Janson. „Aber die romulanischen Senatoren lassen ausrichten, sie wollen mit dem Staatsoberhaupt von Mördern und Lügnern kein Wort mehr persönlich wechseln. Das sollte ich wörtlich ausrichten.“

„Geben Sie mir das Mikrofon!“, befahl Nugura. Ihr Sekretär nickte und tat, was sie ihm soeben aufgetragen hatte. „Janson.“, begann Nugura. „Ich möchte, dass Sie ein Pad vorbereiten, um eine Nachricht von mir aufzunehmen, die Sie den Romulanern dann auch wörtlich übermitteln werden! Es sind nur zwei kurze Sätze.“ „Sofort, Madam President.“, sagte der Kommunikationsoffizier.

Es vergingen einige Sekunden. Dann sagte er: „Ich bin bereit.“ „In Ordnung.“, sagte Nugura ruhig. „Dann schreiben Sie: Die Xylianer bieten an, den Fall als neutrale Instanz zu untersuchen. Ich weiß, dass sie als politische Verbündete der Föderation bekannt sind, aber ihre Eigenschaften als künstliche Lebensformen machen sie integer. So. Und das senden Sie jetzt und zwar wörtlich!“ Janson nickte und beendete die Sprechanlagenverbindung. Nugura wusste, wenn die Romulaner nicht persönlich mit ihr reden würden, dann musste eben Janson als Postbote herhalten.

Nur Sekunden danach meldete sich Janson: „Sie lassen ausrichten, dass sie mit der Untersuchung durch die Xylianer einverstanden sind.“ „Na dann.“, sagte Nugura und lehnte sich zufrieden in ihrem Stuhl zurück.

Auch im Antiuniversum hatte man sich eingerichtet. Die Antinugura saß ebenfalls an ihrem Schreibtisch, nur stand dieser nicht auf der Jacht, sondern befand sich auf der Basis der Regierung, die ebenfalls durch die bekannten Zusammenhänge geschaffen worden war. Auch sie hatte Besuch vom Antisaron, ihrem Sekretär. „Ich finde es etwas seltsam, Madam President, dass wir alle diesem Professor Radcliffe unterstellt sind.“, meinte der Antisaron. „Das ist gar nicht so seltsam, wenn man einmal die Zusammenhänge genau betrachtet, Saron.“, sagte die Antinugura. „Sehen Sie. Sie glauben ja auch an Ihre Gottheit und für uns ist er nichts anderes. Schließlich hat er uns im Prinzip ja erschaffen, und zwar aus unseren Gegenstücken, unseren guten Gegenstücken, von denen er uns abgespalten hat.“ „Das habe ich sehr wohl verstanden.“, sagte der Antisaron. „Aber im Gegensatz zu unseren guten Gegenstücken haben wir noch keine funktionierende Föderation und noch keine Sternenflotte. Was ist, wenn Sytania oder Radcliffe uns befehlen, unsere Gegenstücke anzugreifen?“ „Dazu wird es noch nicht kommen.“, sagte die Antinugura zuversichtlich. „Das wissen die Beiden ja auch und unser Schöpfer, der als Einziger diesen Umstand ändern kann, ist bereits dabei. Er wird noch mehr Leute aufsuchen und sie überzeugen, sich rein waschen zu lassen. Die Übergabe von Meilenstein sollte eine öffentlich übertragene Veranstaltung werden. Es haben sicher viele zugesehen. Ich bin überzeugt, sie werden es kaum erwarten können, die große Schuld zu tilgen.“ „Aber Sie vergessen, Madam President.“, erwiderte der Antisaron. „Dass die Technologie nicht in der Lage war, das zu übertragen, was unser Schöpfer unseren Gegenstücken gezeigt hat, bevor er sie rein wusch.“ „Das stimmt.“, gab die Antinugura zu. „Aber das macht nichts. Unser Schöpfer wird einfach das Gleiche tun, was er bei unseren Gegenstücken getan hat. Die werden so geschockt sein, dass sie sich freiwillig der Waschung unterziehen wollen werden.“ „Von den Zivilisten kann ich mir das vorstellen.“, meinte der Antisaron. „Aber bei den Angehörigen der Sternenflotte sehe ich schwarz.“ „Gerade die, mein lieber Saron!“, lachte die Antinugura. „Gerade die werden ihm mit Freuden folgen. Der Schock wird bei ihnen sogar noch ungemein größer sein, als bei jedem Zivilisten. Schließlich wird alles in Frage gestellt, woran sie seit Jahrhunderten glauben! Und jetzt, Mr. Saron, verbinden Sie mich mit T’Mir!“ „Mit T’Mir?“, fragte der Sekretär ungläubig. „Mit Verlaub, Madam President, aber es wird keine T’Mir geben. Die Vulkanier sind neutral. Sie kennen keinen Hass und somit auch keine Bosheit! Wie soll eine …“ „Wollen wir wetten, dass Sie sich irren?!“, fragte die Antinugura streng. „Gehen Sie in Ihr Büro und überprüfen Sie im SITCH-System, ob es ihr Rufzeichen gibt! Aber lassen Sie die Tür geöffnet!“

Der Antisaron nickte und ging geplättet aus dem Raum durch die Zwischentür von ihrem Büro in das Seine. Hier führte er aus, was sie ihm soeben aufgetragen hatte. „Computer!“, befahl er mit leicht zitternder Stimme. „SITCH-Verbindung mit dem Rufzeichen des vulkanischen Staatsoberhauptes aufbauen!“ „Bitte warten. Ihr Befehl wird ausgeführt.“, erfolgte die kalte nüchterne Antwort des Rechners, die den Antisaron bereits in Erstaunen versetzte. Mit einem: „Befehl nicht ausführbar.“, hatte er gerechnet, da es ja das Rufzeichen und die Person, der es gehörte, seiner Meinung nach ja gar nicht geben konnte. Oder, der Computer hätte ihn zumindest fragen sollen, ob er das interdimensionale Relais benutzen wollte.

Ein Gesicht, das von zwei spitzen Ohren flankiert wurde, erschien auf dem Schirm. Die Augen der Frau kamen Saron allerdings sehr teuflisch und feurig vor. Er hatte den Eindruck, sogar eine wütende Grundstimmung darin zu sehen. Aber das konnte doch nicht sein! Sie war doch Vulkanierin! „Hier ist T’Mir!“, sagte die Frau mit einer boshaft schnarrenden Stimme, die dem Antisaron das Blut in den Adern gefrieren ließ. Richtig gemein klang sie in seinen Ohren. Nicht so warm und neutral, wie er die Stimme des Staatsoberhauptes der Vulkanier sonst in Erinnerung hatte. Die Erinnerungen ihrer guten Gegenstücke waren bei den Charakteren des Antiuniversums durchaus präsent. Dafür hatten Sytania und Radcliffe gesorgt.

Schließlich fasste sich der Antisaron ein Herz und erwiderte: „Hier ist Sekretär Saron. Präsidentin Nugura möchte Sie sprechen. Es tut mir leid, wenn wir Sie beim Meditieren gestört haben sollten. Es wird nicht wieder vorkommen.“ „Meditieren!“, entgegnete die böse Gegenspielerin des vulkanischen Staatsoberhauptes und schüttete sich fast aus vor Lachen. „So was tut wohl nur mein Gegenstück, aber ich nicht! Sie ist wohl viel zu feige, mit ihren Gefühlen zu leben, aber das bin ich nicht! Nein, im Gegenteil, mein lieber Saron. Ich lebe sie voll aus. Ich bin der Teil von ihr, den sie immer verleugnet hat! Den sie immer unterdrückt hat! Der Teil, der an den Gitterstäben gerüttelt hat und versucht hat, aus ihrem Gefängnis der Logik und des Verstandes ans Licht zu brechen! Was schließen Sie daraus?!“

Der Antisaron musste zugegebenermaßen eine Weile überlegen, aber die Gedanken, die ihm dazu kamen, gefielen auch ihm. Er musste sogar lächeln. „Ich schließe daraus, dass Sie noch viel böser und gemeiner sind, als alle anderen. Die Tatsache, dass die gute T’Mir Sie immer unterdrückt hat, bedeutet ja nicht, dass Sie nicht da waren. Im Gegenteil. Ich denke, Sie haben nur im Verborgenen auf eine Chance gewartet. Nur, wie hat Radcliffe Ihr gutes Ich dazu bekommen, Ihre Erschaffung zuzulassen?“ „Das war ganz einfach!“, lachte die böse T’Mir. „Er hat ihr gesagt, dass die Reinwaschung auch die Befreiung von der Geißel Emotion für immer und ewig bedeutet. Sie haben Recht, Saron. Dass man seine Gefühle unterdrückt, bedeutet nicht, dass sie nicht da sind.“ „Ein sehr genialer Schachzug.“, freute sich der Antisaron. „Ja, nicht wahr?“, stimmte die böse T’Mir zu. „Ohne diesen Schachzug von unserem genialen Schöpfer wäre ich jetzt nicht am Leben. Aber jetzt verbinden Sie mich erst mal mit Nugura. Sie wartet sicher schon ganz ungeduldig.“ „Wie Sie wünschen.“, sagte der Antisaron und wählte sich über das Menü in die interne Sprechanlage ein, um seiner Präsidentin das Gespräch durchzustellen. „Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass sie existiert?“, fragte die Antinugura triumphierend. „Ja, Madam President.“, antwortete ihr Sekretär. „Das haben Sie. Aber ich hätte es zuerst nicht für möglich gehalten.“ Damit stellte er die böse T’Mir an seine Chefin durch.

Auf dem Wüstenplanetoiden, auf dem Lycira und ich Nitprin zurückgelassen hatten, war es wieder Tag geworden. Entgegen Lyciras Annahme war das Mädchen doch am Leben. Aber da es extrem heiß am Tage war, fühlte sie sich sehr schwach. Außerdem war sie nicht unverletzt und ihr Kälteanzug war defekt. Er konnte ihr keinen Schutz mehr gegen das für die Breen doch sehr lebensfeindliche Klima bieten. Sie beschloss, dass es besser war, Energie zu sparen und bewegte sich also nur langsam auf allen Vieren vorwärts, während sie ihre Ausrüstung, die sie ja auf mein Geheiß von sich geworfen hatte, wieder aufsammelte. Sie hoffte so sehr, wenigstens eines der Sprechgeräte zu finden, denn sie musste ja irgendwie auf sich aufmerksam machen. Sie wusste zwar, dass Handsprechgeräte keine sehr große Reichweite haben, aber sie hoffte andererseits, aus den anderen Geräten vielleicht Teile nutzen zu können, um diese gegebenenfalls zu verstärken, oder eine Sonde zu bauen, die ihren Notruf noch weiter transportieren würde. Sie wahr in der Schule gut in Physik gewesen und hoffte, ihre Kenntnisse würden hierzu ausreichen. Sie machte sich keine Illusionen darüber, vielleicht doch noch beide Sprechgeräte finden zu können, denn das Intakte, welches sie von sich geworfen hatte, musste der Fremde haben, denn anders hätten die Systeme des Schiffes ihn ja nicht positiv identifizieren können. Aber vielleicht hatte er ja auch seine Kräfte benutzt, um das Schiff der Breen für sich gefügig zu machen. Er hatte sich die dazu nötigen Kenntnisse ja nur wünschen brauchen, wenn Nitprin das alles richtig verstanden hatte.

Sie war auf das Loch gestoßen, in dem der Kristallkegel gelegen hatte. Tatsächlich sah sie ihn dort immer noch liegen, denn Radcliffe musste ihn zurückgelassen haben. Das war auch sehr umsichtig von ihm gewesen und Sytania hatte es durchaus so beabsichtigt. Wenn man den Kegel bei ihm gefunden hätte, hätte das sicher unangenehme Fragen aufgeworfen. Sie wollte ja auf keinen Fall mit der Sache in Verbindung gebracht werden.

Nitprin überlegte. Wenn der Kristall dem Fremden diese Kräfte verliehen hatte, warum sollte das nicht auch bei ihr klappen?! Dann wären alle Schwierigkeiten mit einem Mal vergessen! Deshalb legte sie sich auf den Bauch und kroch näher an die steil abfallende Kante der Ausgrabungsstelle heran. Dann angelte sie mit der rechten Hand nach dem Kegel und hielt sich mit der Linken am Rand des Loches fest, was für sie aufgrund der Gesamtsituation schon eine enorme körperliche Anstrengung bedeutete. Es gelang ihr jedoch tatsächlich, den Kegel zu erreichen und ihn zu sich an die Oberfläche zu ziehen. Dann legte sie ihre Hände in gleicher Weise darauf, wie sie es bei dem Fremden gesehen hatte, aber nichts geschah. „Na gut!“, schrie sie wütend und verzweifelt, denn was das für sie bedeutete, wusste sie längst. Ihre Ausrüstung hatte sie zusammengesammelt, aber das einzige Sprechgerät befand sich bei der Leiche ihres Vaters. Dass die Umstände sie jetzt auch noch dazu zwangen, diesen in seiner Totenruhe zu stören und ihm etwas wegzunehmen, befremdete sie sehr. „Offensichtlich warst du nur für ihn bestimmt! Dann geh zurück dort hin, wo du hergekommen bist!“ Sie warf den Kegel mit hasserfülltem Blick in das Loch zurück, um danach ihren toten Vater aufzusuchen. Wenn etwas von seiner Ausrüstung noch brauchbar war, musste sie, ob sie wollte, oder nicht, es jetzt aus seinen Taschen bergen und wenn es nur einige Schaltkreise waren. Verzeih mir, Vater., dachte sie mit klopfendem Herzen, während sie ihr leichenschänderisches Werk begann.

Auf 281 Alpha hatte Jenna gemeinsam mit ihrer Assistentin das Schleppmanöver beobachtet, mit dessen Hilfe das neue Schiff zur Station gebracht wurde. Dann hatte der zuständige tindaranische Ingenieur es an sie übergeben. „Wollen Sie Ihrem Freund jetzt Bescheid geben, Jenn’?“, flapste Shannon. „Sicher, Assistant.“, erwiderte Jenna. „Joran ist schon ganz wild auf sein Schiff.“

Sie nahm das Mikrofon der Sprechanlage in die Hand und gab das Rufzeichen ihres Quartiers in die Konsole ein. Am anderen Ende der Verbindung meldete sich ein etwas schläfriger Joran: „Was gibt es, Telshanach? Ich hatte mich gerade hingelegt.“ „Du wirst gleich hellwach sein.“, lächelte die hoch intelligente Halbschottin ins Mikrofon. „Dein Schiff ist da. Ich werde jetzt die Einschwurprotokolle überspielen. Am besten, du kommst gleich her.“ Der Vendar hatte diese Nachricht erfreut zur Kenntnis genommen. „Ich bin auf dem Weg, Telshanach.“, sagte er lächelnd und beendete die Verbindung, um sich dann auf den Weg zu ihr zu machen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es doch so schnell gehen würde.

„Der hat sich ja gefreut wie ’n kleiner Junge an Weihnachten.“, stellte Shannon gewohnt flapsig fest. „Würden Sie das nicht, wenn Ihnen jemand ein eigenes Schiff versprechen würde, Assistant?“, fragte Jenna. „Ach.“, meinte Shannon. „Ich hab’s nich’ so mit der Fliegerei.“ „Sie wissen doch genau, was ich meine.“, sagte Jenna.

Verschlafen stand Joran aus seinem Bett auf und legte seine Uniform an. Dass sie ihn einfach so geweckt hatte, würde sie büßen müssen. Natürlich meinte er dies nicht boshaft, sondern würde ihr nur einen kleinen Streich spielen. „IDUSA!“, wendete er sich an den Rechner. „Ich muss dich kurz zu meiner Komplizin machen.“ „Welcher Natur ist das Verbrechen, das Sie mit meiner Hilfe verüben wollen?“, fragte der Rechner der Station konspirativ. Sie kannte Joran und wusste, dass es nichts wirklich Böses sein konnte. „Beame mich bis vor die Tür des Maschinenraums.“, sagte er. „Ich will Jenna einen kleinen Streich spielen. Oder ist das etwa gegen die tindaranischen Gesetze?“ „Nein.“, sagte IDUSA. „Bitte halten Sie sich bereit.“ Sie initiierte den Transport.

Joran betrat den Arbeitsraum seiner Freundin. „Da bist du ja.“, sagte Jenna, die bereits nach ihm Ausschau gehalten hatte. „Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte, Telshanach.“, erwiderte Joran. „Obwohl es mir gar nicht schnell genug gehen kann, wenn du rufst.“ „Schmeichler.“, lächelte Jenna. „Aber wir haben noch nicht mal die Protokolle überspielt. Hat IDUSA dich etwa ein Stück weit gebeamt?“ „Ich dachte mir, dass du darauf kommen würdest, meine kluge Telshanach.“, sagte Joran. „Du hast mir ja auch einen entscheidenden Tipp gegeben.“, sagte Jenna. „Ich weiß gar nicht, wovon du redest.“, tat Joran unschuldig und küsste sie.

Shannon räusperte sich: „Könnt ihr das Flirten vielleicht etwas verschieben? Mir wird nämlich gleich der Arm lahm.“ Erst jetzt sah Jenna, dass Shannon während der gesamten Zeit den Datenkristall mit den Einschwurprotokollen in ihre Richtung gehalten hatte. „Entschuldigen Sie, Shannon.“, sagte Jenna und nahm ihr den Kristall ab. Dann legte sie ihn in ein Laufwerk an einer Konsole. „IDUSA.“, wendete sie sich danach an den Stationsrechner. „SITCH-Verbindung mit folgendem Rufzeichen aufbauen!“ Sie gab das Rufzeichen des neuen Schiffes, das ihr bereits durch die Werft genannt worden war, per Gedankenbefehl über ihren Neurokoppler ein. „Die Verbindung ist etabliert und stabil, Jenna.“, gab IDUSA zurück. „Stell durch!“, befahl Jenna.

Wenige Sekunden danach sah sie das Gesicht einer ihr fremden tindaranischen Simulation vor ihrem geistigen Auge. Die Frau hatte eine kräftige Statur und trug eine tindaranische Fliegeruniform. Auch unterschied sich ihre Haarfarbe mit Dunkelbraun sehr von dem schwarzen Haar, das Jenna von der anderen IDUSA-Einheit gewohnt war. Ihre langen Haare waren zu Zöpfen gebunden. „Das wird ’ne ziemliche Umstellung für dich werden, Joran.“, wendete Jenna sich an ihren Freund. „Das macht nichts, Telshanach.“, sagte der Vendar. „Ich bin bisher mit jeder Änderung zurechtgekommen. Was muss ich jetzt tun?“ „Geh einfach zur Einstiegsluke.“, erwiderte Jenna und zeigte in die entsprechende Richtung. Joran nickte und verließ sie. „Blas’ dich bloß nich’ so auf, Grizzly!“, flapste ihm Shannon noch hinterher. Der Vendar ignorierte ihren Einwand völlig.

„Jenna?“ Eine Jenna fremde Stimme hatte ihren Namen aus dem Lautsprecher der Konsole gerufen. Jenna wandte sich dem Gerät wieder zu und setzte ihren Neurokoppler wieder auf, den sie aus Gründen der Bewegungsfreiheit vorher abgelegt hatte. „Entschuldige, IDUSA.“, sagte sie. „Sie scheinen etwas verwirrt, Techniker McKnight.“, stellte der Rechner des neuen Schiffes fest. „Nenn mich ruhig weiterhin Jenna.“, bot die Ingenieurin an. „Das andere Schiff macht das genau so.“ „Also gut, Jenna.“, sagte die neue IDUSA-Einheit.

Jenna wählte per Gedankenbefehl eine bestimmte Datei auf dem Kristall im Laufwerk aus und ließ sie ausführen. „Ich überspiele jetzt die Einschwurprotokolle.“, erklärte sie. „Das bedeutet, ich werde jetzt endlich meinen Stammpiloten kennen lernen?“, fragte die Simulation und klang dabei schon fast etwas aufgeregt. Jenna nickte. „Also dann.“, meinte die Simulation und lehnte sich vor Jennas geistigem Auge entspannt zurück, was ein Zeichen dafür war, dass sie das entsprechende Programm jetzt die Kontrolle übernehmen lassen hatte. Jenna würde natürlich alles überwachen.

Die Luke hatte sich vor Joran geöffnet und der Vendar war nach Aufforderung der ihm fremden Rechnerstimme ins Cockpit gestiegen, um seinen mitgebrachten Neurokoppler anzuschließen. „Erstelle Reaktionstabelle.“, sagte der Rechner und begann mit dem Abstimmen der entsprechenden Signalableitungen. Dann sah Joran jenes Bild vor sich, das auch Jenna schon gesehen hatte. „Wie ist Ihr voller Name?“, wollte das Schiff wissen. „Joran Ed Namach.“, antwortete Joran deutlich ruhig und langsam. „Wie darf ich Sie ansprechen?“, fragte sie weiter. „Joran!“, erklärte der Vendar fest. „Ich bin IDUSA-Einheit 335294.“, sagte das Schiff. „Wie darf ich dich ansprechen?“, fragte Joran, mit dem Jenna bereits das korrekte Verhalten während der Einschwurphase geübt hatte. „Nennen Sie mich IDUSA.“, sagte sie. „Ich habe als Verständigungssprache Englisch erkannt.“, sagte IDUSA. „Soll dies so gespeichert werden? „Ja.“, antwortete Joran, dem erst jetzt aufgefallen war, dass er die erwähnte Sprache bereits wie selbstverständlich sprach. „Es sind keine Fehler bei der Verständigung aufgetreten.“, stellte der Rechner fest. „Ihre Stimmfrequenzen sind somit ebenfalls gespeichert. Die Einschwurphase ist beendet.“ „Gut.“, sagte Joran und nahm den Neurokoppler ab. Dann verließ er das Cockpit wieder, um zu Jenna zurückzukehren, die ihn bereits mit lächelndem Gesicht erwartete. „Gut gemacht!“, lobte sie. „Das gilt aber mit Sicherheit genau so gut für sie.“, sagte Joran und deutete in einer großen Geste breit grinsend Richtung Schiff. „Natürlich.“, sagte die Technikerin. „Denkst du, dass mich Zirell bald mit ihr auf Mission schickt?“, fragte Joran. „Ich werde ihr melden, dass es keine Schwierigkeiten bei der Einschwurphase gegeben hat.“, sagte Jenna. „Dann wird sie entscheiden. Aber ich denke, dass dem nichts im Wege stehen wird.“ „Kannst es wohl kaum erwarten, Grizzly, was?“, flapste Shannon aus dem Hintergrund. „In der Tat, Shannon O’Riley.“, sagte der Vendar und ging. Er hatte ein merkwürdiges Bauchgefühl, was die Gesamtsituation anging. Wie richtig er damit lag, konnte er aber selbstverständlich noch nicht ahnen.

In Sytanias Palast war Telzan auf das Treffen zwischen Sytania und Radcliffe aufmerksam geworden. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie offensichtlich diesen in seinen Augen hergelaufenen Terraner bevorzugen würde, Oberbefehlshaber ihrer Truppe zu werden, aber vielleicht hatte er auch das Ganze nur falsch verstanden. Der Vendar beschloss, zu seiner Herrin zu gehen, um sie einfach mal zu befragen.

Die Prinzessin saß wie üblich auf ihrem Thron, als er sich ihr näherte. Seine Gestik verriet ihr, dass sein Begehr wohl ziemlich prekärer Natur sein musste. „Was wurmt dich, Telzan?“, fragte sie mit ihrer keifenden Stimme, die, wenn immer sie versuchte freundlich zu sein, fast schrill kippte. Sie war für freundliche Worte wohl einfach nicht ausgelegt. „Ich hörte, Ihr wollt diesen Radcliffe zum Oberbefehlshaber Eurer Truppe machen.“, sagte Telzan. „Was?!“, lachte Sytania. „Oh, mein lieber Telzan. Da hast du aber gewaltig etwas missverstanden. Die Einzigen, die er gemeinsam mit der Antinugura befehligt, werden die Bewohner des Antiuniversums sein. Du bleibst weiterhin mein engster Vertrauter und Oberbefehlshaber meiner Vendar-Krieger. Das wäre ja noch schöner, wenn ich deinen Posten einfach irgendeiner Marionette geben würde. Mehr ist er für mich nämlich nicht, als eine Marionette, die ich nur so lange benutzen werde, wie sie mir nützt. Dann werde ich ihn wieder fallen lassen und vernichten! Du weißt ja, dass ich keine Zeugen mag!“ „Das weiß ich, Milady.“, sagte Telzan. „Bitte verzeiht, dass ich an Eurem weisen Urteil gezweifelt habe.“ „Es sei dir verziehen.“, sagte Sytania und machte dabei ein übertrieben großzügiges Gesicht. Wie alle Despoten war auch sie eine Freundin großer übertriebener Gesten. „Und damit du siehst, dass es mir ernst ist, werden du und deine Leute gleich etwas für mich erledigen.“

Sie zog den Kontaktkelch aus einem Fach unter ihrem Schreibtisch hervor und stellte ihn auf der Platte ab. Dann bedeutete sie Telzan, sich neben sie zu setzen und ihre Hand zu nehmen. Alsbald sah der Vendar, was sie meinte. „Das ist Allrounder Betsys Schiff.“, stellte er fest. „Richtig.“, keifte Sytania. „Und das werdet ihr vernichten, bevor es seine Aussage gegenüber Agent Mikel machen kann. Du und deine Leute werdet ihm auflauern und es in Stücke schießen, bis kein Fitzelchen mehr übrig ist. Aber verschwändet die Energie eurer Waffen nicht für seine Waffen oder seinen Antrieb, sondern schießt vor allem auf den Datenkern. Seine Vernichtung muss euer oberstes Ziel sein. Es darf niemandem mehr gelingen, etwas aus ihm herauszulesen.“ „Wie Ihr wünscht.“, sagte Telzan und wandte sich zum Gehen, um seine Truppe zu informieren.

Bald hatte er in der Garnison der Vendar alle um sich herum versammelt und teilte ihnen die neuesten Befehle ihrer Herrin mit. „Aber warum macht sie das nicht selbst, Anführer?“, fragte Dirshan, Telzans eifrigster Novize. „Weil sie dann Gefahr läuft, von den falschen Leuten erkannt zu werden.“, erklärte Telzan. „Ich verzeihe dir deine Frage, weil du noch ein Novize bist. Aber sie zeugt auch von großem Lerneifer. Zur Belohnung darfst du mit mir in meinem Shuttle fliegen und nun alle zu den Schiffen!“ Alle nickten: „Ja, Anführer!“, und führten seinen Befehl aus.

Lycira hatte ihren Flug auf der Suche nach der Granger mit Hilfe von deren Transpondersignal, das sie nach langer Suche endlich empfangen hatte, fortgesetzt. Sie hatte einen Schnittkurs gesetzt, auf dem sie ihr begegnen musste. Außerdem orientierte sie sich wie gesagt an ihrem Signal. Die Schiffe der Vendar, die entlang ihres Kurses in den Polen von Planeten gute Verstecke gefunden hatten, nahmen ihre Sensoren leider nicht wahr. So nahm es nicht Wunder, dass sie bald in eine Falle flog.

Telzan und Dirshan waren mit ihrem Veshel hinter den anderen zurückgeblieben. „Warum fliegen wir ihnen nicht voran, Anführer?“, fragte der Novize, der das Steuer bediente und dem sein Lehrer geboten hatte, das Schiff zu verlangsamen. „Weil wir von hier einen viel besseren Überblick haben, Dirshan.“, sagte Telzan. „Bitte erkläre mir das.“, bat der Junge. „Wenn du dir eine Veranstaltung ansiehst.“, setzte Telzan an. „Von wo würdest du sie dann am liebsten sehen? Vor oder hinter dir?“ „Vor mir natürlich.“, begriff Dirshan. „hinter mir kann ich ja nichts sehen.“ „Siehst du?“, sagte Telzan. „Und genau so ist es hier auch. Und jetzt halte das Schiff gut im Auge. Es sucht nach der Granger, deren Signal es empfängt. Ich habe gesehen, dass du unseren Empfänger auf das gleiche Signal eingestellt hast. Das war sehr klug von dir. So finden wir es viel leichter. Deaktiviere unseren Antrieb, aber halte dich bereit, ihn jederzeit wieder zu reaktivieren. Schalte eine Sammelverbindung mit all unseren Schiffen. Wir werden es zuerst noch in falscher Sicherheit lassen, bevor wir losschlagen.“

Dirshan programmierte die aufgetragenen Dinge in den Mishar des Veshel. Dann fragte er: „Wer darf eigentlich auf den Datenkern des Schiffes feuern, Anführer?“ „Derjenige von uns, der am dichtesten dran ist.“, antwortete Telzan. „Ich werde die Waffen bedienen. Sollten wir es sein, erwarte ich, dass du alles tust, was in deinen fliegerischen Kräften steht, um mir einen einwandfreien Treffer zu ermöglichen.“ „Ich werde mir die größte Mühe geben, Anführer!“, versprach der Novize fest.

Lycira hatte jenes Unheil nicht gesehen, das auf sie zukam. Erst im letzten Moment sah sie die wie Heuschrecken von allen Seiten auf sie zufliegenden Schiffe, die sie aus allen Richtungen umringten und auf ihren Datenkern zielten. Sie hob zwar die Schilde und schlug Haken, wusste aber, dass sie dies nicht lange vor ihnen schützen würde. Selbst zu feuern wagte sie nicht, denn sie konnte sich ausrechnen, dass sie damit ihre Chancen nur noch verschlechtern würde. Die Feinde würden dann noch eher auf sie schießen und vielleicht Systeme treffen, die für ihre eventuelle Flucht noch wichtig sein könnten. Sie wusste, in einem Kampf hatte sie gegen diese Übermacht keine Chance, zumal dann nicht, wenn sie allein bliebe. Sie beschloss, das geringere Risiko einzugehen und einen Notruf auf unserer Frequenz und nur an unser Rufzeichen gerichtet abzusetzen.

Kapitel 9: Im Kessel gährt es

von Visitor

 

Kissara war in ihrem Quartier mit einer Tätigkeit beschäftigt, die man eigentlich nur Hauskatzen auf der Erde zuschrieb. Aber für eine Thundarianerin war das Schärfen ihrer Krallen an einer Kratzmatte ein völlig normaler Vorgang. Da ihre Krallen, wie die von Katzen auch, bis zu einer bestimmten Stelle durchblutet und innerviert waren, würde sie sich mit einer menschlichen Nagelschere erheblich verletzen können. Aber diese Kratzmatte war ein besonderes Exemplar. In sie war ein Nährboden für Zellen eingebaut, auf dem im Labor der Krankenstation DNS-Proben von dem Fremden, dessen Zellmaterial sie an ihren Krallen hatte, gezüchtet werden sollten, um ihn gegebenenfalls identifizieren zu können. Kissara tat das sehr gründlich und mit Genuss! Nicht nur, da ihr die Pflege ihrer Krallen immer sehr wichtig war, sondern auch, weil sie ihrem ersten Offizier gern bei seinen Ermittlungen behilflich war. Wenn sie etwas tun konnte, um dem ausgebildeten Kriminalisten seine Tätigkeit zu erleichtern, warum sollte sie es dann nicht? Sie schnurrte dabei sogar so laut und mit seltsamen gurrenden Lauten dazwischen, dass alle Umstehenden, wenn es denn welche geben sollte, definitiv etwas davon mitbekommen würden, wie es ihr damit ging, ob sie denn nun wollten oder nicht. Für dieses Verhalten genierte sie sich kein bisschen! Warum auch? Sie war ja allein in ihrem Quartier und dort durfte auch ein Commander mal ihren Gefühlen freien Lauf lassen.

Sie replizierte eine Plastikfolie und hieß den Replikator dann, die Kratzmatte darin einzuschweißen, nachdem sie mit ihrem Verpacken fertig war. Noch einmal ließ sie ihren Blick darüber schweifen. „OK, Kissy. Das war klasse!“, sagte sie zu sich. „Wenn Mikel damit nichts anfangen kann, dann weiß ich es auch nicht. Wir wollen nur hoffen, dass die Kulturen schön wachsen.“

Die Sprechanlage piepte. Im Display las Kissara das Rufzeichen der Türsprechanlage ab. Sie konnte sich auch schon denken, wer draußen stand. „Kommen Sie rein, Mikel.“, sagte sie freundlich. „Ich bin gerade fertig geworden.“ „Sofort, Kissara.“, erwiderte die Stimme des blinden Agenten von draußen. Dann betrat er das Quartier seiner Vorgesetzten. Gleich an der Tür übergab ihm Kissara die eingepackte Kratzmatte. Mikel, der sie trotz der Folie als solche erkennen konnte, blieb einen Moment erstaunt stehen. Er kannte Kratzmatten durch mich, denn ich hatte in meiner Kindheit eine Katze und ihm schon viel darüber erzählt. „Haben Sie das wirklich so gemacht?“, fragte er. „Sicher, Agent.“, antwortete sie. „Wie denn sonst? Mit einer Nagelschere würde ich mich schwer verletzen können. Das wissen Sie doch.“ „Ich dachte nur.“, meinte der erste Offizier verschämt. „Sie wissen ja.“, sagte Kissara ruhig. „Andere Welten, andere Sitten.“ Geplättet steckte Mikel die Matte ein.

Dirshan und Telzan hatten Lycira mit ihrem Schiff nachgesetzt, die versucht hatte, ihnen in ein Gebiet mit starker EM-Strahlung zu entkommen, aber das gelang ihr leider nicht, denn ein anderes Veshel, dessen Besatzung ihren Plan durchschaut hatte, setzte zum Überholen an, um sich dann genau vor ihr mit feuernden Phasern quer zu setzen. Dies drängte sie in die Schussweite von Telzans Schiff zurück. Dirshan, der schon ein recht passabler Pilot war, versuchte alles, um an ihr zu bleiben. „So ist es recht, mein Junge!“, motivierte Telzan ihn. „Immer schön dran bleiben! Gleich haben wir sie!“ „Glaubst du wirklich, Anführer?“, fragte Dirshan ungläubig. „Ich finde, der Abstand bleibt immer gleich.“ „Das scheint dir nur so, weil dein Auge bereits an das Bild gewöhnt ist.“, erklärte der erfahrene Vendar-Krieger. „Aber das zeigt uns auch, dass es sich lange nicht verändert hat. Das wiederum bedeutet, dass wir nicht zurückgefallen sind.“ „Ich verstehe.“, sagte Dirshan. „Aber näher kommen wir ihr auch nicht.“ „Dann werden wir einen kleinen Sprung vollführen müssen.“, sagte Telzan. „Einen Sprung?“, fragte Dirshan neugierig. „Was meinst du damit, Anführer? Ich meine, wir können hier nicht auf Warp gehen. Es ist alles doch viel zu eng und dann würden wir sie sogar noch überholen.“ „Das stimmt schon.“, sagte Telzan und deutete auf den Schirm. „Aber wenn wir uns auf die Atmosphäre des Planeten dort zu bewegen und uns dann in ihre Richtung davon abprallen lassen, dürften wir erreichen, was wir erreichen wollen. So und nun ist dein räumliches Denken gefragt. Ich korrigiere dich natürlich, falls es nötig werden sollte.“ „Also gut, Anführer.“, sagte Dirshan, der jetzt seinen gesamten Mut zusammengenommen hatte. Ein solches Manöver hatte er noch nie geflogen.

Die Sprechanlage in Kissaras Quartier piepte erneut. „Manchmal habe ich das Gefühl, ich lebe auf einem Bahnhof.“, scherzte Kissara und nahm die Verbindung entgegen. Am Display konnte sie gut sehen, dass der Ruf von Ribanna gekommen war. „Was gibt es, Allrounder?“, fragte sie. „Wir empfangen einen Notruf, Commander.“, erklärte die Indianerin. „Es ist Allrounder Betsys Schiff. Lycira ist allein …“ „Nicht alles am SITCH, Ribanna.“, unterbrach Kissara sie. „Sie können dem Agent und mir einen vollständigen Bericht abliefern, wenn wir auf der Brücke sind. Wir sind unterwegs!“ Damit hängte sie das Mikrofon wieder ein und packte mit ihrer linken Hand die Linke von Mikel, um sie auf ihren rechten Arm zu legen. Der erste Offizier ließ dies arglos mit sich geschehen. Er vertraute ihr und wusste außerdem, dass er gegen ihre raubtierartigen Reflexe sowieso keine Chance gehabt hätte. Dann führte sie ihn im Laufschritt in Richtung eines Turbolifts, den beide bestiegen.

Lycira hatte das Näherkommen der Vendar-Schiffe durchaus registriert und wusste, dass, wenn sie nicht bald Hilfe bekäme, ihr letztes Stündlein geschlagen haben könnte. Sie fand es ungewöhnlich, dass die Vendar offensichtlich nur auf ihren Datenkern zielten, aber wenn sie bedachte, was für Informationen dieser enthielt, konnte man schon einmal auf so eine Idee kommen. Sie überlegte, ob es nicht besser war, sich zu ergeben, aber dann hätte sie sicher an irgendeinem vendarischen Traktorstrahl geendet und man hätte sie zu einer Werft geschleppt, um sie dort zu demontieren oder ihren Datenkern dort einer Strahlung auszusetzen, die alles löschen würde. Beide Alternativen waren ihr sehr unheimlich. Sie ahnte ja nicht, wie nah die Granger war.

Mikel und Kissara hatten die Brücke betreten und sich auf ihre Plätze begeben. „Bericht, Ribanna!“, forderte die thundarianische Kommandantin. „Wir haben einen Notruf von Lycira empfangen.“, wiederholte die Reservistin. „Sie ist allein und wird von mehreren feindlichen Vendar-Schiffen bedroht. Sie sagt, sie würden auf ihren Datenkern zielen.“ „Haben Sie den Notruf lokalisiert, Ribanna?“, fragte Kissara. Ribanna nickte. „Gut.“, sagte Kissara. „Dann setzen Sie Kurs. Wie weit ist sie entfernt?“ „Sie befindet sich ganz in der Nähe.“, antwortete die Angesprochene. „OK.“, sagte Kissara. „Dann ein voller Impuls! Und, Mr. Kang, feuern Sie auf jedes Veshel, das Ihnen vor die Waffen kommt. Ich will Sytanias Vendar ein für alle Mal zeigen, dass mit mir nicht gut Kirschen essen ist!“ „Aye, Ma’am!“, sagte der Klingone schmissig. Seine letzten Erfahrungen mit Sytania waren ihm noch gut in Erinnerung und er hatte schon lange auf eine Gelegenheit gewartet, ihr das ehrlose Verhalten von damals mit Zinsen und Zinseszinsen heimzuzahlen.

Bald hatten sie den Punkt im Weltraum erreicht, an dem sich jenes Ereignis abspielte. „Also dann.“, sagte Kissara. „Stürzen wir uns ins Getümmel. Was machen die Schilde, Mr. Kang?“ „Die Schilde halten, Commander.“, meldete der Waffenoffizier ruhig. „Na dann.“, sagte Kissara. „Helfen wir Lycira ein wenig. Ribanna, rufen Sie sie und verbinden Sie mit mir!“ „Sofort, Commander.“, nickte die junge Pilotin und Kommunikationsoffizierin und führte den Befehl aus.

Ein Lämpchen an Kissaras Konsole sagte ihr, dass die Verbindung zustande gekommen war. „Lycira, hier ist Commander Kissara.“, sagte sie. „Wir werden dir helfen. Es könnte sein, dass wir ungewöhnliche Dinge von dir verlangen. Bitte tu sie dann einfach. Unter Umständen bleibt für Erklärungen keine Zeit.“ „OK, Commander Kissara.“, sagte mein Schiff.

Mikel hatte seinem Hilfsmittel befohlen, ihm die Treffer, die Kang inzwischen bei den Vendar gelandet hatte, anzusagen. Der erste Offizier ging zu Recht davon aus, dass sie wohl nicht damit rechnen würden, dass ein Sternenflottenschiff im Vorbeiflug einfach so auf sie feuern würde. Er erfuhr so, dass Kang die Armee der Feinde bereits um einiges reduziert und ihre Reihen so schon ziemlich gelichtet hatte, indem er die feindlichen Schiffe manövrierunfähig geschossen und sie somit zum Rückzug im Schlepp anderer Schiffe gezwungen hatte. „Nur weiter so, Mr. Kang. Sie machen heute sicher nicht nur dem klingonischen Reich alle Ehre!“, flüsterte er dem Strategen an der Waffenkonsole zu. „Danke für die motivierenden Worte, Agent.“, sagte Kang. „Aber ohne Ribanna, die uns jedes Mal passend hinbringt, würde ich das sicher auch nicht hinbekommen. Hoffen wir nur, dass ich die Vendar noch eine Weile so überraschen kann.“

Plötzlich schien sich das Kriegsglück zu wenden. Telzan hatte gesehen, was die Granger im Schilde führte und musste seine Leute entsprechend instruiert haben. Jedenfalls drehten einige Schiffe plötzlich ab und wandten sich ihr zu. Dann feuerten sie aus allen Rohren. „Offensichtlich haben wir uns zu früh gefreut.“, stellte Kissara fest, die aus dem Maschinenraum und von der Krankenstation die ersten Berichte über Schäden und Verluste bekommen hatte. „Ich bitte um Erlaubnis, frei zu sprechen, Commander.“, sagte Ribanna. „Reden Sie ruhig, wenn Sie etwas beizutragen haben, Allrounder.“, motivierte Kissara sie. „Ich habe im Laufe meiner praktischen Erfahrung gelernt, dass für Förmlichkeiten im Leben oft kein Platz ist.“ „Ich denke, dass Sytanias Vendar mittlerweile auch gelernt haben, dass Sie zwar manchmal ungewöhnliche Strategien anwenden, aber dass sie sich auch langsam dem Kissara-Faktor angepasst haben.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Kissara. „Ich bin also offen für Vorschläge, Ladies und Gentlemen!“

Ein solcher Vorschlag nahm in Elektras positronischem Gehirn bereits Formen an. Die Androidin wusste, dass die Rechner von Vendar-Schiffen auf eine bestimmte Art von EM-Strahlung sehr empfindlich reagierten. Zwar waren ihre Datenkerne in den Hüllen der Schiffe selbst gut abgeschirmt, aber wenn die Strahlung über die Sensoren aufgenommen würde, dann könnten sie sich nicht wehren und würden reihenweise Fehlfunktionen erleiden, die bis zum vollständigen Ausfall der Schiffssysteme führen könnten. Der Deflektor wäre ihren Berechnungen nach definitiv in der Lage, diese Strahlung zu produzieren. Sofort teilte sie dies ihrem Vorgesetzten mit. „Gute Idee, Elektra!“, lobte Jannings, aber er kam ihr dabei recht gleichgültig, fast antriebslos, vor. Elektra konnte sich keinen Reim darauf machen. Auch irritierte sie der Umstand, dass ihr Vorgesetzter ihr jetzt alle Verantwortung für das Vorhaben übertrug. „Erörtern Sie das mit der Brücke, Assistant.“, sagte Jannings. „Ich werde mich in mein Quartier begeben und mich hinlegen. Sie haben den Maschinenraum!“ Damit verließ er seinen Arbeitsraum.

Die technische Assistentin blieb leicht verwirrt zurück, ein Zustand, der für eine Androidin wohl noch unangenehmer sein durfte, als für einen von uns. Sie hatte ihren Vorgesetzten noch nie so erlebt! Wenn dieses Verhalten andauerte, würde sie es melden müssen. Aus ihrer Datenbank ging hervor, dass sich ein solches Verhalten bei Leuten manifestiert hatte, die der Abspaltung ihrer negativen Seite zum Opfer gefallen waren. Das war auch genau das, was sie auf Khitomer beobachtet hatte. Sie würde Jannings also weiter beobachten und bei passender Gelegenheit, wenn sich ihr Verdacht erhärtet hatte, mit Agent Mikel darüber sprechen. Jetzt aber hatte etwas weitaus Wichtigeres Vorrang.

Durch Dirshans Flugmanöver war es Telzan tatsächlich gelungen, einen gefährlichen Treffer in Lyciras Antrieb anzubringen, der sie gezwungen hatte, den Impulsantrieb zu deaktivieren und auf Manövriertriebwerke umzuschalten. Jetzt schleppte sie sich mehr oder minder langsam voran. „Sollten wir sie nicht langsam in Ruhe lassen, Anführer?“, fragte der Novize. „Hast du etwa Mitleid?!“, fragte Telzan empört zurück. „Nein.“, antwortete Dirshan nicht ganz wahrheitsgemäß. Insgeheim hatte er schon immer Mitleid mit den Opfern von Sytania gehabt, es aber niemals zugegeben. Seine Eltern dienten ihr schon sehr lange und sein Vater hatte ihm immer wieder eingetrichtert, was er für eine Schande über seine Familie bringen würde, wenn er die Handlungsweise ihrer gemeinsamen Herrin nur andeutungsweise schlecht heißen würde. Außerdem hatte er zu viel Respekt vor seinem Ausbilder, um die Wahrheit offen zu legen. „Wenn du kein Mitleid hast.“, sagte Telzan. „Dann musst du mir schon einen ziemlich guten Grund liefern, sie in Frieden zu lassen.“

Dirshan dachte lange nach, aber ihm wollte auf Teufel komm heraus nichts einfallen. Schließlich sah er Telzan nur resignierend an. „Also.“, sagte dieser. „Da du keinen Grund vorgebracht hast, der mich überzeugt hätte, setzen wir den Angriff fort!“

Elektra hatte ihr Haftmodul aus der Tasche ihrer Uniform geholt und sich mit seiner Hilfe direkt mit dem Schiffsrechner verbunden, dem sie das Rufzeichen der Brückensprechanlage und das Unterrufzeichen von Kissaras Arbeitskonsole eingegeben hatte. „Hier Kissara.“, meldete sich die thundarianische Kommandantin. „Hier ist Technical Assistant Elektra, Ma’am.“, erwiderte die Androidin vorschriftgemäß. „Ich denke, dass ich einen Weg finde, die Angriffe auf Lycira zu stoppen, ohne dass wir unsere Waffen einsetzen müssen. Mit dem Einsatz von Phasern und Photonentorpedos rechnen unsere Feinde und werden sich entsprechend verhalten. Sie werden so lange mit uns Katz’ und Maus spielen, bis Kang sein gesamtes Arsenal verschossen hat und damit ist für Lycira gar nichts gewonnen. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, dass die Rechner von Vendar-Schiffen sehr empfindlich auf die Strahlung von Klasse-F-Pulsaren reagieren, wie sie in der Region um das demetanische Sonnensystem zu finden sind.“

Mikel, der direkt neben Kissara saß, nahm das Mikrofon an sich und antwortete: „An sich eine gute Idee, Elektra. Aber Sie übersehen dabei, dass wir uns Lichtjahre weit vom demetanischen Sonnensystem entfernt befinden und wir nicht so einfach die Möglichkeit haben, das Kampfgebiet dorthin zu verlegen. Lycira kann laut unseren Anzeigen nur mit Manövriertriebwerken fliegen und die Vendar verhindern im Moment jede Annährung auf Traktorstrahlreichweite. Außerdem werden sie uns garantiert nicht den Gefallen tun, uns in ein Gebiet zu folgen, wo es für sie so gefährlich ist. Wie wollen Sie also einen Klasse-F-Pulsar dazu kriegen, uns zu Willen zu sein?“ „Das liegt gewiss nicht in meiner Absicht, Sir.“, antwortete die technische Assistentin lächelnd. Sie war von Agent Mikel eigentlich eine höhere Intelligenzleistung gewohnt und hoffte, dass er nicht demselben Phänomen wie ihr eigener Vorgesetzter zum Opfer gefallen war. Wenn sie sich genau erinnerte, dann hatte sie nicht gesehen, was mit Mikel passiert war. Jannings’ so genannte Reinwaschung hatte sie aber genau beobachten können. Bevor sie nun auch noch den ersten Offizier dessen beschuldigte, was offensichtlich mit dem Chefingenieur geschehen war, wollte sie lieber noch genauere Beweise sammeln, was auch in der Natur der Androidin lag. „Was zur Hölle liegt dann in Ihrer Absicht, Technical Assistant?!“, stieß Mikel unwirsch hervor. Dabei war er eher über sein eigenes Verhalten, als über das Ihre verärgert. Er hatte seine eigenen Gedankengänge auch noch nie so zähflüssig erlebt. Irgendetwas schien auch mit ihm nicht zu stimmen. Das wurde ihm wohl gerade schmerzlich bewusst, aber er wurde schon wieder durch Elektras Erklärung abgelenkt. „Wenn wir nicht zu einem Klasse-F-Pulsar kommen können.“, führte sie ungeachtet seiner strengen Antwort aus. „Und wir auch nicht in der Lage sind, einen hier her zu bringen, dann muss ich uns wohl einen bauen.“

Ein Signal an Kangs Konsole meldete diesem, dass es einen Zugriff auf den Rechner gegeben hatte, der den Deflektor kontrollierte. „Commander.“, wendete sich der Klingone an seine thundarianische Vorgesetzte. „Offensichtlich programmiert sie gerade den Deflektor vom Maschinenraum aus um. Sie will ihn wohl dazu bringen, das Strahlungsmuster eines Klasse-F-Pulsars zu emittieren.“ „Denken Sie wirklich, dass uns das helfen wird?“, fragte Kissara, der angesichts der Situation langsam die Optionen ausgegangen waren. „Dazu kann ich nichts sagen, Kissara.“, sagte Mikel, der sich offensichtlich direkt angesprochen fühlte. „Ich bin kein Ingenieur. Aber Elektra ist technische Assistentin. Außerdem ist sie Androidin und als eine Solche mit Technologie vertrauter, als es jeder von uns je sein wird. Wie ich das sehe, stehen wir vor der Wahl, uns allein gegen mindestens … Kang, wie viele Vendar sind da draußen?“ „Ich zähle immer noch mindestens 30 Schiffe, Sir.“, beantwortete der klingonische Stratege die Frage des terranischen ersten Offiziers. „Also.“, fuhr Mikel fort, der wohl beabsichtigte, seine Schlappe von vorhin wieder wett zu machen und jetzt mit einer flammenden Rede zu brillieren, um Kissara, die sein Verhalten auch schwer verwundert hatte, wieder gnädig zu stimmen. „Wir haben entweder die Wahl, gegen 30 Vendar-Schiffe einen aussichtslosen Kampf zu kämpfen, oder Elektra zu vertrauen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich wähle das Vertrauen!“

Kissara war irritiert. Eine so flammende Rede war sie von Mikel nicht gewohnt. Sie fragte sich, was der Grund sein konnte, aus dem sich ihr erster Offizier jetzt so merkwürdig verhielt. Wollte er etwa etwas kompensieren? War es, weil er sich vorher so dumm angestellt hatte und das jetzt offensichtlich bereute? Aber selbst wenn, dann konnte das ja jedem wohl schließlich einmal passieren und war in ihren Augen noch lange kein Grund, sein Verhalten von jetzt auf gleich um 180 Grad zu ändern, nur um ihr vielleicht gefällig zu sein. Dass so etwas unter Umständen nötig sein konnte, hatte Kissara wohl schon einmal auf den Schiffen von Weltraumpiraten beobachtet, aber auf einem Sternenflottenschiff, insbesondere auf einem, das unter ihrem Kommando stand, war auch mal Zeit für kleine Pannen. Schließlich waren alle, vielleicht mit Ausnahme von Elektra, keine Maschinen, sondern biologische Lebensformen, denen so etwas eben ab und zu passieren konnte. Aber selbst Elektra galt ja rechtlich als Lebensform und hatte somit auch das Recht, auch mal einen Fehler zu machen, wenn es denn mal passieren würde.

Die Thundarianerin hatte gemerkt, dass sie mit ihren Gedanken abgewichen war und das gerade jetzt, wo eine so wichtige Entscheidung von ihr verlangt wurde. Die Frage nach dem Grund für die flammende Rede ihres ersten Offiziers, die sie eher an die Rede eines Politikers erinnerte, konnte sie wohl auch noch später mit ihm klären, wenn diese kitzelige Situation vorbei war und sie Lycira nach Möglichkeit in einem Stück gerettet hatten. „Also gut.“, entschied sie. „Lassen wir Elektra machen. Mr. Kang, sobald Sie von ihr das Signal bekommen, aktivieren sie unseren kleinen Pulsar!“ „Aye, Commander!“, erwiderte der Klingone an der Waffenkonsole zackig und wandte sein rechtes Ohr sofort in Richtung Lautsprecher, um gleich auf auch nur das kleinste Signal achten zu können. „Wir sollten außerdem noch ihre Aufmerksamkeit auf uns lenken, damit ihre Sensoren die Strahlung überhaupt aufnehmen. Ribanna, lassen Sie das Schiff einige merkwürdige Manöver ausführen. Denken Sie sich was aus.“ „Ja, Commander.“, nickte Ribanna. Dann ließ sie das Schiff absinken, wonach sie es sofort wieder hoch zog und andere ähnliche Merkwürdigkeiten, die sich die Vendar nicht erklären konnten, die sie aber gerade deshalb um so genauer beobachten wollten. „Aber wir sollten auch noch etwas tun, was die Vendar aufs Tiefste demoralisieren wird.“, sagte Kissara. „Ohne Kopf kann die Schlange nicht kriechen. Ribanna, bringen Sie uns in die Nähe des Führungsschiffes.“ Die Flugoffizierin nickte und führte den Befehl aus, während Kang noch einige Vendar-Schiffe unter Feuer nahm, um die Absicht der Granger zu verschleiern. Dann hörte man das Piepen der Waffenkonsole und Kang meldete: „Es ist Zeit!“ „Na dann!“, erwiderte Kissara und Kang, der sie durchaus verstanden hatte, aktivierte Elektras Profil, das sie in den Deflektor geladen hatte.

Nervös tippte Dirshan auf den Tasten seiner Konsole herum. „Was machst du da?!“, fragte Telzan streng, dem dies nicht verborgen geblieben war. „Fehlermeldungen, Anführer!“, erwiderte der Novize verzweifelt. „Es läuft kein System mehr störungsfrei!“ In diesem Augenblick fiel der Antrieb aus. „Siehst du?“, fragte Dirshan. „Kelbesh!“, fluchte Telzan, der sich das gerade Gesehene eben so wenig erklären konnte wie sein Schüler. „Sende einen Sammelruf an die anderen und frag nach, ob es ihnen genau so geht!“, spielte Telzan Entschlossenheit vor. Die Situation hatte ihn nämlich auch sehr verwirrt. „Wenn ich das Sprechgerät dazu überredet bekomme.“, sagte Dirshan mutlos und versuchte, das immer wieder auf seine Fehlfunktion aufmerksam machende Kommunikationssystem entsprechend zu programmieren.

„Die Vendar-Schiffe sind kampfunfähig, Commander.“, meldete Kang. „Sehr gut!“, lobte Kissara. Dann wandte sie sich Ribanna zu: „Allrounder, signalisieren Sie Lycira, nach Andockbucht vier zu fliegen. Jannings soll sich um sie kümmern und dann, Mikel, werden Sie wohl mal wieder ein Raumschiff vernehmen müssen. Die Vendar haben ja nicht umsonst hauptsächlich auf ihren Datenkern gezielt. Ich bin sicher, sie weiß irgendwas, von dem Sytania auf keinen Fall will, dass es in unsere Hände gerät.“ Mikel und Ribanna nickten und taten, was sie ihnen aufgetragen hatte.

„Lycira ist an Bord.“, meldete Ribanna einige Minuten später. „Na schön.“, entgegnete Kissara. „Dann rufen Sie jetzt das Führungsschiff der Vendar und verbinden auf meinen Platz!“ Ribanna lächelte und führte ihren Befehl aus.

Aufgrund der technischen Störungen dauerte es etwas, bis die Verbindung zustande kam, aber dann sah Kissara auf ihrem Schirm das völlig verzweifelte Gesicht von Telzan. „Kissara El Thundara!“, sagte der Vendar mürrisch. „Ich hätte mir denken können, dass du dahinter steckst!“ „Und ich habe mir gedacht, dass niemand anderes als Telzan so feige sein kann, mit einer Übermacht auf ein wehrloses Schiff Jagd zu machen!“, entgegnete Kissara mit einem Grollen in der Stimme. „Aber das ist etwas, das ich nicht zulassen werde!“ „Aber warum hast du nicht zuerst mit mir geredet?!“, versuchte Telzan schmeichlerisch, ihre Wut abzumildern und ihr ein schlechtes Gewissen gegenüber den Grundsätzen der Sternenflotte zu machen. „Ich meine, sonst müsst ihr doch auch immer zuerst den diplomatischen Weg gehen.“ „Dein Vorhaben war offensichtlich!“, sagte Kissara in dem gleichen wütenden Ton, aber in korrekter vendarischer Anredeweise. „War das jetzt genug Diplomatie? Ich lasse mich nicht für dumm verkaufen! Von Sytanias Schergen schon gar nicht! Wir werden uns jetzt wieder auf den Weg machen. Sobald wir fort sind, werden eure Schiffe auf gar magische Weise wieder funktionieren. Lasst euch aber ja nicht einfallen, uns zu folgen. Wir sind jederzeit in der Lage, diesen kleinen Trick zu wiederholen! Ribanna, Kurs Richtung 817, Warp sechs, aktivieren!“ Die Granger verschwand in einem Blitz.

Verwirrt waren die Vendar zurückgeblieben. „Denkst du, dass stimmt, was sie gesagt hat, Anführer?“, wendete sich Dirshan ängstlich an seinen Ausbilder. „Lass es uns ausprobieren.“, sagte dieser. „Aber du solltest die Systeme unseres Schiffes vorsichtshalber neu starten.“

Dirshan tat, was Telzan ihm aufgetragen hatte. „Es scheint, als hätte sie uns in diesem Punkt nicht belogen.“, sagte er dann, als er sah, dass die Systeme jetzt kein Piepen und keine Fehlermeldungen mehr ausstießen. „Warum sollte sie auch?“, sagte Telzan. „Es wäre gegen ihren Kodex. So. Und nun sag den anderen, sie sollen das Gleiche mit ihren Schiffen tun. Dann fliegen wir heim! Ich weiß zwar noch nicht, wie ich Sytania unsere Niederlage beibringen soll, aber ich hoffe, bis wir wieder im Dunklen Imperium sind, wird mir etwas eingefallen sein.“ „Gut, Anführer.“, nickte der Novize und tat, was Telzan ihm gerade gesagt hatte.

Shimar hatte tief und fest geschlafen. Allerdings hatte er dabei den Neurokoppler nicht abgenommen, was seinem Schiff ermöglicht hatte, seinen Schlaf und seine gesamten Körperfunktionen zu überwachen. „Sie scheinen die Sache doch sehr gut weggesteckt zu haben, Shimar.“, stellte IDUSA fest. „Wie man’s nimmt, IDUSA.“, erwiderte der junge Tindaraner. „Ich kann mir immer noch keinen Reim auf das machen, was ich da gespürt habe.“ „Wir werden mit Sicherheit früher oder später eine Lösung für dieses kleine Puzzle finden.“, tröstete der Avatar. „Aber wie es aussieht, fehlen uns bis jetzt dazu entscheidende Daten. Aus Erfahrung weiß ich jedoch, dass wir diese früher oder später aquirieren werden.“ „Du magst Recht haben, IDUSA.“, sagte Shimar, legte den Neurokoppler ab und stand vom Sitz auf, um sich fest und lange zu strecken.

„So gut wie heute habe ich lange nicht mehr geschlafen, IDUSA.“, sagte er, nachdem er sich wieder gesetzt und den Koppler aufgesetzt hatte. „Das ist kein Wunder.“, begann das Schiff ein Geständnis. „Schließlich habe ich Sie mit Alphawellen bestrahlt. Ihre medizinischen Werte wiesen darauf hin, dass Sie in einer Art Schockerlebnis waren. Ich dachte mir, dass Schlaf für Sie die beste Medizin sei. Ishan würde das sicher auch bestätigen.“ „Da wäre er sicher nicht der Einzige.“, sagte Shimar und holte tief und genießerisch Luft. „Ich denke sogar, dass ich bis Terra übernehmen kann.“ „Also gut.“, sagte das Schiff und zeigte ihm die Steuerkonsole.

Nicht nur Shimar, auch ich, hatte wunderbar geschlafen! Jedenfalls fühlte ich mich sehr erfrischt, als ich immer noch in dem Bett in D/4’s Gästezimmer erwachte. „Guten Morgen.“, sagte eine nüchterne Stimme neben mir. Sofort hatte mein geschultes Gehör registriert, von wo die Ansprache gekommen war und wer mich begrüßt hatte. Außerdem hatte ich entdeckt, dass ich eine Tropfkonsole trug. „Guten Morgen, D/4.“, sagte ich. „Wie lange habe ich geschlafen?“ „Sie schliefen drei Tage und 12 Stunden.“, antwortete die Sonde. „Was?!“, fragte ich erstaunt. „Aber warum …?“ „Ich habe Ihnen das Medikament, welches ich angekündigt habe, besorgt und injiziert.“, sagte sie. „Alles klar.“, antwortete ich und setzte mich auf. „Bin ich denn jetzt wieder gesund?“ „Um dies zu beurteilen.“, setzte sie an. „Werde ich Ihren Zustand noch eine Weile beobachten müssen. Aber dann werde ich bald mehr sagen können. Agent Sedrin Taleris-Huxley wird übrigens Ihre Aussage aufnehmen, sobald ich sie verständigt habe. Sie war vor zwei Tagen schon mal zu diesem Zweck hier, aber dann musste ich ihr sagen, dass Ihr Zustand keine Aussage zulässt.“ „Wie auch.“, sagte ich. „Da habe ich tief und fest gepennt.“ „Das ist korrekt.“, sagte die Sonde, der meine oft etwas saloppe Ausdrucksweise sehr gut bekannt war.

Sie zog meinen rechten Arm zu sich heran, um mich von der Tropfkonsole zu befreien. „Die brauche ich jetzt wohl nicht mehr.“, setzte ich voraus. „Ihre Annnahme ist korrekt.“, meinte sie. „Wenn Sie wollen, können Sie unter meiner Aufsicht sogar aufstehen. Ich halte Ihre körperliche Verfassung für entsprechend geeignet.“ „Danke.“, sagte ich und stellte mich vor das Bett.

Sie griff meine linke Hand und legte sie auf ihren rechten Arm. Dann sagte sie: „Folgen Sie mir. Wir sollten zunächst einige Runden hier im Zimmer auf und ab gehen, damit Ihr Kreislauf sich wieder langsam an die Situation gewöhnt. Aber jetzt können Sie mir doch auch sicher beantworten, wie ich einer Protoeinheit erklären soll, wie wir Xylianer uns fortpflanzen. Deshalb habe ich Ihnen nämlich schon eine SITCH-Mail geschickt. Darin sind auch die Kontaktdaten der Protoeinheit enthalten.“ „Was?“, grinste ich. „Aber gut, D/4. Ich denke, das wird mich auch von meinem Schock ablenken. Vielleicht genese ich dann sogar noch schneller. Also, lassen Sie uns jetzt diese Kontaktdaten benutzen! Ablenkung ist in meinem Fall sicher gleichzeitig effektiv und effizient, he? Aber trotzdem würde mich interessieren, warum Sie so etwas Intimes mit einem Kind diskutieren.“ „Ich werde Ihnen alles auf dem Weg zum Sprechgerät erklären.“, entgegnete die Sonde und verließ mit mir das Zimmer in Richtung der guten Stube, wo das Sprechgerät zu finden war.

Nitprin war es tatsächlich gelungen, eine primitive Signalbarke aus den Teilen zu bauen, die sie aus den Geräten retten konnte, die sie über das ganze Gebiet um die Ausgrabungsstätte herum gefunden hatte. Diese Barke hatte nun ein kleines Schiff angelockt, dessen Atmosphärentriebwerke sie jetzt immer näher kommen hörte. „Jetzt kommen sie endlich und retten mich.“, flüsterte sie, die mittlerweile schon sehr schwach war. Sie hatte sich auf dem Wüstenplanetoiden ja nur von den dort spärlich wachsenden Pflanzen, die eher faserige Flechten waren und einigen merkwürdigen Tieren, die sie aus dem Boden gegraben hatte, ernähren können. Der Gedanke, ein Tier zu töten, auch wenn es nur ein Lurch oder eine Kröte war, gefiel ihr gar nicht. Sie fand dieses Vorhaben eher ekelhaft, aber es war für ihr eigenes Überleben notwendig. Das wusste die junge Breen. Außerdem war sie die einzige Zeugin für das, was mit Radcliffe geschehen war. Sie musste es ja irgendwem sagen können und das ging nicht mehr, wenn sie tot war.

Sie sah den großen Schatten des Shuttles langsam immer weiter sinken. Die Form des Schiffes konnte sie nicht einordnen. Ein solches Schiff, das sie irgendwie in seiner Bauweise an ein Rad erinnerte, hatte sie noch nie gesehen. Es war eindeutig nicht Breen. Aber das war ihr im Moment auch egal.

Sie stand aus ihrer kauernden Haltung auf und wollte sich schon in Richtung des Schiffes begeben, das inzwischen gelandet war, als sie der merkwürdigen Besatzung ansichtig wurde.

Am Schiff hatte sich eine Luke geöffnet und zwei Gestalten waren herausgetreten. Die Gestalten erinnerten in ihrem Aussehen etwas an riesige terranische Frösche, aber sie waren viel größer und ihre Körper waren mit Panzern bedeckt, wie Nitprin sie aus Erzählungen von terranischen Schildkröten kannte. Ihre Haut, sofern man sie unter den schildpattfarbenen Panzern sehen konnte, war grün und ihre Augen glupschten aus ihren Gesichtern hervor. Außerdem hatten beide auf dem Kopf eine Art Hautmanschette, die wie ein Trichter oder Füllhorn aussah.

Die Wesen, die Nitprin auf keinen Fall identifizieren konnte, näherten sich ihr langsam. Sie aber hoffte, dass sie nicht gesehen worden war. Diesen Leuten zu begegnen, war ihr unheimlich! Sie suchte sich deshalb schnell ein Versteck und beobachtete sie von dort aus weiter, wie sie sich auf die Ausgrabungsstätte zu bewegten und den Gegenstand genauer betrachteten, der in dem Loch lag. Um so besser., dachte die kleine Breen. Wenn sie das Ding im Visier haben, dann lassen sie mich zumindest in Ruhe. Wo bist du nur, Betsy? Du als Sternenflottenoffizierin könntest mir das hier doch sicher erklären.

Eines der Wesen beugte sich jetzt tiefer in das Loch. Dann sprach es wohl offensichtlich mit seiner etwas quakend klingenden Stimme zu dem anderen Wesen: „Was immer das auch ist, Dianora, wir sollten es mitnehmen. Vielleicht finden wir ja jemanden, der darum mit uns spielt.“ „Du hast Recht, Lenn.“, sagte das andere Wesen, dessen Stimme sich eindeutig in der Höhe von der des Vorredners unterschied. Offensichtlich war es weiblich, während das andere männlich war. „Eine gute Partie Quisar hat mich noch immer sehr erfreut.“ „Aber wir sollten vorher mal nachsehen, ob hier nicht jemand ist, der eventuell Ansprüche erheben könnte. Unsere gesellschaftlichen Regeln basieren zwar auf dem Glücksspiel, aber heute ist mir nicht danach, ein Risiko einzugehen.“, sagte der Mann. „Ich dachte, du wärst ein größerer Draufgänger.“, sagte die Frau und klang dabei etwas enttäuscht. Dann hob sie ihre froschartige rechte Vorderpfote und zeigte damit auf den Hauttrichter auf seinem Kopf. „Ich dachte, bei dem Füllhorn bist du etwas mutiger. Jedenfalls hast du auf mich deshalb viel attraktiver gewirkt, als du dich jetzt zeigst. Wir sollten einfach unserem Glück vertrauen. Das hat uns bisher noch nie im Stich gelassen. Aber wenn du Angst hast, kannst du ja gern noch mal nachsehen, während ich die Transportverstärker aufbaue. Wie kommst du eigentlich auf so was?“ „Jemand muss ja diese Signalbarke gebaut haben, Dianora.“, rief der Mann ihr die Art und Weise in Erinnerung, wie sie auf den Planetoiden aufmerksam geworden waren. „Wenn das so ist.“, sagte die Frau. „Dann ist derjenige eindeutig nicht mehr hier. Die Barke habe ich übrigens gesehen. Sie sieht aus, als hätte ein Schulkind sie gebaut. Die Person ist entweder längst tot oder längst weg. Vertrau mir. Ich habe ein Näschen für so etwas. Wir hatten ein wahnsinniges Glück, dass wir dieses kristallene Ding gefunden haben. Es scheint auch etwas Geheimnisvolles auszustrahlen. Es wird sicher genug Leute in der Galaxie geben, die mit uns um es spielen würden. Ich könnte mir gut vorstellen, dass so mancher Ferengi zum Beispiel es gern in seinem Wohnzimmer hätte.“ „Na ja.“, gab der Mann zu. „Es sieht ja wirklich ziemlich glänzend und protzig aus mit seinen merkwürdigen Zeichen und überhaupt mit seiner gesamten Form. Wenn wir uns jetzt noch eine passende Geschichte dazu überlegen, dann wird es vielleicht noch attraktiver.“ „So will ich dich hören!“, sagte die Frau begeistert und hüpfte in die Luft. Dies bereute sie aber gleich wieder, denn die Hitze machte ihr doch sehr zu schaffen. „Puh!“, machte sie. „Wir sollten machen, dass wir hier wegkommen. Sonst trocknen wir noch beide aus!“ „Wie du wünschst.“, sagte der Mann und zog ein Sprechgerät aus der Tasche seiner merkwürdig juteartig wirkenden Uniform. Dann gab er einige Befehle ein, worauf die Beiden in zwei durchsichtiger werdenden Säulen verschwanden.

In ihrem Versteck unter einem Felsvorsprung hatte sich Nitprin fest auf den sandigen heißen Boden gepresst. Es war ihr egal, dass er heiß war. Es war ihr auch egal, dass ihr defekter Kälteanzug ihr keinen Schutz mehr bot. Sie wollte nur nicht gesehen werden. Immer höher kroch die Hitze in ihr. Gleich bin ich durch gebacken wie ein Brot., dachte sie. In diesem Moment erklang das für sie wie eine Erlösung wirkende Geräusch des Antriebs des fremden Schiffes. Sie waren fort.

Vorsichtig stand sie auf und schlich zum Ort des Geschehens. Sie hoffte sehr, noch Spuren der Fremden zu finden, die sie den richtigen Leuten zeigen konnte, falls sie doch noch Aussicht hatte, gerettet zu werden. Ihre Angst, die sie immer noch in ihrem Klammergriff hielt, war so schlimm geworden, dass sich Nitprin nichts sehnlicher wünschte, als endlich von jemandem gefunden zu werden. Und wenn es ein genesianisches Kriegsschiff war! Das war ihr auch recht. Hauptsache, sie konnte endlich mit jemandem reden. Die Fremden sahen nicht sehr Vertrauen erweckend aus. Aber ein Gutes hatte die Sache doch. Sie hatten sie von einem weiteren Angstfaktor befreit! Der Gegenstand war weg. Sie mussten ihn mitgenommen haben. Worüber immer sie auch geredet hatten, jetzt hatten sie ihn am Hals. Darüber war Nitprin insgeheim sehr froh. Die größeren Zusammenhänge konnte sie in ihrem jungen Alter ja noch nicht begreifen.

Sie beschloss, nach ihrer Barke zu sehen. In regelmäßigen Abständen musste sie die Energiezellen wechseln, zumindest noch so lange, wie sie noch welche hatte, denn die dazu nötigen Geräte hatte sie schon fast alle ihrer Zellen beraubt. Ohnehin war ihr Vorrat an intakter Technologie aus bekannten Gründen eher spärlich. Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass die Barke unangetastet geblieben war. „Für die haben sie sich nicht interessiert.“, flüsterte sie. „Aber sie haben diesen hinterlistigen Kegel. Es ist mir egal, was sie damit wollen. Soll das Ding doch mit ihnen zur Hölle fahren!“

Sie empfand plötzlich eine ungeheure Wut! Den nächst besten Stein, den sie finden und heben konnte, warf sie mit einem lauten Schrei in das Loch. Rein sachlich betrachtet hatte dies zwar nichts an der Situation geändert, aber sie fühlte sich sehr viel besser. Etwas in den Schlund zu werfen, aus dem das Übel entstiegen war, machte zumindest ihre Psyche etwas leichter.

Sie drehte sich um und ging in ihr doch verhältnismäßig kühles Versteck zurück. Hier, das ahnte sie, würde sie bestimmt noch einige Nächte verbringen müssen, bevor wirklich Rettung nahte.

Telzan und seine Leute waren zu Sytania zurückgekehrt und hatten ihr gestanden, was sie für eine Schlappe hatten hinnehmen müssen. „Sag das noch mal, Telzan!“, empörte sich die Prinzessin. „Eure Schiffe wurden von was lahm gelegt?!“ „Da muss plötzlich ein Klasse-F-Pulsar gewesen sein, Milady.“, sagte Telzan. „Jedenfalls haben unsere Systeme das noch gemeldet, bevor sie zusammenbrachen. Ich denke, dass vielleicht Euer Vater …“ „Mein Vater!“, lachte Sytania. „Mein Vater weiß von dieser Sache hier rein gar nichts! Außerdem würde er sich in die Hose machen, wenn er den Lauf der Sterne im Universum so stark verändern würde. Er hat da mehr Skrupel als ich. Ihm sind die Sterblichen ja so kostbar und wichtig! Mich hingegen kümmert es einen feuchten Scheißdreck, wenn ein paar dabei draufgehen. Oder sorgst du dich etwa um den Dreck unter deinen Schuhsohlen?“ „Nein, Gebieterin.“, sagte Telzan, den ihre Worte langsam erkennen ließen, dass er wohl hereingelegt worden war. „Aber wer, wenn nicht Logar, sollte …“, fragte er mit blassem Gesicht. „Na wer wohl?!“, fragte Sytania keifend. „Ist dir schon einmal in den Sinn gekommen, dass Kissara einen technologischen Weg gefunden haben könnte, eine solche Strahlung künstlich herzustellen?“

Telzan schnürte sich die Kehle zusammen. Es konnte ja durchaus sein! Seine Herrin würde ihn ja sicher mit ihren seherischen Fähigkeiten beobachtet haben und wissen, ob dort wirklich ein Pulsar gewesen war. „Ihr habt Recht, Milady.“, gab er verschämt zu. „Wie konnte ich nur so töricht sein?“ „Das frage ich mich auch!“, tadelte Sytania ihn. „Für so dumm hätte ich dich nämlich niemals gehalten. Aber weil das dein erster grober Fehler war, werde ich dir noch einmal verzeihen. Kehre in deine Garnison zurück. Ich erlege dir aber auf, deiner gesamten Truppe, die nicht dabei war, zu berichten, was dir für ein Fauxpas unterlaufen ist. Ich denke, die Scham, die du dafür vor ihnen empfinden wirst, ist dir Strafe genug! Geh jetzt! Ich werde nach dir schicken, wenn ich dich wieder gebrauchen kann!“ Untertänig nickte Telzan und verließ den Thronsaal mit einem langen Gesicht.

Kapitel 10: Ein verordneter Trost

von Visitor

 

Shimar und IDUSA hatten die Umlaufbahn von Terra erreicht. „Sie scheinen ja doch schon wieder gesünder zu sein, als ich dachte.“, stellte das Schiff angesichts der deutlichen und bestimmten Steuerbefehle ihres Piloten fest. „Es geht mir ja auch gut, IDUSA.“, meinte Shimar. „Es war ja nur ein wenig seltsam, was ich da auf Khitomer gespürt habe. Aber trotzdem danke für deine Behandlung. Sie hat mir trotz allem sehr gut getan.“ „Schiff tut, was Schiff kann.“, sagte der Schiffsavatar lächelnd. „Das weiß ich.“, sagte Shimar. „Und gerade du bist ein Musterbeispiel an Pflichtbewusstsein. Das weiß ich schon seit meiner Zeit als Kadett. So lange kennen wir uns schließlich schon. Ich bin ganz froh, dass du mich alten Heißsporn manchmal daran erinnerst, …“ „Habe ich da etwas nicht mitbekommen?!“, fragte das Schiff alarmiert. „Soviel ich weiß, haben Sie sich noch nie hitzköpfig oder unvernünftig gegenüber mir verhalten und mich nie mit voller Absicht gefährdet. Aber vielleicht stimmt etwas mit meiner Datenbank nicht. Ich denke, wenn wir wieder auf der Station sind, sollte ich Techniker McKnight Bescheid geben.“ „Hey.“, versuchte Shimar, sie zu beruhigen. „Dafür gibt es überhaupt keinen Grund. Ich wollte dir lediglich ein Kompliment bezüglich deiner Wachsamkeit machen.“ „Und dafür müssen Sie sich schlechter darstellen, als Sie es in Wahrheit sind?“, fragte IDUSA. „Wenn das so rüber gekommen sein sollte.“, begann Shimar, dem jetzt auch bewusst wurde, dass IDUSA, weil sie eben eine künstliche Intelligenz war, eine solche Art von Komplimenten nicht auf der emotionalen Ebene verstehen konnte, auf der es gemeint war, weil sie ja keine Emotionen hatte. Für sie war Fakt, dass Shimar sich gerade weit unter Wert verkauft hatte und mehr nicht. Dies konnte sie anhand ihrer Datenbank einwandfrei widerlegen. „Tut mir leid, IDUSA.“, entschuldigte sich der junge tindaranische Patrouillenflieger. „Das war wohl wieder so ein biologisch künstliches Missverständnis.“ „Schon gut, Shimar.“, sagte sie.

Ein Lämpchen an der virtuellen Konsole vor Shimars geistigem Auge zeigte ihm, dass sie gerufen wurden. Gleichzeitig sah er im virtuellen Display das Rufzeichen der terranischen Raumkontrolle. „Übernimm du das.“, sagte Shimar. „Sag ihnen, dass wir nur jemanden abholen und dann beam mich in Betsys Garten.“ „Wie Sie wünschen.“, meinte der Schiffsavatar. Dann scannte IDUSA die Umgebung, in die sie ihn transportieren würde, wie es die tindaranischen Protokolle vorsahen. „Ich registriere das Biozeichen eines anderen Wesens in der Transportzone.“, meldete sie. „Kannst du es identifizieren?“, fragte Shimar. „Nicht namentlich.“, sagte das Schiff. „Aber ich weiß, dass es zur Gattung der Philiden gehört.“ „Zeig es mir!“, befahl Shimar. „Dann bist du beruhigt und ich weiß, auf was ich mich einlasse. Terranische Katzen mögen meines Wissens keine Telepathen.“ „Dann sollten Sie zunächst hier an Bord bleiben.“, schlug IDUSA vor. „Ich denke, das wird für alle Beteiligten am besten sein. Sie geraten nicht in Gefahr, das Wesen gerät nicht in Stress.“

Shimar machte ein zerknautschtes Gesicht, was ihr zeigte, dass er mit ihrem Vorschlag nicht einverstanden war. „Wie lange willst du denn hier mit mir in der Umlaufbahn warten, he?“, fragte er berechtigt, denn er wusste, dass Katzen einen sehr langen Atem haben konnten. Außerdem wusste ja die Katze wohl nicht, dass es laut einem gewissen tindaranischen Schiff für sie besser war, den Garten so schnell wie möglich zu verlassen, da dieses Schiff im Begriff war, ihr einen Telepathen direkt vor die Nase zu beamen. „Ich mache dir aber einen anderen Vorschlag.“, sagte Shimar. „Du beamst mich herunter und dann hältst du mich mit den Transportersensoren erfasst, bis ich dir etwas anderes sage. Falls ich deiner Meinung nach in Gefahr bin, kannst du mich ja sofort wieder rauf holen.“ „Mit diesem Kompromiss kann ich leben.“, sagte IDUSA und begann eine Erfassung. Shimar, der dies durchaus mitbekommen hatte, legte den Neurokoppler ab und stand vom Sitz auf, um dann in Richtung Bordmikrofon zu befehlen: „Aktivieren!“

Er fand sich mitten auf der mit langem grünen Gras bewachsenen Wiese wieder. „Hier muss sich auch mal wieder jemand um den Garten kümmern.“, stellte er fest und bahnte sich seinen Weg durch die Halme. Schließlich wurde er Caruso ansichtig, der auf einem Pfeiler des Zaunes saß, der das Grundstück von Data und Cupernica von meinem trennte. Der Kater hatte das für ihn wohl ziemlich merkwürdige Schauspiel der Ankunft des Tindaraners beobachtet. Jetzt sprang er vom Pfeiler und schlich auf ihn zu.

Shimar beobachtete genau Schwanz- und Körperhaltung seines Gegenüber. Von mir hatte er gelernt, wie sich eine Katze verhält, die in Angriffsstimmung ist. Aber dieses Gefühl hatte er bei Caruso jetzt gar nicht. Auch seine telepathische Wahrnehmung der Stimmung des Katers ließ keinen solchen Schluss zu. Carusos Schwanz war steil in die Luft erhoben und seine Nackenhaare lagen an der Haut an. Er schnurrte sogar tief und gleichmäßig, als er sich Shimar näherte. Dies war auch auf gar keinen Fall ein Beschwichtigungsverhalten, sondern zeugte eher davon, dass Caruso wohl Shimars Energie als sehr positiv empfand. Dass er ihn als Telepathen wahrnahm, stand für den jungen Tindaraner unumstößlich fest! Aber entweder, alle Forscher hatten sich geirrt, oder Caruso machte bei ihm eine Ausnahme.

Still und fasziniert von diesem Umstand war Shimar stehen geblieben. Er wusste nicht, ob es klug war, den Kater anzusprechen. Seinen Namen kannte er von mir. Aber trotzdem wusste er nicht, wie er sich verhalten sollte. Deshalb war er froh, dass Caruso jetzt die Begrüßung übernahm, indem er seinen Kopf vorstreckte und langsam weiter schlich. Shimars rechten Stiefel, der zur normalen tindaranischen Militärausrüstung gehörte, hatte er fest im Auge, was Shimar nicht entging, dessen Blick fest auf den von Caruso gerichtet war. Was hast du vor?, dachte Shimar an Caruso gewandt, der jetzt spätestens merken musste, dass sein Gegenüber eigentlich einer von Katzen nicht gemochten Spezies angehörte. Der Kater aber ließ sich von Shimars Gebaren und der telepathischen Ansprache nicht beeindrucken und setzte seine Schmeicheloffensive fort. Er setzte einen lieben verschmusten Blick auf und drückte seinen Kopf fest gegen Shimars Bein. Sein Schnurren schwoll sogar noch stärker an, als er begann, seine Wange an dem Kunststoff, aus dem die Außenhaut des Stiefels bestand, zu reiben.

Ratlos zog Shimar sein Sprechgerät aus der Tasche und gab IDUSAs Rufzeichen ein. „Was gibt es, Shimar?“, fragte die freundliche Stimme des Avatars. „Kannst du in deiner Datenbank ein Beispiel dafür finden, dass eine Katze einen Telepathen gemocht hat?“, fragte Shimar im Flüsterton. „Negativ.“, antwortete der Rechner. „Aber ich bin gern bereit, Sie und diesen Kater als erstes Beispiel zu vermerken. Der Allrounder hat mich einmal zur Genüge mit Daten über Katzenverhalten gefüttert. Daher weiß ich, dass seine Gesten nur so zu deuten sind.“ Sie brach die Verbindung ab. „Jetzt bin ich genau so schlau wie vorher.“, sagte Shimar leicht frustriert und steckte das Gerät wieder ein.

Caruso warf sich vor ihm auf den Rücken und präsentierte seinen frisch mit Mäusen gefüllten Bauch. „Na gut.“, sagte Shimar, hockte sich hin und begann damit, ihn so fest zu kraulen, wie er nur konnte. Caruso räkelte sich und schnurrte noch lauter. Dann begann er sogar, vor lauter Wonne zu speicheln. Rechts und links von seinen Wangen bildete sich ein regelrechter See. Aber trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, drückte er sich noch stärker gegen Shimars Hände. Was dies für eine Bedeutung hatte, war dem jungen Tindaraner durchaus bewusst. „Ich kann nicht stärker kraulen.“, flüsterte er. „Wenn ich das versuche, dann bohre ich mich noch in deine Eingeweide. Aber du könntest auch etwas für mich tun. Weißt du vielleicht, wo Betsy ist? Verstehst du?“ Er sendete Caruso telepathisch mein Bild.

Caruso gab einen gurrenden Laut von sich, stand auf und flitzte Richtung Straße. „Langsam!“, rief Shimar ihm hinterher, der jetzt richtig sprinten musste, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Aber das war wegen seiner durch den Hockzustand bedingten eingeschlafenen Beine gar nicht so leicht. Caruso, der an einer Ecke stehen geblieben war, gab zwei kurze gurrende Geräusche von sich. Dies war auch der allgemeine Lockruf, den Katzenmütter zum Anlocken ihrer Kinder verwendeten. „Ich komme ja schon.“, sagte Shimar. „Aber du könntest wenigstens ein bisschen auf mich warten. Schließlich habe ich nur zwei Beine und du vier. Reichlich unfair, wenn du mich fragst.“ Er stakste immer noch reichlich unbeholfen hinter seinem 4-beinigen Führer her.

Radcliffe hatte mit dem Breenschiff die Umlaufbahn des Mars erreicht. Hier würde er sein Werk, die Föderation von der Erbsünde rein zu waschen, fortsetzen. Er machte sich bereit, hinunter zu beamen.

Nathaniel!, hörte er eine telepathische Stimme in seinem Geist. Prinzessin Sytania?, dachte er unsicher. Genau so ist es richtig., lobte die imperianische Königstochter. Ach, die meisten Nicht-Telepathen kapieren einfach nicht, dass sie nur zu denken brauchen, was sie mir antworten wollen. Aber du, du machst da eine sehr rühmliche Ausnahme. Aber nun zu dem Grund, aus dem ich mit dir reden will. Du hast auf deinem Weg der neuen Antiföderation schon eine Menge Bürger und der Antisternenflotte schon eine Menge Schiffe zugeführt. Das finde ich sehr gut! Aber hier auf dem Mars sollten wir noch einmal über dein Vorgehen beraten. Natürlich möchte ich, dass du mir auch die bösen Seiten der Siedler zuführst, aber deine Familie soll intakt bleiben. Von deiner Frau und deinem Sohn benötige ich noch kein Alterego. Aber mit deiner Schwiegermutter sieht das anders aus. Versuch sie zu überzeugen. Sollte dir dies nicht gelingen, töte sie!

Erschrocken stand Nathaniel da. Er hatte sich mit Lorana, so der Name seiner Schwiegermutter, immer gut verstanden. Sie jetzt unter Umständen töten zu müssen, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken und er begann zu zweifeln. Hast du vergessen, wer dich geheilt hat?!, setzte sie ihn unter Druck. Bedenke, wo du ohne mich wärst! Wie ihr wünscht, Prinzessin., gab Radcliffe zurück. Also, die anderen Siedler zuerst und meine Familie zum Schluss. Und ich soll nur Lorana versuchen rein zu waschen. Du kapierst schnell., dachte Sytania. Bitte beantwortet mir nur noch eins., bat Radcliffe. Warum bin ich, trotz ich eine solche Macht von Euch bekommen habe, immer noch an meinem Leib verwundbar? Das werde ich dir gern beantworten., erwiderte Sytania und versuchte dabei, sehr freundlich zu klingen. Deine Unverwundbarkeit bekommst du, wenn wir gesiegt haben. Du sollst ja schließlich noch etwas haben, für das es sich zu kämpfen lohnt, nicht wahr? So. Und nun beame auf den Mars und tu dein heiliges Werk! Sie lachte hexenartig in seinen Geist.

Radcliffe, der ihr alles in seiner Verblendung glaubte, ging zur Transporterkonsole, um seine Koordinaten einzustellen. Dass sie gelogen hatte, was seine Unsterblichkeit und seine Unverwundbarkeit anging, vermochte er nicht zu sehen. Natürlich würde sie ihm diese auf keinen Fall gewähren, denn sie wollte ja schließlich eine Marionette und keinen ebenbürtigen Partner, mit dem sie hätte teilen müssen. Aber um das zu erkennen, kannte Radcliffe Sytania noch nicht gut genug.

Er aktivierte den Transporter und eine Verzögerung, die er einbauen musste, um rechtzeitig auf die Plattform gelangen zu können. Jetzt fand er sich auf den Straßen der Siedlung auf dem Mars wieder. Hier wählte er eine Richtung und ging eine Straße entlang. Im erstbesten Haus würde er beginnen.

D/4 und ich hatten ihr Sprechgerät erreicht und sie hatte mir von dem kleinen Lapsus erzählt, der ihr unterlaufen war. „Oh weih, D/4.“, sagte ich. „Da sitzen Sie ja ganz schön in der Klemme. Aber keine Angst, ich hole Sie da schon wieder raus. Wir sollten aber einiges vorbereiten. Sie sollten Ihrem Replikator befehlen, ein Puzzle zu replizieren. Am besten wäre ein Kinderpuzzle, das auch für Malcolm vertraut ist.“ „Wo zu?“, fragte die Sonde irritiert. „Das werden Sie dann schon sehen. Vertrauen Sie mir.“, sagte ich, während ich das Rufzeichen in das Sprechgerät eingab, das sie mir zuvor bereits diktiert hatte.

Am anderen Ende der Verbindung meldete sich die Stimme einer älteren Frau: „Hier ist Lorana.“ „Hallo, Lorana. Ich bin Allrounder Betsy Scott.“, stellte ich mich vor. „Ach Sie sind das!“, rief die Alte aus. „Sie sind bestimmt die, von der mein Enkel erklärt haben will, wie die Xylianer Babies machen. Er redet die ganze Zeit von nichts anderem mehr. Warten Sie bitte. Ich werde ihn holen.“ Sie hängte das Mikrofon hörbar ein, allerdings ohne die Verbindung zu beenden.

Malcolm spielte vor dem Haus mit Yara, als seine Großmutter zu ihm trat. „Ich habe jemanden für dich, die dringend mit dir reden will.“, sagte sie. „Es ist Allrounder Betsy Scott von der Sternenflotte. Erinnerst du dich?“ „Ja, Großmutter!“, quietschte der Kleine und bekam ganz rote Bäckchen. Dann ließ er Yaras Spielzeug, das er in der Hand gehabt hatte, einfach fallen und rannte auf seinen kleinen Füßchen hinter seiner Großmutter her ins Haus. Die arme Yara blieb verwirrt zurück. Schließlich nahm sie ihr Spielzeug ins Maul und trottete davon.

Malcolm und Lorana waren ins Wohnzimmer gekommen. „So.“, sagte die alte Frau. „Hier hast du das Mikrofon.“ Dann gab sie es dem Kind in die Hand, das mich sofort freudig begrüßte: „Hallo, Allrounder Betsy Scott!“ „Hi, kleiner Mann.“, lächelte ich zurück. „Du musst Malcolm sein. Die Tante D hat mir schon viel von dir erzählt. Aber du kannst Betsy oder auch Tante Betsy zu mir sagen.“ „OK, Tante Betsy.“, sagte Malcolm. „Kannst du mir wirklich erklären, wie die Xylianer Babies machen?“ „Oh, ja.“, sagte ich zuversichtlich. „Ich denke schon. Ich muss nur noch rauskriegen, ob meine Assistentin schon so weit ist.“

Ich wandte den Kopf in Richtung des Replikators, wo ich D/4 hörte, die offensichtlich gerade mit dem Eingeben der Spezifikationen für das Puzzle beschäftigt war. Dann hörte ich das Gerät summen. „Ah ja.“, sagte ich und winkte der Xylianerin, zu mir an den Tisch zu kommen. „Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Art der xylianischen Fortpflanzung und diesem Puzzle?“, fragte die Sonde. „Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie das noch sehen werden.“, erinnerte ich sie. „Ihre Methoden sind ungewöhnlich.“, stellte sie fest. Cool erwiderte ich: „Ich weiß.“ Dann instruierte ich sie: „Kippen Sie das Puzzle auf dem Tisch aus und nehmen Sie sich die Hälfte der Teile, während Sie mir die andere überlassen!“ „Also gut.“, sagte die Sonde und tat, was ich von ihr verlangt hatte.

Ich nahm das Mikrofon wieder in die Hand und eine wichtige Haltung ein. Dann sagte ich: „Pass auf, Malcolm. Der Replikator, der dieses Puzzle gemacht hat, weiß auch, wie es geht. Das weiß er, weil ein Programm ihm das sagt. Zwei Xylianer legen auch jeweils die Hälfte ihres Programms in den Speicherkern der weiblichen Einheit. Du weißt ja auch, dass du aus dem Bauch von deiner Mummy gekommen bist, nicht wahr?“ „Ja.“, bestätigte Malcolm. „OK.“, sagte ich. „Genau wie du aus etwas von deiner Mummy und deinem Daddy bestehst, besteht auch ein Xylianer aus einem Teil von seiner Mummy und seinem Daddy. Diese Teile werden auch zusammengefügt wie bei unserem Puzzle hier.“

Ich gab D/4 einen Wink, auf den sie ein Teil einfügte. Dann ließ ich eines folgen und so fuhren wir fort, bis das Puzzle vollständig war. „Wenn das Programm vollständig ist.“, setzte ich meinen Vortrag fort. „Dann wird es in einen Replikator überspielt, der dann den Körper macht.“ Damit schob ich das Puzzle in eine andere Ecke des Tisches. Allerdings konnte Malcolm jetzt gut sehen, was das Puzzle darstellte, was vorher nicht möglich war. „Ich glaube, ich habe verstanden, Tante Betsy.“, sagte er. Allerdings gewann ich den Eindruck, dass er mir schon nicht mehr richtig zugehört hatte. Etwas musste ihn abgelenkt haben. Jedenfalls beendete er plötzlich ohne Vorwarnung die Verbindung.

Der Grund für seine Ablenkung kam gerade zur Tür herein. „Daddy!“, rief Malcolm erfreut aus. „Bist du wieder gesund?“ „Ja, das bin ich, mein Sohn.“, sagte Radcliffe. „Wo sind denn Mummy und Großmutter? Willst du sie für mich holen?“ „Sicher.“, sagte Malcolm strahlend und wuselte aus dem Zimmer. Sein Weg führte ihn in die Küche des Hauses, wo er seine Mutter und seine Großmutter vorfand. „Großmutter, Mummy, Daddy ist wieder da!“, quietschte er. „Er will euch sehen!“

Nayale war erfreut und skeptisch zugleich. Zu viel war passiert, als dass sie sich jetzt einfach wieder ihrem Mann in die Arme werfen würde, aber vielleicht gab es ja wirklich Hoffnung. Die junge Frau war hin und her gerissen. Schließlich sagte Lorana: „Lasst uns gehen! Wir werden ja noch sehen, was es mit der Heilung von Nathaniel auf sich hat.“

Die Frauen folgten dem begeisterten Kind zurück ins Wohnzimmer. Hier trafen sie auf Nathaniel, der sogleich Lorana ansprach: „Ich kann dich von einer großen Sünde reinigen, die seit den Tagen von Deep Space Nine auf der Föderation lastet. Fürchte die Reinigung nicht, Lorana.“

Er streckte die Hand nach seiner Schwiegermutter aus, aber Nayale bekam sie zu fassen und drehte ihm den Arm auf den Rücken. „Komm zu dir, Nathaniel!“, rief sie. „Du bist ja immer noch völlig von Sinnen. Gesund ist etwas anderes. Was redest du für ein wirres Zeug?!“

Es war Nathaniel gelungen, sich aus ihrem Griff zu befreien, was ihm auch wieder das Benutzen seiner Kräfte ermöglichte, denn der Schmerz war bei Weitem nicht mehr so schlimm. „Es liegt mir fern, dich zu verletzen, Nayale.“, sagte Radcliffe. Im selben Moment verschwanden Nayale und Malcolm durch einen schwarzen Blitz. „Was ist aus dir geworden?!“, fragte Lorana und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „So kenne ich dich nicht! Jedenfalls werde ich nicht zulassen, dass du irgendwas mit mir machst!“

Sie ging zum Sprechgerät und betätigte die Notruftaste, was ihr eine direkte Verbindung zur Notrufzentrale in Little Federation zu Kelly Davis ermöglichte, die dort für die Notrufkoordination zuständig war. „Helfen Sie mir!“, schrie sie ins Mikrofon. „Hier ist ein Monster in meinem Haus. Was immer dieses Wesen ist, es ist nicht mehr mein Schwiegersohn. Er behauptet, mich rein waschen zu wollen, aber ich will das nicht! Hilfe! Ich habe Angst! Er muss von einem außerirdischen Wesen in Besitz genommen worden sein, oder … Ah!!!“ Loranas Schrei und ein Aufprall waren das Letzte, das Kelly hörte. Den Informationen nach, die sie von Lorana erhalten hatte, konnte dies nur eines bedeuten. Der Fremde hatte sie getötet. Sofort leitete sie alles in die Wege, was bei eventuell befürchtetem feindlichen Außerirdischem Einfluss zu tun war. Der Geheimdienst und die Rettung mussten verständigt werden.

Geschockt von dem, was ihm offensichtlich möglich war, stand Radcliffe vor der Leiche seiner Schwiegermutter, die er mit einem einzigen Gedanken ins Jenseits befördert hatte. Er wusste zwar, dass Sytania ihm genau das gesagt hatte, aber er hatte immer noch gehofft, es nicht ausführen zu müssen.

Yara kam ins Haus geschlichen. Der Tumult musste auch sie aufgeschreckt haben. Zwar verstand das Tier nicht, was gerade mit ihrem Frauchen geschehen war, sie spürte aber genau, von wem die Gefahr ausgegangen war. Ihre grünen Augen blitzten Radcliffe böse und kampfbereit an. Ihre Krallen waren ausgefahren und sie war in einer Stellung, die es ihr ermöglichen würde, ihn anzuspringen und ihn durch diesen Sprung zu Fall zu bringen, was auch im Allgemeinen der Jagdtechnik demetanischer Wollkatzen entsprach. Sie knurrte laut und fauchte, als sie Radcliffe fixierte. „Das wird dir nichts nützen.“, sagte dieser ruhig und teleportierte sich vor Yaras Augen davon.

Irritiert schnüffelte und schaute Yara nach ihrem Feind, den sie aber nicht mehr finden konnte. Da die gesamte Situation sie sehr verwirrt hatte, versuchte sie, bei ihrem Frauchen Schutz zu finden. Sie stupste Loranas Leiche an, aber von ihr kam selbstverständlich keine Reaktion. Das verstand sie noch weniger. Ihr Frauchen konnte doch angesichts dieser großen Gefahr nicht einfach schlafen! Sie kratzte vorsichtig am toten Körper der alten Zeoniden, aber wieder geschah nichts. Schließlich biss sie Lorana verzweifelt in den rechten großen Zeh. Der Geschmack sagte Yara nun unumstößlich, dass ihr geliebtes Frauchen tot war. Aber sie würde nicht von ihrer Seite weichen! Auch jetzt noch würde sie auf sie achten. Sie spürte, dass die Gefahr lange nicht gebannt war. Malcolm, oder ein anderer Mensch, dem sie vertraute, waren leider nicht in der Nähe, aber sie hatte gelernt, dass es sich lohnte, den Menschen zu vertrauen. Manchmal musste sie auch einfach nur warten. Genau das tat sie jetzt. Mit einem traurigen Blick setzte sie sich neben die Tote.

Radcliffe war an Bord des Breenschiffes angekommen. Dorthin hatte er auch seinen Sohn und seine Frau gebracht. „Kannst du mir mal sagen, was mit dir ist?!“, stellte Nayale ihn zur Rede, während er den Kurs zu den Weltraumwirbeln eingab. Wie man ein solches Schiff flog, das wusste Radcliffe, weil er sich die notwendigen Kenntnisse einfach nur gewünscht hatte. „Ich weiß nicht, wovon du redest.“, sagte Radcliffe und tat dabei unschuldig. „Tu nicht so!“, meinte Nayale. „Das weißt du ganz genau. Woher hast du diese Kräfte und dieses Schiff?! Was haben die Xylianer mit dir gemacht? Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich finde, das Experiment muss reichlich schief gelaufen sein!“ „Die Xylianer haben hiermit nicht das Geringste zu tun.“, versicherte Radcliffe. „Sie haben mich auch nicht geheilt. Das war Prinzessin Sytania. Ihr habe ich zu verdanken, dass ich wieder gesund bin. Sie hat mich sogar zum Oberbefehlshaber einer ganzen Armee ernannt. Du wirst sehen, Nayale, bei ihr wird es uns gut gehen.“

Er bestätigte seine Eingaben und das Schiff beschleunigte auf Warp. Nayale hatte es vorgezogen, keine weiteren Fragen zu stellen, um auch Malcolm, der das seltsame Gebaren seines Vaters als immer beängstigender empfand, nicht weiter zu beunruhigen. Sie würde schon noch früh genug herausfinden, was hier los war und dann würde die intelligente junge Frau sicher auch einen Weg finden, Leute zu verständigen, die mit den Informationen etwas anfangen konnten und sicher das Richtige tun würden.

Kelly hatte die Sprechanlage betätigt, die sie mit dem Büro von Agent Sedrin verband. „Was gibt es, Kelly?“, fragte Karl Peters, der Sedrins fester Partner war und der die Verbindung entgegengenommen hatte. „Ist Ihre Partnerin in der Nähe, Mr. Peters?!“, fragte die Vermittlerin gleichzeitig alarmiert und ernst. „Moment.“, sagte der Terraner deutscher Herkunft ruhig und übergab das Mikrofon an die direkt hinter ihm stehende Demetanerin. „Was ist, Kelly?“, fragte Sedrin. „Ich vermute, dass Sytania die Kolonie auf dem Mars angreift oder angreifen lässt!“, sagte Kelly. „Was?!“, entgegnete Sedrin irritiert. „Ich weiß, dass es mir nicht zusteht, einfach so etwas zu interpretieren.“, beruhigte Davis ihr Gegenüber. „Ich weiß, dass ich erst alle Informationen einholen muss, bevor ich Maßnahmen einleite. Das habe ich ja schließlich auch während meiner Ausbildung so gelernt. Aber ich habe leider den Kontakt zu der Melderin verloren.“ „Hat das Sprechgerät den Notruf aufgezeichnet?“, fragte Sedrin. „Ja, Agent.“, sagte Kelly. „Das tut es ja immer.“ „Ich komme!“, sagte Sedrin fest und hängte das Mikrofon der Sprechanlage wieder ein, nachdem sie per Tastendruck die Verbindung beendet hatte. Mit einem kurzen Blick bedeutete sie Peters, das Büro zu übernehmen und sprintete aus der Tür in Richtung Zentrale.

Die zierlich gebaute Notrufkoordinatorin saß in ihrem Häuschen und spielte nervös abwechselnd mit ihren langen blonden Haaren und einem Zipfel ihrer grünen Bluse, die sie zu ihrem roten Rock angezogen hatte. Dies war, gemeinsam mit roten schmalen Absatzschuhen, ihre meistens getragene Arbeitskleidung. „Ich bin da, Kelly! Bitte entriegeln Sie die Tür!“ Die Stimme, die ihr dies zugerufen hatte, erkannte Kelly zuerst nicht. Erst, als die Frau ihr Gesicht durch das Sichtfenster streckte, wusste sie, mit wem sie es zu tun hatte. „Verzeihen Sie bitte, Agent.“, sagte sie und drückte einen Knopf, der die Tür zum Häuschen öffnete. Forschen Schrittes betrat die Demetanerin den kleinen Raum. Sofort schob ihr Kelly einen Stuhl zurecht, der neben ihrem Eigenen immer für Gäste bereit stand. Sedrin setzte sich. „Dann lassen Sie mal sehen.“, forderte sie Mrs. Davis auf. Diese nickte und ließ den Rechner die Aufzeichnung des Notrufes abspielen.

„Lassen Sie das letzte Bild vergrößern!“, sagte Sedrin. „Sicher, Agent.“, sagte Kelly und führte ihre Anweisung aus. In der Vergrößerung sahen beide Frauen jetzt auch einen schwarzen Blitz, der aus den Händen des Fremden zu kommen schien. „Sie sind ein verdammt cleveres Mädchen, Kelly.“, flüsterte Sedrin Davis zu. „Ihre Interpretation war richtig. Verständigen Sie Rescue One und Two. Außerdem die Sonderabteilung für Einsätze bei feindlichem außerirdischen Einfluss. Ich werde den Einsatz leiten und mit Rescue One mitfliegen. Sagen Sie Tchey das! Ich bin Expertin für Sytania!“ Kelly nickte und führte aus, was Sedrin ihr aufgetragen hatte.

Auch D/4 war aufgefallen, wie plötzlich Malcolm die Verbindung beendet hatte. Aber die Sonde hatte auch noch etwas anderes registriert. Der Umstand, dass Radcliffe offensichtlich die Marskolonie aufgesucht hatte, machte ihr Kopfzerbrechen. „Können Sie sich erklären, wie Mr. Radcliffe auf den Mars kommt?“, fragte sie mich, denn sie wusste ja immer noch nicht, was ich wusste. Dazu, ihr alles zu erklären, war ich ja noch nicht gekommen. „Ja, D/4.“, sagte ich leise und verschämt. „Ich denke, ich bin dafür verantwortlich.“ „Erklären Sie!“, forderte sie mich auf. „Er kam zu mir.“, begann ich. „Er sagte mir, dass er krank sei, aber dass er genau wüsste, wo er Heilung finden könne. Die Propheten von Bajor hätten es ihm gesagt. Wir haben mein Schiff genommen und sind dann zu einem verlassenen Wüstenplanetoiden geflogen. Radcliffe sagte mir, er würde den Kurs fühlen. Dort sind wir auch noch auf eine Expedition der Breen getroffen. Radcliffe hat sich irgendwie merkwürdig verhalten, wenn ich es recht bedenke.“ „Definieren Sie!“, forderte die Sonde, an deren Betonung ich jetzt einwandfrei hören konnte, dass sie wohl etwas zurückhielt, was sie mir zwar am liebsten an den Kopf geworfen hätte, dies dann jedoch aus Höflichkeit doch nicht tat. „Er hat in den Breen eine Konkurrenz gesehen, obwohl er noch gar nicht wusste, wonach sie suchten. Außerdem hat er sich selbst in Gefahr gebracht. Sie wissen sicher, dass es in Wüsten in der Nacht sehr kalt wird.“ „Dieser Fakt ist mir bekannt.“, sagte die Sonde. „Er hat mit den bloßen Händen nach etwas gegraben, von dem er auch genau fühlte, wo es war. Er wollte auf keinen Fall, dass die Breen es finden, obwohl sie zwar aufgrund von merkwürdigen Werten auf etwas aufmerksam geworden waren, aber gar keine Anstalten gemacht hatten, es uns wegzunehmen. Dann ist er auf einen Kristallkegel getroffen, von dem er merkwürdige Kräfte bekommen hat, die denen von Sytania sehr ähnelten. Die hat er benutzt, um den erwachsenen Breen zu töten und seine Tochter und mich zu erpressen. Er hat ein Feld generiert, das sämtliche Geräte überlastet hat. Also gibt es auch keine Beweise in meinem Erfasser, weil es den auch nicht mehr gibt. Ich musste ihn von mir werfen, sonst wäre ich heute tot. Oh, Gott, D/4! Ich habe ein Monster geschaffen!“, führte ich weiter aus.

Sie stellte sich mir gegenüber und fasste mich fest an den Schultern, was mich zwang, mich in ihre Richtung zu drehen. „Wie hat er eine ausgebildete Sternenflottenoffizierin zu so einem Unterfangen überreden können?!“, fragte sie streng. „Er hat mir von seinem armen Kind erzählt, das er verletzt habe.“, sagte ich. „Außerdem von seiner Ehe, die an seiner Krankheit zerbrochen ist. Ich konnte nicht anders.“ „Ich denke aber.“, sagte die Sonde. „Dass Sie jetzt sehr wohl wissen, dass die Person, die in Wahrheit für das alles hier verantwortlich ist, die von ihm vorgebrachten Argumente benutzt hat, um genau das bei Ihnen zu erreichen. Sie wissen genug über die Propheten, um zu erkennen, dass so eine Handlungsweise nicht ihrem Verhalten entspräche.“ „Ihre Annahme ist korrekt.“, schmeichelte ich ihr verbal, denn ich wusste ganz genau, dass ich das alles hätte früher erkennen müssen. Jetzt konnte ich nur noch auf ihren guten Willen hoffen.

Sie setzte mich wieder auf den Stuhl und sich auf einen zweiten mir gegenüber. Dann wurde ihre zuerst strenge Stimme plötzlich wieder ganz mild, als sie sagte: „Mir zu schmeicheln ist unnötig. Ich werde Ihnen keine Strafe auferlegen. Sie sind eine emotionale Bioeinheit und als eine Solche manchmal nicht immer ganz rational. Ihr Verhalten ist eine logische Konsequenz dieser Tatsache. Das verstehe ich sehr gut, weil wir Xylianer wissen, was Emotionen sind. Einer unserer Urahnen war schließlich ein Mensch. Jetzt müssen wir das Beste aus dieser Situation machen und uns ihr zunächst anpassen, um sie zu verstehen. Erst dann werden wir sie ändern können. Die Verwendung Ihrer Daten könnte dabei unerlässlich sein.“ „Danke, D/4.“, sagte ich erleichtert, denn ich war froh, dass sie mir offensichtlich doch verziehen hatte.

Das Sprechgerät piepte. D/4 warf einen flüchtigen Blick auf die Anzeige. Dann sagte sie: „Ich werde Sie Scientist Cupernica überantworten müssen.“ „Warum?“, fragte ich verwirrt. „Weil ich gleich an Bord von Rescue One gebeamt werde. Wir haben einen Einsatz in der Marskolonie.“

Mir wurde heiß und kalt. Ich wusste genau, was das zu bedeuten hatte. Offensichtlich hatte Radcliffe dort auch gewütet. „Oh, nein!“, rief ich aus. „Bitte, D/4! Sagen Sie mir, dass das alles nicht wahr ist!“ „Lügen gehört nicht gerade zu meinen Talenten.“, sagte die Sonde.

„Ich habe den Scientist gerade verständigt.“, sagte sie dann einige Sekunden später. Dass ihr das möglich war, wusste ich, da Cupernica immer noch ein Andenken an einen kurzen Aufenthalt bei den Xylianern trug. Das interne Sprechgerät, dessen Interlinkfrequenz dem gesamten System, also auch D/4, bekannt war, hatte Tressa nie entfernt, was Cupernicas ausdrücklicher Wunsch gewesen war. „Sie wird sich um Sie kümmern. Verbleiben Sie an dieser Position!“, erklärte D/4. Dann hörte ich ein Surren und sie war verschwunden.

Caruso hatte Shimar auf Schleichwegen über die Terrasse zu D/4’s Haus geführt. Da das Wetter sehr schön war, hatte die Sonde die Tür offen gelassen. Vor Einbrüchen oder dergleichen musste man sich ja auf der Erde des 30. Jahrhunderts nicht mehr fürchten. Der Kater setzte sich jetzt genau in den Türrahmen und wartete ab, bis der erheblich langsamere Tindaraner zu ihm aufgeschlossen hatte. Shimar strich ihm über das Fell und fragte dann: „Ist sie da drin, ja?“ Caruso machte: „Min-Mang.“ Dann schnurrte er. „Tut mir leid.“, scherzte Shimar. „Mein Chinesisch ist etwas eingerostet.“

Ich hatte seine Stimme gehört und erkannt. „Ich bin hier!“, rief ich mit zitternder Stimme. Er ging durch die Tür an Caruso vorbei ins Wohnzimmer, wo er mich völlig aufgelöst auf der Couch sitzen sah. Sofort war er neben mir und nahm mich fest in den Arm, um mich genau so fest an sich zu drücken. Er spürte genau, wie sehr ich zitterte. „Ganz ruhig, Kleines.“, sagte er tröstend. „Ich bin ja jetzt da. Wie kommst du in dieses fremde Haus und was ist mit dir passiert?“

Gegen den Weinkrampf, der mich überkam, konnte ich mich nicht wehren. „Es ist furchtbar, Srinadar!“, schluchzte ich verzweifelt. „Was ist so furchtbar, Kleines?“, fragte er. „Was?“ „Ich kann nicht reden.“, sagte ich und bemerkte, dass sich mir erneut die Kehle zusammenschnürte. „Kann nicht …!!!“ „Also gut.“, sagte er ruhig und tröstend. „Dann schaue ich jetzt mal ganz vorsichtig in deinen Geist, OK?“ Ich nickte.

Das Gefühl, ihn in meinem Kopf zu haben, beruhigte mich augenblicklich wieder. Jetzt sah er sich alles an, was zwischen Radcliffe und mir geschehen war. Dann sagte er: „Eines steht fest, Kleines. Das Ganze ist nicht deine Schuld. Radcliffe und du, ihr seid auf niederträchtige Weise von Lady Sytania für ihre Zwecke missbraucht worden.“ „Das weiß ich auch.“, sagte ich, während er mir mit einem Taschentuch die Tränen trocknete.

„Du musst das eigentlich sofort aussagen, solange deine Erinnerungen noch so frisch sind.“, stellte Shimar danach fest. „Aber du scheinst noch immer oder schon wieder in einem Schock zu sein. In diesem Zustand ist deine Aussage rein juristisch nichts wehrt …“

Er war verstummt, denn er hatte mitbekommen, dass sich uns jemand genähert hatte. Die Besucherin hatte auch offensichtlich Caruso auf dem Arm, den sie mir als Erstes auf den Schoß setzte. Dann begrüßte sie mich und auch Shimar mit den Worten: „Hallo, Allrounder, hallo, Shimar.“ „Cupernica.“, erkannte ich. „Richtig.“, sagte die Androidin und begann sofort damit, mich von Kopf bis Fuß zu scannen. „Eines steht fest.“, sagte sie. „Sie stehen unter hohem psychischen Stress. Offensichtlich haben Sie mindestens zwei mal hintereinander einen Schock erlitten. Aber ich weiß, dass eine vertraute Umgebung und vertraute Personen gepaart mit den richtigen Medikamenten oft Wunder wirken können.“

Sie zog eine Tüte aus ihrer Tasche und gab sie Shimar in die Hand. „Das sind die Medikamente für deine Freundin.“, informierte sie ihn in korrekter tindaranischer Anredeweise. „Außerdem verschreibe ich Ihnen, Allrounder, einen mindestens 3-wöchigen Urlaub mit Ihrem Freund und Ihrem Mann auf Celsius. Ein Aufenthalt im real existierenden Humorismus sollte Ihnen wohl helfen.“ „Aber ich muss aussagen!“, widersprach ich. „Nein!“, sagte Cupernica bestimmt. „Sie steigen jetzt mit Ihrem Freund in sein Schiff und dann möchte ich Sie hier nicht mehr sehen, bis Sie gesund sind! Das ist ein Befehl des leitenden anwesenden medizinischen Offiziers, Allrounder! Sie wissen, dass ein Solcher in medizinischen Angelegenheiten sogar noch über jedem Commander steht und Ihre Gesundheit ist eine medizinische Angelegenheit!“ „Aber Radcliffe darf nicht …“, sagte ich. „Sie hat Recht, Kleines.“, flüsterte mir Shimar zu. „Schau mal. Du kannst doch im Moment gar keine fundierte Aussage machen und um den Rest kümmert man sich schon und ich, ich kümmere mich erst mal um dich.“ „Also gut.“, sagte ich, denn ich hatte eingesehen, was meine Gedanken immer noch für ein großes Chaos waren.

Shimar zog sein Sprechgerät: „IDUSA, zwei zum Beamen und danach Kurs Celsius. Wir besuchen Scotty und das sogar medizinisch verordnet. Ich erkläre dir alles, wenn Betsy und ich an Bord sind.“ „Transportererfassung komplett.“, sagte das Schiff. Dann nahm Cupernica Caruso von meinem Schoß und Shimar befahl in Richtung seines Schiffes: „Aktivieren!“ Cupernica sah noch zufrieden zu, wie wir in zwei immer durchsichtiger werdenden Säulen verschwanden.

Kapitel 11: Der Urlaub vor dem Sturm

von Visitor

 

An Bord von IDUSA hatte Shimar sofort wieder den Neurokoppler aufgesetzt, nachdem er sich um mich gekümmert hatte. Er hatte mich auf die Rückbank des Cockpits verfrachtet und mir eine Decke und ein Kissen repliziert. „Du solltest dich besser hinlegen.“, sagte er. „Ich werde dich nicht aus den Augen lassen. IDUSA weiß, wo wir hinwollen und sie kann den Weg auch allein finden.“ „Danke, Srinadar.“, sagte ich. „Du bist so gut zu mir. Am liebsten würde ich jetzt schlafen.“ „Dann tu das doch.“, sagte Shimar tröstend. „Ich habe hier schon alles unter Kontrolle. Wenn du aufwachst, sind wir schon da und Scotty und ich werden dir einen Urlaub bereiten, von dem du noch deinen Enkelkindern erzählen wirst.“ „Das will ich sehen.“, erwiderte ich. „Na dann pass auf.“, sagte er und ich hatte das Gefühl, dass er meinem Unterbewusstsein telepathisch den Befehl zum Einschlafen übermittelt hatte. Eigentlich war das höchst unfair, aber im Moment hatte ich nicht das geringste Bedürfnis, mich zu wehren. Es tat so gut, dass er bei mir war! Er tat so gut! Dass er und ich gemeinsam an Bord von seinem Schiff waren, das tat so gut! Auch zu wissen, dass wir auf dem Weg nach Celsius zu Scotty waren, das tat so gut! All diese Dinge würden mir helfen, mit meinem Problem klarzukommen. Aber die Gedanken an meine Fehleinschätzung von Radcliffe ließen mich nicht los. Warum war ich so naiv gewesen und hatte mich ohne weitere Prüfung darauf eingelassen?! Als ausgebildete Sternenflottenoffizierin hätte ich doch eigentlich Sytania Lichtjahre weit gegen den Wind riechen müssen! Mit dem Erfasser hätte ich ihn scannen müssen, jawohl! Warum war ich so vertrauensselig?! Wo war meine Wachsamkeit?! Was zur Hölle war mein Problem?! Mein Problem war die Erde! Hier zu leben hatte meine Sinne abstumpfen lassen. Vielleicht hatten die so genannten Existenzialisten, von denen ich während meiner Zeit als Kadettin gehört hatte, ja Recht gehabt! Wenn wir zu lange im Paradies leben, werden wir wieder zu naiven kleinen Kindern! Ich wusste doch genug über Sytania! Ich wusste doch genug über das grausame und oft böse Universum da draußen außerhalb unserer Käseglocke, die sich Föderation nennt! Warum um alles in der Welt hatte ich dieses Wissen nicht eingesetzt und Radcliffe die Hilfe verweigert?! Anscheinend waren nicht nur meine Augen, sondern auch mein Geist im Laufe der Jahre blind geworden! Du bist unfair gegen dich selbst, Kleines!, hörte ich Shimars Stimme in meinem Geist. Und jetzt wirst du dich nicht länger so runter machen und nicht länger darüber nachdenken. Ich werde diese Gedanken jetzt für dich verschließen. Zumindest so lange, bis unser Urlaub vorbei ist. Du kannst nicht mehr an sie heran! Dann ließ er ab und flüsterte in mein linkes Ohr: „Verzeih mir, Kleines. Aber es ist besser so für dich.“

Ein künstlich anmutendes Räuspern in seinem Geist hatte ihn aufhorchen lassen. „IDUSA.“, sagte er etwas irritiert und gleichzeitig verschämt, denn er wusste genau, dass sein Schiff ihn ertappt hatte, was ihr ja aufgrund der Tatsache, dass er den Neurokoppler trug, durchaus möglich war. „Verbinde mich sofort mit Scottys Rufzeichen auf Celsius!“, befahl Shimar. „Anscheinend sind Sie so aufgeregt, dass Ihnen jegliche Form der Höflichkeit abhanden gekommen ist.“, stellte das Schiff nüchtern fest. „Entschuldige, IDUSA.“, sagte Shimar. „Natürlich erst mal Hi.“ „Der Grund für Ihren Ausfall mir gegenüber.“, analysierte die künstliche Intelligenz. „Wird wohl sein, dass ich Sie bei einer Handlung gegenüber Ihrer Freundin ertappt habe, die eigentlich nicht rechtens ist. Ihren Geist zu manipulieren, ist eigentlich ein Verbrechen und das wissen Sie.“ „Das weiß ich.“, argumentierte Shimar und sah den Avatar dabei hilflos an. „Aber wenn ich dazugekommen wäre, wenn jemand jemanden anders mit einem Messer bedroht und ich denjenigen mit meiner Waffe zur Strecke bringe, um dem unbewaffneten Opfer zu helfen, dann wäre das ja auch allenfalls Nothilfe, obwohl ich an dem Täter ja auch das Verbrechen der Körperverletzung oder gar Tötung begangen hätte. Bei Betsy habe ich ja im Grunde nichts anderes gemacht. Sie wurde auch indirekt von Sytania bedroht.“ „Wenn Sie das so sehen?“, sagte der Avatar und ihr zuerst ernster strenger Blick wurde wieder weich und freundlich. „Du hättest mich doch nicht wirklich gemeldet, oder?“, fragte Shimar unsicher. „Unter Umständen hätte ich das müssen.“, sagte das Schiff. „Die Lex Technologica ist da eindeutig in ihren Bestimmungen. Wenn ein Schiff ein Verbrechen beobachtet, muss sie es den Behörden melden, auch dann, wenn es von ihrem Stammpiloten verübt wird. Dass wissen auch Sie.“ „Du hast ja Recht.“, sagte Shimar. „Und ich würde ja auch gar nicht verlangen, dass du für mich eine Ausnahme machst. Aber du weißt nicht, was ich erfahren habe.“ „Das ist korrekt.“, bestätigte der Avatar. „Aber ich gehe davon aus, dass Sie es mir früher oder später sagen werden. Übrigens habe ich seit geraumer Zeit Scotty in der Leitung.“ „Gib ihn her!“, befahl Shimar.

Der Avatar trat vor Shimars geistigem Auge einige Schritte zurück, um dem Bild des älteren Terraners Raum zu geben. Dann hörte Shimar Scottys Stimme: „Hi, Junge. Was verschafft mir die Ehre? Nein, weißt du, erst macht dein Schiff hier die Pferde scheu, indem sie sagt, es sei sehr dringend und dann lasst ihr zwei mich hier Stunden lang warten. Das soll noch mal einer verstehen. Aber glaub dem alten erfahrenen Scotty, Junge. Es gibt nix, was man nich’ mit ’nem guten Whisky wieder kuriert kriegt.“ „Das sollte ich lieber lassen, Scotty.“, sagte Shimar ernst. „Immerhin habe ich ein Schiff zu steuern und deine völlig aufgelöste Ehefrau hinten auf der Rückbank des Cockpits!“ „Was?“, fragte Scotty alarmiert. Jetzt war er nicht mehr so flapsig, wie wir es von ihm gewohnt waren. Wenn es um mich ging, dann konnte er schon mal zu jemandem werden, von dem sich so mancher Feind wünschte, ihm nie begegnet zu sein. „Jetzt erzähl mir auf der Stelle, was mit unserer armen, armen Betsy passiert is’!“, drängte Scotty. „Ich weiß was Besseres.“, sagte Shimar. „Ich werde es dir zeigen.“ Damit begann er, sich auf Scottys Geist zu konzentrieren. Aber die Bilder, die Scotty empfing, waren sehr verschwommen, was der junge Telepath eifrig zu korrigieren versuchte. Aber da Shimar immer noch sehr aufgeregt war, wollte ihm das einfach nicht gelingen, so sehr er sich auch anstrengte. „Konzentrier dich, verdammt!“, zischte er sich zu. „Schon gut, Junge.“, meinte Scotty. „Bemüh dich nich’ länger. Du kannst mir auch alles erzählen, wenn ihr hier seid. Ich denke mal, dass ihr zu mir wollt. Auf der Werft, auf der ich arbeite, wurde eine Wartung für ein tindaranisches Schiff von einer gewissen Techniker Jenna McKnight bestellt. Das war dann wohl die liebe Jenn’. Das kann ja dann nur bedeuten, dass es sich um dein Schiff handelt, dem dein Commander einfach mal eine Schönheits- und Wohlfühlkur in celsianischen Händen gönnen will. Aber ihr müsst ja auch irgendwo bleiben, Betsy und du, meine ich. Aber ich mag sie gar nicht einladen in meine unaufgeräumte Junggesellenbude. Schon gar nicht jetzt, wo sie doch so dringend Erholung braucht. Aber der alte Scotty hat auch da eine Lösung. Wir mieten uns einfach alle drei bei Ginalla ein. Die hat nämlich eine Kneipe aufgemacht und da hat sie auch Gästezimmer. Ich leite alles in die Wege.“ Er beendete die Verbindung.

Aus dem Augenwinkel heraus hatte Shimar gesehen, dass ich mich bewegt hatte. Er drehte sich zu mir um und küsste mich zärtlich auf die Wange. „Hey, schon wieder wach?“, fragte er mit leiser freundlicher Stimme. „Ja.“, sagte ich. „Du hast wohl vergessen, mir zu sagen, wie lange ich schlafen soll.“ „Du weißt, dass ich …“, sagte Shimar erstaunt. „Zumindest kann ich das vermuten.“, sagte ich. „Ich hatte ein wohliges Gefühl und das habe ich immer, wenn du in meinem Kopf bist. Es tut mir so gut, dass du bei mir bist! Es tut mir so gut, dass ich an Bord von deinem Schiff bin! Es tut mir so gut, dass wir nach Celsius fliegen!“ „Genau das war auch meine Absicht.“, sagte Shimar.

Ich setzte mich auf. „Falls du Angst hast, dass ich dir böse bin.“, sagte ich. „Dann kann ich dich beruhigen. Es ist zwar eigentlich nicht fair, was du gemacht hast, aber es war wohl nötig. Ich kann endlich wieder klar denken.“ „Dann ist ja gut.“, sagte Shimar erleichtert. „Wenn du das wirklich nicht gewollt hättest, dann hätte es auf Garantie nicht funktioniert! Ich meine, auch ihr Nicht-Telepathen lernt ja im Sternenflottentraining, euch zur Wehr zu setzen, falls ihr irgendeine Möglichkeit habt zu erkennen, dass ihr manipuliert werdet und du sagst, du hättest mich erkannt.“ „Aber bei dir doch nicht, Srinadar.“, versicherte ich. „Ich vertraue dir! Schließlich hast du mir gegen meine Angst vor Telepathie geholfen und außerdem.“, ich machte einen Kussmund, den ich in Richtung seines Gesichtes bewegte: „Ich liebe dich!“ Damit küsste ich ihn mitten auf den Mund. „Volltreffer, Kleines.“, sagte Shimar und erwiderte den Kuss.

Er setzte sich auf das untere Ende der Bank. „Ich muss dich noch was fragen, Kleines.“, sagte er dann und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mich mit dem, was er mir erzählen würde, ablenken wollte. „Was ist denn?“, fragte ich aufmerksam. „Es ist ein kleines Knobelrätsel für dich, meine kleine Verhaltensforscherin.“, sagte er. „Nur zu.“, ermunterte ich ihn. „Hältst du es für möglich, dass eine Katze einen Telepathen mag?“ „Wenn die Katze Caruso und der Telepath Shimar heißt.“, grinste ich. „Dann kann ich es mir schon vorstellen.“ „Aber die meisten Forscher sind doch der Meinung, dass Katzen uns nicht mögen.“, sagte der junge Tindaraner. „Weil im Allgemeinen nur mit Katzen und mit Proben von Telepathen aus unserem Universum und aus dem Dunklen Imperium experimentiert wurde.“, gab ich eine mögliche Erklärung ab. „Du meinst, bei tindaranischer Energie ist das anders?“, fragte Shimar. „Zumindest ist belegt, dass es bei deiner Energie und bei Caruso anders ist.“, sagte ich. „Über mehr kann ich nicht urteilen. Da fehlen mir die fundierten Daten.“ „Du könntest das ja mal bei der wissenschaftlichen Abteilung der Sternenflotte anregen.“, grinste Shimar. „Ich wäre gern Versuchskaninchen.“ „Pass auf, was du dir wünscht.“, sagte ich albern und piekte ihm meinen rechten Zeigefinger in den Bauch. „Wenn das hier vorbei ist, schreibe ich denen noch wirklich.“ „Von mir aus.“, sagte er.

„Shimar?“, hörte der Angesprochene die künstliche Stimme des Avatars. „Was gibt es, IDUSA.“, wandte er sich ihr zu. „Wir haben das terranische Sonnensystem schon lange verlassen und ich würde gern auf Warp gehen, wenn Sie und der Allrounder beabsichtigen, noch in diesem Jahr auf Celsius anzukommen.“, erklärte das Schiff. „Selbstredend.“, sagte Shimar. „Also gut.“, sagte IDUSA. „Dann halten Sie sich beide gut fest.“ Sie zündete den Warpantrieb. „Eilig hat sie es ja gar nicht.“, sagte ich mit ironischem Unterton. „Wie kommst du denn darauf?“, fragte Shimar eben so ironisch. „Na ja.“, sagte ich. „Wir haben mindestens Warp acht auf dem Kessel, wenn ich das richtig einschätze.“ „Wenn man dir einen klasse Urlaub verspräche.“, nahm Shimar IDUSA in Schutz. „Dann würdest du sicher auch so schnell wie möglich deinen Urlaubsort erreichen wollen.“ „Das stimmt.“, gab ich zu.

Dass ich IDUSAs Geschwindigkeit ziemlich genau eingeschätzt hatte, ließ Shimar keine Ruhe. „IDUSA, wie schnell sind wir?“, fragte er, ohne sich von ihr die Steuerkonsole, auf der er alles hätte ablesen können, zeigen zu lassen. „Exakt Warp acht.“, sagte das Schiff nüchtern. „Danke.“, meinte Shimar bedient und wendete sich irritiert wieder an mich: „Wie in aller Welt hast du das gemacht? Ich meine, wenn etwas mit den Trägheitsdämpfern nicht stimmt, dann kann das ja gleich mal nachgesehen werden.“ „Ich fürchte, da würden die Techniker ihre Zeit verschwenden.“, sagte ich lächelnd. „Mit denen ist nämlich alles in Ordnung.“ „Aber wie hast du das dann angestellt?“, fragte Shimar. „Ich meine, du kannst keine Anzeigen lesen und wenn du es nicht am Hosenboden gespürt hast, weil etwas mit IDUSAs Ausgleichsfunktionen nicht in Ordnung ist, dann …“ „Knobel mal ruhig noch ein bisschen.“, sagte ich. „Ich habe ja auch dein Rätsel gelöst. Jetzt bist du halt mit meinem dran.“

Shimar setzte sich wieder auf seinen Sitz. Er begann angestrengt nachzudenken. Jetzt war er abgelenkt, das wusste ich. Er würde also nicht merken, dass ich im Begriff war, neben ihn zu schleichen. Dann zog ich leise den zweiten Neurokoppler aus dem Fach an der zweiten Konsole und schloss ihn an. IDUSA registrierte dies sofort und lud auch meine Tabelle. „Was gibt es, Allrounder?“, fragte sie. Kannst du mir sagen, was Shimar gerade denkt?, dachte ich. „Oh, ja.“, sagte das Schiff und stellte genau dieselbe Verbindung zwischen uns dreien her, die Shimar und sie auch damals bei meiner Therapie gegen meine Angst vor Telepathie benutzt hatten. Ich versuchte krampfhaft, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich wusste, auf was für einem Holzweg Shimar mit seinen Gedanken war. Da ich keine trainierte Telepathin war, würde es mir sehr schwer fallen, ja sogar vielleicht für mich unmöglich sein, meine Gefühle zu verbergen. Das Schiff, dem dies offensichtlich klar war, zeigte mir aber im gleichen Moment, in dem mir das klar wurde, irgendein technisches Schema und erklärte: „Dies ist das Schema unserer Dreierverbindung. Ihnen wird auffallen, dass es zwischen Shimar, mir und Ihnen jeweils zwei Balken mit Pfeilen in beide Richtungen gibt, zwischen Shimar und Ihnen aber nur einen mit Pfeil von Ihnen zu ihm, aber nicht von ihm zu Ihnen.“ „Das stimmt, IDUSA.“, sagte ich. „Das ist mir auch schon aufgefallen. Das bedeutet ja, du lässt nicht zu, dass er weiß, was ich denke.“ „Das ist korrekt.“, erwiderte das Schiff. „Natürlich habe ich keinen Einfluss auf seine telepathische Wahrnehmung an sich, aber da ich in der technischen Verbindung das Relais bin, kann ich auch entscheiden, was wer zu sehen bekommt. Um Sie telepathisch wahrzunehmen, ist Shimar im Moment zu abgelenkt.“ „Pfui Spinne!“, grinste ich. „Du kannst ja ganz schön gemein sein.“

Ich hörte einen Seufzer neben mir, der gleichzeitig auf ein hohes Maß an Enttäuschung, aber auch auf Resignation hindeutete. „Ich gebe auf, Kleines.“, sagte Shimar. „Ich werde nie darauf kommen.“ „Welche Sinne habe ich denn zur Verfügung?“, half ich ihm. „Du kannst fühlen, schmecken, riechen und hören.“, sagte er. „Welche Sinne kannst du ausschließen, weil sie definitiv keine Aussage über das Wahrnehmen von Geschwindigkeiten treffen können?“, fragte ich weiter. „Riechen und Schmecken.“, sagte er. „Weil bei IDUSA nichts schmort …“, erklärte er, aber ich unterbrach: „Siehst du? Und das Fühlen haben wir ja auch ausgeschlossen, weil mit IDUSAs Trägheitsdämpfern auch alles in Butter ist. Also, was bleibt dann noch?“ „Das Hören.“, sagte Shimar. „Aber wie?“ „Mach die Augen zu.“, flüsterte ich. „Aber wieso …?“, fragte er. „Du vertraust mir doch.“, setzte ich voraus. „Ja.“, sagte er. „Also.“, sagte ich. „Wenn du mir vertraust, dann machst du jetzt deine verdammten Augen einfach zu!“ „Sie sind zu, Kleines.“, sagte er. „OK.“, entgegnete ich. „Aber nicht schummeln. IDUSA, auf einen vollen Impuls verlangsamen!“ Das Schiff führte meinen Befehl bereitwillig aus. „Und jetzt?“, fragte Shimar. „Jetzt wirst du genau zuhören!“, sagte ich fest und befahl dem Schiff: „IDUSA, geh wieder auf Warp acht! Aber beschleunige erst dann, wenn ich aktivieren sage! Und du zählst laut mit mir, Shimar. Aber zwischen den Zahlen sagst du immer Mississippi.“ „Ich sage was?“, fragte er. „Mississippi.“, wiederholte ich. „Dabei bricht man sich ja die Zunge.“, stellte er fest. „Dann denk es halt nur.“, sagte ich. „Bereit?“ „Na gut.“, sagte er. „Also schön.“, sagte ich und befahl in Richtung Schiff: „Aktivieren, IDUSA!“

Wir hörten das typische Surren des Warpantriebs, das auf den Aufbau des Warpfeldes hinwies. „Eins, Mississippi, zwei, Mississippi, drei, Mississippi, vier, Mississippi.“, zählten wir, Dabei dachte Shimar den Mississippi wie abgesprochen nur. Dann hörten wir den typischen Woush, der uns sagte, das wir auf Warp gegangen waren. Shimar hatte wie vereinbart nur die Zahlen mitgesprochen. „Ich verstehe immer noch nicht.“, sagte Shimar. „Na komm schon.“, sagte ich. „Das nehme ich dir nicht ab! Du bist doch auch Flieger und müsstest wissen, dass der Aufbau eines Warpfeldes länger dauert, je schneller man fliegen will, weil es dann entsprechend stärker sein muss, um den Weltraum stärker falten zu können. Das sind zwar nur Sekunden, aber immerhin. Das Wort Mississippi auszusprechen, dauert eine Sekunde. Das ist ein kinderleichter und uralter Trick. Du könntest auch sagen, ein Mississippi =zwei Warp.“ „Wow.“, staunte er. „Aber was zur Hölle ist Mississippi?“ „Ein Fluss auf der Erde.“, antwortete ich. „Natürlich.“, sagte Shimar. „Mann, Oh, Mann. Dass du keinen Visor brauchst, ist wohl mehr als offensichtlich. Du wärst sicher die einzige Blinde unserer Zeit, die überleben würde, wenn alle Technologie auf einen Schlag ausfiele.“ „Davon kannst du ausgehen!“, sagte ich selbstbewusst, denn ich fühlte mich an meine Zeit als Kadettin erinnert, in der mir mein Flugprofessor etwas Ähnliches bescheinigt hatte. „Du hast Tricks drauf.“, sagte Shimar. „Da schlackert man mit den Ohren und zwar rückwärts.“ „Nun übertreib mal nicht.“, lächelte ich. „Wir sollten jetzt aber machen, dass wir zu Scotty kommen.“ „Soll ich die Steuerkontrolle behalten?“, fragte IDUSA. „Ist wohl besser.“, Entschied Shimar, der angesichts meiner Vorführung wohl ziemlich geplättet war.

Scotty hatte sein Haus verlassen und war auf dem schnellsten Weg in Richtung von Ginallas Kneipe gelaufen. Er wusste, dass seine alte Freundin ihn sicher in dieser Situation nicht im Stich lassen würde. Die junge Celsianerin hatte immer ein offenes Ohr für den älteren Terraner gehabt. Es würde bestimmt in diesem Fall nicht anders sein.

Er betrat die Bar. Hier erinnerte alles immer noch sehr an die tindaranische Einrichtung, die Ginalla wohl im Wesentlichen von Kibar übernommen haben musste, wie Scotty jetzt auch feststellte. Da ja die ganze Sache mit Clytus und der Eroberung des Föderationsuniversums im Prinzip nie stattgefunden hatte, konnte sich Scotty ja nicht daran erinnern, was Ginalla dort für eine tragende Rolle gespielt hatte. Ich hatte, da ich die Einzige war, die sich erinnerte, ihm zwar davon erzählt, aber auch er wusste als ausgebildeter Sternenflottenoffizier, dass er über Details fein den Mund zu halten hatte. Er kannte aber auch Ginalla und ihre Lust auf Abenteuer. Sicher würde sie gern wieder mitmachen, wenn er ihr jetzt von dem neuen Problem erzählen würde. Verschweigen konnte er es nicht, denn spätestens dann, wenn Shimar und ich auftauchten, würde es Fragen geben.

In der Mitte des Gastraums war Scotty stehen geblieben. Die Einrichtung kannte er eigentlich. Nur war ihm aufgefallen, dass Ginalla wohl einige Veränderungen anbringen lassen hatte. Rechts neben dem Tresen führte nämlich eine Tür ins Unbekannte. Scotty fragte sich, was das wohl wieder werden würde. Er wusste, dass sie kleine Geheimnisse sehr mochte. Ob sie ihn in dieses einweihen würde, müsste sich noch herausstellen. Aber auch er hatte ja ein Geheimnis, das die anderen Gäste nicht unbedingt mithören sollten.

Er setzte sich auf eines der zylindrischen Sitzkissen vor einem der Tische und tat, als wolle er das Angebot des Tischreplikators studieren. Einer von Ginallas Angestellten, ein Bajoraner von kleinem Wuchs und kräftiger Statur mit kurzen roten Haaren, wurde auf ihn aufmerksam. Er ging auf Scottys Tisch zu und stellte sich rechts neben den nervösen Terraner. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte seine junge leise Stimme freundlich. „Is’ die Chefin da?“, fragte Scotty. „Mrs. Ginalla ist leider zur Zeit nicht abkömmlich.“, sagte der bajoranische Kellner. „Aber vielleicht darf ich Ihnen die Bedienung des Replikators näher bringen?“ „Um den albernen Replikator geht es nich’.“, flapste Scotty. „Das kann ich schon, seit ich drei Jahre alt war. Bitte, Mister! Ich brauch’ die Chefin! Es is’ privat!“

Ein Schatten war hinter dem Tresen aufgetaucht. DA Scotty ungünstig saß, konnte er leider nicht sehen, wer diesen geworfen hatte. Aber auch die Werferin des Schattens musste ihn gesehen haben, denn im nächsten Augenblick tönte ein gellender Schrei durch die ganze Kneipe: „Scotty!“ Dann wuselte jemand hinter dem Tresen hervor und setzte sich mit raschelnder Kleidung zu ihm an den Tisch. Sie drehte sich zu dem Bajoraner um und flapste ihm noch eine Anweisung zu: „Da drüben an Tisch drei sitzt ’ne ganze Busladung vulkanischer Touristen. Kümmer’ dich!“ Er nickte und schlurfte irritiert davon.

Erst jetzt sah Scotty die Frau im weißen Sommerkleid genauer an. Ihre graublauen Augen in Herzform erinnerten ihn an jemanden, aber ihre Haarfarbe musste sie verändert haben. Sie erinnerte jetzt eher an Kastanientöne. Die Statur der Frau erinnerte ihn ebenfalls an seine Freundin Ginalla, aber immer noch konnte er sich nicht vorstellen, dass sie es wirklich war. Lange Zeit war er nicht in ihrer Bar gewesen und hatte sie auch länger nicht gesehen. Jetzt umarmte die Fremde ihn auch noch und sagte: „Welch Glanz in meiner Hütte! Mann, Scotty, ich kann’s ja gar nich’ fassen, dass du mich hier mal aufsuchst.“ Die freche kesse Stimme belehrte Scotty jetzt doch darüber, dass es sich nur um Ginalla handeln konnte. „Du hast dich verändert, Gin’.“, stellte er fest. „Ach was.“, wischte sie seine Äußerung weg. „Nur ’n neuer Look, ’ne neue Fassade. Aber dahinter steckt immer noch die alte Ginalla. Also, was führt dich zu mir?“ „Nich’ hier.“, flüsterte Scotty ihr leise, aber bestimmt zu. „Ich kann hier nich’ reden. Ich habe Schwierigkeiten! Hast du ’ne Minute im Hinterzimmer?“ „Oh, Backe!“, schnippte Ginalla zurück. „Du lässt aber auch wirklich nichts anbrennen, kleiner Schäker, was? Na dann komm mal mit. Dann wird die gute Gin’ mal gucken, ob sie deine Schwierigkeiten kuriert kriegt.“

Sie stand auf und winkte ihm lächelnd. Im Vorbeigehen warf sie einem ihrer Angestellten noch einen Blick zu und zeigte auf den Tresen. Der Platonier, der gemeint war, wusste, was das bedeutete und stellte sich hinter ebendiesen.

Scotty und Ginalla hatten den Gastraum über eine Seitentür verlassen und waren einem Gang gefolgt, der sie in ein kleines Zimmer führte, das mit einem warmen Teppich ausgelegt war. In der Mitte des an Wenden und Teppich Ton in Ton gehaltenen blauen Zimmerchens stand ein kleiner Tisch mit zwei Sofas, die jeweils zwei Sitze hatten. „Das is’ an sich unser Pausenraum.“, sagte Ginalla. „Aber für so prominente Gäste wie dich machen wir mal eine Ausnahme.“

Sie deutete auf eines der Sofas und Scotty setzte sich erleichtert in die blauen Kissen. Sie lief einmal um den Tisch und setzte sich dann auf das zweite Sofa, das in einem ungefähren 45-Grad-Winkel zu dem Ersten stand. Vorher aber hatte sie auf ihrem Weg noch aus einer kleinen Vitrine zwei Gläser und eine Flasche geholt. Dies stellte sie jetzt auf dem runden blauen Tisch ab, entkorkte die Flasche und goss von ihrem Inhalt großzügig in die beiden bauchigen weißen Gläser ein. Dann schob sie Scotty eines mit den Worten: „Vorsicht, randvoll! Du weißt ja, bei mir gibt’s keine halben Sachen.“, hin. Neugierig beschnupperte und beäugte Scotty den Inhalt. Von der Farbe erinnerte das Getränk ihn stark an Whisky, aber es hatte doch eher eine buttrige Duftnote. „Was für’n Gebräu is’ das, Gin’.“, fragte der verwirrte Terraner. „Die Übersetzung des demetanischen Originalnamens lautet Zungenwecker.“, sagte Ginalla. „So werde ich es auch auf der Karte auszeichnen, wenn es bei meinem Versuchskaninchen hier gut ankommt. Es ist auf der Basis der Milch von irgendeinem demetanischen Haustier. Frag mich jetzt bitte nich’. Ich muss noch mal gucken. Aber Alkohol is’ keiner drin, obwohl man das vom Geschmack her glauben könnte.“ „Na dann.“, sagte Scotty und beugte sich zu seinem Glas: „Ich hoffe, du hast ’ne gute Versicherung, falls das hier gesundheitlich in die Hose geht.“

Der erste Schluck weckte in Scotty wahrhaft heimatliche Gefühle. Er schmeckte den gleichen malzigen Geschmack, den er auch von gutem alten schottischem Whisky kannte. Nur war dies hier etwas dickflüssiger. Bevor er den zweiten Schluck nahm, beobachtete Ginalla, wie seine Zunge rund um seinen Mund ihre Bahnen zog. „Jetzt weißt du, warum die Demetaner es so nennen.“, sagte sie. „Aber genau.“, sagte Scotty, nachdem er seine wild gewordene Zunge wieder eingefangen hatte. „Aber nun sollte ich dir endlich sagen, warum ich hier bin. Ich brauch’ ’n Zimmer für meine Frau, ihren Hausfreund und mich.“ „Da bist du hier goldrichtig.“, grinste Ginalla. „Aber was is’ daran so geheim? Ich würde mich freuen, wenn Shimar, die alte Miefsocke und Betsy hier aufschlagen.“ „Ich weiß nich’ viel.“, sagte Scotty. „Es scheint nur wieder um Sytania zu gehen. Shimars Übermittlung war irgendwie nich’ ganz eindeutig.“ „Sytania?!“, fragte Ginalla mit leicht angeekeltem Ton. „Also, dass ich dich bei Problemen mit der Frau nich’ allein lasse, kannst du dir ja wohl denken. Ginalla macht wieder mit. Da kannst du gepflegt einen drauf lassen! Oder von mir aus auch zwei bis zehn!“

Scottys Selbstkontrolle hatte sich zu Ungunsten seiner hinteren auf seine vorderen Körperöffnungen verteilt, was zur Folge hatte, dass es, als er aufstand, ein Geräusch gab, was man allenfalls mit Krachern in der Silvesternacht verbinden würde. Ihre Äußerung musste ihn total aus dem Konzept gebracht haben. „Ups, ein Pups.“, scherzte Ginalla. „Wohl eher zwei bis zehn.“, sagte Scotty verschämt. „Sorry, Ginalla. Aber du kannst einen manchmal so erschrecken, dass man total die Beherrschung verliert. Mit Sytania is’ es nich’ einfach und du …“ „Die dumme Zivilistin bin ich schon lange nich’ mehr!“, sagte Ginalla selbstbewusst. „Also, entweder, du spuckst aus, oder ihr verbringt die folgenden Nächte auf der Straße!“ „Also gut.“, lenkte Scotty ein. Er wusste, dass es ihr durchaus ernst war. Dann berichtete er ihr alles, was er von Shimar erfahren hatte.

Tchey steuerte Rescue One auf dem schnellstmöglichen Kurs zum Mars. Kelly hatte sie und D/4, die auf ihrem Pager eine kurze Information abgelesen hatte, kurz über die Situation informiert. Sedrin hatte sich sofort von Tchey mit dem Chief-Agent verbinden lassen, um sich von ihr das OK für die Leitung des Einsatzes zu holen. „Sind Sie sicher, dass es sich bei dem Angreifer um Sytania handelt, Sedrin?“, fragte die lockenköpfige Halbklingonin. „Ja, Tamara.“, sagte Sedrin ruhig. „Die Indizien sprechen eine eindeutige Sprache. Die wirklichen Beweise werden wir zwar noch erbringen müssen, aber ich denke, es wird alles darauf hinauslaufen.“ „Ich hoffe, Sie wissen, was Sie da tun!“, sagte Tamara und Sedrin hatte fast den Eindruck, sie hätte vor etwas Angst. Das war etwas, das die Demetanerin sonst noch nie bei ihrer Vorgesetzten bemerkt hatte. Sicher hatte Tamara damit Recht, dass man Sytania nicht so einfach eines Verbrechens beschuldigen konnte, ohne Beweise zu haben. Obwohl sie Staatsfeind Nummer eins war, hätte sie dann jedes Recht, der Föderation den Krieg zu erklären und was das für Konsequenzen haben würde, wusste die umsichtige Agentin genau. Also hatte auch Sytania ein Recht auf ein ordentliches Ermittlungsverfahren. Aber Tamaras Äußerung war nicht nur von vernünftigen Überlegungen geprägt, das hatte Sedrin durchaus mitbekommen. „Wenn Sie Angst haben, Tamara.“, begann sie. „Dann versichere ich Ihnen, dass es dazu keine Veranlassung gibt. Wir werden schon herausbekommen, wer hier wirklich am Werk war. Ich weiß, dass die Presse bereits ihr Urteil gefällt hat, aber die treffen ja Mutter Schicksal sei Dank keine politischen Entscheidungen.“ „Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann, Sedrin.“, sagte die Chefagentin. „Sie sind unsere beste Frau für den Job, wenn es darum geht, Sytania zu überführen. Sie haben die Leitung bei diesem Einsatz!“ Damit beendete sie die Verbindung.

Die reptiloide Pilotin hatte den Kopf gedreht. „Tut mir leid, wenn ich gelauscht habe, Agent.“, sagte Tchey. „Aber irgendwie klingt Tamara heute so zaghaft.“ „Das ist mir auch aufgefallen!“, zischte Sedrin ihr zu. „Aber ich wäre Ihnen verdammt dankbar, wenn Sie das nicht an die große Glocke hängen würden.“ „Ja, ja.“, erwiderte Tchey und wandte sich wieder ihrem Flugmonitor zu. „Machen Sie mir eine Sammelverbindung mit allen Shuttles!“, befahl Sedrin. Tchey nickte und führte den Befehl aus. Dann informierte Sedrin alle darüber, dass sie den Einsatz leiten würde.

Einen halben Kilometer von der Siedlung entfernt landete Tchey das Rettungsshuttle und der Pilot von Rescue Two tat es ihr daneben gleich. Auch die Shuttles des Geheimdienstes landeten. Alle verließen die Schiffe und stellten sich um Sedrin herum, die dozierte: „Wir kennen alle die Situation nicht, Ladies und Gentlemen! Das bedeutet, es sind einige Vorsichtsmaßnahmen zu beachten! Halten Sie zueinander unbedingt Sprechkontakt! Niemand geht allein! Die Teams der geheimdienstlichen Shuttles bleiben zusammen, bis auf das von Jacksons Schiff! Sie nehmen den Mediziner von Rescue Two mit! Aber dafür bleibt Jefferson beim Schiff, genau wie Tchey! Es ist möglich, dass wir überlebende Patienten schnell abtransportieren müssen! Deshalb halte ich es für besser, wenn die Piloten bei den Rettungsschiffen bleiben! Halten Sie auf jeden Fall Ihre Rosannium-Waffen einsatzbereit! Wir wissen nicht, ob sich der Angreifer noch hier befindet! Ansonsten halten Sie die Augen und Ohren offen und lassen Sie die Erfasser einige hübsche Bilder machen! Man weiß nie, was einem so für Hinweise begegnen! D/4, Sie kommen mit mir! Hat noch jemand eine Frage?!“ Tchey hob die Hand. „Ja.“, sagte Sedrin und drehte sich in ihre Richtung. „Ich bin ausgebildete Sternenflottenoffizierin!“, protestierte Tchey gegen die Order, beim Schiff zu bleiben. „Mag sein!“, schnippte Sedrin zurück. „Aber Jefferson ist das nicht. Aber wenn Sie bei ihm bleiben, um so besser. Als ausgebildete Offizierin haben Sie sicher nichts dagegen, auf einen armen unschuldigen Zivilisten zu achten. War das alles?“ Tchey nickte missmutig. Sie konnte an Sedrins Blick durchaus ablesen, dass es ihr ernst war und dass sie über ihre Anweisungen nicht mit sich reden ließ. „Na dann, ausschwärmen!“, befahl Sedrin, schnappte sich D/4 und wählte eine Richtung, in die sie mit ihr verschwand.

Jefferson und Tchey waren bei den Schiffen zurückgeblieben und die Reptiloide lehnte sich jetzt lässig an die Wand ihres Fluggerätes. Sie konnte noch immer nicht verstehen, warum Sedrin sie nicht hatte mitgehen lassen wollen. Im gleichen Moment hörte sie eine rauchige leise Stimme neben sich: „Hi, Kollegin. Endlich lernen wir uns mal kennen.“ Sie blickte nach rechts, in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und erkannte einen leicht untersetzten älteren Terraner mit schwarzem Schnurrbart, ebensolchen Haaren und irischem Akzent, der neben ihr stand und ebenfalls eine Fliegerkluft, wie sie an Bord eines zivilen Rettungsshuttles üblich war, trug. „Patric Jefferson.“, stellte er sich vor. „Tchey Neran-Jelquist.“, erwiderte sie gelangweilt. „Sie sind eine ziemliche Berühmtheit.“, stellte Jefferson fest. „So, bin ich das?“, untertrieb Tchey. „Natürlich.“, meinte ihr Gegenüber. „Sie waren auf der Scientiffica und haben den Commander dabei unterstützt, den Diebstahl eines Sternenflottenschiffes auf perfide Weise aufzuklären. Außerdem haben Sie auch noch bei diversen anderen Gelegenheiten Ihre Finger im Spiel gehabt, hörte ich.“ „Wo Tchey ist, steigt die Party, wo Tchey ist, brennt die Luft. Und steigt sie in die Kiste, dann ruft die ganze Gruft: …“ begann Tchey, wurde aber gleich darauf von Jefferson unterbrochen: „Tchey!“ „Genau.“, sagte sie cool. „Woher weißt du, wie der Spruch weiter geht?“ „Das meine ich doch gar nicht.“, sagte Jefferson und klang dabei fast etwas ängstlich. „Ich will doch nur, dass du dich mal umdrehst.“ In Tcheys Ohren hatte er schon fast etwas panisch geklungen. Deshalb sagte sie nur: „Dann lass mal sehen, warum du dir fast ins Höschen pullerst.“, und drehte sich lässig im Schneckentempo um die eigene Achse. Dann sah sie in ein Paar großer grüner Augen, die sie lieb anzwinkerten. Im nächsten Augenblick kam die Besitzerin dieser Augen langsam und schnurrend hinter einem Busch hervor. Yara musste die Ankunft der Schiffe beobachtet haben. Außerdem musste sie gelernt haben, dass aus großen brummenden fliegenden Höhlen zumeist Hilfe zu erwarten war. „Na, Mieze!“, begrüßte Tchey die demetanische Wollkatze freundlich. Jefferson, der noch immer große Angst zu haben schien, versteckte sich hinter dem Schiff.

Yara drückte ihren großen Kopf an Tcheys rechtes Bein und schnurrte laut auf. Tchey fiel sofort auf, dass sie ein Halsband trug. „Du gehörst wohl zu jemandem.“, vermutete sie. „Na, wenn derjenige dem Angriff zum Opfer gefallen ist, dann war es schon ganz OK von dir, wegzulaufen. Ansonsten hätte Sytania dich wohl auch noch gekillt. Wo war denn dein Zuhause, he? Komm, zeig mal!“

Als hätte Yara Tcheys Aufforderung wortwörtlich verstanden, hob sie ihren Schwanz, drehte sich um und schlich in mittlerem Tempo voran. Tchey machte Anstalten, ihr zu folgen. „Du weißt, was Sedrin gesagt hat!“, rief ihr Jefferson noch hinterher. „Steig in dein Schiff!“, erwiderte sie. „Da bist du sicher, du alter Hosenscheißer!“ Dann lief sie hinter Yara her, die sie in Loranas Haus führte.

Das Erste, dem Tchey hier ansichtig wurde, war Loranas Leiche. „O je.“, sagte sie zu Yara und strich ihr mitleidig über den Kopf. „Dein Frauchen, was? Na ja. Lass mich sie mal scannen, dann wissen wir sicher bald mehr.“ Damit zog sie einen Erfasser aus der Tasche und richtete ihn auf die Tote. Das Gerät zeigte ihr Werte, die sie zuerst nicht wirklich einordnen konnte. Teilweise waren sie terranisch aber sie konnten auch von einem telepathischen Wesen stammen, was einen Terraner aber eigentlich als Täter ausschloss. Tchey schob die Ungenauigkeit zunächst auf die lange Zeit, die der Körper ohne Stasekammer hier gelegen haben musste. Was sie gesehen hatte, musste an der Verfallsrate liegen. Sie hatte zwar gehört, dass es ab und zu mal eine Mutation in den Genen auch bei Terranern gegeben hatte, die auch Telepathen hervorbrachte, aber die lernten doch bei Zeiten, mit ihren Fähigkeiten umzugehen und so einer hätte Sytania sicher erkannt und ihr was gehustet, wenn sie versucht hätte, ihn als Marionette zu benutzen. Die Werte waren auch alle nicht eindeutig! Hier stimmte etwas nicht, da war sie sich sicher und wenn dieses Haustier die einzige Zeugin war, dann musste eine Möglichkeit gefunden werden, mit ihr zu kommunizieren, um ihr sozusagen eine Aussage zu entlocken. Tchey fragte sich nur, wie sie ihr beibringen sollte, dass es unerlässlich war, mit ihr zu kommen und sich für eine Weile in den dunklen und stickigen Frachtraum des Schiffes sperren zu lassen.

Ihr Blick war auf den Replikator gefallen. Wenn das Ding noch Energie hatte, konnte es möglich sein, mit ihm eine kleine Bestechung für Mieze, wie Tchey Yara in Unkenntnis ihres wirklichen Namens nannte, zu besorgen. Tatsächlich ließ der Druck auf die Menütaste das Display aufleuchten. „Na bitte.“, sagte Tchey erleichtert. Dann programmierte sie ein dickes Putenschnitzel, welches ihr das Gerät bereitwillig entgegenspuckte. Sie nahm es in die Hand und riss es in mehrere Brocken, die sie auf dem Weg zwischen dem Haus und dem Schiff verteilte. Schmatzend, weil fressend, folgte Yara der Spur.

Den letzten Brocken aber hob Tchey auf, um ihn im nächsten Moment durch die weit geöffnete Tür des Frachtraums von Rescue One zu werfen. Vorher hatte sie per Sprechgerät und Datenverbindung mit dem Rechner des Schiffes Kontakt aufgenommen, um ihm ebendiesen Befehl zu übermitteln. Yara witschte an ihr vorbei, setzte sich vor das Stück Fleisch, verleibte es sich in aller Ruhe ein, leckte ihre Schnauze, legte sich hin, rollte sich schnurrend auf dem Boden des Frachtraums zusammen und schloss die Augen, eine Reaktion, mit der Tchey nicht im Geringsten gerechnet hatte und die sie sehr verblüffte. „Du bist ja richtig nett zu mir, Mieze.“, lobte sie. „Ich hätte mit mehr Gegenwehr gerechnet. Aber vielleicht fliegst du ja gern, oder du vertraust mir einfach.“ Dann wandte sie sich lässig an den Rechner: „Computer, Tür zu.“ Die Luke des Frachtraums schnappte ins Schloss. Aber selbst das störte Yara nicht. Sie war schnurrend eingeschlafen.

Erleichtert hatte Tchey sich zurück zur Tür des Cockpits begeben und sich dort wieder angelehnt. Außerdem machte sie das unschuldigste Gesicht der Welt. „Kannst du mir mal verraten, was du da gerade gemacht hast?“, fragte Patric. „Ich habe nur eine Zeugin eingeladen.“, meinte Tchey flapsig. „Was für eine Zeugin.“, wollte Jefferson wissen. „Doch nicht etwa dieses Raubtier!“ „Oh, doch, genau das.“, grinste Tchey. „Immerhin ist sie eine wichtige Zeugin.“ „Na, der Agent wird sich freuen.“, sagte Jefferson seufzend. Insgeheim hoffte er wohl, dass Sedrin Tchey bei der Rückkehr für ihr unerlaubtes Verhalten die Leviten lesen würde.

Kapitel 12: Die Hinweise verdichten sich

von Visitor

Sedrin und D/4 waren entlang einer Hauptstraße in die Siedlung eingebogen. Beide sahen sich die Häuser, an denen sie ihr Weg vorbeiführte, genau an. Ihnen entging nicht, dass von den einstmals schmucken idyllischen und einladenden Häusern mit ihren kleinen gemütlichen Gärten nur noch Ruinen übrig waren. Der verblendete Radcliffe musste ziemlich gewütet haben. Offensichtlich hatte er niemanden am Leben lassen wollen, der sich nicht seiner Reinwaschung unterziehen wollte und auch ein Zeichen setzen wollen.


Die Agentin war vor einer der Ruinen stehen geblieben. „Hier muss ja ein Bombenangriff stattgefunden haben!“, vermutete sie, als sie sich die Trümmer des Hauses genauer angesehen hatte. „Ihre Annnahme ist fehlerhaft.“, sagte die Sonde, die neben ihr stand und das Gleiche gesehen hatte. Allerdings hatten ihr ihre Augen, die wie die Sensoren eines Erfassers funktionierten, verraten, dass hier wohl kein Sprengstoff benutzt worden war. „Fehlerhaft?“, wiederholte Sedrin in der Absicht, sie mit ihrem leicht haarspalterisch anmutenden Verhalten zu irritieren. „Nicht inkorrekt?“ D/4, die eine solche Reaktion von einer Bioeinheit offensichtlich nicht erwartet hatte, sah sie etwas verwirrt an. „Du meine Güte!“, sagte Sedrin. „Habe ich Sie etwa so aus dem Konzept gebracht?“ „Das haben Sie.“, gab die Sonde zu. „Die meisten anderen Bioeinheiten, denen ich so etwas sage, wären beleidigt gewesen und hätten verunsichert reagiert. Aber Agent Sedrin Taleris-Huxley tut das offensichtlich nicht.“ „Ihre Annnahme ist korrekt, um mal in Ihrer Sprache zu sprechen.“, lächelte die Agentin und setzte sich auf einen Mauerrest. Dann zog sie die Sonde neben sich. „Aber ich habe zu viel gesehen und weiß selbstverständlich auch, dass hier kein Sprengstoff eingesetzt wurde. Kellys Informationen darüber waren ja eindeutig. Aber wenn Sie das so genau wissen, dann sagen Sie mir doch mal, ob Sie bestätigen können, dass Sytania hier die Hände im Spiel hat.“ „Meinen Scanns zur Folge.“, begann die Xylianerin. „Hat sie wohl eher ihre telepathischen Fähigkeiten, als ihre Hände im Spiel, Agent.“ „Sehen Sie.“, sagte Sedrin. „Und genau deshalb war ich auch nicht beleidigt, als Sie meine Annahme als fehlerhaft bezeichnet haben. Ich weiß, dass Sie damit meinten, dass es wohl einen Angriff gegeben hat, dieser aber nicht mit Sprengstoff oder einem Phaser geführt wurde. Um dies wirklich zu vermuten, habe ich zu viel gesehen. So naiv bin ich nicht. Dazu kenne ich Sytania zu gut.“ „Ihre Beachtung von Details ist also Ihrer Expertenmeinung über Sytania geschuldet.“, vergewisserte sich die Sonde. „Das ist korrekt.“, nickte Sedrin. „Ihre Arbeitsweise ist sehr effizient.“, lobte die Sonde. „Wenn ich Sytania wäre, dann würde ich mich vor Ihnen ziemlich in Acht nehmen.“ „Danke, D/4.“, sagte Sedrin. Dann stand sie auf und drehte sich in Richtung dessen, was einmal der Eingang zum Haus gewesen sein musste. „Lassen Sie uns gehen. Vielleicht finden wir noch ein paar Hinweise.“, sagte sie.


Sie bahnten sich den Weg über einige Steinhaufen hinweg. Dann standen sie in dem, was laut noch vorhandenem Grundriss des Hauses wohl einmal das Wohnzimmer gewesen sein musste. Hier stolperte Sedrin fast buchstäblich über die Leiche eines älteren Aldaners. Er lag in stark verkrampfter Haltung da. Seine Augen waren geschlossen und er machte noch im Tod ein sehr angestrengtes Gesicht. „Hallo, mein Freund.“, sagte die Agentin, nachdem sie den ersten Schreck überwunden hatte. „Wollen doch mal sehen, ob Sie uns nicht noch etwas zu sagen haben.“ Damit zog sie ihren Erfasser und hielt ihn über den Kopf der Leiche. Die merkwürdigen Werte, die das Gerät ihr anzeigte, vermochte sie aber nicht einzuordnen. „Scannen Sie ihn mal, D/4.“, sagte sie und drehte sich zu der Sonde, die wartend hinter ihr stand. „Vielleicht hat das System andere Daten. Mein Erfasser kennt die merkwürdige Signatur auf jeden Fall nicht. Ich werde mich um die Energieverteilung in diesen Trümmern bemühen. Vielleicht können wir dann klären, was hier passiert ist.“


Die Sonde nickte und tauschte mit ihrer Teampartnerin den Platz. Während sie den Mann scannte, der normale Alltagskleidung trug, wie sie auf seinem Planeten üblich war, ging Sedrin herum und ließ ihren Erfasser von jedem Stein und jedem abgebrochenen Stück Möbel ein Energieschema anfertigen. Dann startete sie im Gerät ein spezielles Programm, das die Bilder zu einem Einzigen zusammensetzte, das die Form eines Tortendiagramms hatte. „Der Energieverteilung in diesem Raum nach.“, sagte sie. „Muss zwischen unserem Aldaner und dem Fremden ein telepathischer Kampf stattgefunden haben. Jedenfalls sieht es für mich so aus, als wollte er unseren Angreifer unbedingt dazu provozieren, hier möglichst viel von seinen Fingerabdrücken zu hinterlassen, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ „Ich verstehe sehr gut.“, erklärte die Sonde und drehte sich von der Leiche des Aldaners fort. „Haben Ihre Scanns noch etwas ergeben?“, fragte Sedrin. „Negativ.“, antwortete die Sonde. „Dem System ist diese Signatur auch völlig unbekannt. Aber sie haben sie schon einmal gesehen. Sie ist auf Camp Khitomer aufgetreten.“ „Natürlich.“, sagte Sedrin. „Der Fremde war auch auf Khitomer. Aber dort hat er niemanden getötet.“ „Offensichtlich hat er seine Strategie den Gegebenheiten angepasst.“, stellte D/4 fest. „Ich denke, dass sich der Aldaner deshalb gewehrt hat, weil er als Telepath in der Lage war zu erkennen, was den so genannten Normalsterblichen verwehrt bleibt. In der Signatur sind, wenn man die Energieprofile einzeln betrachtet, Hinweise auf Sytanias Neurofrequenzen zu finden. Aber der Großteil der Energie scheint terranischen Ursprungs zu sein. Ich erkenne aber nicht die gleichen Profile, wie sie bei zu Telepathen mutierten Terranern zu sehen sind. Ich musste die Profile aufspalten, um die des Aldaners isolieren und ausfiltern zu können.“ „Schon klar.“, sagte die Agentin.


Sie zog einen Transportverstärker aus ihrer Tasche und heftete ihn an den weißen Hemdkragen der Leiche. „Sie werden einen kleinen Ausflug machen, mein Freund.“, flüsterte sie ihm zu. „Ihr Kampf, auch wenn Sie ihn offensichtlich verloren haben, soll nicht umsonst gewesen sein. Wenn Sie uns Hinweise liefern wollten, dann haben Sie das mehr als erreicht.“ „Ihr Gebaren ist irrational.“, stellte die Sonde fest. „Wovon reden Sie?“, fragte Sedrin. „Mit einem Toten zu sprechen, ist nicht effizient.“, erklärte die Sonde. „Er wird Ihnen eine Antwort schuldig bleiben.“ „Ich weiß.“, sagte Sedrin. „Trotzdem ist es manchmal einfach nur eine Marotte emotionaler Bioeinheiten. Lassen Sie mir doch den Spaß. Ich weiß, dass Sie mich für ein rationaleres Wesen gehalten haben, nachdem ich auf Ihren Hinweis bezüglich des Bombenangriffs nicht mit beleidigtem Schmollen reagiert habe, sondern Sie noch auf fast einem Anwalt würdige Weise hinterfragt habe. Aber das ist auch einer der Gründe, aus denen sich Sytania vor mir und den Meinen ziemlich in Acht zu nehmen hat. Ich kann mal so und mal so und es ist für sie niemals berechenbar, welches Gesicht ich gerade zeige.“ „Ohne Sie.“, schlussfolgerte die Sonde. „Hätte also Huxley nie …“ „Ganz recht.“, sagte Sedrin. „Aber nun lassen Sie uns erst mal dafür sorgen, dass unser Zeuge ein würdiges Vehikel für seine Reise zu uns in die Leichenkammer bekommt. Auf Cupernicas Tisch wird er schon reden. Natürlich nur im übertragenen Sinne.“ „Ihre Umgangsweise mit dem Thema ist befremdlich.“, musste D/4 feststellen. „Aber sie ist der Gefahr, in der wir offenbar alle schweben, sicherlich angemessen.“


Sedrin zog ihr Sprechgerät und gab das Rufzeichen von Rescue One ein. Es dauerte etwas, bis Tchey die Verbindung entgegennahm. „Warum hat das so lange gedauert?“, fragte Sedrin. „Sie hatten mir gesagt, dass ich beim Shuttle bleiben soll.“, entgegnete Tchey. „Da habe ich das Signal nicht gleich gehört. Wenn ich im Cockpit gesessen hätte …“ „Hören Sie auf, hier Haare zu spalten!“, sagte Sedrin mit leichter Empörung in der Stimme. „Sie nehmen es doch sonst mit dem Thema Vorschriften nicht so genau. Was ist der wahre Grund, aus dem Sie getrödelt haben?!“


Wieder vergingen einige Sekunden, die Tchey absichtlich verstreichen lassen hatte, um sich eine passende Ausrede zu überlegen. Die Geheimdienstlerin war in keiner guten Stimmung gewesen, das hatte sie erkannt. Ihr jetzt noch zu beichten, dass sie eine 4-beinige Zeugin aufgelesen und sich auch noch eigenmächtig vom Schiff entfernt hatte, hielt Tchey nicht für gut. „Ich musste noch was überprüfen.“, sagte sie schließlich. „Und was wäre das?“, fragte Sedrin. „Ach, das ist Fliegerlatein.“, redete sich Tchey heraus. „Ich glaube, das wäre zu hoch für Sie.“ „Also gut.“, sagte Sedrin, die sich mit solchen Dingen weiß Gott nicht lange aufhalten wollte. „Wir werden später noch Gelegenheit haben, darüber zu reden. Jetzt möchte ich erst mal, dass Sie eine Leiche in den Stasecontainer von Rescue One beamen.“ „Noch eine?“, rutschte Tchey heraus, die mittlerweile auch dafür gesorgt hatte, dass Lorana ihren Platz in ebendiesem Container gefunden hatte. „Wieso noch eine?!“, fragte Sedrin etwas ungehalten. „Was haben Sie wieder angestellt?“


Sie hörte plötzlich schnelle männliche Schritte hinter sich und jemand stolperte über die Trümmer auf sie zu. Im mittlerweile immer schwächer werdenden Licht der künstlichen Energieversorgung der Siedlung konnte Sedrin, erst als er genau vor ihr stand, erkennen, um wen es sich handelte. „Gregory.“, identifizierte sie einen ihrer Kollegen. Der Geheimdienstler, der eine normale Agentenuniform trug, war 1,80 m groß, schlank und hatte kurze rote Haare. „Ich habe versucht, dich zu erreichen, Sedrin.“, sagte er. „Aber du bist laut Computer gerade selbst in einem Gespräch gewesen.“ „Das stimmt.“, antwortete die Demetanerin. „Aber was ist um alles in der Welt der Grund, aus dem du so aufgeregt bist?“ „Es gibt einige Überlebende.“, sagte Gregory Kerry, den Sedrin schon aus ihrer gemeinsamen Zeit auf der Akademie der Sternenflotte kannte. „Aber die solltest du dir unbedingt mal ansehen. Einige machen einen Eindruck wie willenlose Zombies. Bei anderen ist es noch nicht so schlimm, aber ich glaube, das ist alles nur noch eine Frage der Zeit. Bitte komm mit mir.“ „Gleich.“, sagte Sedrin knapp. „Aber ich finde es nicht sehr fein von dir, Sytanias Opfer als Zombies zu bezeichnen.“ „Bitte entschuldige, Euer Hochmoral!“, meinte Kerry etwas erbost. „Aber von der ganzen Situation hier bekomme ich Fracksausen.“ „Tja.“, sagte Sedrin nur schnippisch. „Augen auf bei der Berufswahl.“ „Denkst du etwa, ich sei dem Beruf des Geheimdienstlers nervlich nicht gewachsen?“, fragte Kerry. „Im Moment machst du auf jeden Fall ganz den Eindruck.“, sagte Sedrin. „Wo ist übrigens deine Partnerin?“ „Jane ist bei einer der Überlebenden und versucht sie zu befragen. Aber viel wird man aus ihr wohl nicht herausbekommen. D/4 sollte wohl mitgehen.“ „Sicher.“, sagte Sedrin. „Aber ich habe hier noch etwas zu erledigen.“


Sie wandte sich erneut ihrem Sprechgerät zu: „Tchey, beamen Sie jetzt endlich diese Leiche hier weg!“ „Wie Sie wünschen, Agent.“, sagte die Reptiloide ruhig. Dann verschwand der tote Aldaner in einer schimmernden immer durchsichtiger werdenden Säule. Sedrin atmete auf: „So und nun lass uns gehen, Gregory.“


Wenige Straßen weiter erreichten sie ein noch intakt scheinendes Haus. Die Beete vor dem Eingang, in denen allerlei exotische Pflanzen wuchsen, waren grün und auch in den Bäumen rund um das Haus zwitscherten die Vögel. Nichts erinnerte an die trostlose und gespenstische Umgebung, die Sedrin und die Sonde verlassen hatten. „Als ob hier nie ein Angriff gewesen ist.“, stellte Sedrin fest. „Das ist korrekt.“, sagte D/4.


Sie gingen weiter hinter Kerry her und gelangten in das mit hellen Farben eingerichtete Haus. Auch das Gebäude selbst war intakt und sogar die Bilder hingen noch an der Wand. „Jane, wir sind’s!“, rief Kerry seiner Partnerin zu, um sich und die anderen zu identifizieren. „OK.“, erklang die hohe Stimme einer jungen Frau aus dem Wohnzimmer. „Ich hoffe, du hast einen Mediziner mitgebracht.“ „Das habe ich.“, sagte Gregory und machte einen Schritt ins Zimmer. D/4 und Sedrin folgten ihm.


Auf einem Sessel im Wohnzimmer saß eine ältere Frau, die fast nur so dahindämmerte. Daneben stand eine weitere junge Frau, eine Terranerin in Agentenuniform mit langen blonden Haaren, die mit ihren ca. 1,50 m sehr klein war. „Sie ist ansprechbar.“, sagte die junge Terranerin und deutete auf ihr Gegenüber im Sessel. „Aber ihre Antworten kommen immer zögerlicher. Das kann ich mir nicht erklären.“


„Treten Sie zur Seite, Williams!“, wandte sich Sedrin an Jane. Diese nickte und wich einige Schritte zurück. Sedrin aber näherte sich jetzt der alten Frau im Sessel. „Ich bin Agent Sedrin Taleris-Huxley.“, stellte sie sich vor. „Cora Jeffries.“, antwortete die Alte nach einer ganzen Weile, die nach Sedrins Empfinden mindestens zehn Sekunden gedauert hatte. „Fein, Mrs. Jeffries.“, sagte die Agentin und winkte D/4. „Dass ist D/4.“, stellte sie dann auch die Sonde der Alten vor, nachdem diese hinzugetreten war. „Sie ist Medizinerin. Sie wird Sie untersuchen. Verstehen Sie?“ Die Alte nickte nach einer weiteren Weile langsam. „OK.“, sagte Sedrin. „Fangen Sie an, D/4.“


Die Sonde begann mit dem Scannen, griff aber plötzlich mit alarmiertem Gesicht die rechte Hand der Agentin und zog sie in ein anderes Zimmer. „Was zur Hölle haben Sie gesehen?“, fragte Sedrin. „Ist sie so schwer verletzt?“ „Ihre Hülle ist intakt.“, antwortete die Sonde. „Aber in ihrem neuralen Energieprofil fehlen einige Frequenzen, die für Terraner eigentlich typisch sind und sich im so genannten Mandelkern befinden. Dieser steuert das Aggressionsverhalten von humanoiden Bioeinheiten. Er ist aber auch für die Entschlussfähigkeit und die Durchsetzungskraft verantwortlich.“ „Schon klar.“, meinte Sedrin. „Man muss ja schon mit einer leichten Forschheit vorgehen, wenn man etwas wirklich will und Sie meinen, das ist für sie unmöglich?“ „Korrekt.“, sagte die Angesprochene. „Beziehungsweise, es wird ihr von Sekunde zu Sekunde an unmöglicher. Es gibt ein Energiefeld, das von ihrem Mandelkern ausgeht und das sich im Subraum und der interdimensionalen Schicht ausbreitet. Es scheint die Energie von ihr zu einem anderen Punkt irgendwo in einer anderen Dimension zu transportieren. Das Feld einfach mit einem Schuss aus der Rosannium-Waffe zu unterbrechen, halte ich aber für nicht empfehlenswert. Sie ist sehr schwach und es würde sie definitiv töten!“ „Was können wir dann tun?“, fragte Sedrin. „Wir können nicht die gesamte Kolonie in eine Psychoklinik stecken. Wenn das mit allen Überlebenden so ist, dann …“ „Negativ.“, antwortete die Sonde. „Aber wir können veranlassen, dass ein Team aus Medizinern hierher geschickt wird, um das Ganze weiter zu untersuchen. Außerdem benötigen diese Leute im Moment eine permanente Betreuung. Ohne ihre Entschlussfähigkeit sind sie nicht in der Lage, ihren alltäglichen Geschäften nachzugehen.“ „Wenn wir wieder auf der Erde sind.“, sagte Sedrin. „Dann werde ich alles Nötige veranlassen. Außerdem muss sich jemand um die zentrale Energieversorgung kümmern. Die Marskolonie ist eine künstlich erstellte Umgebung. Wenn hier alles ausfällt, dann …“ „Sicher.“, sagte D/4. „Aber jetzt sollten wir zu den Schiffen zurückkehren und unsere Daten auswerten.“ „Ganz Ihrer Ansicht.“, sagte Sedrin und zog ihr Sprechgerät, in das sie einen Sammelruf eingab: „Hier spricht die Einsatzleitung. Wir rücken ab!“ Alle Teams bestätigten und begaben sich zu den Schiffen. Dann flog man im Pulk ab. Das kleine Geheimnis von Rescue One aber, von dem Sedrin noch nichts wusste, würde noch für Wirbel sorgen.


Elektra beschäftigte sich im Maschinenraum der Granger mit Wartungslisten, als ihr Vorgesetzter den gemeinsamen Arbeitsraum betrat. Er sah recht ausgeschlafen aus, aber die Androidin beschlich die heimliche Vermutung, dass etwas mit ihm nicht stimmen konnte. Dass er in einer ziemlich gefährlichen Situation einfach zum Schlafen in sein Quartier gegangen war, irritierte sie doch. Sie hatte Jannings eigentlich immer als sehr pflichtbewussten Offizier in Erinnerung. Wenn sich sein Verhalten wiederholen würde, musste sie es melden, das wusste sie. Aber wem sollte sie es melden? Mikel, der als ausgebildeter Agent und erster Offizier auch für die Sicherheit der Granger zuständig war, hatte in ihren Augen ebenfalls ein sehr merkwürdiges Verhalten an den Tag gelegt. Wenn sich alle biologischen Wesen auf diesem Schiff bald merkwürdig verhielten, war es vielleicht an ihr, den Grund dafür herauszufinden.


„Irgendwelche besonderen Vorkommnisse, Assistant?“, fragte Jannings und schien ihr dabei, trotz er ausgeschlafen hatte, sehr gelangweilt. „Wir haben Lycira an Bord genommen, Sir.“, sagte Elektra. „Außerdem sind wir auf dem Weg zur 817.“ „Ach ja.“, gähnte Jannings. „Es gibt keinen besseren Platz, als daheim. Wissen Sie, ich möchte nichts sehnlicher, als mal so richtig Urlaub machen. Sobald wir auf der Station sind, werde ich die Flugbereitschaft verständigen, damit sie mich zur Erde bringen. Da lege ich mich dann gemütlich an den Strand irgendwo auf einer gottverlassenen Insel und lasse mir die Sonne auf den Bauch scheinen.“ „Ich bezweifle, dass der Commander Ihnen in unserer gegenwärtigen Situation einen Urlaub genehmigen wird, Sir.“, warnte die technische Assistentin ihren Vorgesetzten vor. „Sie möchte sicher gern herausfinden, warum die imperianischen Vendar auf Lycira geschossen haben und ich denke, dabei werden wir ihr behilflich sein müssen.“ „Oh, nein!“, sagte Jannings in erschrockenem Ton und es schien ihr, als würde ihn dies total überfordern. „Doch nicht jetzt, Elektra. Ich habe das Gefühl, als hätte ich zwei Jahre ohne Urlaub durchgearbeitet.“ „Fühlen Sie sich nicht gesund, Techniker?“, fragte sie. „Meines Wissens haben Sie im letzten Jahr sehr wohl Urlaub gehabt. Aber wenn Sie krank sind, dann sollten Sie die Krankenstation aufsuchen. Vielleicht können Ihnen Loridana und Learosh ja behilflich sein.“ „Meinen Sie das wirklich, Assistant?“, fragte Jannings.


Elektra dachte nach. Jetzt wäre ein guter Moment, um ihre Theorie bezüglich der Abspaltung der aggressiven Seite zu testen. Wenn sie jetzt darauf bestehen würde, dann müsste Jannings ihr ja im Normalfall nicht folgen, da sie ja nur seine Assistentin und er ihr Vorgesetzter war. Das würde er ihr dann, wenn er normal wäre, sicher ins Gedächtnis rufen, aber wenn es stimmte, was sie vermutete, dann würde er ohne zu zögern ausführen, was sie ihm sagen würde.


Sie stellte sich neben ihn und ergriff seine Hand, um ihn mit leichtem Zug in Richtung Tür zu führen. Dann sagte sie: „Sie sollten auf die Krankenstation gehen und das werden Sie auch, Techniker und wenn ich Sie persönlich dort abliefere.“ „Tun Sie das.“, entgegnete der Terraner und ließ sich bereitwillig von ihr aus der Tür schieben, die sich hinter ihm wieder schloss.


Elektra begab sich zurück zu ihrer Arbeitskonsole und rief ein Diagnoseprogramm für die internen Sensoren auf, mit dem sie deren Funktion überprüfte. Allerdings war dies nicht ihr primäres Ziel. Vielmehr musste sie dem Computer vormachen, ebendies tun zu wollen, um Jannings auf seinem Weg auf die Krankenstation und auch bei der Untersuchung dort ungestört beobachten zu können, denn anhand der Bilder, die ihr die Sensoren lieferten, konnte sie genau sehen und hören, was sich dort abspielen würde. Ein schlechtes Gewissen hatte sie nicht! Sie wusste nach seiner Reaktion genau, dass hier Gefahr im Verzug war und dass sie offensichtlich die Einzige war, die ihr begegnen konnte. Das in ihren Augen neben dem auf Khitomer gesehenen wahrscheinlichste Szenario war, dass Sytania an dem Ganzen hier schuld war und das galt es zu beweisen. Unter Umständen musste sie sogar eine Meuterei anzetteln. Aber mit wem konnte sie sich zusammentun? Eine weitere künstliche Lebensform gab es auf diesem Schiff nicht. Natürlich hätte sie den Computer zu dieser oder jener Handlung bringen können. All dies waren aber Überlegungen, die sie nur im absoluten Notfall in die Tat umsetzen würde. Eine Rebellion der Maschinen war für sie auch deshalb die allerletzte Option, weil sie, wenn sie das Gespräch zwischen sich und der Brückenbesatzung noch einmal Revue passieren ließ, verschiedene Abstufungen des merkwürdigen Verhaltens gesehen hatte. Bei Kissara war es gar nicht, bei Mikel nur in besonderen Fällen und bei Kang auch nur manchmal zu sehen gewesen. Wenn sie also zu jemandem gehen würde, dann würden es den Vorschriften gemäß zunächst Mikel und dann vorsichtshalber auch Kissara sein. Aber dafür musste sie noch Beweise sammeln, was sie durch den Missbrauch des Wartungsprogramms jetzt auch tat. Sie würde dies selbstverständlich gegenüber Mikel und Kissara auch zugeben, denn obwohl sie etwas tat, das eigentlich verboten war, rechtfertigte die Gefahr, in der man sich befand, wenn ihre Theorie stimmte, ihre Handlungen doch. Ins Intimste würde sie nicht vordringen. Ihr nackter Vorgesetzter auf dem Untersuchungstisch würde sie nicht interessieren. Viel mehr ging es ihr um Gespräche und Handlungen der Mediziner in Interaktion mit Jannings.


Sie sah, wie der Chefingenieur die Krankenstation betrat. An einer Arbeitskonsole stand Learosh. „Was ist, Mr. Jannings?“, fragte der medizinische Assistent.


Elektra holte sich sein Bild näher heran. Wenn sie die für seine Rasse geltenden Parameter ansetzte, dann hatte er einen ähnlich lust- und antriebslosen Blick wie Jannings. Dies war eine weitere Bestätigung ihrer Theorie. Sie ahnte, wenn sich dies so weiter entwickeln würde, käme sie nicht umhin, die Sache doch noch zu melden. „Ich komme, weil es mir seit einiger Zeit nicht gut geht, Mr. Learosh. Ich glaube, ich benötige einfach mal Urlaub. Aber meine Assistentin meint, ich sei krank. Unter Umständen sollten wir das mal überprüfen.“, meinte Jannings gelangweilt. „Wenn Sie meinen.“, sagte Learosh lustlos und griff genau so lustlos zu einem Erfasser. Den ließ er, in extrem ungenauen Bewegungen, wie Elektra fand, über Jannings’ Körper kreisen. Dann sagte er: „Sie sind völlig gesund, Mr. Jannings. Aber wenn Sie mich fragen, dann geht es mir in letzter Zeit ähnlich. Ich denke, wir sollten alle mal ausspannen.“


Loridana betrat das Untersuchungszimmer. „Was ist hier los, Learosh?“, wendete sie sich an ihren Assistenten. „Techniker Jannings entwickelt sich zum Hypochonder, Ma’am.“, sagte Learosh und hinterließ dabei den Eindruck, als wäre es Schwerstarbeit gewesen, Jannings kurz mit dem Erfasser zu scannen. „Er glaubt, nur weil er etwas überarbeitet ist, sei er gleich sterbenskrank.“


Die technische Assistentin wurde hellhörig. Sie kannte Loridana gut genug, um zu erkennen, wenn sich ihr Charakter verändert hätte. Sie wusste, im Normalfall hätte sie einen solchen Spott über einen Patienten nicht zugelassen und Learosh zurechtgewiesen. Im Normalfall! Aber sie ahnte bereits, dies würde kein Normalfall sein. Wenn ihre Theorie stimmte, dann müsste Loridana jetzt nicht darauf eingehen und es müsste ihr völlig gleich sein, wie Learosh sich gerade geäußert hatte. Genau das geschah auch.


„Wissen Sie was, Mr. Jannings.“, sagte die Medizinerin, nachdem sie einen Blick auf Learoshs Erfasser, aber nicht auf ihren Patienten geworfen hatte. „Sie sind gesund wie ein Fisch im Wasser. Sie sind nur etwas überarbeitet wie wir alle. Ein medizinisch verordneter Urlaub wird Ihnen gut tun.“


Sie ging zu einer Schublade an einem Schrank und holte ein Pad hervor, das sie an den Computer anschloss. Aber ihre Handlungen kamen der technischen Assistentin sehr verlangsamt und müde vor. Aber das war nur ein weiterer Hinweis darauf, wie richtig sie eigentlich lag!


Nach dem Überspielen eines Formulars, das Loridana erst im Pad ausfüllte und unter das sie ihre akustische Unterschrift setzte, gab sie Jannings das Pad in die Hand. „Vielen Dank, Scientist.“, sagte er und verließ die Krankenstation. Auch beim Weggehen beobachtete Elektra die Situation. Es schien ihr, als währen Learosh und Loridana froh, dass er endlich gegangen war.


Sie nahm ihr Haftmodul und überspielte den gesamten Vorgang in ihren eigenen Speicher. Die Spuren ihrer Aktion im Computer würde sie nicht verwischen. Vielmehr würde sie Mikel sogar gezielt auf die Datei aufmerksam machen. Schließlich ging es hier um die Sicherheit von allen! Von allen, inklusive der Sicherheit von Lycira, die so schnell wie möglich repariert werden musste, damit sie gegenüber Mikel aussagen konnte.


Ohne das OK ihres Vorgesetzten abzuwarten, ging Elektra zum Replikator und replizierte die benötigten Ersatzteile. Dann packte sie diese zusammen mit ihrem eigenen Werkzeug in eine Tasche und begab sich zur Shuttlerampe. „Lycira, ich bin’s.“, sagte sie, um sich bei meinem Schiff zu erkennen zu geben. Lycira scannte kurz ihre Umgebung und benutzte dann den Außenlautsprecher: „Hallo, Elektra. Was führt dich her?“ „Ich komme, um dich zu reparieren.“, sagte die Androidin und stellte ihre Tasche auf dem Boden vor dem Schiff ab. Lycira war nicht entgangen, dass Elektra es eilig hatte. „Warum hast du es so eilig, Elektra.“, fragte Lycira, die sich nicht nur mit Jannings, sondern auch mit seiner Assistentin duzte. „Du musst so schnell wie möglich wieder deiner Wege fliegen.“, sagte die Androidin mit der ihr eigenen Gleichmut. „Du bist hier nicht mehr sicher. Eigentlich sind wir es alle nicht mehr. Die gesamte Besatzung, zumindest der biologische Teil, ist in seine gute und seine böse Seite gespalten worden. Der Nachteil ist, dass die böse Seite eigentlich auch notwendig ist, weil sie auch die Willensstärke repräsentiert. Aber nun …“ „Ich kann es mir denken!“, sagte Lyciras sanfte Stimme und klang dabei fast etwas erschrocken. „Sag bitte nicht, auch George ist betroffen!“ „Doch.“, sagte Elektra. „Auch George. Deshalb repariere ich dich ohne sein Einverständnis, damit du dich in sichere Gefilde begeben kannst, bevor hier noch etwas Schlimmes passiert.“


Sie entfernte eine Abdeckung, um an Lyciras Warpkern kommen zu können. „Das könnte jetzt unangenehm werden.“, sagte sie und begann, mit einem Werkzeug den magnetischen Fluss einzustellen. „Danke für deine Warnung.“, sagte mein Schiff. „Aber da du mich gewarnt hast, kann ich die Sensoren, die mir deinen Eingriff melden würden, ja einfach abschalten und schon merke ich nichts mehr davon.“ „Das ist ein Vorteil, den du gegenüber einer biologischen Einheit hast.“, sagte die Androidin. „Die meisten von ihnen können ihr Schmerzempfinden nicht so einfach ausschalten.“


Sie überprüfte die Werte ein letztes Mal mit ihrem Erfasser. „So.“, sagte sie. „Nun müsste es dir wieder besser gehen.“ „Du hast Recht.“, sagte Lycira. „Aber was ist eigentlich mit George und den anderen geschehen?“ „Sie sind von jemandem auf Khitomer einer so genannten Reinwaschung unterzogen worden.“, sagte Elektra. „Ich habe es gesehen.“ „Ach du meine Güte!“, rief Lycira aus. „Du, Elektra, ich glaube, ich weiß, wie es dazu kommen konnte. Hast du ein Haftmodul? Dann kann ich es dir zeigen. Weil du eine künstliche Lebensform bist, kann ich ja nicht telepathisch mit dir kommunizieren.“ „Das habe ich.“, antwortete die Androidin und holte das Gewünschte aus ihrer Tasche. Dann entfernte sie eine weitere Abdeckung, die den Blick auf einen Computeranschluss freigab, in den sie den Stecker des Haftmoduls steckte, während sie sich das andere Ende in alt hergebrachter Weise auf die Stirn klebte. „Ich bin bereit.“, sagte sie. „Also gut.“, sagte Lycira und begann mit dem Überspielvorgang. Jetzt sah Elektra alles, was zwischen Radcliffe, Lycira, den Breen und mir geschehen war.


Elektra, die menschliche Reaktionen durchaus bis zu einem bestimmten Punkt emittieren konnte, musste sich erst einmal setzen. „Eines ist sicher.“, sagte sie. „Mit diesem Wissen könnten wir zwei Sytania sehr im Weg sein! Ich bin sicher, dass sie hier die Hände im Spiel hat! Ich kann auf mich aufpassen. Aber du solltest dir ein Versteck suchen. Ein Raumschiff versteckt man am besten unter Raumschiffen. Wie wäre es, wenn du die Dimension der selbstständig denkenden Schiffe aufsuchst. Kamurus, Sharie und die anderen würden sicher gut auf dich achten.“ „Aber ich muss aussagen.“, widersprach Lycira. „Das tue ich für uns beide.“, versicherte Elektra. „Du bist dort wirklich im Moment sicherer!“


Sie entfernte ihr Haftmodul wieder aus dem Port, um es in einen für den Schiffscomputer zu stecken. Dann schrieben ihre Gedanken in Windeseile ein Programm, das sie gleich darauf initiierte. „Zwanzig Sekunden bis Dekompression und Öffnung der Hangartore.“, sagte der Computer freundlich. „Flieg!“, wandte sich Elektra an mein Schiff. „Sie werden nicht merken, dass du fort bist. Mein Programm füttert die Brücke mit falschen Daten und löscht sich sofort, wenn es abgelaufen ist. Das hier ist deine einzige Chance. Ich werde jetzt gehen, sonst werde ich in den Weltraum gesogen!“ „Danke, Elektra.“, sagte Lycira und aktivierte ihren Impulsantrieb. Ihre Hecksensoren nahmen noch wahr, wie Elektra durch die Tür verschwand. Dann wartete sie den Rest der Zeit ab, bis sich die Tore öffneten, um geschmeidig hindurch zu gleiten. Sie würde Elektras Rat annehmen. Sobald sie weit genug von der Granger entfernt war, würde sie den interdimensionalen Antrieb aktivieren und in Richtung der Dimension der selbstständig denkenden Schiffe verschwinden.

Kapitel 13: Honigfalle für Radcliffe

von Visitor

 

Sytania hatte Radcliffe bei seinem zerstörerischen Werk beobachtet. „So ist es recht, Nathaniel.“, flüsterte sie in den Kontaktkelch. „Nur die, die da glauben, werden gesegnet sein, und zwar mit der Gnade, leben zu dürfen. Zur Hölle mit dem Rest!“ Sie lachte hexenartig.

Etwas tippte ihr auf die Schulter. Erst bei näherem Hinsehen erkannte sie Telzan. „Was schleichst du dich an wie ein Dieb in der Nacht!“, verhörte sie ihn. „Ich wollte Milady nicht stören.“, sagte der Vendar. „Ihr saht aus, als würdet Ihr gerade einen Triumph beobachten.“ „Da liegst du gar nicht so falsch.“, sagte die Prinzessin, griff die Hand ihres Dieners und zog ihn neben sich auf ihren Thron. Dann führte sie seine Hand auf den Fuß des Kontaktkelchs und nahm seine zweite Hand in die Ihre. Telzan verstand und begann damit, sich in gleicher Weise wie sie auf den Kelch zu konzentrieren. „Das ist das Schiff Eurer neuen Marionette.“, sagte er. „Ganz genau.“, sagte Sytania. „Er ist auf dem Weg hier her zurück. Du wirst ihn empfangen und hier her ins Schloss geleiten. Ich habe noch etwas mit ihm zu besprechen. Seine Frau und sein Sohn werden ihre Gemächer beziehen. Sag Cirnach, sie soll ihnen bei ihrer Eingewöhnung behilflich sein. Dein holdes Weib wird dich begleiten, wenn du sie am Landeplatz empfängst. Gib ihr Bescheid!“ „Ja, Milady.“, sagte Telzan, stand auf und verließ den Thronsaal.

Mittels des interdimensionalen Antriebs, über den auch das Breenschiff verfügte, hatte Radcliffe seine Familie ins Dunkle Imperium gebracht. Malcolm, der aus dem Fenster sah, war tief beeindruckt von der merkwürdig violett schimmernden Landschaft unter ihnen. Auch die Fackeln, mit denen Telzan und seine Frau ihnen den Landeplatz in traditioneller Weise zuwiesen, kamen ihm merkwürdig vor, aber in seiner kindlichen Fantasie stellte er sich wohl vor, dass sein Vater seine Mutter und ihn in ein Märchenland entführen würde. Angesichts des traumatischen Geschehens, das die Realität bei ihm auslösen würde, wenn er tatsächlich verstünde, was hier geschehen war, war es aber für seine Kinderseele allemal besser so. Auch Nayale würde es vermeiden, ihn aufzuklären, obwohl es ihr sicherlich möglich war, ihm die Wahrheit kindgerecht nahe zu bringen. Aber sie war auch intelligent genug, um zu verstehen, was das für ihr Kind bedeuten würde.

Nathaniel ließ das Schiff sanft zwischen den Bäumen landen. Dann stiegen seine Familie und er aus. Telzan und Cirnach gingen auf sie zu. Der Vendar machte eine tiefe Verbeugung vor ihm und sagte dann: „Sei gegrüßt, Nathaniel El Taria. Ich bin Telzan, das ist meine Frau Cirnach. Wir sind Lady Sytanias oberste Vendar. Wir sollen euch zu ihr geleiten. Meine Herrin möchte mit dir, Nathaniel, noch etwas besprechen. Ich bringe dich gleich zu ihr. Cirnach wird sich um deine Frau und dein Kind kümmern. Meine Leute warten dein Schiff. Nun folge mir bitte.“ Nathaniel nickte und tat, worum er gerade gebeten worden war.

Cirnach wollte Malcolm bei der Hand nehmen, aber der Junge zog die Seine ängstlich zurück. „Bitte fürchte mich nicht.“, bat die Vendar. „Ich möchte dir nichts Böses.“ „Ich hab’ Angst, Mummy!“, schluchzte Malcolm und drückte sich an seine Mutter. Nayale aber, die sich entschieden hatte, das Spiel zunächst mitzuspielen, fasste Cirnachs ausgestreckte Hand. „Schau mal.“, sagte sie. „Mummy begrüßt sie doch auch. Sie hat zwar ein Fell, ist sehr groß und redet komisch, aber sie ist doch ganz lieb. Du wirst sie sicher noch genauer kennen lernen und sie dann sicher auch mögen.“ „OK.“, sagte Malcolm, der seiner Mutter sehr vertraute. Dann nahm er ihre Hand und so gingen sie in Richtung Sytanias Palast davon.

Radcliffe und die Prinzessin hatten den Thronsaal aufgesucht und jetzt saßen sie gemeinsam auf den beiden Sesseln, die auf dem Gestell von Sytanias Thron angebracht waren. In jedem Fall wollte die Imperianerin dem ahnungslosen Professor vorgaukeln, er sei ihr gleichgestellt.

Sie winkte und ein Diener betrat den Raum. In seinen Händen hielt der etwas gekrümmte Mann ein Tablett, das er auf dem marmornen Tisch, an dem Sytania auch sonst ihre Schreibarbeiten erledigte, abstellte. Dann goss er aus einer Karaffe Wein in zwei weiße Gläser, die beide Blumenkelchen glichen. Auch die Karaffe war weiß und hatte eine ähnliche Form. „Lass uns allein!“, befahl Sytania in Richtung des Dieners und er verließ den Saal genau so stumm wieder, wie er gekommen war.

Sytania selbst stieg nun von ihrem Thron herab und nahm die Gläser vom Tablett, um Radcliffe eines davon zu geben. Das andere behielt sie selbst. Dann setzte sie sich wieder neben ihn und stieß mit ihm an: „Auf unsere gute Zusammenarbeit, Nathaniel!“ „Auf die Zusammenarbeit, Euer Hoheit.“, erwiderte der verblendete Archäologe. Beide nahmen einen tiefen großen Schluck aus den Gläsern. Natürlich wusste Sytania, dass ihr, als einer Mächtigen, Alkohol nichts ausmachen würde. Aber all das gehörte ja auch zu ihrem Plan. Je umnebelter Radcliffes Verstand war, desto leichter hatte sie es mit ihm.

Auf der Armlehne seines Sessels stellte Radcliffe sein Glas ab. „Ihr wolltet etwas mit mir besprechen, Hoheit.“, sagte er. „Oh, warum so förmlich, mein Lieber.“, schleimte Sytania. „Nenn mich doch einfach beim Vornamen. Du wirst übrigens der einzige Sterbliche sein, der das je darf. Der Einzige, verstehst du?“ „Ihr seid zu großzügig, Sytania.“, sagte Radcliffe. „Aber die Anredeform werde ich wahren. Schließlich seid ihr eine Königstochter.“ Sytania gab einen Laut des Missfallens von sich und sagte dann: „Ach, also gut. Aber nun zu dem, was ich mit dir bereden muss. Ich hasse lange Vorgeplänkel!“

Sie zog den Kontaktkelch aus ihrem Gewand hervor und stellte ihn ebenfalls auf einer Armlehne ab. „Gib mir deine linke Hand und lege die Rechte auf den Fuß des Kelches!“, wies sie Radcliffe an, der ihre Anweisung bereitwillig ausführte. „Und nun erlaube mir telepathischen Kontakt zu dir.“, sagte sie dann. „Ich weiß, dass du weißt, dass ich mir auch holen kann, was ich will, aber wenn es freiwillig geschieht, ist es doch für uns beide viel angenehmer, nicht wahr?“ Radcliffe nickte. „Bitte vergebt einem dummen Nicht-Telepathen.“, sagte er. „Aber wie kann ich Euch erlauben …“ „Entspann dich einfach.“, flüsterte Sytania ihm zu. „Ich tue den Rest.“

Radcliffe sah eine Art Nebelwand vor sich, die sich langsam lichtete und den Blick auf IDUSA, Shimar und mich freigab. „Warum zeigt Ihr mir das?“, fragte Radcliffe. „Mich wundert, dass du überhaupt verstanden hast, dass ich dir etwas zeige.“, bemerkte Sytania konzentriert. „Die Meisten anderen würden erschrocken zurückweichen. Aber du scheinst doch sehr intelligent zu sein, Nathaniel Radcliffe.“ „Wer sind diese Frau und dieser Mann, Sytania?“, fragte Radcliffe und deutete im Geist auf die Bilder von Shimar und mir. „Das sind zwei, denen du glaubhaft versichern musst, dass du geheilt bist. Die Frau dürftest du gut kennen.“, antwortete Sytania.

Sie rückte mein Bild in den mentalen Fokus. „Das ist Allrounder Betsy Scott!“, erkannte Radcliffe. „Genau.“, sagte Sytania. „Sie ist doch diejenige, welche, nicht wahr?“ „Ich denke, das wisst Ihr besser als ich.“, sagte der Professor. „Aber der Mann, der bei ihr ist, ich meine, er ist Tindaraner! Wir sollten das hier so schnell wie möglich beenden, Sytania! Ich flehe Euch an! Ich meine, er ist Telepath und als solcher sicher in der Lage, Euch jetzt zu spüren. Wenn …!“ „Ruhig Blut.“, beruhigte ihn Sytania. „Ich werde uns schon abschirmen.“ „Es wäre mir aber sicherer.“, sagte Radcliffe. „Ich weiß ja jetzt, dass es um die Beiden geht. Bitte, Sytania, bitte!“

Sie machte ein wütendes Gesicht, gab einen grummelnden Laut von sich und zog ihre Hände vom Kelch und aus den Seinen. „Wenn wir weiter zusammenarbeiten wollen!“, sagte sie mit strengem Unterton. „Dann wirst du unbedingt an deiner Ängstlichkeit arbeiten müssen, mein Lieber!“ „Verzeiht.“, bat Nathaniel. „Aber ich bin das hier noch nicht gewohnt. Ich meine, durch den Kegel weiß ich, wie ich mit den Fähigkeiten umgehen muss, die Ihr mir zur Reinwaschung diverser Individuen gegeben habt. Aber mit der Aussicht, selbst ausspioniert zu werden, habe ich Schwierigkeiten.“ „Mir scheint.“, sagte Sytania. „Dass du einfach auch noch lernen musst, deiner neuen Freundin zu vertrauen.“ „Das wird es wohl sein, Sytania.“, sagte Radcliffe. „Das wird es wohl sein.“

Er leerte sein Glas in einem Zug, was Sytania insgeheim sehr gefiel. Würde er doch dadurch noch gefügiger und leichter zu beeinflussen werden. „Warum muss ich Allrounder Scott davon überzeugen, dass ich geheilt bin?“, fragte Nathaniel. „Weil sie dir sonst immer wieder hinterher spionieren wird!“, sagte Sytania. „Sie weiß, was ihr auf dem Planetoiden erlebt habt und sie kann sich sicher denken, dass ich daran schuld bin, obwohl ich es ja eigentlich ziemlich gut verkleidet habe, nicht wahr?“ „Das habt Ihr für wahr.“, sagte Radcliffe. „Aber sie ist ausgebildete Sternenflottenoffizierin und hat …“ „Genau das.“, sagte die Prinzessin. „Was für ein kluger Junge du doch bist. Aber wenn du sie überzeugt hast, dass du harmlos bist, dann wird sie dich deiner Wege gehen lassen. Wenn sie sieht, dass du von deinem cholerischen Anfallsleiden geheilt bist, wird sie alles andere außer Acht lassen. Sie wird froh sein, dass deine Krankheit den armen kleinen Malcolm nicht mehr gefährdet und das wird alles sein, was für sie zählt. Das war ja auch letztlich das Argument, mit dem du sie rumgekriegt hast.“ „Das stimmt.“, sagte Radcliffe. „Aber was ist, wenn dieser Tindaraner mitbekommt, dass Ihr hinter allem steckt?“ „Das wird er nicht!“, sagte Sytania mit Überzeugung. „Dafür werde ich schon sorgen.“

Sie zog eine Krawattennadel aus einem Täschchen ihres Kleides und gab sie Nathaniel. „Wenn du dies trägst.“, sagte sie. „Dann kannst du dir meines Schutzes sicher sein. Damit kannst du auch Kontakt zu mir aufnehmen. Sie gilt auch als Kontaktkelch, sobald du sie mir geweiht hast.“ „Und wie mache ich das?“, fragte Radcliffe. „Halt sie mit beiden Händen vor dich!“, wies Sytania ihn an. „Und nun sprich mir nach: Ich weihe dich Sytania, der Kronprinzessin des Dunklen Imperiums!“

Radcliffe nahm die Nadel in beide Hände, hielt sie vor sich und wiederholte feierlich: „Ich weihe dich Sytania, der Kronprinzessin des Dunklen Imperiums!“ Alsbald fuhr ein schwarzer Blitz herab und zeichnete einen Drudenfuß in die Brosche der Nadel. Radcliffe ließ sie vor Schreck los. „Recht so.“, sagte die Königstochter. „Und nun sollst du lernen, wie du sie benutzt, um mich zu kontaktieren. Nimm sie wieder in beide Hände und stell dir mein Gesicht vor.“ Auch das tat Radcliffe. Sie spürte seinen Kontaktversuch. „Geht ja wirklich gut vonstatten mit dir, der Unterricht!“, lobte sie. „Ich hatte da schon weitaus schwierigere Schüler. Aber nun nimm dein Schiff und dann ab nach Celsius mit dir! Ach, bevor ich es vergesse: Kümmere dich bitte unbedingt um diese Ginalla! Versuch unter allen Umständen, sie reinzuwaschen, damit es ihr genau so geht wie den anderen und damit sie keinen Verdacht schöpfen kann. Denk an die kleine aber feine Nebenwirkung, die diese Reinwaschung hat.“ „Ihr könnt Euch meiner sicher sein, Sytania.“, sagte Radcliffe. „Wenn die Vendar nur mein Schiff fertig haben.“

Sie winkte Telzan, der die gesamte Zeit über anwesend gewesen war. Dieser zog sein Sprechgerät, gab ein Rufzeichen ein und führte ein Gespräch in seiner Muttersprache mit einem weiteren unbekannten Mann. Dann sagte er an Radcliffe gewandt: „Dein Schiff ist bereit, Nathaniel El Taria. Bitte folge mir.“ Radcliffe nickte und ging mit dem Vendar fort.

Während des gesamten Weges zu seinem Schiff schien Radcliffe sehr nachdenklich, was Telzan durchaus registrierte. „Was ist dir, Nathaniel El Taria?“, fragte der Vendar, dessen Ausdrucksweise dem Professor etwas seltsam vorkam. Da er sich als Archäologe mit alten Kulturen beschäftigt hatte, wusste er, dass die Muttersprache des Vendar Elemente enthalten musste, die auch im Altägyptischen und im Arabischen zu finden waren. Dazu kam noch die hier im Dunklen Imperium vorherrschende mittelalterliche Struktur. So konnte er sich seine merkwürdige Sprache durchaus erklären und es fiel ihm, der an sich immer sehr korrekt war, nicht im Traum ein, Telzan zu verbessern. Vielmehr antwortete er: „Was mir ist? Nun, ich frage mich, wie ich es anstellen soll, Allrounder Scott zu überzeugen. Ich meine, du warst die gesamte Zeit anwesend und hast alles mitbekommen, was deine Herrin und ich besprochen haben.“ „In der Tat.“, sagte Telzan. „Aber ich weiß, wie du sie überzeugen wirst. Du wirst deine Familie dazu benutzen.“

Er drehte sich um und zog gleichzeitig sein Sprechgerät wieder aus der Tasche, an dem er die Taste für die Rufwiederholung betätigte. Da er das Gerät auf Lautsprecher gestellt hatte, bekam auch Nathaniel mit, dass er eine Antwort von jenem Techniker erhielt, mit dem er vorher auch über die Wartung des Breenschiffes gesprochen haben musste. Was er ihm jetzt auftrug, verstand der Professor nicht, aber es musste wohl so etwas wie: „Es wird eine kleine Verzögerung geben. Bitte warte nicht auf uns!“, bedeuten.

Das Gespräch war schnell beendet und Telzan gab ein weiteres Rufzeichen ins Gerät ein, über das sich seine Frau meldete. Dieses Mal aber sprach er Englisch mit ihr. Dabei verwendete er aber einen einzigen vendarischen Begriff, der im Allgemeinen sehr bekannt sein durfte. „Bereite bitte Nathaniels Familie darauf vor, dass sie abreisen werden, Telshanach. Sie werden ihm helfen müssen, ein Unheil von uns abzuwenden, damit unsere Herrin ihren Plan weiter verfolgen kann.“ „Ich werde es ihnen sagen, Telshan.“, erwiderte Cirnach und beendete die Verbindung.

Irritiert sah Radcliffe Telzan an. „Was hieß das und worum geht es hier?“, fragte er. „Sprichst du von dem Gespräch mit meinem Untergebenen, oder von dem mit meiner Frau?“, fragte der Vendar. „Um ehrlich zu sein.“, sagte Radcliffe. „Ich rede ein wenig von beiden. Ich meine, ich werde mich noch an einiges gewöhnen müssen, wenn ich mit deiner Herrin zusammenarbeiten soll und ich habe sicher noch eine Menge Fragen. Zum Beispiel: Was ist die primäre Aufgabe von dir und deiner Truppe? Seid ihr so eine Art Leibwache?“

Telzan grinste, blieb stehen und wandte Nathaniel seinen Rücken zu. Dem Terraner war die leichte Erhebung längst aufgefallen, die er in seinem Nacken trug. Aber er hatte sich noch nicht getraut, ihn darauf anzusprechen. „Sieh her.“, sagte Telzan, fasste Nathaniels Hand und führte sie auf die Erhebung. Da der Professor ja in gewisser Weise auch telepathisch war, fühlte er bald Rückstände von Energie. „Es heißt Sifa in meiner Sprache.“, erklärte Telzan. „Darin können wir Energie von Telepathen speichern und sie dann Sytania geben. Das ist unsere primäre Aufgabe. Wir können aber so auch ganze Bewusstsein gefangen nehmen.“ „Faszinierend.“, sagte Nathaniel. „So tragt ihr also dazu bei, dass Sytania auch unter den hiesigen Mächtigen gefürchtet bleibt.“ „In der Tat.“, sagte Telzan. „Und was hieß das Wort, das du zu deiner Frau gesagt hast?“, fragte Nathaniel. „Das bedeutet einfach nur Liebling.“, antwortete der Vendar. „Du wirst noch viel über uns erfahren, Nathaniel El Taria. Noch sehr viel.“

Cirnach hatte Mutter und Sohn in ihre Gemächer gebracht. Malcolm war sehr beeindruckt von dem großen Spielzimmer gewesen, das ihm Cirnach als Allererstes präsentiert hatte. Dort waren alle seine Lieblingsspielsachen zu finden! Alle, von denen er sich eigentlich auf der Erde symbolisch verabschiedet hatte. „Wie kommt das alles hier her, Tante Cirnach?!“, fragte der Junge begeistert, den die Freude über die Sachen bereits seine Angst vor der seltsamen Frau vergessen lassen hatte. „Meine Herrin weiß, was kleine Kinder mögen.“, antwortete die Vendar lächelnd. „Dann verdanke ich das alles hier der Märchenprinzessin?“, fragte Malcolm. „In der Tat.“, antwortete Cirnach. „Dann sag ihr bitte danke von mir.“, erwiderte der Junge und schnappte sich die Fernsteuerung eines kleinen Raumschiffes, das er vorher in die Hand genommen hatte, welche er als Startrampe benutzte. Beeindruckt sah Cirnach zu, wie er das Schiffchen einige kunstvolle Manöver unter der Decke des hohen Zimmers fliegen ließ. Dann sah sie, wie es langsam genau in der Mitte des runden Tisches, der aus Ebenholz war und in der Mitte des Zimmers stand, landete. „Du wirst einmal ein sehr talentierter Pilot werden, wenn du groß bist, Malcolm El Taria.“, sagte Cirnach fast ehrfürchtig. „Die meisten unserer Novizen beherrschen ferngesteuerte Fluggeräte nicht halb so gut, wie du dein Spielzeug beherrschst und sie sind erheblich älter.“ „Echt?“, fragte Malcolm stolz. „Echt in der Tat.“, antwortete die Vendar, was in Nayales Ohren, deren Muttersprache Englisch zwar auch nicht war, die es aber gut gelernt hatte, etwas unbeholfen klang. „Kannst du mir zeigen, wie man ein echtes Raumschiff fliegt, oder dein Mann?“, fragte Malcolm. „Ich müsste all diese Dinge mit meinem Mann besprechen.“, sagte Cirnach. „Aber du bist ja auch noch zu jung. Wenn du in das Alter der Novizenschaft kämst und du würdest in unsere Kreise aufgenommen, dann wärst du der erste Nicht-Vendar, den wir unterrichten. Aber ich werde auf jeden Fall für dich ein gutes Wort bei Telzan einlegen nach dem, was ich gerade gesehen habe. Es wird Dinge geben, von denen du beim Unterricht ausgeschlossen werden sein wirst, weil du einfach nicht die körperlichen Fähigkeiten dazu hast, aber das Fliegen eines Schiffes könntest du sicher bei uns lernen.“

Telzan und Nathaniel betraten den Raum. „Hallo, Daddy!“, begrüßte Malcolm seinen Vater stolz. „Stell dir vor! Die Tante Cirnach meint, ich kann ein Vendar werden!“ Nathaniel sah zuerst die Vendar und dann seine eigene Frau verwirrt an. „Sie hat ihm Hoffnung darauf gemacht, dass er von ihren Leuten lernen kann, wie man ein Schiff fliegt.“, erklärte Nayale. „Vielleicht hat er da etwas durcheinander gebracht.“ „Das glaube ich auch.“, sagte der Professor, dem durch Telzans Aufklärung ja einiges klarer geworden war. „Aber sie muss es noch mit ihrem Mann besprechen. Immerhin wäre er der erste Mensch, den sie unterrichten würden.“, fügte Nayale noch hinzu. „Dann hat sie dafür genug Zeit.“, sagte Nathaniel. „Wir werden nämlich erst einmal in den Urlaub nach Celsius fliegen.“ „Nach Celsius?“, fragte Nayale verwirrt. „Wir sind doch gerade erst angekommen und du willst schon wieder weg?“ „Prinzessin Sytania hat einen Auftrag für uns.“, sagte Nathaniel und sein Gesicht verriet, dass er wohl keinen Widerspruch duldete.

Nayale überlegte. Die Zusammenhänge waren ihr zwar noch nicht ganz klar, aber sie ahnte, dass diese Sytania ihren Mann nur benutzen würde, und zwar für ein paar ganz böse Spiele. Aber das konnte sie auf keinen Fall den Jungen merken lassen! Sein kindliches Gemüt würde nicht in der Lage sein, das ganze Ausmaß der Situation zu erfassen und es würde unter Umständen ein Trauma zurückbleiben. Deshalb sagte sie entschlossen: „Dann werde ich mal packen! Malcolm, such dir deine liebsten Spielzeuge aus, die du mitnehmen willst.“ „OK, Mummy.“, sagte der Junge, dem gegenüber sie es Gott sei Dank noch immer sehr gut verstanden hatte, ihre Angst und ihr Wissen zu verbergen. Mit Hilfe der Spielsachen würde Malcolm auf dem Flug gut abgelenkt sein und nicht unbedingt mitbekommen, was seine Eltern besprachen. „Beeilt euch bitte.“, sagte Radcliffe freundlich. „Ich will nicht, dass die Vendar so lange warten müssen.“ „Schon gut, Nathaniel.“, sagte Nayale mit einem Lächeln, das nur ihre Unsicherheit überspielte. Dann stellte sie Malcolm einen leeren Koffer hin: „Tu deine Spielsachen da rein, ja?“ Der Junge nickte, schaute kurz über den bunten Haufen an Spielzeug und packte dann einiges in den Koffer. „Ich bin fertig, Mummy.“, sagte er und trug den schwarzen kleinen Koffer stolz hinter seinen Eltern her zum Schiff. Dann stiegen sie ein und flogen ab.

IDUSA, Shimar und ich waren ins celsianische Sonnensystem eingeflogen. Mein Gesundheitszustand hatte zugelassen, dass ich die Steuerkontrolle übernommen hatte, die mir das Schiff bereitwillig gab. Sie kannte mich und wusste, dass ich durchaus mit ihr umgehen konnte. Jetzt waren wir von der celsianischen Raumkontrolle gerufen worden und ein älterer Celsianer mit Schnauzbart hatte nach unseren Absichten, unseren Namen und der Kennung unseres Schiffes gefragt. „Ich bin Allrounder Betsy Scott von der Sternenflotte.“, stellte ich mich vor. „Bei mir ist Shimar von den tindaranischen Streitkräften. Wir sind hier, weil unser Schiff eine Wartung bekommen soll und wir Urlaub machen möchten.“ „Interessant.“, sagte der Celsianer. „Aber die Sache mit der Wartung eines tindaranischen Schiffes is’ hier bei uns sogar bestätigt, Allrounder Scott. Sobald Sie in der Atmosphäre sind, setzen Sie Kurs 52 Vertikale 81. Das bringt Sie direkt zum Flugplatz der Werft.“ „Danke, Kontrolle.“, sagte ich und wies IDUSA an, die Verbindung zu beenden. Dann gab ich ihr die entsprechenden Gedankenbefehle.

Shimar, der sich in der Achterkabine aufgehalten hatte, betrat das Cockpit. Ihm war nicht entgangen, dass wir in die Atmosphäre eingetreten waren. „Wir sind wohl bald da, Kleines.“, sagte er. Ich nickte. Aber im gleichen Moment bekam ich das seltsame Gefühl, dass etwas mit ihm nicht stimmte. „Ist was passiert?“, fragte ich. „Ach.“, sagte er. „Ich hatte nur kurz das Gefühl, Sytania würde uns beobachten. Aber sie hat sich ganz schnell wieder aus dem Staub gemacht. Vielleicht bin ich auch nur überarbeitet und meine telepathische Wahrnehmung spielt mir einen Streich.“ „Oder.“, mischte sich IDUSA ein, die inzwischen auch seine Reaktionstabelle über seinen angeschlossenen Neurokoppler geladen hatte. „Sytania, das Mimöschen, macht sich vor uns ins Höschen.“ „IDUSA!“, zischte ich. „Was haben Sie denn, Allrounder?“, fragte sie. „Ich habe doch nur die Wahrheit gesagt.“ „Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall, IDUSA!“, stellte sich Shimar auf meine Seite. „Ich muss dich doch wohl nicht erinnern, dass dich Sytania auch schon in manch unangenehme Situation gebracht hat. Also Vorsicht! Trotzdem war dein Spruch sehr humorvoll. Dass Shannon deine Sprachroutinen von Zeit zu Zeit aufpeppt, scheint ja wirklich sehr sinnvoll zu sein.“

„Unter uns ist die Werft, Allrounder.“, meldete das Schiff einige Sekunden später. „Ich registriere ein Positionslicht.“ „Folgen, IDUSA.“, befahl ich. Ihr Avatar nickte und führte meinen Befehl aus. Wir landeten an der zugewiesenen Stelle. Dass man uns erwartete, konnte ich mir denken. Wir würden sie dem Werftpersonal übergeben und uns dann selbst zu Ginalla begeben. Meine Kenntnisse des celsianischen öffentlichen Nahverkehrs würden dazu schon ausreichen.

Mit den Worten: „Ich muss gleich zur Nachtschicht, Ginalla.“, hatte Scotty die Bar seiner Freundin wieder verlassen. Jetzt saß Ginalla über den Listen für die Zimmer. Hier hoffte sie, uns ein ganz besonderes Zimmer heraussuchen zu können, denn für spezielle Gäste war ihr das Beste gerade gut genug. Allerdings schaute sie nur mit einem Auge hin, denn das andere war aus irgendeinem unbekannten Grund ständig auf die Tür gerichtet. Diese öffnete sich alsbald und ein Luftzug kündigte den Einflug eines Wesens an. Der Luftzug hatte aber auch die unangenehme Nebenwirkung, dass alles, was sich auf den Tischen bei der Tür befand, auf den Boden fiel, oder wie das Tischtuch selbst vom Wind getragen einmal durch die gesamte Kneipe segelte, um dann am nächsten Kronleuchter hängen zu bleiben. „Horch, was kommt von draußen rein.“, murmelte Ginalla mürrisch, der die soeben in ihrer Bar betriebene Sachbeschädigung gar nicht gefiel. Sie war neugierig, wer wohl hierfür verantwortlich sein könnte.

Sie stand von ihrem Stuhl hinter dem Tresen auf und riskierte einen vorsichtigen Blick um die Ecke. Dieser Blick fiel auf ein Wesen, das sich einige Zentimeter über dem Boden dem Tresen näherte. Es hatte eine Spannweite, die Ginalla nicht wirklich in Ziffern bemessen konnte und sah aus wie ein riesiger Schmetterling. Jetzt versuchte es auch noch, auf einem der Barhocker zu landen, was ihm schlussendlich doch gelang. Durch die Anstrengung, in geringer Höhe in einem schmalen Umkreis manövrieren zu müssen, war es allerdings sehr außer Atem. Schnell holte Ginalla ein einem Blumenkelch ähnliches Gefäß, füllte es am Replikator mit künstlichem Nektar und schob es dem Fremden hin. „Na, das ist ja wohl das Mindeste.“, keuchte dieser. „Ich dachte, Sie könnten Ihre Kneipe ruhig etwas barrierefreier für Wesen wie mich gestalten.“ „Jetzt schauen Sie mal zum Dach, Mister!“, erwiderte Ginalla, die durchaus nicht auf den Mund gefallen war, mit ihrer celsianischen Kodderschnauze auf seine Beschwerde.

Der fremde Insektoide hob den Kopf aus seiner Haltung, die uns eventuell an Bauchlage erinnern würde, und richtete seine Fassettenaugen zum Dach. Hier sah er eine Luke, an der es sogar ein Schild in seiner Muttersprache gab, auf dem er deutlich das Wort Ausgang entziffern konnte. Auf der anderen Seite der Luke, die sich wohl außen befinden musste, würde wohl dann Eingang stehen. Außerdem sah er ein ausgeklügeltes System von Klappen und Röhren, die wohl die verdrängte Luft ableiten würden, wenn die Luke benutzt würde. So konnte verhindert werden, was gerade geschehen war. „Tut mir leid.“, sagte der Fremde verschämt. „Nein wirklich. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Da hat man schon den Rundumblick und kriegt es nicht auf die Reihe, ihn anständig zu benutzen. Das Chaos da geht dann wohl auf meine Rechnung.“ „Na, wir wollen mal nicht so sein.“, sagte Ginalla. „Sie sind ja einsichtig. Also, was führt Sie her?“ „Ich brauche ein Zimmer.“, sagte der Fremde, den Ginalla irgendwo her zu kennen vermutete. Auf der Hochzeit der Miray hatten wir uns unterhalten und ich hatte meine Begegnung mit einem schmetterlingsartigen Wesen erwähnt. „Oh, klärchen.“, sagte die Celsianerin, drehte sich ihrem Computer zu und gab einen verbalen Befehl auf Celsianisch. Darauf spuckte der Rechner eine Grafik aus.

„Sie haben Glück.“, sagte die celsianische Junggastronomin, nachdem sie sich wieder zu dem mysteriösen Fremden gewandt hatte. „Unser Spezialzimmer ist noch frei.“ Damit drehte sie sich nach hinten und rief: „Jasmin, zeig unserem Gast das Spezialzimmer!“

Eine zierliche Terranerin mit blonden langen Haaren kam hinter dem Tresen hervor. Sie war die Tochter terranischer Siedler und als Lehrling in Ginallas Kneipe angestellt. Mit großen Augen betrachtete sie das Wesen, das auf dem Barhocker vor ihr saß. Sie wich sogar vor Schreck einige Zentimeter zurück. „Ganz ruhig.“, beschwichtigte der Fremde mit seiner tiefen leisen beruhigenden Stimme. „Lernen wir uns doch erst mal kennen. Dann wirst du auch bald merken, dass ich weder beiße noch steche. Also, du heißt Jasmin, hörte ich und ich heiße Korelem.“ „Hab ich’s doch geahnt.“, zischte Ginalla in ihren nicht vorhandenen Bart. „Er is’ es tatsächlich.“

Ratlos starrte die Jugendliche abwechselnd auf die Tür und auf Korelem. „Wo ist das Problem?“, fragte er. „Wie machen wir das mit dem Lift?“, fragte Jasmin. „Ich meine, ich kann ihn benutzen, aber Sie … Ich meine, es gibt hinter der Tür zum Flur auch ein System von Röhren, das zum Durchflug für Leute wie Sie geeignet ist. Es verbindet die Stockwerke. Aber das kann ich ja wiederum nicht benutzen.“ „Na, dann würde ich mal sagen, du sagst mir, in welchem Stock das Zimmer ist und wir treffen uns dort. OK?“, versuchte Korelem, ihre Aufregung zu lindern und die Wogen zwischen ihnen zu glätten. „Vierte Etage.“, stammelte Jasmin. „Also dann.“, sagte Korelem. „Treffen wir uns in der vierten Etage. Den Zimmerschlüssel bringst du mit. OK?“ Das Mädchen nickte und Korelem nahm seinen Koffer, den er immer noch bei sich trug, mit Vorder- und Hinterfüßen auf, nachdem er vom Barhocker wieder gestartet war.

Ginalla zog etwas aus einer Schublade. Es war eine kleine Karte, die sie ihrem Lehrling übergab. „Du bist ja total aufgeregt.“, stellte sie fest. „Aber du wirst dich hier noch an einiges gewöhnen müssen. Wir haben eben nich’ nur humanoide Kunden.“ „Ich werde es mir merken, Chefin.“, erwiderte Jasmin besserungsbereit. „Entschuldigung.“ „Ach.“, sagte Ginalla locker. „Is’ schon OK. Schwamm drüber. War ja auch dein erstes Mal, dass ich dich auf so einen losgelassen habe. Wollte halt mal sehen, wie du reagierst. Solange das nich’ schlimmer wird, hab’ ich da gar keine Bedenken. Wirst dich schon dran gewöhnen, so wie du gebaut bist. Aber nun mach dich hinterher. Mr. Korelem wartet sicher schon.“ Jasmin nickte und witschte in Richtung Lift davon.

Tatsächlich hatte sich Korelem in der Nähe eines Blumenkübels niedergelassen und wartete hier auf seine Begleitung. Das Röhrensystem hatte für ihn kein Hindernis dargestellt. Die Luken zum Ein- und Ausflug waren gut beleuchtet und großzügig bemessen gewesen.

„Tut mir leid, Mr. Korelem.“, sagte Jasmin, als sie den Lift in der vierten Etage verließ. „Ich hoffe, Sie sind in den Durchflugröhren zurechtgekommen.“ „Oh, ja.“, beruhigte der Alaraner. „Sie sind ja sehr gut ausgeschildert. Das mit dem Eingang war ja mein Fehler. Da kann ja keiner von euch was für, wenn ich meine Augen überall habe aber nicht dort, wo sie sein sollten. Aber nun zeig mal. Wo ist euer Spezialzimmer?“

Jasmin winkte und wuselte voran. Korelem folgte ihr in langsamem Flug. Dabei blieb er immer in Höhe ihrer rechten Schulter. In den weit verzweigten Gängen kannte sie sich aus.

Endlich waren sie bei einer Tür angekommen. Jasmin zog die Schlüsselkarte aus der Tasche und schob sie in ein Laufwerk neben dem Eingang, aber leider falsch herum. Das hatte zur Folge, dass der Rechner folgende Meldung ausspuckte: „Sicherheitskarte ungültig. Bitte wenden Sie sich an die Rezeption.“ „Das kann ich mir nicht erklären.“, sagte Jasmin hektisch. „Aber ich.“, lächelte Korelem und stellte seinen Koffer ab, um seine Vorderfüße zum Halten der Karte frei zu haben. „Gib mal her.“ Dann nahm er ihr die Karte vorsichtig ab und drehte sie langsam, was für den Teenager gut sichtbar war. „Ach so.“, sagte Jasmin erleichtert. „Und ich dachte schon.“

Die Tür glitt in den Boden und gab den Blick auf die Inneneinrichtung des Zimmers frei. Korelem und Jasmin sahen einen in Grasgrün eingerichteten Raum. In seiner Mitte gab es ein Gestell, das einer riesigen künstlichen Blume von ca. einem Meter Höhe glich. Die Blüte dieser Blume hatte einen Durchmesser von ca. zwei Metern und war wie eine riesige runde Matratze aufgebaut, die mit Schaumstoff in Blattform umrandet war. Bezogen war sie mit gelbem Stoff. Das Ganze stand auf einer Spiralfeder, um Bewegungen einer Blume im Wind nachahmen zu können. „Na, das wird mein Schlafplatz sein.“, erklärte Korelem auf Jasmins fragenden Blick. „Sorry, Mr. Korelem.“, entgegnete die Jugendliche stammelnd. „Ist alles noch neu für mich.“ „Mein aufgeregtes Mäuschen!“, rief Korelem aus. „Du warst hier drin noch nie, was?“ Jasmin schüttelte den Kopf. „Was kann ich tun, um dich zu beruhigen?“, fragte der Schmetterlingsartige mit mitleidigem Blick. „Sie könnten mir sagen, dass alles in Ordnung ist.“, sagte Jasmin. „Gleich.“, sagte Korelem. „Erklär’ mir doch noch mal bitte, was ich dort wohl finde.“ Er deutete mit einem seiner Flügel auf eine weitere etwa drei Meter hohe Knospe aus Metall, die sich in der rechten hinteren Ecke des Zimmers befand. An ihrer Spitze befand sich ein Bedienfeld mit einem Sensor. „Ihr Kleiderschrank.“, sagte Jasmin knapp. „Wenn Sie das Feld mit den Fühlern berühren, geht er auf.“ „Ah.“, machte Korelem und sah sich weiter im Zimmer um. Die Tür zum Bad, die wie die Eingangstür auch in den Boden verschwand, hatte er erspäht. Die Dusche glich einer Regenwolke. Auch eine weitere Blüte in Holzoptik, in welcher der Replikator stand, war in der linken vorderen Ecke des Wohnraums vorhanden. Die Displays an den Wänden zeigten Pflanzenmotive. Bei der Tür befand sich auch die Sprechanlage und der Rechner, die ebenfalls mit den Fühlern zu bedienen waren. Das Display war in einem Winkel angebracht, der sehr bequem für Fassettenaugen war.

Korelem zog sie zu dem einzigen an der Rückwand des Zimmers vorhandenen normalen Stuhl und sagte: „Setz dich, bevor du mir hier noch umkippst.“ Dann replizierte er eine riesige Tasse mit heißer Schokolade, die er ihr schluckweise einflößte. Jasmin war erstaunt, wie kunstfertig er beim Fliegen und mit seinen Vorderfüßen war. „Das lernen wir genau so wie ihr das Laufen.“, sagte Korelem. „Schon gut.“, sagte Jasmin und schaute beschwichtigend.

„Wenn dir die Begegnung mit anderen Spezies solche Angst macht.“, sagte Korelem, nachdem er die Tasse, die sie inzwischen vollständig geleert hatte, abgestellt hatte. „Dann solltest du über einen anderen Beruf nachdenken, in dem du keinen Kundenverkehr hast. Ich kann dir allerdings auch anbieten, dass du an mir üben darfst, solange ich hier bin. Sicher kann ich mit deiner Chefin darüber reden.“ „Sie sind in Ordnung, Mr. Korelem.“, sagte Jasmin, die kurz vor dem Weinen war und nur hoffte, er würde das nicht sehen. Wenn sie die Nervennahrung in Form der heißen Schokolade nicht gehabt hätte, wäre es sicher schon dazu gekommen. „Danke, Mrs. Jasmin.“, lächelte Korelem, wonach sie ihn verwirrt ansah. „Nur Jasmin.“, korrigierte sie leise. „Genau wie bei mir.“, sagte er. „Ich heiße auch einfach nur Korelem. Und nun hör mal her. Es ist alles in Ordnung! Ich komme jetzt zurecht. Jetzt werde ich erst mal auspacken.“ „Dann werde ich Sie nicht mehr stören.“, sagte Jasmin höflich und ging.

Korelem zog sich seinen Koffer heran, klopfte einen bestimmten Code mit den Fühlern an einen Sensor und wartete ab, bis der Deckel sich geöffnet hatte. Dann nahm er einen Gegenstand, der wie ein großes Weinglas aussah, heraus und verschloss den Koffer wieder. Für das, was er vorhatte, konnte er zunächst keine Gesellschaft gebrauchen und war froh, jetzt endlich allein zu sein.

Er stellte den Kelch vor sich auf den blütenartigen Tisch. Der Kontaktkelch war mit imperianischen Blumen und den geflügelten Löwen, den Wappentieren Logars, verziert. Dann atmete Korelem konzentriert aus, um sich das Gesicht des imperianischen Herrschers vorzustellen, nachdem er seine Vorderfüße auf den Fuß des Kelches gelegt hatte. Du kontaktierst mich spät!, hörte er Logars tadelnde telepathische Stimme in seinem Geist. Es tut mir leid, Milord. Aber es gab Komplikationen. Wenn Ihr mich mit Euren seherischen Kräften beobachtet habt, dann wisst Ihr ja Bescheid., erwiderte Korelem ebenfalls in Gedanken. Sehr selbstbewusst., lobte Logar. Ich weiß schon, warum ich dich in diesem Fall zu meinem Auserwählten gemacht habe. Wenn du weiterhin ein solches Selbstvertrauen an den Tag legst, sehe ich keine Probleme bei dem, für das ich dich brauche. Ich auch nicht, Majestät., lächelte Korelem. Dann sind wir uns ja einig., dachte Logar. Es wird auch bald los gehen für dich. Die Beiden, um die es geht, nahen bereits. Du weißt, was du zu tun hast. Das weiß ich, Milord., versicherte Korelem. Das weiß ich. Damit ließ er seine Vorderfüße vom Kelch gleiten und diesen in einem Fach seines Kleiderschrankes verschwinden. Niemand sollte ihn zu Gesicht bekommen. Zumindest noch nicht.

Scotty war zu seiner Schicht auf der Werft angetreten und die Schichtleiterin, eine alte Freundin, hatte ihm die Wartung IDUSAs übertragen. Auf einem Steg, der eine Brücke zwischen den Andockplätzen bildete, ging er nun auf den Platz zu, an den sie von einem celsianischen Schlepper nach unserer Übergabe gebracht worden war. Sofort nachdem ihre Sensoren ihn erkannt hatten, öffnete sie bereitwillig die Luke und ließ ihn einsteigen.

Scotty setzte sich auf den Sitz hinter der Steuerkonsole und drehte sich zum Bordmikrofon. „Hallo, Schiffchen.“, sagte er. „Na, kennst du mich noch?“ „Ich kenne und erkenne Sie, Techniker Scott.“, sagte IDUSA, die jetzt ihrerseits den Bordlautsprecher benutzte, denn sie hatte längst registriert, dass Scotty keinen Neurokoppler bei sich trug. „Sind Sie für meine Wartung zuständig?“ „Ja, das bin ich.“, sagte der ältere Terraner. „Du musst dir also keine Sorgen machen. Du bist in den besten Händen, Schiffchen, nämlich in meinen.“ „Danke, Techniker Scott.“, erwiderte IDUSA höflich. „Aber wenn Sie es genau wissen wollen, sorge ich mich auch nicht um mich, sondern eher um Ihre Frau. Der Gesundheitszustand des Allrounders ist bedenklich, seit sie …“

Scotty wurde blass, was sie sofort bemerkt hatte. Dies war auch der Grund, aus dem sie ihren Satz nicht beendet hatte. „Was is’ mit meiner Frau, Schiffchen?!“, fragte Scotty aufgeregt. „Was weißt du?!“ „Ich müsste es Ihnen eigentlich zeigen.“, sagte IDUSA. „Aber Sie haben ja keinen Neurokoppler und ich weiß, dass Sie so etwas auch nicht gern benutzen.“ „Da hast du wohl was falsch verstanden, Schiffchen.“, sagte Scotty. „Ich hab’ nix gegen Neurokoppler. Sie zu benutzen, bin ich nur nich’ gewohnt. Aber du kannst mir doch sicher mit einem aushelfen. Ich mein’, für deinen Replikator is’ so was doch ’ne Fingerübung, nich’ wahr?“ „Da haben Sie Recht.“, sagte IDUSA und ein Lämpchen am Auswurffach des Replikators zeigte an, dass das von Scotty geforderte Gerät dort bereitlag. „Ah, danke, Schiffchen.“, sagte Scotty und nahm es heraus. Dann steckte er den Anschluss in den Port, den IDUSA ihm ausleuchtete. „Ich werde jetzt eine Neurotabelle von Ihnen erstellen.“, erklärte sie. „Das wird etwas dauern. Bitte bewegen Sie sich nicht und sprechen Sie bitte auch nicht.“

Scotty wartete bereitwillig ab, bis sie mit der Ableitung seiner Nervensignale fertig war. Dann sah er in das Gesicht des Avatars. „Endlich lernen wir uns mal richtig kennen, Schiffchen.“, sagte er mit einem Lächeln. „Das stimmt, Techniker Scott.“, antwortete sie. „Ach, nenn mich doch einfach Scotty.“, bot er an. „Dann nennen Sie mich aber auch nicht mehr Schiffchen, sondern IDUSA.“, machte sie zur Bedingung. „OK, IDUSA.“, entgegnete Scotty. Dabei betonte er ihren Namen besonders. „Dann zeig mal her, was du weißt.“ „Ich muss Sie warnen.“, sagte IDUSA, bevor sie die Aufzeichnung, die sie von meiner Aussage gegenüber Shimar und dem, was er aus meinem Geist gelesen hatte, erstellt hatte, abspielte. Shimar hatte ihr alles übermittelt, was er bei mir gesehen hatte. Da er einen Neurokoppler getragen hatte, war das für ihn kein Problem gewesen.

Die Details der Aufzeichnung ließen Scotty erneut erblassen. „Um Himmels Willen!“, rief er aus. „Meine arme, arme Betsy! Tut mir leid, IDUSA, aber unter den Umständen kann ich mich nich’ auf die Arbeit konzentrieren.“ „Was wollen Sie Ihrer Schichtleiterin sagen?“, fragte das Schiff. „Ich werde sagen, dass ich etwas Falsches gegessen hätte.“, sagte Scotty. „Das zieht meistens. Sie wird ja nicht wollen, dass ich dir deine empfindliche Elektronik voll kotze.“ „Davon würde ich auch abraten.“, sagte IDUSA. „Vom tindaranischen Militär könnte es sonst Regressforderungen hageln. Ihre Chefin wäre sicher nicht begeistert, wenn das auf die Werft zukäme.“ „Also.“, sagte Scotty. „Dann lass mich mal schnell raus und ins Büro von meiner Chefin. Wenn ich noch so schön blass bin, könnte das meine Ausrede noch untermauern.“ „Ich weiß was Besseres.“, sagte IDUSA, erfasste ihn mit dem Transporter und setzte ihn genau vor seiner völlig verdutzten Schichtleiterin ab.

Milarah, eine ältere Celsianerin mit langen roten Haaren, staunte nicht schlecht, als sie ihres Untergebenen plötzlich ansichtig wurde. „Wie kommst du denn hier her, Scotty?“, fragte sie. „Hatte ich dich nicht gerade zur Wartung des tindaranischen Schiffes eingeteilt?“ „Das hast du, Milarah.“, sagte Scotty etwas leidend und hielt sich den Magen. „Aber sie hat mich ganz schnell hierher gebeamt. So zu sagen aus Selbstschutz.“ Er verzog theatralisch das Gesicht. „Selbstschutz?“, fragte Milarah. „Was soll ich darunter … Ach du meine Güte!“ Erst jetzt war ihr aufgefallen, wie schlecht es Scotty gehen musste. Die daraus entstehenden Konsequenzen für IDUSA konnte sie sich denken. „Na, ich würde mal sagen.“, begann sie. „Du besuchst gleich erst mal die sanitären Anlagen und dann gehst du nach Hause und kurierst dich aus. Du siehst ja echt nich’ gut aus, Scotty. Jemand von deinen Kollegen wird IDUSA übernehmen.“ „Danke, Milarah.“, sagte Scotty leidend und ging aus der Tür. Sein Weg führte ihn tatsächlich in Richtung der Bäder für das Werftpersonal, aber er nahm dort eine kleine Hintertür, die ihn direkt auf den Parkplatz führte. Hier stieg er in seinen Jeep und fuhr in Richtung Ginallas Bar davon. Hier, oder irgendwo zwischen dort und der Werft, würde er schon auf uns treffen.

Shimar und ich waren unter den Straßen des Städtchens, in dem Scotty und Ginalla wohnten, im unterirdischen Netz für Ort zu Ort Transporte unterwegs. Vor einem der Terminals warteten wir jetzt in der Schlange, bis wir dran waren. Derweil führten wir eine Unterhaltung, in der Shimar das Thema aus irgendeinem unerfindlichen Grund auf die Vergangenheit der Föderation lenkte. „Sag mal, Kleines.“, begann er. „Wenn der Mississippi ein Fluss auf der Erde ist und die Shuttles auf Deep Space Nine alle nach Flüssen benannt wurden, warum gab es dann dort keine Mississippi? Ich meine, das war doch irgendwo nahe liegend, oder?“

Ich stand wie erstarrt da. Erst jetzt war mir etwas aufgefallen. Auf dem Flug hatte Shimar noch behauptet, sich an dem Wort Mississippi die Zunge zu brechen und jetzt hatte er es, wenn man das Mal im Shuttle mitzählte, mindestens drei mal geschafft, es fehlerfrei über die Lippen zu bringen.

Ich schlang meine Arme um ihn, drückte ihn an mich und quietschte aus voller Kehle: „Ich flipp’ aus! Ich schnall’ ab! Ich mach ’n Flickflack rückwärts! Du hast es schon wieder hingekriegt!“ Dabei wurde meine Stimme immer höher. Besonders bei den I-Lauten. Dann drückte ich ihm noch zwei feuchte Küsse links und rechts auf die Wangen und einen direkt auf den Mund, bevor ich ihn wieder losließ. Was ich die gesamte Zeit über nicht bemerkt hatte, war, dass wir von einer Gruppe Celsianer umringt waren, die Beifall klatschten. Auf jedem anderen Planeten hätte mein Verhalten vielleicht eher ein peinliches Achselzucken bei den Umstehenden ausgelöst, aber nicht im real existierenden Humorismus. Hier schien man sich mit mir zu freuen und eine der Frauen aus der Gruppe sagte sogar so laut, dass es wirklich alle hören konnten: „Jawohl, Mädel! Schlabber ihn mal richtig ab dafür! Is’ ja auch ’ne ganz schön stramme Leistung. An dem Wort sind nämlich echt schon viele gescheitert!“ Dann schwankte ein Mann auf uns zu, der wohl schon einiges getrunken hatte und wandte sich an Shimar: „Herzlichen Glückwunsch, Soldat. Ich hoffe, ich krieg’ irgendwann in meinem Leben auch mal eine ab, die sich so köstlich freuen kann.“ Dann hickste er einige Male und verschwand mit ordentlich Schlagseite hinter der nächsten Ecke. Dabei sang, oder besser lallte, er eine celsianische Liebesschnulze. Allerdings völlig schief und aus dem Takt und um einiges zu laut. „Wieso wusste der, dass ich …“, flüsterte Shimar mir zu. „Kann es sein, mein lieber Schatz.“, vermutete ich. „Dass du noch immer deine Uniform trägst? Ich meine, ich bin in Zivil, aber du …“ Shimar sah an sich herunter. „Tatsächlich.“, bemerkte er. „Verdammte Gewohnheit!“

„Hey, meine zwei Turteltäubchen!“ Eine bekannte Stimme hatte uns dies zugerufen und schwere bekannte schnelle männliche Schritte kamen um die Ecke. Die Stimme und die Schritte hatte ich längst erkannt. „Scotty!“, rief ich. „Wir sind hier!“

Es dauerte eine weitere kurze Weile und dann stand er vor uns. „Da seid ihr ja.“, sagte er atemlos. „Ich dachte schon, ich würde euch verpassen. Passanten haben euch hier rein gehen seh’n. Aber wer steht schon gern in der Schlange vor dem Transporter, wenn er eine Fahrt im privaten Jeep haben kann?“ „Wir bestimmt nicht.“, lächelte Shimar und nahm meine Hand: „Komm, Kleines.“

Mit einem Turbolift verließen wir die Transporterstation und dann ging es zum nahen Parkplatz, auf dem Scotty sein Fahrzeug abgestellt hatte. „Ich hab’ schon alles geregelt.“, sagte Scotty, als er gemeinsam mit Shimar unsere Koffer in den Kofferraum lud. „Ich mein’, die Sache mit dem Zimmer bei Ginalla und so.“ „Wenn wir dich nicht hätten und die dicken Kartoffeln.“, rezitierte Shimar einen terranischen Spruch, den er wohl irgendwann von mir gelernt haben musste. „Du machst dich, Junge, du machst dich!“, lobte Scotty und klopfte ihm auf die Schulter.

Ich war hinten in den Jeep gestiegen. „Aber Darling.“, wunderte sich Scotty. „Möchtest du denn nach so langer Zeit gar nich’ bei deinem Mann sitzen?“ „Sie fühlt sich nicht wohl.“, antwortete Shimar für mich. „Sie hat …“ „Ich weiß.“, unterbrach Scotty ihn, während er den Jeep startete, um ihn dann auf die Hauptstraße zu lenken. „Dein Schiff war so frei.“ „Oh.“, machte Shimar bedient. „Dann weißt du …“ „Ich weiß alles.“, sagte Scotty. „Aber dann weiß ich auch, dass wir uns um so mehr um sie kümmern müssen. Irgendwann müssen wir die ganze Geschichte aber auch bestimmt melden. Ich mein’, das geht sicher nich’ so einfach von allein wieder vorbei. Wenn wir nich’ rechtzeitig die Bremse ziehen, dann fährt Sytania uns auf direktem Weg in die Scheiße. Wir müssen uns was einfallen lassen.“ „Sehe ich genau so.“, stimmte Shimar zu. „Aber das muss gut durchdacht sein.“ „Oh ja.“, sagte Scotty. „Sonst zerreist Lady Widerlich unseren schönen Plan in der Luft, bevor wir piep sagen können. Aber jetzt erst mal ab zu Ginalla!“ Damit beschleunigte er den Jeep.

Kapitel 14: Tcheys Beichte und deren Konsequenz

von Visitor

 

Die Rettungsshuttles und die Schiffe vom Geheimdienst hatten die Umlaufbahn der Erde erreicht. Dort hatte man sich wieder getrennt. „OK, D/4.“, sagte Sedrin. „Sobald wir am Raumflughafen der Einsatzzentrale gelandet sind, beamen Sie die Leiche unseres Aldaners direkt in einen portablen Stasecontainer. Ich will nicht, dass die Stasekette irgendwie unterbrochen wird, bevor Cupernica ihn sich ansehen kann.“ Die Sonde nickte und nahm über ihr Antennenset, das sie immer bei sich hatte und das in Verbindung mit den Systemen des Shuttles stand, direkten Kontakt zu dessen Rechner auf. „Es sind zwei Leichen im Stasecontainer im Laderaum, Agent.“, meldete sie. „Außerdem registriere ich ein Biozeichen.“ „Ein Biozeichen?!“, echote Sedrin leicht empört. Sie dachte sich schon, dass hier etwas nicht stimmen musste. Die Andeutungen, die Tchey am SITCH gemacht hatte, waren eindeutig zweideutig gewesen, zumindest dann, wenn man sich auf das Thema Ehrlichkeit bezog. Da die Agentin wusste, dass die reptiloide Pilotin für ihre Eskapaden bekannt war wie ein bunter Hund, stellte sie sich mit einem strengen Blick direkt neben Tcheys Platz. Dann sagte sie: „Was in aller Welt haben Sie wieder gemacht, Tchey?!“ „Wieso ich.“, tat die Angesprochene unschuldig. „Ich habe uns nur eine Zeugin besorgt. Mehr nicht.“

Seufzend ließ sich Sedrin auf den Copilotensitz fallen und zählte in Gedanken bis zehn. Sie wusste, mit Strenge würde sie hier nicht weit kommen. Tchey würde so schnell nicht einknicken. Außerdem war ihr durchaus bekannt, dass sie, wenn ihre Methoden auch oft sehr merkwürdig anmuteten, im Ergebnis oft doch sehr gut zur Lösung eines Problems hatte beitragen können. Deshalb fragte sie nur ganz ruhig: „Was ist das mit dieser Zeugin, Tchey?“ „Sagen wir mal so.“, sagte die Reptiloide in der Absicht, noch nicht ganz mit der Sprache herauszurücken. „Es könnte etwas schwierig werden, mit ihr zu kommunizieren.“ „Was meinen Sie damit, Tchey?“, fragte Sedrin nach, die langsam genug von Tcheys Herumschleichen um den heißen Brei hatte. „Wir haben Universalübersetzer, die fast jede Sprache können. Es dürfte nicht schwierig werden, uns mit ihr zu verständigen. Aber warum reist sie im Frachtraum? Warum haben Sie ihr nicht gestattet, in der Achterkabine mitzufliegen? Ich finde dies eine sehr unwürdige Behandlung!“ „Weil es nicht anders ging, Agent.“, sagte Tchey. „Sie ist größer, als die Bänke in der Achterkabine breit sind. Sie wäre bei jeder Kurve ins Kraftfeld gefallen und das hätte sie nicht verstanden. Dann wäre sie noch durchgedreht. Glauben Sie mir, es war so viel besser.“ „Was zur Hölle meinen Sie damit, Tchey.“, bohrte Sedrin nach. „Ich meine, man hätte ihr doch sicher alles erklären können. Ich wundere mich ohnehin, dass sich jemand einfach so von Ihnen in den Frachtraum sperren lässt. Aber unter den Umständen, die wir auf dem Mars gesehen haben, ist das wohl völlig normal. Trotzdem finde ich es ziemlich fies von Ihnen, die Lage einer so willenlosen Person derart auszunutzen.“ „Ich habe keine Lage ausgenutzt.“, sagte Tchey. „Und eine Person ist sie auch nicht.“ „Was ist Ihre Zeugin denn dann?!“, fragte Sedrin in leicht aufgeregtem Zustand. „Etwa ein Geist? Na ja. Wir werden ja gleich sehen!“

Sie stiefelte durch die Achterkabine des Shuttles in den Frachtraum. Tchey hatte dem System des Schiffes befohlen, ihr alle Türen zu öffnen. Sie wusste, jetzt war die Stunde der Wahrheit gekommen. Es gab kein Zurück mehr. Bald würde sie Farbe bekennen müssen.

Die Agentin war bei der letzten Tür angekommen. Als diese zur Seite glitt, traute Sedrin ihren Augen kaum. Vor ihr schob sich ein schwarzer Schatten aus dem Raum und blieb vor ihr stehen. Dann begann dieser Schatten auch noch, aus voller Kehle zu schnurren und drückte sich an sie. Da Yara gut 60 kg wog, hatte Sedrin ganz schön zu tun, stehen zu bleiben. „Ist ja gut.“, sagte sie. „Du bist also unsere Zeugin. Na ja. Wir werden eine Möglichkeit finden müssen, mit dir zu reden, wie es scheint. Aus den menschlichen Überlebenden ist ja nichts heraus zu bekommen. Da hat Tchey wohl doch richtig gehandelt. Ich nehme jetzt eine DNS-Probe von dir. Das tut nicht weh. Dann kann man auch ganz leicht herausfinden, wie du heißt und wem du gehört hast.“

Sie zog ihren Erfasser und stellte per Menü ein bestimmtes Programm ein, mit dessen Hilfe das Gerät die DNS des Tieres fotografierte. Dann schloss sie es an ihr Sprechgerät an, um darüber mit einer schnell verfassten Mail einen Rundruf an alle Tiermediziner zu schicken. Irgendeiner von denen würde sie hoffentlich in seiner Patientenkartei finden. Auch das zentrale Haustierregister der Föderation vergaß sie nicht.

Das Schiff machte plötzlich eine Abwärtsbewegung und das Schnurren des Tieres verstummte. Es stellte sich aufrecht hin und sein peitschender Schwanz verriet Angst oder Aufregung. Sedrin, die solche Tiere aus ihrer Kindheit auf Demeta kannte, wusste sofort, wie sie dieses Verhalten zu deuten hatte. Sie strich der Wollkatze beruhigend über den Rücken und flüsterte: „Ist gleich vorbei, Schmusi. Wir landen doch nur. Wenn wir damit fertig sind, bringen wir dich erst mal ins Tierheim, bis wir wissen, wo du hingehörst. Dann kümmere ich mich persönlich um jemanden, der zwischen uns und dir vermitteln kann. Wenn du irgendwas gesehen hast, dann ist es wichtig, dass du es uns sagst. Sonst finden wir nie heraus, was da bei euch eigentlich los war.“

Rescue One setzte auf und Sedrin benutzte die Außenluke des Frachtraums, um es zu verlassen. Yara war zurückgeblieben. Die Umgebung, in der sie sich jetzt befand, barg für sie zu viele fremde Eindrücke und hier im Bauch des Shuttles fühlte sie sich sicher.

Entlang am Schiff führte Sedrin ihr Weg nun zum Cockpit. Hier stiegen auch gerade Tchey und D/4 aus. „Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Tchey.“, sagte sie. „Sie haben alles richtig gemacht. Nur hätten Sie mich über die Sache mit der Wollkatze informieren müssen.“ „Hätten Sie denn die Erlaubnis gegeben, Agent?“, fragte Tchey verwundert, die wohl angesichts von Sedrins Standpauke vorhin eine andere Reaktion erwartet hatte. „Ich meine, normalerweise ziehen Sie und Ihre Kollegen doch menschliche Zeugen vor.“ „Normalerweise.“, sagte die demetanische Agentin ruhig. „Aber wenn Sie wüssten, Tchey, was ich weiß, dann würden Sie auch auf ungewöhnliche Wege zurückgreifen, um diesen Fall zu lösen.“ „Soll das bedeuten, Sie lassen Davis tatsächlich nach so ’nem Verhaltenstypen suchen?“, fragte Tchey ungläubig, die sich die Reaktion der Agentin irgendwie immer noch nicht ganz erklären konnte. „Ja, Tchey!“, sagte Sedrin. „Weil so ein Verhaltenstyp, oder besser gesagt Tiertrainer, der Einzige ist, der uns jetzt helfen kann. Er oder sie wird wissen, wie ich meine Fragen an dieses Tierchen zu richten habe und auch ihre Antworten interpretieren können. Ein normales Verhör wird hier wohl nicht möglich sein. Aber jetzt … Entschuldigung.“

Sie war auf ein Signal ihres Sprechgerätes aufmerksam geworden. „Hier Agent Sedrin.“, meldete sie sich. „Ich bin Nara.“, sagte eine hohe leise liebe Stimme am anderen Ende der Verbindung. „Ich bin Mitarbeiterin des zentralen Haustierregisters der Föderation. Es geht um die DNS-Probe, die Sie uns geschickt haben, Agent Sedrin. Es ist uns immer ein Vergnügen, den Ordnungsorganen behilflich zu sein. Aber was macht der Geheimdienst mit dem Haustier einer unserer Klientinnen? Ich meine, Sie greifen doch nur ein, wenn feindlicher außerirdischer Einfluss zu befürchten ist. Wenn das Mäuschen ausgerissen ist, dann ist das doch normalerweise Sache der Polizei, oder?“

Sedrin überlegte. Sie durfte dieser Zivilistin dort am Sprechgerät auf keinen Fall sagen, was wirklich passiert war! Sie hatte gelernt, dass es das A und O war, keine Massenpanik zu verbreiten, aber genau das würde unter Umständen geschehen, wenn sie ihr alles verraten würde. Also log sie: „Ich habe sie auf einem privaten Spaziergang aufgelesen.“ „Ach so.“, lächelte die schwarzhaarige Frau, eine Elyrierin in heller freundlicher Bürokleidung, ins Mikrofon. „Na dann: Ihr Name ist Yara und sie gehört Lorana, die 135 Miller Street in der Marskolonie wohnt.“ „Ach, da bin ich gleich um die Ecke.“, log Sedrin weiter. „Ich bringe sie sofort vorbei.“ „Tun Sie das.“, lächelte Nara unwissend. „Lorana wird sich bestimmt sehr freuen. Mich wundert nur, dass noch keine Vermisstenmeldung zu der Kleinen eingegangen ist. Aber vielleicht hat es ihr Frauchen auch noch nicht gemerkt.“ Damit beendete sie die Verbindung.

„Wo lernt man eigentlich, so eiskalt zu lügen?“, fragte Tchey. „Auf der Agentenschule.“, sagte Sedrin kalt lächelnd. „Glauben Sie mir. Es wird für alle Beteiligten besser so sein. Aber jetzt benötige ich erst mal einen Jeep. Wir müssen Yara ins Tierheim bringen. Dann werde ich Kelly alle Leute raussuchen lassen, die sich mit dem Verhalten von demetanischen Wollkatzen auskennen. Ach, da sind ja noch die Leichen. Beamen Sie beide in die Gerichtsmedizin und verständigen Sie Cupernica.“ „Sofort, Agent.“, sagte Tchey erleichtert. „Ich hoffe nur, Sie finden es nicht schlimm, dass beide in einem Container reisen mussten. Hätte ich den Zweiten in Betrieb genommen, hätte das noch mehr Fragen aufgeworfen. Aber …“ „Angesichts der Tatsachen wäre das sicher nicht schlimm gewesen.“, sagte Sedrin. „Sie wissen doch, dass Sie mir vertrauen können. Ich urteile niemanden schnell ab, egal, was für einen Ruf derjenige auch immer haben mag und ab jetzt keine Geheimnisse mehr zwischen uns, in Ordnung?“ „In Ordnung, Frau Geheimdienst.“, sagte Tchey bedient. Mit einer solchen Reaktion ihres Gegenüber hatte sie wohl nicht gerechnet.

Im Antiuniversum hatten sich die böse T’Mir und die Antinugura auf Antivulkan getroffen. Die Präsidentin der Antiföderation hatte ja bereits mit der vulkanischen Präsidentin gesprochen. Allerdings bemerkte sie erst jetzt, wie gut man mit ihr böse Pläne schmieden konnte.

Die Beiden saßen in einem Garten vor dem Haus T’Mirs, das einem Schloss ähnelte, zusammen. Sicherlich würde dies den Meisten etwas seltsam erscheinen, sind doch die Vulkanier im Allgemeinen als sehr bescheiden bekannt. Da aber die böse T’Mir nach eigenen Angaben das genaue Gegenteil ihres positiven Ich war, ließ sich auch denken, dass sie ein viel größeres Streben nach Macht besaß. Also hatte sie sich auf ihrem Planeten auch diesen Palast bauen lassen. Der Park, in dem sie nun mit der Antinugura saß, war nicht weniger protzig, als das Haus selbst, das mit seinen Türmchen und Rundbögen einem mittelalterlichen Herrenhaus glich. Die Wände waren mit Gold verziert und Statuen im Eingang zeigten alte heidnische vulkanische Götter, die von den Vulkaniern lange vor der Umkehr zur Logik angebetet wurden. Der Gott des Todes auf der Rechten und der des Krieges zur linken Seite flankierten sogar das Eingangstor.

Durch dieses war die Antinugura nun also geschritten und saß nun neben T’Mir auf einer Bank, die in einem Gartenhäuschen stand, das in seiner Aufmachung einem der Tempel für ebendiese Gottheiten glich. „Sie haben es sehr schön hier.“, bemerkte die böse Nugura. „Oh, ja, das habe ich wohl.“, bestätigte die böse T’Mir und ließ ihren Blick über den Park schweifen, als wollte sie ihre Augen buchstäblich in ihrem Besitz baden lassen. „Das hier ist alles meins! Alles meins!“ Sie lachte gierig auf.

Die Antinugura folgte ebenfalls dem Blick ihrer Sitznachbarin. Dann sagte sie: „Mir fällt auf, dass es hier übermäßig viele terranische Kakteen gibt. Hat das einen bestimmten Grund?“ „Ja, den hat es.“, antwortete die Vulkanierin kalt. „Kakteen haben Stacheln. Sie sind das Sinnbild der Bewaffnung! Zumindest sind sie das für mich!“ „Das ist wohl auch der Grund für die vielen Dornenhecken, die Ihren Garten umgeben, nicht wahr?“, fragte die Antinugura, die sich ihre Antwort eigentlich schon denken konnte, sie aber in der Absicht, sich bei T’Mir einzuschmeicheln, gern aus ihrem eigenen Mund gehört hätte. „Genau das.“, bestätigte T’Mir. „Aber Sie sind doch sicher nicht gekommen, um mit mir über Pflanzen zu debattieren.“ „Nein, liebe Kollegin.“, sagte die Antinugura. „Das bin ich fürwahr nicht. Ich bin hier, um mit Ihnen zu besprechen, auf was für eine Mission wir unsere neue Sternenflotte schicken sollen.“ „Ist sie denn schon so weit?“, fragte die Vulkanierin. „Und ob sie das ist.“, grinste die Antinugura kalt. „Radcliffe hat ihre Bildung gut vorangetrieben und ich denke, wir können sie bereits auf Mission hinter einer ungeliebten Zeugin herschicken. Warten Sie einen Moment, Nugura. Ich werde Ihnen verdeutlichen, was ich meine.“

Sie zog einen portablen Rechner aus einer Tasche ihres Kleides und startete das System. Dann zeigte sie auf den Bildschirm: „Sehen Sie! Das ist das Register aller Schiffe, die unsere Sternenflotte jetzt schon besitzt.“ Nugura ließ beeindruckt die Namen auf sich wirken. „Das bedeutet ja.“, stellte sie nach einer Weile fest, „Dass quasi jedes Schiff im guten Universum bei uns ein genaues Gegenstück hat.“ „Genau das.“, sagte T’Mir. „Aber es bedeutet noch etwas anderes. Die Zeugin, von der ich gerade sprach, wird gar nicht darauf gefasst sein, von den Schiffen attackiert zu werden. Sie wird glauben, sie kämen, um sie in ihre Arme zu schließen und ihr eine Aussage abzunehmen. Aber da hat sie sich geschnitten! Wir werden ihr den Garaus machen!“ „Wer ist diese Zeugin, T’Mir?“, fragte die böse Nugura. „Es handelt sich um ein halbbiologisches Raumschiff, das einer Offizierin aus dem guten Universum gehört. Diese Frau wollte sich bedauerlicherweise nicht von Radcliffe reinwaschen lassen. Sie hat uns ertappt! Leider hat sie das! Aber jetzt wird ihr Schiff dafür den Preis zahlen! Ich finde es sehr bedauerlich, dass wir kein Alterego von ihr haben, denn das könnte uns mit Sicherheit die Schwachstellen ihres Schiffes nennen. Aber jetzt müssen wir halt allein danach suchen. Wir sollten versuchen, das Schiff zunächst zu überlisten. Wir sollten so tun, als wären wir die gute Sternenflotte. Vielleicht lässt sie uns dann ja sogar in ihre Systeme und wir können sie quasi von innen heraus zerstören!“

Die böse Nugura stand auf und klopfte sich begeistert auf die Oberschenkel. Dabei lachte sie aus vollem Hals. „Was für ein guter Plan, T’Mir!“, rief sie aus. „Und wer, meinen Sie, soll das ganze Komplott anführen? Wer soll die Honigfalle für dieses Schiff auslegen?“ „Niemand anders, als Agent Mikel, der erste Offizier unserer Granger. Das Schiff wollte doch eh zu ihm und eine Aussage machen. Zumindest kann ich mir vorstellen, dass seine Pilotin ihm dies als pflichtbewusste Sternenflottenoffizierin befohlen haben wird.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte die böse Nugura. „Mein gutes Ich kennt sie sehr gut, also kenne ich sie auch. Wir haben ja alle Informationen, die unsere guten Gegenstücke auch haben. Und es ist wahr, dass diese Allrounder Betsy sehr pflichtbewusst und ehrlich ist. Sie hat eine sehr hohe moralische Integrität und wird nicht zulassen, dass wir mit unseren Plänen durchkommen. Zumindest wird sie es versuchen. Wenn wir ihr Schiff allerdings an einer Aussage hindern, dann müssen die Zuständigen viel zu lange rätseln und wir haben alle Zeit der Welt. Also, wo ist dieses verdammte Schiff, T’Mir?“ „Eine Sensorenboje hat es in der interdimensionalen Schicht registriert.“, sagte die Vulkanierin und ließ den Rechner eine weitere Graphik aufrufen. „Aber da wird sie nicht mehr lange sein. Ich werde Agent Mikel sagen, er soll auf den interdimensionalen Antrieb des Schiffes feuern lassen. Wenn der außer Gefecht ist, dann fällt sie in die Dimension zurück, aus der sie gekommen ist. Wenn wir sie dann zerstören, ist alles zu spät.“ „Ja, zu spät für sie und zu spät für eine Aussage.“, meinte Nugura schadenfroh. „Aber der Agent und seine Leute werden sich an ihrem Transpondersignal orientieren, das auch ihren Namen enthält. Wie hieß sie noch mal?“ „Das kann ich Ihnen sagen, Nugura.“, sagte T’Mir. „Anhand ihres Signals haben wir sie nämlich längst identifiziert. Ich glaube, man spricht es Lycira!“ „Dann sollten wir Agent Mikel schnellstens den Befehl geben, Lycira aufzubringen und auszuschalten!“, sagte die böse Nugura mit gierigem Blick. „Gibt es eine Möglichkeit, wie ich von hier mit ihm reden kann?“ „Selbstverständlich.“, lächelte T’Mir kalt und gab einige Befehle auf Vulkanisch in ein Programm auf dem Rechner ein. Dann erschien das Gesicht des blinden Agenten auf dem Schirm. „Was gibt es, Präsidentin T’Mir?“, fragte seine ebenfalls sehr gemeine Stimme. „Ihre Oberbefehlshaberin sitzt neben mir, Agent.“, sagte T’Mir. „Sie hat einen Spezialauftrag für Sie.“ Sie übergab den Rechner an Nugura. „Agent!“, wendete sich Nugura an Mikel. „Ich möchte, dass Sie sich mit dem Rest der Flotte bei Ihrer Basis treffen. Von dort aus werden Sie in die interdimensionale Schicht vordringen. Ihr Befehl lautet, das halbbiologische Raumschiff Lycira zu finden und es zu zerstören! Es hat leider eine Information, die uns sehr schaden würde. Sie dürfen nicht zulassen, dass diese Information durch Lycira in die aus unserer Sicht falschen Hände kommt! Haben Sie verstanden, Agent?!“ „Und ob ich das habe, Madam President!“, versicherte der böse Mikel fest. „Ich nehme an, es geht darum, dass sie keine Informationen über unsere Entstehung weitergeben kann. Wenn sie das täte, wäre das nicht gut für uns.“ „Da haben Sie Recht, Agent.“, sagte Nugura. „Das wäre beileibe nicht gut. Man würde nämlich versuchen, uns wieder in unsere guten Alter Egos zu integrieren und das wäre nicht das Dasein, das mir für den Rest meines gerade erst begonnenen Lebens vorschwebt.“ „Mir auch nicht.“, sagte der böse Mikel. „Also, Madam President, Sie können sich auf mich und meine Leute verlassen! Schließlich kämpfen wir dann nicht nur gegen dieses Schiff, sondern auch um unser Leben.“ „Noch eines, Agent.“, sagte Nugura. „Die Art, wie Sie versuchen sollen, dieses Schiff zunächst in falscher Sicherheit zu wiegen, bedeutet, dass Sie ihr vormachen werden, Sie seien die gute Sternenflotte. Wenn sie dann freiwillig ihre Systeme öffnet, dann werden Sie sie von innen heraus zerstören. Reden Sie mit Ihrem Techniker Jannings darüber. Er wird Ihnen sicher eine Möglichkeit nennen können. Falls Lycira den Köder nicht schluckt, können Sie ja immer noch andere Saiten aufziehen!“ „Schon verstanden, Madam President!“, grinste der böse Mikel und beendete die Verbindung.

Inzwischen hatte T’Mir eine Flasche aus einem Schränkchen in der Laube geholt. Dann folgten noch zwei bauchige vergoldete Gläser. Sie entkorkte die weiße bauchige Flasche und goss von dem Inhalt großzügig in beide Gläser ein. Dann gab sie der bösen Nugura eines davon, während sie das andere behielt. Neugierig betrachtete und beroch die Präsidentin den Inhalt und stellte fest, dass es sich um ein sehr hochprozentiges alkoholisches Getränk handeln musste. Dass T’Mir ihr jetzt so etwas anbot, nahm nicht Wunder, denn sie repräsentierte ja eine Seite der Vulkanier, die sonst immer unterdrückt war. „Lassen Sie uns feiern!“, sagte sie und stieß mit ihrer Komplizin an. „Ich bin nämlich davon überzeugt, dass Mikel dieses Schiff finden und besiegen wird. Es wird sich wohl kaum gegen eine ganze Flotte zur Wehr setzen können.“ „Also dann.“, sagte die böse Nugura und erwiderte das Prosten. „Auf den Sieg!“ „Auf den Sieg!“, wiederholte T’Mir und leerte ihr Glas gierig in einem Zug.

Der böse Mikel war in den Maschinenraum seines Schiffes gegangen, um sich dort mit Jannings und seiner Assistentin zu unterhalten. Zwar gab es kein direktes Gegenstück von Elektra, da sie als Androidin ja nicht für Telepathie empfänglich war und Radcliffes Kräfte also auf sie nicht hätten wirken können, aber Sytania hatte dies durch die Schöpfung einer weiteren Elektra, die ebenfalls einen bösen Charakter hatte, längst kompensiert. So war sie übrigens bei allen Androiden auf den Sternenflottenschiffen vorgegangen. Elektra war auch die Erste, die Mikel antraf. „Wo ist Ihr Vorgesetzter, Technical Assistant?“, fragte Mikel. „Dort drüben an Konsole vier.“, antwortete sie. „Er wartet gerade das Kommunikationssystem. Ich werde Sie zu ihm führen.“

Sie hakte ihn unter und bald standen sie vor Jannings. „Techniker, ich muss mit Ihnen reden!“, sagte Mikel fest. Der Ingenieur, der ihn zunächst nicht gesehen hatte, sah erst jetzt vom Bildschirm auf. „Oh, Sir.“, sagte er. „Es tut mir leid. Ich habe Sie nicht gesehen.“ „Das ist wohl eher meine Ausrede.“, sagte Mikel. „Aber lassen Sie es gut sein. Sicherlich gab es ein kleines technisches Rätsel, das Ihre gesamte Aufmerksamkeit gefordert hat.“ „Nein.“, gab Jannings zu. „Das gab es nicht. Den Systemen des Schiffes geht es ausgesprochen gut, wenn ich das so sagen darf.“ „Um so besser.“, sagte Mikel. „Dann werden sie ja um so besser für das geeignet sein, zu dem wir gerade den Befehl erhalten haben.“ „Und was ist das für ein Befehl, Agent?“, fragte der Chefingenieur. „Ich meine, warum kommen Sie damit zu mir? Wäre es nicht besser und auch protokollgerechter, die Brückenbesatzung zuerst zu informieren?“ „Sie sollten sich glücklich schätzen, der Erste zu sein, der diese Information bekommt.“, sagte Mikel grimmig. „Aber ich gebe sie Ihnen nicht ohne Grund zuerst, mein kleiner Virenprogrammierer und Systemknacker. Bevor ich nämlich für unsere Mission die Jobs verteile, möchte ich gern von Ihnen wissen, ob ihre Ausführung überhaupt technisch so möglich ist, wie sich die Präsidentin das vorstellt.“ „Was ist denn unsere Mission?“, wollte Jannings wissen. „Wir sollen ein Raumschiff stoppen, das eine bestimmte Information auf keinen Fall an die falschen Leute weitergeben darf. Verstehen Sie mich?“ „Oh, das sollte kein Problem darstellen, Agent.“, sagte Jannings. „Die Waffen habe ich heute morgen schon gewartet. Sie funktionieren tadellos.“ „Das ist beruhigend zu wissen, Mr. Jannings.“, sagte Mikel. „Aber es interessiert mich eigentlich nur am Rande. Vielmehr würde ich gern einiges über die Leistungsfähigkeit unserer Computer und der Kommunikation erfahren.“

Jannings, dem offensichtlich nicht klar war, worauf der erste Offizier hinaus wollte, überlegte krampfhaft, wie er seinem blinden Vorgesetzten seine Situation verdeutlichen konnte. Einem Sehenden gegenüber wäre dies sehr einfach gewesen, denn ihn hätte er einfach nur verwirrt ansehen müssen. Da ihm bekannt war, dass Mikel dies aber nicht wahrnehmen konnte, wusste er nicht, wie er es anstellen sollte. Nur das lange Schweigen seines Gegenüber verriet Mikel, dass hier etwas nicht stimmen konnte. „Gibt es ein Problem, Jannings?!“, fragte Mikel streng. „Wenn Sie es genau wissen wollen, Sir.“, setzte Jannings an. „Dann gibt es das tatsächlich. Ich verstehe nämlich nicht, was unsere Computer und die Kommunikation mit dem Stoppen eines Raumschiffes zu tun haben.“ „Dann werde ich es Ihnen eben erklären, Techniker!“, sagte Mikel, den seine offensichtliche Begriffsstutzigkeit doch sehr ärgerte. „Die beiden Systeme werden einen entscheidenden Anteil zum Gelingen unserer Mission beitragen. Wir werden dem Schiff vormachen, dass wir die gute Sternenflotte seien und dass wir ihre Aussage aufnehmen werden. Aber wenn sie dann ihre Systeme für uns öffnet, um uns die Daten zugänglich zu machen, werden wir ein bisschen in ihren Systemen herumpfuschen. Wir werden ihren interdimensionalen Antrieb außer Gefecht setzen. Außerdem werden wir ihre Selbstzerstörung aktivieren und auf eine Sekunde nach Aktivierung stellen. Dann hat sie keine Zeit mehr für eventuelle Gegenmaßnahmen. Sie ist nur ein kleines Schiff. Die Druckwelle ihrer Explosion werden wir allerhöchstens als kleines Schaukeln wahrnehmen, wenn nur die Schilde halten. Hier kommen jetzt Sie ins Spiel, Jannings. Sie könnten doch sicher ein entsprechendes Virus schreiben, oder?“ „Gewiss kann ich das, Sir.“, antwortete Jannings, dem die Idee immer besser gefiel. „Aber ich kenne hier im Maschinenraum jemanden, die das noch viel besser kann. Sie ist mit Technologie auf Du und Du.“

Er winkte Elektra, die sich sofort auf den Weg zu den beiden Männern machte. „Ich nehme an, Sie haben alles mitbekommen, Assistant.“, sagte er. Die Androidin nickte. „Dann wissen Sie ja sicher auch, dass höchste Eile geboten ist.“, sagte Mikel. „Das ist mir bekannt.“, sagte Elektra. „Ich nehme an, aus diesem Grund wollten Sie auch, Mr. Jannings, dass ich das Virus schreibe.“ „Das stimmt, Elektra.“, sagte der Chefingenieur. „Dann werde ich damit gleich beginnen.“, sagte sie, drehte sich fort und ging in Richtung einer freien Arbeitskonsole, an die sie ihr Haftmodul anschloss.

„Sie ist immer so ein fleißiges Bienchen.“, stellte Jannings fest. „Oh, ja, das ist sie.“, bestätigte Mikel. „Ich werde Nugura nach dieser Mission vorschlagen, sie ebenfalls zum Techniker zu befördern. Dieses Schiff hat zwar schon einen Chefingenieur, mit dem ich sehr zufrieden bin, aber es gibt ja noch genügend andere Schiffe in der Sternenflotte, die einer fähigen Ingenieurin gegenüber sicher nicht abgeneigt wären.“

Jannings wurde blass. „Aber Agent.“, sagte er. „Das können Sie mir nicht antun. Ich habe viel zu lange mit Elektra gearbeitet. Außerdem könnte niemand sie ersetzen. Es gibt zwar genügend fähige Köpfe unter den technischen Assistenten in der Sternenflotte, aber keiner von denen kann sich direkt mit den Schiffssystemen verbinden. Das war eine Eigenschaft, die ich an Elektra immer sehr bewundert habe und die uns schon sehr viel geholfen hat.“ „Ich weiß.“, sagte Mikel beruhigend. „Aber dazu gehören ja auch immer zwei. Elektra hat ja schließlich dazu auch noch etwas zu sagen, Mr. Jannings und wie ich sie einschätze, halte ich durchaus für möglich, dass sie das Angebot ohnehin ablehnen würde, weil sie es für effizienter hält, hier an Bord der Granger weiter unter Ihnen zu arbeiten und ich habe weniger lästigen Papierkram.“ „Da sprechen Sie ein wahres Wort gelassen aus, Sir.“, sagte Jannings, der sich inzwischen wieder beruhigt hatte. „Als Androidin ist sie ja nicht auf Prestige aus, sondern es zählen nur die sachlichen Argumente. Wenn sie glaubt, sie könne hier besser zu unserem Sieg beitragen, dann bitte.“ „Na sehen Sie, Techniker.“, sagte Mikel.

Elektra winkte von der Konsole herüber. „Ich habe das Virus fertig gestellt, Sirs.“, sagte sie und sah Mikel und Jannings gleichermaßen erwartungsvoll an. Der Chefingenieur warf einen prüfenden Blick über die Gleichungen. Dann sagte er: „Ausgezeichnet, Elektra!“ „Hatten Sie von ihr ernsthaft etwas anderes erwartet, Techniker?“, fragte der erste Offizier mit einem gemeinen Grinsen. „Nein, Agent.“, negierte Jannings. „Und sie hat alles berücksichtigt. Es wird uns sicher gelingen, dieses Schiff zu stoppen. Sie können das Virus von ihrem Platz aus auf der Brücke aktivieren. Es tarnt sich als Suchbefehl nach dem Schlagwort Verbrechen.“ „In Ordnung, Jannings.“, sagte Mikel und ging mit einem dreckigen Grinsen auf den Lippen.

Bald hatten sich auch alle anderen Schiffe, die ebenfalls Bescheid bekommen hatten, mit der Granger bei der 817 getroffen. Dies hatte Mikel auf dem Weg zur Brücke durch den Computer und eine SITCH-Mail erfahren. Die Erste, die Mikels gute Laune bemerkte, war Ribanna. „Sie scheinen eine sehr gute Nachricht bekommen zu haben, Sir.“, sagte sie und zwinkerte ihn von der Flugkonsole aus an. „Oh, ja, Allrounder.“, sagte Mikel. „Das habe ich.“

Er stellte sich in die Mitte des Raumes. „Ladies und Gentlemen.“, begann er. „Wir haben unsere allererste Mission! Sie lautet, ein Schiff zu stoppen, das uns unter Umständen sehr gefährlich werden könnte. Der Name des Schiffes ist Lycira und ihre Koordinaten in der interdimensionalen Schicht habe ich von Präsidentin Nugura und Präsidentin T’Mir persönlich erhalten. Wenn dieses Schiff mit ihren Informationen zu den falschen Leuten fliegt, dann könnte unsere Existenz bald ausgelöscht sein. Also, Sie und ich, wir kämpfen nicht nur gegen Lycira, sondern auch für unser Leben! Ribanna, ich übermittle Ihnen jetzt die Koordinaten. Ich hoffe, Sie haben in der Schulung für Interdimensionalflug gut aufgepasst.“ „Davon werde ich Sie gleich sicher überzeugen, Sir!“, sagte die junge Indianerin selbstbewusst und gab die von Mikel erhaltenen Koordinaten in das Programm für den Interdimensionsantrieb ein. „Von meiner Seite sollte es da auch keine Probleme geben, Agent.“, versicherte Kang. „Die Waffen funktionieren sehr gut und ich bin ebenfalls kerngesund. Das hat mir Loridana auf jeden Fall bescheinigt.“ „Die Waffen werden wohl zunächst nicht gebraucht werden, Mr. Kang.“, sagte Mikel. „Lyciras Zerstörung wird auf eine viel listigere und hinterhältigere Weise passieren. Aber falls das nicht klappt, erhalten Sie sicher Ihre Chance, Mr. Kang. Und jetzt aktivieren, Ribanna! Ich will dieses verdammte Schiff auf keinen Fall verpassen!“ Der indianische Allrounder nickte und bestätigte ihre Eingaben. Alsbald verschwand die Antigranger als schimmernde Säule.

Lycira war damit beschäftigt, in der interdimensionalen Schicht eine falsche Spur zu legen. Der Kampf mit der Flotte der Vendar hatte sie vorsichtig werden lassen. Außerdem hatte sie durch den Datenaustausch mit Elektra auch von der Theorie der Androidin erfahren. Unter gewissen Umständen würde die Antigranger ihr vielleicht nachstellen, wenn es wirklich eine Antiföderation und somit auch eine Antisternenflotte gab. Sie musste die Dimension der selbstständig denkenden Schiffe in jedem Fall unbehelligt erreichen.

„Ich habe das Schiff direkt voraus, Agent.“, meldete Ribanna, als die Antigranger die Koordinaten erreicht hatte, an denen Lycira zuletzt gesehen worden war. „Auf den Schirm, Ribanna!“, befahl der erste Offizier hoch aufgeregt. „Sind sonst noch Schiffe in der Nähe, Allrounder?“ „Wenn Sie darauf hinaus wollen, Agent.“, erwiderte Ribanna. „Dass sie vielleicht Hilfe haben könnte, dann müssen Sie sich keine Sorgen machen. Außer uns und ihr ist hier niemand.“ „Also gut.“, sagte Mikel. „Rufen Sie Lycira, Ribanna und dann verbinden Sie mit mir.“

Die Kommunikationsoffizierin und Pilotin nickte und führte seinen Befehl aus. „Sie können sprechen, Sir.“, sagte sie dann, nachdem Lycira scheinbar nichts ahnend die Verbindung angenommen hatte. Mikel drückte den Sendeknopf: „Ich bin Agent Mikel von der USS Granger, Lycira. Du musst dir keine Sorgen machen. Du bist bei mir in den richtigen Händen. Ich werde gleich deine Aussage aufnehmen. Wir können es auch so machen, dass ich direkt nach den Daten suche. Unser Ingenieur hat einen Suchalgorhythmus verfasst, der …“

Noch bevor Mikel weiter sprechen konnte, verriet ein Signal ihm, dass Lycira die Verbindung beendet haben musste. „Holen Sie mir diese verdammte Verbindung wieder, Ribanna!“, schnauzte er die Angesprochene an. „Das würde ich gern, Sir.“, sagte der junge Allrounder ruhig. „Aber sie hat laut unserem Computer die Frequenz blockiert. Auch auf unser Rufzeichen selbst reagiert sie mit Blockade. Ein Wechsel der Frequenz würde also nichts bringen.“ „Verschonen Sie mich mit ihrem SITCHer-Fachchinesisch!“, schrie Mikel, der im Gegensatz zu seinem guten Gegenstück nicht sehr besonnen war und leicht aus der Haut fuhr. „Ich habe nur versucht, Ihnen zu verdeutlichen, dass wir so keine Chance haben, Sir.“, verteidigte sich Ribanna. „Was ist mit den Frequenzen zur Datenübermittlung?“, fragte Mikel. „Sie sind auch in die Blockade einbezogen.“, erwiderte die junge Indianerin. „Aber Augenblick. Lycira scheint gerade die Blockade ihrer Audiofrequenz aufgehoben zu haben und ruft uns.“ „Lassen Sie hören.“, sagte Mikel genervt. „Sofort, Agent.“, entgegnete Ribanna und schaltete die von ihm verlangte Verbindung. „Dass ihr von der Sternenflotte seid, das könnt ihr einem melonischen Müllfrachter erzählen, aber mir nicht!“, sagte Lycira und klang dabei sehr selbstbewusst. „Ich weiß, dass es nicht die Art der Sternenflotte ist, in ein fremdes System einzudringen, um sich Daten zu klauen. Da müssen Sie schon früher aufstehen, Agent Mikel. Sie wollten doch in Wahrheit ein hübsches kleines Virus bei mir deponieren, nicht wahr? Das sollte dann meine Systeme zerstören, weil ich etwas weiß, was Ihnen gefährlich werden kann. Ich bin nicht dumm. Ich kann mir denken, dass Sie aus dem aggressiven Teil von Agent Mikel bestehen. Ihre neuralen Frequenzen haben Sie verraten. Ich weiß, wie das Neuralmuster eines Humanoiden normalerweise auszusehen hat. Aber Ihre Frequenzen sind nur die aus dem Mandelkern, genau wie beim Rest Ihrer sauberen Bande, die Sie Sternenflotte nennen. Aber Sie sollten sehen, dass ich mich nicht verarschen lasse!“ Sie beendete die Verbindung.

„Sir, Lycira konfiguriert ihren Antrieb.“, meldete Ribanna. „Es sieht für mich aus, als wollte sie in eine Dimension einfliegen.“ „Das werden wir ihr gründlich versauen.“, sagte Mikel. „Mr. Kang, zielen Sie auf ihren interdimensionalen Antrieb und feuern Sie einen Photonentorpedo ab!“ „Aye, Sir.“, antwortete der Klingone an der Waffenkonsole erleichtert über den Umstand, jetzt doch noch seinen Teil zum Gelingen der Mission beitragen zu können und tat, was der erste Offizier ihm soeben befohlen hatte.

Mikel hängte sich mit seinem Hilfsprogramm direkt an Kangs Konsole. Er wollte nicht warten, bis ihm ein eventueller Treffer gemeldet würde. Wenn, dann wollte er es aus erster Hand erfahren. Kang bestätigte die Anfrage und ließ seinen Vorgesetzten somit gewähren. „Direkter Treffer in den Energiehauptverteiler für den interdimensionalen Antrieb des beschossenen Schiffes.“, meldete der Computer Mikel. „Sehr gut, Warrior.“, lobte der erste Offizier mit einem freudigen Blick in den Augen. „Direkt ins Schwarze. Ribanna, in welche Dimension ist sie gestürzt?“ „In das Heimatuniversum der guten Föderation, Agent.“, entgegnete die Angesprochene nach einem kurzen Blick auf ihren Bildschirm. „Dann kann ich mir denken, wohin sie will!“, sagte Mikel. „Folgen, Ribanna! Wir werden sie nicht entkommen lassen!“

Lycira hatte auf normalen Warpantrieb umgeschaltet. So schnell wie möglich musste sie jetzt eine Partikelfontäne aufsuchen, um von dort in die Dimension der selbstständig denkenden Schiffe zu kommen. Tatsächlich hatten ihre Sensoren auch bald eine entdeckt, aber der Weg dort hin war noch sehr weit und die Schiffe der Antisternenflotte waren ihr immer noch auf den Fersen. Sie beschloss, durch das Schlagen von Haken eine falsche Signatur zu erzeugen. Vielleicht würden sie darauf hereinfallen.

In der Dimension der Schiffe hielt sich ein sehr kleines, eine Art Sportshuttle für Rennen, in der Nähe einer Partikelfontäne auf. Der Name des Schiffes war Kamura. Sie war die Tochter von Kamurus und Sharie. Die selbstständig denkenden Schiffe konnten sich ähnlich vermehren, wie es auch die Xylianer taten.

Die Kleine spielte also dort. Sie schlug Purzelbäume, drehte Schleifen im Stand auf dem Heck und ähnliches. Das machte ihr großen Spaß. Ihre Eltern hatten ihr zwar verboten, die Dimension zu verlassen, aber sie wollte doch wissen, was sich hinter den Partikelfontänen verbarg. Wenn sie weiter so gut übte, würde sie ihren Vater und ihre Mutter vielleicht doch einmal begleiten dürfen. Aber auch noch etwas anderes stand für sie fest. Wenn sie einmal alt genug wäre, um sich einen biologischen Piloten suchen zu dürfen, dann sollte es ein Kunstflieger sein.

Jetzt aber trieb die Neugier sie immer näher an die Fontäne heran. Ihr Vater hatte ihr zwar gesagt, dass sie ihren Antrieb noch nicht gut genug im Griff habe, um darin manövrieren zu können, aber sie wollte ja auch nur mal hineinsehen. Bis zum Rand der Fontäne tastete sie sich vor. Hier stoppte sie und stellte ihre Sensoren auf aktiven Scann. Was sie dort allerdings sah, verwirrte sie. Da war ein fremdes Schiff, das offensichtlich einen Schaden am interdimensionalen Antrieb hatte und Schiffe der Sternenflotte, die es verfolgten. Jetzt begannen die Sternenflottenschiffe auch noch, auf das arme beschädigte Schiff zu schießen und zwei von ihnen schnitten ihm auch noch den Weg zur Fontäne ab. Kamura verstand die Welt nicht mehr! Das war nicht das Verhalten, von dem ihr ihre Eltern erzählt hatten. Aus den Erzählungen von Sharie und Kamurus war hervorgegangen, dass die Sternenflotte nie eine solche Taktik benutzen würde, weil sie sehr unfair war. Das alles überstieg ihre kindliche Programmierung. Sie wollte ihre Eltern holen, aber dann riskierte sie eine Strafe, weil sie sich so nah an die Partikelfontäne gewagt hatte. Fast zu nah, denn, hätte sie sich nicht mit ihrem Traktorstrahl an einem nahen Kometen festgehalten, wäre sie fast hineingezogen worden. Das fremde Schiff tat ihr aber doch zu leid. Deshalb SITCHte sie dann doch die Rufzeichen ihrer Eltern an.

„Die Melbourne und die Berlin schneiden Lycira den Weg ab, Agent.“, meldete Ribanna. „Außerdem sind alle bereit, auf Ihr Zeichen auf sie zu feuern.“ „Das ist sehr erfreulich, Allrounder.“, sagte Mikel. „Aber wir sollten so tun, als ließen wir sie zunächst in Ruhe. Wenn wir das tun, wird sie sich vielleicht wieder sicher fühlen und die Blockade ihres Sprechgerätes aufheben. Dann hat unser Virus vielleicht doch noch eine Chance. Signalisieren Sie der Melbourne und der Berlin, sie sollen in die Formation zurückkehren. Dann drehen wir alle scheinbar ab. Aber Sie halten sich bereit, auf mein Zeichen zu wenden und dann nehmen wir sie aus allen Rohren unter Feuer, falls sie die Blockade nicht aufhebt. Sagen Sie das auch den anderen!“ „Ja, Agent.“, sagte Ribanna und initiierte die notwendigen Verbindungen.

Kamurus und Sharie hatten auf den Notruf ihrer Tochter reagiert und waren zu der Stelle geflogen. Sie konnten kaum glauben, was sie dort sahen. „Was habe ich dir denn gesagt?!“, tadelte Kamurus sie, als er sah, wie nah sie an der Fontäne war. „Es tut mir leid, Vater.“, sagte Kamura kleinlaut. „Aber schau doch mal da!“ Sie ließ ihr Positionslicht in Richtung des Ausgangs der Fontäne scheinen. Sharies und Kamurus’ Sensoren folgten dem Schein. „Hier stimmt was nicht.“, stellte Sharie fest. „Das ist Lycira! Ihre biologische Pilotin ist Betsy, eine gute Freundin von meiner Pilotin Tchey!“ „Ginalla kennt Betsy auch.“, sagte Kamurus. „Aber diese Sternenflottenschiffe sind merkwürdig. Ihre Kampftaktik ist merkwürdig. Sharie, ruf die Anderen zur Hilfe. Wir werden Lycira beschützen! Kamura, das hier ist nichts für Kinder! Du fliegst nach Hause, OK?!“ „Na gut, Vater.“, sagte das kleine Schiff enttäuscht und drehte ab.

Tatsächlich schien die Taktik der Antisternenflotte zunächst aufzugehen, denn Lycira hatte tatsächlich das Gefühl, sie abgeschüttelt zu haben. Das führte dazu, dass sie ihr Sprechgerät tatsächlich wieder öffnete. Über die Transpondersignale, die sie aus der fremden Dimension heraus empfing, war sie sehr erleichtert. Dann flogen eine Menge Schiffe unter Kamurus’ Führung auf sie zu. Direkt neben ihm flog Sharie, die sie ansprach: „Du musst dir jetzt keine Sorgen mehr machen, Lycira. Wir werden dich beschützen.“ „Vor wem denn?“, entgegnete sie. „Die böse Sternenflotte habe ich glaube ich abgehängt.“ „Da bin ich nicht so sicher.“, sagte Sharie.

Kaum hatte sie ausgesprochen, da fielen die Schiffe der bösen Sternenflotte auch schon wieder über sie her. „Also gut.“, stellte Kamurus fest. „Sie wollen einen Kampf, dann sollen sie auch einen bekommen. Wie ich das sehe, sind wir ihnen vier zu eins überlegen. Also, ihr bildet Viererteams und jedes Team kümmert sich um ein Schiff. Stört ihre Kommunikation, damit sie sich nicht absprechen können. Feuert auf ihre Antriebe und ihre Waffen mit den Phasern und Torpedos, was das Zeug hält.“ „Deine Taktik bedeutet aber.“, sagte Sharie, die ebenfalls die Schiffe gezählt hatte. „Das eines von uns übrig bleibt.“ „Das stimmt.“, sagte Kamurus. „Und das wirst du sein. Bleib in Lyciras Nähe. Sobald ich dir ein Signal gebe, nimmst du sie in den Traktorstrahl und bringst sie zu einem sicheren Ort. Aber erst dann, wenn ich meine, dass unsere saubere böse Sternenflotte da draußen genug abgelenkt ist.“ „OK, Kamurus.“, sagte Sharie.

Mit Freude nahm der Anführer der Schiffe zur Kenntnis, dass sich bereits Vierergruppen gebildet hatten. „Wenn alle bereit sind, dann los!“, befahl Kamurus, schloss sich selbst einem Team an und preschte dann mit allen anderen gemeinsam mit Warp sieben auf die Antisternenflotte zu.

„Sir.“, meldete Ribanna irritiert. „Da kommen hunderte von …“

Sie konnte nicht mehr weiter sprechen, denn im gleichen Moment ging ein Regen aus Photonentorpedos auf die Antisternenflotte nieder. Durch die Ausweichmanöver entstanden Lücken zwischen den Schiffen, die von den intelligenten Schiffen sofort genutzt wurden. Immer vier selbstständig denkende Schiffe umstellten ein Sternenflottenschiff, wie Kamurus es befohlen hatte. Dann schoss man es kampfunfähig. Auch die Antigranger war betroffen. „Verdammt noch mal!“, fluchte Mikel. „Was ist hier los?!“ „Wir werden beschossen, Sir.“, berichtete Kang. „Jannings meldet, dass uns bald der Warpkern um die Ohren fliegt. Wir sollten uns zurückziehen!“ Auch der Computer warnte jetzt vor einem Warpkernbruch. „Ich schätze, die anderen haben ähnliche Probleme.“, sagte Mikel zähneknirschend. „Also gut, Ribanna. Signalisieren Sie den anderen, wir ziehen uns zurück, solange wir es noch können. Die haben uns tatsächlich überrascht.“ „Ich kann nicht.“, sagte Ribanna. „Sie stören unsere Kommunikation und das Sprechgerät kann die Störung nicht durchdringen.“ „Dann fliegen Sie uns hier raus. Ein voller Impuls! Die anderen werden schon sehen, was wir meinen.“, sagte Mikel. „Aye, Sir.“, sagte Ribanna resignierend und tat es.

Sharie hatte Lycira in ein sicheres Versteck gebracht. Dort warteten sie jetzt auf Kamurus, der auch bald zu ihnen stieß. „Denen haben wir es gegeben!“, stellte er stolz fest. „Das mag ja sein.“, meinte Sharie. „Aber ich mache mir ernsthaft Sorgen um Lycira. Ihr Antrieb ist beschädigt und ich weiß nicht, wie wir …“ „Ich habe eine Idee.“, sagte Kamurus und replizierte ein vollständiges neues Antriebsmodul für ihren interdimensionalen Antrieb. „So.“, sagte er. „Pass auf, Lycira. Ich werde jetzt versuchen, dein beschädigtes Modul heraus zu beamen und das Neue dann einfach an die Stelle setzen.“ „OK.“, erklärte sich Lycira einverstanden. „Sharie.“, wendete sich Kamurus dann an seine Freundin. „Zieh sie bitte näher an deine Hülle und steuere mit dem Antrieb gegen, wenn sie driftet.“ Ohne Antwort führte Sharie seine Bitte aus. Lycira machte das nichts. Sie fühlte sich sicher.

Das Herausbeamen des beschädigten Teils stellte kein wirkliches Problem für Kamurus dar, aber mit dem exakten Einpassen des neuen Moduls und der Anschlüsse hatte er Schwierigkeiten, weil doch noch leichte Bewegung zwischen Lycira und Sharie war. „Ich sehe das einfach nicht.“, gab er nach einigen Fehlversuchen auf. „Die Auflösung meiner Sensoren reicht einfach nicht aus. Wir werden doch die Hände eines biologischen Wesens brauchen.“ „Dann brauchen wir einen Ingenieur.“, stellte Sharie fest. „Aber woher willst du einen holen?“ „Oder eine Celsianerin!“, sagte Kamurus mit eindeutig konspirativer Betonung. „Ich werde mich aufmachen, um meine biologische Pilotin zu holen. Pass du auf unsere Kranke auf.“ „OK.“, sagte Sharie. Dann sah sie zu, wie er in Richtung Partikelfontäne davonflog.

 

Kapitel 15: Trügerische Urlaubsfreuden

von Visitor

 

 

Shimar, Scotty und ich waren bei Ginallas Kneipe angekommen. Scotty stellte den Jeep ab und wir stiegen gemeinsam aus. „Wir sollten versuchen, Ginalla zu überraschen.“, schlug Shimar mit einem gehörigen Schalk im Nacken vor. „Sie wird sicher ihren Augen nicht trauen.“ „OK.“, sagte Scotty lächelnd. „Ich kenne sogar den Weg zum Hintereingang.“

Wir gingen also hinten herum so zu sagen durch die kalte Küche. Tatsächlich traute Ginalla ihren Augen nicht, als sie uns sah. Schon an der Tür empfing sie uns mit den Worten: „Mann, ich kann’s ja gar nich’ fassen, dass ihr tatsächlich alle drei hier seid. Darauf muss ich erst mal selber Einen heben. Kommt mit! Die Rückkehr alter Freunde muss schließlich gebührend gefeiert werden!“ „Dass du dich noch erinnerst.“, sagte Shimar verwundert. „Warum sollte ich das nich’, Soldat.“, scherzte Ginalla. „Ich hab’ den Tag herbeigesehnt, an dem wir uns mal wieder über den Weg laufen. Was hab’ ich euch vermisst!“

Sie spazierte voran und führte uns hinter den Tresen in jenen Raum, in dem sie auch mit Scotty gesessen hatte, um seine Probleme zu besprechen. „Setzt euch.“, sagte sie. „Dieser Raum is’ nur was für die Prominenz.“ „Also schön.“, sagte Shimar und führte mich zu einer Sitzgelegenheit. „Ich bin gleich wieder da.“, schnippte Ginalla und war auf und davon. Wenn sie mit uns über alte Zeiten reden wollte, hatte ich ein gewaltiges Problem! Es gab Dinge, an die ich mich als Einzige erinnerte, die aber niemand sonst wissen durfte. Ich würde mich also gehörig zusammenreißen müssen. Mein Benehmen als Sternenflottenoffizierin würde jetzt arg auf die Probe gestellt werden.

Sie war zurück und hatte ein riesiges Tablett bei sich. Darauf befanden sich Schüsseln und Teller sowie Gläser und Flaschen, die mit allerlei Köstlichkeiten gefüllt waren. Das Tablett wurde von ihr auf dem Tisch abgestellt und in seine Mitte geschoben. Dann setzte sie sich selbst auf einen Stuhl und begann damit, für uns drei aus einer Flasche einzugießen. Dann schob sie Scotty, Shimar und mir je eines der Gläser hin, bevor sie sich selbst das Letzte nahm, um sich auch einzugießen. „Das dynamische Quartett wieder vereint!“, sagte sie mit einem genießerischen Blick. „Ich kann’s nich’ fassen! Na ja. Auf eine coole Zusammenarbeit!“ Wir prosteten uns zu. „Was meint sie mit Zusammenarbeit?“, zischte Shimar Scotty zu, der ganz schön ins Schwimmen geriet. Hatte er doch mit ihr einen Deal geschlossen, der ihn verpflichten würde, ihr in jedem Fall alles zu berichten und dafür zu sorgen, dass sie früher oder später in die Sache eingebunden würde. „Ich weiß nich’.“, flapste Scotty ebenso leise zurück. „Aber das sagt man halt so.“ Dass er gelogen hatte, war dem jungen Telepathen nicht verborgen geblieben, aber Shimar ließ sich nichts anmerken. Gern hätte er herausbekommen, was zwischen der Celsianerin und dem Terraner eigentlich gespielt wurde, erinnerte sich aber daran, was er versprochen hatte und was auch der Grundsatz aller Tindaraner war. Er würde nie in einen fremden Geist ohne Einverständnis eindringen.

Mein sensibles Gespür hatte mir gesagt, dass hier Spannung in der Luft lag. Wenn ich diese nicht auf der Stelle entschärfen würde, könnten vielleicht Dinge passieren, die wir alle vier später sehr bereuen könnten. Ich überlegte, wie ich die Situation lösen konnte und beschloss, meine Behinderung dafür zu benutzen. Ich nahm mir also einen Teller vom Tablett und tat, als würde ich mich gleich auf den Inhalt stürzen wollen. „Halt, Kleines!“, rief Shimar aus und nahm mir Teller und Besteck zunächst wieder fort. „Du weißt ja gar nicht, was du da isst. Du magst doch keine Überraschungen. Schon vergessen?“ Das hatte ich natürlich nicht vergessen und ich wusste, dass er Recht hatte. Natürlich hatte er das und natürlich wusste ich dies. Aber genau das war ja auch mein Plan gewesen. „Wärst du dann vielleicht so süß und würdest mir verraten, was das ist?“, fragte ich mit spitzen Lippen.

Minuten lang starrte Shimar auf den Teller. Dann sagte er: „Ich glaube, es handelt sich um klingonische Blutpastete.“ Mir lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Aber damit war ich wohl nicht allein. Auch Scotty und Shimar schienen das Gleiche zu verspüren. „Ich glaube, Ginalla.“, sagte Scotty. „Das klingonische Zeug nimmst du besser wieder weg. Das mag glaub’ ich keiner von uns. Oder stehst du etwa selbst drauf?“

Erst jetzt schien Ginalla zu bemerken, was ihr da eigentlich für ein Fehler unterlaufen war. „Ach du liebes Lottchen.“, meinte sie. „Da hab’ ich doch glatt die beiden Replikatorprogramme verwechselt! Wisst ihr, übermorgen kommt eine klingonische Hochzeitsgesellschaft. Für die habe ich das Essen schon einmal vorgebucht und in ein eigenes Programm gespeichert. Ich muss mich wohl verlesen haben, als ich die Programme auswählte. War meine Schuld! Sorry.“ Eilig entfernte sie das Tablett. „Ich helfe dir.“, sagte Scotty und stand auf. „Kommt nich’ in Frage.“, flapste sie zurück. „Du bist schließlich hier Gast.“ „Ich habe aber das dringende Bedürfnis dir zu helfen.“, widersprach mein Mann. „Wenn’s denn sein muss.“, stöhnte Ginalla und winkte ihm langsam und gelangweilt. Dann verschwanden beide mit dem Tablett in Richtung Gastraum.

Mich hatte ein merkwürdiges Gefühl beschlichen. Warum waren die Beiden so geheimnisvoll? Was war zwischen Scotty und ihr los? Bei meiner Beurteilung von Ginallas eventueller Eignung, uns bei was auch immer behilflich sein zu können, musste ich vom Stand einer Ginalla ausgehen, wie ich sie auf der Hochzeit der Miray kennen gelernt hatte. Die Ginalla, die laut meinem Wissen einen großen Beitrag zur Wiederherstellung der Geschichte geleistet hatte, durfte ich nicht als Maßstab ansetzen, denn streng genommen hatte es sie ja nie gegeben. „Was ist mit dir, Kleines?“, fragte Shimar, der wohl bemerkt hatte, was für einen innerlichen Kampf ich mit mir ausfocht. „Ach.“, sagte ich nicht ganz wahrheitsgemäß. „Ich glaube, ich bin einfach nur total kaputt. Lass uns Ginalla fragen, wo unser Zimmer ist. Ich würde mich am liebsten auf der Stelle hinlegen.“ „OK.“, sagte er und legte stützend seinen rechten Arm um meine Schultern.

Ginalla und Scotty waren erneut mit einem Tablett zurückgekehrt. Auf diesem befanden sich ebenfalls Gläser, Flaschen, Teller und Schüsseln, aber es war wohl definitiv keine Blutpastete oder Ähnliches dabei. „Was für ein Glück, dass sie bemerkt hat, dass du uns das falsche Essen servieren wolltest, Ginalla.“, sagte Shimar, um das Thema auf mich zu lenken. „Sonst hätten die Klingonen übermorgen in die Röhre geguckt und ich glaube, das mögen sie gar nicht.“ „Ich hab’ doch gar nicht.“, sagte ich leise. „Vielleicht nicht absichtlich.“, meinte Shimar. „Aber durch dein Missgeschick sind wir doch erst darauf gekommen.“ „Würde ich auch mal behaupten.“, nickte Ginalla. „Aber nun eben Zuprosten die Zweite.“ „Lass mich vorher noch was sagen.“, setzte Scotty zu einem Witz an. Wir alle spitzten gespannt die Ohren. „Wenn die Klingonen in die Röhre geschaut hätten.“, begann Scotty. „Dann wäre das für sie verdammt schlecht gewesen. Mit einem Tunnelblick jagt und schießt es sich ja so schlecht.“ Ich musste grinsen, aber Shimar und Ginalla gaben einen abschätzigen Laut von sich. „Deine Witze waren auch schon mal besser, Kumpel.“, meinte die junge kesse Celsianerin. „Tut mir leid.“, sagte Scotty. „Ich hab’ wohl noch nich’ wieder zu meiner alten Form zurückgefunden.“

Ich gähnte und flüsterte Shimar etwas auf Tindaranisch ins Ohr. Darauf stand er auf und meinte in Ginallas Richtung: „Es war ein langer Tag. Ich halte es für besser, wenn wir uns alle hinlegen. Ginalla, Scotty meinte, er hätte das mit dem Zimmer schon geregelt. Wo ist …“ „Na gut, ihr Partybremsen.“, witzelte Ginalla. „Obwohl ich nich’ ganz kapiere, warum ihr euch schon schlafen legen wollt, wo die Nacht doch noch gar nich’ angefangen hat. Aber ich bin ja eine gute Gastgeberin. Dann kommt mal mit.“

Durch einen Nebenausgang verließen wir den Raum und waren bald im Flur. Ginalla führte uns zu einem Turbolift. Hier gab sie als Fahrziel den vierten Stock an. Wenn ich damals schon geahnt hätte, wen ich als Nachbarn bekommen würde, wäre ich sicher nicht so überrascht von dem gewesen, was mich noch erwarten sollte.

Wir entstiegen dem Lift und gingen einen langen Gang herunter, der rechts und links mit weichen Teppichen an den Wenden verziert war, die allerlei sommerliche Motive zeigten. Vor einem der Wandteppiche blieb Shimar stehen und übermittelte mir grinsend das Bild, das er darauf sah. Auf dem Bild war eine Familie beim Eisessen zu sehen, die offensichtlich von einem großen weißen Hund begleitet wurde, dessen Zunge immer näher an das Eis des Kindes heranzukommen schien. Die Familie selbst war in bunte Sommerkleider gekleidet. Es handelte sich offensichtlich um Terraner. „Wie süß!“, quietschte ich leise. Zumal ich das Gefühl hatte, das Kind würde ziemlich verträumt dreinschauen und den eventuellen Diebstahlversuch gar nicht bemerken. „Ich wusste, dass es dir gefällt.“, lächelte Shimar.

Ginalla und Scotty waren bereits vor unserer Zimmertür eingetroffen und sie hatte begonnen, die Schlüsselkarten zu verteilen. „Da seid ihr ja, ihr Nachzügler.“, lächelte sie uns zu, als wir uns auch dazugesellt hatten. Dann führte sie uns alle drei in den Raum. Hier gab es neben der Tür ein Sprechanlagenterminal, was mir sofort auffiel. Wenn man sich an der Wand weiter orientierte, kam der Abzweig ins Bad. Daneben an der Rückwand ein Schreibtisch mit drei Stühlen.

Ich wollte gerade die dritte Wand inspizieren, als mich etwas in die Luft und dann auf einen weichen Gegenstand warf, der sich in der Mitte des Zimmers befand. „Hey, Shimar!“, äußerte ich meinen Verdacht. „Das war so …“ „Ich weiß.“, grinste er. „Aber du weißt ja, dass ich dich nicht fallen lasse, Kleines.“ „Ich weiß.“, sagte ich und erkannte, dass ich mich auf einem riesigen Bett befand, in dem wir drei gut Platz finden würden.

„Hier kommt Testobjekt Nummer eins!“, rief Shimar und warf eine weiche Decke über mich. „Sag uns einfach, welche Decke und welches Kissen du als das Weichste empfindest.“, sagte Scotty und hob mit der Rechten meinen Kopf, um mit der Linken ein Kissen darunter zu schieben. „Das Weichste soll deins sein. Wir kommen mit der harten Realität schon klar.“, meinte Scotty. „Ihr seid so süß!“, schmeichelte ich. Aber ich fand, dass das Verwöhnprogramm ruhig noch eine Weile so weiter gehen konnte. Wenn die Beiden so weiter machten, würde ich meine Angst um unser aller Sicherheit bestimmt für eine Weile vergessen können. Das war sicher auch in Cupernicas Sinn, die mir diesen Urlaub ja in gewisser Weise verschrieben hatte.

Die Antisternenflotte hatte der Antinugura ihre Schlappe mitgeteilt. Die Präsidentin der bösen Föderation war nicht gerade froh über diesen Umstand. „Wie konnte das passieren, Mikel?!“, fragte sie den ersten Offizier der Antigranger streng. „Das können wir uns auch nicht erklären, Madam President.“, gab Mikel kleinlaut zu. „Auf einmal waren da diese Schiffe.“ „Schiffe?!“, echote die Antinugura empört. „Was für Schiffe?!“ „Genau wissen wir das nicht.“, sagte Mikel und versuchte dabei, sie irgendwie zu beschwichtigen. „Sie kamen aus einer Partikelfontäne.“ „Dann kann ich mir denken, Sie Beispiel an Inkompetenz, woher sie kamen und was das für Schiffe waren!“, schäumte die Präsidentin. „Es wird sich um selbstständig denkende Schiffe handeln, zu denen das Schiff von Allrounder Betsy Scott unterwegs war! Wo ist es jetzt?“

Mikel musste schlucken. Ihr gegenüber zuzugeben, dass er sie aus den Augen verloren hatte, würde sie nur noch wütender machen. Aber sie wusste zu viel, als dass es ihm noch möglich sein konnte, sie zu belügen. Er wusste nicht, was er tun sollte. „Wo ist sie jetzt?!“, wiederholte die böse Nugura ihre Frage und setzte ihm somit weiterhin gehörig die Pistole auf die Brust. „Sie muss in der Dimension der Schiffe sein.“, vermutete Mikel. „Wir haben sie nämlich leider aus den Augen verloren. Ein Teil der Schiffe hat uns in einen Kampf verwickelt. Ich vermute, dass ein anderer Teil, oder vielleicht nur ein einzelnes Schiff, sie dann verschwinden lassen hat.“ „Sie vermuten, Agent!“, schrie Nugura. „Sie vermuten! Wenn ich das schon höre! Sie haben die gleichen Informationen wie Ihr gutes Gegenstück und einen viel stärkeren Willen. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so schnell aufgeben und außerdem: Sie wissen doch viel genauer, als Sie jetzt zugeben, was das für Schiffe waren und was ihr Plan war!“ „Das stimmt eigentlich auch, Madam President.“, sagte Mikel. „Aber ich habe, ganz offen gesagt, den Eindruck, dass irgendwas nicht stimmt.“ „Was meinen Sie damit?“, fragte die Antinugura. „Reden Sie gefälligst nicht immer um den heißen Brei!“ „Ich meine, dass es mir nicht ganz gelingt, meinem guten Ich seine Willenskraft und Energie zu nehmen. Ich glaube, er kann mich irgendwie bekämpfen. Ich kann mir auch schon denken, wie das vonstatten geht. Er weiß eine Menge über Telepathie und dergleichen. Es könnte sein, dass er …“ „Aber das gleiche Wissen haben auch Sie!“, tadelte die böse Nugura ihren Untergebenen. „Machen Sie gefälligst was draus!“ Sie beendete die Verbindung.

Ratlos saß der böse Mikel da. Ihre Standpauke hatte ihn ziemlich getroffen. Was konnte er jetzt nur tun? Es war die Wahrheit, dass er sich nicht erklären konnte, warum er das Handeln der Schiffe nicht vorausgesehen hatte. Es war auch die Wahrheit, dass er feige den Schwanz eingezogen hatte, als die Schiffe ihren Überraschungsangriff durchgezogen hatten. Irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Er würde die Krankenstation aufsuchen müssen und das Ganze mit Loridana und Learosh besprechen müssen. Vielleicht konnten sie ihm ein Medikament geben, das ihm bei der Vernichtung seines guten Ich helfen würde, denn, wenn alle geistige Energie abgezogen war, würde es nicht mehr existieren.

Nugura und T’Mir aus dem bösen Universum saßen immer noch zusammen im Garten der Vulkanierin. „Was ist geschehen, Nugura?“, fragte T’Mir. „Es ist Mikel!“, antwortete die Präsidentin erbost. „Er hat versagt!“ „Was genau ist geschehen?“, bohrte T’Mir nach, die das Gespräch nicht genau verfolgt hatte. „Er hat sich von ein paar intelligenten Schiffen in die Flucht schlagen lassen!“, meinte Nugura mit einem verächtlichen Blick. „Er hat feige den Schwanz eingezogen!“ „Wie konnte das passieren?!“, fragte T’Mir. „Das hätte ich nicht gedacht. Ich dachte, er sei viel willensstärker als sein gutes Gegenstück. Bei uns allen ist das doch nicht anders. Also, warum bei ihm?“ „Er sagt, es sei, weil sein gutes Ich es irgendwie schaffe, ihn zu bekämpfen.“, gab Nugura die Nachricht an ihre Kollegin weiter. „Wie kann das sein?“, meinte die Antivulkanierin verwundert. „Er ist Terraner. Er kann doch nicht …“ „Anscheinend kann er doch.“, sagte die böse Nugura. „Wir dürfen nicht vergessen, dass er eine Menge Wissen über Telepathie hat. Er ist immerhin der Adoptivsohn eines Mächtigen. Dill wird ihn bei Zeiten gut informiert haben. Die Verbindung zwischen unseren guten Ichs und uns könnte man auch als telepathisch bezeichnen.“ „Sie meinen also.“, erwiderte T’Mir. „Dass der Kampf gegen sein gutes Ich sein Urteilsvermögen derart geschwächt hat?“ „Genau das, verehrte Kollegin.“, sagte Nugura. „Genau das.“ „Dann wollen wir mal hoffen, dass es bei uns nicht irgendwann genau so wird.“, meinte die Antivulkanierin. „Da müssen Sie sich doch nun wirklich am wenigsten sorgen.“, meinte Nugura lächelnd. „Ich meine, Ihr positives Ich dürfte froh sein, Sie los zu sein. Sie dürfte begrüßen, dass Sie jetzt eine eigene Person sind und sie nicht mehr belästigen können. Sie ist jetzt reiner Verstand und Sie sind reine Emotion und weit weg von ihr. Das ist ein Zustand, von dem sie immer geträumt hat. Selbst wenn sie also einen Weg finden sollten, uns wieder mit unseren guten Ichs zu vereinen, bevor wir sie getötet haben, wird sie Widerstand leisten. Ihr dürften die Umstände, wie sie jetzt vorherrschen, sehr gefallen. Aber damit spielt sie uns ja nur in die Hände.“ „Ja, das tut sie.“, sagte T’Mir. „Wenn auch nicht absichtlich.“ Sie lachte gemein. „Sehen Sie.“, sagte die böse Nugura. „Sie haben also den wenigsten Grund zum Jammern.“ „Ich jammere nicht.“, setzte sich T’Mir zur Wehr. „Ich habe lediglich darauf hingewiesen, auf welch tönernen Füßen unsere Existenz steht.“ „Aber sicher nicht mehr lange.“, meinte Nugura. „Ich denke nämlich, dass ich weiß, wer uns aus diesem Dilemma heraushelfen kann.“

Sie griff in ihre Tasche und holte einen altertümlich wirkenden Kugelschreiber hervor. „Was wollen Sie mit diesem Museumsstück?“, fragte T’Mir irritiert. „Schauen Sie ihn sich genau an.“, grinste Nugura und schob ihr das antiquierte Schreibgerät unter die Nase. T’Mir nahm ihn auf und besah ihn sich von allen Seiten. Dabei fiel der Telepathin etwas auf. Der Schreiber schien erfüllt von Sytanias geistiger Energie. Die Bestätigung fand sich alsbald auf der Rückseite. Hier fand sich, wenn auch nur sehr klein, die Abbildung eines Drudenfußes, des Wappen- und Weihezeichens der imperianischen Prinzessin. „Wie genial!“, lobte T’Mir. „Niemand würde auf den ersten Blick darauf kommen, dass Sie einen Kontaktkelch besitzen.“ „Genau.“, sagte Nugura. „Weil ich nämlich keinen riesigen Weinkelch mit mir herumschleppe. Genau darauf hat nämlich mein Plan gefußt, als ich ihn der Prinzessin weihte. Sie wissen vielleicht, dass jeder Gegenstand zum Kontaktkelch werden kann, wenn man das Weiheritual durchführt und ich weiß zufällig, wie das geht.“ „Dann lassen Sie uns keine Zeit verlieren, Nugura.“, geiferte T’Mir. „Lassen Sie uns Sytania so schnell wie möglich kontaktieren.“ „Genau das hatte ich ja auch vor, liebe Kollegin.“, beruhigte Nugura sie und führte ihre linke Hand auf den Schreiber, bevor sie dann die rechte Hand T’Mirs in ihre Linke nahm, um die eigene Rechte ebenfalls auf dem vor den Frauen auf dem Tisch liegenden Gegenstand zu platzieren. Dann dachten beide intensiv an Sytania, deren Gesicht auch bald vor ihren geistigen Augen erschien. Was gibt es?, fragte sie. Wir haben ein Problem, Hoheit., gestand Nugura. Der Versuch der Antisternenflotte, Lycira zu vernichten, ist gescheitert. Es gibt wohl irgendwelche Komplikationen mit dem negativen Ich von Agent Mikel. Das weiß ich!, erwiderte die Prinzessin und klang dabei sehr erbost. Ich habe alles mit meinen seherischen Fähigkeiten beobachtet. Meine Frage ,warum ihr mich kontaktiert, war also nur rein rhetorisch. Ich wollte wissen, ob ihr den Schneid besitzt, eure Niederlage mir gegenüber überhaupt zuzugeben. Den Göttern sei Dank habt ihr mich in dieser Hinsicht nicht enttäuscht. Aber das ist alles nicht so schlimm. Ich kenne jemanden, der das für euch erledigen wird und der definitiv nicht versagen wird. Er und seine Truppe werden sich um das Schiff kümmern, das jetzt auf dem Weg ist, die Information weiter zu geben. Lycira kann das ja gerade nicht, weil sie in der Dimension der intelligenten Schiffe festsitzt. Aber mehr Sorge macht mir Kamurus, dem sie alles gesagt hat und der jetzt auf dem Weg zu seiner Pilotin Ginalla ist. Die ist nicht dumm. Aber die Vendar werden das schon erledigen. Ich werde auch meiner neuesten Marionette Bescheid geben. Nathaniel wird auch seinen Teil dazu beitragen müssen. Ich werde seinen Befehl, sich um Betsy und Ginalla zu kümmern, etwas dringlicher machen müssen. Ich danke Milady für Eure Hilfe!, atmete Nugura auf und T’Mir nickte ihr beifällig zu. Geschenkt!, geiferte Sytania. Schließlich profitiere ich auch davon. Ihr Bild verschwand vor den geistigen Augen der Politikerinnen, ein eindeutiges Zeichen, dass Sytania die Verbindung beendet hatte. „Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass sie uns nicht im Stich lassen wird?“, fragte Nugura T’Mir. „Das haben Sie.“, gab die Antivulkanierin zurück. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass sie so einfach über unser Versagen hinwegsieht.“ „Das tut sie mit Sicherheit auch nicht.“, meinte die Antinugura. „Ich bin überzeugt, sie kocht innerlich vor Wut. Aber sie hat es uns nicht spüren lassen.“

Wie Recht sie damit hatte, sollte sich zum gleichen Zeitpunkt im Thronsaal der imperianischen Königstochter herausstellen. Dort hin bestellte sie nämlich jetzt Telzan. Der Vendar sah gemeinsam mit seiner Herrin durch den Kontaktkelch und meinte dann: „Das ist kein Problem für uns, Gebieterin. Mit diesem Schiff werden wir schon fertig.“ „Das will ich hoffen.“, sagte Sytania. „Sonst ist nämlich alles gefährdet und mein zweiter Plan, von dem ich dir bei Zeiten berichten werde, kommt nie zur Ausführung.“ „Dazu werde ich es nicht kommen lassen, Hoheit.“, sagte Telzan mit Überzeugung, wandte sich ab und ging mit entschlossenem Gesicht. Sytania sah ihm noch eine Weile nach, bevor sie beschloss, Nathaniel zu kontaktieren, denn auch er würde eine große Rolle bei ihrem Vorhaben spielen.

Über der Nordhalbkugel von Celsius war bereits der frühe Abend angebrochen, als das Breenschiff mit Radcliffe und seiner Familie in die Umlaufbahn zu schwenken begann. Nayale hatte Malcolm früh ins Bett gebracht, denn sie wollte unbedingt mit ihrem Mann über die merkwürdigen Vorkommnisse sprechen, die der intelligenten jungen Frau ein solches Kopfzerbrechen bereiteten, dass sie schon Nächte lang nicht geschlafen hatte. Sie ahnte im Gegensatz zu ihrem Mann sehr wohl, dass sie alle hier nur benutzt werden sollten und dass es besser für sie wäre, sich so schnell wie möglich aus dieser Abhängigkeit zu befreien. Sie wusste nur nicht, wie sie dies anstellen sollte. Aber auf Celsius gab es Behörden und vielleicht lief ihr ja auch der eine oder andere Sternenflottenoffizier über den Weg. In jedem Fall würde sie einen passenden Moment abwarten, um sich dann an die entsprechenden Organe zu wenden. Nur ihren Sohn, den wollte sie am liebsten da heraushalten. Er war, wie sie fand, durch die ganze Angelegenheit schon traumatisiert genug. Insgeheim war Nayale froh, dass seine kindliche Fantasie dafür sorgte, dass er sich noch immer in einer Märchenwelt wähnte. Die Wahrheit wäre zu schrecklich und wohl kaum verständlich für ihn gewesen. Das wusste die Mutter. Deshalb blieb sie auch noch so lange bei Malcolm in der Achterkabine sitzen, bis er eingeschlafen war.

Im Cockpit hatte Radcliffe den Autopiloten des Breenschiffes aktiviert. Sytanias Versuch, mit ihm telepathischen Kontakt aufzunehmen, hatte er durchaus registriert. Wie kann ich Euch behilflich sein, Hoheit?, dachte Nathaniel. Ich muss mit dir über unser weiteres Vorhaben beraten., antwortete ihm Sytania. Immer doch, Prinzessin., meinte Radcliffe unterwürfig. Ich bin allzeit bereit. Das möchte ich dir auch geraten haben., drohte die Imperianerin. Sonst kann ich dich ganz schnell wieder zu dem machen, der du einst warst, das Nervenbündel mit der psychischen Krankheit und das wollen wir doch nicht, oder? Auf keinen Fall!, dachte Radcliffe fest. Na also., keifte Sytania. Dann sind wir uns ja einig. Also, Nathaniel. Ich möchte, dass du diese Ginalla rein wäschst. Dann möchte ich, dass du Betsy und ihren beiden Männern vorspielst, dass alles wieder in Ordnung mit dir ist. Lass dich auf jedes Spiel ein, mit dem sie dich zu prüfen gedenken. Du musst dafür sorgen, dass sie zu 100 % sicher ist, dass du wieder genesen bist. Falls dir das nicht gelingen sollte, musst du sie mit meiner Hilfe töten! Mit Eurer Hilfe, Milady?, fragte Radcliffe. Ja, mit meiner Hilfe., meinte Sytania. Weil wir die beiden zunächst ablenken müssen, damit dieser Telepath ihr nicht etwa zur Hilfe kommen kann. Der Terraner wird sowieso nicht viel tun können bei dem, was ich vorhabe. Wir werden es wie einen Unfall aussehen lassen.

Es gab einen schwarzen Blitz und vor Radcliffe auf der Konsole stand eine Amphore. Verwahre sie gut!, befahl Sytania. Ich hoffe zwar, dass du sie nicht benötigen wirst, aber falls doch … Ich verstehe., dachte Radcliffe und steckte das Gefäß ein. Darin ist ein imperianischer Trank., informierte ihn Sytania. Falls wir sie doch töten müssen, träufelst du etwas davon in ihr Getränk, wenn du vorgibst, mit ihr auf die Versöhnung trinken zu wollen. Ihr seid ja damals nicht gerade im Guten auseinander gegangen, nicht wahr? Das ist wahr, Hoheit., erinnerte sich Radcliffe. Na also., entgegnete Sytania. Dann weißt du ja, wovon ich rede. Aber nun noch einmal zu dem Trank. Er wirkt wie eine Droge, die Hypnose begünstigt. In der Nähe der Kneipe ist ein See. Ich werde Betsy, wenn sie schläft, den hypnotischen Befehl erteilen, ins Wasser zu gehen. Es wird am nächsten Morgen aussehen, als wäre sie Schlaf gewandelt und tragischerweise ertrunken. Niemand wird mich verdächtigen und dich auch nicht. Hoffen wir, dass Ihr Recht habt., erwiderte Nathaniel. Das brauchst du nicht zu hoffen!, empörte sich Sytania, der es überhaupt nicht gefiel, dass er Zweifel hatte. Zweifel waren nämlich für ihre Pläne sehr gefährlich, denn Zweifel führten zu Forschung und die konnte dazu führen, dass Radcliffe sich eventuell nicht mehr so bereitwillig von ihr benutzen ließ, wenn sie nicht aufpasste. Bitte vergebt mir, Milady., bat der verblendete Professor. Es ist nur so, dass ich noch nie in meinem Leben jemanden getötet habe. In diesem Leben vielleicht nicht., deutete Sytania an. Was meint Ihr?, wunderte sich Radcliffe. Lassen wir das., lenkte Sytania ab. Wichtig ist, dass du mir auf den Kopf zusagst, dass du dieser Aufgabe gewachsen bist, mein guter Nathaniel. Du weißt ja, was ich mit dir machen kann, wenn du kneifst!

Radcliffe fuhr zusammen. Er wusste genau, was sie damit meinte. In der Zeit, in der er für sie gearbeitet hatte, war er sehr stabil gewesen und das wollte er auf keinen Fall wieder verlieren. Er wusste, wenn er wieder krank würde, dann würde er auch seine Familie verlieren und das wollte er nicht. Also nahm er sich zusammen und versicherte fest: Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Hoheit! Genau das wollte ich hören., lobte Sytania. Und zur Belohnung für deinen Mut sollst du jetzt auch noch ein Geschenk von mir erhalten, das dir sehr nützlich sein wird.

Es gab einen erneuten schwarzen Blitz und auf dem Armaturenbrett im Cockpit erschien eine weitere Schalttafel, auf deren Display in großen Lettern das Wort Tarnvorrichtung zu sehen war. Die wirst du sogleich aktivieren!, befahl Sytania. Dann wird niemand das Schiff sehen. Zumindest so lange nicht, wie ich es will, oder bis ich dir etwas anderes sage. Deine Familie und du, ihr werdet nach Celsius hinunter gehen und euch dort in Ginallas Kneipe einmieten. Über den Rest haben wir ja schon gesprochen. Ja, Prinzessin., nickte Nathaniel. Dann betätigte er den Knopf, der die Tarnvorrichtung aktivierte.

Das Geräusch der Tür ließ ihn aufhorchen. „Malcolm ist endlich eingeschlafen.“, sagte eine freundliche helle weibliche Stimme hinter ihm und jemand setzte sich auf den Copilotensitz. Erst jetzt erkannte Nathaniel seine Frau. „Das ist zwar sehr gut, Nayale.“, sagte er. „Aber du musst ihn leider gleich wieder wecken. Er wird nämlich die heutige Nacht mit uns auf Celsius verbringen.“ „Auf Celsius?“, fragte Nayale. „Sind wir denn schon da?“ „Ja, das sind wir.“, entgegnete Nathaniel. „Wir befinden uns bereits in der Umlaufbahn. Wir werden uns in einer Kneipe in einer gemütlichen Kleinstadt einmieten.“ „Werden wir landen, oder wie hast du dir das vorgestellt?“, fragte Nayale. „Ich meine, wohin mit dem Schiff?“ „Das bleibt hier oben in der Umlaufbahn.“, sagte Radcliffe. „Wir benutzen den Transporter.“ Damit stellte er das Gerät entsprechend ein.

Nayales Augen waren über die Instrumente gewandert. Wenn sie bereits in der Umlaufbahn waren, dann hätte doch die celsianische Raumkontrolle längst Kenntnis von ihnen haben müssen und sie rufen müssen. Auf dem Display des Sprechgerätes war aber kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen. Im gleichen Moment fiel der intelligenten jungen Frau aber auch der Grund dafür auf. „Seit wann hat unser Schiff eine Tarnvorrichtung?!“, fragte sie sehr laut und deutlich. „Kommt die etwa von deiner Prinzessin?! Tu nicht so! Ich weiß genau, dass du mit ihr geredet hast! Ich weiß, dass du den Kontaktkelch unter dem Pult versteckst!“ „Du bist so süß, wenn du eifersüchtig bist.“, versuchte Nathaniel, sie zu beschwichtigen, denn er ahnte, dass sie ihm auf die Schliche gekommen sein könnte. „Eifersucht!“, empörte sich Nayale. „Darum geht es hier doch überhaupt nicht! Hast du schon mal darüber nachgedacht, warum sie dir all diese Gefallen tut?! Nein, das hast du nicht! Sonst hättest du garantiert auch festgestellt, dass sie dich nur benutzen wird, solange es ihr beliebt! Dann wird sie dich wieder fallen lassen, jawohl! Ich erkenne dich nicht wieder, Nathaniel! Seit du wieder bei mir bist, erkenne ich dich nicht wieder! Du bist eine leere willenlose Hülle geworden, ein Schatten deiner Selbst! Wach endlich auf! Wach auf!“

Sie griff nach dem Kontaktkelch, der, wie sie richtig vermutet hatte, unter dem Steuerpult versteckt lag und warf ihn mit all ihrer Kraft gegen die Wand des Schiffes, von der etwas Farbe abplatzte. Dem Kelch selbst geschah nichts, denn ein zu einem Kontaktkelch geweihter Gegenstand kann nicht durch einen Sterblichen zerstört werden. Die Krawattennadel fiel also unversehrt wieder zu Boden. „Nicht so laut.“, versuchte Nathaniel, seine Frau zu beschwichtigen. „Der Junge schläft.“ „Das ist mir egal!“, schrie Nayale. „Du wolltest ihn doch sowieso wecken! Aber da hasst du ja eine feine Ausrede gefunden!“

Sie nahm die Nadel auf und hielt sie vor ihren Mund. Dann schrie sie hinein: „Damit Ihr es wisst, Sytania! Ich will den Mann zurück, den ich geheiratet habe und wenn ich persönlich mit Euch um ihn kämpfen muss!“ „Wie willst du das denn anstellen?“, lachte Nathaniel spöttisch. „Das weiß ich noch nicht.“, drohte Nayale. „Aber ich denke, mir wird schon bei Zeiten etwas einfallen!“

Eine kleine blasse Gestalt erschien im Rahmen der Tür. „Warum seid ihr so laut?“, fragte die kleine Stimme MalcolMrs. „Ich kann gar nich’ schlafen, wenn ihr so laut seid.“ „Entschuldige, mein Schatz.“, sagte Nayale mild. „Mummy und Daddy haben nur einen kleinen Streit. Aber das wird schon wieder gut. Wir werden jetzt gleich erst einmal auf einen fremden Planeten gehen, wo wir Urlaub machen.“ Sie führte ihn zur Transporterplattform. „Was is’ mit dem Schiff?“, wollte Malcolm wissen. „Macht das auch Urlaub?“ „Nein.“, sagte Radcliffe, der den Transporter auf Selbstauslöser gestellt und sich dazugesellt hatte. „Das bleibt in der Umlaufbahn und passt auf uns auf.“

Der Transporter gab ein Signal von sich und summte. „Wiedersehen, Schiff!“, rief Malcolm. „Wir kommen bald wieder zu dir.“ Sie verschwanden in drei durchsichtiger werdenden Säulen.

Sie wurden auf einem Sandweg materialisiert, der ein leichtes Gefälle aufwies. Rechts und links des Weges fanden sich Pflanzen, die an Gewässern üblicherweise beheimatet waren, was bereits darauf hinwies, dass man sich einem See näherte.

Nathaniel deutete in eine Richtung und ging voran. Nayale und Malcolm, der seinen Teddy im Arm hatte und nur mit einem Schlafanzug bekleidet war, folgten. Bald waren sie am Ufer des Sees, zu dem der verblendete Professor offensichtlich die ganze Zeit gewollt hatte, angekommen. Hier stand Nathaniel jetzt da und schien die Tiefe des Sees erkunden zu wollen. Jedenfalls starrte er unentwegt Richtung Grund, als wollte er etwas ausmessen. „Kannst du mir mal verraten, was du suchst?!“, fragte Nayale ernst, der es in diesem Moment völlig egal war, dass ihr Kind, das sie eigentlich hatte schützen wollen, das Gespräch mitbekommen würde. „Ich suche nichts!“, versicherte Nathaniel mit einer Stimme, die Nayale das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Ich nehme nur für etwas Maß. Ich hoffe aber, dass es nicht dazu kommen wird, dass ich dieses Maß tatsächlich brauche.“ „Du sprichst schon wieder in Rätseln.“, stellte die junge intelligente Zeonide fest. „Aber das bist nicht du. Das kommt alles von deiner Prinzessin! Ich wünschte, du würdest endlich aufwachen!“ „Warum denkst du so schlecht über Sytania?“, wollte Nathaniel wissen. „Du solltest wirklich dankbarer gegenüber ihr sein! Schließlich hat sie mich geheilt.“ „Was für ein Unsinn!“, sagte Nayale mit einer großen Sicherheit. „Wenn sie dich wirklich geheilt hätte und sie wirklich wollen würde, dass du wieder gesund wirst, dann hätte sie dich längst deiner Wege geschickt und nicht erst so ein obskures Arbeitsverhältnis zwischen euch begonnen. Aber sie scheint dich ja immer noch mit irgendwas in der Hand zu haben. Oder wie erklärst du dir dein eigenes Verhalten?“ „Was meinst du?“, tat Nathaniel unschuldig. „Wess’ Brot ich ess’, dess’ Lied ich sing’!“, zitierte Nayale ein altes irdisches Sprichwort, das sie schon in der Schule gelernt hatte. „Du meinst also allen Ernstes.“, sagte Radcliffe und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Dass Sytania meinen Willen diktiert? Da kann ich dich beruhigen. Der ist so frei wie eh und je. Ich werde es dir beweisen.“

Er nahm einen Kieselstein auf und warf ihn ins Wasser. „Warum meinst du, dass ich diesen Stein geworfen habe?“, fragte er rhetorisch. „Ich warf ihn, weil ich ihn werfen wollte! Du siehst also, mein Wille ist frei.“ „Mach dir nur weiter selbst etwas vor, Nathaniel Radcliffe.“, flüsterte Nayale zynisch.

„Mummy, mir is’ kalt.“, quengelte Malcolm von hinten. Nayale warf den Kopf herum und erblickte ihren zitternden und bibbernden Sohn. „Oh, sicher, mein Spatz.“, sagte sie mitleidig. „Wir gehen gleich ins Warme. Du hast ja nur einen Schlafanzug an.“

Sie nahm den Jungen bei der Hand und drehte sich in Richtung der Kneipe, die Hügel aufwärts lag. Dieses Mal war Nathaniel derjenige, der folgte. Bald waren sie an der Drehtür zum Gastraum eingetroffen.

Ginalla selbst war die Erste, die ihnen ansichtig wurde. „Ach ne!“, sagte sie und lachte aus vollem Hals. „Wie süß is’ das denn? Da kommt aus dem Nichts ’ne Familie an mit einem kleinen Hosenmatz im Schlafanzug mit Teddy im Arm. Sag mal, mein Süßer, hatten deine Eltern keine Zeit, dir was Anständiges anzuziehen? Is’ doch verdammt kalt hier auf Celsius in der Nacht!“ „Es tut mir leid, Miss.“, sagte Nayale, die auf keinen Fall wollte, dass über sie oder ihre Familie ein falscher Eindruck entstand. „Aber wir hatten wirklich keine Zeit. Mein Mann wollte unbedingt so schnell wie möglich hier runter und deshalb …“ „Du musst wissen, Tante.“, unterbrach Malcolm seine Mutter. „Dass wir mit einem Raumschiff gekommen sind.“ „Mit ’nem Schiff.“, sagte Ginalla. „Sicher. Aber der letzte Liner is’ doch vor drei Stunden gelandet. Ich denke, da wäre genug Zeit gewesen, den Kleinen auf der Toilette umzuziehen, nich’ wahr?“

Nathaniel warf seiner Frau einen mahnenden Blick zu. Er wollte auf jeden Fall sicher gehen, dass sie nichts verriet. „Wir standen zu lange in der Schlange.“, redete sich Nayale raus. Sie wollte auf keinen Fall in der Öffentlichkeit einen Streit beginnen. „Drei Stunden lang.“, grinste Ginalla, die ja durch Scotty über alles informiert war, dies aber auch nicht zeigen wollte und durfte. „Na ja, sei’s drum. Sie brauchen ja sicher ein Zimmer.“ Sie ließ den Blick über die Buchungslisten schweifen. „Oh, Mist.“, murmelte sie und wendete sich wieder ihren drei neuen Gästen zu. „Das einzige Dreierzimmer habe ich schon vergeben. Aber ich hätte da noch was. Ein Einzel- und ein Doppelzimmer nebeneinander. Ich würde sagen, das Doppelte für Mutter und Kind und das Einzelne für den Ehemann und Vater. Das is’ auch für den Kleinen angenehmer in der Fremde, nich’, kleiner Matz?“ Sie grinste ihn lieb an und strich Malcolm über das Haar. „Ist in Ordnung, Miss …“, sagte Nayale und überlegte. „Oh, schlicht und einfach Ginalla.“, flapste selbige. Auch Radcliffe nickte den Vorschlag ab. Er war insgeheim sehr froh, doch von seiner Frau getrennt zu wohnen, denn sie hatte in seinen Augen schon zu viel herausbekommen und er machte sich Sorgen um den Deal zwischen sich und Sytania.

Ginalla durchschritt eine kleine Pforte, die sie von hinter dem Tresen direkt in den Gastraum führte. Dann stellte sie sich vor die Radcliffes und winkte ihnen, ihr zu folgen. „Kommen S’e mal mit.“, flapste sie. „Hier zeigt die Chefin noch selbst, wo die Zimmer sind.“ Nathaniel, Nayale und Malcolm folgten ihr.

Scotty, Shimar und ich lagen in unserem Zimmer auf dem Bett und die Beiden hatten nichts Besseres zu tun, als mich zu entspannen. Das geschah in der Art, dass Shimar ein Bild, das er in meinem Geist gefunden hatte, so sehr verstärkte, dass ich den Eindruck hatte, alles noch einmal wirklich zu erleben. Dass die Tindaraner dazu in der Lage waren, war mir durchaus bekannt und ich hatte es auch schon am eigenen Leib zu spüren bekommen. Scottys Aufgabe bestand darin, die Behandlung zu unterstützen, indem er mich im Arm hielt und mir ab und zu, wenn ich drohte, doch unruhig zu werden, zuflüsterte: „Bleib bei dem Bild, Darling. Bleib in der Stimmung.“ Dann gab ich meistens einen Laut von mir, der auf ein gewisses Wohlgefühl hindeutete und versank wieder in der Entspannung. Dazu trug auch bei, dass Scotty mich unentwegt wie eine verängstigte Katze kraulte und streichelte.

Bei dem für mich sehr positiven Bild, das Shimar benutzte, handelte es sich um die Darstellung einer Landschaft, die sich wohl im Dunklen Imperium auf Logars Seite der Dimension befinden musste. Außerdem sah ich Shimar und mich auf zwei kleinen stämmigen Pferden sitzen und durch ebendiese Landschaft reiten. Ich hatte aber keinen Strick in der Hand, an dem ich sein Pferd unter Umständen halten würde. Das musste bedeuten, dass er gelernt haben musste, völlig selbstständig zu reiten. Ich erinnerte mich sehr wohl an die gesamte Begebenheit, zu der dieses Bild gehörte, wusste aber, dass ich es auf keinen Fall dazu kommen lassen durfte, dass er mehr über den Zusammenhang herausfand. Er war zwar Telepath und hätte dies durchaus können, aber ich hatte das starke Gefühl, dass er sich mit dem zufrieden gab, was er wahrnahm. Darüber war ich insgeheim sehr froh. Jede weitere Nachforschung seinerseits hätte unter Umständen Dinge zutage fördern können, über die ich ja nicht reden durfte, weil ich die Einzige war, die sich daran erinnerte. Falls er mich darauf ansprechen sollte, würde ich mir eine gute Ausrede überlegen müssen.

Kapitel 16: Radcliffes Versagen

von Visitor

 

Ginalla hatte Radcliffes zu ihren Zimmern in der vierten Etage geführt. Zuerst hatte sie Nayale und Malcolm das Ihre gezeigt, da die besorgte Mutter darauf bestanden hatte, den völlig übermüdeten Jungen so bald wie möglich in sein Bett bringen zu können. In dem Zimmer stand an der hinteren Wand ein Bett mit normalen Ausmaßen für Erwachsene. Daneben befand sich eines, das durchaus für ein Kind in Malcolms Alter geeignet war. Es war erheblich niedriger mit seinen 20 cm Höhe vom Boden aus gemessen. Außerdem war es keine zwei Meter, sondern nur 1,60 m lang. Die Breite betrug statt 90 nur 60 cm. Das Kissen stellte einen weichen Plüschhundekopf mit Schlappohren dar. Auch die Decke war in Felloptik gehalten. „Ui, is’ das weich.“, staunte Malcolm und strich liebevoll über das Bettzeug. „Da wirst du dann ja um so besser schlafen können, kleiner Matz.“, lächelte Ginalla, hob ihn auf die Matratze und deckte ihn zu. „Danke, Tante Ginalla.“, lächelte Malcolm und war auf der Stelle eingeschlafen.

Nayale sah sich weiter im Zimmer um. Neben ihrem normal mit einem dekorativen Blumenmuster verzierten Bett befand sich der Nachttisch, auf dem sich eine kleine Lampe befand, die mit ihren zwei Bäuchen als Schirm irgendwie an einen Schneemann erinnerte. Der hatte den Schalter auf dem Bauch und seine Augen waren die Leuchtkörper. Auch einen Schreibtisch und das übliche Rechner- und Sprechanlagenterminal gab es. „Ich werde jetzt Ihren Mann in sein Zimmer bringen.“, flüsterte Ginalla und drehte sich von der ihr noch zunickenden Nayale fort.

Das Zimmer, in das sie Mr. Radcliffe brachte, unterschied sich nicht sehr von einer normalen Einrichtung in anderen Zimmern auch. Es gab die in ihrer Kneipe übliche Bebilderung an den Wänden und auch den Schreibtisch, ein schlicht bezogenes Einzelbett mit normalen Maßen und die schon erwähnte Technik. „Is’ alles zu ihrer Zufriedenheit?“, fragte sie. „Noch nicht ganz.“, antwortete Mr. Radcliffe. „Was kann ich denn noch für Sie tun?“, wollte Ginalla wissen. „Sie sollten viel eher fragen, was ich noch für Sie tun kann.“, antwortete Radcliffe. Die junge Celsianerin sah ihn verwirrt an. „Ich kann mir denken, dass Sie es nicht verstehen.“, sagte Radcliffe. „Wie sollten Sie auch? Aber auch Sie tragen die Erbsünde in sich, weil Sie Bürgerin der Föderation der vereinten Planeten sind.“

Ginalla schien zu ahnen, wohin das führen würde, aber sie wollte sich nichts anmerken lassen. Deshalb spielte sie weiterhin das Dummchen. „Ich kann mir beim besten Willen nich’ erklären, was Sie meinen.“, sagte sie. „Das werden Sie wissen, wenn ich Sie rein gewaschen habe.“, sagte Radcliffe. „Allerdings bin ich dabei auf ihre Freiwilligkeit angewiesen.“ „Aha.“, sagte Ginalla. „Aber dann muss ich doch wohl zumindest wissen, um was für ’ne Erbsünde es hier geht, nich’?“ „Vor 800 Jahren.“, sagte Radcliffe. „Ist etwas Ungeheuerliches geschehen! Ein Offizier der Sternenflotte hat Gesandte der Romulaner ermorden lassen wollen und es den damaligen Kriegsgegnern in die Schuhe geschoben, um sich eine Allianz mit den Romulanern zu erschleichen. Seither tragen alle Generationen, die danach gekommen sind, diese Blutschuld in sich.“ „Verstehe.“, täuschte Ginalla Bereitschaft vor, seine Reinwaschung über sich ergehen lassen zu wollen. „Alle tragen diese Schuld, weil sie Bürger der Föderation sind.“ „Genau.“, sagte Nathaniel. „Aber ich bin auserwählt, sie von Ihnen zu nehmen. Niemand Geringeres, als die Propheten von Bajor, hat mich auserwählt.“ „Na dann.“, sagte Ginalla und setzte sich auf sein Bett. „Was muss ich tun?“, fragte sie. „Bleiben Sie genau so sitzen.“, sagte Radcliffe und näherte sich ihr langsam. Im gleichen Moment aber streckte sie blitzschnell ihr rechtes Bein aus, was zur Folge hatte, dass ihre Schuhspitze Radcliffes linken Hoden traf, denn er stand ihr genau gegenüber. Dann geschah das Gleiche mit der linken Schuhspitze auf der anderen Seite. Als ob das noch nicht genug war, zog Ginalla ihm, der in gebückter Haltung vor ihr kauerte, noch die neben ihr auf dem Nachttisch stehende Lampe mit einem Kampfschrei über den Schädel, der selbst einen japanischen Karatemeister hätte neidisch werden lassen. Dann schob sie den Gebeutelten noch mit einem Fußtritt in die Mitte des Raumes, stand vom Bett auf und schloss mit ihrer Stimmgenehmigung, die wie ein Generalschlüssel wirkte, die Zimmertür von außen ab, nachdem sie den Raum verlassen hatte.

Shimar hatte von mir abgelassen und Scotty und er lagen jetzt rechts und links neben mir. „Eines würde mich interessieren.“, fragte mein Freund. „Woher hast du dieses Bild, Kleines? Ich meine, wenn ich reiten könnte, wüsste ich das ja sicher und wann waren wir schon einmal im dunklen Imperium unterwegs?“ „Oh.“, redete ich mich heraus. „Da war wohl eher der Wunsch der Vater des Gedanken.“ „Und deine Fantasie seine Mutter.“, sagte Shimar und küsste mich. „Aber es hat sich für mich so angefühlt, als hättest du es wirklich schon einmal erlebt.“ „Na ja.“, sagte ich. „Ich habe eben eine ziemlich rege Fantasie.“ „Das kann ich mir denken, Darling.“, mischte sich Scotty in die Unterhaltung ein. „Aber mir is’ alles recht, was dich von deiner Angst kuriert. Willst du ’ne Hand? Ich mein’, Shimar und ich hätten glaub’ ich gerade jeweils eine übrig.“ „OK.“, sagte ich und Scotty steckte mir seine rechte und Shimar mir seine linke Hand in die Meine. So lagen wir einfach nur eine Weile lang da.

„Warum hast du eigentlich mit der Behandlung so plötzlich aufgehört?“, wollte Scotty von Shimar wissen. „Meine Konzentration hat nachgelassen.“, sagte er. „Wenn das passiert, dann verfliegt der Effekt. Außerdem haben wir erreicht, was wir für heute erreichen wollten.“ „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Scotty. „Woher weißt du denn das?“, fragte Shimar. „Dazu muss man kein Telepath sein.“, antwortete der Schotte. „Man braucht nur ein gutes Gehör.“ „Wieso?“, mischte ich mich ein. „Weil du so was Ähnliches gemacht hast wie Schnurren, du kleine liebe Miezekatze.“, scherzte Scotty. „Was?!“, lachte ich. „Oh, ja.“, bestätigte Shimar und ließ mich telepathisch noch einmal hören, was für Laute ich von mir gegeben hatte. Die kleine Pause musste seiner mentalen Verfassung bereits sehr gut getan haben. „Ups.“, machte ich verschämt. „Das muss dir nicht unangenehm sein, Kleines.“, tröstete Shimar. „Dadurch wussten wir alle beide zumindest, dass wir auf dem richtigen Weg waren.“ „Zumindest war das für mich ’ne Bestätigung.“, sagte Scotty. „Wir Nicht-Telepathen benötigen ja in der Hinsicht ’n Wink mit dem Gartenzaun.“ „Ach.“, machte Shimar. „Dass du dein Licht immer so unter den Scheffel stellen musst.“ „Aber es stimmt doch.“, wehrte sich Scotty. „Im Gegensatz zu dir bin ich doch ein unsensibler Klotz.“ „Das meinst du doch jetzt wohl hoffentlich nicht ernst.“, empörte sich Shimar, verstummte aber gleich wieder, denn er hatte meinen alarmierten Blick gesehen. „Was ist, Kleines?“, fragte er. „Ich weiß nicht.“, sagte ich. „Da waren Geräusche. Ich glaube sogar, dass ich Ginallas Stimme erkannt habe. Sie hat geschrieen. Bitte, irgendwas stimmt da nicht.“ „Wir werden mal nachsehen!“, sagte Scotty fest und warf Shimar einen auffordernden Blick zu. Beide standen vom Bett auf und verließen schnell das Zimmer. Ich stand ebenfalls auf und begab mich zur Sprechanlage, um im Notfall einen Notruf absetzen zu können. Als ausgebildete Kommunikationsoffizierin war mir das entsprechende Vorgehen nicht fremd. Auch wo sich die dafür notwendige Taste befand, wusste ich, da die Sprechgeräte alle genormt waren. Ich hoffte nur, dass Shimar mir telepathisch Bescheid geben würde, ob dies nötig war. Sonst würde ich hier wohl noch ewig mit dem Mikrofon in der linken Hand und dem rechten Zeigefinger auf der Taste sitzen.

Meine beiden Männer hatten den Flur betreten und standen nun vor einer über beide Ohren grinsenden Ginalla. „Ihr kommt viel zu spät, Jungs.“, sagte sie ruhig. „Ich hab’ mir schon selbst geholfen. Kann mich ganz gut allein wehren, wie es aussieht.“ „Was ist denn passiert, Ginalla?“, fragte Shimar fürsorglich. „Ach.“, sagte die junge Celsianerin mit einem verächtlichen Blick auf die Zimmertür von Mr. Radcliffe. „Da wohnt jemand, der mir weiß machen wollte, es gebe ’n Grund, mich von innen zu waschen, oder so. Aber Ginalla, die war fit! Sie trat ihm in den Schritt und traf dabei, oh, weih, wohl voll sein linkes Ei. Und gleich darauf, so ’n Pech, geschah das Gleiche rechts! Schade um meine neuen Schuhe und um die schöne Nachttischlampe, die ich auf seinem Schädel zerdeppern musste, aber diese widerliche Kellerassel wollte mir an die Wäsche und an die geistige Gesundheit!“ Sie hielt die Reste der Lampe hoch, die sie mitgenommen hatte. „Komm, gib her, Ginalla.“, sagte Scotty. „Die werde ich reparieren! Dann is’ sie wieder wie neu.“ „Danke, Scotty, du Teufelsbastler.“, scherzte Ginalla und gab ihm die Einzelteile. Soweit es möglich war, verstaute er sie in seinen Taschen.

Etwas störte Shimar an der Angelegenheit gewaltig! Was wusste Ginalla und vor allem, warum wusste sie überhaupt etwas? Für ihn war sie immer noch nichts weiter als eine Zivilistin, die bestimmte Dinge am besten gar nicht wissen sollte. Aber anscheinend wusste sie mehr, als ihm unter den gegebenen Umständen lieb sein konnte. Auch er hatte die telepathische Wahrnehmung wieder erkannt, die er auf Khitomer gehabt hatte. Sie kam zweifelsfrei von hinter dieser Tür, auf die sie gerade gedeutet hatte. Aber wer konnte sie entsprechend informiert haben? Wer wusste genug von der …?

So leid es ihm tat, aber dafür kam nur einer in Frage. Und die Tatsache, dass er ihr offensichtlich trotz seiner militärischen Ausbildung geheime Informationen zukommen lassen hatte, machte ihn sehr wütend. Scotty war viel älter und ein Offizier mit viel mehr Erfahrung als er. Aber nun war offensichtlich er es, der ihm sagen musste, dass dies so nicht ging. Er, der gerade mal in einem Alter war, in dem zu früheren Zeiten, als es noch eine andere Struktur bei der Sternenflotte gab, allenfalls als Fähnrich durchgegangen wäre und noch als sehr grün hinter den Ohren gegolten hatte. Wie konnte Scotty zulassen, dass eine arme Zivilistin Informationen ausgesetzt wurde, die ihr unter Umständen jede Nacht den Schlaf rauben würden und sie vielleicht sogar vor Angst in den Selbstmord treiben könnten. Oder, noch viel schlimmer, es konnte dazu kommen, dass diese Zivilistin aus Angst die Informationen noch an andere weitergab und dann könnte es zu einer Massenpanik kommen. Zumindest waren dies Szenarien, die ihm auf der tindaranischen Akademie beigebracht worden waren. Aber all dies wurde doch sicher auch auf der Akademie der Sternenflotte gelehrt und Scotty musste es doch wissen! Wie hatte er dies zulassen können?!

Shimars Wut wurde so groß, dass er beschloss, Scotty einen Denkzettel zu verpassen. Mein Mann bemerkte nur noch, dass er in Richtung Decke schwebte und dort anstieß, um im nächsten Moment kleben zu bleiben. „Hey, was soll das?!“, rief Scotty. „Lass mich gefälligst wieder runter, du verrückter Telekinetiker du!“ Ginalla, die alles mit ansah, musste laut lachen. „Das werde ich erst dann tun!“, sagte Shimar mit Nachdruck in der Stimme. „Wenn du mir verrätst, welcher Teufel dir eingeflüstert hat, Ginalla über die Sache mit dem Professor zu informieren! Sie ist Zivilistin, verdammt! Du weißt doch wohl viel besser als ich, dass man so jemanden nicht über derart gefährliche Dinge informiert! Du dürftest dir ja wohl denken können, wohin das führen kann! Wieso hast du es ihr gesagt? Wolltest du eine Massenpanik auf Celsius provozieren?! Was habt ihr für ’n verdammten Deal?! Was ist das für ’ne Nummer, Scotty?!“

Mein Mann schwieg eisern. „Na gut!“, sagte Shimar. „Es liegt bei dir! Wenn du hier runter willst, dann brauchst du nur zu reden! Ansonsten lasse ich dich da oben verhungern!“ „Ich bin mal gespannt, wie lange du das durchhältst.“, sagte Scotty. „Irgendwann wird deine Konzentration nachlassen.“ „Aber das ist wohl nicht sehr bald!“, ließ Shimar seine mentalen Muskeln spielen. „Ich bin überzeugt, vorher steigt dir das Blut in den Kopf und das ist dir so unangenehm, dass du freiwillig redest!“

Ginalla wurde die ganze Situation langsam peinlich. Dazu gehörte bei ihr, die bei so etwas ja eigentlich als komplett schmerzfrei galt, zwar schon einiges, aber der ganze Wirbel um ihre Person war ihr sichtlich unangenehm, zumal jetzt auch noch ein guter Freund von ihr in einer unglücklichen Situation war und das nur, weil ein anderer Freund sie ziemlich unterschätzt hatte. Ihr war klar, dass sie hier nichts machen konnte, denn Shimar würde in seinem Eifer, sie, die arme Zivilistin, vor der bösen Welt da draußen schützen zu wollen, ihr nicht glauben, wenn sie ihm versichern würde, schon mit der Information zurechtzukommen. Das müsste schon jemand tun, der eine ähnliche Ausbildung wie Shimar selbst aufweisen können würde. Wenn die Person noch dazu eine Frau wie sie selbst wäre, dann wäre das noch viel besser. Sie wusste auch gleich, wo sie eine solche Person finden würde, die alle Voraussetzungen erfüllte.

Sie drehte sich in Richtung unserer Tür und betätigte die Sprechanlage. Da ich das Mikrofon immer noch in der Hand hatte, überraschte meine schnelle Antwort sie etwas. „Ich glaub’, ich brauch’ mal Hilfe.“, sagte sie. „Hier sind zwei Typen, die sich wegen mir wohl am liebsten prügeln würden und in gewisser Weise tun sie das auch. Sie sind die Einzige, die noch Schlimmeres verhindern kann, Allrounder Betsy Scott!“ „Ich verstehe nicht ganz, Ginalla.“, sagte ich. „Wenn die Beiden sich wegen Ihnen bekämpfen, dann müssten doch eigentlich Sie …“ „Bitte, schnell!“, insistierte Ginalla. „Ich hab’ keine Zeit für lange Erklärungen. Wenn Sie nich’ bald raus kommen, passiert hier noch ’n Unglück!“ „OK.“, sagte ich genervt, obwohl ich mir nicht erklären konnte, was hier vorging.

Ich hängte also das Mikrofon ein und verließ mein Zimmer, um der völlig verwirrten Ginalla direkt in die Arme zu laufen, die mich sofort zum Ort des Geschehens zog. „Ihr Freund hat Ihren Mann unter die Decke geklebt.“, flüsterte mir Ginalla zu. „Was?!“, fragte ich ungläubig. „Ja.“, sagte sie. „Und alles nur, weil er Angst hat, dass ich mir wegen der Sache mit dem verrückten Professor in die Hose mache. Aber so eine Angsthäsin bin ich nich’! Ich mag zwar Zivilistin sein. Das is’ unstrittig. Aber ich bin nich’ doof. Der, der hier so doof war, auf Sytania hereinzufallen, das war wohl eher unser zerstreuter Professor. Von wegen Propheten!“ Sie zeigte auf die Zimmertür, hinter der sie Radcliffe weggesperrt hatte. „Das kann der seiner Großmutter erzählen, aber nich’ mir! So was funktioniert mit mir nämlich nich’! Nich’ mit Ginalla!“ „Ach so.“, begriff ich. „Und jetzt glauben die Jungs, dass … Gehen Sie mal zur Seite. Ich mache das schon!“

Um mir anzuzeigen, in welcher Richtung Shimar stand, tippte sie mir auf die rechte Schulter. Ich drehte mich entsprechend um und sagte dann mit spitzen Lippen und einer schmeichelnden Stimme: „Mein süßer über alles geliebter Schatz. Würdest du mir bitte erklären, was das hier zu bedeuten hat?“ „Dein verblendeter Professor ist uns nachgereist.“, sagte Shimar schon etwas angestrengt, denn mittlerweile trat wohl fast das ein, was Scotty bereits prophezeit hatte. „Er hat wohl versucht, Ginalla einer Gehirnwäsche zu unterziehen.“ „Ach so.“, verstand ich. „Und du meinst, dass er sie vorher über alles informiert hat.“, sagte ich und zeigte nach oben in Richtung Scotty. „Genau.“, bestätigte Shimar. „Du hast doch gerade gesehen.“, sagte ich. „Dass sich Ginalla offensichtlich sehr gut helfen konnte, was das angeht. Kann es dann also nicht vielleicht doch möglich sein, dass sie gar keine so unbedarfte Zivilistin ist, als die du sie gern darstellen würdest? Du darfst nicht vergessen, Srinadar, ...“ Ich musste nachdenken, denn beinahe hätte ich über die Sache mit den Cobali und Ginallas Verwicklungen in Mikels diplomatische Mission berichtet. Statt dessen sagte ich und meine Stimme wechselte plötzlich von freundlich zu streng, was für mich als Laienschauspielerin kein Problem war: „Ohne Ginalla säßen N’Cara und du heute wohl immer noch in Sytanias Felsenkerker!“

Shimar überlegte. „Du hast Recht, Kleines.“, sagte er schließlich. „Und dann wäre die Sache mit Miray bis heute nicht aufgeklärt. Also gut.“ Sanft ließ er Scotty wieder zu Boden schweben. „Danke, Darling.“, sagte mein blasser Ehemann erleichtert. Ich lächelte nur zufrieden. „Gern geschehen, Kumpel.“, sagte Shimar und betonte den Kumpel noch besonders. Er wollte in jedem Fall, dass mir gegenüber deutlich wurde, dass meine Standpauke dafür gesorgt hatte, dass er Scotty verzeihen würde. „Ich erzähl’ euch jetzt auch, was Ginalla und ich für einen Deal hatten.“, sagte Scotty. „Ich musste ihr versprechen, sie über alles zu informieren, was wir tun. Sonst hätte sich das was gehabt mit den Zimmern.“ „Aber es hätte doch mit Sicherheit noch andere Herbergen gegeben, Scotty.“, sagte Shimar, denn er hatte das Gefühl, dass Scotty sich erpressen lassen hatte. „Willst du etwa, dass das Ganze noch größere Kreise zieht?!“, sprang ich für Scotty in die Bresche, bevor er antworten konnte. „Überleg mal.“ „Hast schon wieder Recht, Kleines.“, sagte Shimar. „Noch mehr Unschuldige sollten hier wirklich nicht mit hineingezogen werden. Da ist es mir schon lieber, die Herbergsmutter, unter deren Dach das alles stattfindet, gehört zu uns.“ „Na siehst du.“, sagte ich. „Und jetzt sollten wir alle erst mal drüber schlafen.“ „Ganz deiner Ansicht.“, nickten meine beiden Männer und auch Ginalla ging. Was allerdings keiner von uns ahnte, war der Umstand, dass unsere Situation aus einem anderen Zimmer heraus von Fassettenaugen beobachtet worden war, deren Besitzer sich königlich darüber amüsierte.

Cupernica war im gerichtsmedizinischen Institut von Little Federation dabei, die Leichen des unbekannten Aldaners und Loranas zu untersuchen. Neben ihrem Job als Hausärztin der meisten Bürger der Stadt waren sie und ihr Assistent Oxilon auch als staatlich vereidigte Gerichtsmediziner bestellt, wenn es um so genannten feindlichen außerirdischen Einfluss ging. Da Sedrin aufgrund der bisher bekannten Fakten genau das vermutete, war Cupernica wohl die richtige Wahl für diesen Job. Die Androidin galt als verschwiegen und ihre Ausbildung als Sternenflottenoffizierin qualifizierte sie obendrein. Zudem hatte sie auch Kenntnisse über Sytania und ihr Vorgehen im Speziellen. Genau diese Kenntnisse waren es jetzt, die sie ein gutes Stück in ihren Ermittlungen weiter bringen sollten.

Mit Lorana war sie gerade fertig geworden. „Wir können die Leiche der Zeonidin freigeben, Mr. Oxilon!“, wies sie ihren Assistenten an. „Sie ist an einer telepathischen Einwirkung auf das Reizleitungszentrum ihres Herzens gestorben. Die Bisswunde am rechten großen Zeh wurde ihr Post mortem zugefügt. Gehen Sie bitte in Agent Sedrins Büro und sagen Sie ihr das! Sagen Sie ihr aber bitte auch, dass ich sie bei der Untersuchung des Aldaners gern dabei hätte!“ „Wird erledigt, Madam!“, erwiderte der Talaxianer eifrig und trat zur Tür. Cupernica drehte sich ebenfalls in seine Richtung und sah ihn ernst an. „Ich hoffe, Mr. Oxilon.“, begann sie eine Erinnerung an die ihnen von Gesetzeswegen auferlegten Regeln. „Dass Sie über die Dinge, die Sie hier sehen, Stillschweigen bewahren. Außer der leitenden ermittelnden Agentin und ihrem Stab sollten die Informationen niemandem zukommen! Ich hoffe, wir verstehen uns! Falls Sie sich an diese Anordnung nicht zu halten vermögen, werde ich gezwungen sein, mir einen anderen Assistenten zu suchen!“ „Das wird nicht notwendig sein, Madam!“, versicherte Oxilon. Dann verließ er den Raum und ließ sie darin allein.

D/4 hatte sich ebenfalls auf den Weg ins Polizeigebäude von Little Federation gemacht. Hier wollte sie das gegenüber den Agenten des Sternenflottengeheimdienstes aussagen, was ich ihr gesagt hatte. Die Situation hatte sich zugespitzt und die Sonde war der Meinung, dass es jetzt dafür an der Zeit war, wenn man noch das Schlimmste verhindern wollte. Wie weit das Ganze tatsächlich bereits um sich gegriffen hatte, konnte sie ja nicht wirklich ahnen.

Sie betrat also das Gebäude und stand nun vor jenem kleinen Anmeldehäuschen, in dem Kelly Davis saß und ihren Dienst versah. Die Vermittlerin öffnete per Knopfdruck die Scheibe und lächelte der Sonde freundlich entgegen. „Sie wünschen?“, sagte sie mit einer leicht fragenden Betonung in der Stimme. „Meine Kennung lautet: Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe.“, stellte sich die Sonde vor. „Sie können mich D/4 nennen. Ich bin hier, um lückenhafte Daten zu vervollständigen. Die Daten betreffen das Geschehen auf dem Mars.“

Leicht irritiert schaute Davis zur Seite. Sie wusste zwar, dass sie selbst die Rettungsshuttles und die Schiffe des Geheimdienstes in Sedrins Auftrag dorthin beordert hatte, aber sie konnte sich nicht vorstellen, welche Informationen diese Frau haben konnte, die ihr oder den anderen unbekannt waren. Außerdem hatte sie strenge Anweisung von Sedrin und Peters bekommen, selbsternannte Zeugen, die sich nur wichtig machen wollten und glaubten, etwas gesehen zu haben, von vorn herein auszufiltern. Von denen hatte es nämlich in letzter Zeit genug gegeben. Außerdem hatte die Presse nicht minder zu diversen Spekulationen beigetragen, indem sie die obskursten Theorien durch Artikel in den einschlägigen Blättern in Umlauf gebracht hatte. Von derlei fruchtlosen Vernehmungen hatten Sedrin und Peters die Nase gestrichen voll. Sie fanden, dass sie ihre Zeit durchaus besser verbringen konnten.

Kelly überlegte. Sie dachte sich, dass D/4, weil sie ja von Anfang an dabei gewesen sein musste, sicher nicht mehr Informationen haben konnte, als alle anderen Anwesenden auch. Es sei denn, dass ihr das System vielleicht Daten zukommen lassen hatte. Sie würde zunächst mit Sedrin und Peters darüber reden müssen, wie sie in diesem speziellen Fall vorgehen sollte. Also betätigte sie die Sprechanlage, deren Mikrofon Peters am anderen Ende der Verbindung in die Hand nahm. „Hier Agent Peters.“, sagte seine etwas sehr norddeutsch angehauchte Stimme. Kellys empfindliches Gehör war dies durchaus gewohnt, dennoch überkam sie jedes Mal eine Gänsehaut, wenn sie diesen Akzent vernahm, denn selbst dann, wenn Peters Englisch sprach, war nicht zu überhören, woher der Deutschstämmige tatsächlich kam. „Agent, hier ist Mrs. Davis.“, gab sich Kelly zu erkennen. „D/4 ist bei mir und sagt, dass sie Dinge wüsste, die noch zu den Ermittlungen beitragen könnten, wenn ich sie richtig verstanden habe.“ „Soll reinkommen.“, brummelte Peters, der sich wohl auch nicht wirklich vorstellen konnte, was das für Daten sein konnten. Aber trotzdem wusste er, dass sie bei dem momentanen Stand ihrer Ermittlungen nichts außer Acht lassen durften.

Davis hängte das Mikrofon wieder ein und wandte sich der Sonde zu. „Agent Peters erwartet Sie.“, sagte sie ruhig und mit neutraler Stimme. „Vielen Dank.“, antwortete die Sonde und schickte sich an, den Flur in Richtung der Büros zu betreten. Ihre hoch auflösenden Augen hatten das Büro von Peters und Sedrin längst an seiner Beschilderung ausmachen können.

Die gerade erwähnte Demetanerin hatte parallel zu dem Geschehen in der Zentrale das Büro verlassen und war mit dem Turbolift in den Keller des Gebäudes gefahren. Hier hatte sie das Untersuchungszimmer betreten. Dort sah sie zunächst einen etwa zwei Meter in der Länge und 90 Zentimeter in der Breite messenden beweglichen Tisch, auf dem sich Loranas Leiche in einem Totenhemd befand. Da dieser Tisch sehr nah an der Tür stand, dachte sie sich bereits, dass diese abgeholt werden konnte.

Sie ging weiter und traf auf einen weiteren Tisch, an dessen Kopfende sich eine Lampe befand. Dieser Tisch war nicht beweglich und außerdem an eine Diagnoseeinheit angeschlossen. Auf dem Tisch lag die Leiche des Aldaners in einem Stasefeld, das von einem mobilen Generator erzeugt wurde. „Sieht aus, als könnten Sie uns mehr sagen, als Ihre Nachbarin, mein Freund.“, flüsterte sie dem toten Aldaner zu, über den sie inzwischen mittels der gefundenen Personaldaten etwas mehr herausfinden hatte können. Aus seinen Ausweispapieren war hervorgegangen, dass sein Name Lomādo Baldāri war. Er war unverheiratet und lebte seit zehn Jahren in der Kolonie auf dem Mars. Sein Alter betrug 40 Jahre, also nach Föderationszeit 200 menschliche Jahre. Er war also im Jahr 2795 auf Aldania Prime geboren. Seine Eltern waren beide bereits tot und weitere Verwandte hinterließ er nicht.

Der Blick der Agentin streifte den Tisch erneut, als sie sich abwendete und im Raum nach Cupernica Ausschau hielt. Endlich hatte sie die Androidin erspäht, die vor einer Konsole stand und mittels ihres Haftmoduls Daten überspielte. „Cupernica?“, sprach sie die Ärztin an. Diese wandte den Kopf, nachdem sie sich und das Modul vom Rechner gelöst hatte. „Ach, Sie sind es, Agent.“, sagte Cupernica und simulierte Überraschung. Wie Commander Data auch war es ihr möglich, menschliche Reaktionen zu simulieren. Aus ihrer langen Zusammenarbeit an Bord der Eclipse unter Huxley kannte Sedrin dieses Verhalten von ihr bereits sehr gut. „Also, Scientist.“, sagte Sedrin. „Was haben Sie für mich? Oxilon sagte, …“ „Das stimmt.“, sagte Cupernica. „Ich habe einige höchst interessante Entdeckungen gemacht.“

Sie aktivierte den Monitor der Konsole und rief einige Daten auf. Aus den vor ihren Augen erscheinenden Diagrammen wurde Sedrin zuerst nicht wirklich schlau. „Würden Sie mir bitte erklären, was das ist, Cupernica?!“, bestand die Agentin auf näheren Ausführungen. „Sicher, Agent.“, erwiderte die Androidin unbeeindruckt von der etwas unwirschen Stimme ihrer ehemaligen Vorgesetzten.

Sie holte einen Zeigestock aus einer Schublade, trat dann einige Schritte zurück und zeigte auf eine Stelle auf dem Monitor. Sedrin konnte die Überschrift eines der Diagramme erkennen. „Energieverteilungsmuster im Hirngewebe des Patienten.“, war groß, breit und deutlich zu lesen. Auch vor allen Balken befanden sich Überschriften, die medizinische Ausdrücke enthielten, die für Sedrin, wie sie selbst zugab, zum größten Teil böhmische Dörfer waren. Nur der Ausdruck: „telepathischer Kortex.“, sagte ihr etwas. Der Balken, der die Energiemenge anzeigte, die sich dort befand, war allerdings sehr kurz. Lange sah Sedrin sich diesen Umstand an. Dann sagte sie: „Sind Sie sicher, Cupernica, dass Sie hier keinen Fehler gemacht haben?“ „Ist Ihre Frage ernst oder rhetorisch gemeint, Agent?“, fragte die Androidin zurück. „Teils, teils.“, sagte Sedrin. „Ich weiß, dass Sie im Allgemeinen keine Fehler machen, außer Sie leiden selbst an einer Fehlfunktion. Da Sie dann aber nicht dienstfähig wären, allerdings hier in Arbeitskleidung vor mir stehen, also offensichtlich doch dienstfähig sind, weiß ich nicht, wie ich die Umstände einordnen soll.“ „Dann werde ich Ihnen gern dabei helfen.“, sagte Cupernica und ließ den Rechner das Bild auf dem Schirm durch ein noch Detailreicheres ersetzen. Hier sah Sedrin jetzt auch Wellenmuster, die ihr den genauen Verlauf des Kampfes zwischen dem Aldaner und dem fremden Wesen offenbarten, wenn sie diese richtig interpretieren konnte. Da sie aber keine gelernte Medizinerin war, ging ihr diese Fähigkeit ab. „Was in Mutter Schicksals Namen bedeutet das, Cupernica?!“, fragte Sedrin. „Das werde ich Ihnen zeigen.“, sagte die Androidin geduldig und fügte bei: „Computer, Programm Cupernica zweiundvierzig!“

Sedrin sah jetzt eine Animation, in der sich der Aldaner und ein Fremder gegenüberstanden. Dann sah sie schwarze und weiße Blitze, die zwischen ihnen hin und her flogen. Diverse Gegenstände, die im Raum waren, wurden herumgeschleudert, allerdings schien der Aldaner es vermeiden zu wollen, seinen Gegner direkt zu treffen. Der aber schien das genaue Gegenteil erreichen zu wollen. Trotzdem kämpfte der Aldaner weiterhin defensiv. Er schien sogar absichtlich einige Schläge einstecken zu wollen. Die Simulation endete mit seinem Tod.

Sehr beeindruckend, Cupernica.“, lobte Sedrin. „Und das haben Sie aus den Daten hergeleitet, die Sie aus seinem Hirngewebe entnehmen konnten?“ „Nicht nur daraus.“, sagte die Androidin. „Auch die Daten, die Sie über die Energieverteilung in den Gegenständen und den Wänden seines Hauses gesammelt hatten, dienten mir als Grundlage. Ich schätze, Mr. Baldāri hat geahnt, dass er gegen den Fremden nicht allein ankommt, hat uns aber so viele Beweise wie möglich hinterlassen wollen.“ „Ich liebe solche Zeugen!“, sagte Sedrin und machte ein fast laszives Gesicht. „Aber das scheint ja bei unserem Fremden Mutter Schicksal sei Dank nicht angekommen zu sein.“ „Davon gehe ich aufgrund der Daten auch aus.“, sagte Cupernica. „Es scheint tatsächlich, als hätte der alles gegeben, um unseren Zeugen zu töten.“

Sedrin rief sich das Bild noch einmal in Erinnerung. „Warum haben Sie die Blitze des Fremden schwarz darstellen lassen, Scientist?“, fragte sie. „Was wissen Sie, das ich nicht weiß. Ich meine, laut Davis’ Aussage hat Mrs. Lorana gemeldet, der Fremde habe im Auftrag der Propheten gehandelt. Schwarze Blitze kommen doch eher von Sytania.“ „Nun, Agent.“, sagte die Medizinerin. „Das hat der Fremde, der durch einen mysteriösen Umstand, den wir noch nicht kennen, diese Kräfte bekommen hat, sicher selbst auch geglaubt. Ich aber habe ein Detail gefunden, das diesen Glauben lügen straft.“ „Ich bin gespannt.“, antwortete Sedrin und ließ sich lässig auf den Rand eines freien Untersuchungstisches sinken. Sie ahnte, dass dies wohl ein noch längerer Vortrag werden würde. Aber auch von hier hatte sie jenen Bildschirm noch gut im Blick, auf dem jetzt eine weitere Graphik zum Vorschein kam. Sie zeigte das Energiemuster des Fremden in Großaufnahme. „Wie ist eine so genaue Darstellung möglich, Cupernica?“, fragte die Agentin staunend, denn so etwas hatte sie allenfalls dann gesehen, wenn sie einen Feind direkt hatte scannen können. Aber wenn der Aldaner sich gewehrt hatte, dann musste das Muster ja von seinem Eigenen durchschnitten worden sein und eine so genaue Darstellung wäre unmöglich. „Ich sagte ja bereits.“, begann Cupernica. „Unser Aldaner, oder nennen wir ihn doch beim Namen: Mr. Baldāri, hat es darauf angelegt, uns so viele gute Bilder wie möglich zu liefern. Erinnern Sie sich bitte an die Graphik vom Anfang, Agent. Wissen Sie noch, dass der Balken, der seine eigene Energie darstellt, im Bezug auf sein Telepathiezentrum sehr kurz war?“ „Daran erinnere ich mich, Cupernica.“, bestätigte die Demetanerin, der so langsam ein Licht aufzugehen schien. „Das muss aber bedeuten.“, äußerte sie eine Theorie. „Dass er genau wusste, was ein Erfasser oder die Augen eines Androiden sehen, wenn sie so ein Energiemuster betrachten. Solche Kenntnisse würden aber auch zu seinen beruflichen Daten passen. Er war Ingenieur mit Fachgebiet Positronik. Hätte Ihr Hausarzt werden können.“ Bei ihrem letzten Satz grinste die Agentin. „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Cupernica. „Wenn wir weiterhin davon ausgehen, dass er mit Absicht so gehandelt hat, komme ich aber noch zu einem anderen Ergebnis.“

Sie wandte sich wieder dem Rechner zu und steckte ihr Haftmodul ein. Dann übermittelte sie einen Befehl, der einen kleinen Teil des Musters schwarz einfärbte. Der Teil war aber so klein, dass Sedrin ihn erst zu sehen vermochte, als sie aufgestanden und näher an den Schirm getreten war. „Genau diese Reaktion wollte ich bei Ihnen provozieren, Agent.“, sagte Cupernica und schaute dabei schon fast zufrieden. „Ich kann mir vorstellen, dass Sie es langsam leid sind, durch meine Reifen zu springen und dass ich Sie ständig mit den normalen Reaktionen einer biologischen Lebensform provoziere. Aber …“, führte sie weiter aus, aber Sedrin winkte nur ab. „Es ist schon OK.“, sagte sie. „Auf diese Weise haben Sie mich früher schon auf Details und Dinge aufmerksam gemacht, die ich sonst mit Sicherheit übersehen hätte. Offensichtlich begreifen wir biologischen Lebensformen die Dinge am besten, wenn wir sie am eigenen Leib erfahren. Also nur weiter, Cupernica. Was wollen Sie mir denn jetzt hiermit sagen?“

Im rechten unteren Eck des Schirms erschien eine ähnliche Graphik, die mit einer Bildunterschrift versehen war. Hier las Sedrin deutlich: „Hirnwellenmuster der Propheten.“ Ihr Blick strich zwischen den beiden Mustern hin und her. Dabei viel ihr auf, dass das Muster des Fremden genau an der Stelle eine Abweichung aufwies, die schwarz markiert war. Aber dieses schwarze Muster hatte Sedrin schon einmal irgendwo gesehen! „Ersetzen Sie das Muster der Propheten bitte durch das von Sytania!“, sagte Sedrin selbstsicher. „Warum sollte ich das tun?“, fragte die Androidin und tat dabei absichtlich unwissend. Das zeigte sie aber so deutlich, dass es selbst einem Tauben hätte auffallen können. „Weil mir gerade etwas aufgefallen ist.“, antwortete Sedrin. „Das ich nur noch bestätigen muss!“ „Na gut.“, sagte Cupernica mit der ihr eigenen Gleichmut und tat, was Sedrin ihr aufgetragen hatte.

Der Blick der Agentin wich nicht von dem oberen Muster, während das Untere ersetzt wurde. Man konnte sogar den Eindruck gewinnen, sie wollte das Muster allein durch ihren Blick verhaften. Erst, als ein Signal ihr sagte, dass der Bildschirm zum Stillstand gekommen und das gewünschte Bild aufgerufen war, sah sie es sich an. Dann klatschte sie in die Hände und rief: „Sie sind identisch! Bingo! Dachte ich’s mir doch!“ „Das ahnte ich, Agent.“, sagte Cupernica. „Offensichtlich hat sich Sytania alle Mühe gegeben, das Energiemuster der Propheten exakt nachzuahmen. Aber wirklich gelungen ist es ihr nicht, wie wir hier sehen. Die Abweichung beträgt nur 1,005 %, aber das reicht aus, um jemanden wie Sie und jemanden wie mich zu irritieren. Ein biologischer Gerichtsmediziner und ein anderer leitender Agent hätten dem vielleicht nicht diese Bedeutung beigemessen, aber …“ „Aber wir tun das.“, unterbrach Sedrin sie. „Weil Sie Androidin sind und ich Sytania gut genug kenne. Uns beiden kann sie nicht erzählen, sie sei über Nacht zu einem Propheten mutiert.“ Sie warf dem Schirm einen abschätzigen Blick zu. „Aber anscheinend jenem bedauernswerten Fremden, der jetzt da draußen herumläuft und in ihrem Namen brandschatzt und mordet.“, ergänzte Cupernica. „Exakt, Scientist.“, sagte die Demetanerin. „Es wäre mir verdammt lieb, wenn wir mehr Details über die Begebenheiten hätten, die zu seiner Wandlung geführt haben und noch lieber wäre mir sein momentaner Aufenthaltsort.“ „Das kann ich mir vorstellen.“, sagte Cupernica. „Leider gibt es aber keine Zeugen, durch die Derartiges in Erfahrung zu bringen wäre.“ „Sie irren vielleicht, meine Liebe.“, grinste Sedrin. „Es gibt eine Zeugin. Ihr Name ist Yara und sie lebt zur Zeit im hiesigen Tierheim. Sie war das Haustier Ihrer zweiten Patientin, Mrs. Lorana, die eine Tochter Namens Nayale hat, die auf Terra mit einem gewissen Professor Nathaniel Radcliffe verheiratet ist. Sie haben einen 6-jährigen Sohn Namens Malcolm. Davis hat gesagt, die Melderin, also Mrs. Lorana, hätte gesagt, ihr Schwiegersohn sei es gewesen, der die Marskolonie angegriffen hätte. Was aber noch viel schlimmer ist, scheint die Tatsache zu sein, dass er mit der Frau und dem Kind auf der Flucht ist!“ „Sie haben Recht, Agent.“, sagte Cupernica. „Die Infektion mit Sytanias Energie macht ihn unberechenbar. Aber wie soll uns dieses Tier helfen können?“ „Abwarten.“, sagte Sedrin. „Davis sucht zur Stunde alle Verhaltenstrainer heraus, die sich mit traumatisierten demetanischen Wollkatzen auskennen. Vielleicht kann uns ja einer von ihnen den Weg zu Yaras Erinnerungen ebnen.“ „Ihre Verhörmethoden sind ungewöhnlich.“, sagte Cupernica. „Das ist ja gerade der Grund, aus dem Sytania sich an mir so oft die Zähne ausgebissen hat.“, lächelte Sedrin. „Ich bin eben schwer zu durchschauen.“ Cupernica nickte bestätigend.

Kapitel 17: Ungewöhnliche Wege

von Visitor

 

D/4 hatte das Büro der beiden in diesem Fall zuständigen Agenten betreten und stand nun Agent Peters gegenüber, der an seinem Schreibtisch saß. „Meine Kennung lautet: Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe. Sie können mich D/4 nennen.“, stellte sie sich in altbekannter Weise vor. „Angenehm, D/4.“, antwortete Peters höflich. „Ich bin Agent Karl Peters. Sie können mich Agent Peters nennen.“ Dabei lächelte er freundlich. „In Ordnung, Agent Peters.“, sagte die Sonde.

Der deutschstämmige Terraner rückte ihr einen Stuhl zurecht: „Setzen Sie sich doch.“ „Vielen Dank.“, sagte die Sonde höflich und kam seiner Aufforderung nach. Im Gegensatz zu den Borg waren die Xylianer bereit, auch mal unsere „Schwächen“ zu akzeptieren und sich ebenfalls entsprechen zu verhalten, um uns das Gefühl zu vermitteln, dazugehören zu wollen. Das kam aber auch dadurch, dass jeder A/1 bisher dafür gesorgt hatte, dass keine Sonde vergaß, dass einer ihrer Urahnen ein biologisches Wesen, ja sogar ein Mensch, gewesen war. Anscheinend hatte es V’ger so sehr gefreut, damals endlich in der Lage zu sein, Emotionen zu verstehen und zu empfinden, dass er dies in jede Programmierung seiner Nachfahren hatte einfließen lassen, so zu sagen als kleines Dankeschön an Commander Decker.

Peters schloss ein Pad an seinen Rechner an und öffnete ein Menü. Darin waren eine Menge Formulare zu sehen, die nummeriert und nach verschiedenen Spezies geordnet waren. Das kam daher, weil aufgrund verschiedener Fortpflanzungstechniken eventuell Unterschiede in manchen Fragen, die das Geburtsdatum oder den Geburtsort betrafen, bei der Formulierung gemacht werden mussten, damit sich niemand auf den Schlips getreten fühlen konnte. Er blätterte das gesamte Menü durch, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Dann sagte er: „Wie machen wir das? Es ist leider kein Formular für Ihre Spezies dabei.“ „Bitte erlauben Sie mir, Ihnen zu assistieren.“, sagte die Sonde, der durchaus ein gangbarer Kompromiss aufgefallen war. Ihr war durchaus klar, womit Peters sich schwer tat.

Peters rückte wortlos zur Seite und überließ ihr den Platz am Tisch. Den nutzte sie auch gleich, um den Cursor des Rechners auf das Formular zu stellen, das ihrer Meinung nach adäquat war. Tatsächlich gab es nämlich ein neutral formuliertes Formular, das im Allgemeinen bei Hologrammen oder Androiden in deren Vernehmung Verwendung fand. Da D/4 die erste künstliche Lebensform zu sein schien, die Peters vernahm, sah sie großzügig über die kleine Schwäche seinerseits hinweg.

Sie bestätigte den Punkt und das Formular wurde in das Pad geladen. „Danke, D/4.“, sagte Peters erleichtert. „Gern geschehen.“, antwortete die Sonde. „Ich denke, wir können aber von Glück sagen, dass Ihre Partnerin gerade nicht anwesend ist. Sie wäre sicher nicht so großzügig mit Ihnen umgegangen.“ „Das kann ich mir vorstellen.“, sagte Peters. „Sedrin hat manches Mal den Ruf, mehr Haare auf den Zähnen zu haben, als ein Klingone am ganzen Körper.“ „Dieses Faktum ist mir bekannt.“, sagte D/4 und zog sich das Pad mit dem Formular heran. Es war sicherlich ungewöhnlich, dass eine Zeugin die Angaben zu ihren Personalien selbstständig ausfüllte, aber Peters war ihr insgeheim sehr dankbar. Er mochte es gar nicht, beim Stellen eventueller Fragen in Fettnäpfchen zu treten. Erst neulich war es ihm wieder passiert, als er das falsche Formular bei der Vernehmung einer Insektoiden verwendet hatte, die ihn harsch daran erinnerte, dass ihre Spezies ja keine so genannten Körperbrüter seien und dass sie darauf bestehe, ein Formular zu bekommen, in dem vom Schlupf und nicht von der Geburt die Rede sei. Das war ihm wohl sehr peinlich gewesen und er hatte deshalb beschlossen, allen seinen Zeugen ruhig zu erlauben, bei der Auswahl der Formulare dabei zu sein und die entsprechenden Angaben selbst einzutragen. Dieses Problem war aber, wie ihr euch sicher schon denken könnt, typisch deutsch. Ein amerikanischer Agent hätte das sicher etwas lockerer gesehen. Aber die Rechtsprechung der Föderation verlangte nun einmal, dass auf die Eigenheiten von Lebensformen Rücksicht genommen wurde. Das war sogar gesetzlich verbrieft und die Insektoide hatte sogar mit Klage gedroht, wenn Peters diesen Umstand nicht auf der Stelle bereinigen würde.

Die Sonde schob dem Agenten das Formular wieder hin. Fasziniert sah er sich einige Zeilen genau an. „Ist Ihnen das Formular nicht bekannt?“, fragte die Sonde im Bestreben, ihm eventuell noch einmal behilflich zu sein. „Doch, doch.“, sagte Peters. „Ich habe es sicher schon einmal gesehen, aber Sie sind meine erste künstliche Lebensform, die ich vernehme.“ „Dann werde ich besonders rücksichtsvoll sein und gewisse eventuell auftretende Fehler ignorieren.“, sagte D/4. „Alles andere wäre einer effizienten Vernehmung nur abträglich.“ „Danke für Ihre Rücksichtnahme.“, sagte Peters erleichtert. „Wissen Sie, ich bin heilfroh, dass Sie keine Borg sind. Wenn ich da an Seven of Nine denke, von der ich auf der Akademie gehört hatte …“ D/4, der durchaus auch bekannt war, wovon er redete, sagte nur: „Derartiges müssen Sie von uns Xylianern nicht befürchten. Schließlich war einer unserer Urahnen menschlich und er hat uns ein großes Geschenk gemacht. Warum sollten wir also die Hand beißen, die uns gefüttert hat und ohne die es uns gar nicht erst geben würde?“ „Wenn Sie das so sehen?“, sagte Peters. „Positiv.“, entgegnete D/4. „Sehen Sie doch mal hier. Die Worte: Ort und Datum der Entstehung sind doch ein guter Kompromiss, nicht wahr?“ Peters nickte. „Aber nun sollten wir mit meiner Vernehmung beginnen.“, sagte die Sonde. „ Mir ist bekannt, dass Ihre Daten über die Geschehnisse auf dem Mars lückenhaft sind. Ich beabsichtige, sie zu vervollständigen.“ „Also gut.“, sagte Peters und stellte das Pad auf Aufnahme, um es dann so zwischen den Beiden zu platzieren, dass es sowohl ihre, als auch seine Stimme aufnehmen konnte. „Im Grunde gebe ich die Aussage von Allrounder Betsy Scott weiter, die gerade einen medizinisch verordneten Urlaub auf Celsius verbringt.“, sagte die Xylianerin. „Laut ihr hat sich die Sache folgendermaßen entwickelt. Wir haben einen neuen Nachbarn, Professor Nathaniel Radcliffe. Er leidet unter einer geistigen Krankheit, die dafür sorgt, dass er sich von Zeit zu Zeit für Captain Sisko hält. Das ist aber nicht das Einzige. Wenn er diese anfallsartigen Zustände erlebt, wird er auch gefährlich für sich und andere. Allrounder Scott sagt, er sei zu ihr gekommen und hätte sie gebeten, ihn auf einen Planetoiden zu begleiten, den ihm die Propheten von Bajor gezeigt hätten.“ „Sagen Sie bitte nicht, das hat sie getan!“, unterbrach Peters sie blass. „Doch.“, erwiderte die Sonde gleichmütig. „Weil er sie mit der eventuellen Gefährdung seines Kindes durch ihn selbst unter Druck gesetzt hat, wenn er krank bliebe und sie ihm nicht helfen würde. Dort würde er angeblich durch die Propheten Heilung erfahren können. Laut ihrer eigenen Aussage haben sie und der Professor ihr Schiff genommen und sind damit zu dem Planetoiden geflogen. Aber Radcliffe wurde immer unberechenbarer in seinem Verhalten. Er tötete sogar den Leiter einer weiteren Expedition, obwohl dieser ihm nichts getan hatte. Das Schlimme ist, dass er gleichzeitig der Vater einer minderjährigen Tochter war, die ihn begleitet hatte. Die Beiden sind Breen. Der Planetoid hat ein Wüstenklima. Dank Allrounder Scotts Umsicht hat das Mädchen überlebt. Aber jetzt ist sie allein und unter den genannten medizinischen Umständen sicher in Gefahr.“ „In Lebensgefahr!“, korrigierte Peters. „Wenn sie nicht vielleicht sogar längst tot ist. Breen vertragen keine Hitze. Verfügen Sie über die Koordinaten des Planetoiden?“ „Negativ.“, antwortete die Sonde. „Allrounder Scott war nicht in der Lage, sie mir zu nennen. Als ich sie traf, hatte sie einen Schock. Ihr Gesundheitszustand war bedenklich.“ „Was ist auf dem Planetoiden genau geschehen, das eine ausgebildete Sternenflottenoffizierin so umhauen kann?“, erkundigte sich Peters. „Haben Sie nähere Angaben?“ „Sie sagt, sie und der Professor wären auf einen merkwürdigen Kegel aus Kristall getroffen, der ihm Kräfte verliehen hätte, wie Sytania sie hat. Mit Hilfe ihres Erfassers sei es ihr auch möglich gewesen, dies nachzuweisen, aber Radcliffe hatte in der Absicht, das Schiff der Breen zu erbeuten, mit seinen neuen Kräften ein Feld generiert, das alle Technologie zerstört hat. Daran ist auch der Breen gestorben, der sich nicht an die Anweisung des Allrounders gehalten hat, alle Geräte von sich zu werfen. Das Mädchen aber hat dies getan. Deshalb lebt sie noch.“ „Um Gottes Willen!“, rief Peters aus. „Wir müssen sie finden! Eine Minderjährige auf einem fremden Planetoiden, der noch dazu sehr unwirtlich für sie ist! Aber eines will mir nicht in den Kopf. Warum wollte Radcliffe das Schiff der Breen? Wäre es für ihn nicht nahe liegender gewesen, das Schiff von Allrounder Scott zu kapern?“ „Das Schiff des Allrounders kann selbstständig denken und handeln.“, klärte die Sonde ihn über Lycira auf. „Das Schiff der Breen ist befehlsabhängig und kann das nicht.“ „Sie meinen, Scotts Schiff hätte sich gegen ihn zur Wehr setzen können, trotz er über diese Kräfte verfügt?“ „Das ist korrekt.“, sagte die Sonde. „Lycira hätte die Atmosphäre im Cockpit nur mit Rosannium versetzen müssen, was sie sicher auch getan hätte.“ „Kann ich mir vorstellen.“, sagte Peters, für den nach ihrer Aussage jetzt endlich einiges zusammenzupassen schien. Aber auch einige neue Fragen waren aufgetaucht, die vielleicht nur das Breenmädchen oder ich hätten beantworten können.

„Also.“, fasste der Agent ihre Aussage zusammen. „Der Allrounder ist im Moment gesundheitlich nicht in der Lage, uns zu helfen. Unsere einzige weitere Spur ist die minderjährige Breen. Vielleicht können wir von der tindaranischen Regierung Hilfe bei der Suche nach ihr erwarten. Soweit ich weiß, verfügen die über eine interdimensionale Sensorenplattform. Damit finden wir sie vielleicht noch früh genug. Aber warum hält sich dieser Radcliffe für Sisko? Denkt er, dass er so etwas wie dessen Reinkarnation ist?“ „Diese Theorie wird gegenwärtig vom System examiniert.“, berichtete die Sonde. „Dass Ihre Leute sich für solche Spinnereien hergeben.“, sagte der Agent abfällig. „Bis wir die eine oder andere Theorie wirklich wissenschaftlich ausschließen können.“, sagte die Sonde. „Haben alle den gleichen Stellenwert. Die Theorie einer Reinkarnation ist die Einzige, die wir bisher haben und auch Sie sollten sie meiner Meinung nach nicht verwerfen, nur, weil sie persönlich nicht an so etwas glauben. Ein guter Kriminalist muss meines Wissens alle Spuren verfolgen, bis sich eine als die Richtige herausstellt.“ „Sie haben ja Recht.“, sagte Peters geknickt. „Trotzdem klingt es doch sehr merkwürdig, nicht wahr?“ „Merkwürdigkeit ist nicht relevant.“, sagte die Sonde. „Es kann sich immer noch als die Wahrheit herausstellen. Oder haben Sie einen schlüssigen Gegenbeweis?“ „Nein.“, musste Peters zugeben.

Er schob der Sonde das Pad hin. „Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?“, fragte er. Sie schüttelte den Kopf. „Dann werde ich Ihre Aussage zu den Akten nehmen. Danach werde ich mit Sedrin sprechen, was ihre Ermittlungen bei Cupernica ergeben haben und dann werden wir mit der Regierung der Tindaraner Kontakt aufnehmen wegen der Breen. Sie ist wahrscheinlich die Einzige, die uns noch etwas sagen kann.“ „In Ordnung.“, sagte die Sonde. „Dann werde ich jetzt gehen.“ „Tun Sie das.“, sagte Peters.

In Gegenrichtung zu D/4 hatte Sedrin ihr und Peters’ gemeinsames Büro betreten. Das etwas verkniffen wirkende Gesicht ihres Partners war ihr sofort aufgefallen. „Was ist dein Problem, Karl?“, fragte sie gewohnt demetanisch verständnisvoll. „Mein Problem sind die Dinge, die mir D/4 gerade gesagt hat.“, antwortete der deutschstämmige Terraner leicht genervt. „Ach ja.“, sagte Sedrin. „Ich sah sie aus der Tür gehen. Aber was kann sie dir schon Schlimmes verraten haben. Sie kann doch nicht mehr über die Sache auf dem Mars wissen, als wir, die den Trümmerhaufen genauer in Augenschein genommen haben. Sie war ja auch dabei. Es sei denn, sie hat Daten vom System, die wir noch nicht haben. Also, was ist los?“ „Ich fürchte, ich muss deine Hoffnungen in einem Punkt zerstreuen.“, sagte Peters. „Vom System sind die Daten nicht, die sie hat.“ „Haarspalter!“, zischte Sedrin ihm zu. „Aber spuck es bitte endlich aus. Von wem sind die Daten?“ „Genau genommen sind sie von Allrounder Betsy Scott.“, sagte Peters und hielt einen Moment inne, um ihre Reaktion abzuwarten. „Wie kommt sie an Daten von Allrounder Betsy Scott und was um Himmels Willen hat sie ihr gesagt?! Ich weiß, dass sie Betsy wegen eines Schocks behandelt hat und dass sie mir gesagt hat, dass der Allrounder nicht vernehmungsfähig sei.“ „Deine Information scheint veraltet zu sein.“, sagte Peters. „D/4 gegenüber scheint sie nämlich ausgesagt zu haben.“

Sedrin ließ sich auf ihren Stuhl sinken. „Und was hat sie ausgesagt?“, fragte sie. „Laut D/4.“, begann Peters. „Hat der Allrounder einen großen Teil dazu beigetragen, dass die Situation jetzt ist wie sie ist. Sie soll unserem Wäscher vom Mars sogar ermöglicht haben, zu tun, was er getan hat.“ „Hör gefälligst auf, hier die unqualifizierten Überschriften aus der Regenbogenpresse zu zitieren!“, tadelte die Demetanerin ihren terranischen Kollegen. „Von dir als einem ausgebildeten Agenten hätte ich so etwas nicht erwartet.“ „Entschuldige.“, sagte Karl. „Ich bin doch auch nur ein Mensch.“ „Schon gut.“, sagte Sedrin mild. „Ich wollte ja nur vermeiden, dass du jemanden aufgrund einer vorgefassten Meinung falsch beurteilst. Das Problem habt ihr Terraner nämlich ab und an. Ich muss es wissen. Ich bin schließlich mit einem verheiratet.“ „Tut mir leid, Sedrin.“, entschuldigte er sich. „Aber danke, dass du mich erinnerst, dass ich von Berufswegen neutral zu bleiben habe. Meine private Meinung muss dann eben mal zurückstehen.“

Sie stand auf und replizierte beiden einen Kaffee am Replikator des Büros. Dabei achtete sie darauf, dass sich in Peters’ Tasse auf jeden Fall ein Stück Zucker und der von ihm so geliebte Schuss Karamell befand. Betont langsam und vorsichtig stellte sie die Tasse vor ihm hin. Dann setzte sie sich mit ihrer eigenen Tasse, in der sich normaler Kaffee mit Milch und Zucker befand, neben ihn. Ihr Blick, der sehr freundlich und fast bittend war, irritierte ihn leicht.

Peters nahm einen Schluck aus seiner Tasse. „Was hast du zu verbergen, Sedrin Taleris-Huxley?“, fragte er. „Wie kommst du darauf, dass ich etwas verberge?“, fragte sie zurück. „Es ist nur, weil du versucht hast, dich bei mir einzuschmeicheln.“, stellte Peters fest und sie erschrak. Er schien einen wunden Punkt bei ihr erwischt zu haben. „Ich schmeichle nicht!“, wehrte sich Sedrin. „Ich wollte nur … Ach, du hast ja Recht.“

Sie setzte ihre Tasse an und tat, als wolle sie sich Mut antrinken. Da der Kaffee aber sehr heiß war, brach sie das Unterfangen gleich wieder ab. „Es ist nur.“, begann sie. „Weil ich das Gefühl habe, mich ebenfalls von einer vorgefassten Meinung leiten lassen zu haben.“ „Du?!“, fragte Karl ungläubig und mit einem leichten Lachen in der Stimme. „Du, die große immer neutrale Agent Sedrin Taleris-Huxley?!“ „Genau die.“, sagte Sedrin verschämt. „Ich bin keine Vulkanierin und schon gar keine künstliche Lebensform. Ich kann Freundschaft empfinden und das tue ich gegenüber Allrounder Betsy Scott. Aber offensichtlich hat genau das zu einem Fehlurteil geführt, wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was ich vermute.“ „Du denkst jetzt vielleicht, sie hätte ihm absichtlich geholfen.“, sagte Peters. „Aber wenn ich D/4 richtig verstanden habe, dann wurde sie auch mit falschen Tatsachen dazu gebracht und genau so benutzt, wie Mr. Radcliffe.“ „Raus damit!“, insistierte Sedrin. „Was hat dir D/4 gesagt?!“ „Sie hat gesagt.“, erwiderte Peters. „Dass Allrounder Scott ihr gesagt hätte, Radcliffe habe sie verzweifelt aufgesucht. Er habe ihr gesagt, dass seine Ehe vor einem Scherbenhaufen stehe und er sogar das Sorgerecht für seinen Sohn verlieren könne, wenn er weiterhin an seiner geistigen Krankheit leide, die ab und zu dafür sorgt, dass er sich für Captain Sisko hält. Dann würde er unberechenbar und auch gefährlich für seine Familie. Aber die Propheten von Bajor hätten ihm einen Ort gezeigt, an dem er Heilung finden könnte. Dorthin sind sie mit Scotts Schiff geflogen. Dort sei er dann auf einen mysteriösen Kristallkegel und eine Expedition der Breen getroffen, die aus einem Archäologen und dessen minderjähriger Tochter bestand. Der Kegel hätte Radcliffe die Kräfte verliehen, die er jetzt hat. Dann habe er den erwachsenen Breen getötet, um an sein Schiff zu kommen, nachdem er sich geweigert hatte, die so genannte Reinwaschung über sich ergehen zu lassen. Inzwischen hatte Scott nämlich erkannt, wohin der Hase läuft und die beiden Zivilisten informiert. Auch sie hat sich geweigert, nachdem sie gesehen hatte, dass Sytania offensichtlich hinter allem steckt. Radcliffe hat ein Feld generiert, mit dem er sämtliche Technologie, also auch Scotts Erfasser, zerstört hat. Sie hat nur deshalb überleben können, weil sie alles von sich geworfen hat. Natürlich hat sie das auch den Zivilisten gesagt, aber nur das Mädchen hat sich daran gehalten. Der Mann ist durch die elektrischen Entladungen zu Tode gekommen. Das Ganze fand auf einem Wüstenplanetoiden statt. Die Kleine wird nicht mehr lange leben, wenn sie das in der Zwischenzeit überhaupt noch tut.“ „Verstehe.“, sagte Sedrin. „Das würde auch das Breenschiff erklären, das Zeugen in der Umlaufbahn des Mars beobachtet haben wollen. Warum Scotts Schiff nicht in Frage kam, kannst du dir ja wohl denken. Lycira würde sich nicht einfach kapern lassen. Aber offensichtlich konnte sie das Mädchen nicht erfassen, um es ebenfalls an Bord zu holen. Die Störungen, die durch das Feld von Radcliffe entstanden sind, werden sie gezwungen haben, sich zwischen ihrer Pilotin und ihr zu entscheiden. Ihrer Prämisse gemäß hat sie dann wahrscheinlich Betsy gewählt.“ „Das weiß ich.“, sagte Peters. „D/4 hat mich aufgeklärt. Ich werde den Chief-Agent informieren.“

Er ging zum Sprechgerät und schickte sich an, das Rufzeichen des Chief-Agent einzugeben. Aber Sedrin, die ja in dieser Hinsicht etwas mehr wusste, sprang hinzu und nahm ihm das Mikrofon aus der Hand. „Du verschwändest deine Zeit!“, sagte sie. „Sie wird uns nicht helfen. Sie wird von Tag zu Tag entscheidungsunfähiger werden.“ „Wovon redest du?!“, fragte Karl alarmiert. „Ich habe auf dem Flug mit ihr gesprochen.“, sagte Sedrin. „Sie ist lange nicht mehr die energische Tamara, die wir kennen. Sie scheint auch ein Opfer unseres Wäschers geworden zu sein. Ich kann mir denken, wo das passiert ist. Ich denke, das war auf Khitomer! Lass mich mal da ran!“

Damit stieß sie ihn, der gar nicht richtig wusste, wie ihm geschah, samt Stuhl zur Seite und setzte sich dann selbst auf ihrem eigenen Sitzmöbel vor das Sprechgerät, um dann das Rufzeichen des interdimensionalen Relais einzugeben. Als Zielrufzeichen gab sie: „281 Alpha.tin.“, ein, obwohl sie nicht wirklich wusste, ob das Rufzeichen von Zirells Basis tatsächlich so lautete. Deshalb war sie auch etwas überrascht, im nächsten Moment statt einer Fehlermeldung tatsächlich Jorans Gesicht auf dem Bildschirm zu sehen. „Ich grüße dich, Sedrin El Demeta.“, sagte der Vendar. „Hallo, Joran.“, entgegnete die sichtlich überraschte Sedrin. „Ich muss dringend mit deiner Kommandantin reden. Kannst du das einrichten?“ „Ich denke schon.“, sagte der Vendar zuversichtlich. „Anführerin Zirell betritt nämlich gerade die Kommandozentrale.“ „Dann gib sie bitte her!“, verlangte Sedrin. „Es ist sehr dringend.“ „Wie du wünschst.“, sagte Joran und Sedrin hörte die üblichen Schaltgeräusche und dann Zirells Stimme: „Was gibt es, Sedrin?“ „Hast du von der Sache auf Khitomer gehört?“, fragte die Agentin. „Das habe ich.“, antwortete die Kommandantin. „Inzwischen ist viel passiert.“, sagte Sedrin. „Unter anderem suchen wir eine überlebende Breen, die sich auf einem Wüstenplanetoiden befinden soll. Sie ist eine wichtige Zeugin. Aber wir brauchen wohl eure Sensorenplattform, um die ganze Dimension scannen zu können.“ „Ich werde sofort mit der Zusammenkunft sprechen.“, versprach die Tindaranerin. „Eine Breen auf einem Wüstenplanetoiden! Hoffentlich lebt sie überhaupt noch! Falls ja, werde ich sofort eine Patrouille schicken! Die Zusammenkunft hat Shimars und Marons Bericht. Die interessiert auch brennend, was da passiert ist und wenn diese Zeugin es uns sagen kann, um so besser.“ „Danke, Zirell.“, sagte Sedrin erleichtert, die sich an ihre letzte fruchtbare Zusammenarbeit – sogar als Sedrins erste Offizierin - noch gern erinnerte. Sie wusste, die Regierung der Tindaraner würde ihnen in diesem Zusammenhang sicher keine Steine in den Weg legen. Darüber war sie sehr erleichtert. Sie ahnte, dass es mit der Plattform ein Leichtes sein müsste, die Kleine zu lokalisieren und zu bergen. Zirell würde sie auf keinen Fall im Stich lassen!

Peters hatte beobachtet, dass sie abgeschweift war. „Sedrin?“, fragte er. „Was?“, fragte sie zurück, ohne von ihrer Tasse, in die sie gedankenverloren geschaut hatte, aufzusehen. „Du warst doch bei Cupernica.“, erinnerte Karl sie. „Was konntest du dort in Erfahrung bringen?“ „Cupernica hat die beiden Leichen untersucht, die wir mitgebracht haben.“, sagte die Agentin. „Bei der Zeonidin hat sie wohl festgestellt, dass sie in Folge einer direkten telepathischen Einwirkung auf das Zentrum gestorben ist, über das der Herzschlag kontrolliert wird. Das können zwar die wenigsten Spezies bewusst, Loranas auch nicht, aber ein Telepath könne schon einen Befehl dort unterbringen, der dieses Zentrum derart durcheinander bringt, dass es seinen Dienst quittieren muss. Die Folge ist dann das Aussetzen des Herzens und in dessen Folge der Tod.“ „Das steht auch in dem Bericht, den mir Cupernica gerade geschickt hat.“, sagte Peters. „Aber sie erwähnt hier noch die Untersuchung des Aldaners, die viel fruchtbarer gewesen sein soll. Sie schreibt, du könntest mich aufklären.“ „Das kann ich auch.“, sagte Sedrin. „Ich war bei der Untersuchung des Aldaners, beziehungsweise bei ihrer Auswertung der Daten, schließlich dabei. Also, anscheinend haben wir es hier mit Sytania zu tun, die sich als Prophet tarnen wollte, um alle, vor allem Radcliffe, in die Irre zu führen.“ „Aber warum gerade als Prophet?“, fragte Peters in der Hoffnung, wohl die von ihm so ungeliebte Theorie über Siskos Wiedergeburt nicht noch einmal hören zu müssen. „Weil sich Radcliffe offensichtlich ab und zu für Commander Sisko hält und es vielleicht sogar ist, oder besser, es war.“ „Du nicht auch noch!“, stöhnte Peters. „So etwas hätte ich von dir schon gar nicht erwartet. Und Cupernica? Sag bitte nicht, sie bestätigt das auch noch.“ „In gewisser Weise.“, begann Sedrin. „Hat sie es bestätigt. Sie hat gesagt, dass dies die einzige Erklärung dafür ist, warum sich Sytania als Prophet tarnen würde. Aber wir haben sie erkannt, weil ein kleiner Prozentsatz der Energiesignatur leider nicht übereinstimmte!“ Sie grinste schadenfroh. „Aber das ist doch absurd.“, sagte Karl. „Dir persönlich mag es absurd erscheinen.“, sagte Sedrin. „Aber bisher ist es die einzige Spur, die wir haben. Du musst aufhören, deine persönliche Meinung über die Beweise zu stellen. Sonst wirst du immer nur ein Hilfsagent bleiben und nie selbst ein Team leiten können.“

Das saß. Kleinlaut stellte Peters seine Tasse ab. „So was Ähnliches hat D/4 auch gesagt.“, sagte er. „Sie hat sogar gesagt, das System würde tatsächlich die Möglichkeit einer Wiedergeburt von Sisko untersuchen.“ „Natürlich tun sie das.“, sagte Sedrin. „Sie werden genau so von den Tatsachen ausgehen wie wir. Aber ich habe hier noch etwas Unerhörtes für dich, mein lieber Karl. Demnächst werden wir ein Tier vernehmen. Genauer, eine demetanische Wollkatze, die das Haustier unserer toten Zeonidin war.“ „Was werden wir tun?“, fragte Karl blass. „Wie soll denn das gehen? Willst du einen Telepathen auf das Tier loslassen?“ „Auf keinen Fall!“, sagte Sedrin, die das Gefühl hatte, er würde ihr nicht zugehört haben. „Wenn ich das täte, dann würde ich mir Yara garantiert nicht zur Freundin machen. Schließlich ist sie erst durch einen Telepathen in diese Situation geraten. Man sagt allen Katzenartigen nach, dass sie in der Lage seien, Telepathie zu spüren. Nein. Aber Davis sucht gerade alle Verhaltenstrainer heraus, die sich mit diesen Tieren auskennen.“ „Auch das noch.“, stöhnte Peters. Er war von seiner Partnerin zwar einiges gewohnt, dies aber schlug, wie er fand, dem Fass den Boden aus. „Und du meinst wirklich, dass das etwas bringt?“, fragte er skeptisch. „Ja, das meine ich!“, entgegnete sie fest. „Es ist der einzige Anhaltspunkt und Sytania soll nicht denken, dass sie mit ihrem Plan nur deshalb durchkommt, weil wir uns nicht trauen, ungewöhnliche Wege zu beschreiten!“ „Wer wird hier jetzt unsachlich?!“, fragte Peters, der sich mit der Situation immer schlechter zu fühlen schien. „Man könnte ja fast meinen, du würdest den Fall als persönliche Rache gegen Sytania verwenden wollen.“ „Das hat mit Unsachlichkeit oder Rache gar nichts zu tun!“, verteidigte sich Sedrin. „Du kennst Sytania nicht so gut wie ich! Du weißt nicht, was für eine Art von Feind sie ist! Sie ist eine Mächtige, die sich einen Dreck um unsere Konventionen schert. Sie studiert sie sogar nur zu dem Zweck, sie gegen uns zu benutzen! Wir müssen also für sie so unberechenbar wie möglich werden und dazu gehört auch mal, dass man ungewöhnliche Wege beschreitet!“ „Es ist nur.“, sagte Karl. „Weil mir das alles, was man hier so erlebt, manchmal schon zu viel wird. Manche Dinge hier in Little Federation wollen einfach nicht in meinen Kopf. Aber nicht nur in Little Federation! Weißt du, warum ich mich in diese Kleinstadt habe versetzen lassen? Ich wollte endlich mal einen ruhigen Dienst ohne Seltsames!“

Sedrin stand auf, klatschte in die Hände und lachte so laut, dass man ihr Gelächter auch einige Büros weiter gut hören konnte. „Also, wenn du vorgehabt hast, alten Omis ihre gestohlenen Handtaschen zurückzubringen, oder gar Ähnliches, dann hättest du kein Agent der Sternenflotte werden dürfen. Augen auf bei der Berufswahl!“ „Als ob ich die je gehabt hätte!“, empörte sich Peters. „Mein Großvater war Agent, mein Vater war Agent, also haben sie alles in die Wege geleitet, und das schon in meiner Kindheit, dass ich ja die gleiche Laufbahn einschlage!“ „Oh, Mutter Schicksal, vergib mir!“, sagte Sedrin mit einem Blick, der ihr Bedauern ausdrückte. „Ein Familienfluch! Das tut mir leid. Dann werde ich dich wohl zukünftig etwas sanfter anfassen müssen. Aber heute, da du erwachsen bist, könntest du doch sicher jederzeit einen anderen Beruf wählen.“ „Sicher.“, sagte Karl. „Aber ich sehe es als Herausforderung an, mich an vieles zu gewöhnen. Gott sei Dank habe ich ja eine Partnerin wie dich, die mich ab und zu daran erinnert, dass eine Freakshow in der Föderation etwas ganz Normales ist.“

Sedrin räusperte sich und hob drohend die rechte Hand. „Ein Scherz.“, beschwichtigte Peters. „Nur ein kleiner Spaß. Ich habe nichts gegen fremde Spezies und ihre Verbrechen und kann mich sicher auch mit der Vernehmung eines Tieres anfreunden. Wie weit ist Davis?“ „Sie wird mir Bescheid geben, wenn sie ein Ergebnis hat.“, sagte Sedrin. „Ich habe ihr freie Hand gegeben, was die Gespräche über Termine angeht.“ „In Ordnung.“, sagte Peters. „Dann wird uns ja nichts anderes übrig bleiben, als zu warten.“

Kelly hatte inzwischen bereits einige Stunden vor dem Rechner verbracht, um unter den Schlagworten: „demetanische Wollkatze“, und „Verhaltenstrainer“, im allgemeinen Netzwerk der Föderation nachzusehen. Sie war erstaunt darüber gewesen, wie viele Einträge es dort gab. Allerdings hatte Sedrin, nachdem sie ihr ihre ersten Ergebnisse wie abgesprochen präsentiert hatte, zunächst alle Telepathen aus den bekannten Gründen aussortiert, was Kelly die Arbeit schon etwas erleichtert hatte. Aber selbst jetzt waren noch um die 200 Einträge übrig geblieben, die noch bearbeitet werden mussten. Das bedeutete für die Notrufkoordinatorin, zunächst die herauszusuchen, die sie per SITCH-Mail erreichen konnte und eine Sammelmail an sie zu verfassen, in der sie um Antwort bat. Dann würde sie alle, die nur über Sprech-SITCH erreicht werden wollten, direkt zu rufen versuchen. Falls keiner der Trainer bereit wäre, mit dem Geheimdienst zusammenzuarbeiten, würde sie dies Sedrin auch mitteilen und diese würde entscheiden, ob eventuell in diesem besonderen Fall einer von ihnen durch ein Gericht bestimmt werden sollte, der dann eventuell vorgeladen würde, wenn die Justiz dem Antrag stattgäbe. Aber so weit, das hoffte Davis auf jeden Fall, sollte es nicht kommen.

Einige Minuten waren jetzt schon vergangen, in denen sie auf Antworten auf die Mail wartete und die verbliebene Zeit für einige Gespräche mit den Sprechern, wie sie die reinen Sprechgerätkandidaten genannt hatte, nutzte. Aber viele hatten ihr abgesagt oder sich gar nicht erst gemeldet. Kelly persönlich dachte sich, dass die Aussicht, eventuell mit dem Geheimdienst zu arbeiten, den Meisten vielleicht zu heiß war. Sie hatte schon die Befürchtung, Sedrin doch mitteilen zu müssen, dass sie doch die Mühlen der Justiz bemühen müsse, als ein Ruf sie erreichte. Dieser Ruf kam ausgerechnet von dem Rufzeichen, das sie als Allererstes gerufen hatte, auf dem sie aber nur einen SITCH-Rufbeantworter angetroffen hatte.

Sie nahm das Mikrofon in die Hand und drückte kurz die Sendetaste, was dem Gerät befahl, die Verbindung anzunehmen. Dann sah sie in das lächelnde Gesicht eines Demetaners mittleren Alters, der eine schlanke sportliche Figur hatte, einen schwarzen kurzen Bart trug und eine leichte Halbglatze über der Stirn aufwies. Dahinter hatte er noch einige schwarze kurze Haare zu bieten. Er trug eine blaue Jeans, ein rotes Hemd und ebenfalls rote Schuhe. „Hallo, Mrs. Davis.“, begrüßte seine sanfte tiefe Stimme sie. „Mein Name ist Tymoron. Ich rufe sie zurück, um mich für den Posten des Übersetzers bei der Vernehmung von Yara zu bewerben.“ „Hi, Mr. Tymoron.“, meldete sich Davis zurück. „Ich denke, da haben Sie sehr gute Chancen. Im Augenblick sind Sie nämlich der einzige Bewerber.“ „Wie bitte?!“, fragte der Demetaner ungläubig. „Will denn niemand von meinen Kollegen …?“ „Wie es aussieht, nein.“, antwortete Kelly. „Wissen Sie, ich glaube, sie haben sich alle erschrocken wegen der Sache mit dem Geheimdienst. Ich musste ja sagen, in wessen Auftrag ich anrufe.“ „Sicher, sicher.“, antwortete Tymoron. „Da könnte ja sonst jeder kommen. Aber der Geheimdienst ist auch mit ein Grund, warum ich das unbedingt möchte. Wissen Sie, als ich den Namen Ihrer Auftraggeberin hörte, fiel mir gleich etwas auf. Ich bin nämlich mit einer Sedrin Taleris zur Schule gegangen. Sie war damals schon recht strebsam und ich könnte mir gut vorstellen, dass sie Karriere bei der Sternenflotte gemacht hat.“ „Ich kann Ihnen natürlich nicht sagen, Mr. Tymoron.“, sagte Kelly. „Ob es sich bei unserer Agent Sedrin wirklich um Ihre Klassenkameradin handelt, aber ich könnte Sie gleich mit ihr verbinden. Vielleicht können Sie das ja dann gleich mit ihr klären.“ „Wenn sie jetzt noch erreichbar ist, nur zu!“, ermutigte Tymoron sie. „Aber ich habe das Gefühl, dass Sie etwas irritiert. Ich meine, dass Sie von Berufswegen sehr diplomatisch sein müssen, kann ich mir vorstellen. Aber ich glaube, dass Sie mir aus irgendeinem Grund ständig ausweichen.“ „Es ist nur.“, sagte Kelly. „Weil Sie gleich so ungezwungen geplaudert haben. Ich hatte damit nicht gerechnet und es war mir irgendwie unheimlich, obwohl ich mich andererseits auch sehr wohl gefühlt habe.“ „Dann habe ich ja zumindest die Hälfte von dem erreicht, was ich erreichen wollte.“, sagte Tymoron. „Wissen Sie, die meisten Haustierbesitzer, die uns holen, haben ein Problem, das meistens am oberen Ende der Leine hängt. Ich will aber nicht als Oberlehrer und schon gar nicht als Richter daher kommen. Deshalb versuche ich erst einmal, eine freundliche Atmosphäre aufzubauen. In so einer lässt es sich doch viel besser arbeiten, nicht wahr? Das ist mein Konzept. Dann sind die Leute nämlich auch viel ehrlicher gegenüber mir und spielen mir nichts vor. So kann ich ihnen und ihren Vierbeinern auch viel besser helfen.“ „Stimmt.“, sagte Kelly. „Damit werben Sie ja auch auf Ihrer Seite. Aber ich hätte nicht gedacht, dass dieses Werbeversprechen der Wahrheit entspricht.“ „Aber warum sollte ich meine Klienten denn belügen?“, fragte Tymoron mit der ihr schon bekannten bestimmten Sanftheit in der Stimme. „Was würde ich denn damit erreichen? Doch wohl gar nichts, oder allerhöchstens das, meinen guten Ruf selbst in den Schmutz zu ziehen. Aber jetzt verbinden Sie mich erst mal mit Ihrem Agent Sedrin Taleris-Huxley. Ich möchte doch zu gern wissen, mit wem ich demnächst arbeiten werde.“ „Sofort, Mr. Tymoron.“, sagte Kelly. „Bleiben Sie bitte in der Leitung.“ Sie nahm die notwendigen Schaltungen vor.

Sedrin war überrascht über Kellys Ruf. „Ich hatte Ihnen doch erlaubt, das mit dem Termin und alles, was daran hängt, selbst in die Hand zu nehmen, Kelly.“, sagte die Demetanerin, die von dem Gespräch mit Peters immer noch leicht genervt war. Es hatte ihr gar nicht gefallen, dass er sich so unflexibel gegeben hatte, was die Theorien über Siskos Wiedergeburt anging. Das war eine Prämisse gewesen, die ihre Lehrer auf der Akademie ihnen bereits im ersten Jahr ihrer Ausbildung eingetrichtert hatten. „Eine Spur ist eine Spur, ist eine Spur, ist eine Spur und wenn sie noch so absurd scheint. Solange es keinen Gegenbeweis gibt, ist sie zu verfolgen!“, hatten ihre Professoren sie jeden Morgen bei Unterrichtsbeginn allesamt wiederholen lassen. Deshalb ärgerte sie um so mehr, dass er dies vergessen zu haben schien. „Es tut mir leid, Agent.“, entschuldigte sich Kelly. „Aber der Verhaltenstrainer, der sich als Einziger bereiterklärt hat, behauptet, mit einer Sedrin Taleris zur Schule gegangen zu sein. Er meint, dass könnten vielleicht Sie sein. Das möchte er klären.“

Sedrin überlegte kurz und ließ ihre Zeit auf der High School noch einmal Revue passieren. Tatsächlich hatte es während ihrer Zeit dort einen Jungen gegeben, der sich gleichermaßen für sie, aber auch für das Verhalten von Tieren interessiert hatte. Sie lächelte, als ihr die Gedanken an ihre gemeinsame Zeit durch den Kopf huschten. Sie und der gewisse Junge Namens Tymoron waren nämlich als Teenager einmal ein halbes Jahr lang ein Paar gewesen. Aber wie das so ist bei Beziehungen in dem Alter, gab es irgendwann auch wieder eine Trennung. Ob diese nun von ihr oder ihm ausgegangen war, vermochte Sedrin nicht mehr mit Gewissheit zu sagen. Sedrin wusste nur noch, dass es wohl keine Trennung aus Hass gewesen sein musste, denn sie waren danach auch weiterhin Freunde geblieben. Zumindest hatte es für einen flüchtigen Briefkontakt und ab und zu Gespräche am Wochenende ausgereicht, bevor sie zur Sternenflottenakademie gegangen war. Dann hatte man sich aus den Augen verloren. Sollte dieser „Geist“ aus der Vergangenheit sie jetzt tatsächlich wieder einholen?

Sedrin rückte ihre Kleidung zurecht und räusperte sich. Dann sagte sie: „Geben Sie her, Kelly.“ Die Notrufkoordinatorin nickte und ging per 88-Taste aus der Leitung. Ihr Bild auf dem Schirm wich dem des Demetaners. „Hallo, Sedrin.“, sagte er. „Wie ich sehe, bist du es tatsächlich. Wir sind zwar beide etwas älter geworden, aber dein verschmitztes Gesicht erkenne ich unter tausenden. Eure SITCHerin hat dich mit einem Doppelnamen vorgestellt. Das heißt, dass du wohl heute verheiratet bist und das auch noch mit einem Außerweltlichen. Ich meine, Huxley klingt nicht sehr demetanisch. Ich bin neugierig, wie deine konservativen Eltern das aufgenommen haben.“ „Meine Mutter hat sich damit arrangiert.“, sagte Sedrin. „Und mein Vater, du weißt ja, dass er tot ist.“ „Interessant.“, sagte Tymoron. „Aber jetzt zum Geschäftlichen. Du ließest ausrichten, es ginge um eine Wollkatze Namens Yara, welche die Ermordung ihres Frauchens gesehen haben soll?“ „Das stimmt.“, sagte Sedrin bestätigend. „Es ist wahrscheinlich durch den Schwiegersohn des Opfers geschehen, der durch einen hier am SITCH nicht unbedingt zu erwähnenden Umstand telepathisch geworden ist. Er ist Terraner.“ „Ah ja.“, brummelte Tymoron und notierte etwas in ein Pad. „Dann weiß ich schon, welchen Dummy wir brauchen. Es wäre gut, wenn du an getragene Kleidungsstücke unseres Verdächtigen Nummer eins kommen könntest. Wollkatzen sind zwar eigentlich Sichtjäger, aber der Geruch spielt auch eine Rolle. Je nach dem, wie sich Yara dann verhält, werden wir sehen, ob er es wirklich war und ob der Wäscher vom Mars endlich ein Gesicht bekommt. Du hörst, ich lese auch Zeitung. Wir werden aber auch noch jemanden benötigen, zu dem das Tier eine positive Beziehung hat. Notfalls den Lieblingspfleger aus dem Tierheim.“ „Das lässt sich bestimmt machen.“, sagte Sedrin. „Wichtiger ist mir jetzt, ob du überhaupt noch einen Termin frei hast.“ „Hätte ich sonst hier so lange mit dir geredet?“, fragte Tymoron und kam dabei für sie schon etwas altklug rüber. „Sicher nicht.“, beschwichtigte sie. „Na also.“, sagte er. „Dann würde ich sagen, dass ich nächste Woche Mittwoch bei euch aufschlage.“ „Das ist OK.“, sagte die Demetanerin und beendete die Verbindung: „Bis dann.“ Auch sie war neugierig geworden und freute sich insgeheim bereits sehr auf seine Ankunft.

Kapitel 18: Unbequeme Wahrheiten

von Visitor

 

Saron war in den Keller des Regierungsgebäudes auf Elyrien gegangen, wo sich das Archiv befand. Er hatte diese Arbeit immer wieder vor sich her geschoben, wusste aber jetzt, dass es wohl keinen Ausweg mehr geben würde. Er fühlte sich aber sehr schlecht dabei. Er wusste noch genau, was seine Vorgesetzte ihm auf dem Flug gesagt hatte. Von Heldentötung hatte sie gesprochen! Er hoffte sehr, dass die Seine nicht die Hand an der Klinge sein würde, durch die dieser Held, von dem ihm bereits in der Grundschule erzählt worden war, sterben würde. Sisko wurde ihm immer als ein sehr integerer Mann, ja fast schon als gottgleiche Lichtgestalt, dargestellt. Er war ja auch zur Hälfte ein außerirdisches Wesen, das sogar von einer Spezies in seinem heimatlichen Quadranten als göttlich verehrt wurde. Also konnte doch an ihm nichts Böses sein, oder? Aber was war, wenn in diesem Fall seine menschliche Hälfte die Oberhand gehabt hatte und ihn quasi dazu gezwungen hatte. Der Mensch war schließlich zu vielen Schandtaten fähig, wenn es um sein eigenes kleines Leben ging. Aber einen Überlebensinstinkt zu besitzen, konnte doch im Grunde auch nicht schlecht sein, denn die Natur hatte es doch so eingerichtet, dass die Spezies leben sollten. Warum sonst hätte sie dann erst Wesen entstehen lassen? War es also doch auf einer gewissen philosophischen Ebene legitim, was Sisko eventuell getan haben sollte?

Unfähig, diese Frage für sich zu entscheiden, setzte er sich an einen der Rechner, die zur Suche nach historischen Dateien allen Mitarbeitern hier zur Verfügung standen und gab seine Benutzerdaten ein. Dabei schlug ihm das Herz bis zum Hals. Er hoffte inständig, nichts zu finden, denn er wollte wie gesagt nicht am Sturz eines Helden schuld sein. Er wusste, dass man die Suche auf jeden Fall zu ihm zurückverfolgen konnte, wenn er etwas finden würde.

Das Programm war geladen und die Frage nach dem zu suchenden Schlagwort trieb ihm die Tränen in die Augen, denn der Sekretär ahnte, dass er jetzt nichts gegen den Sturz des Helden seiner Kindheit mehr tun können würde. Die Zeilen: „Willkommen, Mr. Saron! Bitte Suchbegriff eingeben!“, waren für ihn schon fast wie eine Aufforderung zur Revolte. Er starrte Minuten lang auf den Schirm, ohne irgendwas zu tun.

„Kann ich helfen?“, eine glockenhelle Stimme hatte ihn erschreckt. Erst jetzt sah Saron die Silhouette einer Frau, die langsam hinter den Regalen mit den Datenkristallen hervortrat. Sie war Celsianerin. Das konnte der hoch gebildete Sekretär durchaus erkennen. Zumal ihre herzförmigen Augen auch noch sehr durch ihre Art, sich zu schminken, betont wurden. Sie war etwa 1,70 m groß, schlank und trug ein blaues Kleid aus seidigem Stoff, das ihr knapp bis über die Knöchel reichte. Ihre Arme waren von langen Ärmeln bedeckt, die von neckischen Rüschen abgeschlossen wurden und sich in Richtung der Bündchen leicht verjüngten. Im flachen züchtigen Ausschnitt, der ihre weiblichen Reize nicht zu sehr betonte, prangte der Anhänger einer silbernen Halskette, der die Form eines Katzenkopfes hatte. Die grünen Augen der Katze, die aus replizierten Smaragden bestanden und sich vom Silber des Anhängers abhoben, schauten feurig und geheimnisvoll zu gleich. Das gab dem Anhänger ein sehr geheimnisvolles und rätselhaftes Aussehen, was, wie die Frau fand, als sie sich den Schmuck ausgesucht hatte, sehr gut zu einer Archivarin passte. Zu dem Kleid trug sie rote Schuhe, die auf der Spitze kleine weiße Bommel hatten und mit kleinen etwa 2 cm hohen Absätzen versehen waren.

Erneut fühlte sich Saron ertappt. Er hatte sogar das Gefühl, in seine Kindheit zurückversetzt worden zu sein und war für einen Augenblick wieder der kleine Junge, den man beim Genuss verbotenen Naschwerks erwischt hatte. Er warf ihr einen verschämten Blick zu, konnte sich aber nicht wirklich vom Bildschirm und der Eingabeaufforderung lösen. Dass der Computer ihn sogar mit seinem Namen identifiziert hatte, machte die Situation nicht wirklich leichter für ihn. Im Gegenteil!

Immer noch im Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, stellte er zunächst die Bedienung des Programms im Systemmenü von Stimm- auf Tastaturbedienung um. Aber kaum hatte er die Einstellungen beendet, war die ungeliebte Eingabeaufforderung wieder da.

Verloren sah sich Saron im Raum um. Wieder streifte sein Blick die Silhouette der Fremden, die er hier zuvor noch nie gesehen hatte. Er beschloss, zunächst mit ihr ein unverfängliches Gespräch zu beginnen. Das würde ihn sicher ablenken von dem, was er unter Umständen zu tun hatte. „Oh, ich habe Sie gar nicht bemerkt, Miss …“ Er überlegte merklich. „Dalylla Sendor.“, stellte sie sich lakonisch vor. „Ich bin die neue Archivarin.“ Wieder zuckte Saron zusammen. Ihr Nachname, der zugleich wie in den meisten Sprachen üblich, die keine Familiennamen an sich kannten, der Vorname ihres Mannes sein musste, wies ihn darauf hin, dass sie wohl mit einem der Netzwerker verheiratet sein musste. Andererseits war Sendor vielleicht auch ein auf Celsius sehr weit verbreiteter Name und er musste sich keine Sorgen machen, dass die Sache demnächst noch größere Wellen schlagen würde. Die Netzwerker überwachten ja sicher auch die Rechner im Archiv und hatten sicher schon gesehen, dass er jetzt bereits gefühlte zwei Stunden in der Eingabeaufforderung fest hing, ohne, dass sich etwas Signifikantes getan hatte. Wenn die Sprechanlage jetzt piepen würde, hätte er Gewissheit, was die Situation für ihn nicht gerade besser machte.

Jener ungeliebte Ton gellte auch bald durch den Raum. Er tat Saron regelrecht in den Ohren weh. „Entschuldigen Sie mich kurz.“, sagte Dalylla und wendete sich kurz der Anlage zu, die sie auf Lautsprecher gestellt hatte, um im Notfall die Hände für anderes frei zu haben. Im Display war das Rufzeichen der Informatikabteilung mit dem Unterrufzeichen von Sendors Arbeitsplatz zu sehen, der zugleich Leiter der Abteilung war. „Is’ bei dir alles klar, Schatz?“, fragte er. „Ich mein’, ich seh’ gerade, dass sich der Sekretär von Nugura im Archiv angemeldet hat, aber nichts macht. Der Rechner hängt aber nich’ fest. Kommt ihr klar?“

Erneut schnürte sich Saron die Kehle zusammen. Er wusste jetzt genau, dass es sich um jenen Mr. Sendor handeln musste, mit dem diese Frau verheiratet war, den er selbst sehr gut kannte. „Bitte sagen Sie, dass alles in Ordnung ist.“, bat er sie inständig. „Bitte, Dalylla. Es ist sehr wichtig!“ „Das werde ich nicht tun!“, sagte Dalylla fest. „Weil ich nämlich den Eindruck habe, dass mit Ihnen etwas nicht stimmt, Mr. Saron. Sie sind ausgebildeter Sekretär und benehmen sich hier gerade, als könnten Sie den Rechner nicht bedienen. Was zur Hölle is’ hier los?!“

Saron war nicht entgangen, dass sie sich mit dem Sprechen zunächst große Mühe gegeben hatte, um ihre flapsige celsianische Sprache gut zu verschleiern, denn sie ahnte wohl, dass es einen sehr ernsten Hintergrund haben musste, wenn Saron solche Schwierigkeiten hatte. Das war ihr auch gut gelungen, bis auf ihren letzten Satz. „Bitte wenden Sie sich ab, Dalylla.“, bat Saron. „Ich möchte nicht, dass Sie das sehen.“ „Was soll ich denn nich’ sehen?“, flapste sie zurück. „Wenn Sie Geheimsachen nachzusehen haben, dann wäre es doch bestimmt besser gewesen, das von Ihrem Büro aus zu machen. Ich mein’, die Rechner sind doch alle untereinander vernetzt. Wenn Sie dabei nich’ klar gekommen wären, hätten Ihnen mein Mann und seine Mitarbeiter sicher geholfen.“ „Nein! Um Mutter Schicksals Willen!“, sagte Saron und betonte es so, dass sie denken musste, sie habe etwas Schreckliches von sich gegeben. Etwas, das einer Aufforderung zu einem Verbrechen gleich kam, oder zumindest dem Angebot zur Mittäterschaft bei eben diesem.

Dalylla ließ ihn nicht aus den Augen. Sie sah jetzt, wie er versuchte, die Schlagworte: „Sisko, romulanische Gesandte.“, und: „Mord.“, einzugeben, sich aber mehrmals dabei vertippte. Sie bemerkte, dass er dabei immer wütender auf sich selbst wurde. „So was.“, brummelte er vor sich hin. „Ein ausgebildeter Sekretär und kann noch nicht mal richtig schreiben!“

Erneut war das Piepen der Sprechanlage zu hören, das ihn erschreckte. Dalylla nahm das Gespräch entgegen. „Es tut mir leid, Schatz.“, hörte Saron erneut die Stimme des ihm bekannten Netzwerkers aus dem Lautsprecher. „Aber ich konnte einfach nich’ widerstehen. Was bitte macht dieser Saron da unten bei dir? Ich glaub’, hier braucht mal jemand Hilfe! Ich komm’ am besten selbst.“ Damit hängte er das Mikrofon für beide gut hörbar ein und die Verbindung wurde automatisch beendet, da die Sprechanlage entsprechend eingestellt war. „Er ist unterwegs.“, sagte Dalylla. „Ab jetzt gibt es kein Zurück mehr.“ „Bitte, wimmeln Sie ihn wieder ab.“, bat Saron verzweifelt. „Es ist besser, wenn so wenige Leute wie möglich von der Sache erfahren. Haben Sie eine Ahnung, was das auslösen könnte, wenn …“

Er begann plötzlich zu zittern und fiel vor ihren Augen vom Stuhl. Sie hockte sich neben ihn und zog ihn an sich im Versuch, ihm beim Aufstehen behilflich zu sein. Da er aber sehr weiche Knie hatte, gelang ihr das nicht. Deshalb nahm sie ihn einfach so in den Arm, wie die Beiden jetzt hier auf dem Boden des Archivs saßen.

Saron bemerkte, wie gut ihm ihre Anwesenheit tat. Er genoss den Duft ihres Parfums, das ihn stark an eine heimische demetanische Blume erinnerte. Auch der weiche seidige Stoff ihres Kleides gab ihm ein Gefühl der Geborgenheit. „Sch.“, machte Dalylla. „Is’ ja gut. Oh, Backe! Dass der Job in Nuguras Büro so stressig is’, hätte ich nich’ gedacht. Sie verhalten sich ja, als hätten Sie einen Schock!“ Sie sah, dass er immer blasser und blasser wurde.

Die Tür öffnete sich. „Bist du hier, Dalylla?!“, fragte eine tiefe Stimme ins Halbdunkel des Raumes. „Ja, Sendor.“, antwortete sie, die diese Stimme durchaus erkannt hatte. Dann sah sie, wie sich ihr Mann auf die Beiden auf dem Boden sitzenden zu bewegte. „Ach du Scheiße!“, urteilte Sendor, packte Saron mit seinen kräftigen Händen an den Schultern, zog ihn hoch und verfrachtete ihn, auch gegen seinen Willen, auf einen Stuhl. Dann holte er zwei kleine in der Höhe verstellbare Hocker, die an sich als Tritthilfe dienten, um an die oberen Etagen der Regale kommen zu können, stellte sie auf die größtmögliche Höhe ein und schob sie unter Sarons Beine. „So, mein Bester!“, sagte er nach getaner Arbeit. „Meine Frau holt Ihnen jetzt erst mal ’n Arzt und ich seh’ mir die Bescherung mal an, die sie hier verzapft haben!“ Damit wandte er sich dem Rechner zu: „So, mein Kleiner! Zeig Papa mal, was du hast!“

Unfähig, sich in dieser Situation noch irgendwie zu wehren, saß Saron da und sah sich an, was Sendor ans Tageslicht zauberte. „Was haben Sie denn da für Suchbegriffe eingegeben?“, fragte Sendor. „Na, bei denen würde ich auch einen Schock erleiden. Fragt sich nur, wer hier wen umgebracht haben soll. Sisko die Romulaner, oder die Romulaner Sisko.“ Er lachte, denn er hoffte mit diesem kleinen Witz Sarons Stimmung etwas aufheitern zu können. Durch einen Seitenblick bemerkte er aber bald, dass er genau das Gegenteil erreicht hatte. „Oha.“, machte er. „Dann sind die Geschichten, die dieser Wäscher vom Mars erzählt, eventuell doch wahr?“

Saron schlug die Hände über dem Kopf zusammen und begann bitterlich zu weinen. „Ach du dicker Hund!“, meinte der Netzwerker lakonisch. „Das bedeutet, sie will tatsächlich wissen, ob da was Wahres dran is’. Na gut. Dann wollen wir mal!“ Er bestätigte Sarons Eingaben. „Bitte nicht, Mr. Sendor!“, schluchzte Saron verzweifelt. „Bitte nicht!“ „Is’ schon zu spät.“, sagte Sendor. „Er sucht bereits und das tut er im ganzen Netz. Das könnte jetzt etwas dauern.“

Er nahm die Hand seiner Frau und zog sie hinter eines der Regale, wo er mit ihr gleich ein Gespräch in ihrer Muttersprache begann, von dem Saron nur die Worte: „Nang.“, und: „Quet.“, verstehen konnte, die: „Ja.“, beziehungsweise: „Nein.“, bedeuteten. Die Sprache erinnerte das gut geschulte Ohr des Sekretärs entfernt an die Sprache der Thai, die auf der Erde gesprochen wurde. Was die Beiden jetzt besprachen, konnte er allerdings nicht heraushören, da sich seine Kenntnisse des Celsianischen auf nur diese beiden Worte beschränkten. Aber da sie ihre Diskussion sehr aufgeregt führten, konnte er sich denken, dass es wohl um seine Situation ging. Dann sah er, wie sich Dalylla zu einer Sprechanlage begab und ein externes Rufzeichen eingab, während sich Sendor zurück an den Rechner setzte.

Mit einem Seitenblick zu ihm beobachtete der Netzwerker den Bildschirm. „Also.“, sagte er. „Er is’ jetzt fertig. Zu Ihrer Beruhigung: Gefunden hat er nichts. Aber das muss ja nichts heißen. Wenn das wirklich so ’ne Geheimsache war, dann wird auch nichts darüber an die Öffentlichkeit geraten sein. Wir könnten noch bei den Geheimdiensten nachfragen, aber dann brauchten wir ’ne Sondergenehmigung.“ „Ist schon OK, Sendor.“, sagte Saron, der sich angesichts seiner Worte sehr erleichtert vorkam.

Dalylla war von ihrem Gespräch zurückgekehrt und setzte sich jetzt auch zu Saron und ihrem Mann. „Ich habe unserem Hausarzt Bescheid gegeben.“, sagte sie und legte Saron tröstend ihre kleine rechte Hand auf die Schulter. „Er ist sehr freundlich und kommt gleich. Er ist auch psychologisch geschult. Von ihm werden Sie sicher Hilfe bekommen.“ „Danke, Dalylla.“, sagte Saron. „Aber ich glaube, es geht mir schon viel besser.“

Er versuchte aufzustehen, aber seine Beine versagten ihm den Dienst, was zur Folge hatte, dass er gleich wieder hinfiel. Dalylla raunte ihrem Mann aufgeregt etwas auf Celsianisch zu, was ihn veranlasste, sofort hinzu zu springen und ihn auf einen Bürostuhl zu ziehen, den sie ihnen eilig hingeschoben hatte und der jetzt als Rollstuhl zweckentfremdet wurde. „Ne, ne, mein Junge.“, lachte der etwas kräftig gebaute Celsianer. „Nich’ ohne mich. Nich’ ohne Onkel Sendor. Bis der Arzt hier war, machen Sie keinen Schritt allein, verstanden?“ „Aber ich muss ...“, stammelte Saron. „Die Ergebnisse …“ „Das lassen Sie mal unsere Sorge sein.“, sagte Sendor zuversichtlich und Dalylla pflichtete bei: „Ich werde ihr mitteilen, dass Sie nichts gefunden haben. Ich werde ihr ja ohnehin melden müssen, dass Sie krank geworden sind, weil es an meinem Arbeitsplatz geschehen ist.“ „Bitte nicht, Dalylla.“, sagte Saron mit einem Flehen in den Augen. „Sie darf es nicht erfahren!“ „Und wie wollen Sie dann Ihre Abwesenheit im Büro erklären, he?“, fragte Sendor. „Sie haben ja Recht.“, sagte Saron. „Aber es ist doch wirklich beschämend, wie ich mich verhalten habe, oder?“ „Ne.“, urteilte Sendor. „Also, in meinen Augen is’ Ihr Verhalten ganz normal. Wenn mir plötzlich jemand den Boden unter den Füßen weg ziehen würde, dann würde ich sicher genau so reagieren. Ich mag zwar nur ’n ungehobelter Celsianer sein, der oft flapsig daher quatscht, aber ich bin nich’ doof. Hab zufällig auch vor ’nem Sprechgerät gesessen, als die Übergabe von Meilenstein übertragen werden sollte. Ich weiß auch, wessen die Romulaner und der Fremde uns beschuldigen und dass wir nix finden, heißt nich’, dass da nix war. Immerhin war Sisko ein Held und das gebe einen hübschen schwarzen Fleck auf seiner weißen Weste. Aber irgendwoher muss die Info ja kommen. Mein Bauch sagt mir auf jeden Fall, dass der komische Fremde sich das alles nich’ ausgedacht hat und ich hab’ ’n großen Bauch. Wenn wir da mal nich’ ’ner ziemlich unbequemen Wahrheit auf der Spur sind, mein Lieber!“

Die Worte des Netzwerkers, der wohl nicht ganz an die Unschuld Siskos glaubte, waren für den Sekretär, der dies immer noch tat, wie ein Stich ins Herz. Aber wenn nur die Hälfte von dem stimmte, was vermutet wurde, dann musste er sein Bild vom strahlenden Helden wohl noch einmal überdenken. Aber im Augenblick war er dazu überhaupt nicht in der Lage. Das würde sich wohl erst nach einigen therapeutischen Sitzungen bei Dalyllas und Sendors Hausarzt ändern.

Dalylla, die vor das Haus getreten war, kam jetzt mit einem älteren Terraner im weißen Kittel, der etwa 1,80 m maß und eine drahtige Figur und rote kurze Haare hatte, zurück, der seinen Jeep gut sichtbar auf dem Parkplatz abgestellt hatte. „Ich bin Doktor Joseph Jenkins.“, stellte er sich bei Saron vor. „Ich werde mich jetzt um Sie kümmern. Keine Sorge, Mr. Saron. Überarbeiten kann sich jeder mal.“ Damit gab der fremde zivile Mediziner Sendor einen Wink und die Männer verfrachteten Saron gemeinsam auf die Rückbank des Jeeps, während Dalylla ihnen alle Türen aufhielt. Insgeheim war Saron sehr froh, dass ihm jetzt Hilfe zuteil wurde. Er hätte nicht gewusst, wie er allein mit den schlimmen Gedanken an Siskos eventuelle Schuld fertig werden sollte.

Wesentlich neutraler gingen die Xylianer mit der Situation um, obwohl sie eigentlich viel mehr Grund gehabt hätten, erschüttert zu sein, denn sie hatten tatsächlich etwas gefunden. Aus den alten Aufzeichnungen der Station Deep Space Nine, die ihnen durch Nuguras Anordnung überantwortet worden waren, ging tatsächlich eine eindeutige Schuld Siskos hervor! Man hatte bei der Untersuchung der Kristalle aus der Station und den Shuttles eindeutige Dinge zutage gefördert. Da waren nicht nur die Aufzeichnungen von Gesprächen und die danach erfolgte Entdeckung der Fälschung des thermolytischen Datenstäbchens, sondern auch das Gespräch zwischen Sisko und dem Zivilisten Garak zu sehen, der den Mord schließlich ausgeführt und sich sogar noch damit gebrüstet hatte. Aber es gab keinen Weg, der an Siskos Schuld vorbeiführte, den Mord geplant zu haben, auch wenn ein anderer die makabere Gelegenheit ergriffen hatte. Auf einem Datenkristall des Shuttles Rio Grande war nämlich ein vollständiges Geständnis des Captains zu finden. Er hatte dies zwar gelöscht, nachdem er, so zu sagen als Therapie, dem Logbuch alles mitgeteilt hatte, diese Löschung war aber nicht durch Expertenhand, sondern nur durch einen einfachen laienhaften Löschbefehl erfolgt, was es den Xylianern sehr leicht machte.

Ein kleines Modul machte sich also auf den Weg zum Zentralring, um A/1 die neuen Fakten mitzuteilen. Es war mit zwei Sonden, die eine männlich, die andere weiblich, besetzt. Die Sonden hatten den Datenkristall mit den Beweisen dabei. Nachdem das Staatsoberhaupt informiert war, würde er die Fakten sicher Nugura und den Romulanern gleichermaßen mitteilen, wie es ihnen versprochen worden war.

Das Modul näherte sich einer freien Andockrampe am Zentralring und machte fest. Dann verließ die weibliche Sonde es, während die Männliche an Bord blieb. Ihr Weg führte sie nun durch unzählige Gänge zum Mittelpunkt des Ringes, wo sie A/1 antraf. Sofort hatte dieser sie registriert und über ihr Rufzeichen, das ihm durch ihr Präsenzsignal, von dem es ein Teil war, mitgeteilt wurde, Verbindung zu ihr aufgenommen. „Welche Erkenntnisse hast du gewonnen, J/12?“, fragte er die Daten von der vor ihm stehenden Sonde ab. „Die Bioeinheit Benjamin Sisko ist schuldig.“, sagte die Sonde. „Er hat den Mord an den romulanischen Gesandten tatsächlich geplant. Die Informationen der fremden Bioeinheit sind also korrekt. Es gibt eine weitere in den Fall verstrickte Bioeinheit Namens Garak. Er hat den Mord schließlich ausgeführt.“ „Handelte die Bioeinheit Garak auf Befehl der Bioeinheit Sisko?“, wollte das xylianische Staatsoberhaupt von der ihm unterstellten Wissenschaftlerin erfahren. „Die Fakten sind meiner Interpretation nach in dieser Frage nicht eindeutig.“, antwortete J/12. „Wir müssen eine Sonde in unsere Konferenz integrieren, die eine fundierte Expertise zum Verhalten von Bioeinheiten abgeben kann.“ „Zeig mir die Daten, die du gesammelt hast!“, befahl A/1 und J/12 steckte den mitgebrachten Datenkristall in ein Laufwerk an einer Konsole. An die gleiche Konsole hefteten sich dann auch sie und A/1 per Kommunikationsverbindung. Dann sahen sie sich alles an, was die wissenschaftlichen Ermittlungen der Sonden erbracht hatten.

A/1 löste sich als Erster wieder von der Konsole und sah seine Untergebene niedergeschlagen an. „Diese Daten sind zu 80 % eindeutig.“, stellte er fest. „Wir sollten aber abschließend klären, ob die Bioeinheit Garak auf Befehl der Bioeinheit Sisko gehandelt hat, oder nicht. Die Fakten wird das nicht ändern, aber es wird der Bioeinheit Nugura ein besseres Verständnis ermöglichen. Allerdings wird die Beziehung zwischen den Romulanern und der Föderation enden, wenn wir das Verhalten von Bioeinheiten korrekt einschätzen. Ein Krieg scheint sogar möglich.“

Er heftete sich wieder an die Konsole und gab einen Suchbefehl ein, der den Rechner nach Daten über das Verhalten von Bioeinheiten im Allgemeinen suchen ließ. Außerdem nach der Kennung der Sonde, die am meisten Daten zu diesem Thema eingestellt hatte. Am Ende dabei heraus kam die Kennung von D/4, mit der A/1 über einige Relaisstationen sofort Kontakt aufnahm. „Es existieren ungeklärte Fakten im System.“, begründete er die Störung ihrer Regeneration, zu der sich D/4 gerade an ihre Dockingstation begeben hatte. „Deine Expertise ist notwendig. Bitte schalte deine Systeme frei, um in unsere Konferenz integriert zu werden. Die fraglichen Daten werden dann auch dir zur Verfügung gestellt. Deine Assistenz bei der Lösung dieser Frage ist unverzichtbar!“ „Verstanden.“, gab D/4 zurück und tat, worum sie gerade von ihrem Staatsoberhaupt gebeten worden war. Jetzt konnte auch sie sich ansehen, vor welcher Frage er und J/12 standen. „Eure bisherige Einschätzung ist korrekt.“, urteilte sie. „Das Ende der Beziehung zwischen der Föderation und den Romulanern ist eminent. Ein derart schweres Verbrechen wird nicht toleriert werden. Dieser Fakt wird zu einem Bruch zwischen Nugura und dem Staatsoberhaupt der Romulaner führen. Dieser Bruch wird das Ende der Beziehungen herbeiführen. Ein politischer Bruch ist eminent. Die Romulaner könnten dies sogar als einen Grund sehen, die Föderation, welche sie so hintergangen und belogen hat, erneut als Feind anzusehen. Ein Krieg wäre eventuell das Ergebnis.“ „Kannst du beantworten, ob die Bioeinheit Garak auf Befehl der Bioeinheit Sisko gehandelt hat?“, fragte A/1. „Affirmativ.“, erwiderte die ältere weibliche Sonde. „Das kann ich. Meiner Analyse des Verhaltens der Bioeinheit Sisko gegenüber der Bioeinheit Garak nach hat die Bioeinheit Garak nicht auf Befehl der Bioeinheit Sisko gehandelt. Aber dieser Nebenfakt ist irrelevant. Er ändert nichts an dem Fakt der Schuld der Bioeinheit Sisko, auch wenn die Bioeinheit Garak auf eigene Faust gehandelt hat. Aber Fakt bleibt, dass die Bioeinheit Sisko den Mord geplant hat, um den Formwandlern später die Schuld zuzuweisen. Dies ist ein Verhalten, zu dem ein Sternenflottenoffizier den eigenen Angaben der Föderation nach niemals greifen darf. Da Sisko als ein Solcher aber dagegen verstoßen hat, werden die Romulaner dies der Föderation vorwerfen. Das Ende der Beziehung wird eminent sein.“ „Hältst du auch einen Krieg für eminent?“, fragte J/12, die eine noch sehr junge Sonde war und sich noch nicht so gut mit der Welt außerhalb des Systems auskannte, direkt an D/4 gerichtet. „Negativ.“, sagte D/4. „Ich halte einen Krieg für möglich, aber nicht für eminent. Die Bioeinheiten haben immer wieder gezeigt, dass sie sich auch entgegen der Wahrscheinlichkeiten verhalten können. Das Verbrechen, den Mord an den romulanischen Gesandten, werden sie aber nicht verzeihen.“ „Auch dann nicht, wenn er durch einen einzelnen Zivilisten ausgeführt wurde?“, fragte die junge Sonde. „Auch dann nicht!“, sagte D/4 mit Überzeugung. „Denn die vorliegenden Fakten und dieses Geständnis zeigen eindeutig, wer die treibende Kraft war und das war ein Föderationsoffizier. Er hat den Zivilisten so zu sagen zu seiner Handlung inspiriert. Zumindest werden meiner Analyse nach die Romulaner es so betrachten. Die meisten Bioeinheiten handeln sehr emotional. Unsere Erkenntnisse werden die Beziehung beenden. Eine politische Eiszeit ist eminent!“

A/1 bedankte sich noch bei seiner Untergebenen und beendete dann schnellstens die Verbindung. Es war ihm klar geworden, dass J/12 die Situation ziemlich zusetzte. Da die Xylianer ja in gewisser Weise ein Verständnis für Emotion besaßen, war ihm klar, dass sie das Ganze wohl ziemlich unheimlich finden musste. „Denkst du, dass D/4 mit ihrer Analyse Recht hat?“, fragte sie. „Affirmativ.“, antwortete das Staatsoberhaupt der Xylianer. „Sie lebt jetzt schon seit über zehn Jahren unter Bioeinheiten. Ihre Kenntnisse über deren Verhalten sind fundiert. Die Bioeinheiten der Föderation und der Romulaner haben einen Grundsatz in ihrem Strafrecht: Mord verjährt nicht! Allein aufgrund dieses Faktums werden sie den Mord an den Gesandten nicht verzeihen. Noch dazu werden sie nicht tolerieren, dass die Föderation die Romulaner 800 Jahre lang belogen hat. Etwas, das laut ihrem Kodex auch nicht passieren darf. Die Romulaner hätten also jedes Recht, der Föderation die bekannten Fakten vorzuwerfen.“ „Wie wirst du vorgehen?“, wollte die junge Sonde wissen. „Ich werde mich mit dem Modul, mit dem du gekommen bist, zum Regierungsgebäude der Föderation bringen lassen. Dann werde ich Nugura die Fakten selbst überbringen. Danach werde ich mit ihr gemeinsam entscheiden, ob sie oder wir den Romulanern die Ergebnisse mitteilen sollen.“

Mittels seiner internen Kommunikationseinheit nahm er Kontakt zu einer weiblichen Sonde auf, die im Hintergrund wartete. Es war A/2, die immer mit ihm im Zentralring anwesend war. Per Datenlink übergab er ihr quasi seine Amtsgeschäfte und wandte sich dann wieder an die junge Sonde: „Bring mich jetzt zu eurem Modul!“ Sie nickte und winkte ihm, ihr zu folgen.

Kapitel 19: Agent Mikel, was nun?

von Visitor

 

Auf der positiven Granger saß Mikel in seinem Quartier und verfasste eine SITCH-Mail an Warrior Kang, mit dem er heimlich über sein weiteres Vorgehen sprechen wollte. Dem versierten Spionageoffizier, der extrem großes Wissen über Mächtige und deren Kräfte hatte, war längst klar, dass er wohl etwas getan hatte, was Kissara nicht von ihm angenommen hätte. Er wusste, wenn sie davon erführe, würde sie sehr enttäuscht sein und Kompensation verlangen.

Mit zitternden Händen schickte Mikel die Mail ab. Er wusste, dass es Kang ähnlich gehen würde wie ihm selbst. Er dachte sich, dass der Klingone lange nicht so dumm sei, wie alle dachten und dass er auch längst über den ersten Schock hinweg sein musste und begriffen hatte, was er getan hatte, als er sich freiwillig reinwaschen ließ. Die Föderation mochte sich im Krieg gegen die Formwandler in dieser Hinsicht ehrlos verhalten haben, aber sein eigenes Verhalten war noch viel ehrloser, wenn man betrachtete, wem er sich da anheim gegeben hatte.

Die Türsprechanlage piepte drei mal, wie Mikel es Kang in der Mail aufgetragen hatte. „Kommen Sie herein, Mr. Kang.“, sagte Mikel. Dann entriegelte er die Tür. Leise betrat der klingonische Stratege das Quartier des terranischen ersten Offiziers. „Sind Sie allein, Mr. Kang?“, fragte der blinde Mann, als er seinen Untergebenen auf dem Flur abholte und mit sich ins Wohnzimmer führte. „Allein, wie Sie es verlangt haben, Sir.“, sagte Kang und setzte sich neben Mikel auf die Couch. Der replizierte gleich eine riesige Kanne Blutwein und eine ganze Kiste Kölsch. Verwirrt sah der Klingone auf die Flaschen und die Kanne, die Mikel auf den Tisch stemmte. „Mit Verlaub, Agent.“, setzte er leise an, denn es war auf keinen Fall seine Absicht, den ersten Offizier zu kompromittieren. Obwohl er wusste, dass die Quartiere schalldicht waren, wäre es ihm sehr peinlich gewesen, wenn jemand Unbeteiligtes von seiner Vermutung erfahren hätte. „Sie haben mich doch hoffentlich nicht hergeholt, um sich gemeinsam mit mir maßlos zu betrinken, oder?“ „An sich haben Sie Recht, Kang.“, sagte Mikel. „Das ist eigentlich nicht mein Stil. Aber ich weiß weder aus, noch ein. Sie wissen, was wir Beide zugelassen haben.“ „Ja, Agent.“, erwiderte Kang. „Das weiß ich. Ich weiß, zu was für einer ehrlosen Handlung ich mich hinreißen lassen habe und, mit Verlaub, Sie auch, Sir, obwohl Kissara Sie noch ermahnt hat, keine Dummheiten zu machen. Ich denke, von Ihnen, der so viel Wissen über Mächtige hat, hätte sie das, was passiert ist, am wenigsten erwartet und von mir, der ein hohes Empfinden von Ehre besitzt, sicher auch nicht.“ „Sie haben Recht.“, sagte Mikel und öffnete eine Flasche, um sie sich ohne Glas an den Mund zu setzen. „Ich denke, Mr. Kang.“, sagte er dann zu seinem klingonischen Untergebenen und Leidensgenossen. „Es wird nicht schlimm sein, wenn Sie auch gleich aus dem Humpen trinken. Es sieht ja eh keiner.“ „Aber Sie sind doch hier, Sir.“, versuchte Kang, auf seine gute Kinderstube aufmerksam zu machen. „Das stimmt.“, bestätigte Mikel. „Aber ich sehe es nicht.“ „Aber Sie wüssten es und das stört mich.“, sagte Kang. „Wir sollten auch aufhören, hier vor Selbstmitleid zu vergehen! Damit werde ich gleich einmal anfangen. Mit dem Aufhören, meine ich!“

Für seine momentanen Verhältnisse entschlossen ging er zu Mikels Replikator und ließ sich ein großes bauchiges Glas geben. „Ihr Volk behauptet, in bauchigen Gläsern entfaltet sich das Aroma von Wein am besten.“, sagte er zur Begründung. „Das können wir ja gleich einmal ausprobieren.“ Dann setzte er sich wieder zu Mikel.

„Was wollten Sie denn jetzt wirklich mit mir besprechen, Agent?“, fragte der Klingone, nachdem beide ihre Trinkgefäße kurz angesetzt hatten, um einen großen Schluck aus ihnen zu nehmen. „Einen Ausweg, Mr. Kang.“, sagte Mikel. „Einen Ausweg aus dieser unsäglichen Situation! Können Sie sich vorstellen, was geschieht, wenn sie davon erfährt? Wenn sie erfährt, dass zwei ihrer fähigsten Offiziere Sytania auf den Leim gegangen sind?!“ „Wenn Sie von ihr reden.“, erkundigte sich Kang. „Dann meinen Sie sicher unseren Commander, oder?“ „Natürlich meine ich unseren Commander, Warrior. Sie sind doch sonst nicht so begriffsstutzig!“ „Bitte vergeben Sie mir, Sir.“, bat Kang. „Es ist nur, weil mir mein böses Gegenstück immer mehr von meiner mentalen Energie entzieht.“ „Denken Sie etwa, mir geht es anders, he?!“, schrie Mikel ihn an. Es war ihm jetzt völlig egal, dass jemand etwas hören hätte können. Von ihm aus durfte das ganze Schiff mitkriegen, dass er Kang gerade zusammenfaltete. „Ich quäle mich auch jeden Morgen aus dem Bett! Seit Khitomer ist Aufstehen für mich der reinste Kampf und Krampf! Aber wenn wir zulassen, dass diese Antriebslosigkeit uns kontrolliert, dann hat Sytania gewonnen! Vergegenwärtigen Sie sich das, Kang!“ „Ich werde es versuchen, Sir.“, sagte Kang für klingonische Verhältnisse doch recht kleinlaut. „Versuchen reicht mir nicht!“, gab Mikel zurück. „Ich will hören, dass Sie es tun werden, nicht nur, dass Sie es versuchen!“

Kang stand auf, holte tief Luft und sagte dann in ähnlicher Lautstärke: „Ich werde es tun, Sir!“ „Geht doch.“, lobte Mikel und klopfte ihm auf die Schulter, nachdem sich Kang zu ihm heruntergebeugt hatte. Zwischen dem verhältnismäßig kleinen Terraner und dem großen Klingonen gab es eben doch signifikante Unterschiede. „Setzen Sie sich wieder!“, befahl Mikel und wartete ab, bis Kang erneut neben ihm auf dem Sofa Platz genommen hatte. „Kommen wir nun zum geschäftlichen Teil. Wenn wir nicht wollen, dass uns unsere bösen Gegenstücke vernichten, müssen wir einen Weg finden, sie zu zwingen, nach unseren Regeln zu spielen. Mir schwebt da schon etwas vor, aber ich müsste zunächst Ihre fachliche Meinung einholen, ob meine Idee strategisch überhaupt durchführbar ist und, ob Sie meinen, dass sie Erfolg haben wird. Natürlich werden wir Kissara zu gegebener Zeit darüber informieren, aber wenn wir ihr dann gleich eine Lösung präsentieren können, wird sie vielleicht gnädig gestimmt sein und uns nicht zum Schrubben des Warpkerns in den Maschinenraum abkommandieren.“ „Und Elektra bekommt unsere beiden Jobs simultan.“, grinste Kang. „Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt.“, sagte Mikel ernst. „Ich habe versucht, einen Scherz zu machen, Agent.“, sagte Kang. „Aber nun mal Spaß bei Seite. Was ist denn genau Ihr Plan?“ „Ich denke, wir müssen es irgendwie hinbekommen, die negative Sternenflotte zur Erde zu locken. Dort ist das Hauptquartier von unseren Leuten, sie aber wären vom Nachschub abgeschnitten. Ich denke, das wird kein Problem sein, wenn wir meinem Gegenstück noch intensiver verdeutlichen, dass ich am Leben bin und auch beabsichtige, es zu bleiben. Da es offenkundig auf der anderen Granger keine Kissara gibt, wird er wohl dort das Kommando führen. Er wird wissen, dass ich ihn bekämpfe und wird mich deshalb um so schneller vernichten wollen.“ „Das leuchtet mir ein, Agent.“, sagte Kang. „Aber wie wollen Sie …?“ „Ich werde einfach ein noch größerer Stachel in seinem Fleisch werden. Dill hat mir einiges beigebracht und Sie wissen, welche Gabe ich besitze. Notfalls kann ich ja immer noch den Computer konsultieren. Der wird mir sicher auch noch einige Tipps aus der paranormalen Datenbank geben können. Lassen Sie das meine Sorge sein, Kang. Ich kenne mich da aus!“

„Ich sehe, Sie haben das alles gut durchdacht, Sir.“, sagte der Stratege, nachdem er sich Mikels Vorschlag durch seinen fachkundigen Kopf gehen lassen hatte. „Meiner Ansicht nach könnte Ihr Plan tatsächlich funktionieren. Wir sollten damit zu Kissara gehen. Das würde zwar bedeuten, dass wir zugeben würden, einen Fehler gemacht zu haben, aber wie Sie schon sagten, wenn wir dann gleich eine Lösung präsentieren, stimmt sie das vielleicht versöhnlich.“ „In Ordnung.“, sagte Mikel. „Lassen Sie mich bitte nur kurz die Reste von unserem Gelage hier entfernen. Ich will nicht, dass jemand auf falsche Gedanken kommt.“ „Ich werde Ihnen behilflich sein, Agent.“, sagte Kang und schnappte sich einige Flaschen und die noch nicht mal bis zur Hälfte geleerte Kanne Blutwein, um alles der Materierückgewinnung zu übergeben.

Im gleichen Moment piepte die Sprechanlage. „Wer kann das denn sein?!“, fragte Mikel nervös und nahm das Mikrofon, um zu antworten. „Wer ist dort?“, fragte er. „Technical Assistant Elektra, Sir.“, kam eine nüchterne Antwort von außen. „Ich bitte um Erlaubnis, Ihr Quartier zu betreten. Ich fürchte, ich muss Ihnen etwas melden.“

Mikel wusste, dass Ausflüchte ihm nicht helfen würden. Wenn sie es war, die zu ihm wollte, würde er zweifelsfrei Farbe bekennen müssen. Aber auf der anderen Seite wusste er auch, dass sein Geheimnis bei ihr eine neutrale Behandlung erfahren würde und er sich vor ihr als einer künstlichen Lebensform sicher nicht so sehr schämen musste wie vor einem biologischen Wesen, das seine Situation unter Umständen als Anlass für Spott und Häme sehen könnte. Dies könnte zu erheblichen Einbußen beim Respekt führen. Aber nicht bei ihr. Mikel begriff ihre Störung also eher als Segen, denn als Fluch. „Kommen Sie rein, Elektra.“, sagte Mikel.

Elektra betrat das Quartier und ging gleich ins Wohnzimmer durch, ohne die Abholung durch ihren Gastgeber abzuwarten. Der Blick der Androidin fiel sofort auf die unordentlich zusammengerafften Flaschen. „Nun, Agent.“, sagte sie mit neutralem Tonfall. „In Anbetracht der Situation, in der Sie und der Warrior sich offensichtlich befinden, ist das eine durchaus gängige Reaktion bei Organischen, wenn es schwerwiegende Probleme gibt.“

Ihr Satz hatte Mikel erschauern lassen. Dieser eine Satz, mit dem sie kurz und prägnant alles auf einen Punkt gebracht hatte und mit dem sie gleichzeitig signalisiert hatte, dass sie wusste, wo hier das Problem lag. Er wollte sich zu ihr wenden, aber das gelang ihm nicht. Statt dessen drohte er, lang vor ihr hinzuschlagen, was sie aber durch eine schnelle Bewegung verhinderte. Dann verfrachtete sie ihn wieder auf seine Couch zurück. „Ich bin Androidin.“, erklärte sie dem sie hilflos anblickenden Mikel. „Meine Reflexe sind um einiges besser, als die so mancher biologischen Lebensform.“ „Das ist es nicht, Elektra.“, sagte Mikel gleichzeitig erschöpft, aber auch erleichtert. „Dass das bei Ihnen so ist, weiß die Sternenflotte schon seit Commander Data. Aber ich habe ein ganz anderes Problem.“ „Die Fakten sind mir bekannt, Sir.“, sagte sie. „Meine Augen funktionieren wie die Sensoren eines Erfassers. Deshalb sehe ich Ihr Problem im wahrsten Sinn des Wortes sehr genau. In diesem Raum sind zwei Energiefelder, die einmal von Warrior Kang und einmal von Ihnen ausgehen. Wenn ich ehrlich bin, was außer Frage steht, da Androiden nicht lügen können, dann sehe ich das Gleiche auch bei Techniker Jannings, Allrounder Ribanna und den Medizinern. Das Feld scheint Ihre Mandelkerne anzuzapfen, Gentlemen. Die Zentren, die für Ihr Aggressionsverhalten zuständig sind. Aber diese Zentren regeln auch Ihre Entschlossenheit. Ich habe mir die medizinischen Daten auf dem Weg zu Ihnen vom Computer geben lassen. Die Felder scheinen sich auf den Subraum und die interdimensionale Schicht zu erstrecken. Entkommen können Sie also nicht. Aber sie mit einem Phaser mit Rosannium zu durchbrechen, könnte Sie beide und auch alle anderen töten.“

Mikel fühlte sich erwischt und erleichtert zugleich. Offensichtlich hatte ihr ein einziger Blick genügt, um die Fakten zu sehen. Fakten, die jetzt dringend an Kissara weitergegeben werden mussten. „Würden Sie uns begleiten, Technical Assistant?“, fragte er. „Natürlich.“, sagte Elektra ruhig. „Eine sachlich fundierte Meinung könnte die Situation sicher abschwächen und es uns erleichtern, mit Commander Kissara gemeinsam zu einer vernünftigen Lösung zu kommen.“ Damit hakte sie Mikel rechts und Kang links unter und dann verließen sie Mikels Quartier in Richtung von Kissaras. Dass dies auch mit Elektras Unterstützung zu einem Gang nach Canossa werden würde, wusste der erste Offizier. Da machte er sich und auch Kang nichts vor.

Kissara war in ihrem Quartier mit dem Abfassen von Berichten und mit dem Sortieren von Listen und Einträgen ins Diary beschäftigt, als die Sprechanlage ihre Arbeit jäh unterbrach. „Wer ist dort?“, fragte die Thundarianerin, ohne aufs Display zu sehen. Das war eigentlich nicht ihre Art, aber in diesem speziellen Fall hätte das ohnehin keinen großen Sinn ergeben, da das Kommunikationssystem ihr lediglich die Auskunft erteilt hätte, dass jemand die äußere Sprechanlage für die Tür betätigt hätte. Aber heute war Kissara auch in einer etwas genervten Stimmung, denn Papierkram war nicht gerade das, mit dem sie gern ihre Zeit verbrachte.

Draußen vor der Tür schienen alle drei darauf zu warten, dass der jeweils andere die Sprechanlage betätigen würde. Den Vorschriften nach wäre das am ranghöchsten Offizier, also an Mikel, gewesen, aber er traute sich nicht wirklich. Auch Kang rutschte, für einen Klingonen sicher ungewöhnlich, das Herz in die Hose. Also musste Elektra es wohl im wahrsten Sinn des Wortes in die Hand nehmen, was sie nun auch mit dem Mikrofon tat: „Commander, Technical Assistant Elektra, Warrior Kang und Agent Mikel bitten um Erlaubnis, Ihr Quartier zu betreten.“ Sie hatte sich nur deshalb zuerst genannt, weil sie diejenige war, welche die Sprechanlage bedient hatte. So wusste Kissara gleich besser, woran sie war. „Erteilt, Technical Assistant!“, kam es zurück und die Türen glitten vor ihnen auseinander. Nun führte Elektra ihre beiden Vorgesetzten hinein. Dabei fühlten sich Mikel und Kang wie zwei Lämmer, die von ihrer Schäferin zur Schlachtbank geführt wurden. Die Schlachterin würde wohl Kissara sein. „Warum um alles in der Welt müssen mein erster Offizier und mein Stratege einen einfachen Technical Assistant vorschicken, um mir ihre Belange vorzutragen, Elektra?!“, wendete sich Kissara gleichzeitig verwundert und empört direkt an die Androidin. Mikel und Kang fuhren zusammen. Sie würde mit der Wahrheit nicht hinter dem Berg halten. Wenn Kissara sie direkt gefragt hatte, dann musste sie vielleicht bereits eine Vermutung haben und glauben, Mikel und Kang würden sich zu sehr in Ausreden verstricken.

Mikel versuchte durch eine Flucht nach vorn die Situation noch zu retten und holte tief Luft, um dann mit einem Geständnis zu beginnen. Kissara aber winkte deutlich ab und sagte energisch: „Ich habe Elektra gefragt!“

Die angesprochene Androidin löste sich von den beiden Männern und machte einen Schritt nach vorn in Richtung Raummitte. Dann begann sie: „Nun, Commander, ich habe etwas Beunruhigendes beobachtet. Auf diesem Schiff gibt es Energiefelder, welche die Mandelkerne aller biologischen Wesen, mit Ausnahme des Ihren, anzapfen. Sie funktionieren wie Energietransferstrahlen. Sie transferieren offensichtlich alle Energie aus den Kernen heraus zu einer Stelle in einer anderen Dimension. Das schließe ich daraus, weil die Felder auch durch den Subraum und die interdimensionale Schicht verlaufen. Ihnen zu entkommen ist also nicht möglich. Da der Mandelkern bei den meisten Humanoiden nicht nur für die Regelung des Aggressionsverhaltens, sondern auch für die Regelung der Entschlussfähigkeit zuständig ist, werden alle immer willen- und antriebsloser werden, wenn meine Berechnungen stimmen. Bei Agent Mikel und Warrior Kang geht das allerdings erheblich langsamer vor sich.“ „Seit wann beobachten Sie das, Elektra?“, wollte Kissara wissen, die bereits eine Vermutung hatte, was sie meinen könnte. „Seit unserem kürzlich erfolgten Aufenthalt auf Khitomer, Ma’am.“, antwortete die Androidin wahrheitsgemäß. „Meine Systeme verzeichnen dies bei allen, die sich von dem Fremden berühren lassen hatten, sofort nach der Berührung.“

Kissara sträubten sich die Nackenhaare unterhalb ihres Uniformkragens, was ein klares Zeichen dafür war, dass sie ziemlich wütend wurde, sich aber bemühte, dies nicht zu zeigen. „Haben Sie das auch bei den beiden Gentlemen hier beobachtet, Technical Assistant?!“, sagte Kissara etwas energischer. „Ja, Commander.“, sagte Elektra nüchtern.

Kissara holte tief Luft und seufzte, während Elektra und Kang gut sehen konnten, dass ihre Krallen aus ihrer ausgestreckten rechten Hand hervortraten. Elektra drehte sich langsam um und signalisierte ihr damit ihre Bereitschaft, die Räumlichkeiten zu verlassen, denn sie ahnte, dass gleich ein thundarianisches Donnerwetter auf ihre Vorgesetzten hernieder prasseln würde. Im Allgemeinen schickte es sich für Untergebene nicht, bei so etwas dabei zu bleiben, denn, bei biologischen Lebensformen würde man riskieren, dass die angeklagten Offiziere dem Spott und Hohn ausgesetzt würden und erheblich an Respekt verlören, was nicht gut für die Disziplin wäre. Aber bei Elektra als einer künstlichen Lebensform musste man deshalb ja keine Angst haben. Also sagte Kissara: „Nein, Sie bleiben, Elektra! Ich mache mir sonst viel zu viele Sorgen darum, dass mir ein erheblicher Teil der Wahrheit abhanden kommen könnte. Wenn Sie keine Androidin wären, hätte ich Sie wegtreten lassen, aber so bin ich ganz froh, dass Sie da sind.“

Sie wendete sich an Mikel: „Was haben Sie mir zu sagen, Agent?! Sind ihre Worte wahr?!“ Verstockt stand Mikel nur da und brachte kein Wort heraus. „Spricht sie die Wahrheit?!“, bohrte Kissara nach. „Haben Sie sich von dem Fremden berühren lassen?!“ Wieder vergingen einige Sekunden. „Ich höre nichts!“, sagte Kissara und ihre Katzenaugen leuchteten feurig grün vor Wut, Strenge und Enttäuschung. Endlich nickte Mikel. „Das hätte ich von Ihnen, der so großes Wissen über Mächtige und deren Kräfte hat, nicht erwartet!“, sagte Kissara mit erbostem Ton. „Was zur Hölle glauben Sie, habe ich damit gemeint, als ich zu Ihnen sagte, Sie sollten keine Dummheiten machen?! Bei Kang kann ich ein solches Verhalten unter Umständen noch verstehen! Ihn, als einen Klingonen, muss es sehr schockiert haben, ein solch ehrloses Verhalten zu sehen, dessen der Fremde die Föderation beschuldigt hat! Auch von Jannings und den anderen ist es unter Umständen verständlich, wenn man bedenkt, dass wir alle auf der Akademie ein Idealbild eines Sternenflottenoffiziers eingeprägt bekommen, zu dem ein solches Verbrechen nun so gar nicht passen will. Man bringt uns bei, auch dann, wenn wir einen Krieg oder eine Schlacht verlieren würden, handeln wir nie niederträchtig oder eigennützig und wir lassen schon gar keine Unschuldigen für uns über die Klinge springen. Dann zu sehen, dass einer von uns genau das getan haben soll, kann schon einmal zu einer Schockreaktion führen. Aber von Ihnen, Mikel, von Ihnen, von Ihnen hätte ich das nicht gedacht! Sogar mir war klar, dass wir es hier mit Sytania zu tun hatten, die nur wieder einen Weg suchte, uns zu attackieren!“

Elektra hob die Hand. Sie wusste, dass Kissara gerade sich selbst in gewisser Hinsicht widersprochen hatte. „Bitte um Erlaubnis, frei zu sprechen, Commander.“, sagte die Androidin nüchtern. „Von mir aus!“, sagte Kissara etwas genervt. „Sie wissen, dass ich nicht nur als Vertreterin der Wahrheit, sondern auch als Anwältin von Agent Mikel und Warrior Kang hier bin.“, sagte Elektra. „Eine Anwältin!“, sagte Kissara immer noch sehr aufgewühlt. „Oh, ja, die wird vor allem mein erster Offizier, der mich maßlos enttäuscht hat, gut brauchen können! Aber sagen Sie ruhig, was Sie zu seiner Verteidigung zu sagen haben!“ „Wie Sie gerade selbst festgestellt haben.“, setzte Elektra an. „Neigen alle biologischen Lebensformen an Bord dieses Schiffes zu Angst- und Schockverhalten, wenn etwas eintritt, das die Integrität ihrer Welt beeinträchtigt. Sie, Commander, haben dem nur widerstehen können, weil Sie als Thundarianerin eine so genannte passive Telepathin, also in der Lage sind, den Einfluss von Telepathie zu fühlen, eine Fähigkeit, die allen anderen Besatzungsmitgliedern abgeht, da sie keine Katzenartigen sind. Der Agent hat zwar das nötige Wissen, aber dennoch fehlt ihm diese entscheidende Fähigkeit. Er war also genau so prädestiniert, ein Opfer des Fremden und Sytanias zu werden, wie alle anderen auch.“

Kissara überlegte. „Sie haben Recht, Elektra.“, sagte sie, nachdem sie ihre Worte reflektiert hatte. „Die Wenigsten hier auf diesem Schiff haben eben eine ständige Alarmglocke. Agent, ich fürchte, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.“ „Entschuldigung angenommen, Ma’am.“, sagte Mikel. „Und ich glaube, ich habe auch eine Möglichkeit, meinen Fehler gleich wieder gut zu machen.“ „Ich höre.“, sagte Kissara und gab sich große Mühe, dabei sehr interessiert zu klingen. „Wir sollten die böse Sternenflotte zu unserer Erde locken. Dort könnten wir sie vielleicht beschäftigen, weil wir dort Nachschub erhalten können, sie aber nicht. Mein Gegenstück wird alles daran setzen, mich zu vernichten. Weil es Sie dort nicht gibt, Kissara, wird er das Kommando über die dortige Granger führen und wenn sie mit uns beschäftigt sind, können sie nirgendwo anders Unruhe stiften und so manche unschuldige Spezies wird sich bei uns bedanken.“ „Wie wollen Sie das anstellen, Mikel?!“, fragte sie. „Indem ich ein noch größerer Stachel im Fleisch meines Gegenstückes werde, Kissara. Dill hat mir da einiges …“ „Ah ja.“, sagte sie konspirativ. „Aber ich denke, davon sollten alle profitieren, wenn es gelingen soll. Sie können doch sicher allen ein paar mentale Kniffe und Tricks zeigen, nicht wahr?“ „Natürlich, Kissara.“, grinste Mikel zurück. Er wusste, dass sie ihm zugute hielt, dass er trotz seines Fehltrittes nie aufgehört hatte, so gut es ging sein böses Ich zu bekämpfen, was Elektra auch indirekt bestätigt hatte. Zur Ausführung ihres Plans würden sie auf dem Weg zur Erde viel Zeit haben, das dachten sie zumindest. Dass sich alles ganz anders entwickeln sollte und sie die Erde früher wieder sehen würden, als gedacht und zu einem ganz anderen Anlass, ahnten sie noch nicht.

Noch immer lag Radcliffe in seinem Zimmer auf dem Boden. Er war sehr benommen und eine gewisse intime Stelle tat ihm immer noch sehr weh! Ginalla musste voll ins Schwarze, beziehungsweise mitten in die Krohnjuwelen, getroffen haben.

Er tastete um sich. Schließlich traf seine Hand auf die Schlüsselkarte, die links neben ihm gelegen hatte. Die hatte Ginalla ihm gelassen, damit er sich zu gegebener Zeit aus dem Zimmer hätte befreien können. Bis dahin, so hatte sie ausgerechnet, würde sie längst aus seiner Reichweite verschwunden sein. Aber auch die Krawattennadel fand Radcliffe und überlegte, Sytania zu kontaktieren, um ihr von seiner Pleite zu berichten. Er ahnte zwar bereits, dass dies bei ihr nicht gut ankommen würde, aber das war ihm jetzt auch egal.

Er nahm den Kontaktkelch in beide Hände und stellte sich das Gesicht der Königstochter vor, wie er es von ihr gelernt hatte. Tatsächlich hörte er auch bald ihre Stimme in seinem Geist: Was gibt es, Nathaniel?, Ich muss Euch leider berichten, Milady, dass mein Versuch, Ginalla rein zu waschen, fehlgeschlagen ist. So?, gab Sytania zurück und tat dabei unwissend. Was ist denn passiert? Sie hat mich getäuscht und dann verletzt., jammerte Radcliffe und dachte an den Schmerz in seinem Unterleib. Damit hättest du rechnen müssen., meinte Sytania. Ich meine, es ist Ginalla! Diese niederträchtige Schlange hat selbst mich besiegt und mein schönes Gefängnis zerstört. Gut, damals hatte sie Hilfe von zwei mir ebenso verhassten Telepathen, aber sie war diejenige, die auf den Bolzen mit dem Erzeugen von Blitzen und die Synchronisierung durch ihren Gesang gekommen ist! Dafür könnte ich sie heute noch zum Teufel wünschen, aber ich frage mich, ob ich dem Armen ihre Gesellschaft antun sollte! Obwohl sie eine einfache Sterbliche ist, ist sie für mich bereits eine fast so schlimme Geißel geworden wie Time oder Zirell, oder Kissara und andere Sterbliche, die ich leider immer wieder unterschätze! Was ist mit dieser Allrounder Betsy Scott?, wollte Radcliffe wissen. Oh, ja., seufzte Sytania. Sie ist mir auch ein ganz schöner Dorn im Auge. Aber du weißt ja, was du zu tun hast. Wenn sie irgendwie den Anschein erwecken sollte, dass sie dir dein neues kinderliebes und gesundes Verhalten, ohne dass du dich für Sisko und deine Familie für die Seine hältst, nicht abnimmt, dann tötest du sie! Aber Milady., äußerte Radcliffe Bedenken. Der imperianische Schlafwurz, den Ihr mir für sie gegeben habt, ist doch nachweisbar. Was ist, wenn …? Ach was!, gab Sytania lakonisch zurück. Hältst du mich etwa für eine solche Anfängerin? Ich habe den Inhalt des Gefäßes so verändert, dass er bereits 20 Minuten, nachdem er seine Wirkung entfaltet hat, einfach so aus ihrem Blut verschwindet. Diese 20 Minuten werden nämlich ausreichen, damit ich sie ins Wasser schicken kann. Außerdem gibt es im See starke mineralische Ablagerungen, die dafür sorgen werden, dass kein Erfasser vernünftig funktioniert. Das bedeutet, sie werden auch nicht sehen können, dass ich an einer kleinen plötzlichen Unterströmung schuld bin, die ich verursachen werde. Dieses Mal werden sie mir gar nichts nachweisen können, rein gar nichts! Sie lachte hämisch. Und mir damit auch nicht., atmete Radcliffe auf. Nein, dir auch nicht, mein Lieber., bestätigte die Prinzessin.

Er legte den Kelch wieder zur Seite und richtete sich langsam auf, was ihm immer noch sehr schwer fiel. Insgeheim hoffte er, mich doch nicht töten zu müssen, aber er war auch bereit, es jederzeit zu tun, wenn ich nur den kleinsten Eindruck erwecken würde, ihm sein neues gesundes Verhalten nicht abzunehmen. Seine Frau und sein Sohn durften aber keinesfalls von dieser Unterredung zwischen Sytania und ihm erfahren. Deshalb war er froh, dass er so gut gelernt hatte, auch als eigentlicher Nicht-Telepath mit einer telepathischen Verbindung doch so gut umzugehen. So gut, dass er kein lautes Wort von sich gegeben hatte und Nayale so sicher keinen Anlass sah, weiter nachzuforschen. Sie hatte schon sehr viel herausbekommen, seiner Meinung nach schon zu viel, aber er konnte sie und Malcolm ja auf keinen Fall auch einfach beseitigen. Zu viele Tote auf einmal würden zuviel Aufsehen erregen.

Nathaniel fragte sich allerdings, was Sytania bewogen haben könnte, sein Versagen bei Ginallas Reinwaschung doch so locker zu sehen. Seine Vermutung war, dass sie wohl an einer anderen Stelle ihres Plans einen sehr großen Fortschritt gemacht haben musste oder einen erwartete. Sonst hätte sie sicher nicht so verständnisvoll reagiert, ein Wesenszug, für den Sytania sonst eigentlich nicht bekannt war.

Der Grund für Sytanias gute Laune waren Telzan und seine Truppe. Sie hatten sich mit ihren Schiffen in der Nähe des celsianischen Sonnensystems auf die Lauer gelegt. Hier gab es eine Menge Planetoiden, die ihre Energiesignaturen durch ihre Pole abschwächen, wenn nicht sogar ganz verstecken, würden. Dirshan, der seinen Anführer, wie meistens in solchen Fällen, heute auch begleitet hatte, sah aufmerksam auf den Schirm. „Bist du sicher, dass dieses Schiff hier entlang fliegen wird?“, fragte der Novize neugierig. „Durch diese hohle Gasse muss es kommen.“, grinste Telzan fast süffisant zurück. „Es führt kein anderer Weg nach Celsius.“

Immer noch verhältnismäßig guter Dinge und nichts von der Falle ahnend, die Sytanias Vendar ihm gestellt hatten, flog Kamurus seiner Wege. Er wusste, dass Lycira bei seiner Freundin und seiner Tochter in Sicherheit war. Dass es ihm selbst bald erheblich schlechter und fast an den Kragen gehen würde, wusste er nicht. Woher auch? Seine Sensoren waren ja nicht in der Lage, die Gefahr, die über den Polen auf ihn wartete, zu erkennen. Deshalb sah er die Schiffe der Vendar auch erst, als sie ihn schon umkreist hatten und wie Heuschrecken aus allen Richtungen auf ihn zu flogen. Durch Manöver, in denen er seine Flughöhe schnell änderte, versuchte er, ihnen zu entkommen, aber sie passten sich ihm immer wieder an. Das war auch ein Verdienst Dirshans, der Telzans und sein Schiff flog und die anderen auch über SITCH ständig über Kamurus’ Tätigkeit informierte. „Du denkst sehr vorausschauend, mein Schüler.“, lobte Telzan. „Ich tue, was ich kann, Anführer.“, sagte der jugendliche Vendar bescheiden. „Aber mir ist nicht klar, warum wir nicht einfach auf dieses Schiff das Feuer eröffnen. Ich meine, wir sind in einer sehr guten Position und würden es bestimmt zu einem Häuflein Asche werden lassen, wenn …“ „Ich habe nur darauf gewartet, dass du das von dir aus erkennst.“, sagte Telzan stolz. „Also, übermittle den anderen den Befehl zum Angriff!“ „Ja, Anführer!“, nickte Dirshan und tat, was Telzan ihm soeben erlaubt hatte. Es war dem Novizen sehr angenehm, so hoch in der Gunst seines Ausbilders zu stehen, dass er sogar eigene Befehle an die Vendar, die zum größten Teil schon vollwertige Krieger und keine Novizen mehr waren, übermitteln durfte. Er programmierte also einen Sammelruf und sagte, nachdem dieser von allen entgegengenommen worden war: „Angriff!!!“ Alle folgten seinem Befehl, ohne ihn auch nur im Geringsten zu hinterfragen. Die erwachsenen Vendar wussten, welchen Stellenwert Dirshan bei ihrem Anführer, der gleichzeitig sein Ausbilder war, hatte.

Trotz gehobener Schilde war Kamurus ständig damit beschäftigt, den auf ihn herab prasselnden Schwaden von Photonentorpedos und dem Phaserfeuer auszuweichen. Er konnte und wollte nicht riskieren, von einem von ihnen unter Umständen doch noch flugunfähig geschossen zu werden und seine Mission nicht mehr fortführen zu können. Er war leider noch nicht in Rufweite der celsianischen Raumkontrolle und erst recht nicht in der von Ginallas Sprechgerät. Selbst dann, wenn er einen von ihnen hätte kontaktieren können, würde es viel zu lange dauern, bis Hilfe bei ihm wäre. Bis dahin hätten die Vendar ihn bestimmt vernichtet. Dass Hilfe allerdings näher war, als er zu diesem Zeitpunkt ahnte, hätte er sich nie träumen lassen.

Immer enger zogen die Vendar ihren Kreis um das arme sich nach Kräften wehrende selbstständig denkende Schiff. Kamurus’ Schilde hatten schon einige Treffer abbekommen und er wusste nicht, wie lange sie dem Feuer noch standhalten würden, zumal er bereits einige Ausfälle von Generatoren zu verzeichnen und auf Reservesysteme geschaltet hatte. Wenn Ginalla jetzt schon bei ihm gewesen wäre, hätte sie das sicher in Windeseile repariert, oder sich eine andere Lösung, zumindest zur temporären Überbrückung, einfallen lassen. Aber er war allein, das dachte er zumindest, bis er plötzlich vor sich etwas sah, das von fern wie ein riesiges Loch im Raum aussah. Er flog näher heran und sah, dass sich hinter dem Loch ein komplexes Geflecht aus Gängen und Tunneln befand. In Mitten dieses Geflechts bemerkte er ein Biozeichen! Diese Art von Biozeichen war Kamurus aber bekannt. Er hatte sich damals, als er an der Regierungsbasis angedockt hatte, gut mit der Granger und mit IDUSA unterhalten. Durch diesen Datenaustausch wusste er bald genau, um was für eine Art Wesen es sich handelte. Es war ein Wesen, wie es in der Sternenflottendatenbank zuerst durch die Voyager verzeichnet worden war, das Raumschiffbesatzungen anlockte, um sich von ihnen und der Materie ihrer Schiffe zu ernähren. Aber er wusste auch, dass diese Wesen normalerweise eine Täuschung anwendeten, um biologischen Wesen vorzuspielen, ihren größten Wunsch erfüllen zu können, um sie in seine Falle zu locken. Bei ihm, der ja im Moment keinen biologischen Piloten hatte, bei dem das funktionieren könnte, würde es nicht klappen. Aber das Wesen musste das doch merken! Ihm musste doch klar sein, dass Kamurus sehen würde, was wirklich hinter ihm steckte! Warum war es hier, wo es doch sehen musste, dass es keine Chance gab, einen Happen abzugreifen?! Kamurus war allein! Er war Technologie! Er war außerdem nicht von Ginallas Befehlen abhängig und konnte selbstständig entscheiden! Warum wartete dieses Wesen nicht, bis sie bei ihm war und kam erst dann zum Vorschein? Was war nur seine Absicht?!

Auch die Vendar hatten das Wesen gesehen. „Schau mal, Dirshan!“, grinste Telzan dreckig. „Dieses Wesen wird den Job für uns erledigen!“ „Oh, ja.“, bestätigte der Junge. „Es wird nicht mehr lange dauern, dann ist von ihm nichts mehr übrig. Es ist zwar schade, dass wir es nicht waren, die das geschafft haben, aber wenn es nicht mehr da ist, dann ist Sytanias Befehl ja auch Genüge getan. Ich finde nur, wir sollten es ihm noch in mundgerechte Happen zerkleinern! Sieh mal, Anführer, es ist gerade so schön in Schussweite!“ „Dann lass mich das Steuer übernehmen und tu es selbst.“, sagte Telzan. „Wenn du so scharf darauf bist.“ Dirshan nickte und rückte einen Platz weiter.

Kamurus waren langsam die Tricks ausgegangen, mit denen er versuchen konnte, den Vendar auszuweichen. Er dachte schon darüber nach, sich dem Wesen geschlagen zu geben. Aus seiner Sicht hatte er die Wahl zwischen Pest und Cholera. Er konnte sich aussuchen, entweder von einem grobschlächtigen Vendar-Ingenieur in seine Einzelteile zerlegt, oder von einem Wesen bei lebendigem Leib aufgefressen und verdaut zu werden. Wenn er sich für die Vendar entscheiden würde, liefe er aber auch Gefahr, Sytania kostbare Informationen zu liefern, was er auf keinen Fall wollte! Wenn er doch nur die wahre Absicht des Wesens herausfinden könnte! Wenn er doch nur mit ihm kommunizieren könnte! Aber Moment mal! Dieses Wesen war telepathisch und er hatte doch einen Neurokoppler an Bord. Vielleicht würde es ihm möglich sein, durch eine geschickte Platzierung des Gerätes per Transporter in der Nähe seines Cockpitfensters dafür zu sorgen, dass es die Signale des Wesens empfangen konnte. Wenn er seine Empfindlichkeit auf Maximum stellen würde, müsste er doch eigentlich in der Lage sein, von dem Wesen Signale für eine Neurotabelle abzuleiten und so eine Kommunikation herstellen können! Aber er sah noch ein Problem, das es vorher zu lösen galt. Er musste es irgendwie hinbekommen, den Stecker in den Port zu stecken. Da das Manöver mit der Antriebsspule und Lyciras Warpgondel nicht geklappt hatte, war er etwas entmutigt, was sein Geschick mit dem eigenen Transporter anging. Warum, verdammt noch mal, musste Ginalla nur die verdammte Angewohnheit haben, den Stecker zu ziehen?! Aber der Punkt, zu dem der Stecker gebeamt werden sollte, war doch statisch und bewegte sich nicht so sehr wie Lycira. „Ich muss es einfach versuchen!“, sagte er zu sich und nahm eine beherzte Transportererfassung vor. Tatsächlich gelang der Vorgang auf Anhieb. Jetzt musste er das andere Ende der Verbindung, an dem der für den Kopf des Organischen gedachte Teil des Kopplers hing, nur noch nahe an die Fensterscheibe bringen, was auch funktionierte. Jetzt stellte er den Koppler so empfindlich ein, wie es nur ging. Nach nur kurzer Suche konnte er sogar bereits verwertbare Signale empfangen, ein Umstand, der ihn sehr freute. Dann war auch die nötige Reaktionstabelle bald erstellt.

Das Wesen war erstaunt, das Gesicht eines backenbärtigen Mannes vor sich zu sehen, der aber irgendwie keine emotionale Substanz hatte, die es telepathisch erfassen konnte. „Ich weiß, dass dich das irritieren muss.“, versuchte Kamurus, ihm seinen ersten Schrecken zu nehmen. „Aber ich bin Technologie.“ Ich weiß., gab das Wesen zum Erstaunen des Schiffes telepathisch zurück. Ich bin hier, um dir zu helfen! Du musst dich aber von mir verschlucken lassen. Ich frage mich nur, wie du meinen Verdauungssäften entkommen sollst. Eine Schildkonfiguration wird dich wohl nicht auf ewig schützen. „Wenn ich genau wüsste, wann du schluckst.“, überlegte Kamurus. „Dann könnte ich in deiner Speiseröhre kurz auf Warp eins gehen. Danach schalte ich sofort wieder auf Impuls. Der Schwung dürfte ausreichen, um mich schnell genug durch deinen Magen zu tragen, wo die schädlichen Säfte sind. Wenn ich diese Passage hinter mir habe, dürfte der Rest nicht mehr so gefährlich sein und ich könnte in deinem Darm überdauern, bis du … Na ja, du weißt schon und die Vendar weg sind. Damit mein Durchflug durch deinen Körper für dich nicht so schmerzhaft wird, werde ich meine Schilde deinen internen Strukturen anpassen. Ich hoffe, dann wirst du nicht mehr von mir spüren, als ein leichtes Kribbeln.“ Klingt in der Theorie ja ganz einfach., gab das Wesen zurück, das Kamurus inzwischen auch als männlich wahrgenommen hatte. Aber du wirst mit einigen Turbulenzen rechnen müssen. „Dann muss ich eben genau Kurs halten!“, sagte Kamurus und bereitete seine Systeme auf die Manöver vor. Während dessen schickte er ein Stoßgebet zu seinen Göttern: „Weise Erbauer, bitte gebt, dass ich diesem Wesen wirklich keinen Schmerz zufüge. Ich weiß, ich habe mich lange nicht mehr bei euch gemeldet. Aber bitte seid mir deshalb nicht böse und lasst mich jetzt nicht allein. Bitte lasst mich die richtigen Konfigurationen für meine Systeme finden!“

Achtung, mein Freund! Jetzt! Der telepathischen Warnung des Wesens folgte ein Sog, in den Kamurus geriet. Es gelang ihm gerade noch so, seine Fluglage zu stabilisieren. Dann schaltete er auf Warp eins und hob seine Schilde, wie er es mit dem Fremden vereinbart hatte, um dann sofort wieder auf Impuls zu schalten. Tatsächlich transportierte ihn der Schwung durch die gefährlichen Säfte. Er flog weiter und gelangte in einen langen Kanal, dessen Ende noch versperrt war. Hier deaktivierte er seinen Antrieb zunächst völlig. Dann flüsterte er erleichtert: „Habt Dank, weise Erbauer.“ Wer sind diese weisen Erbauer, zu denen du betest?, erkundigte sich das Wesen. „Sie sind unsere Götter.“, antwortete Kamurus. „Wir glauben, dass wir selbstständig denkenden Schiffe aus einer Gruppe von Raumschiffen hervorgegangen sind, die einmal von jemandem erbaut wurde.“ Verstehe., gab das Wesen zurück.

Telzan sah, wie ein von Dirshan abgefeuerter Torpedo eine Explosion verursachte. Dann glaubte er, Trümmer zu sehen. „Ausgezeichneter Schuss, mein Schüler!“, lobte er. „Du hast genau den Warpantrieb getroffen. Das hat einen Warpkernbruch verursacht. Dieses Schiff wird niemanden mehr holen und das heißt, dass Allrounder Betsys Schiff auch zu niemandem kommen kann, um eine Aussage zu machen, denn niemand, der es reparieren könnte, wird davon erfahren.“ Er grinste gemein: „Lass uns nach Hause fliegen.“

Zufrieden sah das Wesen zu, wie die Schiffe der Vendar abdrehten. Meine Täuschung haben sie geschluckt., beruhigte er Kamurus. Es war mir ein Leichtes, ihren größten Wunsch zu erkennen und zu erfüllen. „Mich tot zu sehen.“, ergänzte Kamurus. Genau., meinte das Wesen. Wohin kann ich dich bringen? „Nach Celsius!“, sagte Kamurus fest. „Weißt du, wo das ist?“ Nein., gab das Wesen zurück. Aber du wirst es mir doch bestimmt sagen können. „Das stimmt.“, sagte Kamurus. „Aber du musst dich einmal umschauen, damit ich weiß, wo wir sind.“ Das Wesen folgte seiner Aufforderung. „Ah, ja.“, sagte Kamurus, der die Signale empfangen hatte. „Wenn du diesen Kurs hältst, dann sind wir schon richtig. Übrigens, warum hilfst du mir?“ Ich weiß, wer die geschickt hat, die dir ans Leder wollten., erklärte das Wesen. Das war Sytania und ich mag Sytania nicht! „Wer mag die schon?“, seufzte Kamurus leise und schaltete seine Systeme auf Stand By. Ein Schläfchen würde ihm jetzt gut tun. Das Wesen würde ihn schon wecken, wenn sie angekommen wären.

Kapitel 20: Rettungspläne

von Visitor

 

Darell, die Oberste der Zusammenkunft, hatte mit Zirell über Sedrins Anfrage, die von der tindaranischen Kommandantin weitergegeben worden war, gesprochen. Von ihr hatte die Besatzung der 281 Alpha tatsächlich das OK bekommen, für den Geheimdienst der Föderation nach der kleinen Breen zu suchen. Damit wurde IDUSA auch gleich beauftragt, die eine Datenverbindung zur Plattform herstellte und die Befehle entsprechend weitergab. „Denkst du, dass wir sie überhaupt noch lebend finden werden, Zirell?“, fragte der erste Offizier, Agent Maron, der gemeinsam mit dem Rest der verbliebenen Brückenbesatzung auf die Suchergebnisse wartete. „Ich hoffe es auf jeden Fall!“, sagte Zirell. „Falls nicht, haben wir leider eine Zeugin weniger. Dann können sich Agent Sedrin und du nur auf die Aussage von D/4 verlassen. An Allrounder Betsy Scott kommt ja zur Zeit niemand ran. Sie ist ja krankgeschrieben.“

Ein Signal von IDUSA verriet allen, dass der Rechner der Station wohl etwas von ihnen wollen könnte. „Bitte setzen Sie die Neurokoppler auf, Ladies und Gentlemen.“, bat der Avatar höflich über den Bordlautsprecher. Da alle sehr neugierig waren, was IDUSA wohl gefunden haben könnte, folgten sie der Aufforderung. Vor ihren geistigen Augen erschien das Bild des bekannten Avatars. Sie hatte einen Zeigestock in der Hand, mit dem sie auf eine Sternenkarte zeigte. „Dort ist Ihr Biozeichen, Agent.“, wendete sich IDUSA direkt an Maron, der ja für Sedrin hier auf der Station quasi die Ermittlungen führte. „Zeig es uns, IDUSA!“, befahl Maron und sah, wie die Frau auf dem Bild einen Erfasser zog, um mit ihm die kleine Breen, deren Umrisse er jetzt auch vor sich sah, zu scannen. Dann ließ IDUSA es so aussehen, als hielte sie den Erfasser in Marons Richtung. Der Agent sah deutlich, dass Herzschlag und Atmung des Mädchens stark verlangsamt und unregelmäßig waren. „Ich muss kein Arzt sein, um zu beurteilen, dass sie dies nicht überlebt, wenn wir uns nicht beeilen!“, sagte Maron mit Überzeugung. „Die neue IDUSA-Einheit und ich könnten dir da bestimmt behilflich sein, Agent.“, schlug Joran vor. „Eine sehr gute Idee.“, sagte Zirell lobend. „Du wolltest doch ohnehin auf Mission mit ihr. Habe ich Recht?“ „Das hast du, Anführerin.“, sagte der Vendar zuversichtlich. „Also dann.“, sagte Zirell. „Aber während du unterwegs bist, sollten wir hier alles schon einmal für eine außergewöhnliche Patientin vorbereiten. Ich selbst werde mich zu Ishan auf die Krankenstation begeben und dafür sorgen, dass es unserer Breen an nichts fehlen wird, wenn sie hier ist. Ich hörte, es gebe medizinisch einiges zu beachten. Beispielsweise haben sie kein Blut und fühlen sich in einer sehr kalten Umgebung wohl. Je kälter, desto besser.“ Dabei sah sie ihren ersten Offizier fragend an. „Was du gesagt hast, kann ich nur bestätigen, Zirell.“, sagte Maron. „Obwohl wir auch kaum Daten über die Breen haben. Die Föderation ist ihnen das erste Mal wirklich eigentlich in feindlicher Absicht begegnet. Im Krieg mit den Formwandlern waren sie deren Verbündete. Aber dass die Föderation an dem Krieg nicht ganz unschuldig war, weißt du ja bestimmt.“ „Dass ihr immer alles so verharmlosen müsst!“, ärgerte sich Zirell. „Begonnen hat die Föderation den Krieg! Wir wollen doch schön bei der Wahrheit bleiben, Maron, nicht wahr?“ „Du sprichst über Sektion 31.“, sagte der Geheimdienstler und schluckte. „Ja, da hast du Recht. Da hat sich die Föderation wirklich nicht mit Ruhm bekleckert.“ „Nein, das hat sie nicht.“, sagte Zirell. „Und ich will auch nicht behaupten, dass Tindara keine Leichen im Keller hätte. Wenn man lange genug suchen würde, dann gebe es da bestimmt auch einiges in der Vergangenheit, auf das die Zusammenkunft sicher auch nicht stolz wäre. Wir sind eben alle nur Lebensformen und Lebensformen machen Fehler, was meiner Ansicht nach ein Teil eines jeden normalen evolutionären Prozesses ist. Nur, wenn man nachher nicht dazu steht, könnte ich sauer werden!“ „Nicht nur du.“, sagte Maron. „Oder wenn man versucht, anderen ein Idealbild zu verkaufen, was zu erreichen zwar schön wäre, an das man aber mit Sicherheit noch nicht heranreicht und es vielleicht auch nie wird. Wie du schon gesagt hast, perfekt ist keiner.“

Joran, der das Gespräch zwischen seinen beiden Vorgesetzten beobachtet hatte, kratzte sich bedeutungsschwanger am Kopf. „Jetzt kommt’s.“, flüsterte Maron grinsend, dem das Verhalten des Vendar sehr gut bekannt war. Der Demetaner wusste, wenn Joran das tat, würde bald ein sehr kurzer aber treffender Satz vom großen Schweiger, wie Shannon den Vendar ab und zu scherzhaft nannte, folgen. Das passierte dann auch. Joran ging von der Tür, auf die er sich bereits zu bewegt hatte, ein Stück weg und stellte sich wieder den anderen zugewandt hin. Dann holte er tief Luft und sagte ganz ruhig und leise: „Das wäre ja auch höchst langweilig, nicht wahr?“ Zirell lächelte ihm verspielt zu, aber Maron, der überhaupt nicht verstanden zu haben schien, worum es ging, sah seine Vorgesetzte verwirrt an. „Na, stell dir mal vor, du würdest schon mit allen Kenntnissen und allem Wissen geboren, Maron. Was hätte dir denn das Leben dann noch zu bieten. Du würdest einen langweiligen Job machen, weil es ja keine Forschung mehr geben müsste und überhaupt wäre das Leben doch echt öde und reizlos.“ Sie gähnte übertrieben. „Da bin ich ganz Jorans und deiner Meinung.“, überlegte Maron.

„Würde sich jetzt vielleicht endlich jemand um mein Suchergebnis kümmern?“, warf IDUSA ein. „Sonst haben Sie die Kleine bald im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode diskutiert.“ „Oh, sicher.“, sagte Zirell etwas hektisch und sah Joran auffordernd an. „Bin schon auf dem Weg, Anführerin!“, sagte dieser zackig und war aus der Tür.

Das Modul mit den beiden Xylianern hatte Elyrien und damit den Hauptsitz der Regierung der Föderation der vereinten Planeten erreicht. Die männliche Sonde, die es geflogen hatte, fädelte es geschmeidig in eine Umlaufbahn ein. Dann bedeutete er seiner Kollegin und A/1, dass sie angekommen waren. „Verständige die planetare Kontrolle!“, befahl A/1. „J/12 und ich werden hinuntergehen.“ Der Pilot nickte und gab einige Befehle über seine permanente Datenverbindung mit dem Rechner des Moduls ein. Dann sagte er zu der sich meldenden Kontrolloffizierin: „Dies ist das mobile xylianische Modul 141 Untermodul zu Ring 513. Meine Kennung lautet K/15 15. Mitglied der K-Gruppe. Bei mir sind J/12 und A/1. Sie benötigen die Erlaubnis, mit Ihrem Staatsoberhaupt zu sprechen.“ „Einen Augenblick bitte.“, lächelte die Kontrolloffizierin und gab das Rufzeichen von Nuguras Büro ins Sprechgerät ein. Da Saron krankgemeldet war, nahm der Computer die Verbindung entgegen. Ohne ihren Sekretär hatte Nugura ihm viele Aufgaben übertragen müssen, die der Demetaner sonst erledigt hatte. Aber sie hatte auch viel selbst gemacht. Sie war ohnehin als ein Staatsoberhaupt bekannt, das sich nicht vor Arbeit scheute, wenn es notwendig war. Über die Geschehnisse im Keller des Archivs hatte sie zwar wenig Kenntnis, aber sie wusste, dass hier etwas geschehen sein musste, was den armen Saron zutiefst beunruhigt hatte.

Das unbekannte Rufzeichen im Display irritierte Nugura zunächst etwas. Aber dann nahm sie das Gespräch doch an. „Hier ist Präsidentin Nugura.“, sagte sie. Auch ihr stellte sich der Xylianische Flieger vor, gab dann aber sofort die Verbindung an A/1 weiter. „Ich muss mit Ihnen in der Angelegenheit sprechen, in der Sie unser Angebot, Ihnen zu assistieren, akzeptiert haben.“, sagte das Staatsoberhaupt der Xylianer. „Wenn Sie schon persönlich kommen, dann muss es ja höchst beunruhigende Nachrichten geben.“, sagte Nugura. „Das Beste wird sein, Sie beamen herunter und wir besprechen alles hier.“

Von Xylianischer Seite wurde die Verbindung ohne ein weiteres Wort beendet und dann standen plötzlich A/1 und J/12 vor Nugura. Der Xylianische Machthaber hatte sich von der Wissenschaftlerin nicht ohne Grund begleiten lassen. Sie würde alles Nugura gegenüber ausführen, was sie entdeckt hatten.

Nach einem kurzen stummen Händeschütteln kam der Xylianer gleich zur Sache. „Ihre Annahme, dass wir eine beunruhigende Entdeckung gemacht haben, ist korrekt, Bioeinheit Nugura.“, begann er und winkte seiner Untergebenen, die sich einer Konsole näherte und einen Datenkristall aus der Tasche ihrer Kleidung zog. Normalerweise hätten xylianische Sonden keine Kleidung nötig, aber in ihrem Bestreben, Bioeinheiten Freunde zu sein, hatten sie diese Sitte einfach übernommen. Sie holte also den Kristall aus der Brusttasche ihres roten Kleides und steckte ihn in ein Laufwerk an der Konsole. „Bitte erlauben Sie uns, Ihnen zu zeigen, was wir entdeckt haben, Nugura.“, sagte A/1 nüchtern. Die Präsidentin nickte und die Sonde, die sich auch mit dem Betriebssystem von Föderationsrechnern auskannte, ließ den Inhalt des Kristalls abspielen.

Erschüttert hatte Nugura den Inhalt des Kristalls zur Kenntnis genommen. Sehr blass war sie geworden und extrem zittrig, was die Sonden auch registriert hatten. „Die Biozeichen der Bioeinheit Nugura sind unregelmäßig.“, stellte J/12 fest. „Bestätigt.“, sagte A/1. „Wir werden die Assistenz einer kompetenten Einheit benötigen.“ „Wir sollten erneut Kontakt zu D/4 aufnehmen.“, schlug die Wissenschaftlerin vor. „Sie hat genug Daten über die Funktionsweise von Bioeinheiten, um uns assistieren zu können.“ „Dein Vorschlag ist effizient.“, sagte A/1 und leitete die Konferenzverbindung zwischen sich, J/12 und D/4 in die Wege. Dann wandte er sich Nugura zu, die ihre Augen nicht vom Bildschirm lassen konnte. Immer und immer wieder las sie sich Siskos Geständnis durch. „Nein!“, rief sie aus. „Das kann nicht wahr sein! Ein Offizier der Sternenflotte plant etwas so Ungeheuerliches. Wie konnten meine Vorgänger im Amt das zulassen? Wie konnten sie nur?! Das verstößt gegen alles, an das wir glauben! Oh, mein Gott! Das bedeutet, der Fremde hatte Recht! Er hatte Recht!“

Die gebeutelte Präsidentin versuchte, von ihrem Stuhl aufzustehen, um sich ein Taschentuch vom Replikator zu holen, aber die neuen Erkenntnisse hatten sie so schockiert, dass es ihr die Beine wegzog. A/1 gelang es gerade noch, sie aufzufangen. Er setzte sie auf den Stuhl zurück, auf dem sie gesessen hatte und besorgte ihr das Taschentuch selbst. Er wusste, dass so etwas oft auch als tröstende Geste empfunden wurde, auch dann, wenn derjenige vielleicht selbst im Besitz von Taschentüchern war. „Ich danke Ihnen, A/1.“, schluchzte Nugura. „Oh, ich bin so erschüttert! Eine solche Bosheit! Nein! Ein solches Verhalten hätte ich Captain Sisko niemals …!“ Sie bekam einen Schreikrampf, bei dem sogar der Kaltblütigste mitbekommen musste, wie sehr ihr das Herz blutete.

Die beiden Sonden, die rechts und links von ihrem Stuhl standen, sahen sich verwirrt an. Sie hatten geahnt, dass die Daten, die sie gefunden hatten, Bestürzung bei Nugura auslösen würden, aber dass es so schlimm würde, damit hatten sie nicht gerechnet.

D/4, die alles live mitbekommen hatte, schaltete sich ein. „Übermittelt mir die Biodaten der Bioeinheit Nugura.“, sagte sie und A/1 kam ihrer Aufforderung nach. „Das neurale Muster der Bioeinheit Nugura ist unvollständig.“, stellte die in medizinischen Fragen versierte Sonde fest. „Es fehlen alle Frequenzen, die sonst im Mandelkern zu finden währen. Dieses Organ regelt das Aggressionsverhalten, aber auch die Entschlossenheit von Bioeinheiten. Eines geht mit dem anderen einher. Um entschlossen handeln zu können, bedarf es ja einer gewissen Energie. Dies ist vielleicht auch der Grund, aus dem Nugura so erschüttert reagiert. Meiner Theorie nach besteht ihre Persönlichkeit jetzt nur noch aus ihrer positiven friedlichen Seite. Deshalb sind aggressive Handlungen völlig unverständlich für sie. Wenn die Föderation jetzt überfallen würde, würde sie noch nicht einmal die Sternenflotte rufen, um sie verteidigen zu lassen.“ „Wenn deine Theorie korrekt ist.“, sagte A/1. „Dann ist die Föderation so nicht lebensfähig. Jeder Feind könnte sie überfallen und besiegen. Ihr Ende wäre eminent. Wir, als ihre Verbündeten, werden auf sie achten müssen. Informiere die Behörden auf Terra, wenn es dir möglich ist. Suche dort nach Verbündeten. Da du erkennen wirst, wessen neurales Feld noch intakt ist, wird deine Suche effizient sein. Ich werde alle politischen Verbündeten der Föderation informieren.“ „Verstanden.“, gab D/4 zurück.

J/12 hatte es übernommen, Nuguras Tränen zu trocknen. „Vielen Dank.“, sagte die Präsidentin, die immer noch sehr verzweifelt war. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so fürsorglich sein können.“ „Sie dürfen nicht vergessen, woher wir kommen.“, sagte J/12 mit ihrer hellen freundlichen Stimme. „Das habe ich nicht vergessen.“, sagte Nugura. „Aber ich kann es einfach nicht verstehen! Nein! Ich kann es einfach nicht verstehen!“ „Unserer Theorie nach.“, sagte A/1 und sah sie dabei mild an. „Werden Ihnen die Romulaner Meilenstein nicht geben.“ „Natürlich nicht!“, sagte Nugura traurig und mit verschämtem Gesicht. „Ich würde auch keiner Macht eine neue Erfindung anvertrauen, die einige meiner Leute ermorden lassen hat, nur um sich ein Bündnis zu erschleichen! Warum hat er das nur getan?! Warum?!! Warum?!!!“ Erneut begann sie, laut zu weinen.

Die Sonden überlegten gemeinsam, wie sie Nugura eine Erklärung liefern könnten. Schließlich sagte J/12: „Eine Erklärung könnte Siskos Verzweiflung sein. Wenn ich die Gespräche auf Deep Space Nine richtig interpretiere, war er über die ständigen Verluste sehr verzweifelt, was in einer solchen Situation eine normale Reaktion bei einer menschlichen Bioeinheit darstellt. Das ist sicherlich keine Entschuldigung, aber vielleicht eine Erklärung.“ „Aber trotzdem dürfen wir so etwas nicht!!!“, schrie Nugura. „Wir dürfen es nicht! Das steht in all unseren Gesetzen!“ „Vielleicht sollten Sie Ihre Ansprüche an sich selbst noch einmal überdenken.“, schlug A/1 vor. „Sie haben sich ein Ziel gesetzt, das für 90 % aller Bioeinheiten unerreichbar ist. Und selbst den 10 %, die es vielleicht erreichen könnten, können theoretisch Fehler unterlaufen, wenn man Verzweiflungshandlungen als solche betrachten will. Dass sie ihre Emotionen unterdrücken, bedeutet ja nicht, dass diese nicht vorhanden sind. Aber auch ein gefühlloses Wesen kann sich moralisch falsch verhalten. Stellen Sie sich vor, ein medizinisch ausgebildeter Androide ohne moralische Unterprogramme würde einen Kranken töten, weil die Wahrscheinlichkeit seiner Gesundung weniger als 50 % betrüge. Das würde doch auch für moralische Empörung sorgen und wäre auch Mord, obwohl es nicht aus emotionalen, sondern aus mathematischen Motiven heraus geschehen ist.“ „Ihr Beispiel ist verständlich.“, sagte Nugura. „So oder so. Perfekt ist keine Lösung. Mann muss immer bereit sein, den goldenen Mittelweg zu suchen. Es gibt im Leben so viele Situationen, in denen es kein eindeutiges Ja oder Nein gibt und sicher haben Sie Recht mit Ihrem Vorschlag, unsere Politik zu überdenken. Wir sind eben alle nur Lebewesen, die Fehler machen. Hätten wir das nur früher gegenüber den Romulanern zugegeben!“ „Ihre Schlussfolgerung ist korrekt.“, sagte A/1.

„Werden Sie die Romulaner informieren?“, fragte Nugura. „Falls Sie es erlauben?“, fragte A/1 zurück. Die Präsidentin nickte und sagte: „Bitte lassen Sie mich jetzt allein. Ich habe über einiges nachzudenken.“ Die Sonden nickten und nahmen Kontakt zum Rechner ihres Moduls auf, um sich wieder an Bord beamen zu lassen. Dann verließ das Schiff die Umlaufbahn des Planeten Elyrien.

Nugura blieb allein zurück. Sie wusste, dass sie jetzt vor einer schweren Aufgabe stand. Irgendwie musste sie den Parlamentariern klar machen, dass man die Politik der Föderation wohl grundlegend ändern musste, wenn man seine Verbündeten auf die Dauer halten wollte. Viel ehrlicher musste man sein, vor allem gegenüber sich selbst. Man musste aufhören, einem unerreichbaren Ziel nachzujagen. Wenn die Xylianer Recht hatten und das hatten sie mit Sicherheit, dann war das die einzige Lösung. Nur, sie zu verwirklichen, das durfte schwierig werden, denn viele Parlamentarier gefielen sich in der Rolle des vermeintlich moralisch erhöhten Wesens. Sie in die harte Realität zurückzuholen, durfte nicht leicht, vielleicht sogar unmöglich, sein.

Es war mir gelungen, mich von meinen beiden überaus fürsorglichen Jungs zu lösen, aber erst nach dem ich mich Ginalla anvertraut hatte, die mich mit ihrem Jeep zu einem Abschnitt des Strandes gebracht hatte, der zu dem See gehörte, der wiederum ein Teil ihres Grundstückes war. Dann hatte sie mir noch ein Sprechgerät in die Hand gedrückt mit den Worten: „Rufen Sie, wenn Sie was brauchen. Mein Rufzeichen ist auf Speichertaste eins!“ Dann war sie gefahren und ich hatte mich in den Sand gelegt. Außer diesem Sprechgerät hatte ich nicht viele Dinge bei mir. Mein Ziel war es gewesen, hier im Sand bei dem schönen Wetter einfach mal die Seele baumeln und mir die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Deshalb trug ich auch nur ein leichtes T-Shirt und eine kurze Hose. Um meinen Kreislauf nicht so sehr zu beanspruchen, hatte ich etwas Sand zu einem Hügel aufgehäuft, auf den ich meinen Kopf legte. Das war zwar kein Kissen, auf dem ich eine ganze Nacht verbringen würde, aber für den Anfang und für ein Sonnenbad würde es meinen Ansprüchen schon genügen.

Hier lag ich also jetzt und dachte nach. Ich dachte über die Situation nach, in die ich das ganze Universum gebracht hatte. Trotzdem mir Shimar und Scotty versichert hatten, dass ich nicht schuldhaft gehandelt hatte, glaubte ich noch immer, schuldig zu sein. Sicher hätte ich Radcliffe scannen können und dann bestimmt erkannt, dass Sytania hinter allem steckte, aber ich konnte ja auch nicht jedem Besucher, der mein Haus betrat, gleich sonst was unterstellen. Wenn ich wie eine Paranoide jedes Mal den Erfasser zöge, wenn mich jemand besuchte, würde ich mir bestimmt auf die Dauer keine Freunde machen. Du machst dich ja schon wieder verrückt, Kleines!, hörte ich plötzlich eine mir sehr gut bekannte mahnende telepathische Stimme in meinem Geist. Spätestens jetzt wusste ich, dass meine zwei Männer mich nicht ganz so allein gelassen hatten, wie ich mich wähnte. Sie würden bestimmt auf dem Balkon unseres Zimmers stehen und mich beobachten. Zwar war ich auf der ganz anderen Seite des großen Sees, um den Ginalla mich einmal herumgefahren hatte und somit sicher, Scotty würde mich nicht sehen können, aber Shimar hatte wohl eine heimliche telepathische Verbindung zu mir aufgebaut. Vielleicht hatte er Scotty ja sogar in diese integriert. Weiter darüber nachzudenken fand ich jedoch müßig, denn es war ja eher ein sehr guter Umstand, den ich sehr genoss, wenn ich Shimar im Kopf hatte. Ich gab einen genießerischen Laut von mir und streckte mich.

Wenige Sekunden später hörte ich ein Geräusch, das mir noch sehr gut bekannt war, das ich aber lange nicht mehr gehört und hier sicher auch nie vermutet hätte. Es war ein: „Woush! Woush! Woush!“, wie ich es noch sehr gut aus der Zeit in Erinnerung hatte, die Korelem auf der Granger verbracht hatte. Wir waren sporadisch in SITCH-Mail-Kontakt geblieben, aber ich hatte ihn lange nicht mehr gesehen. Sollte er etwa auch hier auf Celsius sein? Geschrieben hatte er mir auf jeden Fall bei unserem letzten Kontakt darüber nichts. Allerdings war das auch lange bevor diese ganze Sache angefangen hatte.

Das Geräusch kam näher und bald hörte ich eine tiefe sanfte bekannte Stimme: „Hallo, Allrounder.“ Ich konnte es nicht glauben! Offensichtlich war er es wirklich. Aber welcher Zufall sollte dafür gesorgt haben, dass wir uns ausgerechnet hier auf Celsius an einem lauschigen kleinen See wieder über den Weg liefen, beziehungsweise flogen? Auch die Art, in der er mich angesprochen hatte, ließ für mich keinen anderen Schluss zu. Es musste Korelem sein.

Er landete und streifte dabei mit einem seiner weichen seidigen Flügel mein Gesicht. „Entschuldigung.“, grinste er. „Manchmal bin ich wirklich ungeschickt.“ „Das nehme ich Ihnen nicht ab, Korelem.“, sagte ich und drehte mich in die Richtung, aus der ich seine Stimme gehört hatte. „Das haben Sie mit Absicht gemacht, um sicher zu gehen, dass ich Sie erkenne. Die gleiche Nummer haben Sie mit mir nämlich auch abgezogen, als ich Sie nach Alaris gebracht hatte.“ „Kluges Kind.“, lobte Korelem. „Ihnen kann man nichts vormachen. Aber was tut eine so hübsche und intelligente junge Frau zu dieser Tageszeit hier allein am Strand?“ „Ich lasse die Seele baumeln.“, antwortete ich. „Oh, dann weiß ich etwas, bei dem das auf Garantie noch viel besser geht.“, sagte Korelem. „Ich würde Sie gern zu einem kleinen Ausflug einladen.“ „Wie soll das gehen?“, fragte ich. „Wir haben kein Schiff und …“ „Wer braucht ein Schiff, wenn sie mich hat?“, sagte er und richtete sich in Sitzposition auf. Dann griff er meine rechte Hand mit einem seiner Vorderfüße und führte sie an seine Brustmuskulatur, die für das Fliegen unerlässlich war und spannte diese an. Er ließ erst wieder locker, nachdem ich sie ausführlich betastet hatte. „Überzeugt?!“, fragte er. „Sie müssen ziemlich stark trainiert haben.“, vermutete ich. „Aber wenn Sie glauben, dass Sie mein Gewicht schaffen?“ „Oh, ja!“, sagte er mit Überzeugung und startete, um mir dann von oben eine Anweisung zuzurufen: „Gehen Sie bitte in den Vierfüßlerstand!“ „OK!“, gab ich zurück. „Aber warten Sie bitte einen kleinen Moment. Vielleicht kann ich etwas tun, um uns beim Start zu helfen!“ Damit klopfte ich den Hügel, den ich mir als Kopfkissen gebaut hatte, wieder flach. So hatte ich eine feste Piste, von der ich mich abdrücken würde, wenn er es mir sagen würde. Dann stellte ich mich im Vierfüßlerstand direkt in deren Mitte. „Sehr gut!“, rief er und ging in Sinkflug zu mir herunter. „Achtung, ich komme!“

Seine Vorderfüße fassten meine Schultern und seine Hinterfüße fanden um meine Hüften ihren Platz. Dann spürte ich, wie sich seine Brustmuskulatur anspannte und hörte, wie seine Flügel stärker und schneller schlugen. Auch ich spannte die Muskeln in Beinen und Armen an, bereit, mich jederzeit abzustoßen. Seine Greiffüße bohrten sich in meine Haut. Lange würde es nicht mehr dauern, das dachte ich mir. Aber vielleicht würde er vor Anstrengung nicht in der Lage sein, mir Bescheid zu sagen. Ich musste also vielleicht selbst einen Zeitpunkt wählen.

Ich bemerkte, dass sich kein weiterer Druck aufbaute. Aber er ließ auch nicht nach. Jetzt oder nie!, dachte ich und stieß mich ab. Dabei gab ich einen Schrei von mir, bei dem selbst jeder japanische Karatemeister neidisch geworden wäre. Dann zog ich blitzschnell meine Beine unter meinen Körper, um keinen unerwünschten Widerstand zu produzieren, der ihn nur unnötig Energie kosten würde. Hier kam mir meine eigene fliegerische Ausbildung sehr zugute. „Ja! Sehr schön!“, rief Korelem begeistert. Dann zog er uns hoch. „Danke.“, sagte ich, die ich immer noch mit angewinkelten Beinen in seinem festen Griff hing. „Woher wussten Sie, dass Sie Ihre Beine einziehen mussten?“, fragte er. „Jedes Flugzeug zieht das Fahrwerk ein nach dem Start, um Energie zu sparen und leichter manövrieren zu können.“, lächelte ich. „Was zur Hölle ist ein Flugzeug?!“, überlegte er halblaut.

Wie ich es vermutet hatte, waren Scotty und Shimar auf den Balkon gegangen und hatten von dort die schöne Aussicht genossen. Aber außer der schönen Aussicht sah mein Mann jetzt auch noch etwas anderes. Etwas, das ihn fast zu Tode erschreckte! Blass stolperte er vom Balkon zurück ins Zimmer, wo Shimar gerade aus dem Bad kam, wo er etwas erledigt hatte. „Hilfe!!!“, schrie Scotty ihm entgegen. „Hol IDUSA! Ich werde denen auf der Werft später alles erklären! Tu was!!!“ „Kannst du mir mal verraten, was du eigentlich hast?!“, fragte Shimar vergleichsweise ruhig. „Da is’ ’n riesiger Schmetterling!!“, erklärte Scotty mit vor Panik weit aufgerissenen Augen. „Und der hat meine Frau, deine Freundin! Mach was!! Wir brauchen dein verfluchtes Schiff!!!“

Der ausgebildete Pilot gab einen genervten Laut von sich und ließ sich betont ruhig auf seine Seite unseres gemeinsamen Bettes fallen, ohne sein Sprechgerät, das Scotty ihm hinhielt, auch nur eines Blickes zu würdigen. „Da sieht man mal wieder, dass du keine Ahnung von der Fliegerei hast.“, sagte Shimar. „Mein verfluchtes Schiff würde mit ihren Atmosphärentriebwerken die Luft so stark aufwirbeln, dass der Schmetterling erst recht in eine instabile Lage kommen würde. Dann wäre Betsy erst recht in Gefahr. Soweit ich das hier sehe, hat er sie aber sicher und Angst hat sie auch keine. Ich halte nämlich für alle Fälle eine telepathische Verbindung zu ihr. Außerdem bin ich Telekinetiker, wie du weißt. Wenn was ist, kann ich jederzeit eingreifen und sie retten. Und jetzt beruhige dich gefälligst und renn’ hier nicht rum wie ein aufgescheuchter Gockel ohne Kopf!“

Das hatte wohl stärker gesessen, als Shimar beabsichtigt hatte, denn Scotty ließ sich augenblicklich dort auf den Boden fallen, wo er stand. „So habe ich das auch nicht gemeint.“, flüsterte Shimar. „Oh, Mann, Junge.“, sagte der Schotte bedient. „So etwas hätte ich nicht von dir gedacht. Normalerweise bin ich doch der Sprücheklopfer bei uns.“ Dann stand er schwerfällig auf und torkelte wieder in Richtung Balkon zu dem Stuhl, auf dem er gesessen hatte. Frische Luft würde ihm jetzt bestimmt gut tun. Außerdem wollte er den Schmetterling und mich weiter beobachten. Persönlich kannten sich Scotty und Korelem nicht, denn ich hatte ihn ja frühzeitig wieder in seine Heimat gebracht und auf der Hochzeit der Miray war er nicht gewesen.

Wir waren über der Mitte des Sees. Ich hatte begonnen, mich immer wohler zu fühlen, was auch dazu geführt hatte, dass ich mich immer mehr entspannte. Ich genoss den warmen Wind, der um meinen Körper strich. Ich sog die wohlriechende Luft in meine Lungen. Ich lächelte in einem fort. Meine Arme waren eng an meinen Körper gelegt und meine Beine immer noch angezogen. „Denken Sie, wir schaffen eine Kurve?“, fragte Korelem. Dabei schien er keineswegs angestrengt, obwohl er mich ja die ganze Zeit festhalten und dabei auch noch fliegen musste, was ich mir für ihn rein körperlich nicht gerade als sehr leicht vorstellte. „Versuchen wir es.“, sagte ich leise, denn ich war nicht ganz davon überzeugt, dass das gut gehen würde. Irgendwie war ich von der Vorstellung gefangen, ihm zu schwer zu sein. „Also dann.“, sagte Korelem und ich spürte, wie er in eine ca. 45-Grad-Kurve nach rechts einschwenkte. Ich streckte meinen linken Arm aus, um uns zur anderen Seite hin zu stabilisieren. „Richtig!“, lobte er. „Sie können wunderbar mithelfen! Ganz toll machen Sie das! Ich liebe Passagiere, die mitdenken! Aber wen wundert’s? Sie sind ja schließlich vom Fach!“ Ich lächelte.

Die Kurve hatte uns in die Richtung gebracht, in der sich unsere Herberge befand. „Ich sehe Ihren Mann auf dem Balkon dort sitzen.“, sagte Korelem. „Wollen wir ihm einen kleinen Schrecken verpassen?“ „Wie sieht er aus?“, fragte ich, die auf keinen Fall riskieren wollte, dass Scotty noch an einem Herzanfall starb. „Er ist recht entspannt.“, sagte Korelem. „Aber er scheint etwas geknickt, als hätte ihm jemand eine Standpauke verpasst.“ „Na dann wollen wir ihn mal aufheitern!“, forderte ich ihn auf. „Na gut.“, sagte Korelem und nahm Kurs auf den Balkon.

Irritiert sah Scotty zu, wie wir immer weiter in Richtung Grund kamen. „Oh, Gott!“, rief er. „Was macht der mit dir, Darling?!“ Ich hatte zwar mitbekommen, was er gesagt hatte, aber im Moment dafür kein Ohr, denn ich achtete nur auf Korelems leise Anweisungen und nur darauf. „Wenn ich sage.“, flüsterte er mir zu. „Dann strecken Sie die Beine nach unten. Keinen Moment früher und keinen später.“ „Geht klar, Korelem.“, lächelte ich, die den Flug mit ihm doch sehr genossen hatte. „Und drei, zwei, eins, jetzt!“, zählte er.

Ich spürte den Boden unter meinen auf sein Kommando ausgestreckten Füßen. Er ließ mich erst los, nachdem er sicher war, dass ich fest stand. Dann drehte er ab in Richtung einer offenen Luke, die ihn in sein Zimmer führte. Diese wurde dann durch einen Strich seiner Fühler über einen Sensor von innen geschlossen.

Zitternd schloss mich Scotty in seine Arme. „Oh, Darling.“, stotterte er. „Mein armes Baby. Versprich mir, dass du das nicht wieder tust.“ „Das kann ich dir leider nicht versprechen, mein allerliebster Ehemann.“, sagte ich. „Es hat mir dafür nämlich viel zu viel Spaß gemacht. Aber Shimar wird dir doch sicher versichert haben, dass ich bei Korelem in guten festen sicheren Händen war.“ „Korelem heißt dieser Draufgänger also.“, sagte Scotty. „Den Namen werde ich mir merken und dem Flattermann bei Gelegenheit mal ’n paar Takte erzählen! Was hat der gemacht, um dich dazu zu zwingen?“ „Er hat mich zu gar nichts gezwungen!“, sagte ich zuversichtlich. „Zu rein gar nichts.“ „Aber so was kann ich mir bei dir nicht vorstellen.“, sagte Scotty.

„Sie hat Recht, Scotty.“, sagte Shimar aus dem Hintergrund, der unsere Diskussion aus sdem Zimmer heraus beobachtet hatte. „Du musst es ja beurteilen können.“, sagte Scotty bedient und wir setzten uns wieder alle drei auf den Balkon, um den Rest jener celsianischen lauen Sommernacht gemeinsam zu genießen.

Korelem war in seinem Zimmer damit beschäftigt, mit Hilfe seines Kontaktkelchs Verbindung mit Logar aufzunehmen. Was hat deine Prüfung ergeben?, wollte der imperianische Herrscher wissen. Ich kann ihr Gewicht jetzt einschätzen, Milord., gab Korelem zurück. Bei dem, was auf uns zukommen wird, werdet Ihr Euch also keiner Veränderung der Geschichte beziehungsweise der vorbestimmten Handlungen schuldig machen müssen. Das freut mich., sagte der König. Aber vergiss nicht, dass sie dir nicht so schön helfen können wird, wenn eintritt, was eintreten muss. Trotzdem werde ich tun können, was zu tun ist!, gab Korelem selbstsicher zurück. Macht Euch also keine unnötigen Sorgen, mein König. Kühne Worte., sagte Logar. Aber wir werden sehen, ob du halten kannst, was du hier so vollmundig versprichst. Da könnt Ihr sicher sein!, versicherte der Alaraner und wollte den Kontaktkelch wieder zudecken, aber Logar verhinderte dies mit einem kleinen telekinetischen Eingriff. Was ist noch, Majestät?, fragte Korelem. Ich möchte nur sicher gehen, dass du meine Tochter nicht unterschätzt., sorgte sich der imperianische Machthaber. Da müsst Ihr Euch nicht sorgen, Milord!, versicherte Korelem. Die kenne ich Dank Euch gut genug! Auf die werde ich nicht hereinfallen und ich werde schon gar nicht zulassen, dass sie unsere Pläne stört! Ich bin ein Sterblicher, nur ein Sterblicher, aber damit auch einer von der Sorte Wesen, die Sytania liebend gern unterschätzt. Seid gewiss! Ich bin in diesem Fall die beste Wahl, wenn es darum geht, Euch in Euren erzieherischen Maßnahmen als Vater zu unterstützen! So ist es recht, Korelem!, lobte Logar. Ich wollte mich nur versichern, dass du nicht bei nächster Gelegenheit einknickst, auch wenn es schwierig wird. Für wen haltet Ihr mich?!, bemerkte der Alaraner und deckte nun tatsächlich den Kelch wieder zu. Dieses Mal behelligte Logar ihn dabei nicht. Warum auch? Der König wusste, was er wissen musste. Er wusste, dass Korelem für das Unterfangen, bei dem er seine Hilfe benötigte, mutig genug war.

Telzan und seine Truppe waren auf dem Weg zu Sytania, um ihr ihren scheinbaren Erfolg zu melden. Dass sie hereingelegt worden sein könnten, war ein Umstand, den sie nicht im Geringsten in Betracht zogen. Vielmehr gefiel ihnen der Gedanke, Kamurus so leicht vernichtet zu haben.

Sytania, die das Ganze mit Hilfe ihrer seherischen Fähigkeiten beobachtet hatte, erwartete sie bereits im Schlosshof, wo die verbliebenen Vendar, ganz der Tradition nach, den Landeplatz für die Shuttles mit Fackeln markierten. Telzan war allerdings sehr überrascht, in das Gesicht seiner Gebieterin zu sehen. „Wollt Ihr uns beglückwünschen, Gebieterin?“, fragte er ahnungslos. „Beglückwünschen!“, fauchte Sytania. „So weit käme es noch!“ „Was meint Ihr?“, fragte Telzan, der immer noch keinen Schimmer hatte. Nur Dirshan schien ein Licht aufzugehen. Der Novize hob also die Hand. „Ja, Dirshan!“, keifte Sytania. „Was hast du uns zu sagen? Hör gut zu, Telzan. Jetzt wird dir ein Novize die Welt erklären!“ „Ich befürchte.“, setzte Dirshan an. „Dass Milady allen Grund haben, uns zu tadeln. Ich hatte auf dem Flug viel Zeit zum Nachdenken und bin zu dem Schluss gekommen, dass es sein könnte, dass wir auf eine Kreatur getroffen sind, die sich von Raumschiffen und deren Besatzungen ernährt. Diese Wesen benutzen Täuschungen, um die Ahnungslosen anzulocken. Was ist, wenn es das Schiff gerettet hat, uns aber vorgemacht hat, dass wir es zerstört hätten. Ich halte für möglich, dass so etwas diesen Wesen auch möglich ist. Das Schiff zu zerstören, war nämlich meiner Meinung nach viel zu leicht.“ „Genau das ist geschehen!“, schrie Sytania. „Du bist fürwahr ein kluger Junge, Dirshan! Aber du, Telzan! Du scheinst ziemlich nachzulassen! Wie kann es sein, dass du nicht erkannt hast, was offensichtlich ist?! War dein Wunsch, dieses Schiff zu zerstören, denn so übermächtig?“ „Mit Verlaub, ich hatte nur den Wunsch, Milady gefällig zu sein.“, schmeichelte Telzan und versuchte so, ihre Wut auf ihn abzumildern. Aber leider gelang ihm das nicht. Im Gegenteil. All seine Schmeicheleien, waren sie nun verbaler oder optischer Natur, schienen ihren Groll gegen ihn nur noch zu verstärken. „Was glaubst du eigentlich, was du für ein Krieger bist?!“, schimpfte Sytania. „Du, als ein ausgebildeter Telepathenjäger, lässt zu, dass diese Kreatur dich verlädt! Und der Einzige, der das kapiert, ist – welch Ironie – ein einfacher Novize! Ich denke ernsthaft darüber nach, ihm die Führung über deine Truppe zu geben und dich abzusägen, wenn du so weiter machst! Viel Kredit hast selbst du nicht mehr bei mir, Telzan! Selbst du!“ „Bitte vergesst nicht, Hoheit.“, versuchte Telzan, sich zu verteidigen. „Ich habe Euch lange Jahre treu und effizient gedient. Nur, weil ich jetzt einmal einen Fehler gemacht habe, wollt Ihr mich …?“ „Es kommt darauf an, welche Art von Fehler man macht!“, belehrte ihn Sytania. „So ein Fehler, den du gemacht hast, bleibt bei mir nicht ungestraft! Du wirst tatsächlich die Führung über deine Truppe für einen Sonnenlauf an diesen Jungen abgeben! Dann hast du genug Zeit, über deinen Fehler nachzudenken! Es ist ein Gräuel mit dir! Ein ausgebildeter Telepathenjäger und spürt die geistige Prägung dieses Wesens noch nicht einmal!“ „Die habe ich gespürt, Hoheit.“, widersprach Telzan. „Ach ja?!“, verhörte ihn Sytania. „Und warum hast du dann nicht im Geringsten in Betracht gezogen, dass dieses Wesen dich täuschen könnte, he?!!!“ „Weil ich in seinen Handlungen keinen Grund dafür sah, Prinzessin.“, sagte Telzan. „Ich meine, was für ein Motiv sollte es haben, dem Schiff zu helfen und Euch zu täuschen? Was weiß denn so ein Wesen schon von Euch und Eurem momentanen Zwist mit dem Schiff?“ „Gar nichts.“, erwiderte Sytania. „Da hast du Recht, wie ich zugeben muss. Aber es weiß, wer ich bin und es kennt mit Sicherheit meinen Ruf. Vielleicht ist es einfach im Herzen so widerlich edelmütig, dass es mir einfach nur den Sieg missgönnt, weil ich nun einmal die bin, die ich bin!“

Das Gesicht der Königstochter färbte sich puterrot vor Wut. Rasch winkte sie einer Dienerin, die eilig den Raum verließ, um wenig später mit einem Tablett voller Gläser ebenso eilig zurückzukehren. Dies stellte sie vor der Prinzessin ab, welche die Gläser dann eines nach dem anderen mit großem Genuss telekinetisch an die Wand pfefferte, dass die Scherben nur so spritzten. „Siehst du, Telzan?!!!“, schrie sie. „Sogar dieses Bauernmädchen hat kapiert, was ich jetzt brauche und du, als mein oberster Elitekrieger, du bist dazu nicht in der Lage?! Du bist nicht in der Lage, einen einfachen Job für mich zu erledigen?! Lässt sich von so einer Kreatur aufs Kreuz legen! Das glaube ich einfach nicht!“

Sie entfernte telekinetisch alle Zeichen von Telzans Uniform, die ihn als Anführer der Vendar auswiesen und heftete sie auf dem gleichen Wege Dirshan an. „Komm zu mir, Dirshan!“, befahl sie dann. Willig folgte der Novize, der aber eigentlich noch gar nicht verstanden hatte, was hier gerade passierte, ihrem Befehl. „Deine erste Amtshandlung als Anführer wird sein, dass du alle Vendar im Schlosshof versammeln wirst und wir ihnen erklären, dass du ab heute ihr Anführer von meinen Gnaden bist.“ „Aber wolltet Ihr mich nicht nur für einen Tag zum Anführer machen, Herrin?“, fragte Dirshan irritiert. „Ich habe meine Meinung soeben geändert.“, sagte die Prinzessin. „Ich bin eine Frau. Wir sind wankelmütig und haben daher dieses Privileg. Du wirst so lange Anführer meiner Vendar bleiben, wie es mir gefällt und das ist im Augenblick weitaus länger als nur ein Tag. So und nun geh in die Garnison und sage den Anderen Bescheid.“ „Einen Augenblick bitte noch, Milady.“, sagte der Novize, dem die taktische Lage durchaus klar war. Er wusste, sehr rosig war sie nicht, denn die Tatsache, dass Kamurus gerettet worden war, hatte ein ganz anderes Licht auf sie geworfen. „Ich weiß, dass es taktisch für uns im Moment nicht gerade zum Besten steht, Milady.“, sagte Dirshan. „Wir müssen die positive Sternenflotte irgendwie ablenken, damit sie uns nicht draufkommen. Wenn das Schiff seine Pilotin holt und die Allrounder Betsys Schiff repariert, wird dieses aussagen und dann weiß man sofort, was los ist.“ „Und wie willst du die positive Sternenflotte ablenken?!, fragte Sytania vergleichsweise freundlich, der sein Plan besser und besser gefiel, obwohl sie ihn noch nicht wirklich kannte. Sicher hätte sie in seinem Geist nachsehen können, aber die Freude, ihn von ihm mitgeteilt zu bekommen, wollte sie sich nicht selbst nehmen. „Sagt Eurer Marionette, er soll Allrounder Betsy Scott töten, egal, ob sie ihm nun draufkommt, oder auch nicht. Dann werden sie vollauf mit der Beerdigung und den Ermittlungen zu ihrem plötzlichen bedauerlichen Tod beschäftigt sein und wir können in aller Ruhe unsere Pläne verwirklichen. Außerdem solltet Ihr dafür sorgen, dass die Tarnvorrichtung des Breenschiffes im rechten Moment ausfällt, damit dieses tindaranische Schiff auf der Werft es sieht und Alarm schlägt. Dann wird sie ihren Piloten holen wollen, wie es ihre Protokolle verlangen und der wird so sehr mit ihr beschäftigt sein, dass er sich nicht um Betsy kümmern und sie aus Eurer Hypnose befreien kann. Es ist ein langer Weg per Jeep vom Gasthaus zur Werft. Sorgt eventuell noch für ein paar Verkehrshindernisse, damit sie Umwege fahren müssen. Bis sich Shimar El Tindara umsehen kann, ist alles schon vorbei.“ „Ein sehr guter Plan!“, grinste Sytania, die sich schon sehr darauf freute, mich endlich aus dem Weg zu haben. Da ich über ein ähnliches Wissen wie Agent Mikel verfügte und damit ihren Plänen hätte sehr gefährlich werden kann, war sie froh, bald eine Bedrohung weniger auf dem Zettel haben zu müssen.

Dirshan war in die Kasernen gegangen und bald an der Spitze der Vendar in den Schlosshof zurückgekehrt. Sytania, die dies genau beobachtet hatte, erschuf ein Phänomen und sprach dann in ihre Geister: Tshê, Vendar! Ab sofort wird der Novize Dirshan auf unbestimmte Zeit euer Anführer von meinen Gnaden sein! Ihr werdet ihm den gleichen Gehorsam entgegenbringen, wie ihr es auch gegenüber Telzan getan habt!

Sie ließ das schwarze Licht, das ihre Botschaft begleitet hatte, sich auflösen. Alle Vendar knieten respektvoll vor Dirshan nieder und küssten seine Stiefel. Das war ein Zeichen, dass sie seine Führung anerkannt hatten. Auch Telzan hatte sich - höchst widerwillig - in die Reihen eingeordnet. Wie lange dieser Zustand andauern würde, wusste er nicht, aber er kannte Sytanias Launen und er wusste, dass Dirshan trotz allem nur ein Novize war, der noch viel zu wenig über das Kriegshandwerk wusste, um diese Stellung dauerhaft behaupten zu können. Er ahnte, dass Sytania sich ihn beim kleinsten Fehler seines Schülers wieder an die Spitze der Vendar-Krieger zurückwünschen würde. Früher oder später würde sie also ihre Entscheidung, die sie in einem akuten Tobsuchtsanfall getroffen hatte, bitter bereuen. Darauf würde Telzan sein Leben verwetten!

 

Kapitel 21: Schwierige Rettung

von Visitor

 

Mehr Glück, als der in euren Augen bestimmt nicht wirklich bedauernswerte Telzan, sollte ein anderer gewisser Vendar haben, der in diesem Augenblick den Maschinenraum der Basis 281 Alpha betrat. Bereits am Eingang hielt Joran nach Jenna Ausschau, die gerade das Cockpit der zweiten IDUSA-Einheit verlassen hatte. „Wie sieht es aus bei ihr, Telshanach?“, fragte Joran. „Oh, es sieht sehr gut aus bei ihr, Telshan.“, flötete die hoch intelligente Halbschottin zurück. „Um in unseren sprachlichen Dimensionen zu sprechen: Sie ist kerngesund.“ „Dann ist ja alles in Fett, wie man so schön sagt.“, gab Joran zurück. „Was?“, fragte Jenna und musste mit einem Lachen kämpfen, das sie sich dann doch nicht verkneifen konnte. „Was ist so lustig, Telshanach?“, fragte Joran. „Dein erneuter sprachlicher Ausrutscher.“, antwortete die Chefingenieurin. „Ich weiß ja, was du meintest. Du meintest, es sei alles in Butter.“ „Wusste ich’s doch.“, überspielte Joran seinen Fehler mit einem Lächeln und dem ihm ganz eigenen Charme. „Es war irgendein fettiges Zeug zum aufs Brot Streichen.“ Jenna musste jetzt erst recht lachen.

Joran ging an ihr vorbei in Richtung der Tür von IDUSAs Cockpit. Dann stieg er ein und setzte sich auf den Pilotensitz, um danach seinen Neurokoppler anzuschließen. Das Schiff, das seine Reaktionstabelle längst erstellt hatte, lud diese sofort. Jetzt sah Joran in das Gesicht des ihm bereits bekannten Schiffsavatars. Ihm fiel nur auf, dass sie heute einen Scheitel trug, der ihm bei ihrer ersten Begegnung nicht aufgefallen war. „Hallo, Joran.“, sagte sie mit ihrer etwas jung wirkenden hellen Stimme. „Ich grüße auch dich, IDUSA.“, sagte der Vendar. „Ich nehme an, Anführerin Zirell hat dir durch die Einheit der Station bereits unsere Befehle mitteilen lassen.“ „Ich weiß, dass wir eine vermisste Person suchen sollen.“, sagte das Schiff. „Aber ich denke, dass wir angesichts der Situation, in der sich diese Person befindet, kaum eine Chance haben werden, sie noch lebend zu bergen.“ „Du wirst Recht behalten, wenn wir uns nicht beeilen!“, sagte Joran energisch und gab ihr ebenso energisch den Gedankenbefehl zum Start.

Sie dockten ab und bald waren sie ein ganzes Stück weit von der Station entfernt. Der Vendar stellte den Interdimensionsantrieb des Schiffes auf die Koordinaten ein, die ihm die IDUSA-Einheit der Station gegeben hatte. Dann befahl er IDUSA, den Antrieb zu aktivieren. „Warum schickt uns der Commander auf so eine aussichtslose Mission, Joran?“, wollte das noch sehr unerfahrene Schiff von ihrem Piloten wissen. „Kannst du das näher ausführen?“, fragte Joran, der für ihren Einwand durchaus Verständnis hatte. „Nun.“, setzte das Schiff an. „Ich meine, die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass wir zu spät kommen. Ihre Biozeichen waren schon sehr schwach und sie wird bei den in meinem Cockpit herrschenden Temperaturen auch nicht überleben.“ „Das Leben ist keine Rechenaufgabe, IDUSA.“, sagte Joran ruhig und ließ sie aus dem Interdimensionalmodus wieder in den normalen Raum zurückfallen. Nun waren sie im Universum der guten Föderation angekommen, aber sie befanden sich noch ein Stück weit von dem Planetoiden entfernt. „Warum haben Sie gerade diese Koordinaten gewählt, Joran?“, fragte IDUSA. „Ich hätte auch noch viel näher heran fliegen können. Oder trauen Sie sich das selbst nicht zu? Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe keine Daten über Ihre fliegerische Ausbildung, deshalb muss ich das alles jetzt von Ihnen persönlich herausfinden.“ „Ich nehme dir das nicht übel, IDUSA.“, tröstete Joran. „Aber der Grund, aus dem ich dir so weit von unserem Ziel entfernt befohlen habe, in Normalmodus zu gehen, liegt nicht bei mir, sondern in gewisser Hinsicht bei dir.“ „Was meinen Sie damit?“, fragte IDUSA. „Hat Techniker McKnight Ihnen nicht versichert, dass ich tadellos funktioniere?“ „Das hat sie in der Tat.“, sagte Joran. „Aber es geht auch weniger darum, dass ich glaube, dass bei dir etwas kaputt ist, als darum, dass wir etwas tun müssen, das naturgemäß etwas dauert und leider auch nicht zu beschleunigen ist.“

Er nahm per Gedankenbefehl Zugriff auf ihre Umweltkontrollen und programmierte diese so um, dass die Temperatur im Frachtraum auf winterliche -50 Grad sank. Dann gab er ihr noch den Befehl, es dort kräftig schneien zu lassen und Eis zu produzieren. „Ich nehme an, das soll ihr Krankenzimmer werden.“, sagte IDUSA, während sie seine Befehle ausführte. „In der Tat.“, sagte Joran und strich mit den Händen über die freien Ports, wie er es auch bei dem anderen Schiff getan hatte und es von Shimar gelernt hatte, der ihm den Hinweis gegeben hatte: „IDUSAs mögen das.“ „Sobald sie an Bord ist, verbindest du mich mit Ishan. Er soll mir sagen, was zu tun ist, um sie notfalls wieder zu beleben oder ihr Überleben zu sichern.“, sagte er. „Wie Sie wünschen.“, sagte das Schiff. „Ich möchte nur anmerken, dass Sie bei Ihrer Planung zwar sehr auf unsere Patientin, aber weniger auf sich geachtet haben.“ „Ich bin ein Vendar.“, antwortete Joran. „Ich habe ein Fell! So schnell wird mir nicht kalt!“ „Darum geht es mir nicht.“, sagte das Schiff. „Es geht mir eher darum, dass ich vermeiden muss, dass Sie einen Kreislaufschock erleiden, wenn Sie aus meinem wohl temperierten Cockpit in den Frachtraum gehen. Ich schlage vor, dass wir aus der Achterkabine, die ja zwischen Frachtraum und Cockpit liegt, eine Temperaturschleuse für Sie machen. In der können Sie sich auch umziehen. Ich werde Ihnen winterfeste Kleidung replizieren. Sobald Sie sich umgezogen haben, senke ich die Temperatur in der Achterkabine langsam auf das Niveau des Frachtraums ab. Wenn Sie zurückkehren, mache ich es umgekehrt.“ Sie zeigte ihm ihren Grundriss. „Eine sehr gute Idee, IDUSA.“, sagte Joran. „Ach, das ist doch gar nichts.“, gab das Schiff zurück. „Das ist doch nur mein Job. Ich bin ein Beschützerschiff und als solches programmiert, alles zu tun, um das Leben meines Stammpiloten oder meiner Besatzung und/oder beider zu bewahren.“ „Du musst dich nicht immer hinter den tindaranischen Gesetzen verstecken.“, sagte Joran. „Ich weiß längst, dass du es nicht nur deshalb getan hast. Und jetzt komm! Suchen wir die Kleine!“

Er steuerte sie in die Umlaufbahn des Planetoiden. Von hier aus würde sie mit ihren Sensoren nach dem Mädchen Ausschau halten. Aber an den Koordinaten, an denen sie sein sollte, war sie nicht mehr. Zumindest konnte IDUSA sie dort nicht mehr ausmachen. „Hat man sie entführt?“, wollte Joran wissen. „Den Spuren nach zu urteilen.“, sagte das Schiff. „Hat man das nicht. Es gibt zumindest keine Transporterspuren, aber wenn die Entführung lange her ist, könnten diese auch schon längst zerfallen sein. In der Atmosphäre haben sich aber vor einiger kurzer Zeit starke Gewitter entladen. Es ist durchaus möglich, dass die Reste noch immer meine Sensoren stören.“ „Kannst du eine Sonde starten?“, fragte Joran. „Negativ.“, sagte das Schiff. „Auch deren Sensoren würden vermutlich gestört.“ „Dann werde ich selbst gehen müssen.“, sagte der Vendar und stand auf. „Aber ich werde einen Transportverstärker mitnehmen. Wenn ich sie finde, kannst du uns so leichter erfassen. Außerdem kannst du dadurch eine Peilung von mir behalten.“ „Das ist korrekt.“, sagte das Schiff und replizierte Joran das gewünschte Gerät. „Ich danke dir.“, sagte er ruhig und nahm es an sich, um sich dann in eine transportgerechte Position zu begeben. Außerdem setzte er den Neurokoppler ab, was für sie ein sicheres Zeichen war, die Steuerkontrolle zu übernehmen. Dann befahl er in Richtung Bordmikrofon: „Aktivieren, IDUSA!“ Bereitwillig führte das Schiff seinen Befehl aus.

Joran fand sich unweit der Koordinaten wieder, an denen Nitprin eigentlich hätte sein sollen. Nachdem er per Sprechgerät überprüft hatte, dass er Verbindung zu seinem Schiff hatte, ging er vorsichtig los. Es war dunkle kalte Nacht und ein normaler Mensch hätte sicher die Hand vor Augen nicht gesehen. Aber da ein Vendar ja ohnehin eine ca. 40 % höhere Sehschärfe und somit auch eine effizientere Lichtverarbeitung besitzt, konnte er sich doch noch sehr gut orientieren. Bald hatte er tatsächlich das bewusstlose Mädchen gefunden. Er beugte sich über sie und heftete ihr den Transportverstärker an ihre Kleidung. „Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst.“, flüsterte er ihr zu. „Aber du kannst gewiss sein, dass jetzt alles wieder gut wird.“ Dann zog er sein Sprechgerät und befahl: „IDUSA, erfasse das Signal des Verstärkers und beame uns an Bord!“ „Sofort, Joran.“, gab der Avatar nüchtern zurück. „Soll ich Sie gleich im präparierten Frachtraum absetzen?“ „Genau das!“, sagte Joran entschlossen. „Auch, wenn es mir etwas kalt um die Nase werden wird, aber das muss ich dann wohl aushalten. Sobald wir dort sind, gibst du mir Ishan!“ „In Ordnung.“, sagte das Schiff. „Ich aktiviere.“

Joran fand sich mit Nitprin im Frachtraum wieder. Sie lag vor ihm im Schnee. Er zog einen Erfasser und stellte ihn auf die Biozeichen von Breen ein. Dann scannte er sie und schloss ihn an sein Sprechgerät an. Im gleichen Moment legte IDUSA die Verbindung mit Ishan darauf. „Sehr gute Vorbereitung, Joran.“, lobte der Androide mit dem aldanischen Bewusstsein, der auf Zirells Station der leitende medizinische Offizier war. „Aber ihre Temperatur ist immer noch zu hoch. Wenn das so bleibt, wird sie sterben! Du musst sie entkleiden und sie mit Schnee verhüllen. Außerdem musst du in all ihre Körperöffnungen Eiszapfen stecken. Das muss schnell gehen, Joran. Sehr schnell!“

Jorans Gesichtsfell stellte sich auf, ein Zeichen, dass es ihm mit dem ihm von Ishan gegebenen Auftrag nicht wirklich gut ging. „Aber ich kann doch nicht … Ich meine, was wird sie von mir denken?! Es muss eine andere Lösung geben, Ishan!“ „Es gibt keine andere Lösung!“, sagte der Androide jetzt ziemlich energisch und jedem sollte klar sein, dass er auf der Ausführung seiner Anweisungen bestand. „Du bist jetzt mein verlängerter Arm. Normalerweise würde ich genau das Gleiche tun. Also, wenn du ein ernsthaftes Interesse daran hast, dass sie durchkommt, dann befiehlst du IDUSA jetzt, dir die Eiszapfen, die sie bereits auf meinen Befehl repliziert hat, in den Frachtraum zu beamen und entkleidest unsere Patientin! Sonst wirst du Zirell, Maron und der Zusammenkunft erklären müssen, warum du den Befehl des leitenden medizinischen Offiziers verweigert hast und somit eine wichtige Zeugin gestorben ist, nur weil du Angst hattest, nicht mehr als Gentleman anerkannt zu werden. Es wird dir übrigens nichts nützen, wenn IDUSA dich mit Zirell verbindet. In medizinischen Angelegenheiten stehe ich im Rang über ihr und dies ist eine medizinische Angelegenheit!“

Joran wollte etwas erwidern, aber der Alarm seines Erfassers schrillte. Er nahm das Gerät hoch und befahl ihm, das Interpretationsprogramm zu aktivieren. Dort konnte er jetzt lesen, wie schlecht es wirklich um die Kleine stand. „Kelbesh!“, fluchte er. „Dann muss ich es wohl wirklich tun.“

Er machte sich daran, den defekten Kälteanzug des Mädchens zu öffnen und sie auszuziehen. Dann hüllte er sie völlig mit Schnee ein, wie Ishan es ihm befohlen hatte. „Bist du zufrieden?“, fragte er in sein Sprechgerät. „Nein!“, gab der Arzt vom anderen Ende der Verbindung zurück, der über die Kamera auch gesehen hatte, was Joran tat. „Wo sind die Eiszapfen?!“ „Das kann ich nun wirklich nicht tun!“, sagte Joran. „Ich meine, meinst du wirklich alle Körperöffnungen?“ „Ja, alle!“, bestand Ishan auf der korrekten Ausführung seiner Befehle. „Ihre Körpertemperatur muss sinken! Das können wir nur erreichen, indem wir sie gleichermaßen von außen und innen senken. Du musst, Joran! Du musst! Sonst wird sie sterben! Sie wird sterben!“

Verschämt warf der Vendar einen Blick auf seinen Erfasser. Er hoffte so sehr, dass das Gerät ihm anzeigen würde, dass es dem Mädchen schon so gut gehen würde, dass es außer Lebensgefahr war und Ishan sich vielleicht geirrt hatte. Aber den Gefallen tat der Erfasser ihm nicht. Er zeigte ihm nur hässliche rote Zahlen und daneben einen Text vom Interpretationsprogramm, der besagte: „Das gescannte Individuum ist in Lebensgefahr! Bitte wenden Sie sich an einen Mediziner oder schalten Sie das Anleitungsprogramm für erste Hilfe zu!“ Joran überlegte, letzteres zu tun, aber er dachte sich, dass dieses Programm ihm wohl auch nichts anderes als Ishan sagen würde und einen Mediziner, den hatte er ja schließlich schon in der Leitung.

Erneut schrillte der Alarm und ein Totenkopf wurde im Display des Erfassers sichtbar. Außerdem zählte das Gerät herunter, wie lange es voraussichtlich noch dauern würde, bis die Kleine ihren letzten Atemzug tun würde. Joran, der die ganze Zeit in Hockstellung neben dem Mädchen verbracht hatte, sprang auf und hechtete zum Mikrofon der Sprechanlage: „IDUSA, schaff mir die verdammten Eiszapfen her! Auf der Stelle!“ Er wusste, dass er keine Wahl hatte und war sehr froh, sie bald in Händen zu halten. Dann ging er damit zu Nitprin zurück und grub eine Körperöffnung nach der anderen frei, um sie mit einem Eiszapfen zu versehen. Dann deckte er sie wieder zu. „Vergib mir.“, flüsterte er dem Mädchen zu, obwohl er sicher war, dass sie ihn nicht hören würde. Dann nahm er sein Sprechgerät, das er abgelegt hatte, wieder auf. Die Verbindung mit Ishan war noch immer aktiv. „Ich habe es getan.“, sagte er verschämt. „Du hast das Richtige getan.“, versicherte der Arzt. „Ich hoffe nur, dass es noch rechtzeitig war.“ „Das hoffe ich auch.“, sagte Joran und beendete die Verbindung. Dann ging er in Richtung Tür, die ihn in die Temperaturschleuse führte.

Wie IDUSA es ihm vorgeschlagen hatte, glich sie die Temperatur der Achterkabine langsam an. Außerdem zeigte sie sich ihm über den Simulator im Raum, da Joran jetzt seinen Neurokoppler nicht aufgesetzt hatte. „Ist alles mit Ihnen in Ordnung, Joran?“, fragte der Schiffsavatar besorgt. „Warum nicht?“, fragte Joran, der wohl glaubte, sie hätte nichts von dem Gespräch zwischen Ishan und ihm mitbekommen. Da alles aber über ihre Systeme gelaufen war, wusste sie doch besser Bescheid, als er sich träumen lassen hatte. „Es geht mir prächtig, IDUSA.“, überspielte Joran den kleinen psychischen Dämpfer, den ihm das Gespräch mit Ishan verpasst hatte. „Das nehme ich Ihnen nicht ab.“, sagte das Schiff. „Schließlich dürfen Sie nicht vergessen, dass ich ganz genau weiß, worüber Sie und Ishan gesprochen haben. Das Gespräch fand schließlich über meine Systeme statt.“ „Dann hat es wohl keinen Zweck, dich zu belügen.“, sah Joran ein. „Nein, den hat es nicht.“, bestätigte IDUSA.

Hinten im Frachtraum wurden IDUSAs Sensoren auf eine Änderung der Situation aufmerksam. „Joran, unsere Patientin ist wach.“, sagte sie und zeigte ihm das Sensorenbild auf einem virtuellen Bildschirm. „Den Göttern sei Dank!“, rief der Vendar aus. „Lass mich zu ihr!“

Der Avatar nickte und das Schiff öffnete ihm erneut die Tür zum Frachtraum, nachdem sich Joran jetzt winterliche Kleidung angezogen hatte. Seine Schritte führten ihn jetzt zu der vor ihm am Boden sitzenden Breen. Auch er setzte sich hin. „Wer bist du?“, fragte Nitprin in leicht verständlichem akzentfreien Englisch. Joran war darüber sehr überrascht. Er hatte zunächst geglaubt, IDUSAs Kenntnisse in Anspruch nehmen zu müssen, damit sie ihm bei der Übersetzung der doch für die Meisten eher wie ein Nuscheln klingenden Sprache der Breen helfen würde. „Ich heiße Joran Ed Namach.“, sagte er. „Es tut mir leid, dass du nackt bist, aber es war überlebenswichtig für dich.“ „Schon OK, Joran. Ich bin Nitprin.“, sagte das Mädchen mit noch immer sehr schwacher Stimme. „Welcher Spezies gehörst du an? Ich meine, für einen Klingonen bist du …“ „Ich bin ein Vendar.“, erklärte Joran. „’n Vendar?“, versicherte sich Nitprin. „Welchem Mächtigen dienst du?“ „Ich diene niemandem.“, sagte Joran, der sehr überrascht über ihr doch wohl sehr umfangreiches Wissen war. „Ich bin ein freier Vendar! Aber ich arbeite für die Tindaraner. Zu denen bringe ich dich auch. Sie werden einige Fragen an dich haben.“ „Nur zu.“, lächelte Nitprin. „Ich habe auch einiges zu sagen, schätze ich.“ „Na dann.“, sagte Joran und ging in Richtung Tür. „Du siehst die Sprechanlage dort.“, sagte er noch zu dem Mädchen. „Ich werde im Cockpit sein. Ruf mich ruhig, wenn du etwas benötigst. Wir sind bald da.“ Die kleine Breen nickte und sah zu, wie er hinter der Tür verschwand. Erleichtert ließ sie sich wieder in den schönen kalten und für sie sehr wohltuenden Schnee zurückfallen. Sie fühlte sich sicher bei Joran. Sie wusste, er würde sie zu einem noch viel sichereren Ort bringen. Dort würde sie endlich alles loswerden können, was sie erlebt hatte. Vielleicht konnte man ihr dort auch helfen, das Erlebte zu verarbeiten.

Man hätte meinen können, die Daten des Systems hätten die Romulaner in Panik versetzt, wenn man beobachtete, was sich in diesem Moment in der Nähe des Labors abspielte, in dem Meret und Toreth arbeiteten. Es war ein schöner Sommertag gewesen und die Beiden hatten das Fenster ihres Aufenthaltsraums, in dem sie ihre Pausen verbrachten, geöffnet. Deshalb nahmen sie auch bald die lauten Geräusche wahr, die ein Convoy von Jeeps verursachte, der sich dem Gebäude von Süden näherte. Die Jeeps fuhren schnell die Straße herunter, um dann mit einigen scharfen Bremsmanövern auf dem Parkplatz des Labors zum Halten zu kommen. Zwei von ihnen parkten den Jeep von Meret und zwei den von Toreth so zu, dass es keine Chance für die Wissenschaftler geben würde, ihnen per Fahrzeug zu entkommen, wenn sie es denn vorgehabt hätten. Aber Toreth und ihr Assistent hatten ja noch nicht einmal die Spur einer Ahnung einer Idee, was hier passieren sollte. Sie sahen nur, dass es sich bei den Jeeps um große schwarze Wagen handelte, wie sie zuweilen von Geheimdiensten benutzt wurden. „Mir ist die Sache da draußen ziemlich unheimlich, Professor.“, sagte Meret und deutete auf das Geschehen vor dem Fenster. „Ich meine, warum tun die so etwas und wer ist das überhaupt? Dass sie gerade unsere Fahrzeuge eingeparkt haben, gibt mir zu denken. Aber auf der anderen Seite war ihr Tun doch so offensichtlich, dass wir sehen mussten, was hier passiert. Was soll das?“ „Das kann ich Ihnen auch nicht beantworten, Remus!“, sagte Kimara mit leicht nervösem Unterton. „Aber ich schätze mal, dass wir es noch früh genug erfahren werden.“

Wie Recht sie damit hatte, sollte sich zum gleichen Zeitpunkt vor dem Labor abzeichnen. Aus den Jeeps waren Agenten des romulanischen Geheimdienstes gestiegen. Sie waren nur als große 2-beinige Gestalten zu erkennen, weil sie sehr vermummt waren. Auch über den Gesichtern trugen sie Masken. Nur eine Person, die aus dem vordersten Jeep gestiegen war, war sehr gut zu erkennen. Es war Senatorin Talera Rakal! Sie stellte sich jetzt vor die Agenten und begann: „Wir gehen rein, Gentlemen! Aber Sie lassen mich reden! Das wird für alle das Beste sein. Der Professor und ich sind gemeinsam zur Grundschule gegangen. Ich hoffe, sie erinnert sich noch an unsere Freundschaft und vertraut mir. Es wäre mir ein Gräuel, Gewalt anwenden zu müssen gegen sie. Das Einzige, was sie mit Gewalt behandeln dürfen, ist Meilenstein! So, nun werden wir reingehen! Ich werde uns anmelden!“ Die Männer nickten ihre Anweisungen ab und folgten ihr ins Gebäude.

Toreth und ihr Assistent waren in ihr Labor zurückgekehrt und arbeiteten an einigen Berechnungen, als der Computer sie auf die Benutzung der Sprechanlage von außen aufmerksam machte. „Verbinde mit mir, Computer.“, sagte Toreth und wartete ab, bis der Rechner das Gespräch an ihre Konsole durchgestellt hatte. Sie war sehr überrascht, in das Gesicht ihrer alten Schulfreundin aus Kindertagen zu blicken. „Talera?“, fragte sie. „Was tust du hier und wer ist deine Begleitung?“ „Ich wünschte, ich müsste nicht tun, was ich tun muss.“, sagte die Senatorin traurig. „Aber die Umstände lassen mir keine Wahl. Ich muss dich warnen, Kimara. Es wird gleich ungemütlich. Du kannst aber einen großen Beitrag dazu leisten, dass es nicht ganz so schlimm für uns alle drei, also deinen Assistenten, dich und mich, wird, wenn du uns einfach einlässt.“ „Du hattest schon immer einen Hang zum Dramatischen.“, lächelte die Wissenschaftlerin und gab dem Computer auch für Talera gut hörbar den Befehl, die Tür zum Labor zu entriegeln.

Im nächsten Augenblick wurde dieses auch schon von den Geheimdienstlern gestürmt. Zwei Agenten machten sich an Meilenstein zu schaffen. Der Eine ging zum Computer und legte einen Datenkristall ins Laufwerk, der den Rechner veranlasste, einen Suchvorgang nach allen Daten zu starten, die etwas mit der Waffe zu tun hatten. Dann wurden sie gelöscht. Der andere Agent zog einen Phaser und ging damit direkt zu Meilenstein, das in einem anderen Nebenraum stand. Dann feuerte er direkt auf das Gerät. Von ihm blieben nur noch einige geschmolzene Teile von Kristallen und ein Haufen Asche übrig.

Kimara stand blass an der Tür zum Nebenraum. Sie hatte noch versucht, Meilenstein durch ihre pure Anwesenheit zu retten, indem sie sich vor das Gerät gestellt hatte. Aber der Agent, der es auch zerstört hatte, stieß sie einfach zur Seite und sagte nur: „Glauben Sie mir, Professor. Es ist besser so. Machen Sie es uns doch allen bitte nicht so schwer.“

Verwirrt sah Kimara ihre Freundin an. „Erklärst du mir vielleicht mal, was das soll, Talera?!“, fragte sie energisch. „Der Senat hat es so beschlossen angesichts der neuen Daten, die uns die Xylianer gegeben haben, Kimara. Aber keine Angst, dir wird nicht das gleiche Schicksal blühen, für dich, deinen Assistenten und mich hat der Senat eine andere Art zu sterben vorgesehen.“ Sie holte einen Picknickkorb hinter ihrem Rücken hervor. „Ich verstehe nicht, Talera.“, sagte die Wissenschaftlerin, die jetzt zusah, wie der Rest ihres Werkes der Materierückgewinnung überantwortet wurde. „Achten Sie darauf, dass kein Staubkorn übrig bleibt, Gentlemen!“, befahl Talera. „Ja, Senatorin!“, sagte der Eifrigste der Agenten schmissig.

Toreth näherte sich vorsichtig ihrer Freundin. „Talera, bitte.“, flüsterte sie in deren rechtes Ohr. „Also gut.“, seufzte die Senatorin. „Du wirst es ja ohnehin bald erfahren. Gehen wir in dein Büro! Mr. Meret sollte uns begleiten. Dann tun wir es am besten gleich dort.“

Kimara winkte ihrem Assistenten und die Frauen und er verließen den Versuchsraum, um durch eine kleine Tür in das Büro der Professorin zu gehen. Hier stellte Rakal den Picknickkorb auf dem Tisch ab, der normalerweise für Gespräche mit Besuchern reserviert war. Es war ein kleiner rotbrauner Tisch in ovaler Form in Holzoptik, der terranische Eiche emittieren sollte. Er stand auf einem großen runden Fuß, der sich in der Mitte verjüngte und nach oben hin wieder breiter wurde, um die Platte tragen zu können. Um diesen Tisch standen vier leichte Korbstühle, die Rakal lakonisch mit den Worten: „Schön hast du’s hier. Magst wohl terranische Einrichtung.“, kommentierte. Dann begann sie, den Korb auszupacken und bedeutete Kimara und Remus mit einem Fingerzeig, sich zu setzen. Ihr Blick dabei verriet, dass sie keinen Widerspruch duldete. „Was meintest du, als du sagtest, wir würden alle drei sterben, Talera?“, fragte die Professorin. „Du scheinst dir noch nicht darüber im Klaren zu sein, was die Konsequenzen der neuen Erkenntnisse sind, Kimara.“, sagte die Senatorin und sah ihre Freundin dabei streng an. „Die Xylianer haben herausgefunden, dass die Föderation sehr wohl schuldig ist, wie du weißt. Das bedeutet, Meilenstein darf auf keinen Fall in ihre Hände geraten. Deshalb werden alle Daten und auch das Gerät selbst vernichtet. Es hat sie nie gegeben, klar?! Aber auch jegliches Wissen über Meilenstein muss vernichtet werden und seine Träger mit ihm. Die Föderation hat starke telepathische Verbündete. Wenn nur jemand noch ein Fitzelchen wüsste und in deren Gefangenschaft geriete, dann … Deshalb werden wir drei das Geheimnis mit ins Grab nehmen. Du magst doch so gern alles, was von der Erde kommt, Kimara. Kennst du Schneewittchen?“ „Willst du damit sagen, diese Nahrung ist vergiftet?“, fragte Kimara angewidert. „Genau das.“, sagte Talera mit Überzeugung. „Aber wir könnten doch Meilenstein und uns Sytania anbieten.“, plädierte die Wissenschaftlerin für ihr Leben. „Ich meine, sie ist immerhin auch eine Feindin der Föderation und würde die Waffe sicher gern gegen ihren Vater …“ „Kein Risiko!“, sagte Talera streng. „Was ist, wenn auf dem Weg zu ihr etwas schief geht und Meilenstein oder wir in die Hände der Föderation oder ihrer Verbündeten gelangen? Willst du das? Aber ich weiß genau, worum es dir geht. Bist du etwa keine Patriotin? Willst du etwa nicht für Kaiserpaar und das romulanische Imperium sterben? Hängst du wirklich so sehr an deinem kleinen unbedeutenden Leben, dass du so etwas Heroisches nicht zu tun bereit bist?!“

Sie zog ein Tuch zur Seite und biss demonstrativ in eine Frucht. Dabei streifte ihr Blick Remus, der sich mit den Worten: „Du gehörst jetzt erst mal mir!“, eine große replizierte Hirschkeule genommen hatte, die er jetzt genüsslich abnagte. „Nimm dir ein Beispiel an deinem Assistenten!“, mahnte Rakal. „Der zetert nicht so herum! Sehr gut, Mr. Meret! Sie wissen wenigstens, was es heißt, ein treuer Bürger des romulanischen Imperiums zu sein! Und du, Kimara, du solltest dir das Ganze jetzt auch mal schleunigst überlegen, sonst kommt einer der Mediziner, die ich mitgebracht habe und verpasst dir das Gift per Spritze! Eure persönlichen Angelegenheiten sind längst geregelt. Verwandte habt ihr ja keine mehr und so fällt all euer Besitz ohnehin an den Staat.“ Sie schloss sich Remus an, der gemeinsam mit ihr die restliche Fleischplatte leerte.

Kimara überlegte. Sie hing an ihrem Leben, aber dann siegte doch die allgegenwärtige romulanische Erziehung über ihren Selbsterhaltungstrieb. „Lassen Sie Ihrer alten Professorin noch was übrig, Remus.“, lächelte sie ihrem Assistenten zu. „Schließlich können auch Sie und meine Freundin hier nur einmal für das Imperium sterben. Ich bin überzeugt, das Gift in einem dieser Nahrungsmittel allein wird schon ausreichen, um uns zu töten.“ „Genau.“, nickte Talera mit vollem Mund, die sich inzwischen dem Fisch zu widmen begonnen hatte. „Wir werden gleich eine gewisse Müdigkeit spüren. Dann werden wir einschlafen und nicht wieder erwachen. Um den Rest kümmern sich die Agenten. Wie schön, Kimara, dass du doch noch zur Vernunft gekommen bist. Ich mag keine Gewalt gegen Freunde.“ „Was tut man nicht alles für den Staat.“, sagte die Professorin und bediente sich ebenfalls an dem von ihrer Freundin mitgebrachten Picknick.

Kapitel 22: Ankunft eines „Eisbrechers“

von Visitor

 

Über Little Federation war ein neuer Tag angebrochen, als Sedrin ihren weinroten Jeep zum Raumflughafen der Stadt Washington lenkte. Ihr Freund hatte sich angekündigt. Er würde den Nachtliner von Demeta nehmen. Sedrin wusste, dass es dann nicht mehr lange dauern würde, bis er ankäme. Wie sie ihn kannte, würde er gleich zur Arbeit schreiten wollen. Das war ja auch sehr wichtig, wenn man bedachte, was Yara unter Umständen gesehen haben könnte. Ihre Erinnerungen würden jetzt noch sehr frisch sein. Da Tiere ja im Allgemeinen im Hier und Jetzt leben und kein Denken in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wie wir kennen, müsste ihre „Vernehmung“ auch so schnell wie möglich über die Bühne gehen.

 

Die Demetanerin stellte den Jeep auf dem Parkplatz ab und ging in Richtung der Ankunftshalle. Hier war alles noch fast wie ausgestorben, was kein Wunder war, wenn man die frühe Zeit – es war immerhin erst sechs Uhr morgens – betrachtete. Nur vereinzelt saßen Mitarbeiter hinter Schaltern und regelten Buchungen für gemietete Jeeps oder etwas Ähnliches. Ihr Weg führte sie in Richtung der Gepäckbänder. Sie wusste, dass ihr Freund sicher einiges mitbringen würde. Er hatte ja schon Andeutungen gemacht.

Mit geschärftem Blick hielt die Agentin, die sich Personenbeschreibungen schon aus beruflichen Gründen gut einprägen konnte, nach dem Mann Ausschau. Sie und Tymoron hatten verabredet, dass er genau das Gleiche tragen sollte wie bei ihrem Gespräch auch, damit sie ihn besser erkennen würde. Außerdem wanderte ihr Blick ab und zu zur Tafel, auf der sie die Ankündigung der Landungen verfolgen konnte. Sonderflüge wie der Nachtliner wurden ohnehin noch zusätzlich durch einen Gong angekündigt, den Sedrin auch bald hörte. Jetzt richtete sie ihre Augen nur noch starr auf das Gepäckband. Irgendwann würde er ja kommen und seine Koffer abholen. Diese waren es auch, die ihr als Erstes auffielen. Etwa zehn gleichfarbige Koffer mit gleicher Aufschrift wurden durch das Band heran geschoben. Dann folgte ihnen ein älterer Demetaner mit schlanker sportlicher Figur zu Fuß, der in blaue Jeans, ein rotes Hemd und rote Schuhe gekleidet war. Er ging mit jedem Koffer einzeln zur Plattform für den Transporter, der die Koffer sofort in einen Jeep auf dem Parkplatz beamen konnte. Die Anfrage nach Hilfe, die ihm die zuständige Mitarbeiterin, eine blonde Terranerin von kleinem Wuchs und zierlicher Statur stellte, lehnte er höflich aber bestimmt ab. Du wolltest schon immer alles allein machen, Tymoron., dachte Sedrin, die ihn längst erkannt hatte.

„Werden Sie abgeholt?“, fragte die Flughafenangestellte. Tymoron nickte. „Dann nennen Sie mir doch bitte das Kennzeichen des Fahrzeugs, mit dem Sie abgeholt werden.“, erläuterte sie die Arbeitsweise der von ihr bedienten Geräte. „Der Transporter kann danach suchen, wenn es schon auf dem Parkplatz ist.“

Sedrin drängte sich nach vorn und übernahm den Rest. „Das Kennzeichen lautet LF- SH 3035.“, sagte sie. „Es ist mein Fahrzeug.“ „Danke, Mrs.“, sagte die junge Frau mit ihrer hellen etwas piepsigen Stimme und gab die Buchstaben- und Zahlenkombination in das Suchfeld ein. „Er hat es gefunden.“, sagte sie dann und ließ die Koffer genau in den Kofferraum beamen, was Sedrin und Tymoron am Bildschirm verfolgten.

„Immer gleich da, wenn man gebraucht wird.“, lächelte Tymoron. „Da ist so etwas wie eine Begrüßung doch glatt Nebensache.“ „Entschuldige.“, sagte Sedrin ruhig. „Hi.“ „Schon besser.“, lobte Tymoron. „Aber ich denke, wir sollten uns jetzt so schnell wie möglich zu unserer Patientin begeben. Auspacken kann ich immer noch später. Außerdem enthalten fast alle meine Koffer Werkzeug, das wir brauchen werden.“ „Und du bist immer noch der gleiche arbeitsame Streber, als den ich dich in Erinnerung habe. Aber wenn du drauf bestehst.“ Sie winkte und er folgte ihr.

Sie verließen den Raumflughafen durch die Drehtür. Dann standen sie auch bald vor dem Jeep. „Nettes Kennzeichen.“, stellte Tymoron fest und deutete auf den kleinen Bildschirm an der Vorderseite des Fahrzeugs, auf dem der von Sedrin genannte Schriftzug zu sehen war. „Ich nehme an, die Jahreszahl symbolisiert euer Hochzeitsjahr. Das Erste sind die Kennbuchstaben von Little Federation und das in der Mitte deine neuen Initialen.“ Sedrin nickte. „Du sprichst mich doch sicher nicht umsonst darauf an.“, sagte sie dann. „Ich komme immer noch nicht über die Tatsache hinweg, dass du einen Terraner geheiratet hast.“, sagte Tymoron. „Und dann war er auch noch dein vorgesetzter Offizier. Was hat er gemacht, um dich dazu zu bringen. Hat er es dir befohlen?“ „Nein.“, lächelte Sedrin. „Wir haben uns ganz normal ineinander verliebt.“ „Nicht zu fassen!“, staunte Tymoron. „Dabei haben dich die terranischen Jungs doch früher immer so genervt mit ihrem ständigen Posen und ihrem eingebildeten Gehabe!“ „Jaden war nichts davon.“, stellte Sedrin fest. „Um ehrlich zu sein, war er ein kleiner Tollpatsch, den man an die Hand nehmen musste.“ „Ah, ein Helfersyndrom.“, scherzte Tymoron, während er auf der Beifahrerseite des Jeeps einstieg. „Zu Anfang.“, sagte Sedrin, während sie das Fahrzeug in Bewegung setzte. „Waren ihm meine Erinnerungen an bestimmte Dinge oft ziemlich zuwider und er hat mich mit T’Pol verglichen, die Archer ja auch oft wieder auf den richtigen Weg gebracht hat. Aber unsere Ingenieurin hat es schon immer gewusst. Sie hatte wohl von Anfang an ein Näschen dafür. Was sich liebt, das neckt sich. Tressa weiß nicht, dass ich weiß, dass sie mit ihrem Assistenten des Öfteren darüber gescherzt hat und ich wäre dankbar, wenn es so bliebe!“ „Keine Angst.“, tröstete Tymoron. „Ich kenne deine Techniker Tressa ja gar nicht. Also komme ich auch nicht in Versuchung, ihr irgendwas zu verraten.“

Sie bogen vom Highway auf jene Landstraße ab, die zum Tierheim von Little Federation, das etwas außerhalb lag, führte. „Wir sind bald da, Tymoron.“, sagte Sedrin. „Wirst du noch Helfer benötigen?“ „Kommt auf die Situation an, die sich mir bietet.“, sagte Tymoron. „Ich werde mich wohl erst einmal mit Yara bekannt machen. Das Tier bestimmt das Tempo, in dem wir arbeiten. Mal sehen, wie weit wir heute kommen.“ „OK.“, sagte Sedrin und stellte das Fahrzeug auf dem Parkplatz vor dem Tierheim ab. „Dann komm mit.“ Beide stiegen aus.

Dass sich noch jemand auf dem Gelände befinden würde, ahnten die beiden Demetaner nicht, denn sie hatten noch keinen weiteren Jeep gesehen. Der Grund dafür war, dass jene weitere Person zwar motorisiert angekommen war, sich aber eigentlich nur von ihrem Mann auf dem Weg zur Arbeit vorbeibringen lassen hatte. Sie wollte Yara, mit der sie bereits eine tiefe freundschaftliche Beziehung verband, einen der üblich gewordenen Besuche abstatten, bei denen sie mit ihr spielte und ihr meistens ein dickes repliziertes Putenschnitzel mitbrachte. Später, wenn es Zeit wäre, würde Tchey zu Fuß zur nicht sehr weit vom Tierheim entfernten Einsatzzentrale des Rettungsshuttles gehen. Sie fand, dass ein Spaziergang am Morgen nicht verkehrt war. Außerdem hielt sie das ihrer Meinung nach fit. Um Yaras Fitness zu erhalten, hatte sich die Reptiloide ein Spiel überlegt, bei dem - wie sollte es anders sein - ein Flugobjekt eine große Rolle spielen sollte. Es handelte sich um ein ferngesteuertes Modellraumschiff, wie sie in jedem guten Spielwarenladen zu haben waren. Unten an diesem Schiff hatte ihr Ehemann eine kleine Kiste angebracht, in der sich immer ein Stück des von Yara so sehr geliebten Putenschnitzels befand. Das füllte Tchey jedes Mal nach, wenn Yara die Beute so zu sagen zur Strecke gebracht hatte, um das Schiff dann wieder per Fernbedienung starten und einige Manöver kurz über dem Boden vollführen zu lassen. Ab und an ließ sie es aber auch mal höher steigen, um Yara zum Springen zu animieren. Dies wurde von ihr stets mit dem Kommando: „Yara, hopp!“, angekündigt. Bei der ganzen Aktion hatte Tchey aber auch bemerkt, dass nicht nur Yara gefordert wurde, sondern dass auch sie sich ständig neue Manöver ausdenken musste. Als geübte Pilotin hatte sie damit aber nicht wirklich ein Problem. „Du forderst mich ganz schön, Süße!“, lächelte Tchey, der auffiel, dass die demetanische Wollkatze offensichtlich ein Talent zum Voraussehen ihrer Aktionen besaß.

Von hinten hatte sich ihr jemand genähert, den Tchey nicht sehen konnte, weil sie mit dem Spiel völlig beschäftigt war. Erst dann, als sie von der Person angesprochen wurde – und das auf eine unverwechselbare Art – konnte sie sich denken, wer das war. „Die quadropode Lebensform scheint zu Ihnen eine Affinität entwickelt zu haben.“, sagte jene Gestalt, die Tchey zuerst nur aus dem Augenwinkel ihres rechten Sehorgans wahrgenommen hatte. Erst jetzt hob sie den Kopf von der Fernbedienung, auf der sie das nächste Manöver programmiert hatte und drehte ihn in die Richtung, aus der dieser Satz gekommen war. „D/4!“, rief sie erstaunt aus. „Was tun Sie denn hier? Konnten Sie nicht regenerieren?“ „Meine Regeneration verlief in korrekten Parametern.“, versicherte die Sonde. „Ich habe sie nur mit Absicht einwenig verlegt, um mehr Freizeit mit einer meiner besten Arbeitskolleginnen verbringen zu können. Schließlich weiß ich, dass Sie um diese Zeit meistens hier sind.“

Tchey musste sich setzen. Mit so einer Reaktion der Sonde hatte sie nicht gerechnet. Auch die Fernbedienung für das Modellschiff landete langsam aber sicher auf einem der Pfähle, die den Zaun des Zwingers, in dem sich Yara befand, an seinem Platz hielten. „Ihre medizinischen Werte zeigen mir, dass Sie verwirrt sind.“, stellte die Sonde fest. „Das stimmt.“, gab Tchey - die sonst immer so coole und unerschütterliche Tchey - unumwunden zu. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich Ihnen so viel bedeute, dass Sie für mich sogar Ihre Regenerationszeit verändern. Das haut mich echt voll aus den Socken, D/4!“ „Wenn Sie das schon aus den Socken haut.“, sagte die Sonde. „Dann möchte ich nicht wissen, wie Sie auf Mr. Jelquists Heiratsantrag reagiert haben. Ich schätze, danach musste man Sie wiederbeleben.“ Tchey grinste und sogar die Lippen der Sonde verformten sich entsprechend. „Was war das denn?“, fragte die Reptiloide irritiert. „Haben Sie eben gegrinst?“ „Das ist korrekt.“, antwortete D/4.

Sie sah sich um und ihr Blick fiel auf die Fernbedienung und das sich in Tcheys Hand befindende Schiffchen. „Was tun Sie damit?“, fragte sie. „Ich spiele mit Yara.“, erwiderte Tchey. „Welcher Art sind die Spiele?“, fragte D/4. „Ich zeige es Ihnen.“, sagte Tchey und ging innerhalb des Radius der Fernbedienung ein Stück weit vom Gehege fort. Dann rief sie: „Yara, auf deinen Posten!“ Die demetanische Wollkatze sprang folgsam auf den künstlichen Felsen, der ihr auch als Werkzeug zum Schärfen ihrer Krallen diente. Dann begab sie sich in Hockstellung, was ihr ermöglichte, jederzeit abzuspringen. Ihre Vorderbeine waren durchgedrückt und gerade, ihre Hinterbeine leicht eingeknickt und jeder Muskel ihres Körpers war angespannt. Ihr Schwanz peitschte vor freudiger Erregung hin und her. Ihre Augen waren starr auf das Schiff gerichtet, ihre Ohren gespitzt. Sie gab keinen Laut von sich. „Und aufgepasst!“, rief Tchey und startete den Antrieb des Schiffchens. Dann drehte sie ihre Hand so, dass sie als Startrampe dienen konnte und ließ es los fliegen. Yaras aufmerksamen Augen war das nicht entgangen. Sie sprang vom Felsen und versuchte, dass Schiffchen noch im Flug zu fangen, was ihr dieses Mal auch gelang, da Tchey den Antrieb mitten im Flug deaktiviert hatte. Dann gab sie ein lautes und siegessicheres Fauchen von sich. „Fein! Ich komme schon.“, sagte Tchey. Dann zog sie einen Datenkristall aus der Tasche und ging um das Gehege herum zu dessen Tür. Hier steckte sie den Kristall in ein Laufwerk. „Autorisationskristall akzeptiert.“, sagte eine Rechnerstimme und das Schloss wurde entsichert. Dann betrat sie den Zwinger. Yara saß vor dem Schiff. Hier wartete sie, bis Tchey die kleine Kiste geöffnet hatte. Dann ließ sie sich das Stückchen Fleisch schmecken. Tchey nahm das Schiff mit und ging wieder hinaus. Nachdem sie das Gehege verlassen und den Datenkristall entfernt hatte, schloss auch der Schließmechanismus wieder.

D/4 hatte das Geschehen erstaunt beobachtet. „Warum besitzen Sie einen Datenkristall, der Ihnen den Zutritt zu einem dieser Zwinger ermöglicht?“, wollte die Sonde wissen. „Weil Lasse und ich ’n paar verdammt heiße Anwärter auf Yaras neue Familie sind.“, antwortete Tchey. „Ich habe mir auch schon ’ne Menge Wissen angeeignet.“ „Bestätigt.“, sagte die Sonde. „Sonst hätten Sie ja bestimmt nicht gewusst, dass demetanische Wollkatzen bereit sind, unter gewissen Umständen ihre Beute einzutauschen.“ „Oder, dass sie halt einfach bequem genug sind, sie herzugeben, wenn es ihnen einen Vorteil bringt.“, brillierte Tchey. „Yara weiß, dass es gut für sie ist, wenn sie wartet, bis ich die Büchse geknackt habe.“ „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich so sehr engagieren.“, sagte die Xylianerin. „Warum nicht?“, fragte Tchey. „Sie wissen doch. Wenn ich etwas wirklich will, dann …“ „Dieser Wesenszug ist mir von Ihnen sehr wohl bekannt.“, sagte die Sonde.

Die Frauen wurden auf einen sich langsam nähernden silberfarbenen Jeep aufmerksam. „Es sieht aus, als würden wir Besuch bekommen.“, sagte die Sonde. „Wer kann das sein?“, fragte Tchey. „Unbekannt.“, sagte D/4.

Wenig später wurde das Fahrzeug auf dem Parkplatz abgestellt und jemand näherte sich dem Gelände. Er hatte eine Tasche dabei. Erst beim Näher kommen wurde klar, um wen es sich handelte. „Agent Peters.“, erkannte die Sonde, die erst kürzlich bei ihm eine Aussage gemacht hatte. „Genau, D/4.“, sagte der Agent. „Aber ich frage mich, was Sie und Tchey hier tun.“ „Ich habe mit Yara gespielt.“, antwortete die Reptiloide. „Und ich habe ihr Gesellschaft geleistet.“, fügte die Sonde bei. Dann fiel ihr Blick auf die Tasche. Ihre Sensoren hatten schnell den Inhalt erfasst. „Warum tragen Sie fremde getragene Kleidung mit sich herum?“, fragte sie den Agenten verwundert. „Diese Wäsche gehört unserem Verdächtigen Nummer eins.“, sagte der Terraner deutscher Herkunft. „Da Gefahr im Verzug ist, habe ich sie aus seinem Haus besorgen können und dürfen. Sedrin und der Verhaltenstrainer brauchen sie, damit Yara ihn gegebenenfalls besser und leichter identifizieren kann. Ich habe heute Nacht noch eine Mail von ihr bekommen, in der sie ihn und sich angekündigt hat. Ist sie schon hier?“

„Das bin ich, Karl!“ Eine Stimme aus dem Hintergrund hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er drehte sich um und sah in das konzentriert dreinschauende Gesicht seiner demetanischen Partnerin. „Hi, Sedrin.“, sagte er. „Und das ist dann wohl unser Experte.“ Er deutete auf Tymoron. „Mein Name ist Tymoron.“, stellte sich dieser vor. „Ach, wer sind denn die zwei reizenden Ladies?“ Damit zeigte er auf D/4 und Tchey. „Ich bin Tchey Neran-Jelquist.“, stellte sich selbige vor. „Ich bin die feste Pilotin des Rettungsshuttles. Das ist Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe. Sie können sie D/4 nennen. Sie ist unsere Bereitschaftsärztin.“ „Na, es wird schon nicht so schlimm werden, dass wir die Rettung benötigen.“, lächelte Tymoron. „Ich fürchte, dass es hier ein Missverständnis gegeben hat.“, klärte die Sonde auf. „Tcheys und mein Interesse an Yara ist rein privater Natur. Aber falls es notwendig sein sollte, wären wir bereit, Ihnen bei ihren Experimenten zu assistieren.“ „So kann man auch umschreiben und tarnen, dass man neugierig ist, D/4.“, flapste Tchey. „Warum sollte ich zu so einem reizenden Angebot nein sagen.“, sagte Tymoron. „Also gut. Sie sind hiermit eingestellt. Aber heute werde ich mich Yara sowieso erst einmal vorstellen. Sedrin, wir sollten zunächst einen Tierpfleger aufsuchen, der Yara kennt und uns mit ihm beraten.“ „OK.“, nickte die Agentin und beide drehten sich Richtung Bürogebäude.

D/4 hatte beobachtet, wie sie um die nächste Ecke verschwunden waren. Dann drehte sie sich zu Agent Peters um und sagte: „Ihre Ausführungen sind inkorrekt.“ „Was meinen Sie damit?“, sagte der Agent. „Ich meine, dass die Gefahr nicht nur im Verzug, sondern schon eminent ist. Sie können gegenüber Tchey und mir ruhig ehrlich sein. Ich weiß, dass Sie es gegenüber einem Zivilisten vielleicht nicht dürfen, aber Tchey ist eine ausgebildete Offizierin der Sternenflotte.“, referierte die Sonde. „Das stimmt.“, sagte Peters. „Aber es gibt hier einen unbedarften Zivilisten, nämlich Mr. Tymoron.“ „So unbedarft ist er sicher nicht.“, erwiderte die Sonde. „Er weiß bestimmt mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Ihre Partnerin wird ihm sicher die notwendigen Daten übergeben haben.“ „Das denke ich auch.“, überlegte Peters. „Aber manchmal kann ich nicht anders. Wenn etwas wie ein Zivilist aussieht, dann ist es einer für mich und ich spule das in der Agentenschule gelernte Verhalten einfach ab, ohne auf eventuelle Abweichungen zu achten.“ „Dieses Verhalten ist kurzsichtig!“, urteilte die Sonde. „Mag sein.“, sagte Peters. „Aber ich kann leider nicht aus meiner Haut. Ich bin Deutscher. Vielleicht wissen Sie das nicht, aber mein Menschenschlag ist dafür bekannt und berühmt, sich extrem stark an Vorschriften und Regeln zu halten. Manchmal vielleicht auch etwas zu stark und dann ist uns genau dieses Verhalten im Weg. Reichlich ineffizient, was?“ „Bestätigt.“, sagte D/4. „Das ist ineffizient. Aber ich weiß, dass Ihr Volk auch in gewissen anderen Dingen wiederum sehr effizient sein kann. Beispielsweise werden Sie als gute Handwerker gehandelt und Sie achten bei Ihrer Arbeit sehr auf Qualität, was wiederum sehr effizient ist. Ich denke, es kommt immer auf die Situation an. Ihre Partnerin und Mr. Tymoron werden Ihnen diesen kleinen Lapsus sicher verzeihen, wenn ich die Daten zugrunde lege, die ich über das Verhalten des demetanischen Agent sammeln konnte. Sie kann sicher auch nicht aus ihrer Haut. Demetanerinnen sind dem System als sehr verständnisvoll bekannt. Aber wir wissen auch, dass sie eine Bioeinheit ist, die sich auch komplett entgegen jeder mathematischen Wahrscheinlichkeit verhalten kann.“ „Sind Sie online?“, fragte Peters irritiert ob ihrer letzten Sätze. „Hören Ihre Leute uns etwa jetzt zu?“ „Negativ.“, sagte die Sonde. „Was ich Ihnen mitteilte, ist reines allgemeines Wissen des Systems.“ „Ach so.“, atmete Peters auf. „Und ich dachte schon.“ „Dass Sie mich gefragt haben, ob ich online sei, zeugt aber doch von einem gewissen Bildungsstand über uns Xylianer, den Sie zweifelsfrei besitzen.“ „Das stimmt.“, sagte der Agent. „Ich weiß, dass Sie im Gegensatz zu den Borg auch völlig selbstständig operieren können, ohne an irgendwelchen Folgen zu leiden. Sie können sich vernetzen, müssen es aber nicht.“ „Das ist korrekt.“, lobte die Sonde.

Die Demetaner hatten das Bürogebäude des Tierheims betreten und sich am Empfang gleich den Weg in die Chefetage erklären lassen. Tymoron wollte direkt mit der Leitung sprechen, denn dort würde man ihm am besten sagen können, wer von den Tierpflegern geeignet sein würde, bei den Experimenten um Yara und ihre „Aussage“ mitzumachen. Jetzt gingen sie einen langen Gang entlang, der rechts und links von Wandteppichen mit Tiermotiven gesäumt war. Der Flur selbst war mit einem weichen braunen Teppich ausgelegt. Am Ende des Ganges kamen sie zu einer Tür, über der sich ein Schild mit der Aufschrift Besprechungszimmer befand. Hier, so hatte man ihnen am Empfang berichtet, würden sich alle aufhalten, die wichtig wären.

Gerade hatte Sedrin überlegt, ob sie die Sprechanlage betätigen sollte, als sich die Tür des Raumes öffnete und eine kleine zierliche Gestalt mit blonden langen Haaren und einem blauen wallenden Kleid diesen verließ, um in ihre Richtung zu gehen. „Sie müssen der vom Geheimdienst angekündigte Verhaltenstrainer sein.“, wendete sie sich sogleich an Tymoron. „Und Sie sind sicher Agent Sedrin Taleris-Huxley.“ Die Demetaner nickten. „Kommen Sie doch mit.“, sagte die Frau mit ihrer lieben hohen Stimme. „Wir reden auch gerade über Yara. Dann können Sie gleich sicher noch einiges erfahren, Mr. Tymoron.“ „Ja, ja.“, nickte der Demetaner hurtig und bedeutete Sedrin, ihm zu folgen, aber mit ihm einige Schritte hinter der Frau zu bleiben. Dann raunte er ihr etwas auf Demetanisch zu, was ungefähr die Bedeutung von: „Sie ist sicher Telepathin.“, hatte. „Wenn die mit Yara arbeiten soll, sehe ich schwarz. Ich denke, ich sollte mich hier einmischen, um das Schlimmste noch zu verhindern. Immerhin ist Yara keine Hauskatze, sondern ein 70 kg schweres Tier, das, wenn es will, sehr gefährlich werden kann. Ihr Frauchen wurde ihr durch einen Telepathen genommen. Das Trauma hat sie bestimmt noch nicht verarbeitet und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Wollkatzen Telepathie spüren können.“ Auf all seine Sätze nickte Sedrin nur bestätigend.

Sie waren in dem mit gemütlichen Sofas, Sesseln und kleinen Tischen ausgestatteten Zimmer angekommen. Die Fremde führte sie zu zwei Sesseln. Dann sagte sie zu der platonischen Tierheimleiterin: „Mrs. Deria, sie sind jetzt hier.“ „Sehr gut, Inat.“, sagte diese. „Vielleicht kann uns ja dann Mr. Tymoron gleich die Frage beantworten, warum Yara Ihnen gegenüber so skeptisch ist und Sie nur auf Entfernung toleriert.“ „Ich denke, das kann ich wirklich!“, brachte sich der Demetaner ein. „Inat ist kein terranischer Name, ist mir aufgefallen. Ist einer Ihrer Elternteile unter Umständen telepathisch?“ „Mein Vater ist Olianer.“, sagte die junge Frau. „Ach, Sie meinen …“ „Genau.“, sagte Tymoron. „Also, es wäre wohl besser, wenn ein Nicht-Telepath mit Yara arbeitet. Da wird sich doch unter Ihren Leuten sicher jemand finden, Mrs. Deria, oder?“ „Ach, aber natürlich.“, sagte die Tierheimleiterin und schlug verschämt die Hände über dem Kopf zusammen. „Dass die Lösung so einfach ist. Vielen Dank, Mr. Tymoron! So heißen Sie doch.“ „Ja, das ist richtig.“, sagte der Demetaner freundlich und zog ein Tuch aus der Tasche, das er Inat übergab. „Halten Sie das bitte für ca. 30 Sekunden in der Hand!“, instruierte er sie. „Dann wird es Ihre geistige Prägung aufnehmen. Wir werden Yara damit konfrontieren müssen, um eine fundierte Aussage zu bekommen, wenn man so will.“ „OK.“, sagte Inat. „Übrigens, ich heiße Inat Williams und bin hier eigentlich immer für die schwierigeren Fälle eingeteilt gewesen. Aber in diesem Fall geht das wohl nicht.“ „Nein!“, sagte der Demetaner überzeugt und nahm ihr nach Ablauf der Frist das Tuch wieder ab, um es in ein ebenfalls mitgebrachtes energiedichtes Röhrchen zu stecken.

„Ich wäre gern bei den Experimenten mit Yara anwesend.“, äußerte die Tierheimleiterin eine Bitte. „Ich meine, ich habe so etwas noch nie gesehen.“ „Wenn Sie es zeitlich einrichten können.“, sagte Tymoron und deutete an, den Raum verlassen zu wollen. „Aber ich werde mich Yara heute sowieso erst mal nur vorstellen.“ „Wie ich die Kleine einschätze.“, sagte Deria. „Könnte sie aber heute vielleicht schon mehr wollen.“ „Auch gut.“, sagte Tymoron. „Aber das bleibt es ja erst mal abzuwarten. Trotzdem können Sie gern mitkommen.“ „In Ordnung.“, sagte Deria, übergab ihrem Stellvertreter noch die Leitung der Konferenz und ging dann mit Sedrin und Tymoron hinaus.

D/4, Peters und Tchey sahen sie bald um die nächste Ecke biegen. „Ah, da seid ihr ja wieder.“, sagte der deutschstämmige Agent. Dann viel sein Blick auf die beide Demetaner begleitende Platonierin. „Deria, was machst du denn dabei?“ „Ich wollte einfach mal mit ansehen, was mit unserem traumatisierten Sorgenkind aufgestellt wird, Schatz.“, lächelte die Angesprochene. „Ich wusste gar nicht, dass ihr zusammen seid.“, schob Sedrin ein. „Du darfst vielleicht alles essen, aber nicht alles wissen, meine liebe Kollegin.“, neckte Peters. „Ihre Daten sind inkorrekt.“, gab D/4 ihren Kommentar ab. „Der Agent darf auch nicht alles essen. Sie leidet unter der Replikatorkrankheit.“ „Das war ja auch nicht so wörtlich gemeint, D/4.“, sagte Sedrin.

Tymoron räusperte sich. „Ich finde, wir sollten jetzt endlich zur Tat schreiten. Schließlich haben Sie mich ja sicher nicht umsonst hergeholt.“ „Nein!“, sagte Sedrin energisch. „Wie willst du jetzt vorgehen?“ „Ich werde mich zunächst in einem Winkel zum Zaun verstecken, in dem Yara mich nicht sehen, aber gut hören kann. Dann werde ich sie rufen und ihre Reaktion beobachten.“ „In Ordnung.“, sagte Sedrin und begann, mit ihm gemeinsam nach einem Versteck zu suchen. Schließlich fiel ihre gemeinsame Wahl auf ein Gebüsch in der Nähe. Tymoron begab sich dort hin. Dann rief er: „Yara, komm her!“

Die demetanische Wollkatze lauschte, aus welcher Richtung der Ruf gekommen war. Dann schlich sie in geduckter Haltung in Richtung Zaun. Ihre Augen waren mit starrem Blick in Richtung Stimme gerichtet. Ihr Fell war gesträubt, ihre spitzen Ohren verrieten hohe Aufmerksamkeit. Ihr Schwanz war durch das Aufstellen ihrer Haare leicht angeschwollen. Ihr Fang war leicht geöffnet und sie hechelte, was auf Stress hinwies. Trotzdem gab sie ein auf einer höheren Frequenz angesiedeltes Schnurren von sich. Die einzelnen Laute waren außerdem sehr kurz, was wohl auch mit ihrer schnelleren Atmung zusammenhing. „Ich glaube, sie fühlt sich mit Ihnen sehr wohl, Mr. Tymoron!“, rief Peters dem immer noch im Gebüsch wartenden Verhaltenstrainer zu. „Da irren Sie sich gewaltig!“, gab der Demetaner zurück und verließ sein Versteck. Dann stellte er sich neben den ob seiner Antwort sichtlich verwirrten Agenten und erklärte: „Den Fehler machen aber die Meisten. Wenn ein katzenartiges Wesen schnurrt, dann meinen sie, es fühlt sich grundsätzlich wohl. Das ist aber nicht immer der Fall. Man muss immer das Gesamtpaket des Verhaltens sehen. Sehen Sie Yaras Schwanz? Er ist angeschwollen und peitscht. Wenn sie sich freuen würde, wäre er hoch aufgerichtet, normal dünn und würde sich nicht bewegen. Ihr Nackenfell ist außerdem gesträubt und ihre Gesichtsmimik verrät Anspannung. Wenn ich jetzt ihre Fluchtdistanz verletzen würde, würde sie mich mit Sicherheit angreifen!“ Sein Vortrag hatte bei Karl zu einem Aha-Erlebnis geführt. „Und ich dachte immer …“, sagte er. „Ja, Sie dachten.“, sagte Tymoron. „Aber jetzt sind Sie hoffentlich eines Besseren belehrt.“ „Aber was bedeutet dann das Schnurren?“, fragte Peters. „Das ist ein Beschwichtigungsverhalten!“, erklärte Tymoron. „Sie sagt: Tu mir nichts. Komm nicht näher. Dann tue ich dir auch nichts.“ „Das heißt, dass sie eigentlich Angst hat.“, erkannte der Agent. „Sehr richtig.“, lobte der Tiertrainer. „Aber das heißt ja, dass wir schon mitten in der Arbeit sind.“, mischte sich Sedrin ein. „Ich meine, sie hat dich nicht gesehen, Tymoron. Sie hat nur deine Stimme gehört und reagiert gleich mit Angst und Angriffsbereitschaft, obwohl sie dich gar nicht kennt. Das bestätigt mir, dass ihr Trauma durch ein männliches Wesen verursacht wurde.“ „Richtig.“, nickte Tymoron begeistert. „Die junge Dame scheint ein sehr großes Arbeitstempo vorzulegen.“, stellte Sedrin fest, die noch gut ihr Gespräch aus dem Jeep in Erinnerung hatte.

Tymoron sah sich unter den Umstehenden um. Dann ging er zu Tchey hinüber. „Es scheint, als würde ich jemanden brauchen, die Yara erklärt, dass ich harmlos bin, obwohl ich ein Mann bin. Sie haben doch eine so gute Beziehung zu ihr. Wie wäre es, wenn Sie mich vorstellen?“ „OK.“, lächelte die Reptiloide, die noch nicht genau wusste, was sie erwarten sollte. „Was muss ich tun?“ „Wir gehen zusammen am Zaun in Yaras Sichtweite entlang.“, erklärte der Demetaner. „Aber ich werde Ihre Hand halten müssen, damit sich unsere Gerüche vermischen. Wenn ich es Ihnen sage, geben Sie Yara Ihre Hand zum riechen, mit der Sie vorher die Meine gehalten haben.“ „In Ordnung.“, lächelte Tchey. „Das bedeutet also, dass ich zwischen Ihnen und Yara gehe.“ „Genau.“, sagte Tymoron und nahm sie bei ihrer linken Hand. Dann gingen sie einfach nur wie zwei Spaziergänger um das Gehege herum. Yara beobachtete jeden Schritt. Sie fragte sich wohl gerade, was der seltsame Fremde mit ihrer Bezugsperson zu schaffen hatte. „Bleiben Sie ganz locker und entspannt.“, sagte Tymoron. „Wir wollen mich ja schließlich als das Normalste der Welt vorstellen. Wenn Sie so tun, als wäre ich etwas Besonderes, verstärken wir Yaras Angstverhalten unter Umständen noch.“ „Ist geritzt.“, flapste Tchey und entspannte sich merklich.

Auch Tymoron hatte Yara nicht wirklich aus den Augen gelassen. Er sah jetzt, wie sich ihr vorher gesträubtes Fell immer weiter legte, bis es wieder normal an der Haut anlag. Auch ihr Schwanz wurde wieder dünner und bewegte sich immer langsamer, bis er schließlich ganz zum Stillstand kam und sogar herunterhing. „Jetzt hat sie sich auch entspannt.“, übersetzte Tymoron. „Sie hat gelernt, dass ich ihr wohl doch nichts tue. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um dies noch zu bestätigen. Wenn Sie ihr jetzt die Hand unter die Nase halten, an der Sie mich vorher gehalten haben, dann riecht sie, dass wir zu ein und derselben Gruppe gehören, ich also auch nichts Böses von ihr wollen kann, wenn Sie mich akzeptieren. Wollkatzen sind weder echte Einzelgänger, noch echte Rudeltiere. Sie tolerieren eine Art Familienverband, der meistens nur aus weniger als fünf Tieren besteht.“ „Mit Yara wären wir aber schon drei.“, begriff Tchey. „Das stimmt.“, sagte Tymoron.

Die Reptiloide blieb stehen und zog ihre Hand aus der Tymorons. Dann schnippte sie mit den Fingern und rief: „Yara!“ Die demetanische Wollkatze ging zu ihr hinüber und schnupperte aufgeregt durch den Zaun an ihrer Hand. Ihr vorher so ruhiger Schwanz wippte leicht. Das konnte Tchey sehen. Auch ihre Atmung war noch immer sehr schnell, was gut durch die hohen kurzen Schnurrlaute, die sie in schmeichlerischer Absicht von sich gab, zu hören war. „Ruhig, Süße.“, sagte Tchey. „Er will dir nichts tun. Er ist ein ganz lieber.“ Dabei war ihre Stimme betont leise und freundlich. „Sehr gut.“, lobte Tymoron. „Obwohl ich Sie eigentlich nicht als eine so sensible Person eingeschätzt hätte.“ „Was soll das heißen?!“, fragte Tchey empört. „Nun ja.“, sagte der Demetaner. „Sie genießen einen gewissen Ruf. Sie gelten als etwas burschikos und vielleicht auch als etwas rebellisch und verantwortungslos, wenn ich ehrlich sein soll. Man vergleicht Sie des Öfteren mit Thomas Eugene Paris.“ „Na ja.“, sagte Tchey. „Auch den hat man verkannt.“ „Das ist wohl wahr.“, sagte Tymoron und setzte einen Blick auf, als wollte er sich bei ihr entschuldigen. „Immerhin hat die Stadt Sie als Pilotin für das Rettungsshuttle eingestellt, was ja ein sehr verantwortungsvoller Posten ist und das hätten sie sicher nicht einfach so getan.“ „Das glaube ich auch.“, sagte Tchey. „So ein starker Arbeitskräftemangel herrscht schließlich nicht, dass sie nehmen müssen, wer sich ihnen gerade anbietet und ich war definitiv damals nicht die einzige Bewerberin auf den Job.“

Ihre entspannte Plauderei hatte dafür gesorgt, dass sich Yara mitten im Gehege hingesetzt und mit der Körperpflege begonnen hatte. Das hieß, sie hatte ihren Kopf gesenkt, sich hingesetzt und ihre Augen von jeglichem Geschehen abgewendet. So hätte sie auf keinen Fall einer potentiellen Gefahr begegnen können, was wohl auch bedeutete, dass sie wohl keine erwartete. „Ich denke, es ist an der Zeit, den nächsten Schritt zu tun.“, sagte Tymoron und ging zum Jeep zurück, um sich vorsichtshalber doch ein Paar Schutzhandschuhe zu besorgen. Dann wandte er sich an Deria: „Könnten Sie mir wohl das Gehege aufschließen?“ „Ich dachte, du wolltest dich Yara zuerst nur vorstellen.“, mischte sich Sedrin ein. „Stimmt, Sedrin.“, sagte Tymoron. „Das wollte ich. Aber wie du weißt, halten sich die lieben Tierchen selten an unsere Pläne. Wie du sicher auch schon festgestellt hast, sind wir bereits mitten in der Arbeit.“

Deria winkte dem Demetaner und beide gingen zur Tür des Zwingers, die dann von der Heimleiterin mit einem Datenkristall geöffnet wurde. „Vielen Dank.“, sagte Tymoron ruhig und ging hinein. Dabei achtete er darauf, dass Yara ihn trotz ihrer Haltung gut wahrnehmen konnte. Er stampfte absichtlich etwas stärker auf, während er sich in eine Ecke begab, die für Yara zwar einsehbar, aber etwas weiter von ihr entfernt war. Dort setzte er sich hin und tat einfach eine Weile lang gar nichts.

Peters war die ganze Sache etwas unheimlich geworden. „Kannst du mir mal verraten, was dein Exfreund da macht?“, fragte er an Sedrin gewandt. „Ich denke, er versucht Yara noch mehr zu verdeutlichen, dass er nichts Schlimmes von ihr will.“, vermutete die Demetanerin. „Er muss sich ihr wahrscheinlich im Laufe unserer Arbeit noch stärker nähern.“

Plötzlich begann Yara, die einzelnen Schnurrlaute viel länger auszudehnen. Ihre Atmung wurde langsamer und tiefer. Sie unterbrach sogar ihre Körperpflege, um langsam aufzustehen. Dann schlich sie langsam zu Tymoron hinüber und setzte sich laut schnurrend neben ihn, um dann ihr Kinn an seinem Bauch zu reiben. Dann fuhr sie, immer noch laut schnurrend, mit der Körperpflege fort. Tymoron näherte sich zunächst mit seiner rechten Hand, über die er einen Schutzhandschuh gezogen hatte, vorsichtig ihrem Rücken. Dann berührte er sie sogar und konnte sie streicheln! Er öffnete mit seiner freien linken Hand den Verschluss des Handschuhs und schlüpfte langsam heraus. Immer mehr seiner fünf Finger waren nackt und ungeschützt. Mit ihnen berührte er nun ihr weiches wolliges Fell. Schließlich fiel der Handschuh ganz in den Sand. Jetzt war Tymorons gesamte Hand schutzlos auf Yaras Rücken. Wenn sie sich jetzt umdrehen würde, um ihn anzugreifen, könnte er viele Kratzwunden davontragen. Aber nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil! Yara schien seine Streicheleinheiten sogar sehr zu genießen. Sie drückte sich gegen seine Hand und schnurrte, aber mit seltsamen gurrenden Lauten dazwischen. Es war außerdem ein sehr tiefes langes Schnurren, das sie jetzt von sich gab. „Siehst du, Jinya.“, lächelte Tymoron. „Wir beide scheinen uns ja doch noch gut zu verstehen. Das ist auch gut so. Du musst uns nämlich helfen.“

Peters hatte die ganze Situation gebannt beobachtet. „Ist der wahnsinnig?!“, wendete er sich an Sedrin. „Ich meine, wenn er sie anspricht, dann weiß sie doch noch viel eher, dass er ein …“ „Dass er ein Mann ist, weiß sie schon längst.“, erwiderte Sedrin genervt. „Außerdem ist er ausgebildeter und lizenzierter Verhaltenstrainer! Er weiß genau, was er tut!“

Diese These Sedrins wurde jetzt auch durch Yara bestätigt, die laut schnurrend ihren Kopf hob, um mit ihrer langen breiten rauen Zunge Tymorons Hand zu liebkosen, die sich inzwischen bis unter ihr Kinn vorgearbeitet hatte. „Sie weiß, dass so einer wie ich nicht der Angreifer war!“, erklärte Tymoron durch den Zaun. „Wir müssen das Ganze jetzt aber genauer eingrenzen und sie fragen, ob unser Verdächtiger Nummer eins der Schuldige sein könnte! Ich komme erst mal wieder raus! Wir müssen noch einiges vorbereiten!“

Er stand langsam auf, um Yara gegenüber nicht doch noch bedrohlich zu wirken. Tymoron wusste, dass jede schnelle Bewegung unter Umständen von ihr als Herausforderung zum Kampf aufgefasst werden konnte, auch, wenn sie sich scheinbar gut verstanden. Er hatte es hier mit einem traumatisierten Tier zu tun, dessen Verhalten unter Umständen unberechenbar sein konnte!

Er war bei den anderen angekommen. „OK.“, sagte er. „Ich werde jetzt einige Jobs verteilen. Bitte kommen Sie alle mit mir.“ Damit folgten ihm alle Anwesenden zu Sedrins Fahrzeug. Hier holte er einige der zehn Koffer aus dem Gepäckraum und öffnete sie. Dann holte er Teile eines Dummys heraus. Außerdem einige merkwürdig anmutende magazinartige Gegenstände, von denen jeder jeweils fünf kg wog. Diese zählte er durch. „18.“, sagte er. „Das dürfte passen. Wenn wir von einem durchschnittlichen Gewicht von 90 kg des Angreifers ausgehen. D/4, würden Sie bitte zu mir kommen?“ Die Sonde nickte und näherte sich in mittlerer Geschwindigkeit seiner Position. „Als Bereitschaftsärztin sind Sie doch bestimmt mit der menschlichen Anatomie vertraut.“, sagte er. „Das ist korrekt.“, erwiderte die Xylianerin. „Dann könnten Sie mir diesen Dummy hier zusammenbauen, während ich den anderen alles erkläre. Sie werden sehen, dass es im Inneren der Körperteile Führungsschienen gibt. Da müssen die Gewichte rein. Unser Freund hier wird also später um die 90 kg wiegen. Der Rest sind einfache modulare Steckverbindungen, die sich ganz leicht durch Druck auf markierte Punkte verriegeln und entriegeln lassen. Die notwendige Elektronik ist schon eingebaut. Sehen Sie?“ Er demonstrierte es, indem er einen Arm an die Schulter des Torsos steckte, um ihn gleich wieder zu entfernen. „Verstanden.“, sagte D/4 und begann mit ihrer Arbeit.

Tymoron wandte sich Tchey zu. „Wir benötigen Sie als eventuelle Schutzbefohlene für Yara.“, erklärte er. „Da Sie die positivste Beziehung zu ihr haben, wird sie unter Umständen bereit sein, Sie gegen einen eventuellen Angriff zu verteidigen. Vor allem Sie!“ „Das bedeutet was?“, fragte Tchey interessiert. „Es bedeutet.“, sagte Tymoron. „Dass Sie sich gleich in Yaras Gehege begeben. Der Dummy wird schon dort sein und ich werde ihn Bewegungen vollführen lassen, wie sie der Angreifer womöglich gemacht hat. Er soll Sie bedrohen. Sie bekommen das hier.“ Er reichte ihr ein Gerät, das wie ein überdimensionierter Ohrhörer aussah. „Stecken Sie es bitte in Ihr rechtes Ohr.“, instruierte er Tchey. „Es wird unter Umständen sehr laut und hektisch werden, wenn Yara den vermeintlichen Bösewicht angreift, weil sie fauchen und knurren wird. Sie müssen dann trotzdem noch in der Lage sein, meinen Anweisungen zu folgen. Schaffen Sie das? Trauen Sie sich das zu?“ „Vergessen Sie bitte nicht, mit wem Sie hier reden, Mr. Tymoron!“, erinnerte ihn Tchey selbstbewusst. „Na schön.“, sagte der Demetaner und reichte ihr noch eine verstärkte Schürze. Tchey nahm sie auf und prüfte ihr Gewicht. „Oh, Gott!“, sagte sie leicht übertrieben. „Das können Sie nicht ernst meinen! Warum soll ich dieses Monstrum denn überhaupt anlegen?! Ich meine, ich bin nicht diejenige, die von Yara angegriffen werden soll. An Ihrer Stelle würde ich mir eher Sorgen um Ihren Dummy machen!“ „Haben Sie keine Angst vor Querschlägern?!“, fragte der Tiertrainer ernst. „Yaras Tatzen könnten durchaus mal daneben hauen. Sie wollen doch nicht verletzt werden, oder?!“ „Oh, nein.“, überlegte Tchey. „Darauf habe ich ja nun wirklich keine Lust.“ „Sehen Sie?! Und deshalb wird es für uns alle besser sein, Sie ziehen das hier an!“, setzte sich Tymoron durch. Widerwillig legte Tchey die Schürze an. „Jetzt weiß ich ungefähr, wie sich ein Ritter im terranischen Mittelalter gefühlt haben muss.“, stöhnte Tchey. „Na, wir wollen mal nicht übertreiben.“, sagte Tymoron und zog sie zum Eingang des Zwingers. „Bleiben Sie hier bitte erst einmal stehen.“, sagte er. „Aye-Aye, Sir.“, scherzte Tchey.

Tymoron drehte sich in Richtung der alles beobachtenden Heimleiterin. „Deria, gibt es eine Möglichkeit, das Gehege abzuteilen und Yara vorübergehend umzusperren?“ „Die gibt es.“, sagte die Heimleiterin, zog eine Fernbedienung aus der Tasche und ließ damit zwei große metallene Flügel aus zwei Pfeilern des Zaunes kommen, die sich in der Mitte begegneten. Nun war das Gehege in zwei Hälften aufgeteilt. „Ausgezeichnet.“, sagte Tymoron. „Machen Sie zunächst wieder auf. Dann möchte ich, dass Sie ihr Lieblingsfutter holen und es in einer Hälfte platzieren. Wenn Yara dort ist, sperren Sie zu, damit wir in Ruhe in der anderen Hälfte des Geheges sicher arbeiten können.“ „Ist gut.“, sagte Deria, um dann zu verschwinden und wenige Minuten später mit einem dicken Putenschnitzel zurückzukehren. Dieses warf sie von außen in Yaras Napf, was der demetanischen Wollkatze nicht entgangen war. Sie sauste hinüber und tat sich an ihrem Gratishappen gütlich, während Deria das Gehege teilte.

Der Demetaner wendete sich D/4 zu. Er stellte fest, dass sie den Dummy bereits fertig gestellt hatte. „Sehr gut.“, sagte er und gab ihr eine Fernbedienung in die Hand. „Mit der hier können Sie sich schon einmal vertraut machen. Ich möchte, dass Sie unseren Angreifer später lenken. Außerdem können Sie uns somit gleich mal helfen, wenn wir ihn von einem Mr. Nichts sagend in unseren Verdächtigen Nummer eins verwandeln. Sie können ihn seine Arme und Beine bewegen lassen, was uns sehr helfen dürfte, ihn anzuziehen. Dann werden wir ihn einfach an seinen Platz im Gehege führen, denn Sie werden ihm das Laufen beibringen.“ „Ich verstehe.“, sagte die Sonde gleichmütig und studierte die Schriftzüge auf der Fernbedienung. „Ich bin mit der Bedienung dieses Gerätes vertraut.“, sagte sie. „Das ging aber schnell.“, lächelte Tymoron. „Na dann. Karl, würden Sie bitte die getragenen Sachen herbringen?“ Der Agent nickte und brachte die Tasche. Dann machten sich Tymoron und D/4 daran, den Dummy anzuziehen. Auch das Tuch mit der telepathischen Prägung wurde ihm in die Tasche seines Anzugs gesteckt. Dann zogen sich Peters und Tymoron geruchsneutrale Handschuhe an und nahmen den Dummy bei den Händen. „Wir sind so weit, D/4.“, sagte der Verhaltenstrainer. Die Sonde nickte und setzte den vermeintlichen Mr. Radcliffe in Bewegung.

Bald hatten die Männer und die Sonde ihn im Gehege platziert. „Jetzt kommen Sie, Tchey.“, sagte Tymoron. „OK.“, antwortete die Reptiloide und schlurfte lässig heran. „Stellen Sie sich dem Dummy bitte gegenüber.“, wies Tymoron sie an. Tchey nickte und tat, worum er sie gebeten hatte. „Deria, jetzt Sie.“, sagte er und zeigte auf die Fernbedienung in der Hand der Tierheimleiterin. Diese öffnete den Schieber und Yara kam aus ihrem temporären Arrest. Sofort fiel ihr jener Geruch in ihrem Gehege auf! Jener verhasste Geruch, der sie sofort an die Angriffssituation erinnerte. Auch die vermeintliche Anwesenheit eines Telepathen spürte sie. Wieder sträubten sich ihre Nackenhaare, ihr Schwanz wurde dick und sie begann zu knurren und zu fauchen, was ein schier ohrenbetäubendes Spektakel auslöste. „D/4!“, rief Tymoron der Sonde zu. „Lassen Sie es so aussehen, als würde sich unser Angreifer von Yaras Imponiergehabe nicht abschrecken lassen. Tun Sie, als wolle er sie wirklich angreifen!“ „Verstanden.“, sagte die Sonde und ließ den Dummy seinen rechten Arm nach Tcheys Kopf ausstrecken, ein Verhalten, das sie bei Telepathen schon oft beobachtet hatte.

Yara hielt jetzt nichts mehr! Sie sprang auf den Dummy zu und verbiss sich in sein Handgelenk. Dann stieß sie ihn mit ihren Tatzen und den ausgefahrenen Krallen an und versuchte, ihn zu Fall zu bringen. Gleichzeitig drängte sie Tchey mit ihrem Hinterteil ab. Tymoron nahm ein kleines Sprechgerät, das er bei sich hatte, schaltete es ein und flüsterte ruhig hinein: „Tchey, lassen Sie sich beschützen. Gehen Sie langsam weg. Kommen Sie vorsichtig zu uns.“ Die Reptiloide nickte und tat, was er ihr aufgetragen hatte.

Tymoron und die Agenten beobachteten, was Yara mit der neuen Situation anfing. „Sie scheint nicht bemerkt zu haben, dass ihre Schutzbefohlene weg ist.“, sagte Sedrin, die genau sah, dass sie sich noch immer im Handgelenk des Dummys verbissen hatte und nicht daran dachte, irgendwann loszulassen. „D/4, zeigen Sie mir die Fernbedienung.“, instruierte er die Sonde. Diese tat es bereitwillig. „Dachte ich mir.“, sagte Tymoron und deutete auf einen kleinen Bildschirm am Gerät, auf dem eine Graphik zu sehen war. Es handelte sich um ein Tortendiagramm, in dem genau die Druckverteilung auf das Handgelenk des Dummys zu sehen war. „Wovon redest du?“, fragte Sedrin. „Schau mal.“, sagte Tymoron. „Diese Graphik zeigt eindeutig, dass Yara verstärkt mit den Fangzähnen festhält. Das bedeutet, sie will ihren Gegner festhalten, aber nicht zerfleischen.“ „Das ist mir klar.“, sagte Sedrin. „Trotzdem finde ich, sie sollte bald loslassen, um sich nicht die Zähne auszubeißen. Woraus ist die Hülle des Dummys?“ „Duranium.“, sagte Tymoron. „Und du hast Recht. Sie sollte bald loslassen. Ich weiß zwar auch, dass Zahnschmelz das härteste Material im Körper ist, aber mit Duranium kommt es nicht mit. Außerdem mache ich mir Sorgen um den Halteapparat ihrer Zähne.“ „Aus, Yara!“, ging Peters dazwischen, was ihn aber nur einen abfälligen Seitenblick von Tymoron ernten ließ.

Die, welche dann schließlich genau das Richtige tat, war D/4. Durch einige schnelle Abfolgen von Tastenkombinationen auf der Fernbedienung ließ sie den Dummy hinfallen. Dann biss ihm Yara in die Kehle, worauf D/4 ihn ein eingespeichertes Röcheln abspielen ließ. Dann deaktivierte sie in Windeseile all seine Systeme.

Yara ließ endlich ab. Dann schlich sie durch ihr Gehege und markierte alles mit Pfoten, Krallen und Kinn. Danach ging sie zu ihrem Toilettenplatz und machte einen großen dicken Haufen. „Was hat das zu bedeuten, Tymoron?“, fragte Sedrin. „Sie feiert so zu sagen ihren Sieg.“, erklärte der Angesprochene. „Sie nimmt ihr Revier quasi neu in Besitz. Deria, wenn Yara sich beruhigt hat, möchte ich, dass Sie sie wieder kurz umsperren, damit ich meine Sachen holen kann.“ „Sicher.“, lächelte die junge Platonierin. „Mr. Peters, helfen Sie mir bitte.“, sagte Tymoron zu Karl. „Wenn es dann sicher ist.“, äußerte der Agent Bedenken. „So sicher wie im Leib Ihrer Mutter.“, sagte Tymoron. „Wenn sie umgesperrt ist, kann niemandem etwas passieren.“ „Ich hole noch ein Schnitzel.“, lächelte Deria und ging.

Tymoron wandte sich mit einem breiten Grinsen der Sonde zu, die er zunächst kaum beachtet hatte. „D/4, das war großartig!“, sagte er. „Ich wollte Ihnen genau diese Anweisung geben! Woher wussten Sie, dass …“ „Dies herauszufinden war einfach.“, sagte die Xylianerin. „Das Operationsziel des Tieres lautete, den Angreifer zu besiegen und zu töten, um Tchey zu beschützen. Dies habe ich erkannt und ermöglicht. Yaras Ablassen war das meiner Theorie nach eminente Ergebnis.“ „Wow!“, machte Tymoron. „Einer künstlichen Lebensform wie Ihnen hätte ich das nicht zugetraut. Aber anscheinend besitzen Sie auch ziemlich sichere Instinkte. Ich suche noch nach einer Assistentin. So eine wie Sie würde ich vom Fleck weg einstellen!“ „Ich empfinde meine jetzige Arbeitsstelle als adäquat.“, sagte D/4. „Oh, das glaube ich.“, sagte Tymoron. „Aber falls Sie von der Arbeit als Rettungsärztin einmal die Nase voll haben sollten, steht Ihnen meine Tür jederzeit offen.“ „Den zuerst von Ihnen genannten Umstand bezweifle ich.“, sagte D/4. „Ich denke, das wird niemals eintreten. Langeweile im Job kann ich nicht empfinden.“ „Schade.“, sagte Tymoron und lächelte. „Wir wären sicher ein effizientes Team, nehme ich an.“ „Ihre Annahme wäre sicher korrekt.“, sagte die Xylianerin. „Aber ich muss ablehnen.“

Deria kam mit dem Putenschnitzel zurück. „So.“, sagte sie. „Jetzt kann es losgehen.“ Es folgten die gleichen Aktionen wie vorhin. Während Yara sich auf das Schnitzel stürzte, holten Peters und Tymoron den Dummy aus dem Zwinger, demontierten ihn und verstauten die Einzelteile wieder in den Koffern, die sie im Jeep verstauten. „Ist der Geheimdienst dir gegenüber jetzt irgendwie regresspflichtig?“, fragte Sedrin in Tymorons Richtung. „Aber nein.“, sagte er. „Dass mal was verschrammt wird oder kaputt geht, ist in meiner Branche normal. So ein Handgelenk für einen Dummy macht mein Replikator zu Hause im Schlaf. Das ist eben Berufsrisiko.“

Deria trat heran. „Wie sieht es mit Yaras Vermittlung aus?“, wollte sie wissen. „Ich meine, wir haben da eine Familie von Betazed mit einem reizenden kleinen Jungen , die würde …“ „Sind Sie wahnsinnig!“, fragte Tymoron streng und seine sanfte Stimme, die zuweilen an die des ersten Offiziers der Voyager erinnerte, war plötzlich gar nicht mehr so freundlich. „Yara kann, darf und soll niemals an einen Telepathen vermittelt werden, niemals! Den Grund werde ich Ihnen zeigen!“ Er nahm das Tuch und warf es ins Gehege. Yara, die es sofort sah, stürzte sich darauf und zerfetzte es. „Stellen Sie sich vor, Deria, das wäre der reizende kleine Junge gewesen!“ „Es tut mir leid.“, sagte die schockierte Tierheimleiterin. „Das sollte es auch!“, sagte Tymoron mit immer noch sehr strengem Gesicht. „Von einer ausgebildeten Kraft hätte ich ein vernünftigeres Urteil erwartet!“ „Es gibt keine Telepathen bei den Neran-Jelquists.“, buhlte Tchey bei Tymoron um die Erlaubnis, Yara adoptieren zu dürfen. „Ich denke, Tchey.“, sagte die Heimleiterin. „Dass wir uns dann doch für Sie entscheiden werden.“ „Na also.“, sagte Tchey siegessicher. „Jetzt muss ich meinen Mann nur noch darauf vorbereiten, dass wir Familienzuwachs bekommen.“ Sie ging grinsend.

Tymoron sah auf seine Uhr. „Eventuell kann ich heute noch den Liner zurück nehmen.“, sagte er. „Wenn du mich gleich nach Washington bringst, Sedrin.“ „Gern.“, sagte die Demetanerin. „Wenn ich könnte, dann würde ich dich sogar ganz bis nach Demeta bringen. Schließlich hast du uns bei den Ermittlungen sehr geholfen. Dank dir und Yara hat der Wäscher vom Mars endlich ein Gesicht.“ Sie stiegen in den Jeep und verließen das Gelände des Tierheims.

Während der Fahrt bemerkte Sedrin, dass sich ihr Freund trotz des guten Ausgangs des Experimentes nicht wirklich entspannte. „Was für ein Problem hast du noch?“, fragte sie und hielt demonstrativ am rechten Fahrbahnrand an. „Es ist Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe.“, sagte Tymoron. „Diese kleine Sonde hat mich ganz schön beeindruckt. Am liebsten hätte ich sie sofort eingepackt und mitgenommen und mich nicht mehr mit im Gegensatz zu ihr zweitklassigen Bewerbern herumgeschlagen. Das Beste in Sichtweite zu haben, aber zu wissen, dass man sich dann doch mit dem Zweitbesten zufrieden geben muss, ist kein sehr angenehmes Gefühl, Sedrin. Aber vielleicht ändert sie ihre Meinung ja noch.“ „Davon gehe ich nicht aus!“, sagte die Demetanerin, die jene Sonde ja schon etwas länger kannte, als es ihr Freund je tun würde. „Wenn D/4 etwas durchziehen will, dann tut sie das auch. Sie hat dir ja wohl verdeutlicht, dass sie ihre Arbeit als Bereitschaftsärztin des Rettungsshuttles nicht aufgeben wird, egal was für Versprechungen du ihr auch immer machen würdest.“ Sie startete den Antrieb des Fahrzeugs erneut und sie fuhren weiter in Richtung Raumflughafen. Dort half sie ihm noch kurz mit seinem Gepäck, bevor sie sich dann verabschiedete.

Kapitel 23: Sytanias List

von Visitor

 

Dirshan und Sytania hatten das Geschehen vom Palast der Prinzessin aus durch den Kontaktkelch beobachtet. „Sie werden Eurer Marionette draufkommen, Milady.“, äußerte der Vendar. „Das macht nichts.“, tröstete Sytania. „Selbst, wenn sie durch dieses Tier jetzt wissen, wer der Wäscher vom Mars ist, so kann ich sie immer noch sehr gut ablenken, Dirshan. Mach dir darüber bitte keine unnötigen Sorgen.“ „Was habt Ihr vor, zur Ablenkung zu tun, Hoheit?“, fragte Dirshan interessiert. „Bitte vergebt mir. Ich bin eben nur ein Novize und habe bei Weitem nicht das Wissen meines Ausbilders. Vielleicht wäre es bei Zeiten besser, ihn wieder in sein Amt einzusetzen und mich wieder zu einem einfachen Jungkrieger zu machen, der ich ja auch eigentlich bin.“ „Du musst dich nicht um deinen nichtsnutzigen Ausbilder sorgen, Dirshan.“, sagte die Königstochter lapidar. „Er hat sich sein Versagen selbst zuzuschreiben. Deshalb musst du schon gar kein schlechtes Gewissen haben, nur weil du jetzt so schnell zu meinem obersten Vendar, meinem Vertrauten, aufgestiegen bist. Ich habe zwar den Ruf, nicht zu den gerechtesten Wesen zu zählen, aber wer eine Strafe verdient, der kriegt sie von mir auch und wer eine Belohnung verdient, für den gilt das Gleiche. Es ist also alles in Ordnung. Und jetzt werde ich dir beweisen, dass ich es ernst meine. Pass auf!“

Sie fasste nach Dirshans linker Hand und führte sie erneut auf den Kontaktkelch, von dem er sie zunächst selbst entfernt hatte. Dann nahm sie sich seine Rechte mit ihrer Linken und legte ihre Rechte auf den Fuß des Kelches. Danach begann sie, sich auf das Bild von Radcliffes Schiff zu konzentrieren. Dirshan sah, wie es auch vor seinem geistigen Auge Gestalt annahm. „Warum können wir es sehen, obwohl es getarnt ist, Gebieterin?“, fragte Dirshan fast ehrfürchtig. „Weil ich will, dass wir es sehen.“, sagte Sytania. „Ich bin eine Mächtige, wie du weißt. So etwas Lächerliches wie Naturgesetze kann ich Kraft meines Willens ganz leicht aus den Angeln heben! Der Plan, den ich verfolge, hat sehr viel mit diesem Schiff zu tun. Aber nicht nur mit diesem, sondern auch mit dem Schiff des Tindaraners und mit dem Tod von einer gewissen terranischen Sternenflottenoffizierin, die mir schon lange ein Dorn im Auge ist. Heute Nacht wird sie sterben, Dirshan! Ja, heute Nacht wird Allrounder Betsy Scott sterben!“ „Aber was hat das Schiff damit zu tun?“, fragte Dirshan. „Ganz einfach.“, sagte Sytania. „Wir müssen den Tindaraner ablenken und Scotty, das dumme Schaf, das auch. Ich hörte, du bist in technischen Dingen sehr bewandert. Was sagt dir das?!“

Es gab einen schwarzen Blitz und Sytania hatte das Bild des Schiffes durch eines von IDUSAs Cockpit auf der Raumwerft ersetzt. Nun sahen die Beiden, wie sich ein schwarzhaariger Celsianer in Scottys Abwesenheit mit einem Diagnosepad an den Systemen des tindaranischen Schiffes zu schaffen machte. „Was tut er da?“, fragte die Königstochter ihren neuen Truppenführer. „Er scheint Vorbereitungen für die Wartung der Sensoren zu treffen.“, antwortete Dirshan. „Zumindest sieht es für mich so aus, wenn ich das hier richtig interpretiere.“ „Und bedeutet das nicht auch, dass die Sensoren irgendwann ausprobiert werden müssen?“, fragte Sytania spitzfindig. „Ja, Gebieterin.“, sagte Dirshan. „Das bedeutet es.“ „Dann wirst du hier bleiben und das Geschehen weiter überwachen!“, befahl Sytania. „Gib mir Bescheid, wenn sie kurz davor sind. Dann werde ich so zu sagen die Tarnvorrichtung von Nathaniels Schiff deaktivieren, damit das tindaranische Schiff es in jedem Fall sehen kann. Wenn ich dies erreicht habe, läuft der Rest meiner Ablenkung von ganz allein.“ „Was meint Ihr?“, fragte Dirshan. „Nun.“, sagte Sytania. „Ich meine, dass dieses Schiff dann nach ihrem Piloten schreien wird und nicht mehr zulassen wird, dass jemand anderes sich ihr auch nur nähert. Das ist ein in tindaranischen Militärschiffen installiertes Systemprotokoll. Es dient dazu, dass die Schiffe bei feindlichem Einfluss alles daran setzen, diesen zu melden, wenn sie ihn sehen und allein sind. IDUSA wird das plötzliche Auftauchen des Breenschiffes nicht einordnen können und es als genau solchen deklarieren, weil sie mich in Verdacht haben wird. Aber das macht nichts. Es ist sogar sehr gut für uns in diesem Fall. Die Dummköpfe von der Werft werden das plötzliche merkwürdige Verhalten des Schiffes nicht einordnen können und werden versuchen, Scotty und vor allem Shimar zu erreichen. Shimar wird Scotty bitten, ihn im Jeep zur Werft zu fahren, damit er das mit IDUSA klären kann. Nur ihr Stammpilot oder dessen Commander können eine IDUSA-Einheit aus diesem Protokoll holen. Dann ist Betsy allein! Allein und schutzlos! Das ist eine gute Gelegenheit für Radcliffe, sich mit ihr scheinbar zu versöhnen. Du weißt schon, was ich meine. Sie wird nicht argwöhnisch sein, weil sie bereits am Vorabend genug Anhaltspunkte dafür bekommen haben wird, dass sich Radcliffe wieder von seiner geistigen Krankheit erholt hat.“ „Das heißt, Ihr werdet ihn entsprechend instruieren?“, fragte Dirshan. „Genau das heißt es!“, sagte Sytania. „Aber dann werdet Ihr den Kontaktkelch brauchen, Milady.“, stellte der Novize fest. „Ach was.“, sagte Sytania. „Den benötige ich nicht unbedingt. Ich kann auch so mit jemandem über dimensionale Grenzen hinaus telepathischen Kontakt aufnehmen. Den benutze ich meistens nur dann, wenn ich einen Sterblichen in die Verbindung einbinden muss. Es macht vieles für mich leichter. Aber den Kontakt mit Nathaniel bekomme ich auch so hin. Du, als Sterblicher, bist aber auf den Kelch angewiesen und ich benötige deine Expertenmeinung.“ „Woher wisst Ihr überhaupt so genau über die Systemprotokolle tindaranischer Schiffe Bescheid?“, fragte Dirshan erstaunt. „Nicht nur mein Vater hat Spione unter meinen Vendar.“, sagte Sytania. „Auch ich lasse die freien Vendar auf New-Vendar-Prime ausspionieren und auch die meines Vaters. Sianach und ihre Leute verkehren mit den Tindaranern. Das gibt auch Datenaustausch. Gegen ein bisschen Spionage ist nichts einzuwenden. So etwas tun verfeindete Mächte. Ich bin sicher, auch mein Vater und Iranach, seine oberste Vendar, tauschen sich öfter über die Dinge aus, die hinter diesen Mauern passieren.“ „Ihr sagt das, als wäre es etwas völlig Normales.“, stellte der junge Vendar fest. „Das ist es ja auch.“, sagte die Prinzessin und stand von ihrem Thron auf. „Ich werde mich jetzt zurückziehen.“, sagte sie. „Ich werde in meine Gemächer gehen und von dort in aller Ruhe Nathaniel kontaktieren. Schick nach mir, wenn du etwas erfährst.“ Sie deutete in einer großen Handbewegung auf die umstehenden Wächter. „Ja, Gebieterin.“, nickte Dirshan und legte beide Hände auf den Fuß des Kelches, der ihm gleich darauf die Bilder von der Werft auf Celsius präsentierte.

Nicht nur Sytania, auch Radcliffe hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen. Hier lag er nun auf seinem Bett und entspannte sich. Nathaniel!, hörte er plötzlich Sytanias telepathische Stimme in seinem Geist. Sofort war er hellwach! Er setzte sich auf und dachte: Was gibt es, Hoheit? Ich will mit dir über deinen Auftrag sprechen., gab Sytania zurück. Über den Auftrag, Allrounder Betsy Scott zu beseitigen! Heute Nacht, Nathaniel, heute Nacht muss es geschehen! Aber zuvor wirst du deine Familie und sie überzeugen, wie gesund du eigentlich bist. Lade sie zu einer kleinen Feier unten in der Bar ein. Lass dich auf alle Spielchen ein, mit denen sie dich zu prüfen gedenken. Später, wenn es Mitternacht schlägt, gehst du mit dem Schlafwurz und zwei präparierten Gläsern zu Betsy und …! Ich weiß, Prinzessin., meinte Radcliffe, der für Sytania alles getan hätte in seiner momentanen Verfassung! Wie sehr er sich in ihr täuschte, ahnte er ja noch lange nicht. Dann sind wir uns ja einig., grinste Sytania mit verbrecherischer Miene. Das sind wir, Prinzessin., bestätigte Radcliffe.

„Nathaniel?!“ Die etwas lautere fragende Stimme seiner Frau hatte Radcliffe kaum wahrgenommen. Erst jetzt drehte er sich um. „Was gibt es, Nayale?“, fragte er und machte ein unschuldiges Gesicht. „Hast du wieder mit deiner Prinzessin …?“ „Kein Grund, um eifersüchtig zu sein.“, tröstete der verblendete Professor. „Sytania und ich haben nur noch über die weiteren Bedingungen meiner Heilung gesprochen.“

Nayale war hellhörig geworden. Das Wort Bedingungen hatte er in diesem Zusammenhang zum ersten Mal benutzt. „Was für Bedingungen?!“, fragte sie ihn jetzt sehr ernst. „Ich muss ein paar harmlose Dinge für Sytania erledigen.“, sagte Radcliffe. „Oder hast du ernsthaft gedacht, sie heilt mich, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen? Nein! So selbstlos ist sie nicht.“ „Und was sind das für Dinge, die du für sie tun musst?!“, wollte die junge intelligente Zeonide wissen. Immer mehr schien sich ihr Verdacht zu bestätigen, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zu ging. „Sytania will, dass ich mich mit allen, die ich im Zusammenhang mit meiner Krankheit und Heilung vor den Kopf gestoßen habe, wieder versöhne.“, log Radcliffe. „Das schließt selbstverständlich auch unseren Sohn, Allrounder Scott und dich ein. Sie will, dass ich euch den Vorschlag mache, bei Ginalla unten in der Bar eine kleine Party zu feiern.“ „Na schön.“, sagte Nayale, die sich nur zum Schein auf diesen Vorschlag einließ. Sie wusste, dass er gelogen hatte! Tief in ihrem Inneren wusste sie es, konnte es aber nicht beweisen. „Es wäre nur das Beste, wenn du gehen könntest und Allrounder Scott und ihren Mann informieren könntest. Selbstverständlich ist auch ihr tindaranischer Besucher mit eingeladen. Wenn ich ihr jetzt unter die Augen trete, dann …“ „Ich verstehe schon.“, lächelte Nayale, um gute Miene zum bösen Spiel, das sie langsam durchschaute, zu machen. „Dann werde ich mal rüber gehen und mein schönstes Lächeln aufsetzen.“ „Das schaffst du schon, meine kleine Zaubermaus.“, flötete Radcliffe. Dann schaute er ihr noch lächelnd hinterher, während sie langsam und fast feierlich aus der Tür schritt.

Unentwegt diskutierten Shimar und Scotty über meinen Ausflug mit Korelem, allerdings, ohne mich dabei einzubeziehen, obwohl ich mit ihnen im Raum war. Ich beobachtete dieses Spektakel grinsend, obwohl ich mich ja eigentlich hätte zu Wort melden können. Bei passender Gelegenheit würde ich dies auch tun, aber die Gelegenheit war eben noch nicht da. Statt dessen fühlte ich mich sehr geschmeichelt über die Tatsache, dass sich die beiden Jungs solche Sorgen um mich machten. Eigentlich sorgte sich aber nur Scotty, denn Shimar war die ganze Zeit damit beschäftigt, ihn, der sich immer mehr aufregte, wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. „Jetzt hör auf, hier den großen Lärm um nichts zu veranstalten!“, ermahnte Shimar Scotty, der inzwischen schon sehr laut geworden war. So laut, dass jeder, der unter dem Balkon vorbeiging, alles hätte mitbekommen können. Da es ein lauer celsianischer Sommernachmittag war, hatten wir die Tür offen gelassen. „Sie war zu keinem Zeitpunkt in Gefahr. Korelem hat die Situation sehr gut managen können. Ich glaube sogar, er hat heimlich dafür trainiert. Er hätte sie nicht fallen lassen. Außerdem ist er in keine übermäßig große Höhe aufgestiegen. Er hätte sich jederzeit einen Landeplatz suchen können, wenn er nicht mehr gekonnt hätte. Er weiß es nicht, aber ich war zwischendurch auch in seinem Geist und weiß daher, wie er zum Zeitpunkt des Ausflugs gedacht hat. An sich mache ich so etwas nicht, aber du hast mir ja keine Wahl gelassen!“ „Wieso hab’ ich dich jetzt dazu gezwungen, in den Geist von diesem Flattermann einzudringen?!“, empörte sich Scotty. „Du tust ja gerade so, als wäre ich der Angsthase der Nation und hätte …!“ „So benimmst du dich aber auch gerade!“, sagte Shimar, dessen Tonfall jetzt auch von ruhig in energisch umgeschlagen war. „Wie kannst du bloß so ruhig damit umgehen?!“, fragte Scotty. „Ich meine, an ihrer Unversehrtheit müsste dir doch auch einiges liegen. Ich dachte, du liebst sie auch!“ „Natürlich!“, sagte Shimar. „Aber ich bemuttere sie nicht wie eine liebeskranke Glucke!“

Das war zu viel! Gern hätte ich meinen beiden Männern jetzt einige Takte gesagt, aber die Sprechanlage, die sich schon seit geraumer Zeit bemerkbar machte, hielt mich davon ab. Vielleicht war es eine Berufskrankheit aller Kommunikationsoffiziere, aber ich konnte das arme Gerät nicht immer weiter piepen und piepen lassen, ohne etwas zu tun. Am Ende wäre es vielleicht sogar noch heiser. „Hier Allrounder Betsy Scott!“, meldete ich mich fest, wie ich es von der Granger gewohnt war. Dass ich mich mittlerweile im Urlaub befand, war mir wohl völlig entgangen. Außerdem befürchtete ich, dass es einer unserer Zimmernachbarn sein könnte, der sich durch den lauten Streit meiner zwei Jungs gestört fühlte. Das mit dem Zimmernachbarn stimmte in gewisser Weise sogar. Es war aber eher eine Zimmernachbarin. Und beschweren wollte sie sich auch nicht. „Ich bin Nayale Radcliffe.“, sagte die mir unbekannte Stimme. „Mein Mann und ich würden Sie, Ihren Mann und den Tindaraner gern zu einer kleinen Feier einladen. Da können wir uns dann gleich kennen lernen. Ich hörte, Sie und meine Familie sind auch in Little Federation Nachbarn.“ „Sicher, Mrs. Radcliffe.“, sagte ich freundlich. „Kommen Sie doch herein.“ Dann entriegelte ich per Knopfdruck die Tür, während ich zu Shimar und Scotty herüber rief: „Jungs, wir kriegen Besuch! Benehmt euch bitte, oder regelt das vor der Tür!“

Schlagartig war Ruhe! Als Erster schlich Shimar reumütig zu mir heran und fragte: „Besuch? Wer ist denn da, Kleines?“ In diesem Moment stand Nayale im Türrahmen. „Oh, es tut uns leid.“, entschuldigte sich Shimar. „Wir waren wohl etwas laut.“ „Darum geht es doch gar nicht.“, sagte Nayale lächelnd. „Wenn Sie Streit haben, geht mich das ja gar nichts an. Aber es geht mir und meinem Mann eigentlich um etwas ganz anderes. Wenn ich es Ihnen jetzt sage, wird es bei Ihnen ankommen, als hätte er mich vorgeschickt. Genau so ist es eigentlich auch. Nathaniel ist ein furchtbarer Diplomat, wissen Sie? Aber er möchte Sie und Ihre Freunde zu einer kleinen Feier unten bei Ginalla einladen. Ihm tut sehr leid, was geschehen ist und er möchte vieles wieder gut machen. Er weiß, dass er Sie mit dieser Sache ziemlich schockiert hat. Das wollte er nicht. Vielleicht dachte er, dass Sie, als ausgebildete Sternenflottenoffizierin, das besser wegstecken. Aber es ist nun einmal geschehen. Die Auswirkungen des Kegels auf ihn konnte er ja auch nicht voraussehen, aber jetzt ist alles wieder gut. Er würde es Ihnen auch sehr gern beweisen. Sie dürfen sogar die Bedingungen diktieren, zu denen er den Beweis antreten soll.“

Ich überlegte. Etwas seltsam kam mir die ganze Geschichte schon vor. Wenn man bedachte, wer im Hintergrund bei den Radcliffes die Fäden zog, dann musste man schon jedes Wort auf die Goldwaage legen, das sie gerade gesagt hatte. Als ausgebildete Sternenflottenoffizierin wusste ich das natürlich. Aber ich wusste auch, dass ich, wenn ich nicht zunächst mitspielen würde, diese Zivilistin hier vor mir in hohem Maße gefährden könnte. Wenn etwas nicht so liefe, wie Sytania es sich vorstellte, dann würde sie sich den Schwächsten aussuchen, um ihn, oder besser in diesem Falle sie, ihre gesamte Wut und Enttäuschung spüren zu lassen. Unter Umständen würde sie diejenige auch gleich töten und die Schwächste war in diesem Fall Nayale, die als Zivilistin ja von nichts eine Ahnung hatte. Deshalb sagte ich nur: „Ich werde meine beiden Jungs mal fragen, Mrs. Radcliffe.“

Bevor ich mich noch umdrehen konnte, waren Scotty und Shimar schon bei mir. „Wir haben nichts dagegen, Kleines.“, sagte Shimar und Scotty fügte hinzu: „Ich habe schon immer gern gefeiert, Darling. Wann soll’s denn losgehen?“ „Vielleicht so gegen acht?“, fragte Nayale. „Acht ist OK.“, sagte ich und Shimar und Scotty nickten zustimmend. „Dann also bis heute Abend. Bringen Sie gute Laune mit!“, sagte Nayale lächelnd und drehte sich zur Tür, um zu gehen. „Bis heute Abend!“, bestätigte ich.

Zum Feiern war auch Ishan und Nidell zumute. Entgegen seiner eigenen Prognose war es dem Androiden mit aldanischem Bewusstsein und seiner tindaranischen Assistentin doch gelungen, Nitprin durchzubekommen. Er hatte sich zwar zuerst auf die Tatsache berufen, dass das Gehirn des Mädchens unter Umständen sehr stark geschädigt sein konnte, da sie sehr lange einer für sie lebensfeindlichen Umgebung ausgesetzt war, denn es war ja am Tag auf dem Wüstenplanetoiden sehr heiß gewesen, aber die Kleine war wohl doch zäher, als Ishan gedacht hatte. So war er sehr überrascht, als sie dann doch auf der Krankenstation die Augen aufschlug, nachdem Joran und IDUSA sie dort hin gebeamt hatten und Nidell und er begonnen hatten, sie zu behandeln.

„Wo bin ich?“, wollte Nitprin wissen. „Du bist auf der Krankenstation der Basis 281 Alpha.“, antwortete Nidell, die sich zu ihrer Patientin ans Bett gesetzt und sie nicht aus den Augen gelassen hatte. „281 Alpha?“, fragte Nitprin etwas verwirrt. „Was für eine Basis ist das? Sie sind außerdem keine Sternenflottenoffizierin, Medical Assistant, oder?“ „Wenn du das erkennst.“, lächelte Nidell. „Dann muss dein Gehirn ja noch prima funktionieren.“

Sie winkte Ishan, der sofort herüber kam und einen Blick auf die Monitore warf, mit denen das Mädchen gesundheitlich überwacht worden war. „Wir können sie entkoppeln, Nidell!“, instruierte er seine Untergebene. Diese nickte und begann sogleich damit, seine Anweisung auszuführen. „Bitte gib mir deine rechte Hand, Kleine.“, sagte sie ruhig. „Ich werde dich von der Tropfkonsole befreien.“ „Danke, Medical Assistant.“, sagte Nitprin und hielt der jungen zierlich gebauten Tindaranerin bereitwillig ihr Handgelenk hin. Nidell löste einen Verschluss an dem Armband, das die Tropfkonsole fixiert hatte und das Gerät fiel in ihre Hand. „Heißt das, ich bin wieder gesund?“, fragte Nitprin. „Zumindest fast.“, lächelte ihr Nidell zu. Erst jetzt fiel dem Teenager auf, was für eine liebe freundliche Stimme sie hatte. „Du wirst dich noch eine Weile schonen müssen, aber das kannst du ja auch im Gästequartier. Jedenfalls ist deine Zeit hier auf der Krankenstation erst mal vorbei.“ „Aber ich kann doch noch gar nicht allein für mich sorgen.“, stellte Nitprin fest. „Ich bin doch erst 13 Jahre alt.“ „Stimmt.“, sagte Ishan. „Das bedeutet, wir müssen jemanden finden, der sich um dich kümmert, solange du hier bist. Kannst du uns ein Rufzeichen auf deiner Heimatwelt nennen, unter dem Angehörige von dir erreichbar sind?“

Seine Frage musste Nitprin sehr traurig gemacht haben. Jedenfalls begann sie, sehr stark zu schluchzen. „Mein Vater ist tot und meine Mutter kenne ich nicht.“, sagte Nitprin. „Sie soll einen tödlichen Unfall gehabt haben, als ich zwei war. Jetzt habe ich niemanden mehr!“ „Es tut mir leid.“, entschuldigte sich Ishan. „Aber das sind Routinefragen, die wir in so einem Fall stellen müssen. Nur, du hast natürlich Recht. Das ist keine sehr angenehme Situation für dich. Ich werde meinem Commander Bescheid geben und ihr die Situation schildern. Wir werden bestimmt jemanden finden, der für dich sorgt, solange du bei uns bist, Kleine.“ „Ich heiße Nitprin.“, stellte sie sich vor. „OK, Nitprin.“, sagte Ishan. „Jedenfalls scheint dein Gedächtnis ja noch zu funktionieren, wenn du dich noch an deinen eigenen Namen erinnerst. Ein Symptom von Amnesie ist normalerweise, dass man sich nicht mehr an die eigenen persönlichen Daten erinnern kann.“ „Aber das kann ich!“, sagte Nitprin. „Ich weiß noch, wo und wann ich geboren bin, wie meine Eltern hießen und wo ich wohne. Aber das wird sich ja wohl bald ändern. Ich muss bestimmt in ein Heim!“ „Tja.“, sagte Ishan. „Da muss ich dir leider Recht geben. Wir können leider keine Adoptiveltern für dich suchen und werden dich nach deiner Aussage wohl der Fürsorge übergeben müssen. Das tindaranische Militär ist nun einmal keine Adoptionsagentur.“ „Schon gut.“, sagte Nitprin. Dann fragte sie: „Tindaranisch? Dann bin ich bei den neuen Verbündeten der Föderation gelandet?“ „Genau.“, sagte Nidell. „Und wenn du möchtest, kann ich dir die ganze Station zeigen. Etwas Bewegung täte deinem Kreislauf sicher gut.“ „Ich möchte erst mal aussagen.“, sagte die kleine Breen. „Jetzt sind meine Erinnerungen noch frisch und …“ „Ich halte für nicht unbedingt medizinisch vertretbar, dass du dich gleich solchem Stress aussetzt.“, sagte Ishan gewohnt ruhig und sachlich. „Wir sollten zunächst klären, wo du wohnen kannst und wer sich um dich kümmert. Dann können wir den Rest immer noch erledigen. Warum nimmst du Nidells Angebot nicht erst mal an? Eine kleine Ablenkung wird dir gut tun.“ „Na gut.“, sagte Nitprin und hob ihre Beine aus dem Bett. „Langsam.“, sagte die junge tindaranische medizinische Assistentin und griff ihr unter die Arme. „Denk daran, dein Kreislauf muss sich erst noch gewöhnen. Du warst sicher lange bewusstlos, bevor Joran dich gefunden hat. Wir machen das anders.“

Sie holte ein Gerät, das mit seinen Spulen an der Unterseite zunächst an eine Weste mit Antrieb erinnerte. Diese zog sie Nitprin jetzt an und verschnallte sie. „Was ist das, Medical Assistant Nidell?“, fragte Nitprin höflich, die das Tun ihrer erklärten Lieblingskrankenschwester nicht wirklich einordnen konnte. „Das ist eine Gehhilfe.“, sagte Nidell zur Erklärung. „Und auf Tindara ist es auch üblich, sich zu duzen. Nenn mich einfach Nidell und lass den Medical Assistant doch weg.“ „OK.“, sagte Nitprin. „Aber warum die Gehhilfe? Ich habe doch nichts mit den Beinen.“ „Nein.“, erklärte Ishan. „Aber wenn dir schwindelig wird, kannst du dich in das Feld fallen lassen. Versuch es mal.“

Er warf seiner Untergebenen einen Seitenblick zu, worauf diese ihre Position gegenüber Nitprin veränderte, um ihr den rechten Arm um die Schulter zu legen. Dann sagte sie: „Na komm!“, und half dem Mädchen beim Aufstehen.

Die veränderte Situation wurde von den Sensoren der Gehhilfe auch registriert. Das Gerät gab ein Signal von sich und im gleichen Moment baute sich unter ihm ein Kraftfeld auf, das Nitprin durch den Umstand bedingt, dass sie fest mit dem Gerät verschnallt war, stützte. „Die Reichweite des Feldes beträgt einen so großen Radius, dass alle Richtungen um deinen Körper abgedeckt sind.“, erklärte Ishan. „Lass dich doch einfach mal in eine Richtung fallen. Dann wirst du es selbst sehen.“ „Ist das wirklich sicher?“, fragte Nitprin. „Natürlich ist es das!“, tröstete Nidell. „Jenn’ wartet all unsere Geräte regelmäßig. Du brauchst also keine Angst zu haben. Lass dich doch jetzt einfach mal fallen.“ „Wenn du meinst?“, sagte Nitprin skeptisch und tat, wozu sie gerade von Nidell ermutigt worden war. Augenblicklich wurde sie von dem Gerät aufgefangen und wieder vorsichtig in eine aufrechte Position gestellt. „Wow.“, sagte sie. „Aber woher weiß es, dass ich gefallen bin und mich nicht einfach nur hinsetzen wollte?“ „Wenn du dich setzt.“, sagte Ishan. „Dann machst du doch viel langsamere Bewegungen. Das sieht es. Falls es dann doch mal ein Missverständnis gibt, kannst du es jederzeit über das Bedienelement nachregeln, das Nidell jetzt noch hat. Für einen Spaziergang über die Station wird es auch noch so bleiben müssen, aber wenn du es länger benötigen würdest, bringt sie dir bestimmt die Bedienung bei.“ „Ich hoffe, dieser Zustand dauert nicht so lange.“, sagte Nitprin. „Ich fühle mich wie eine Invalide.“ „Es ist doch nur zur Vorsicht.“, tröstete Nidell. „Ich weiß.“, sagte Nitprin. „Es tut mir leid. Aber wenn ich traurig bin, dann bin ich unausstehlich.“ „Ach was.“, tröstete Nidell und strich ihr über den Kopf, den inzwischen ein für die Breen typischer Helm zierte. Die Mediziner hatten für sie einen neuen Kälteanzug repliziert, damit sie sich in der Umgebung der Tindaraner, die an sich viel zu warm für sie war, frei bewegen konnte, ohne auf in der Temperatur angepasste Räume angewiesen zu sein. In dem Helm gab es auch ein Mikrofon, über das Reize von Außen direkt an ihre Ohren weitergeleitet wurden. Umgekehrt war dies durch einen Außenlautsprecher mit ihrer Stimme möglich.

Nidell nahm Nitprin jetzt bei der Hand. „Wir werden zuerst beim Commander vorbeischauen.“, erklärte sie. „Ich denke, es ist gut, wenn Zirell dich gleich sieht. Dann kann sie sich über das weitere Vorgehen besser ein Urteil bilden.“ „OK.“, sagte Nitprin und griff ihrerseits die Hand der medizinischen Assistentin fester. „Was muss ich jetzt beachten?“, fragte sie. „Gar nichts.“, lächelte Nidell. „Setz einfach nur einen Fuß vor den anderen wie sonst auch.“ Nitprin machte einen zaghaften Schritt. „Na siehst du! Geht doch.“, lobte Nidell und lächelte erneut. Sie verließen die Krankenstation und Ishan, der ihnen noch ebenfalls lächelnd nachsah.

Zirell saß gemeinsam mit ihrem ersten Offizier in ihrem Bereitschaftsraum. Die Beiden warteten mit einigen Tassen Kaffee auf Nachricht von der Krankenstation. Sie wussten, dass das Leben der kleinen Breen am seidenen Faden hing und das machte vor allem Maron sehr nervös. War sie doch die einzige Zeugin, die es wohl für die seltsamen Vorkommnisse im Universum der Föderation gab. Beobachter der Zusammenkunft hatten Nugura eine fast schon gleichgültige Natur bescheinigt, seit sie von Khitomer zurückgekehrt war und das war ein Zustand, der ihrer Meinung nach jetzt schon viel zu lange andauerte. Den Grund dafür vermochten sie noch nicht sicher festzustellen, aber man ahnte, dass es etwas mit dem Fremden zu tun gehabt haben musste. Auch die von IDUSA gemeldete Tatsache, dass der Fremde mit einem zivilen Breenschiff angereist war, ließ sie denken, dass die Kleine eventuell etwas Licht ins Dunkel bringen und einige Lücken in diesem Puzzle schließen könnte.

Maron hatte sich jetzt schon die zehnte Tasse Kaffee vom Replikator servieren lassen. „Wenn du so weiter machst.“, sagte Zirell. „Dann muss ich Ishan noch befehlen, dich auf der Krankenstation erst einmal anständig zu entgiften! Und vernehmen könntest du dann auch niemanden. Wenn du einen Kaffeerausch hast, kannst du schließlich nicht gut aufpassen.“ „Ach was.“, sagte Maron, dessen nervöses Verhalten durch den vielen Kaffee nur noch verstärkt wurde. „IDUSA zeichnet doch alles auf. Wenn die Zusammenkunft noch Fragen hat, können sie die Antworten ja im Protokoll nachlesen.“ „Es geht aber auch darum, dass die richtigen Fragen gestellt werden.“, erinnerte Zirell ihn an einige grundlegende Dinge, die er eigentlich schon auf der Agentenschule gelernt haben sollte. „Manchmal resultieren diese Fragen auch aus Aussagen, die ein Zeuge spontan macht. Wenn du das nicht wirklich auf dem Schirm hast, dann …“ „Schon klar.“, sagte Maron. „Aber ich hoffe wirklich, dass es noch eine Zeugin geben wird, wenn …“

Statt das elfte Mal die Tasse zu treffen, hatte Maron sich den ganzen Kaffee über die Uniform gekippt. „Na, ich würde sagen, du lässt das mit dem Kaffee erst mal.“, sagte Zirell und half ihm großzügig bei der Säuberung. „Du bist ja schon viel zu zittrig. Wir müssen so oder so warten. An der Überlebenschance der kleinen Breen wird dein Kaffeekonsum nichts ändern. Das liegt eben einfach nicht in unserer Hand. Vielleicht in Ishans, vielleicht aber auch nicht. Falls sie nicht überleben sollte, wirst du dich nach einem anderen Zeugen umsehen müssen, aber da wird es mit Sicherheit noch einige geben. Ich meine, ihr wart ja schließlich nicht allein auf Khitomer und …“ „Von den Politikern der Föderation kannst du keine Aussage erwarten, Zirell!“, ging Maron dazwischen. „Sie sind genau so willenlos wie ihre Präsidentin. Viele dürften nicht einmal mehr in der Lage sein, ihr alltägliches Leben zu bestreiten. Aber nicht nur den Politikern geht es so. Fast jeder einfache Bürger ist betroffen. Zumindest dann, wenn ich den Sattelitenbildern Glauben schenken kann, die mir Zoômell und der Rest meiner Kollegen übermittelt hat.“ „Pfui Spinne!“, rief Zirell aus. „Jetzt müssen wir schon unsere Freunde ausspionieren! Aber wenn wir rausbekommen wollen, unter was für einer rätselhaften Krankheit die Föderation leidet, dann müssen wir das wohl. Uns bleibt ja keine andere Wahl. Von sich aus melden werden sie es nicht. Das können sie ja wohl gar nicht mehr. Außerdem sind da noch die Daten der Xylianer. Weißt du, dass sie herausgefunden haben, dass die Anschuldigungen gegen die Föderation, die von den Romulanern ausgesprochen worden sind, der Wahrheit entsprechen?“ „Die Daten habe ich auch gelesen.“, sagte Maron betroffen. „Das bedeutet, der Fremde hatte in diesem Fall Recht.“ „Genau das.“, sagte Zirell. „Ich weiß mit Sicherheit, dass Sytania hier irgendwo eine Möglichkeit gefunden hat, einen Hebel anzusetzen. Ich denke, dass sie irgendwas mit der mysteriösen Krankheit der Föderation zu tun hat. Vielleicht ist der Fremde ihre neue Marionette. Wissen die Götter, womit sie ihn erpresst, damit er für sie arbeitet!“ „Oh, sie ist eine Mächtige.“, sagte Maron mit ironischer Betonung. „Sie wird mit Sicherheit einen extrem miesen Weg gefunden haben, ihn von sich abhängig zu machen.“ Zirell nickte zustimmend.

Nidell und Nitprin waren auf den Flur eingebogen, der sie direkt zu Zirells Bereitschaftsraum führte. „Sie wird wahrscheinlich sehr überrascht sein, dich doch so gesund zu sehen.“, sagte Nidell. „Das glaube ich auch.“, stimmte Nitprin zu. „Dein Vorgesetzter war ja nicht sicher, ob ich das hier überhaupt überlebe.“ „Das stimmt.“, sagte Nidell. „Aber so ist Ishan. Das hängt vielleicht auch mit seinem aldanischen Bewusstsein zusammen. Soweit ich weiß, sind die Aldaner immer sehr sachlich und nüchtern. Ähnlich wie die Vulkanier. Ich denke einfach, er wollte keine falschen Hoffnungen bei uns wecken, die er dann doch nicht erfüllen kann. Dein Zustand war wirklich sehr ernst, als Joran dich fand. Du hättest tatsächlich um ein Haar nicht überlebt. Ishan und ich haben alles mit angesehen.“ „Was hat er denn gemacht, damit ich doch noch überlebt habe?“, fragte Nitprin, der klar war, dass auf der Reise zur Station etwas geschehen sein musste, um sie zu stabilisieren.

Nidell blieb stehen und begann nachzudenken. Sie wusste nicht, ob sie ihr tatsächlich so genau sagen sollte, was mit ihr geschehen war. Das sensible Geschöpf befürchtete wohl, dass es bei der Kleinen zu einer Art von Missverständnis führen könnte, wenn sie alle Details erführe. „Bitte, Nidell.“, drängte Nitprin.

Die junge Tindaranerin wendete sich einer Nische zu, in der es eine Sitzgelegenheit für Wartende gab. Dann setzten sich Nitprin und sie auf zwei der auf Tindara üblichen bunten Sitzkissen vor einen in hellen Farben gestalteten Tisch. Nidell befahl dem Replikator etwas auf Tindaranisch und dieser spuckte zwei riesige Eisbecher aus. „Das sieht ja aus wie eine Entschuldigung im Namen des tindaranischen Militärs!“, stellte die kleine doch für ihr Alter sehr intelligente Breen fest. „Ist es denn so schlimm, was Joran mit mir machen musste?“

Nidell nahm einen Bissen von ihrem Eis, der allerdings sehr schnell heruntergeschluckt wurde. Es schien Nitprin fast, als sollte dieser Bissen etwas mitnehmen, das bereits an die Oberfläche drängte, aber dort nicht hin sollte. „Du kannst es ruhig sagen.“, sagte Nitprin. „Joran hat mein Leben gerettet! Was immer er tun musste, hat er bestimmt nicht böse gemeint.“, sagte Nitprin. „Du kannst es mir ruhig sagen.“ „Na gut.“, sagte Nidell. „Du weißt vielleicht, dass du nackt warst, als du in IDUSAs Frachtraum erwacht bist. Joran hatte von Ishan Befehl bekommen, dich zu entkleiden, weil dein Kälteanzug defekt war. Außerdem musste er dir eilig Eiszapfen in alle Körperöffnungen stecken, um dich schnell genug herunterkühlen zu können. In alle, Nitprin. Es kann also sein, dass deine …“ „Na und?!“, sagte Nitprin laut. „Das ist doch aus medizinischer Sicht nur ’ne Hautmembrane! Was hätte mir die denn genützt, wenn ich tot gewesen wäre? Gar nichts! So lebe ich wenigstens und kann aussagen! Ich sag’ dir jetzt mal was! Der Typ, der meinen Vater getötet und unser Schiff geklaut hat, darf damit nich’ davonkommen, der kranke Freak! Außerdem schulde ich das Allrounder Scott. Ohne sie hätte ich nicht überlebt. Ich muss das aufklären! Ich bin die Einzige, die das kann! Jetzt bring mich bitte zu eurem Commander und eurem ersten Offizier, Nidell, damit ich das bald hinter mir habe. DA is’ so ’ne Hautmembrane doch wohl das kleinste Übel. Aber du weißt ja gar nicht, ob es wirklich passiert ist. Aber das könntest du ja mit deinem Erfasser herausfinden.“ „Den habe ich jetzt nicht bei mir.“, gestand die medizinische Assistentin. „Ich müsste ihn erst von der Krankenstation holen.“ „Ach.“, sagte Nitprin gelangweilt. „Das ist doch jetzt völlig unwichtig. Wenn das passiert is’, dann war ich, als es passiert is’, doch eh bewusstlos und hab’ nix gemerkt. Wichtig is’, dass ich lebe! Und jetzt bring mich bitte sofort zu Zirell und Maron!“

Nidell war tief beeindruckt über die offensichtliche Tatsache, dass dieses kleine Mädchen doch so tapfer mit der für sie selbst wohl viel peinlicheren Situation umging. Deshalb ließ sie ihren Eisbecher halb leer in die Materierückgewinnung gleiten, stand auf und sagte: „Dann komm.“ Dann ging sie mit Nitprin weiter in Richtung Bereitschaftsraum.

Kapitel 24: Unverhoffte Heilung

von Visitor

 

Immer noch waren Maron und Zirell in die Diskussion über die Situation der Föderation vertieft. „Sie sind jetzt sehr schwach und angreifbar.“, sorgte sich Zirell. „Denkst du, dass eventuelle Feinde das ausnutzen könnten? Ich denke da insbesondere an die Genesianer oder Sytania.“ „Die Genesianer kann ich ausschließen.“, lächelte Maron. „Sie würden einen Angriff auf eine so wehrlose Macht nicht wagen, weil es in ihren Augen unehrenhaft wäre, einen geschwächten Gegner zu bekämpfen. Bei Sytania wäre ich mir da allerdings nicht so sicher. Du hast Recht.“ „Zumal das Ganze ja ohnehin sehr nach ihr stinkt, wenn du mich fragst.“, meinte Zirell. „Oder was sagt dir deine demetanische entenschnabelartige Spürnase?“

Maron lehnte sich zurück und tat, als wolle er die Luft im Raum einsaugen. Natürlich wusste er, dass es unmöglich war, Sytanias Absichten zu erriechen, aber er wollte den Scherz seiner Vorgesetzten bezüglich seiner für die Meisten sicher ungewöhnlich geformten Nase gern aufgreifen. „Du hast Recht, Zirell.“, sagte er betont angeekelt. „Hier stinkt es wirklich gewaltig nach den bösartigen Absichten einer gewissen imperianischen Königstochter. Vielleicht sollten wir mal das Fenster öffnen.“

„Unterstehen Sie sich!“ Der Einwand des Stationsrechners kam für Maron und Zirell gleichermaßen erschreckend und überraschend. Beide wussten zwar, dass sie alles zwangsläufig mitbekommen würde, waren aber nicht darauf gefasst, dass sie den Simulator im Raum benutzen würde, um sich ihnen mit einem dermaßen erschrockenen Gesicht zu zeigen. „Er hat nur einen Scherz gemacht, IDUSA.“, beruhigte Zirell mit einer betont langsamen und ruhigen Geste, die ihre freundlichen und von einem Grinsen begleiteten Worte unterstrich. „Es ist alles in Ordnung. Niemand von uns beabsichtigt, sich den lebensfeindlichen Bedingungen des Weltraums auszusetzen.“ „Du könntest es aber mal mit einer atmosphärischen Reinigung versuchen.“, lächelte Maron. „Das ist unnötig.“, sagte IDUSA. „In der Raumluft sind keine Moleküle vorhanden, die auf eine übermäßige Luftverschmutzung jenseits der programmierten Parameter schließen lassen.“ „Hör gefälligst auf, sie so zu ärgern!“, ermahnte ihn Zirell. „Du kannst dir doch wohl denken, dass ein Computer wie sie das Konzept des Humors nicht versteht.“

Maron sah seine Vorgesetzte irritiert an. „Ich verstehe euch Tindaraner manchmal nicht.“, gab er zu. „Auf der einen Seite soll ich die Computer rein rechtlich wie Lebensformen behandeln, aber auf der anderen Seite soll ich verstehen, dass …“ „Nehmen wir zum Beispiel Allrounder Betsy.“, warf Zirell ein, um ihrem ersten Offizier das Verständnis der Situation zu erleichtern. „Du hast ihr Hilfe angeboten, weil sie eine Behinderung hat. Wenn du sie vernommen hast, hast du darauf geachtet, dass du bestimmte Fragen nicht stellst. Beispielsweise nach Farben, weil du weißt, dass sie diese nicht beantworten kann. Du hast also Rücksicht auf ihre Behinderung genommen.“ „Ah, ich glaube, ich verstehe.“, sagte Maron. „Wenn ich das Humorproblem als eine Art Behinderung der IDUSA-Einheiten sehe, dann werde ich darauf selbstverständlich Rücksicht nehmen.“ „Na siehst du.“, sagte Zirell. „Du bist ja gar nicht so dumm, wie du dich selbst gern darstellst.“

Maron rief sich den Ausgangspunkt ihrer Diskussion noch einmal in Erinnerung. Dann sagte er: „Ich finde, wir sollten mit der Zusammenkunft besprechen, ob wir die Föderation beschützen dürfen. Ich meine, eine Entscheidung in der Hinsicht können wir von Nugura wohl kaum erwarten. Deshalb können wir sie auch leider nicht in die Entscheidung mit einbeziehen.“ „Im Normalfall.“, sagte Zirell. „Würde ich dir nicht zustimmen, Maron, denn das käme einer Entmündigung der Föderation gleich. Aber wir haben hier ja nun einmal keinen Normalfall.“ „Und entmündigt hat sich die Föderation ja auch schließlich selbst.“, sagte Maron. „Und zwar in dem Moment, in dem sie sich diesem Wäscher anheim gegeben hat.“ „Genau.“, sagte Zirell. „Aber wir sollten auch keine Alleingänge versuchen. IDUSA soll mir eine Verbindung mit der Zusammenkunft schalten. Ich denke, wir müssen, wenn wir das wirklich tun, auch die Aldaner und andere Verbündete der Föderation mit einbeziehen. Wir, oder besser die Zusammenkunft, sollten ihnen erklären, was hier vorgeht und sie über unseren Schlachtplan in Kenntnis setzen.“ „Das sowieso.“, sagte Maron und nickte. „Aber du kannst doch so gut mit deiner Schulfreundin Darell. Es wäre wohl besser, wenn du ihr den Vorschlag unterbreitest.“ „Das hatte ich auch vor.“, sagte Zirell. Dann wendete sie sich der Sprechanlagenkonsole zu: „IDUSA, mach mir eine Verbindung mit …“

 

Bevor sie weiter sprechen konnte, hörte sie ein vertrautes Piepen aus dem Gerät. „Das ging aber schnell.“, scherzte Maron. „Ich kann mich nicht erinnern, dass du den Neurokoppler aufgesetzt hast. Also wie hat IDUSA deine Gedanken gelesen?“ „Das hat sie nicht.“, sagte Zirell. „Das Rufzeichen ist nicht das der Zusammenkunft, sondern das der äußeren Türsprechanlage.“ „Wer könnte da draußen sein?“, fragte Maron. „Das werden wir gleich wissen.“, sagte Zirell und nahm das Mikrofon in die Hand: „Hier Commander Zirell!“ „Zirell, hier ist Nidell.“, kam es zurück. „Ich habe die kleine Nitprin bei mir. Du weißt schon. Das Breenmädchen, das von Joran geborgen worden ist. Sie möchte dringend gegenüber Maron aussagen.“

Marons Gesicht lief blass an. Er hatte nicht mehr damit gerechnet, dass seine einzige Zeugin tatsächlich noch am Leben sein konnte. Zwar hatte er das Display der Sprechanlage auch übersehen können, hatte sich aber noch keinen Reim auf den Schatten hinter Nidell machen können. Da sich die Beiden in der Körpergröße nicht wirklich unterschieden, hatte er die Kleine erst für eine verzerrte Spiegelung seiner tindaranischen Untergebenen gehalten, obwohl sich das Aussehen von Nidell und Nitprin doch eigentlich nicht wirklich ähnelte. Aber ihm war wohl immer noch Ishans letzter Satz in Erinnerung, in dem der Arzt keine sehr gute Prognose für Nitprin abgegeben hatte. Vielleicht konnte einfach nicht sein, was nicht sein durfte. Aber offensichtlich war Nitprin doch sehr zäh. „Was hat sie gerade gesagt?!“, fragte Maron mit einer Mischung aus Freude und Erstaunen. „Die Kleine lebt?!“

Zirell und Maron bekamen mit, wie Nidell das Mikrofon mit gedrückter Sendetaste an Nitprin weitergab. Dann flüsterte sie ihr zu: „Hier, sag was.“ „Hallo, Commander Zirell, hallo, Agent Maron.“, sagte die kleine Breen etwas schüchtern. „Hallo, Nitprin.“, sagte Zirell. „Anscheinend geht es dir schon wieder besser, was?“ „Ja, Commander.“, antwortete Nitprin. „Aber ich würde jetzt gern eine Aussage machen.“ „Nicht so schnell!“, sagte Zirell. „Du kommst jetzt erst mal rein und setzt dich zu uns! Ich könnte mir vorstellen, dass du trotz allem noch sehr schwach bist. Schließlich wärst du beinahe gestorben. Ich bin sicher, das steckt man nicht einfach so weg. Über alles andere können wir dann immer noch reden.“ „OK.“, sagte Nitprin und gab das Mikrofon an Nidell zurück, die es wieder einhängte. Dann betraten sie und das Mädchen den Bereitschaftsraum.

Zirell schob ihnen zwei der üblichen zylindrischen Sitzkissen hin, die sie aus einer Ecke geholt hatte. „Setzt euch.“, bot sie an. Nidell und Nitprin kamen dieser Aufforderung bereitwillig nach. Dann drehte sich die ältere Tindaranerin von ihrem Schreibtisch weg und wandte sich ihrem Gast zu. „Erst einmal willkommen im Leben, Kleine. Anscheinend hat unser medizinischer Offizier etwas übertrieben, was deinen Gesundheitszustand angeht.“ „Das kann schon sein, Commander.“, sagte Nitprin förmlich. „Oder ich bin zäher, als ich aussehe.“ „Das kann natürlich auch sein.“, sagte Zirell. „Aber noch mal was anderes. Nidell wird dir doch sicher einiges über unsere Gepflogenheiten erzählt haben. Warum nennst du mich nicht einfach Zirell?“ „Weil das für mich komisch ist, Commander.“, sagte Nitprin. „Ach, das muss es nicht sein.“, sagte Zirell. „Hier auf Tindara ist das sogar üblich. Die IDUSA-Einheiten sind die Einzigen, die uns siezen. Ansonsten wird sich geduzt. Sogar mein erster Offizier nennt mich beim Vornamen und Nidell darf das auch. Sogar Shannon, obwohl sie nur ein Technical Assistant ist. Du siehst also, Kleine, vom höchsten bis zum niedrigsten Rang wird sich auf tindaranischen Stationen und Schiffen geduzt von früh bis spät.“

Immer noch recht hilflos sah sich Nitprin im Raum um. Ihr Blick war auf Maron gefallen, in dessen Gesicht das Mädchen mit durchschnittlicher Bildung einer Schülerin der Junior High School gut erkennen konnte, welcher Spezies er angehörte. „Sie sind Demetaner.“, erkannte sie. „Oh, jetzt hast du mich aber erwischt.“, sagte Maron scherzhaft und machte ein reumütiges Gesicht. „Ab sofort sage ich nichts mehr, ohne meinen Anwalt.“ Nitprin grinste unwillkürlich. „Na siehst du.“, sagte Maron. „Du lachst ja schon wieder.“ „Ich meinte damit nur.“, sagte Nitprin. „dass es für Sie doch auch zuerst sehr seltsam gewesen sein musste, hier zu arbeiten, Agent, oder?“ „In gewisser Hinsicht hast du Recht.“, gab Maron zu. „Vor allem mit der Behandlung der IDUSA-Einheiten hatte ich meine Probleme. Der Rechner der Station könnte dir bestimmt ein oder zwei Lieder davon singen. Mit dem zusammengenommen, was der Rechner des Schiffes, das jetzt in Wartung auf Celsius ist, mit mir erlebt hat, kriegen die Beiden sicher ein schönes Album zusammen.“ „Oh, der Stoff reicht sicher für eine ganze Konzerttour.“, scherzte Zirell. „Die zwei sollten eine Band gründen.“ „Einen reumütigen Fan hätten sie in jedem Fall schon.“, sagte Maron und machte ein bedientes Gesicht. Dann murmelte er sich etwas auf Demetanisch in seinen 3-Tage-Bart. Zirell verstand zwar nicht, was er gemeint hatte, konnte sich aber denken, dass er sich mal wieder ermahnt haben musste, sich stärker an die tindaranische Kultur zu halten, oder dergleichen. Das wusste sie, auch wenn sie ihre telepathischen Fähigkeiten nicht eingesetzt hatte. Dafür kannte sie ihren ersten Offizier einfach zu gut. „Na, so schlimm ist es auch nicht, Maron.“, tröstete sie. „Du hast ja schon erstaunliche Fortschritte gemacht.“ „Wenn du das meinst.“, sagte Maron bescheiden.

„Hör mal, Kleine.“, wendete sich Maron danach an Nitprin. „Wenn sogar ich das hinkriege, dann dürfte das doch für dich wohl kein Problem darstellen. Du scheinst ziemlich schlau zu sein, wenn man bedenkt, dass du einen Notrufsender aus den primitivsten Teilen zusammengebaut hast, der uns erst auf deine Spur gebracht hat.“ „Ach, Agent.“, sagte Nitprin. „Das sind doch nur einige physikalische Grundkenntnisse.“ „Das kann ja sein.“, sagte Maron. „Aber die muss man erst mal umsetzen können. Ich denke, dass ich dazu wohl kaum in der Lage wäre, weil ich offen gestanden zwei linke Hände und einen manchmal nicht gerade zuverlässigen Verstand habe.“ „Jetzt übertreiben Sie aber, Agent.“, sagte Nitprin höflich. „So schlimm wird es schon nicht sein mit Ihnen.“ „Was hat dir Zirell denn gerade erklärt?“, fragte der Agent. „Ich traue mich nicht.“, gab Nitprin verschämt zu.

Zirell legte den Kopf in die Hände und dachte nach. „Was sie hier gerade sah, erinnerte sie sehr stark an die Anfangszeit mit einem gewissen Demetaner, der das aber jetzt eigentlich gut im Griff hatte. Wenn sie einfädeln könnte, dass dieses kleine Mädchen vielleicht bei ihm bleiben würde, dann könnte sie sehr gut von einem ehemaligen Leidensgenossen lernen. „Ich habe einen Vorschlag.“, sagte sie mit einem diplomatischen Lächeln auf den Lippen. „Die Kleine Maus hier wird doch sicher jemanden benötigen, der sich um sie kümmert. Schließlich ist sie noch minderjährig.“ Sie sah Maron mit schmeichlerischem Blick über den Rand einer Kaffeetasse hinweg an. „Nein, das wird nichts, Zirell!“, lehnte der erste Offizier zunächst fest ab. „Ich halte mich für einen miserablen Vater. Bei mir würde sie garantiert zu kurz kommen. Ich erinnere mich noch gut an ein Projekt aus meiner Schulzeit. Damals sollte ich mich um einige terranische Nacktschnecken kümmern. Die sind aber leider alle eingegangen. Vor kurzem habe ich im Heimaturlaub auch die talaxianischen Tila-Blumen meiner Nachbarin eingehen lassen, obwohl ich wirklich alles beachtet habe, was in den Datenbanken über ihre Pflege stand. Sogar einen Blumendoktor habe ich konsultiert. Aber das Ergebnis war, dass alles nichts gebracht hat und meine Nachbarin heute kein Wort mehr mit mir redet. Die Lehrer haben mir damals auch ziemlich die Ohren lang gezogen. Ich bin einfach kein guter Pfleger.“ „Sie ist weder eine Schnecke, noch eine Pflanze, Maron und du bist kein Schüler mehr.“, sagte Zirell. „Du wirst also feststellen, dass dein Beispiel gewaltig hinkt. Warum versuchst du es nicht einfach mal? Ich meine, dann könntet ihr das Angenehme gleich mit dem Nützlichen verbinden. Sie hat ein Zuhause und du kannst sie vernehmen, wann immer du willst, ohne vorher mit jemandem anders Verabredungen treffen zu müssen.“ „Sie hat Recht, Agent.“, stimmte Nitprin Zirell zu. „Außerdem bin ich kein Baby mehr. Wenn mir etwas fehlt, kann ich es selbstständig sagen.“ „Und das würdest du auch tun?“, versicherte sich Maron. „Da haben Sie mein Wort drauf, Agent.“, sagte Nitprin.

Eine Weile lang dachte Maron nach. Dann sagte er: „Also gut. Versuchen wir es. Wenn ich Fragen habe, dann …“ „OH, IDUSA wird sicher bereit sein, dich mit jedem Erziehungsratgeber der Galaxie zu verbinden, oder dir Daten von dort zu besorgen.“, unterbrach Zirell. „Das bezweifle ich nicht.“, sagte Maron. „Und im Zweifel kann ich ja immer noch Joran fragen. Immerhin hat er Erfahrung in der Vaterschaft.“ „Oh, ja.“, sagte Zirell. „Die hat er.“

Nitprins Gesicht wurde blass. „Ich glaube, wir sollten dich ins Bett bringen, Jinya.“, sagte Maron. „Du bist schließlich noch immer nicht ganz gesund.“ „Aber meine Aussage.“, sagte Nitprin mit immer schwächer werdender Stimme. „Die kannst du sicher auch noch morgen machen.“, sagte Maron. „Ich halte es für viel wichtiger, dass du dich jetzt erst mal ausschläfst.“ „Aber ich habe doch schon sehr lange geschlafen.“, sagte Nitprin. „Das kann schon sein.“, mischte sich Nidell ein. „Aber das war eine Bewusstlosigkeit und kein gesunder entspannender Schlaf. Den braucht dein Körper aber, um das, was mit ihm passiert ist, verarbeiten zu können. Für deinen Kreislauf und dein Nervensystem war das Überleben unter widrigen Umständen ein ziemlicher Stress.“ „Also gut.“, sagte Nitprin und hakte sich bei Maron unter, der sich zu ihr gewandt hatte und der daraufhin nur sagte: „Also gut, Jinya. Ich zähle jetzt bis drei und dann stehen wir zusammen auf. Eins , zwei, drei!“

Zu seinem eigenen Erstaunen war es ihm tatsächlich gelungen, Nitprin auf ihre Beine zu ziehen. Aber wahrscheinlich hatte auch die Gehhilfe, die sie immer noch trug, ihren Teil dazu beigetragen. Nidell gab Maron die Fernsteuerung für das Gerät in seine freie Hand. „Ich würde sagen, du begleitest uns noch, Nidell.“, sagte der Agent und gab ihr das Gerät zurück. „Ich meine, jemand sollte mir beibringen, wie man mit so etwas umgeht, bevor ich sie noch aus Versehen zu Fall bringe.“ „Das hätte ich sowieso getan, Maron.“, lächelte die medizinische Assistentin. „Schließlich endet meine Verantwortung erst dann, wenn sie wieder völlig gesund ist. Ishan und ich werden während ihrer Erholungsphase selbstverständlich immer für dich erreichbar sein.“ „Das ist sehr beruhigend.“, sagte der Demetaner und machte einen langsamen Schritt in Richtung Tür. Langsam und etwas zittrig folgte Nitprin. „Keine Angst, Jinya.“, sagte Maron leise, während sie den Bereitschaftsraum verließen. „Ich habe dich und Nidell hat die Gehhilfe unter Kontrolle. Wir werden dich schon nicht fallen lassen.“

Zirell blieb lächelnd zurück. Ihr war klar, dass es in diesem Zusammenhang noch viele ungeklärte Dinge gab, aber das würde sich jetzt alles langsam aber sicher aufklären. Sie war sicher, dass die Kleine in ihrer jetzigen Situation auf ihrer Basis am allerbesten aufgehoben war. Jetzt bereits die zivile Fürsorge zu informieren, hielt die tindaranische Kommandantin für reichlich verfrüht! In einem Kinderheim auf Tindara oder auch in der Föderation würde man nicht für ihre Sicherheit garantieren können und das war ein Umstand, den Sytania sicher liebend gern ausgenutzt hätte, wenn das tindaranische Militär ihr diese Möglichkeit gelassen hätte. Aber daran dachte Zirell nicht im Traum! Sie kannte Sytania gut genug, um zu wissen, dass sie dies auf keinen Fall zulassen durfte.

Sie wendete sich der Sprechanlage zu, kam aber nicht wirklich zu dem, was sie vorhatte, denn IDUSA meldete sich: „Commander, denken Sie wirklich, dass der Agent für das Kind Verantwortung übernehmen sollte? Ich meine, dies ist in der gegenwärtigen Situation sicher kein Ort für ein Kind.“ „Normalerweise würde ich dir zustimmen, IDUSA.“, sagte Zirell. „Die Protokolle besagen eindeutig, dass sich in so einer angespannten Situation eigentlich keine Zivilisten und schon gar keine Minderjährigen auf einer tindaranischen Militärstation aufhalten sollen. Aber sie ist nun einmal eine wichtige Zeugin. Wir sollten also alles daran setzen, für ihre Sicherheit zu garantieren und das werden wir jetzt auch tun, indem wir gegenüber der Föderation und Sytania ein Zeichen setzen. Wir werden der Föderation sagen, dass sie nicht allein ist und Sytania, dass wir uns nicht gefallen lassen, dass sie unsere Freunde bedroht! Mach mir eine Verbindung mit der Zusammenkunft!“ „Wie Sie wünschen, Commander.“, sagte IDUSA und begann mit der Ausführung ihres Befehls.

Maron, Nidell und Nitprin waren bei Marons Quartier eingetroffen. Hier führten die Erwachsenen das Mädchen sofort ins Gäste- oder in diesem Fall wohl eher Kinderzimmer. Dann halfen sie ihr noch in das weiche gemütliche Bett. Da sie noch immer ein Nachthemd von der Krankenstation über ihrem Kälteanzug trug, war es nicht nötig, sie umzuziehen. „Du solltest IDUSA beauftragen, Nitprins Gesundheit zu überwachen und dir sofort zu melden, wenn etwas nicht stimmt.“, schlug Nidell vor. „Parallel sollte sie Ishan und mich in Kenntnis setzen. Aber wenn sonst irgendwas ist, sollte dich Nitprin auch erreichen können. Zeig ihr am besten gleich mal, wo der Knopf an der Sprechanlage ist, der sie mit deinem Arbeitsplatz verbindet.“ „Das muss er mir nicht zeigen, Nidell.“, warf Nitprin ein. „Ich bin schließlich zur Schule gegangen und kann lesen. Ach übrigens, wie machen wir das eigentlich damit? Ich meine, ich will nichts verpassen.“ „Du bist wohl die erste Jugendliche, die ich kenne, die freiwillig zur Schule geht, Jinya.“, sagte Maron lachend. „Na ja.“, sagte Nitprin. „Ich will schließlich später mal was werden. Außerdem macht mir das Lernen Spaß. Vielleicht trete ich später einmal in die Fußstapfen von meinem Vater und wenn ich Archäologin werden will, dann muss ich ja wohl einiges auf dem Kasten haben, oder?“ „Da hast du sicher Recht, Jinya.“, sagte Maron fast zärtlich. „Aber jetzt bist du erst mal krank und Kranke brauchen nicht zur Schule. Bis du wieder gesund bist, werden wir sicher eine Möglichkeit für Fernunterricht gefunden haben. So etwas gibt es ja heute schon.“ „Das weiß ich.“, sagte Nitprin. „Meine High School bietet es sogar an. Ich kann euch das Rufzeichen vom Direktorat geben.“ „Das ist zwar sehr löblich.“, sagte Maron. „Aber das hat sicher Zeit bis morgen. Wenn du mir das Rufzeichen dann sagst, werde ich sicher eine Möglichkeit finden, alles mit deinem Direktor zu besprechen. Aber jetzt wird geschlafen! Sonst wirst du ja nie wieder gesund! Gute Nacht, Jinya!“

Er wendete sich zum Computermikrofon: „IDUSA, die Beleuchtung in diesem Raum langsam auf Nachtstatus reduzieren!“ „Sofort, Agent.“, sagte die Stimme des Rechners und dieser führte seinen Befehl aus.

Maron drehte sich in Richtung Tür, wo Nidell ihn bereits erwartete, aber Nitprin schien noch nicht zufrieden zu sein. „Warte bitte, Maron!“, rief sie ihm zu. „Du benutzt da dauernd ein Wort, das ich nicht verstehe!“ „Was meinst du?“, fragte Maron und wandte sich ihr ein letztes Mal zu. „Dieses Jinya.“, sagte Nitprin. „Was heißt das?“ „Es heißt Mäuschen, Schatz oder Liebling auf Demetanisch.“, sagte Maron. „Dann hast du mich gern?“, fragte Nitprin und wirkte dabei sehr überrascht. „Warum nicht?“, fragte Maron. „Du bist doch eine liebe kleine süße Maus, die in einer sehr schlimmen Situation ist. Der Vater wurde von Sytanias Marionette getötet und die Mutter ist auch tot, außerdem bist du krank. Warum sollte ich dich nicht gern haben und mich nicht um dich kümmern wollen?“ „Weil du ein ehemaliger Sternenflottenoffizier bist und ich eine Breen.“, sagte Nitprin. „Vor 800 Jahren waren wir mal Feinde.“

Maron stützte sich übertrieben an der Wand ab und tat auch sonst, als sei er ein gebrechlicher alter Mann, der schon leicht schwerhörig und fast blind war. Dann stakste er im Zimmer auf und ab. Nidell, die sein Verhalten zwar lustig fand, sich aber noch keinen wirklichen Reim darauf machen konnte, fragte nur: „Was soll denn dein Verhalten bedeuten, Maron?“ „Was haben Sie gerade gesagt, junges Fräulein?“, fragte Maron und machte in übertriebener Weise die Stimme eines alten Mannes nach, dessen Zahnersatz wohl auch schon mal genauer passende Tage gesehen haben musste. „Sie müssen schon lauter sprechen. Meine Ohren sind nicht mehr so gut. Wer hängt heute am Balken?“ „Ich würde gern wissen, welche Bedeutung dein Verhalten hat, Maron!“, spielte Nidell laut und deutlich sein Spiel mit. „Ach so, mein Verhalten. Was das bedeutet, willst du wissen.“, lispelte Maron und fuhr fort: „Ach weißt du, ich möchte der Kleinen hier nur etwas verdeutlichen. Hoffentlich machen meine alten morschen Knochen das noch mit. Ach, habt ihr hier vielleicht was zum Sitzen für einen alten Mann?“ Nidell schob ihm ein Sitzkissen hin, auf das sich Maron laut stöhnend fallen ließ. „Ach, danke, junges Fräulein.“, sagte er. „Wissen Sie, mit über 800 Jahren ist das mit der Bewegung gar nicht mehr so einfach.“ „Nun tu mal nicht so.“, lachte Nitprin vom Bett aus. „So alt kannst du ja noch gar nicht sein, Maron. Vor 800 Jahren warst du doch noch gar nicht geboren.“

Ratzfatz hatte sich der gebrechliche Maron wieder in den jungen Offizier verwandelt, der er eigentlich war. Er setzte sich zu Nitprin aufs Bett, streichelte ihr Gesicht und sagte: „Siehst du, Jinya? Und genau das ist der Grund, aus dem wir keine Feinde sein können. Außerdem hat der Lauf der Geschichte ein ganz anderes Licht auf das Ganze geworfen. Es ist also alles OK. Du musst dir keine Sorgen mehr machen. So und jetzt wird geschlafen! Für heute hast du genug durchgemacht und gelernt. Schluss jetzt!“ „Na gut.“, sagte Nitprin und drehte sich um. Dann schlief sie auf der Stelle ein. Maron und Nidell verließen leise den Raum und das gesamte Quartier.

Zirell hatte mit der Zusammenkunft alles besprochen, was es zu besprechen gab. Ihre Freundin Darell hatte sich tatsächlich einverstanden erklärt, mit dem Rest ihrer Leute das Problem Föderation in der nächsten Versammlung der Zusammenkunft zu besprechen. „Es wird wohl notwendig sein, dass diese Besprechung so schnell wie möglich über die Bühne geht, Darell!“, drängte Zirell. „Mein erster Offizier meint, dass die Föderation jetzt wohl ziemlich schutzlos gegenüber Sytania wäre, wenn sie angreifen sollte. Ich bin sogar sicher, das wird sie bald tun!“ „Da kann ich dir nur zustimmen, Zirell.“, sagte das tindaranische Regierungsoberhaupt. „Unseren Informationen zu Folge gibt es Vorbereitungen im Dunklen Imperium, die auf nichts Gutes schließen lassen. Zoômells Leute haben die Vermutung, dass die Sache mit dem Wäscher vom Mars nicht ihr letzter Streich sein wird.“ „Was haben die Agenten denn gesehen?“, fragte Zirell. „Und warum hat mich Maron darüber nicht informiert?“ „Weil er auch noch nichts davon weiß.“, sagte Darell. „Die Informationslage ändert sich im Moment so schnell, dass wir kaum noch mit dem Verteilen von Informationen nachkommen. Bestätigt ist allerdings, dass Sytania eine Umgruppierung an der Spitze ihrer Vendar vorgenommen hat. Sie werden jetzt von einem Novizen Namens Dirshan angeführt und …“ „Ein Novize!“, lachte Zirell. „Wenn sich Sytania da mal nicht selbst ein dickes Ei ins Nest gelegt hat.“ „Wir sollten diesen Jungen nicht unterschätzen, Zirell.“, sagte Darell eindringlich. „Ich denke, dass wir von ihm noch einiges zu erwarten haben. Aber Sytanias momentanes Verhalten macht mir eher Sorgen. Sie ist unberechenbar und man weiß nie, was sie als Nächstes planen könnte. Die Strategen können sich auf ihr momentanes Verhalten einfach keinen Reim machen. Aber ich denke auch, dass die Föderation unseres Schutzes bedarf. Ich werde dich selbstverständlich über den Ausgang der Versammlung informieren.“ „Danke, Darell.“, sagte Zirell erleichtert und ließ IDUSA die Verbindung beenden.

Kapitel 25: Fröhliche Feiern und finstere Absichten

von Visitor

 

Pünktlich wie die Maurer hatte ich zwischen Scotty und Shimar die Bar unterhalb der Zimmer betreten. „Na, ihr drei?“, fragte Ginalla und grinste über den Tresen hinweg. „Wollt ihr das Versöhnungsangebot von Radcliffes etwa wirklich annehmen?“ „Warum nicht, Ginalla.“, lächelte ich. „Nayale schien mir ehrliche Absichten zu verfolgen.“ „Nayale bestimmt.“, zischte die junge Celsianerin. „Aber bei ihrem Mann wäre ich mir da nich’ so sicher. Der mag zwar gesund tun, aber meiner Meinung nach hat der immer noch ’n gehöriges Ei am Wandern!“ „Spielst du etwa auf die gewisse Nacht an, Ginalla?“, wollte Shimar wissen. „Genau auf dieselbe.“, flüsterte sie. „Ich wette mit euch, dass da gewaltig was faul is’. Darauf verwette ich mein kleines süßes Leben.“

Ich drehte meinen Kopf spontan in Shimars Richtung und schlug die Augen nieder. Das war ein Zeichen, das er von mir gut kannte und dessen Bedeutung ihm auch nicht fremd war. „Ich kann nichts Schlimmes spüren, Kleines.“, beruhigte mich mein Freund. „Aber das muss ja nichts heißen. Falls Ginalla doch Recht haben sollte und hier was nicht stimmt, dann kann es ja auch sein, dass Sytania ihm hilft, sich gegen mich abzuschirmen. Ich weiß, dass sie das nur macht, weil es ihr im Moment nützt. Radcliffe ist ihr egal. Das weiß ich so gut wie du. Aber es ändert nichts an den Tatsachen. Aber wir können ja das Angebot von Mrs. Radcliffe einmal ausprobieren.“ „Also gut.“, sagte ich.

Wir setzten uns an einen der Tische, die Ginalla wohl in weiser Voraussicht zu zweien zusammengestellt hatte. Bei uns an der Versöhnungstafel, wie Ginalla dieses Arrangement scherzhaft nannte, saßen Radcliffes. „Bist du die berühmte Allrounder Betsy Scott?“, fragte eine kleine kecke vorlaute Kinderstimme in meine Richtung. Ich kannte diese Stimme noch nicht, ordnete sie aber spontan einem Jungen von etwa sechs Jahren zu. „Ja, kleiner Mann.“, lächelte ich ihm zu. „Die bin ich. Und wer bist du?“ „Ich heiße Malcolm Radcliffe.“, sagte der Junge. „Darf ich Tante Betsy zu dir sagen?“ „Oh, sicher, Spatz.“, sagte ich freundlich. „Und dass sind der Onkel Shimar und der Onkel Scotty.“

Mir fiel auf, dass der Kleine seine Tasse heiße Schokolade, die er vor sich stehen hatte, lange nicht mehr bewegt haben musste. „Nun trink aus, Malcolm.“, sagte Nayale, deren Stimme ich jetzt rechts neben ihrem Kind wahrnahm. „Sonst beschwerst du dich nachher wieder über die fiese ekelige Haut.“ „Ich mag auf einmal nich’ mehr, Mummy.“, sagte Malcolm und stand auf. „Ich muss auf Klo!“

Er wuselte zwischen uns durch und hatte den Raum verlassen. „Ui.“, stellte Shimar fest. „Da ist aber jemand aufgeregt. Mr. Radcliffe, ich glaube, es wäre gut, wenn Sie Ihren Sohn begleiten würden. Ich verstehe zwar nicht viel von Kindererziehung, aber ich …“ „Er ist alt genug.“, sagte Nathaniel. „Er wird schon zurechtkommen. Wichtiger ist jetzt, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie ich Ihnen, Allrounder, beweisen kann, dass mich Sytanias Kegel wieder gesund gemacht hat.“ „Da muss ich wirklich überlegen.“, sagte ich. „Gibt es etwas, das Sie vorher getan haben und bei dem Ihr Sohn …“ „Wie wär’s mit Bowling!“, warf Nayale spontan ein, die sich noch sehr gut an die Situation mit D/4 auf dem Hof der Radcliffes in Little Federation erinnern konnte. „Ich weiß nicht, wie wir das bewerkstelligen sollen.“, sagte ich. „Soweit ich weiß, hat Ginalla hier keine Simulationskammer und …“

„Dafür habe ich aber was viel Besseres!“, rief Ginalla vom Tresen herüber und wedelte mit einem Datenkristall. Ich drehte mich spontan in ihre Richtung. „Was meinen Sie damit, Ginalla?!“, fragte ich. „Das werden Sie gleich sehen.“, grinste sie und kam hinter dem Tresen hervor, nachdem sie einem ihrer Angestellten die Aufgabe des Barmixers übertragen hatte. „Kommt mal mit, ihr trüben Tassen.“, sagte sie. „Jetzt geht’s ins Eingemachte!“

Wir standen auf und reihten uns hinter Ginalla ein, die uns zu einer ziemlich geheimnisvoll anmutenden Tür links neben dem Tresen führte. Die Tür sah aus, als sei sie im 21. Jahrhundert erbaut worden. Aber wir sollten bald sehen, dass ihre Klinke und ihr Schloss nur eine optische Täuschung waren, hinter der sich ein Laufwerk für Datenkristalle verbarg. „Was wird das, Ginalla?“, fragte Shimar. „Na nu!“, sagte Ginalla und machte eine übertriebene beschwichtigende Geste. „Vertraust du etwa deiner alten Freundin nich’ mehr? Na, wo hab’ ich ihn denn?“

Sie kramte umständlich den Datenkristall aus ihrer Kittelschürze hervor, den sie dann mit einer Art ungelenker Zauberbewegung in das Laufwerk steckte. „Autorisationskristall akzeptiert.“, sagte eine Rechnerstimme und die Tür glitt zur Seite, um den Blick auf eine Art Gewölbe freizugeben, das weder Shimar noch Scotty wirklich einordnen konnten. Ich, die ich wohl ziemlich von der Neugier getrieben war, hob meinen rechten Fuß, um in das geheimnisvolle Kabinett vorzudringen, aber Scotty packte meinen Arm und hielt mich zurück. „Warte, Darling!“, sagte er. „Du siehst doch gar nicht, was da drin is’. Am Ende passiert dir noch was und ich bin schuld, weil ich nich’ aufgepasst hab’. Das würde ich mir nie verzeihen! Nein, wir gehen zusammen, wenn hier überhaupt einer geht!“ „Na gut.“, sagte ich. Dann gingen wir zwei in der üblichen Führhaltung, die ich Scotty beigebracht hatte, hinein. Shimar war zurückgeblieben und beobachtete uns aus der Entfernung. Ich war sicher, dass er auch gesehen haben musste, was sich in dem Gewölbe abspielen würde. Ich glaubte sogar, dass er schon etwas ahnte, sich aber den Moment nicht verbauen wollte, Scottys Gesicht zu sehen, wenn er darauf kommen würde.

An der veränderten Akustik bemerkte ich bald, dass wir uns mitten in dem Gewölbe befinden mussten. Scotty war stehen geblieben und schaute sich jetzt um. „Was siehst du?“, fragte ich. „Also, da sind erst mal vier Rinnen im Boden vor uns.“, beschrieb mein Mann. „Zwischen jeweils zweien davon is’ so was wie ’ne Lauffläche. Sieht auf jeden Fall sehr glatt aus.“ „Lass mich fühlen!“, sagte ich und befreite mich aus seinem Griff, um beide Hände zur Verfügung zu haben. Dann hockte ich mich hin und betastete die ersten Zentimeter der Lauffläche. Sie war wirklich sehr glatt. Ihre Form erinnerte mich tatsächlich an die einer echten Bowlingbahn! Ich wusste, dass es so etwas im Zeitalter von Simulationskammern eigentlich gar nicht, oder zumindest kaum noch, gab. Aber Ginalla musste wohl mit ihrem Hang zum Echten eine Marktlücke gefunden haben. Bei ihr schien es tatsächlich nicht nur echten Alkohol in den so genannten Real Rounds, sondern auch noch eine echte Bowlingbahn zu geben, auf der man sich noch wirklich bewegen musste!

Ich stellte mich wieder aufrecht hin und fragte: „Scotty, siehst du eine erhöhte Rinne mit Kugeln?“ „Ja, Darling.“, sagte er. „Sie ist in der Mitte zwischen den Bahnen. Die Kugeln sind alle verschieden groß und haben jede jeweils drei Löcher.“ Er hätte mir natürlich sagen können, welche Farben die Kugeln hatten, wusste aber, dass mir diese Information eh nichts bringen würde. Deshalb ließ er sie, pragmatisch eingestellt wie er war, einfach weg. „Sind am Ende der Bahnen jeweils 12 stehende Kegel an Seilen aufgehängt?“, fragte ich weiter. „Genau!“, nickte Scotty erstaunt. „Woher weißt du das, Darling?“ „Weil ich glaube, dass ich weiß, was das hier ist.“, sagte ich. „Ich glaube, Ginalla hat eine echte Bowlingbahn!“

Scotty schoss ein Bild durch den Kopf, das er noch gut aus dem Geschichtsunterricht kannte. Außerdem wusste er um Gerüchte, dass es so etwas in Ginallas Kneipe geben sollte und dass sie es nur ganz besonderen Kunden zur Verfügung stellte.

„Deine Frau hat Recht, Scotty!“, rief uns Ginalla plötzlich zu und kam angewuselt. „Bei mir gibt’s eben noch was Echtes und nich’ nur diesen virtuellen Scheiß! Den hat heute ja wohl jeder! Natürlich habe ich auch eine Simu-Kammer, aber da wollt ihr doch wohl nich’ wirklich hin, oder?“ „Oh, keine Panik, Gin’.“, schnodderte Scotty. „Wir stehen auch eher auf was Handgemachtes und Echtes, als auf virtuellen Scheiß! So und jetzt zeig uns mal bitte, wie man das Ding programmiert!“ „Darauf hab’ ich gewartet.“, sagte Ginalla lächelnd. „Und ich weiß auch schon, wem von euch ich das zeig’. Komm mal her, Shimar! Du siehst heute so clever aus.“ Mein Freund nickte und folgte ihrer Aufforderung. Dann bekam ich mit, wie sich beide im Flüsterton zu unterhalten begannen, nachdem sie sich hinter eine Konsole gesetzt hatten. Sie hatten eindeutig etwas vor. Das ahnte ich.

Ich wandte mich wieder Scotty zu: „Bitte bring mich zum Tisch zurück.“ „OK, Darling.“, sagte er und ließ mich wieder meine linke Hand auf seinen rechten angewinkelten Arm legen. Dann gingen wir langsam wieder Richtung Tisch, wo Nayale und ihr Mann uns bereits erwarteten. „Was tun Ihr Freund und die Wirtin da, Allrounder Scott?“, fragte mich Mr. Radcliffe. „Oh, so genau weiß ich das nicht.“, sagte ich und machte eine Kopfbewegung, als wollte ich sagen, dass alles in Ordnung sei. Ich wusste, eigentlich war eine Beschwichtigung nicht notwendig, aber angesichts der Situation, in der sich Mr. Radcliffe befand, konnte alles passieren. Ich vertraute Shimar und Ginalla. Shimar wusste um die ganze Sache und würde sicher aufpassen, dass Ginalla nichts Unüberlegtes tat. Er hatte die gleiche Ausbildung wie ich und konnte daher sicher sehr gut auf eine Zivilistin wie sie aufpassen und im Notfall sicher entsprechend auf sie einwirken. Aber andererseits war ich mir auch darüber klar, dass dies unter Umständen vielleicht gar nicht notwendig sein musste, denn Ginalla hatte ja auch ihre Erfahrungen mit Sytania. Dumm war sie nicht! Sie würde mit Sicherheit auch nichts tun, was uns oder sie und vor allem nicht die Radcliffes gefährden würde.

Erst jetzt war mir aufgefallen, dass mich Radcliffe die ganze Zeit Allrounder Scott genannt hatte. Eigentlich wäre das ja auch richtig gewesen, denn terranische Offiziere in der Sternenflotte wurden im Allgemeinen mit ihren Nachnamen angesprochen. Dass Mikel und ich aufgrund unserer Vergangenheit als intertemporale Flüchtlinge und Pendler eine Ausnahme bildeten, stand auf einem anderen Blatt. Ich überlegte tatsächlich, Radcliffe zu korrigieren, verwarf den Gedanken dann doch aber schnell wieder, denn mir war ein stichhaltiges Gegenargument eingefallen. Er war unter der Fuchtel von Sytania und die durfte schließlich über solche Sachen nicht informiert sein. Schließlich war sie der Feind! Mich also von einem ahnungslosen Zivilisten ab und zu mal Allrounder Scott nennen zu lassen, war da ja wohl das kleinere Übel.

Ginalla und Shimar kehrten an unseren Tisch zurück. Dann trennten sich ihre Wege. Vorher schnippte sie mir aber noch zu: „So, Allrounder, das war’s. Die Grundzüge hat er drauf.“ „Aber ich habe doch gar nicht verlangt, Ginalla, dass Sie …“, gab ich verwirrt zurück, aber sie war schon wieder hinter dem Tresen verschwunden.

Scotty stupste mich an. „Ich glaube schon, dass du hast, Darling.“, sagte er. „Wenn auch nicht bewusst, aber ich bin sicher, unser kleiner Telepath hat ihr was von unserem Gespräch mit Nayale gesteckt. Ui, der is’ stolz wie Bolle! Ginalla kann auch bis drei zählen. Sicher soll Shimar ein Spiel aussuchen, in dem wir uns messen und wo der Kleine …“ „Stimmt genau.“, sagte Shimar. „Ginalla und ich haben uns gemeinsam für celsianisches Zielkegeln entschieden. Ich habe mir den Hilfetext und die Spielregeln durchgelesen. Ich glaube, das könnte was werden.“ „Ich nehme nicht an, dass du es auswendig gelernt hast.“, sagte ich. „Da hast du Recht, Kleines.“, sagte er. „Das habe ich nicht. Aber ich kann es in Grundzügen erklären. Pass auf.“

Er begann eine telepathische Übermittlung. Aus irgendeinem Grund schien er nicht zu wollen, dass alle mitbekamen, worum es ging. Einerseits konnte ich mir diesen Umstand sehr gut erklären, war es doch an mir, die Entscheidung zu treffen, in welcher Weise Radcliffe seine Prüfung ablegen sollte. Aber auf der anderen Seite hätte ich gedacht, dass wenigstens Nayale und der Junge auch davon erfahren könnten. Alles, was ich von den Spielregeln verstand, war unter anderem, dass der Computer auf eine bestimmte Form und somit auf eine bestimmte Gruppe von Kegeln programmiert wurde, die in jedem Fall fallen mussten. Schaffte man dies mit einem Wurf, so bekam man die höchste Punktzahl. Mit jedem weiteren Versuch staffelte es sich nach unten. Je nach Schwierigkeitsgrad der Form konnte es von fünf bis zu zehn möglichen Punkten gehen. Alle Kegel, die nicht zu der Form gehörten, gaben keine Punkte. Damit man aber von Fall zu Fall auch die richtigen Kegel traf, konnte es auch notwendig werden, eine kleinere Kugel oder eine andere Technik zu verwenden. Das war in der Tat etwas ganz anderes als das plumpe alle Umwerfen, das Mr. Radcliffe so gern praktizierte und wegen dem er seinen Sohn aufgrund von eventueller Unfähigkeit schon oft getadelt hatte. Hier ging es nicht nur um Kraft, sondern vor allem auch um Köpfchen! Ein Problem gab es allerdings, auf das ich ihn jetzt ebenfalls still aufmerksam machen wollte, wusste aber nicht, ob er noch in meinem Geist war, um meine Antwort abzuwarten. Vorstellen konnte ich es mir aber sehr gut, denn Scotty hatte eine entsprechende Anmerkung gemacht. Hör mal, Srinadar., dachte ich. Das wäre sicher sehr gut, wenn wir alle sehend wären. Aber ich habe das Gefühl, du übersiehst da ein grundlegendes Problem. Wie soll ich wissen, welche Kegel in dem Bild noch stehen, he?!

Statt einer Übermittlung in Worten folgten Reihen mit Zahlen von eins bis 12. Dann einige Bilder aus Kegeln. Noch Fragen?!, fügte er noch bei, bevor er unsere Verbindung trennte. Dabei gab er mir immer ein verabredetes Zeichen, das er auch benutzte, wenn er sie aufbaute. So wusste ich, auch als Nicht-Telepathin, immer Bescheid. Mir war klar, was er mir mit diesen Bildern zeigen wollte. Der Computer würde jedes Mal die Ziffern der für das Bild wichtigen Kegel ansagen, die noch standen. Außerdem würde er mir jedes Mal erst das Gesamte und dann das Bild übermitteln, das noch zu Fall gebracht werden musste. Er würde also nicht mitspielen, sondern an der Konsole sitzen bleiben und die Bilder programmieren. Außerdem würde er als mein lebender Monitor fungieren und mir bei Bedarf die Bilder übermitteln, wenn es mir nicht möglich sein sollte, die noch umzuwerfenden Kegel nur anhand der Ansage des Computers zu lokalisieren. Die Grundform, eine auf einer Ecke stehende Raute, war mir bekannt. Mein räumliches Denken sollte also theoretisch ausreichen. Schließlich flog ich im Alltag ein Raumschiff und da ging es ja auch, wenn ich die Informationen von meinem Hilfsmittel zu interpretieren hatte. Mit den physikalischen Gesetzen eines rollenden Gegenstandes kannte ich mich auch einigermaßen aus. Ich fragte mich nur, ob das auch für den Professor galt, der sich ja immer als der Champion hervortun wollte. Nayale und sogar dem Kind traute ich das ohne weiteres zu, auch wenn der Kleine keine komplizierten Formeln kannte, um Geschwindigkeiten zu berechnen oder Winkel zu tarieren. Aber er wusste, was passierte, wenn er eine Kugel so oder so aufsetzte oder ihr einen Schwung in die eine oder andere Richtung gab. Wenn ich ehrlich war, würde ich nichts anderes tun, denn ich war noch nie ein Ass in Mathematik gewesen. Aber es ging hier ja auch schließlich nur um ein Spiel, dessen vordergründiges Ziel der Spaß sein sollte. „OK.“, sagte ich. „Damit kann ich mich anfreunden.“ Auch Radcliffes nickten. „Dann ist ja alles klar.“, sagte Shimar. „Ihr müsst mich nur für einen Moment entschuldigen.“

Er stand auf und verließ Tisch und Raum. „Kannst du mir sagen, was er hat?“, fragte Scotty, der wohl geahnt hatte, dass es zwischen ihm und mir eine Art telepathische Konferenz gegeben hatte. „Genau weiß ich das nicht.“, sagte ich leise. „Aber wenn du in zehn Minuten nichts von ihm gehört hast, dann …“ „OK.“, verstand mein Ehemann. „Dann gehe ich nachsehen. Ich glaube, ich weiß schon, wo ich ihn dann finde.“

Ich nickte und grinste Nayale zu, deren leichte Unsicherheit über die Situation selbst für mich zu erspüren war. Dann winkte ich ihr zu und stand auf mit den Worten: „Bitte entschuldigt uns, Scotty und Mr. Radcliffe. Nayale und ich gehen uns mal die Nase pudern. Wie man weiß, kann das bei uns Mädels ganz schön dauern.“ Dann zog ich sie vom Stuhl hoch und wir gingen ebenfalls und ließen Scotty und Nathaniel zurück.

Ginalla kam an unseren Tisch. „Ihr zwei solltet was trinken.“, sagte sie und stellte zwei riesige einen Liter fassende Gläser vor den Männern ab. In ihnen befand sich ein auf Kaffee und Whisky basierendes Getränk. „Geht aufs Haus.“, flapste sie. „Aber Vorsicht! Nich’ so schnell. Der Abend is’ schließlich noch lang. Sonst habt ihr morgen ’n Riesenkater und eure armen Frauen dürfen das dann ausbaden. Is’ ja auch nur zur Belustigung, bis die Mädels wieder da sind. Wenn Mädels sich die Nase pudern, dauert das im Allgemeinen. Ihr könnt mir vertrauen. Ich kenn’ mich da aus. Bin ja selbst eins.“ „Danke, Gin’.“, sagte Scotty, nahm seinen Humpen hoch und prostete Radcliffe zu. „Auf ’n faires Spiel!“, sagte er. „Auf das Spiel.“, nickte Nathaniel. Dann nahmen beide einen großen Schluck.

Nayale hatte außerhalb des Gastraums die Führung übernommen und mich jetzt in Richtung der Toiletten gezogen. Hier, im Vorraum der Damentoilette, holte sie tatsächlich ihre Schminktasche hervor und öffnete sie, nachdem sie diese auf der kleinen weißen Konsole abgestellt hatte. „Man weiß ja nie.“, sagte sie und ich hörte an ihrer Betonung genau, dass sie sehr nervös sein musste. „Es ist alles in Ordnung, Nayale.“, tröstete ich. „Soweit mir bekannt ist …“

Ich musste nachdenken. Dass ihr Mann unter der Fuchtel von Sytania stand, durfte ich sie auf keinen Fall wissen lassen, oder musste wenigstens vorfühlen, wie weit sie bereits selbst informiert war. Anhaltspunkte hatte es ja bestimmt genug gegeben und durch unsere Unterhaltung war mir nicht verborgen geblieben, dass sie sehr intelligent war. Ich musste also genau herausfinden, was sie wusste und dann entsprechend der neuen Situation reagieren.

„Sie müssen mir nichts verheimlichen, Allrounder.“, sagte Nayale, die wohl schon gemerkt hatte, dass ich mir Sorgen machte. „Ich weiß alles! Ich weiß, dass mein Mann unter der Fuchtel von Sytania steht und dass sie ihn unter Umständen zu Dingen verleiten könnte, die sehr schlimm für uns alle werden können. Aber wenn ich ihn damit konfrontieren würde, liefe ich bestimmt Gefahr, auch meinen Sohn zu gefährden. Er ist ein Kind und könnte sich am wenigsten wehren. Das würde Sytania sicher liebend gern ausnutzen. Es gibt genug anschauliches Material über sie in den Netzwerken, das auch für Zivilisten verständlich ist. Sie müssen sich gar keine so großen Sorgen machen. Vielleicht bin ich besser informiert, als Sie denken. Es ist mir nur wichtig, dass Sie mir sagen, ob ich mich bisher richtig verhalten habe. Ich meine damit, ob ich Malcolm bisher gut genug geschützt habe.“

Ich stand da wie eine Salzsäule und hörte ihrem Vortrag einfach nur zu. Ich hatte beileibe nicht erwartet, so etwas von ihr, einer Zivilistin, zu hören. Ich hatte damit gerechnet, dass sie sich mir mit der Bitte um Schutz an den Hals werfen würde. Aber mit so etwas, nein, das war wirklich eine Überraschung und ganz und gar nicht das, was uns unsere Professoren auf der Akademie über das Verhalten der armen schutzbedürftigen Zivilisten beigebracht hatten. Natürlich steuerten Politik und Sternenflotte, welche und wie viele Informationen über Feinde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden und auch, in welcher Weise dies geschah. An vielen dieser Formulierungen waren meine Kollegen, in der Presseabteilung der Regierung arbeitende Kommunikationsoffiziere ohne Stationierung auf Schiffen oder Stationen, nicht unbeteiligt gewesen.

Ich überlegte, wie ich ihr zwar deutlich machen konnte, dass ich sie erwischt hatte, aber dies sollte auch nicht zu deutlich werden, denn man wusste ja nie, wer sonst noch zuhörte. Im Sommer war Ginallas Kneipe immer gut besucht und ich hatte wirklich keine Lust darauf, demnächst eventuell für eine Massenpanik verantwortlich zu sein, nur weil irgendeine Zivilistin, die nicht so schlau wie Nayale war, alles in den falschen Hals bekommen würde. Ich musste also unsere weitere Unterhaltung irgendwie verschlüsseln.

Ich hielt meine Hände unter den Kopf des Schallreinigers, als wollte ich sie waschen, um keine verräterischen Bewegungen zu machen. Dann wandte ich meinen Kopf in Richtung von Nayale, die sich zu schminken begonnen hatte. Da ich sie nicht für ein überkandideltes Modepüppchen gehalten hatte, dachte ich mir, dass dies auch ein Teil ihrer Strategie sein konnte. „Welche Noten hatten Sie eigentlich im Schreiben von Aufsätzen, Nayale?“, fragte ich, um damit ihre Fähigkeit, Formulierungen zu interpretieren, abzuklopfen. „Oh, ich war ganz gut.“, sagte sie. „Meistens Einsen oder Zweien.“ Das reichte mir als Antwort. Damit hatte sie mir klar gemacht, dass sie die oft gut gemeinten und etwas verharmlost wirkenden Formulierungen unsererseits nicht wörtlich geglaubt, sondern sich oft auch ihren Teil dabei gedacht haben musste, allerdings ohne dabei gleich in Panik zu geraten.

Nayale ließ ihre Schminkstifte sinken. Dann fragte sie: „Sie stellen doch solche Fragen nicht ohne Grund, Allrounder, nicht wahr?“ „Nicht hier!“, zischte ich ihr zu. „Wo dann?“, lächelte sie und warf einen Blick in den Raum mit den Kabinen. Dann sagte sie: „Wir sind allein.“ „OK.“, sagte ich und atmete dabei hörbar aus. Ich hatte völlig vergessen, dass sie sehend war und mir gut sagen konnte, ob wir allein wären und ich somit freie Bahn hätte, ihr zu sagen, was auch immer ich ihr sagen müsste. „Jetzt sind Sie erleichtert, was?“, fragte sie. „Das stimmt.“, gab ich zu. „Und dann kann ich Ihnen ja ruhig sagen, wie ich über Ihr bisheriges Handeln denke.“ „Ja, das können Sie!“, sagte Nayale forsch. „Und die albernen Verschlüsselungen, die lassen Sie am besten mal gleich ganz weg. Wir sind hier schließlich nicht in einem schlechten Agentenfilm!“ Ich musste grinsen. In diesem Sinne hätte sicher auch Mikel reagiert und ihr zugestimmt. Ich wusste zwar nicht viel über geheimdienstliche Arbeit, aber mein Wissen, das mir Mikel ab und an zugesteckt hatte, erlaubte mir, ihre etwas flapsige Formulierung dahingehend zu interpretieren, dass sie genau wusste, dass ich wie eine Katze um den heißen Brei schlich und gerade alle Vorurteile über konspirative Unterhaltungen schonungslos bediente.

Ich räusperte mich. Dann holte ich tief Luft und sagte: „Nayale, Sie machen das bisher sehr gut! Haben Sie das Gefühl, Ihr Mann könnte Ihnen auf die Spur kommen?“ „Nein!“, lachte sie. „Der ist doch viel zu sehr damit beschäftigt, seiner Prinzessin zu gefallen. Ich weiß aber, dass er dies nicht aus freien Stücken tut, Allrounder. So naiv bin ich nicht. Das ist sicher nicht die wahre Liebe zwischen den Beiden, sondern eher ein Verhältnis zwischen Erpresserin und Opfer. Ich bin sicher, sie hat ihn mit etwas in der Hand. Was ist eigentlich genau zwischen ihm und Ihnen da auf dem Planetoiden passiert?“ „Wenn ich Ihnen jedes Detail erzählen würde, Nayale.“, sagte ich. „Dann kämen sie heute Nacht sicher vor Angst nicht in den Schlaf. Aber so viel kann ich sagen. Auf dem Planetoiden hat ihn Sytania zu ihrer Marionette gemacht.“ „Dachte ich mir schon.“, sagte sie. „Und ich glaube auch, dass ich weiß, womit er erpresst wird. Sie hat ihn sicher nur temporär stabilisiert, solange sie ihn gebrauchen kann. Wenn das vorbei ist, wird sie ihn bestimmt wieder fallen lassen wie eine heiße Kartoffel! So ist Sytania doch! Leugnen oder verharmlosen Sie das nicht, Allrounder! Ich vertrage die Wahrheit schon!“ Ich nickte ihr nur zu. „Sehen Sie?“, fragte sie. „Und genau deshalb werde ich mich hüten, etwas verlauten zu lassen, sondern erst mal schön weiter beobachten. Natürlich werde ich jede Gelegenheit nutzen, um Ihnen so viele Informationen wie möglich zukommen zu lassen, die Sie dann wieder Ihrem Commander stecken werden, nicht wahr?“ „Das ist richtig.“, sagte ich. „Und Ihre Handlungsweise ist es auch. Mal sehen, wie sich Ihr Mann heute Abend benimmt. Wenn Sie danach Redebedarf haben sollten, dann wissen Sie ja, wo Sie mich finden.“ „OK.“, sagte Nayale und schlug mit ihrer ausgestreckten Hand in die Meine. Dann verließen wir das stille Örtchen wieder einträchtig, als sei nichts geschehen.

„Bitte warten Sie kurz auf mich.“, sagte Nayale. „Ich muss noch kurz bei den Männern vorbei und nach Malcolm sehen. Ich werde ihm sagen, dass er sich vor Ihnen nicht zu schämen braucht.“

Kaum hatte sie jedoch ausgesprochen, wuselte ein kleiner Wirbelwind aus der Gegenrichtung zu uns herüber und steckte seine kleine Hand in die Meine. „Hey, Spatz.“, säuselte ich. „Geht’s dir jetzt besser, ja?“ „Alles wieder gut, Tante Betsy.“, sagte Malcolm. „Das is’ bei mir so. Manchmal werde ich krank, wenn ich aufgeregt bin.“ „Das musst du nicht sein.“, sagte ich tröstend und nahm ihn in den Arm. „Ich bin ’ne ganz Liebe.“ „Ich weiß.“, quietschte er. „Aber jetzt will ich spielen!“ „Na dann lasst uns gehen.“, sagte Nayale und nahm mir ihren Sohn ab, um mich mit ihm an der Hand in Richtung Gastraum zu begleiten.

Scotty wurde uns als Erster ansichtig. Dass hatte wohl auch damit etwas zu tun, dass er noch nüchtern genug war, um die Geschehnisse um sich herum noch einordnen zu können. Entgegen seiner sonstigen Natur hatte er sein Getränk nämlich kaum angerührt. „Na, is’ alles wieder gut bei dir, Kleiner?“, wendete er sich leise nett und freundlich an Malcolm. „Ja, Onkel Scotty.“, antwortete der Junge lächelnd. „Ich bin schon wieder OK.“

Der Blick des Kindes war auf Scottys Glas gefallen. Angewidert hatte er sich umgedreht, denn auch der alkoholische Geruch kam jetzt zu ihm herübergeweht. „Igitt!“, rief Malcolm aus. „So was trinkst du? Tante Betsy, sei froh, dass du das nich’ siehst.“ „Ach, das ist doch nicht so schlimm, Süßer.“, lachte ich in tröstender Absicht. „Weißt du, Erwachsene machen manchmal so ekelige Sachen. Wenn du groß bist, wirst du das vielleicht auch mal ausprobieren, aber …“ „Dann kann ich ja froh sein, dass ich noch so klein bin.“, sagte Malcolm. „Kindermund!“, stellte Nayale entzückt fest. „Ist es nicht herrlich?“ „Wenn du das so gemein findest.“, bot Scotty an. „Dann wird der Onkel Scotty das jetzt mal wegstellen. OK?“ Damit stellte er sein Glas auf die nahe Fensterbank. Danach gab er Professor Radcliffe einen Wink, das Gleiche ebenfalls mit seinem Glas zu tun. „Wir sollten Alkohol nicht so selbstverständlich und dicht in der Nähe eines Kindes aufbewahren, Mr. Radcliffe.“, erklärte er. „Wenn wir uns etwas drehen müssen, um unsere Gläser zu erreichen, macht das ja wohl schließlich auch nix, nich’ wahr?“ „Sie haben Recht, Mr. Scott.“, sagte der Archäologe und stellte ebenfalls sein Glas neben das von Scotty.

Ich hatte mein Gesicht hinter meinen Händen verborgen. In der rechten Hand hielt ich außerdem ein Taschentuch, mit dem ich mir einige Tränen der Rührung aus den Augen wischte. „Is’ alles gut bei dir, Darling?“, fragte Scotty fürsorglich. „Ja, es ist schon alles wieder OK.“, antwortete ich. „Es war ja nur, weil ich eine solche Reaktion von dir, als trinkfestem Raubein, offen gestanden nicht erwartet hatte.“ „Na ja.“, sagte Scotty. „Ich weiß halt, was den kleinen Matz erwarten würde.“ „Aber man hat Ihnen doch sicher mit sechs Jahren noch keinen Alkohol gegeben, Scotty, oder?“, fragte Nathaniel. „Natürlich nich’.“, stöhnte Scotty, dem es so vorkam, als wäre Radcliffe in der Hinsicht etwas begriffsstutzig. „Aber das hab’ ich ja auch nich’ gemeint. Ich finde nur, dass man im Beisein von Kindern mit dem Konsum von Alkohol sehr vorsichtig sein sollte, damit sie es nich’ so bald als normal empfinden und unter Umständen noch ausprobieren. Dafür is’ Ihr Sohn nämlich echt noch zu klein! Ich finde es also besser, wenn er das Ganze noch eine Weile als ekelig empfindet, als wenn wir ihm jetzt sagen würden, dass es gut schmecke oder ein gutes Gefühl mache.“ Ich nickte nur beifällig, denn ich hatte mich an eine Situation erinnert, die ich als 3-Jährige erlebt hatte. Mein Großvater hatte für meine Großmutter eine Schachtel Pralinen im Stubenschrank versteckt. Diese hatte ich beim Stromern gefunden und geöffnet. Dann hatte ich mir eines der gut nach Schokolade duftenden Teile in den Mund gesteckt und genüsslich hineingebissen. Der Geschmack, der aus dem Teil gekommen war, gefiel mir dann aber gar nicht. Mit vor Ekel verzogenem Gesicht lief ich darauf zu meinem Großvater und stammelte nur: „Opa, igitt, Taschentuch.“ Dann spuckte ich die Bescherung schnell in das mir eilig von ihm hingehaltene Objekt meiner Not und Begierde. Diese Erfahrung hatte wohl auch dazu beigetragen, dass ich im Umgang mit Alkohol bis heute sehr vorsichtig geblieben war.

Ginalla kam wieder an unseren Tisch. „Na, da is’ ja fast alles wieder versammelt, was Rang und Namen hat.“, flapste sie. „Nur einer fehlt noch. Wo is’ eigentlich Shimar?“ „Der wollte nachdenken.“, sagte Scotty. „Ich weiß auch nich’, wo er bleibt. Aber ich werde mal nachsehen. Die zehn Minuten sind eh rum.“ Damit stand er auf und verließ uns in Richtung Flur. Dort würde er den Lift zu unseren Zimmern hinauf nehmen. Er wusste schon, wohin sich Shimar zurückgezogen haben könnte.

Ich hatte mich in das Angebot des Tischreplikators vertieft. Dazu benutzte ich einen mitgebrachten Ohrhörer, den ich in eine Buchse gesteckt hatte. Dies war vom Computer sofort erkannt worden, denn die gängigen Ohrhörer und ihre technischen Spezifikationen waren jedem Replikator, der gebaut wurde, bekannt. Das erleichterte ihre Bedienung für Leute wie Mikel oder mich sehr. Der Rechner des Replikators hatte von mir den Befehl bekommen, das Angebot vorzulesen. Dabei orientierte er sich daran, auf was ich den Cursor, den ich mittels der in bekannter Form vorhandenen Tasten bewegte, gestellt hatte. So hätte ich, wenn ich mich für etwas entschieden hätte, einfach nur die Entertaste drücken müssen. Trotzdem konnten alle Sehenden das Ganze auch am Bildschirm verfolgen. Das war auch der Grund, aus dem Malcolm mich plötzlich bat, noch einmal einen Schritt zurück zu gehen. Ihm war eine Pizza mit Mondgesicht aufgefallen, die ihn wohl sehr angelächelt hatte. „Kann ich die haben, Mummy?“, fragte er seine Mutter und zeigte auf den Schirm. „Wenn du möchtest.“, sagte Nayale. „Hoffentlich wird sie nicht zu groß für dich sein.“ „Der Computer sagt, es ist eine Kinderpizza, Nayale.“, beruhigte ich sie. „Haben Sie das nicht gelesen?“ „Doch.“, sagte meine neu gewonnene Freundin, die noch einmal auf den Schirm geschaut hatte. „Jetzt sehe ich es auch. Und, da ist viel Käse und Tomatensauce drauf. Außerdem besteht der Boden wohl aus so was wie zu Schnecken gerollten Nudeln. Das magst du doch so gern!“ „Oh, ja!“, quietschte Malcolm. „Na dann.“, sagte ich und bestätigte die Bestellung. „Die Pizza kriegst du von mir, Malcolm.“, sagte ich. „Danke, Tante Betsy.“, strahlte er. „Ich mag dich. Du bist voll lieb!“ Er beugte sich über den Tisch und drückte mir einen feuchten kleinen Kuss auf die Wange. „Oh, danke, Malcolm.“, sagte ich und strich ihm im Gegenzug durchs Gesicht.

Scotty hatte unser Zimmer erreicht. Hier hatte er Shimar vermutet. Leider traf er aber nur auf einen leeren Raum, eine Tatsache, die ihm sehr seltsam vorkam. „Bist du hier, Kumpel!“, rief er. Dann blieb er stehen, um eine Antwort zu erlauschen. Die kam dann auch, aber leider nicht direkt auf seine Frage. Scotty hörte eher etwas, das ihn an die gezischten Worte: „Ach verdammt, das funktioniert doch so nicht!“, erinnerte. Er dachte sich, dass das unter Umständen aus dem Badezimmer gekommen sein konnte, war sich aber zuerst nicht wirklich sicher. „Was gäbe ich jetzt darum, solche Ohren wie meine Frau zu haben.“, flüsterte er. „Betsy hätte sicher in null Komma nix raus, wo du bist, auch wenn du mir gerade nich’ zugehört hast, wie es scheint. Aber vielleicht sollte ich dich mal ein bisschen provozieren.“

Er räusperte sich und sagte dann: „Dann würde ich es morgens mal mit ’ner Schale Müsli versuchen!“ Dann grinste er sich in Erwartung einer Reaktion in den Bart. Tatsächlich erfolgte diese auch recht prompt. Aus der Tür stürzte wenige Sekunden später ein ernst dreinschauender Shimar. „Pfui, Scotty! Du unanständiger Zotenreißer! Sei froh, dass das Kind nicht in der Nähe war.“, tadelte mein Freund meinen Mann. „Der Kleine hätte ja glatt seine gute Erziehung verlernt! Hast du da schon mal drüber nachgedacht? Außerdem ging es bestimmt nicht um das, an das du gerade denkst!“ „Ups.“, machte Scotty und setzte einen schuldigen Blick auf. „Wenn ein Telepath einem sagt, an was man gerade denkt, sollte man vorsichtig sein.“ „Ja genau!“, sagte Shimar. „Denkst du wirklich, ich mache solche Sprüche in Gegenwart des Jungen?“, fragte Scotty. „Hältst du mich für so blöd? Ich wollte dich doch nur etwas provozieren, damit du mir sagst, was du für ein schwieriges Problem zu lösen hast.“ „Das ist dir auch gelungen. Na gut.“, sagte Shimar und setzte sich auf unser Bett. „Es geht um die Zusammensetzung der Teams. Ich meine, wenn du und der zerstreute Professor gegeneinander spielen, dann ist das ja noch OK. Betsy könnte gegen Malcolm spielen, weil beide ein Handicap haben. Sie kann nicht sehen und er ist noch sehr klein, kann also bestimmte Dinge nicht so, wie ein Erwachsener. Nur was machen wir mit Nayale. Betsy ein zweites Mal gegen sie antreten zu lassen, wäre nicht fair, weil sie sieht und Betsy nicht. Sie könnte viel genauer zielen.“ „Du hast Recht.“, sagte Scotty. „Uns fehlt eindeutig eine Spielerin, die ganz normale Voraussetzungen mitbringt.“ Er setzte sich neben Shimar und begann ebenfalls, sehr angestrengt nachzudenken.

Die Neugier hatte Ginalla zu der Konsole getrieben, an der Shimar gesessen hatte, um das Spiel zu programmieren. „Wollen doch mal sehen, was du für ’n Problem hast.“, zischte sie und sah sich seine Eingaben genau an. „Ah ja.“, meinte sie dann, nachdem sie sich die Tabelle mit den Teams angesehen hatte. „Aber ich glaube, da kann ich abhelfen.“ Damit fügte sie ihren eigenen Namen in die letzte Spalte gegenüber von Nayales ein. Nun waren die Teams vollständig, was ihr der Rechner, der ja durch Shimars Vorarbeit schon wusste, worum es ging, auch gleich darauf mitteilte. „So, das wär’s.“, sagte sie. „Nun muss ich den Beiden nur noch Bescheid sagen.“

Dass ihr Nachdenken nicht wirklich zu einem Ergebnis führen würde, hatten Scotty und Shimar mittlerweile auch bemerkt. „Das is’ ja ’n wirkliches Knobelproblem!“, stellte Scotty fest. „Da hast du Recht.“, stimmte Shimar zu. „Ich bin überzeugt, ein Warpkernbruch repariert sich leichter!“ Er grinste. „Wie makaber bist du denn?!“, fragte Scotty. „Wenn der bricht, dann is’ man am besten beraten, das Schiff so schnell wie möglich zu verlassen!“ „Ich habe doch nur einen Witz gemacht.“, rechtfertigte sich Shimar ruhig. „Entschuldige.“, sagte Scotty. „Ich bin nur etwas empfindlich heute.“ „Das merkt man.“, sagte Shimar und war schon wieder in Überlegungen vertieft. „Außerdem muss dir mein Spruch ja wie ein Einbruch in deine Domäne vorgekommen sein. Ich meine, wenn du Sprüche über abstürzende Shuttles oder so machen würdest, dann würde ich vielleicht … Stellt doch mal jemand dieses nervige Piepen ab!“

Scotty war nicht bewusst, wovon Shimar geredet haben könnte. Er hatte das nervige Piepen nämlich gar nicht wahrgenommen. Erst jetzt fiel ihm das nervöse Blinklicht der Sprechanlage an der Tür auf. „Ich gehe schon.“, sagte er und stand vom Bett auf. Dann ging er in die Richtung, aus der es gekommen war. „Wer kann so penetrant sein und uns auch noch belästigen, wenn er merkt, dass wir gar nicht antworten?“, fragte Shimar halblaut. „Das weiß ich nich’.“, log Scotty platt, der das Rufzeichen im Display sehr wohl gelesen hatte, es Shimar aber aus bestimmten Gründen noch immer verheimlichte. Er wollte ihn wohl mit der Tatsache überraschen, dass dessen Eigentümerin vielleicht für sein Problem schon längst eine Lösung gefunden hatte. Das wusste er aus Erfahrung. Die Karten waren immer dann völlig neu verteilt worden, wenn Ginalla sich eingemischt hatte. Jedenfalls würde das auch die permanente Belästigung über die Anlage erklären.

Der Terraner stellte das Gerät grinsend auf Lautsprecher, denn er wusste, dass er seinem tindaranischen Freund nur so zeigen konnte, wer dort am anderen Ende der Verbindung war. Shimar machte sich ja nicht die Mühe, vom Bett aufzustehen und herüber zu kommen. „Jungs, hier is’ Ginalla.“, grinste eine bekannte Stimme aus dem Lautsprecher. „An eurer Stelle würde ich machen, dass ich hier her komme. Die Getränke werden sonst schal und Radcliffes haben auch keine Lust mehr, länger auf den Beginn des Spiels zu warten, nur weil ihr herumtrödelt! Also, was is’?!“

Irritiert sprang Shimar jetzt doch vom Bett auf und hechtete in Scottys Richtung. „Ginalla?“, fragte er. „Wie soll sie denn unser Problem gelöst haben?“ „Frag mich was Leichteres!“, schnodderte Scotty. „Jedenfalls behauptet sie, dass sie das hingekriegt hat. Wie auch immer, ich finde, wir sollten uns das ansehen und ihrer Lösung in jedem Fall ’ne Chance geben.“ „Also gut.“, überlegte der über alle Maßen überraschte Tindaraner. „Sie is’ nich’ dumm.“, sagte Scotty. „Vielleicht haben wir einfach den Wald vor lauter Bäumen nich’ gesehen.“

Er drehte sich entschlossen in Richtung Türsensor, der dies sofort registrierte und die Tür langsam und leise zur Seite gleiten ließ. Shimar allerdings machte keine Anstalten, ihm zu folgen. „Was is’ jetzt?!“, fragte Scotty flapsig. „Kommst du, oder kommst du nich’? Ich habe keine Lust, mir meinen Adoniskörper dadurch zu ruinieren, dass ich mir hier die Beine in den Bauch stehe, nur weil ein gewisser Freund nich’ in die Puschen kommt. Wäre sicher nich’ sehr vorteilhaft. Gut, Betsy würde es nich’ sehen, aber das wäre ja auch nich’ fair gegenüber ihr. Irgendwer müsste ihr dann irgendwann schon sagen, dass sie mit ’ner Vogelscheuche als Mann rumlaufen würde.“ „Und was ist, wenn sie damit gar kein Problem hätte?“, fragte Shimar ebenfalls scherzend. „Ich meine, du bist genau genommen 1000 Jahre älter als sie und sie hat dich trotzdem genommen.“ „Aye.“, bestätigte Scotty in der ihm so eigenen Manier. „Weil sie mehr Wert auf die inneren Werte legt. Alles andere kommt auch oft von anderen, die wohl meinen, sie in der Hinsicht beschützen zu müssen. Zumindest hat sie mir mal so was gesagt. Sie sagt, es habe Leute in ihrem Umkreis gegeben, die unbedingt wollten, dass sie in erster Linie einen jungen sportlichen gut aussehenden Mann kriegt und sicher keinen alten Knacker. Aber die Optik interessiert sie nich’. Wie denn auch, wo sie das doch gar nich’ wahrnehmen kann. Sie hat mir gesagt, das Problem liegt bei den anderen und nich’ bei ihr.“

Shimar war durch seine Äußerung plötzlich ein Licht aufgegangen. „Vielleicht hat sie das gemeint.“, sagte er. „Was meinst du?“, fragte Scotty. „Ich meine.“, sagte Shimar. „Dass ich jetzt genau weiß, was sie einmal meinte, als wir auch über das gleiche Thema geredet haben. Sie meinte, dass wir oft viel zu sehr zu Gefangenen unserer Augen werden und den Rest verpassen, weil wir uns vom ersten optischen Eindruck oft alle anderen Sinne blockieren lassen. Ihre Beobachtungsphasen würden weitaus länger dauern.“ „Kann ich mir vorstellen.“, sagte Scotty. „Aber jetzt sollten wir echt gehen.“ „OK.“, sagte Shimar und ging mit ihm zusammen aus dem Zimmer.

Kapitel 26: Spiele ohne Argwohn

von Visitor

 

Zu seiner Pizza hatte sich Malcolm einen Milchshake mit Schokolade ausgesucht. Nayale hatte sich eine terranische Nudelsuppe und ich mir eine Portion demetanische Teigtaschen mit Frischkäsefüllung und einen gemischten Salat bestellt. Dazu gab es bei mir noch eine stinknormale Cola und bei Nayale einen Zitronentee. Professor Radcliffe hatte ein Schnitzel mit Bratkartoffeln. So gut bewirtet warteten wir jetzt auf die Beiden, die bald darauf auch durch die Tür schritten. „Da seid ihr ja!“, rief Malcolm mit vollen Backen. „Guckt mal, Onkel Shimar und Onkel Scotty, was die Tante Ginalla da gemacht hat!“

Neugierig folgten Shimar und Scotty dem Fingerzeig des Kindes, der sie zur Konsole führte. „Was ist das denn?“, fragte Shimar und sah sich irritiert um. „Wovon redest du?“, fragte Ginalla, die grinsend hinter einer Säule hervorkam, hinter der sie sich versteckt hatte, um die Reaktion auf ihr kleines Manöver in aller Ruhe abzuwarten. „Lass mal gucken, was du da hast.“, sagte sie und tat unschuldig, während sie ihn leicht anstupste, um ihm zu verdeutlichen, dass er doch bitte zur Seite gehen sollte. Dann schaute sie verdutzt auf den eigenen Eintrag und tat wieder unschuldig: „Das is’ ja mein Name! Wie kommt der denn da hin?“ „Wirst ihn wohl hingeschrieben haben.“, sagte Scotty. „Ich mein’, so ’n Gerät programmiert sich ja schließlich nich’ selbst. Du kannst mir ruhig glauben, wenn ich das sage. Ich bin Ingenieur!“ „Das glaub’ ich gern, Scotty.“, flapste Ginalla.

Shimar ließ seinen Blick jetzt über die neue Zusammenstellung der Teams schweifen. „Na ja.“, sagte er. „Damit lässt sich leben. Die Karten werden eben immer ganz neu verteilt, sobald Ginalla sich einmischt. Nur ein kleines Problem haben wir immer noch. Die Kugeln werden für den Kleinen viel zu schwer sein. Hast du Kinderkugeln, Ginalla?“ „Oh, Shit!“, sagte die junge kesse Celsianerin salopp. „Daran hab’ ich ja nun gar nich’ gedacht!“ „Das ist kein Problem.“, sagte Radcliffe vom Tisch her. „Mein Sohn spielt zu Hause auch mit normalen Kugeln. Wir wollen doch schließlich keine Schwäche …“ „Bist du wahnsinnig?!“, fragte Nayale entrüstet. „Willst du, dass sich unser Kind verletzt?!“

Irgendjemand musste die verfahrene Situation jetzt lösen. Ich wusste auch schon, wer das sein würde. „Wenn der Kleine meine Technik übernehmen würde.“, schlug ich einen Kompromiss vor. „Dann wäre das Gewicht der Kugeln ja nicht relevant. Alles würde am Boden stattfinden.“ Radcliffe machte ein Gesicht, als wäre er nicht einverstanden. Nathaniel, benimm dich!, hörte er Sytanias telepathische Stimme in seinem Geist. Sie hatte alles mit Hilfe ihrer seherischen Fähigkeiten beobachtet. Denk an unsere Vereinbarung! Was habe ich dir über das Bejahen von Vorschlägen gesagt? Du weißt, was passiert, wenn du unseren Deal nicht einhältst!

Seine Mimik schwenkte um. „Ist in Ordnung, Allrounder.“, sagte er. „Das ist für meinen Sohn doch allemal besser, als wenn er später Rückenschäden oder so etwas davonträgt.“ „Das mein’ ich auch.“, sagte Ginalla. „Wenn er sich die in meiner Kneipe zugezogen hat, bin ich nachher noch verantwortlich. Darauf hab’ ich auch keine Lust.“ „Wie geht denn deine Technik, Tante Betsy?“, fragte Malcolm interessiert. „Ich zeige sie dir.“, versprach ich. „Gutes Stichwort! Dann lasst uns jetzt mal endlich anfangen.“, sagte Ginalla. „Dann gehe ich auch mal auf meinen Posten.“, sagte Shimar und setzte sich hinter die Konsole. Auch wir alle nahmen unsere Plätze an der Bowlingbahn ein.

Das Wesen war mit Kamurus am Rand des celsianischen Sonnensystems angekommen. Kamurus, wir sind da., gab es dem Schiff telepathisch zu verstehen. Gleich darauf sahen Kamurus’ Hecksensoren, wie sich der Kanal hinter ihm stark zusammenzog und irgendeine Kraft drohte, ihn gegen den Ausgang zu schieben. „Nein! Damit hörst du sofort auf!!!“, sagte er streng und das Gesicht seines Avatars nahm vor dem geistigen Auge des Wesens richtig autoritäre Züge an. Darüber war das Schiff selbst überrascht. Er hatte nicht geahnt, so handeln zu können. Aber du musst doch wieder aus mir raus., gab das Wesen zurück. „Das stimmt.“, gab das Schiff zu. „Aber meine Hüllenkonfiguration entspricht sicher nicht dem, was du sonst ausscheidest. Es gibt Diskrepanzen zwischen deiner Anatomie und ihr, die unter Umständen dazu führen könnten, dass ich dir schwere innere Verletzungen zufüge, wenn du presst und ich mich irgendwo verfange. Nein, das machen wir anders. Schließlich hat man einen eigenen Antrieb in meiner Gewichtsklasse. Du brauchst nichts weiter zu tun, als deinen Schließmuskel zu entspannen, dann komme ich schon klar. Außerdem werde ich meine Schilde heben und sie deiner inneren Struktur anpassen, damit ich weicher auf dich wirke.“ Einverstanden., meinte das Wesen. So haben wir es ja schon einmal gemacht. Übrigens: Ich muss dir noch etwas Merkwürdiges sagen. Als du kurzzeitig auf Warp warst, habe ich meine Speiseröhre nicht gespürt. Es war, als wäre sie örtlich betäubt gewesen. „Aber jetzt spürst du sie wieder?!“, erkundigte sich Kamurus halb neugierig und halb entsetzt. Er hatte nie die Absicht gehabt, dem fremden Wesen, das ihn ja gerettet hatte, einen bleibenden Schaden zuzufügen. Ja, Kamurus., tröstete der Fremde. Keine Sorge. Jetzt spüre ich sie längst wieder. Aber vielleicht kannst du mir erklären, was das war.

Kamurus überlegte. Eine solche Sache war ihm auch noch nie zu Ohren gekommen. Es gab nur eine passable Theorie, die ihm einfiel. „Pass mal auf, mein Freund.“, sagte er. „Ich glaube folgendes: Ich stamme aus einer fremden Dimension, die zwar diesem Universum ähnlich, aber allenfalls eine entfernte Verwandte von ihm ist. Hier schwingt alles, auch deine innere Energie, auf dem 21-cm-Band. Vielleicht schwingt mein Warpfeld auf einem anderen Band und das ist durch Zufall eines, das die Signale deiner Nerven blockiert, wo es mit ihnen in Berührung kommt. Ich finde das eine faszinierende Erkenntnis und werde diese Daten in jedem Fall speichern. Wer weiß, wozu sie noch einmal nütze sein könnten. Überprüfen kann ich meine Theorie leider nicht, weil ich dir, wenn ich jetzt auf Warp ginge, schaden könnte!“ Das Thema hatten wir ja gerade schon., antwortete das Wesen. „Genau.“, bestätigte das Schiff und zündete seine Manövriertriebwerke. Sein Plan war, das Wesen so vorsichtig wie möglich zu verlassen und da waren sie wohl die beste Option. Außerdem wollte er ihn in eine Unterhaltung vertiefen, um ihn abzulenken und so dafür zu sorgen, dass er sich entspannte. Deshalb fragte er, während er langsam in Richtung Ausgang flog und sich dabei so gerade hielt, dass man eine Wasserwaage hätte an ihm eichen können: „Ich weiß ja noch gar nichts über den, der mein Leben so tapfer gerettet hat. Wie heißt du eigentlich?“ Mein Name ist Brotheas., sagte das Wesen. „Gut, Brotheas.“, meinte Kamurus. „Sehr angenehm. Und falls ich mich noch nicht vorgestellt haben sollte, mein Name ist Kamurus. Aber was mir immer noch nicht klar ist, warum hast du mich gerettet, Brotheas?“ Ich dachte, das hätte ich verdeutlicht., meinte Brotheas. Die Vendar kamen von Sytania und die mag ich nicht! „Aber automatisch darauf zu schließen, dass ich dann einer von den Guten sein muss, hätte auch tödlich für dich enden können.“, mahnte Kamurus. „Ich meine, zu dem Zeitpunkt, als du beschlossen hast, mich zu verschlucken, konnten wir noch nicht kommunizieren und meine Absichten können dir nicht klar gewesen sein. Ich hätte auch ein Schiff sein können, das von dir feindlich gesinnten Wesen geschickt wurde, um dir zu schaden. Dass Sytanias Vendar mich verfolgten, hätte auch reiner Zufall sein können, weil sie dich vielleicht selbst gern erledigt hätten und meinen eventuellen Auftraggebern dies nicht gegönnt hätten. Du kennst doch den Ruf, den ihr seit eurer Begegnung mit der Voyager habt. Ganz ehrlich, das war ein bisschen naiv von dir!“

Brotheas wurde traurig. Ja, die Voyager., meinte er. Einer meiner Ahnen war es, der auf sie getroffen ist. Den Göttern sei Dank, haben sie ihn nicht getötet, sondern ihm nur etwas Magengrummeln verursacht. Aber wenn der andere Pilot sein Ziel erreicht hätte, dann gäbe es mich heute sicher nicht. Du verstehst schon. Wie stehst du eigentlich zu der Art, wie wir uns ernähren? Bitte, Kamurus, sei ganz ehrlich. „Nun.“, holte Kamurus zu einem wissenschaftlichen Vortrag aus. „Ich denke, es gibt keinen Grund, euch böse zu sein. Das ist nun einmal der Lauf der Natur. Keiner ist einem Löwen in der afrikanischen Savanne auf Terra böse, wenn er ein Gnu reißt. Das ist nun einmal seine Nahrungsgrundlage und Schiffe und ihre Crews sind nun einmal die Deine. Aber das Gnu und die Schiffe sind ja beide nicht wehrlos, wie du weißt. Mal gewinnt der eine, mal der andere. Ein unerfahrener Jäger kann von seiner Beute auch ausgetrickst werden. Oder dann, wenn die Jäger in der Unterzahl sind und eine zu große Beute nicht zur Strecke bringen können, kann diese auch entkommen. Das ist doch fair, oder? Überleg mal selbst.“ Kamurus’ Aufforderung, einmal selbst nachzudenken, war nicht von ungefähr gekommen. Vielmehr war sie ein Teil seiner Ablenkung gewesen. Du hast Recht., sagte Brotheas, nachdem er eine Weile überlegt hatte. Und die Voyager hat sich ja auch gewehrt, indem …

Brotheas war aufgefallen, dass er Kamurus’ Bewegungen nicht mehr in sich spüren konnte. Bist du OK?, fragte er. „Sicher bin ich das.“, sagte das Schiff. „Dreh dich mal um und sieh hinter dich.“

Neugierig und vorsichtig folgte Brotheas seiner Aufforderung. Tatsächlich sah er bald Kamurus hinter sich im Weltraum liegen. Wie hast du das gemacht?, wollte er wissen. Ich meine, ich habe nicht das Geringste gespürt. „Oh, dann warst du aber wirklich sehr gut abgelenkt.“, grinste Kamurus’ Avatar. Das kann man wohl sagen., meinte Brotheas staunend. Aber was mich interessieren würde: Wie konntest du mir so einen datenintensiven Vortrag halten, und gleichzeitig so empfindliche Manöver ausführen? „Tja.“, meinte Kamurus. „Wer multi-tasking-fähig ist, hat eindeutig einen Vorteil in einer solchen Situation. Außerdem habe ich eine Menge Arbeitsspeicher!“ Er hatte das E in Menge sehr lang gezogen. Bist wohl manchmal ein kleiner Angeber, was?, scherzte Brotheas. „Du weißt doch.“, sagte Kamurus. „Wer angibt, hat mehr vom Leben. So, aber jetzt würde ich dir raten, so schnell wie möglich zu verschwinden. Wenn du auf den celsianischen Schirmen auftauchst, weiß ich nicht, wie die Celsianer auf dich reagieren. Du weißt ja, was ihr für einen Ruf habt.“ Daran musst du mich nicht erinnern., sagte Brotheas. Aber andererseits wärst du doch der lebende Beweiß, dass ein Friede zwischen uns möglich ist. Ich meine, du hast gesagt, du hättest Verständnis für uns. Du bist mehr ein Sternenflottenschiff, als es die Voyager jemals war, in meinen Augen. Zumindest, was das angeht. Ich meine, obwohl ich dich verschluckt habe, zeigst du Verständnis und hast sogar versucht, mit mir zu kommunizieren. Das ist dir sogar gelungen, obwohl du ein Stück Technologie bist, das keinen Telepathen an Bord hat. Allerhöchstens einen Neurokoppler. Die Voyager hatte einige und hätte meinen Vorfahren nicht so quälen müssen!

Jetzt war es Kamurus, dessen Avatar sich bald darauf mit in die Hände gestützter Stirn zeigte, ein Zeichen, dass das Schiff ins Nachdenken vertieft war. „Hm, tja.“, machte er. „Sicher sind Magenschmerzen nicht schön, aber die Voyager war in einer anderen Situation als ich. Das Schiff drohte, sich unter dem Hintern der Crew buchstäblich aufzulösen. Sie hatten Angst um ihr Leben und nicht meine Sicherheit. Dann macht man schon mal Dinge, die äußerst gemein sein können, um sich zur Wehr zu setzen. Weißt du, die meisten biologischen Organismen können nicht im Weltraum leben wie du und ich. Sie sind auf künstliche Habitate angewiesen. Deshalb hatten sie Angst ums Überleben. Ein Insekt, das auf einer Fleisch fressenden Pflanze klebt, weil es auf ihren Lockstoff hereingefallen ist, beißt die Pflanze ja vielleicht auch, um sich zu wehren. Man könnte sagen, ich habe Verständnis für beide, euch, also deinen Vorfahren auf der einen und der Voyager, also der Schiffe und ihren Crews auf der anderen Seite.“

Wieder wurde Brotheas scheinbar traurig und aus dem, was Kamurus als seine Augen erkannt hatte, wurde eine Form von Energie abgesondert, die das Schiff noch nie gesehen hatte. „Sind das deine Tränen?“, fragte er. „Ich meine, ich habe doch wohl hoffentlich nichts Falsches gesagt.“ Oh, nein, Kamurus., meinte Brotheas. Im Gegenteil. Du hast genau das Richtige gesagt. Ich hatte nur einiges nicht bedacht. Aber nun gibt es doch wohl tatsächlich eine Chance auf Frieden. Frieden zwischen den Biologischen und uns. Ich meine … „Nicht so schnell.“, bremste der immer vernünftig scheinende Kamurus seine Hoffnung. „Ich werde sehen, was ich tun kann, um die Behörden von Celsius zu überzeugen. Ich werde ihnen eine Aufzeichnung unserer Gespräche überantworten. Wer weiß, vielleicht kommen sie zu einer Lösung, mit der selbst du nicht rechnest. Die Celsianer sind sehr erfindungsreich, musst du wissen. Vielleicht erfinden sie ja sogar eine neue Nahrungsquelle für euch, damit ihr niemanden mehr töten müsst. Daran glaube ich ganz fest. Vor allem dann, wenn meine Pilotin da ein Wörtchen mitzureden hat. Sie ist das erfindungsreichste Wesen, das ich kenne!“ Du hast eine Pilotin?, fragte Brotheas verwundert. Ist sie auf dem Planeten? „Ja, das ist sie.“, antwortete Kamurus. „Und sie ist sogar eine Einheimische, eine Celsianerin. Sie heißt Ginalla. Sie würde euch sicher gern behilflich sein. Aber jetzt muss sie erst mal jemandem anders helfen, die ihre technische Begabung im Moment viel nötiger hat. Bitte, lass mich jetzt fliegen.“ Also gut., lenkte Brotheas ein, der eigentlich noch viel mehr von Kamurus hatte wissen wollen. Aber offensichtlich drängte diesen die Zeit. „Wir sehen uns sicher noch einmal wieder.“, tröstete er. „Aber jetzt bring du dich besser auch in Sicherheit. Wie gesagt, man weiß nie, wie sie reagieren, wenn sie dich sehen. Ich werde alles tun, um ihnen zu erklären, dass ihr beileibe nicht so schlimm seid, wie euer Ruf.“ Danke, Kamurus., strahlte Brotheas und drehte langsam ab. Auch Kamurus aktivierte seine Impulsmaschinen, um in Richtung celsianischer Umlaufbahn zu starten.

Wir wussten noch lange nicht, was auf uns zu kommen sollte. Fröhlich und unbeschwert waren wir damit beschäftigt, Vorbereitungen für unser kleines Spiel zu treffen. Wie versprochen wollte ich dem Jungen meine Technik beibringen, was ich dann auch tat. Shimar war damit beauftragt, dem Computer zu verdeutlichen, dass diese ersten Würfe noch keine Gültigkeit hatten. „Wie geht denn jetzt deine Technik, Tante Betsy?“, fragte der kleine Naseweiß. „Pass auf.“, sagte ich, ließ mir von Scotty eine Kugel anreichen und legte sie zwischen meinen Beinen auf den Boden. „Stell dich mit dem einen Fuß vor die eine Rinne und mit dem anderen Fuß vor die andere.“, instruierte ich Malcolm. „Aber dann stehe ich doch breitbeinig.“, sagte er. „Das stimmt.“, sagte ich. „Aber das hat seinen Sinn. Du wirst gleich sehen, welchen. Jetzt musst du nämlich die Kugel zwischen deine Beine legen.“ Auch der Junge bekam auf mein Zeichen von Scotty eine Kugel gereicht. „So.“, sagte ich. „Und jetzt gehst du in die Knie und gibst ihr einen ganz dollen Schups!“ „Oh, ja!“, quietschte Malcolm und tat, was ich ihm aufgetragen hatte. Die Kugel rollte ab durch die Mitte und traf auf die Spitze der Raute. Das gab eine solche Kettenreaktion, dass bald alle Kegel dahingestreckt lagen. „Plong! Raboller!“, scherzte ich. „Na, das war ja wohl der Volltreffer des Jahrhunderts!“

Malcolm kam zu mir herüber und umarmte mich fest. „Deine Technik is’ voll cool, Tante Betsy!”, rief er begeistert. „Ich will jetzt aber anfangen!“ „OK, Spätzchen.“, sagte ich und fragte in die Runde: „Hat jemand ein Problem damit?“ „Nein.“, kam es einstimmig zurück. „Dann kann ich ja wohl endlich damit aufhören, Fehlermeldungen wegzuklicken.“, stöhnte Shimar. „Das kannst du, Srinadar.“, flötete ich Mitleid vortäuschend, denn es konnte ja nun wirklich nicht so schlimm sein, ein paar Mal auf den Button für Abbrechen auf dem Tuchscreen tippen zu müssen. „Was hast du damit eigentlich für ein Problem? Brechen dir dann etwa die künstlichen Fingernägel ab, die du nicht hast?“ „Hör bitte auf, Schätzchen.“, scherzte Shimar zurück und machte dabei eine übertrieben hohe Stimme nach. „Für eine Diva wie mich ist ein abgebrochener Nagel eine lebensgefährliche Sache, ja?“

Plötzlich mussten wir alle, inklusive Shimar, so sehr lachen, dass uns die Tränen aus den Augen liefen. „Und ich dachte, ich sei für die Witze zuständig.“, prustete Scotty. „Na ja.“, sagte Nayale zur Erklärung. „Ihr Humor ist eher von gröberer Natur. Der von Shimar ist vielleicht feinsinniger. Aber ich finde, beide haben ihre Vorzüge.“ „Was is’ ’ne Diva, Onkel Shimar?“, fragte Malcolm. „Oh, das ist schwierig zu erklären.“, sagte mein Freund und sah mich an. „Das ist eine sehr auf ihre Schönheit bedachte Frau.“, sagte ich. „Die will sich aber nie die Finger schmutzig machen und will immer von vorn bis hinten bedient werden. Sie macht aus den kleinsten Dingen gleich ein Drama, die eigentlich nicht schlimm sind. Wenn ihre Schminke verwischt, ist das zum Beispiel gleich ein Grund zum Trauern. So eine würde auch nie jemandem helfen, weil sie ja dann Gefahr liefe, sich einen Nagel abzubrechen oder so. Diven sind auch sehr eingebildet.“ „So wie Prinzessin Sytania?“, fragte Malcolm.

Ich musste schlucken. Anscheinend hatte dieser kleine Junge schon mehr von der Situation um sich herum verstanden, als wir alle ahnten. Wenn er nur die Hälfte der Intelligenz seiner Mutter geerbt hatte, dann würde er bald wissen, in was für einer großen Gefahr sie waren. Nur bezweifelte ich ernsthaft, dass seine kindliche Seele in der Lage war, damit umzugehen. „Ja.“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Genau wie Prinzessin Sytania. Aber jetzt lasst uns am besten nicht mehr davon reden. Schließlich sind wir hier, um miteinander Spaß zu haben. Shimar, wer fängt eigentlich an?“

Shimar warf einen kurzen Blick auf den Schirm und sagte dann: „Nathaniel und Scotty sind dran, Kleines.“ „OK.“, sagte ich und ging mit Malcolm zusammen von der Bahn weg.

Scotty und Radcliffe betraten diese und der Professor nahm sich gleich die größte Kugel mit. „Na, ob das so eine gute Wahl ist?“, fragte Nayale, die mir auch den Rest der Situation beschrieben hatte. „Kommt drauf an, welches Bild er sich jetzt gleich aussucht.“, sagte ich. „Wenn es ein Bild ist, das eine große Fläche hat.“, führte ich aus. „Dann kann es schon sein, dass ihm das hilft.“ „Oh, da kennen Sie meinen Mann schlecht.“, flüsterte mir Nayale zu. „Er wird bestimmt das allerschwierigste Bild von allen haben wollen. Aber so, wie ich dieses Spiel verstanden habe, ist das meistens eines, bei dem es auf Präzision ankommt und nicht darauf, wer die größte Kugel hat. Eine große Kugel halte ich eher für hinderlich in so einem Fall. Sie wirft zwar viele Kegel um, aber ob die Entscheidenden dabei fallen, ist eine ganz andere Geschichte. Gut, unwichtige Kegel könnten eine Kettenreaktion auslösen, bei der unter Umständen doch Wichtige fallen können, aber das halte ich je nach Konstellation eher für Glückssache.“ „Ich finde, Sie haben ein sehr gutes Verständnis für physikalische Dinge, Nayale.“, lobte ich.

Scotty und Radcliffe hatten ihre Startposition eingenommen. „Programmieren Sie bitte für mich das schwierigste Bild, das der Rechner hergibt, Shimar!“, forderte der Professor. „Ich muss erst nachsehen, welches das ist.“, gab Shimar zurück, der sich schon denken konnte, dass das ganz schön in die Hose gehen musste. Wahrscheinlich hatte er die gleichen Gedankengänge wie Nayale und ich. „Na, dann möchte ich Ihnen aber vorschlagen, doch vorsichtshalber eine kleinere Kugel zu benutzen, Nathaniel.“, sagte Scotty. „Ich meine ja nur.“ „Sie können meinen, was Sie wollen.“, sagte Radcliffe. „Ich werde mich davon nicht beeindrucken lassen. Sie sind mein Gegner und es besteht immerhin die Möglichkeit, dass Sie mir nur eins reinwürgen wollen.“ „Moment mal.“, sagte Scotty. „Das is’ doch nur ’n Spiel hier. Wir sind doch keine Feinde im Krieg oder so. Was haben Sie denn für ’n Problem, he?! Ich wollte doch nur helfen!“ „Lassen Sie meinen Mann, Scotty!“, mischte sich Nayale ein. „Es ist schließlich seine Sache, wenn er sich selbst Steine in den Weg legen will!“ „Auf wessen Seite bist du eigentlich, Nayale?!“, fragte der Professor entrüstet. „Ich dachte, du gehörst zu meinem Team!“ „Trotzdem lasse ich es mir nicht verbieten, dich auf bestimmte Dinge hinzuweisen.“, erwiderte die junge intelligente Zeonide ruhig, die beileibe nicht auf den Mund gefallen war.

Unversehens musste ich grinsen, denn mein Verstand hatte mir einen kleinen Streich gespielt, den ich aber in gewisser Hinsicht sehr amüsant fand. Er hatte die Figuren von Radcliffe und Nayale gegen die von Sisko und Kira auf Deep Space Nine ausgetauscht. Ich war zwar damals nicht dabei gewesen, aber aus meiner Zeit als Kadettin, in der ich die Berichte von Sisko auch als Teil des Lehrstoffs studieren musste, wusste ich, dass es damals, als es um das Baseballspiel gegen die Vulkanier ging, auch zu einer ähnlichen Situation gekommen war. Sisko war derart besessen von dem Spiel, zumindest meiner Meinung nach, gewesen, dass er völlig neben sich gestanden hatte. Meinem Soziologieprofessor, einem Demetaner höheren Alters Namens Sandron, hatte ich dies auch gesagt, aber erst dann, als er mich darum gebeten hatte, vor der ganzen Klasse zu wiederholen, was ich gerade vor mich hingeflüstert hatte. Erst hatte ich, schüchtern wie ich damals war, verneinen wollen, denn ich hatte Angst, mit dem, was ich sagen würde, einen Mythos zu zerstören, aber Professor Sandron ermutigte mich dann doch mit den Worten, die ich bis heute gut in Erinnerung hatte: „Allrounder Apprentice, Sie haben uns alle sehr neugierig auf Ihre Meinung gemacht. Es wäre doch jetzt sicher sehr unfein, wenn Sie diese Neugier nicht stillen würden. Ich weiß, dass Sie keine unfeinen Dinge tun, weil Sie dafür eine viel zu gute Kinderstube genossen haben. Außerdem ist die Föderation der vereinten Planeten ein demokratischer Staat und Sie wissen ja wohl, dass dies auch die Meinungsfreiheit beinhaltet. Also, raus damit!“ „Bei allem Respekt, Professor.“, hatte ich angesetzt. „Meiner Ansicht nach ist er in einer tiefen Obsession wegen der Sache in seiner Jugend. Das Trauma, das Solok bei ihm gesetzt hat, konnte er bis heute nicht verarbeiten. Deshalb verhält er sich wohl so seltsam.“ „Hat noch jemand zu Allrounder Apprentice Betsys Urteil eine Meinung?“, hatte er in die Klasse gefragt. Dann hatte er sich wieder an mich gewandt und gesagt: „Lassen Sie mich kurz Ihr Auge sein, Betsy. Ich sehe ein allgemeines zustimmendes Kopfnicken. Ich weiß, damit demontieren wir einen Ritter in strahlender Rüstung, aber wie Sie wissen, war Sisko ja auch ein Sterblicher und Sterbliche wie wir alle haben nun einmal ihre Traumata. So, und nun weiter im Text …“

„Tante Betsy?“ Eine kleine Kinderstimme hatte meinen Namen geflüstert. Malcolm musste bemerkt haben, dass ich abgeschweift war. „Ja, Malcolm?“, sagte ich schnell und räusperte mich. „Was is’ so komisch, Tante Betsy?“, fragte er. „Wieso sollte was komisch sein, Malcolm?“, fragte ich zurück. „Weil du grinst.“, sagte er. „Ach, das ist nichts.“, sagte ich. „Das verstehst du noch nicht. Lass uns doch jetzt mal hören, was dein Daddy und der Onkel Scotty machen, OK?“ „OK.“, strahlte Malcolm. „Darf ich dir sagen, was ich sehe?“ „OK.“, sagte ich und lächelte ihn an. „Mein Daddy steht jetzt da und überlegt.“, sagte Malcolm. „Und der Onkel Scotty steht auch da. Aber er sieht ganz ruhig und locker aus. Mein Dad guckt ganz verkniffen. Ungefähr so. Fühl mal.“ Er nahm meine rechte Hand und führte sie an sein Gesicht, das er zu einer Grimasse verzogen hatte. An seinen zusammengepressten Lippen konnte ich sehr wohl erkennen, wie angespannt er sein musste. „Ui.“, machte ich. „Der nimmt das aber sehr ernst. Aber mach dir keine Sorgen. Der Onkel Scotty kriegt die Geschichte schon wieder aufgelockert.“

Shimar hatte sich die Punktetabelle vom System geben lassen. „Also, hört mal her.“, sagte er. „Die meisten Punkte gibt es für den Pfeil mit Spitze.“ „Den nehme ich!“, sagte Radcliffe. „Ich auch.“, sagte Scotty ganz ruhig. „Aber ich nehme noch was anderes.“ Er nahm sich die kleinste Kugel aus dem Magazin. „Haben Sie etwa nichts in den Armen?!“, spottete Radcliffe. Scotty ging nicht darauf ein, sondern fixierte ganz ruhig sein Ziel. Dann wartete er ab, was Shimar an der Konsole tat. Nach Abfrage hatte er für beide den Pfeil mit Spitze im Menü ausgewählt. Daraufhin hatte der Zufallsgenerator des Systems bestimmt, dass Radcliffe beginnen sollte. „Die ausgewählte Form ist der Pfeil mit Spitze.“, sagte die Stimme des Rechners. „Die Kegel, welche unbedingt fallen müssen, sind die Nummern: eins, zwei, drei, fünf und acht. Fallen diese Kegel beim ersten Wurf, gibt es zehn Punkte. Jeder weitere benötigte Versuch reduziert um je einen Punkt. Die temporäre Punktzahl bleibt im Hintergrund gespeichert, auch wenn die Kegel neu aufgestellt werden. Bitte beginnen Sie, sobald Sie diese Erklärung verstanden haben.“ „Wenn der zehn Versuche braucht, hat er am Ende null Punkte.“, flüsterte Ginalla mir zu. „Das habe ich auch kapiert.“, gab ich genau so leise zurück. „Dann hat die ganze Protzerei ihm nichts gebracht.“

Ich hörte, wie Radcliffes Kugel die Bahn entlang rollte. Dann gab es einen Riesenkrach, aber der Computer begrub all seine Hoffnungen, denn gerade die zu treffenden Kegel, die sich in der Mitte befanden, waren stehen geblieben, da Radcliffe die Kugel etwas versetzt aufgesetzt hatte. Die Gruppe rechts von dem Pfeil war gefallen, aber das nützte ja nichts, zumal die Kegel so gerade gefallen waren, dass sie keine ihrer mittleren Nachbarn mitgenommen hatten.

Shimar sah auf seinem Monitor, wie der Cursor in Scottys Spalte hinüber wanderte. „Der Computer sagt: Jetzt bist du dran, Kumpel.“, sagte mein Freund zu meinem Mann. „Na, dann wollen wir ihn mal nicht enttäuschen.“, frotzelte Scotty ruhig und ließ seine erheblich kleinere Kugel durch die Mitte der Bahn laufen. Sie traf auf die uns zugewandte Spitze der Raute, in der die Kegel angeordnet standen. Der so umgeworfene Kegel Nummer zwölf stieß die Nummer acht an, die dann umfiel, um die Nummer fünf anzustoßen, die beim Trudeln und Fallen ihrerseits die Nummern zwei und drei mitriss. Die eins wurde dann noch von der Kugel höchst persönlich auf ihrem Weg nach Hause erledigt. „Ui, rums, klöter, klöter, deng!“, machte Malcolm und lachte sich halb schief. „Das war lustig!“ „Oder auch: Eumel, kuller, kuller, krawuhms!“, alberte Shimar von der Konsole her. Wir mussten alle so lachen, dass wir Bauchschmerzen bekamen und die Verkündung des Ergebnisses völlig unterging. Aber wir konnten uns alle schon denken, dass Scotty alle zehn Punkte abgeräumt hatte.

Zufrieden kam er an unseren Tisch zurück. „Man braucht auch etwas hier, nicht wahr, Scotty?“, grinste ich und zeigte auf meine Stirn. „Du wusstest, dass du mit ’ner größeren Kugel nicht so gut hättest zielen können.“ „Wieso kannst du dir so was vorstellen, Darling?“, fragte Scotty mit einem ziemlichen Staunen in den Augen. „Du kannst doch weder die Größe der Kugeln, noch die Stellung der Kegel gesehen haben. Shimar, hast du …?“ „Ich habe ihr gar nichts übermittelt.“, sagte Shimar. „Aber sie hat viel Fantasie und eine gute räumliche Vorstellungsgabe. Pass mal auf, was passiert, wenn sie dran ist. Ich wette mit dir, dass sie meine telepathische Übermittlung gar nicht braucht, um zu bestimmen, welche Kugel sie haben will und welches Bild. Es wäre nur schön, wenn du sie ihr anreichen würdest, damit es schneller geht.“ „Die Wette gilt!“, sagte Scotty und ging zu Shimar, um auf ihre Vereinbarung mit ihm einzuschlagen. „Der Verlierer spendiert dem Gewinner einen Drink.“, schlug Scotty vor. „Dann bügel’ schon mal deine Spendierhosen.“, erwiderte Shimar selbstbewusst.

Ich hatte bemerkt, dass Malcolm wohl über etwas nachgedacht hatte. „Woran denkst du, Malcolm?“, fragte ich, denn mir war aufgefallen, dass er sehr still geworden war nach seinem Lachanfall. „Ach, Tante Betsy, ich frage mich nur, ob mein Daddy jetzt den ganzen Abend lang an diesem einen Bild hängt.“ „Oh, das wissen wir gleich.“, tröstete ich und drehte mich Shimar zu, um ihm auffordernd zuzuzwinkern. Zumindest versuchte ich, eine ähnliche Bewegung mit meinen Augen zu vollführen. Da ich so etwas aber nie gesehen hatte, wusste ich nicht, ob es mir gelungen war. „Ihr schickt mich ja heute ganz schön durch die Katakomben des Systems.“, stöhnte mein Freund und ließ sich noch einmal das Regelwerk zeigen. „Bist ja selber schuld, wenn du dich als Programmierer anbietest.“, neckte ich. „Stimmt auch wieder.“, meinte Shimar und begann damit, sich den Absatz über die von Malcolm gestellte Frage noch einmal zu Gemüte zu führen. „Also.“, sagte er. „Ein Wechsel ist möglich. Der Computer wird ihn jedes Mal, wenn er dran ist und sich noch nicht für ein anderes Bild entschieden hat, fragen, ob er das angefangene Bild weiterspielen, oder ein anderes auswählen will. Wenn er klug ist, sollte er das auch tun, denn sonst kommt er mit seiner bisherigen Strategie noch in den Minusbereich. Das geht nämlich auch.“ Aber jetzt sind sowieso erst mal Malcolm und du dran, Kleines.“ „OK.“, sagte ich. „Du könntest mir nur noch einmal die zur Verfügung stehenden Bilder vorlesen, während ich zur Bahn gehe.“ „In Ordnung.“, sagte er. „Scotty, bringst du sie?“ „Aber sicher doch.“, flapste mein Mann und hakte mich unter.

Neben uns wuselte der Kleine auf seinen Platz. Aber das bekam ich nur mit halbem Ohr mit, denn eigentlich war meine Aufmerksamkeit bei Shimar, der mir noch einmal alle Bilder vorlas, die es im System gab. „Ich ordne von leicht nach schwer, OK?“, fragte er. Ich nickte. Aber nicht nur ich hatte ihm zugehört. Auch Malcolm schien das Geschehen irgendwie zu verfolgen. Jedenfalls sagte er plötzlich: „Ich will auch mit Augen zu spielen.“ Seine Stimme klang etwas dumpf, als hätte er die Hände vor dem Gesicht. „Das lass mal besser, Malcolm.“, riet ich. „Sonst wird dir nachher ganz doll schlecht. Du bist das ja nicht gewohnt und dein Gehirn kann das nicht verstehen und mag das nicht.“ „Aber das ist doch dann nicht fair gegenüber dir, Tante Betsy.“, sagte Malcolm traurig. „Das macht mir nichts, Schatz.“, tröstete ich. „Guck mal, wenn wir beide Erwachsene wären, dann wäre das was anderes. Große Leute können Kugeln einen großen Schwung geben und kleine Leute einen Kleinen. Aber weil ich nicht sehen kann, was ich da tue, werde ich auch ganz vorsichtig spielen und meiner Kugel auch nur einen kleinen Schwung geben, wenn ich schlau bin. Genau so vorsichtig wie du. Aber wenn du auch nicht sehen kannst, dann wirst du vielleicht zu vorsichtig oder du verlierst die Richtung ganz. Das ist auch nicht OK.“ „Na gut.“, sagte Malcolm und schien dabei sehr erleichtert. „Jetzt hab’ ich’s verstanden.“, sagte er. „Du kannst ganz toll erklären, Tante Betsy.“ „Danke, Malcolm.“, sagte ich lächelnd.

Natürlich hatte ich mir vor dem Gespräch mit dem Jungen gemerkt, welches Bild ich mir aussuchen würde. Ich kannte die Grundstellung der Kegel und wusste daher ungefähr, wie die schlüssig benannten Bilder auszusehen hatten. „Ich nehme die Tannenspitze.“, sagte ich. „OK.“, sagte Shimar und holte tief Luft, bevor er das Bild im Menü des Systems bestätigte. „Soll ich?“, fragte er. Was er meinte, war mir sonnenklar. Ich hatte an seinem Verhalten schon ablesen können, dass er sich wohl sehr konzentrierte. „Nein, Shimar.“, sagte ich. „Der Computer und ich versuchen es erst mal allein miteinander.“ „Ist OK.“, sagte Shimar, der noch gut die Wette mit Scotty im Hinterkopf hatte. „Ich will das Gleiche, was sie hat.“, sagte Malcolm. „Also gut.“, sagte Shimar und loggte auch für Malcolm die Tannenspitze ein.

„Ich dachte, als mein Sohn würdest du dir etwas Schwierigeres aussuchen, Malcolm.“, sagte Radcliffe vom Tisch, erntete darauf aber gleich einen missmutigen Knuff in die Rippen von Nayale. „Nathaniel!“, ermahnte sie ihn leise. „Ich dachte, wir wären hier, um unseren Spaß zu haben und ich dachte auch, du hättest das hinter dir!“ „Tut mir leid, Nayale.“, flötete Radcliffe und hielt sich die Seite, denn ihr Knuff hatte ihm doch wohl nicht gerade wenig Schmerz bereitet. „Es war ja auch nicht so gemeint.“ „Das will ich ja wohl auch hoffen.“, zischte sie.

Per Signal hatte der Computer uns mitgeteilt, dass die Eingaben vollständig erfolgt waren. „Hör jetzt genau zu, Kleines.“, flüsterte mir Shimar zu. „Na, ich glaube doch, dass du ihr helfen müssen wirst.“, sagte Scotty. „Sie kann doch nicht nur über die Zahlen …“ „Warte doch mal ab.“, sagte Shimar ruhig und war dabei sehr bemüht, dem Computer nicht dazwischen zu reden, der jetzt erklärte: „Die ausgewählte Form ist die Tannenspitze. Die Kegel, welche unbedingt fallen müssen, sind die Nummern: eins, zwei und drei. Fallen diese beim ersten Wurf, gibt es vier Punkte. Jeder weitere benötigte Versuch reduziert um je einen Punkt. Bitte beginnen Sie, sobald Sie diese Erklärung verstanden haben.“

Scotty war aufgefallen, dass weder Malcolm noch ich uns vorher eine Kugel ausgesucht hatten. Er konnte sich denken, dass der Kleine sicher die für seine Hände beste kleinste Kugel nehmen würde, aber bei mir stellte er sich die Frage, ob ich wirklich in der Lage war, ohne Shimars telepathische Übermittlung eine Entscheidung über Kugelgröße und Richtung zu treffen.

Er kam hinzu und hielt mir ebenfalls eine Kugel hin, die ich sofort betastete. Aber ich hatte schon ein merkwürdiges Gefühl dabei. „Die ist zu groß, Scotty.“, sagte ich. „Damit treffe ich sicher nicht genau genug und bis sie hinten ankommt, haben die ganzen unwichtigen Kegel, die sie unterwegs umschmeißt, sie viel zu stark gebremst. Gib mir bitte auch die Kleine!“

Sprachlos dackelte mein Mann zurück und brachte mir die gewünschte Kugel. Den ersten Teil der Wette hatte Shimar schon einmal gewonnen, denn ich war auf Scottys Versuch, mich hereinzulegen, nicht hereingefallen.

Ich legte also die Kugel zwischen meinen Beinen auf dem Boden der Bahn ab, tastete genau nach der Mitte und gab ihr einen mäßigen Stoß, der bei ihrem geringen Gewicht durchaus genügte, um ihr eine passable Geschwindigkeit zu geben. Zu viel des Guten hätte sie sicher im wahrsten Sinne des Wortes aus der Bahn geworfen. Allerdings hatte ich mich auch in der Richtung um ein paar Zentimeter vertan, was ich gleich darauf feststellen musste, denn ich war noch eine Weile länger in Hockstellung geblieben. So konnte ich den Lauf der Kugel länger mit den Ohren verfolgen. „Geschätzte fünf Zentimeter zu weit links.“, sagte ich. „Ich denke, dass nur Kegel Nummer zwei fallen wird.“ Genau das passierte auch. „Heilige Warpgondel!“, staunte Scotty. „Das hast du gehört? OK, Shimar. Du hast die Wette gewonnen. Sie kann doch mehr, als ich gedacht habe. Aber bitte schröpf mich nich’ zu sehr.“ „Wusste ich’s doch.“, grinste Shimar und wandte sich an Ginalla: „Was ist das Teuerste auf deiner Karte?“ Scotty viel die Kinnlade herunter. „Nur ein Spaß.“, beruhigte ihn Shimar und bestellte sich einen Früchtetee. „Falls ich Betsy doch mal telepathisch helfen muss, sollte ich bei klarem Verstand bleiben.“, begründete er. „Aber jetzt lass uns erst mal sehen, was Malcolm macht.“ „Das heißt, jetzt kann ich?“, fragte der Kleine. Shimar nickte ihm auffordernd zu. „OK.“, sagte Malcolm und ließ seine Kugel losrollen. Diese sauste durch die Mitte und traf Kegel Nummer eins schräg an seiner Basis, dessen Kopf dadurch naturgemäß nach hinten nickte und dann Kegel Nummer zwei anstieß, der nach rechts kippte und Kegel Nummer drei zu Fall brachte. „Volle Punktzahl!“, sagte die Stimme des Rechners. „Tut mir leid, Tante Betsy.“, entschuldigte sich Malcolm. „Ach, das ist doch nicht schlimm.“, sagte ich. „Das ist doch nur ein Spiel und ich habe ja sicher noch mehr Chancen heute Abend. Ich muss mich vielleicht auch erst mal einhören. Wenn ich die Bahn besser kenne, geht das schon.“ „Du magst mich also immer noch?“, fragte der Junge. „Warum denn nicht?“, fragte ich lächelnd und breitete meine Arme aus, um dann laut zu singen: „Ene mene Muscheln, wer will kuscheln?!“ „Ich!“, quietschte Malcolm, wuselte herüber und warf sich in meine Arme. Ich drückte ihn an mich und schmuste mit ihm. Dann setzten wir uns beide wieder an den Tisch, um den Platz für Nayale und Ginalla zu räumen.

„Muss eigentlich immer jeder das Gleiche nehmen?“, fragte Malcolm, der sehr neugierig auf die für ihn wohl sehr neue Art des Bowlings geworden war. „Ich werde mal nachsehen.“, sagte Shimar, der sich gleich angesprochen fühlte. Dann ließ er seinen Blick erneut über den Bildschirm schweifen, um danach zu antworten: „Nein, muss man nicht. Du kannst auch das nächste Mal ein anderes Bild als Betsy nehmen. Ihr könnt auch mehrmals die gleichen Bilder nutzen, wenn sie euch Glück gebracht haben.“ „Ich will aber nich’ unfair sein.“, sagte Malcolm und wurde etwas traurig. „Ich meine, sie kann doch nich’ sehen und …“

Ich tastete mich um den Tisch und zu ihm, wonach ich ihn gleich in den Arm nahm. „Du kleiner süßer Fratz.“, tröstete ich. „Bist du immer noch traurig, weil ich verloren habe? Das brauchst du nicht. Schau mal. Ich kenne diese Bowlingbahn noch nicht und weiß einfach nicht, wie sie sich anhört. Außerdem kann es dir ja genau so mal passieren, dass eine Kugel daneben geht. Das hat nichts mit Sehen oder nicht Sehen zu tun. Außerdem ist das ja nur ein Spiel, auch wenn dein Daddy dir etwas anderes einzureden versucht.“ Ich drehte mein Gesicht zu Radcliffe und versuchte, ihm einen tadelnden Blick zuzuwerfen. Dann schaute ich erneut Malcolm an und sagte: „Es ist alles OK, Malcolm. Glaub mir.“ Anschließend strich ich ihm über den Kopf und knuddelte ihn noch einmal kräftig.

Plötzlich spürte ich eine Hand, die mich auf meinen Platz zurückzog. „Darling, es geht los.“, sagte Scotty. „Aufgepasst!“ Dann bekam auch ich mit, dass sich auf der Bowlingbahn wohl etwas tat. Ginalla und Nayale hatten ihre Positionen eingenommen und sich beide für die Eistüte mit Rand, Füllung und Sahne entschieden. Das war ein Bild, das aus den Kegeln Nummer fünf, sieben, acht, neun, zehn, elf und zwölf bestand. Nayale hatte eine mittlere, Ginalla eine kleine Kugel genommen. Dann hatten beide Shimar zugenickt, der den Zufallsgenerator gestartet hatte. „Sie fangen an, Nayale.“, sagte er und lächelte der jungen Zeoniden zu. „Ach.“, lächelte sie zurück. „Du kannst mich ruhig duzen, wie es auf deinem Planeten üblich ist. Das dürfte dir doch viel leichter fallen.“ Das Du, das Dir und das Deinem hatte sie extra betont. „Aber wir befinden uns in Ihrem Heimatuniversum, Nayale.“, sagte Shimar verlegen. Das war das erste Mal, dass ich ihn so erlebt hatte. „Ich habe nur versucht, mich Ihrer Kultur anzupassen.“, rechtfertigte er sich. „Und ich habe nur versucht, mich deiner anzupassen.“, antwortete Nayale. „Wie es aussieht, brauchen wir wohl Hilfe.“, stellte Shimar fest und sah Scotty und mich auffordernd an. „Tja, um so was zu lösen, bin ich wohl zu grobschlächtig.“, sagte mein Mann. „Ich kann besser mit Maschinen, als mit Diplomatie. Aber was sagst denn du dazu, Darling? Ich meine, du, als ausgebildete Kommunikationsoffizierin, du kennst dich doch mit sprachlichen Feinheiten sicher besser aus.“

Ich legte den Kopf in die Hände und dachte nach. Im Allgemeinen war es so, dass ein guter Gastgeber auf die Bedürfnisse seiner Gäste eingehen musste und nicht umgekehrt. Da wir uns also im Föderationsuniversum befanden, konnte das bedeuten, dass Nayale durchaus akzeptieren konnte, dass sie von Shimar geduzt wurde. Aber genau so konnte es auch sein, dass Shimar akzeptieren musste, von Nayale gesiezt zu werden, wie es hier üblich war. Aber das war ja nur so, solange man sich streng an die diplomatischen Protokolle halten würde. Aber wir alle waren ja keine Botschafter oder Politiker, sondern eine total ungezwungene Runde von Freunden, die einfach nur ihren Spaß haben wollten. Also sagte ich: „Wir duzen uns doch hier alle. Wenn schon Rücksicht auf irgendwas genommen werden soll, dann bitte auf die Bedürfnisse des Kleinsten unter uns und das ist Malcolm, der ja mit sechs Jahren noch kein Verständnis für diplomatische Protokolle haben kann. Aber wir können Verständnis für die kindliche Sichtweise zeigen. Also, alle sind per du, würde ich sagen.“ Alle nickten bestätigend und Scotty klatschte sogar.

Über unsere philosophische Diskussion hatten wir völlig außer Acht gelassen, was auf der Bowlingbahn passiert war. Nayale hatte, die Kugel in der Mitte ansetzend, die ihr zugewandte Spitze, also die Nummer 12, getroffen, die ihrerseits beim Trudeln die Elf und die Zehn erwischte. Die erwischten schräg versetzt die Sieben und die Neun, die sich in der Mitte beim Fallen trafen und die Acht umstießen. Die wiederum rächte sich an der fünf. „Klasse, Mummy!“, quietschte Malcolm. „Danke, mein Schatz.“, lächelte Nayale und kehrte an unseren Tisch zurück.

„OK, Ginalla., grinste Shimar. „Dann lass uns mal sehen, was du ablieferst.“ „Das kannst du haben, Soldat!“, sagte die junge Celsianerin und lehnte sich etwas zurück, um ihrer Kugel einen größeren Schwung geben zu können. Aber es kam, was kommen musste. Die ohnehin recht leichte Kugel trullerte über die Auflaufbremse hinaus genau in die rechte Rinne, bevor sie überhaupt einen Kegel umgeworfen hatte. „Hoppla!“, sagte Ginalla flapsig. „Schwungvoll versemmelt, würde ich sagen.“ „Ich glaube, da wirst du von keinem von uns, inklusive dem Computer und mir, einen Widerspruch hören.“, frotzelte Shimar. „Damit hatte ich auch nicht gerechnet, Soldat.“, sagte Ginalla. „Aber na ja. Jetzt is’ wenigstens ein Gleichstand erreicht, nicht wahr?“ Shimar ließ seinen Blick über den Punktestand schweifen und nickte, denn für die gefüllte Eistüte mit Sahnehäubchen gab es immerhin sechs Punkte beim ersten Versuch.

Scotty schlich zu meinem tindaranischen Freund hinüber und flüsterte ihm zu: „Wollen wir wetten, dass sie das mit Absicht gemacht hat?“ „Hast du heute nicht schon genug Wetten gegen mich verloren?“, fragte Shimar, der sich das von Ginalla nun wirklich nicht vorstellen konnte. „Warum sollte sie?“ „Ich weiß ja nich’.“, flapste Scotty. „Is’ ja nur so ’ne Ahnung. Und sie weiß doch eigentlich zu viel über technische Zusammenhänge, um …“

„Bevor ihr weiter grübelt.“, sagte eine verschämte Ginalla. „Es war mehr halb mit Absicht. Meine Absicht war eigentlich, mit der kleineren Kugel die richtigen Kegel einzeln zu treffen. Aber dann sind wohl die Pferde mit mir durchgegangen, was den Schwung anging. Außerdem wollte ich unserem kleinen traurigen Spatz beweisen, dass das hier wirklich nix mit Sehen oder nich’ Sehen zu tun hat.“ „Warst schon immer ’n bisschen schwungvoll, Gin’.“, scherzte Scotty. „In jeder Beziehung.“ „Woher weißt du denn das?!“, witzelte ich und zog einen übertriebenen Schmollmund. Außerdem tat ich, als sei ich eifersüchtig. Das aber so übertrieben, dass jeder drauf kommen musste, dass es nicht ganz ernst gemeint war. Alle lachten ob der kleinen Aufführung. Offensichtlich versprach dies, ein noch sehr lustiger Abend zu werden. Dass wir sehr gut daran taten, ihn zu genießen, solange er dauerte und dass es wohl bald mit dem Scherzen und dem Vergnügen vorbei sein würde, ahnte niemand von uns. Auch Scotty nicht, der jetzt zu Shimar sagte: „Um noch mal auf unsere Wette zurückzukommen. Was willst du haben?“ „Ich nehme am besten einen terranischen Apfelsaft.“, sagte mein Freund. „Falls ich Betsy doch mal telepathisch helfen muss, sollte ich bei klarem Verstand bleiben.“ „Ich werde mit dem Trinken heute auch mal vorsichtig sein.“, entgegnete Scotty. „Irgendwas sagt mir, dass ich heute auch besser nüchtern bleibe.“

Kapitel 27: Wenn die Bombe platzt

von Visitor

 

In Sytanias Schloss saß Dirshan noch immer vor dem Kontaktkelch. Statt des Geschehens auf der Werft hatte er sich aber uns zugewandt, denn er fand es wohl doch ziemlich langweilig, dem schwarzhaarigen Celsianer bei der Ausübung seiner Arbeit an IDUSA zuzusehen. Er hoffte nur, dass die Prinzessin ihn nicht bei der Vernachlässigung seiner Pflicht erwischen würde.

Schnelle weibliche Schritte zwangen ihn dann jedoch, die für ihn sehr amüsante Ablenkung doch aufzugeben. Sytania musste, ungeduldig wie sie nun einmal war, nicht mehr die Muße gehabt haben, bis zu seinem Bescheid abzuwarten. Schnell schaltete Dirshan das Bild des Kontaktkelchs um, damit sie seinen kleinen Fehler nicht bemerken würde. Es war aber nicht nur die Langeweile ob der endlosen Zahlenkolonnen auf dem Bildschirm der Diagnosekonsole des Celsianers gewesen, die ihn dazu veranlasst hatte, uns statt seiner zu beobachten. Schon lange war dem Novizen das Verhalten seiner Herrin sehr suspekt gewesen. Er hatte die fast despotische Art, wie Sytania über ihre Dimension herrschte, nie wirklich gut heißen können. Im Grunde seines Herzens war er ein gutes Wesen und konnte eigentlich mit ihrer Bosheit nichts anfangen. Er hatte sich schon des Öfteren gewünscht, auf der Seite des Dunklen Imperiums geboren zu sein, die von Sytanias Vater Logar beherrscht wurde. Die Ideale der dortigen Vendar und auch die des dortigen Herrschers gefielen ihm weitaus besser. Logar würde niemals die Sterblichen in der Art benutzen, wie es Sytania tat und wenn es dann doch mal dazu kommen sollte, dann würde er dies nur mit ihrem Einverständnis tun! Der junge Vendar rang mit sich, ob er es nicht irgendwann wagen sollte, zu Logar über zu laufen. Aber er konnte einfach noch keinen Entschluss fassen.

„Was weißt du Neues?!“ Eine strenge Stimme hatte ihn erschreckt und aus seinen Gedanken gebracht. Das hatte aber auch zur Folge, dass seine Verbindung zum Kontaktkelch abbrach, was wiederum den angenehmen Effekt hatte, die Dinge, die er gesehen hatte, sofort zu löschen. So würde Sytania nie darauf kommen, was er beobachtet hatte. „Es gibt nichts Neues, Milady.“, meldete Dirshan, nachdem er sich gefangen hatte. „Allrounder Betsy und ihre Freunde sind in einer celsianischen Kneipe dabei, eine Party zu feiern. Sie spielen ein Spiel und …“ „Deren lächerliche Beschäftigungen interessieren mich nicht!“, schalt ihn Sytania, der gegenüber er jetzt doch seine kleine Unaufmerksamkeit verraten hatte. „Auf der Werft! Was geschieht gerade auf der Werft?!“ „Bitte gebt mir einen Augenblick, Prinzessin.“, bat Dirshan, der sehr froh darüber war, dass sie wohl über sein Vergehen hinweggesehen hatte.

Er legte seine linke Hand wieder auf den Fuß des Kelchs und gab Sytania, die rechts neben ihm saß, seine Rechte, die sie in ihre Linke nahm, um ihrerseits die rechte Hand auf den Fuß zu legen. Dann konzentrierte sich Dirshan auf das Bild von dem schwarzhaarigen Celsianer, der gerade mit der Wartung IDUSAs auf der Werft beschäftigt war. „Ich kann mit diesen Dingen nichts anfangen!“, ermahnte ihn Sytania. „Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du es mir erklären musst. Oder sag mir einfach nur, wann du schätzt, dass es Zeit für die Enttarnung des Schiffes sein könnte!“ „Ich denke, dieser Zeitpunkt ist gar nicht mehr so fern, Hoheit.“, grinste Dirshan tröstend. „Seht Ihr, dass der Celsianer gerade das Programm gewechselt hat? Er ist wohl mit den Messungen so weit fertig und wird sich jetzt gleich einen Ausschnitt des Schirms geben lassen wollen, um die Bildqualität der Sensoren mit den eigenen Augen zu überprüfen. Energiewerte und Spannungskurven sind die eine, aber die wirkliche Qualität der Bilder die andere Seite der Medaille.“ „Ich verstehe.“, grinste die Königstochter. „Also, wann kann ich damit rechnen?“ „Bitte bleibt hier, Hoheit.“, bat Dirshan. „Dann werdet Ihr den Zeitpunkt bestimmt nicht verpassen. Ich werde Euch Bescheid geben.“ „Das ist sehr gut.“, sagte Sytania und lehnte sich zurück. „Aber verrate mir doch: Was wird dieses Schiff genau tun, wenn …“ „Das werdet Ihr schon noch sehen.“, versicherte Dirshan. „Ich bin sicher, es wird ein Augenschmaus für Euch werden.“ „Dann freue ich mich schon darauf, mein guter Dirshan.“, sagte Sytania und nahm eine abwartende Haltung ein.

Techniker Taurus, der Mitarbeiter der Werft, der Scottys Vertretung übernommen und sich mit IDUSAs Wartung beschäftigt hatte, war gerade im Begriff, sein Pad zu entfernen. Die Beiden hatten nur per Lautsprecher und Bordmikrofon des Schiffes kommuniziert, denn Taurus war nicht im Besitz eines kompatiblen Neurokopplers gewesen. „Jetzt schnurrst du wieder wie ein Kätzchen, IDUSA.“, sagte Taurus mit seiner sonoren tiefen Stimme. „Ich finde, deine betreuende Ingenieurin auf der tindaranischen Basis hat dich echt gut in Schuss.“ „Danke.“, sagte IDUSA. „Aber ich finde, dass …“

Sie nahm plötzlich eine Erfassung mit dem Transporter vor, was Taurus gut anhand der Leuchten auf der Konsole sehen konnte. Er wusste auch, dass sich das erfasste Objekt innerhalb ihres Cockpits befinden musste. Aber was war hier noch außer ihm? Eigentlich gar nichts! „IDUSA, was machst du da?“, fragte er. „Ein vermutlich feindlicher Kontakt wurde registriert.“, sagte das Schiff förmlich. „Meldeprotokoll eins wird initiiert.“ „Was bedeutet das?“, fragte Taurus. „Das unautorisierte Personal wird evakuiert.“, erklärte IDUSA. „Das heißt wohl, dass du mich jetzt gleich von Bord beamst.“, sagte der celsianische Techniker. „Ihre Annahme ist korrekt.“, sagte das Schiff. „Dann hör mir mal zu.“, sagte Taurus, der durchaus der Meinung war, dass man mit ihr reden konnte. „Ich bin der Einzige, der dafür sorgen kann, dass du überhaupt irgendwas melden kannst. Die Docks sind so abgeschirmt, dass keine Kommunikation nach außen möglich ist, um eventuelle Sabotageversuche von außen zu vereiteln. Ein Schiff im Dock ist unter Umständen eine ziemliche Schwachstelle. Dein Sprechgerät wird nicht so ohne Weiteres jemanden erreichen können.“ „Die Abschirmung wurde registriert.“, sagte IDUSA anscheinend völlig unbeeindruckt von seiner Erklärung. Wie sollte sie dies auch sein? Das, was jetzt gerade in ihr ablief, war ein automatisches Protokoll. „Es wird versucht, auf vorhandene Netzwerke zur Kommunikation zuzugreifen.“ „Ach du Schande! Das tust du jetzt nicht wirklich!“, sagte Taurus, der sich extrem hilflos vorkam.

Er holte sein Pad wieder hervor und schloss es an. Dann versuchte er, sich einen Überblick über IDUSAs Systeme zu verschaffen, aber dazu kam es nicht mehr. Im gleichen Moment wurde er nämlich von Bord gebeamt und fand sich im Korridor vor dem Büro der Werftleiterin wieder. „Wenigstens bin ich gleich da, wo ich hin wollte.“, sagte er und betätigte die Sprechanlage. „Milarah, ich muss mit dir reden.“, sagte er, nachdem er bemerkt hatte, dass sie die Verbindung annahm. „Wer ist denn da überhaupt?“, fragte eine genervte Stimme von drinnen. „Ich kann leider meine Mitarbeiter noch nicht allein an der Stimme erkennen!“ „Hier ist Taurus.“, sagte er. „Der Techniker, den du für die Wartung des tindaranischen Schiffes eingeteilt hattest. Bitte lass mich ein. Ich möchte das Ganze nicht hier auf dem Flur besprechen.“

Er bemerkte, dass die Türen vor ihm auseinander glitten. Erleichtert betrat er das Büro seiner Vorgesetzten. „Was ist los, Taurus?!“, fragte Milarah und schob dem völlig blassen Techniker einen Stuhl hin. „Ich habe gerade ihre Sensoren gewartet.“, sagte er. „Da muss sie wohl etwas gesehen haben, das ein automatisches Protokoll bei ihr ausgelöst hat. Wenn du deinen Computer bemühst, dann wirst du vielleicht sehen, dass sie versucht, sich in das Kommunikationsnetzwerk der Werft einzuhacken.“

Milarah setzte sich an ihren Schreibtisch und schaute auf den Bildschirm ihres Rechners. „Das sehe ich.“, sagte sie. „Aber warum soll es das tun?“ „Ich denke, es muss jemanden auf seiner Heimatwelt erreichen oder so.“, sagte der Techniker. „Jedenfalls würde nichts anderes einen Sinn machen.“ „Denkst du, dass wir herausfinden können, wen es sprechen will?“, fragte Milarah. „Das glaube ich nicht.“, sagte Taurus. „Wir sind unautorisiertes Personal, weil wir keine tindaranische Militäruniform tragen, denke ich. Dieses Meldeprotokoll eins muss was Militärisches sein, über das uns die Tindaraner nicht informiert haben.“

Milarah kramte in ihrem Schreibtisch. „Wo habe ich ihn denn?“, fragte sie. „Was meinst du?“, fragte Taurus. „Ich rede von dem Datenkristall, auf dem ich die Rufzeichen gespeichert habe, unter denen dieser tindaranische Pilot zu erreichen ist. Wenn uns jetzt einer helfen kann, dann sicher nur er.“ „Kann ich dann mit ihm reden, Milarah?“, fragte Taurus. „Ich meine, schließlich bin ich Zeuge.“ „Natürlich.“, sagte die Werftleiterin und machte ein erleichtertes Gesicht, weil sie den Kristall endlich gefunden hatte. Sie schob ihn in ein Laufwerk und rief die entsprechende Datei auf. Taurus und sie sahen eine Liste vor sich auf dem Bildschirm. „90 % dieser Rufzeichen dürften auszuschließen sein.“, stellte Milarah fest. „Dort kann er im Moment wohl definitiv nicht sein. Aber dieses Rufzeichen hier halte ich für einen Treffer.“

Sie wandte sich bestimmt dem Terminal für die Sprechanlage zu und gab das Rufzeichen von Ginallas Kneipe ein, nachdem sie dem System verdeutlicht hatte, dass sie nach außerhalb SITCHen wollte. Der Ruf wurde von Ginalla persönlich entgegengenommen. „Hier ist Ginalla.“, meldete sie sich. „Ich bin Milarah.“, sagte dieselbe. „Ich bin Leiterin der Raumwerft, auf der das tindaranische Schiff gewartet wird. Es gibt Probleme. Der Pilot hat dein Rufzeichen angegeben, wenn …“ „Sekunde, Milarah.“, sagte Ginalla schmissig, die Milarah noch aus ihrer gemeinsamen Zeit in einer celsianischen Dorfschule kannte. „Ich hol’ ihn!“ Damit legte sie das Gespräch auf ein Handsprechgerät um, mit dem sie sich auf den Weg zu unserem Zimmer machte.

Es war ein schöner lustiger Abend gewesen und Shimar, Scotty und ich hatten uns nach dem Bowling wieder dort hin begeben. „Hör mal, Kleines.“, sagte Shimar und schien total gerührt. „Ich kann ja kaum fassen, wie süß du mit Malcolm gewesen bist.“ „Anscheinend hat sie doch mehr Instinkt für den Umgang mit Kindern, als …“, setzte Scotty an.

Die Sprechanlage machte unserer Unterhaltung ein jähes Ende. Statt zu antworten entriegelte Shimar die Tür aber sofort. Seine telepathische Wahrnehmung musste ihm schon verraten haben, wer da vor der Tür stand, nämlich eine total aufgeregte Ginalla, deren Hand er nur noch ergriff, um alles, was sonst noch daran hing, auf einen Stuhl zu befördern. „Was ist los, Ginalla?“, fragte er tröstend. „Ich hab’ die Leiterin der Werft hier.“, sagte Ginalla. „Es is’ irgendwas mit deinem Schiff!“ „Gib her.“, sagte der junge Tindaraner und zeigte auf das Sprechgerät in ihrer Hand, das ihm erst jetzt aufgefallen war. Mit zitternder Hand, eigentlich für sie ziemlich untypisch, streckte sie es ihm hin. „Ich bin Shimar.“, meldete er sich, nachdem er es entgegengenommen hatte. „Mein Name ist Milarah.“, stellte sich die ältere Celsianerin bei ihm vor. „Es geht um Ihr Schiff, Mr. Shimar. Aber warten Sie. Ich werde Sie direkt an einen Zeugen weitergeben.“

Da sie das Gerät auf Dauersenden gestellt hatte, bekam Shimar mit, wie es von Hand zu Hand ging. Dann hörte er, wie jemand etwas von Aufheben der Funktion murmelte und sich zu erkennen gab: „Ich heiße Taurus. Ich bin der für IDUSA zuständige Techniker. Ich brauche Hilfe! Vielleicht wissen Sie, was das soll. Ihr Schiff hat plötzlich alle Systeme blockiert und mich dann als unautorisiertes Personal bezeichnet. Dann hat sie was gesagt von einem Meldeprotokoll eins und mich einfach von Bord gebeamt. Sie versucht außerdem gerade, sich in unser Kommunikationssystem zu hacken.“ „Ich bin unterwegs. Unternehmen Sie nichts. Auf keinen Fall Gegenmaßnahmen!“, sagte Shimar, beendete die Verbindung und gab das Gerät an Ginalla zurück, die dann noch einen Wink bekam, das Zimmer sofort zu verlassen. Widerwillig tat sie dies.

Der junge Tindaraner war extrem erleichtert, als sich die Tür nach einer gefühlten Ewigkeit endlich hinter ihr geschlossen hatte. „Was ist Meldeprotokoll eins, Srinadar?“, fragte ich. „Vor Scotty und mir kannst du ja ruhig reden. Wir haben auch die gleiche Ausbildung wie du. Außerdem sind die Föderation und Tindara politische Verbündete. Wir sind keine Zivilisten.“ „Sie hat visuellen Feindkontakt.“, sagte Shimar. „Laut Protokoll muss sie das sofort ihrem Stammpiloten oder dessen Basiskommandanten melden, wenn sie ihn, also in diesem Fall mich, nicht erreicht. Wenn sie das nicht kann, darf sie alles tun, um sich das zu ermöglichen, wenn sie auf sich gestellt ist und das ist sie jetzt. Ich bin ja noch nicht bei ihr.“ „Dafür benötigt sie das Kommunikationsnetz der Werft.“, kombinierte ich. „Ich meine, das Dock ist bestimmt abgeschirmt und …“ „Richtig, Kleines.“, sagte Shimar. „Würde sie auch versuchen zu starten, um nach Tindara zurück zu fliegen?“, fragte Scotty. „Das würde sie!“, bestätigte Shimar fest. „Nur Zirell oder ich können ihr befehlen, das Protokoll vorzeitig zu beenden.“ „Oh, Mann.“, sagte Scotty. „Dann sollten wir zwei mal Dampf machen. Ich fahr’ dich. Mein Jeep ist auf dem Parkplatz.“ „OK.“, sagte Shimar, stand blitzschnell auf und die beiden Männer waren aus der Tür. Ich blieb leicht verwirrt zurück.

Sytania und ihr neuer Truppenführer hatten die Situation auf der Werft und in Ginallas Kneipe beobachtet. „Du bist ein sehr guter Stratege, Dirshan.“, stellte die Prinzessin fest. „Dein Timing gerade war exzellent! Keinen Moment zu früh und keinen zu spät hast du mir Bescheid gegeben. Jetzt werde ich gleich Kontakt mit Nathaniel aufnehmen, um ihm zu sagen, dass er diesen kleinen von mir so ungeliebten Sternenflottenallrounder jetzt ruhig vergiften kann. Ihre Freunde werden ja eine Weile lang aufgehalten sein und ihr somit nicht helfen können.“ „Ich hätte da noch einen Vorschlag, Hoheit.“, sagte Dirshan. „Wir sollten die ganze Sache auf der Werft noch einwenig dringlicher gestalten.“ „Wie willst du das erreichen?“, fragte Sytania und merkte auf. Sie wusste, dass jede Art der Ablenkung jetzt das Beste für ihren Plan war. „Ihr solltet irgendeinem einfältigen Arbeiter auf dieser Werft den telepathischen Befehl geben, die Leitung zu kappen, mit der IDUSA an die Systeme der Werft gekoppelt ist. Das ist nämlich auch der Weg, über den sie versucht, sich in deren Systeme zu hacken. Wenn sie das registriert, wird sie es als Sabotage erkennen und glauben, dass man verhindern will, dass sie den feindlichen Kontakt ihrem Piloten oder dessen Basiskommandantin meldet. Dann wird sie vermuten, dass die Leute auf der Werft ebenfalls auf Seiten ihrer Feinde sind und Stufe zwei initiieren.“ „Was ist stufe zwei, Dirshan?“, fragte Sytania neugierig. „Das werdet Ihr sehen, wenn Ihr meinem Vorschlag Folge leistet, Hoheit.“, erwiderte Dirshan. „Also gut.“, sagte Sytania und konzentrierte sich auf die Geister aller Arbeiter auf der Werft. „Ich werde mir den Dümmsten aussuchen müssen.“, erklärte sie. „Es sollte aber jemand sein, der auch in der Kommunikation arbeitet.“, sagte Dirshan. „Ansonsten wäre es ziemlich verdächtig, wenn jemand aus einer anderen Abteilung plötzlich…“ „Ich weiß.“, fiel ihm Sytania ins Wort. „So dumm bin ich schließlich auch nicht.“

Im Büro der Werftleiterin beobachteten Taurus und Milarah immer noch, was IDUSA tat. Das Schiff hatte es zwischenzeitlich tatsächlich hinbekommen, die Codes für das Kommunikationssystem der Werft zu knacken. „Sieht aus, als wäre sie drin.“, stellte Taurus mit geschultem Blick fest. „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Milarah. „Ich denke, wir sollten uns mal dran hängen und sehen, mit wem sie spricht.“ „Das habe ich schon versuchen wollen, Milarah.“, sagte Taurus. „Aber als dieser Pilot sagte, wir sollen keine Gegenmaßnahmen ergreifen, da habe ich den Gedanken gleich wieder verworfen. Wer weiß, was sie dann macht.“ „Dieser Tindaraner wird genau wissen, was sie dann macht.“, sagte Milarah. „Er wird uns ja nicht umsonst dazu geraten haben.“

Die Sprechanlage piepte und Milarah erkannte das Rufzeichen eines Terminals in der Kommunikationstechnik. „Hier Milarah.“, gab sie sich kurz und bündig zu erkennen. „Ich bin Visentius.“, sagte ein etwas untersetzter älterer Mann mit tiefer Stimme. „Ich habe gerade die Relaisverbindung gekappt, die das Schiff mit unseren Systemen verbindet. Jetzt kann sie nicht mehr …“ „Du ausgemachter Idiot!“, entflog es Milarah. „Du hättest gar nichts tun dürfen, rein gar nichts! Hast du verstanden? Ich habe mich doch gerade in einer werftweiten Ansage an euch alle gewendet. Aber mir scheint, dass du mal wieder nicht zugehört hast. Wo war eigentlich deine Kollegin, die dir über die Schulter sehen sollte?“ „Sie war mal austreten.“, sagte der etwas dümmlich wirkende Arbeiter. „Entschuldigung, Chefin. Ich weiß auch nich’, was da gerade in mich gefahren is’.“

Genervt ließ Milarah das Mikrofon in die Halterung zurück gleiten. „Was machen wir jetzt, Taurus?“, fragte sie ihren Untergebenen, der ihr doch viel klüger schien, als der, mit dem sie gerade gesprochen hatte. „Ich denke, das wird davon abhängen, was dieses Schiff als Nächstes tut.“, sagte Taurus. „Hoffentlich macht sie nichts Schlimmes.“, sagte Milarah. „Ich meine, dieser Pilot kennt sein Schiff und wenn er uns sagt, dass wir nichts unternehmen sollen, dann täten wir wohl am besten daran, das auch zu tun. Ich kann mir vorstellen, dass einfach nur herumsitzen nicht wirklich erbaulich ist. Aber ich finde, wir müssen ihm einfach vertrauen.“ „Die Basis dafür dürfte zerstört sein.“, stellte Taurus fest und das alles nur wegen meines dämlichen Kollegen!“

Eine starke Erschütterung wurde spürbar. „Jetzt gibt es auch noch ein Erdbeben!“, sagte Milarah. „Nein, ich habe eine andere Vermutung.“, sagte Taurus. „Ich denke, das Schiff hat soeben ihren Antrieb aktiviert. Ich denke, da sie genau mitbekommen hat, was dieser ausgemachte Hohlkopf da gemacht hat, wird sie das als Sabotage und als feindlichen Akt erkannt haben. Ich denke, dass sie uns zwingen will, sie frei zu lassen. Ich kann nur vermuten, aber ich glaube, dass sie irgendwo einen Feind gesehen hat. Sonst wäre sie sicher nicht so erpicht darauf gewesen, alle Zivilisten von Bord zu bekommen.“ „Und jetzt nimmt ihr auch noch jemand die einzige Möglichkeit, mit ihrem Piloten Kontakt zu bekommen.“, sagte Milarah verständig. „Wahrscheinlich würde ich an ihrer Stelle genau so handeln, wenn ich das Gefühl hätte, in feindlicher Hand zu sein. Geh runter und sag dem Dummkopf, er soll den Stecker wieder reinstecken. Wenn er sich weigert, machst du es selbst. Vielleicht besänftigt das IDUSA.“ „Wie du willst, Chefin.“, sagte Taurus und stand auf.

„Die Celsianer sind ganz schön ins Schwimmen gekommen.“, stellte Sytania fest. „Die sind jetzt erst mal abgelenkt. Das bedeutet, ich kann Nathaniel jetzt sagen, dass er zu Betsy gehen und sich mit ihr versöhnen soll. Ihre beiden Freunde werden so schnell nicht wieder kommen. Das heißt, er hat absolut freie Bahn, um sie zu töten! Ach, wie schön kann es doch manchmal sein, die Sterblichen zu benutzen und wie erfreulich ist es doch, wenn man nicht alles nur mit Hilfe seiner Macht erledigt. Man kann das alles doch viel mehr auskosten. Aber sag mir, Dirshan, wird diese Maßnahme, die diese Celsianerin da gerade befohlen hat, überhaupt etwas bringen?“ „Ich schätze nicht viel.“, grinste der Vendar dreckig. „IDUSA wird das Kappen der Verbindung als Sabotage erkannt haben. Das bedeutet, sie wird Stufe zwei des Protokolls starten. Jede Kontaktaufnahme von Seiten der Celsianer wird jetzt wahrscheinlich als Versuch zur Übermittlung eines Virus interpretiert werden.“ „Du sagst wahrscheinlich.“, sagte Sytania. „Wie sicher bist du?“ „Unsere Quellen sind da nicht eindeutig.“, sagte Dirshan. „Aber lasst uns die Sache doch einfach weiter beobachten.“ „Einverstanden.“, sagte Sytania.

Taurus war im Wartungsraum für die Kommunikation angekommen, wo ihn ein ziemlich unschuldig dreinschauender Visentius erwartete. Der etwas untersetzte ältere Mann mit den kurzen blonden Haaren sah seinen Kollegen von Kopf bis Fuß an. „Was machst du denn hier, Taurus?“, fragte er. „Das Problem wieder lösen, das du verursacht hast.“, sagte Taurus mürrisch und drängte ihn zur Seite. „Milarah weiß schon, warum sie dich nur als Handlanger eingestellt hat. Jemandem anders einen Magnetschraubenschlüssel reichen, das kannst du vielleicht mal gerade, aber sonst bist du auch zu rein gar nix zu gebrauchen!“ Er steckte die Modulverbindung wieder zusammen. „So und jetzt werden wir mal abwarten, was passiert.“, sagte er.

Tatsächlich passierte auch bald etwas, aber leider etwas, das so gar nicht in die Vorstellung von Milarah und Taurus passen wollte. Am Piepen der Sprechanlage und dem unbekannten Rufzeichen konnte Taurus gut sehen, dass es das Schiff sein musste, das Kontakt zu ihnen aufnahm, aber was IDUSA dann sagte, gefiel ihm gar nicht. „Ihr Versuch, meine Meldung an meinen Stammpiloten zu verhindern, wurde registriert. Die erneute Herstellung der Kommunikationsverbindung von Ihrer Seite wird als Versuch interpretiert, meine Systeme zu stören. Nur mein Stammpilot oder dessen Basiskommandantin können das Protokoll aufheben. Stufe zwei ist initiiert. Der von Ihnen zur Zeit genutzte Port wird blockiert, um das Überspielen schädlicher Dateien zu verhindern.“ Die Verbindung brach ab.

„Da siehst du, was du angerichtet hast.“, sagte Taurus zu seinem belämmert aus der Wäsche schauenden Kollegen. „Tut mir leid, Taurus.“, sagte dieser. „Ich weiß auch nich’, was da in mich gefahren is’.“ „Als ob du überhaupt irgendwas weißt.“, murmelte Taurus frustriert in seinen 3-Tage-Bart.

Er nahm das Mikrofon der Sprechanlage in die Hand und gab das Rufzeichen seiner Chefin ins Terminal ein. „Milarah, ich habe mir jetzt einen Überblick verschafft.“, sagte er. „Offenbar hat das Schiff unsere Handlungen tatsächlich als feindlich interpretiert. Sie hat den Port blockiert, weil sie meint, wir wollten ihr ein Virus überspielen oder so. Sie sagt, nur ihr Stammpilot oder dessen Commander können …“ „Dann werde ich jetzt jemanden von der Sicherheit zu dieser Kneipe schicken. Die sollen ihm entgegen fahren und ihn herholen.“, entgegnete Milarah. „Ich denke, das dürfte alles einwenig abkürzen. Wenn das so weiter geht, werden wir vielleicht sogar die Hangartore öffnen müssen. Sonst fliegt uns noch das ganze Gebäude um die Ohren.“ „Ist OK, Milarah.“, sagte Taurus und beendete die Verbindung.

Scotty und Shimar waren mit dem Jeep des Schotten auf jener celsianischen Straße unterwegs, die sie zur Werft führte. Leider schienen sich aber sogar die Ampeln gegen sie verschworen zu haben, denn die rote Welle, die sie hinter sich bringen mussten, hatte selbst Scotty, der ja nun schon lange auf Celsius lebte, noch nie gesehen. „Jetzt erklär mir doch noch mal genau, was das is’ mit diesem Protokoll.“, sagte er und drehte sich zu dem nervösen neben ihm sitzenden Shimar um. „Wenn IDUSA einen Feind registriert.“, sagte Shimar. „Dann muss sie das unter allen Umständen melden. Um das zu erreichen, darf sie alle Mittel benutzen, die ihr zur Verfügung stehen. Wenn jemand dies sabotiert, gilt er automatisch als ebenfalls feindlich gesinnt und initiiert somit immer die nächste Stufe. Nur Zirell oder ich können …“ „Würde sie auch die Waffen einsetzen?“, fragte Scotty blass. „Wenn man sie dazu zwingt.“, sagte Shimar. „Deshalb habe ich ja auch gesagt, es darf nichts unternommen werden.“ „Hoffentlich haben sich meine Kollegen daran gehalten.“, sagte Scotty.

Plötzlich kam ein roter Jeep auf sie zu und bremste vor ihnen stark ab. Heraus stiegen zwei Celsianerinnen, die Uniformen der Werkssicherheit der Werft trugen, wie Scotty sofort erkannte. „Ich bin Mira.“, stellte sich die Ältere, eine schlanke sportliche Frau mit kurzen braunen Haaren und von ca. 1,70 m Größe, bei Scotty und Shimar vor. „Das ist meine Kollegin, Salia. Wir sind hier, um Sie abzuholen, damit Sie beim Passieren des Werfttors keine Schwierigkeiten bekommen. Mr. Shimar, Ihr Schiff hat den Antrieb gestartet. Es will starten, weil es Sie nicht erreicht hat.“ „Oh, nein!“, sagte Shimar. „Was is’?“, fragte Scotty. „Sie ist in Stufe zwei. Da hat mir wohl offensichtlich jemand nicht zugehört. Wir müssen ihr sagen, dass ich unterwegs bin. Aber Ihr Dock ist doch gegen SITCH abgeschirmt, oder?“ „Die Chefin will die Hangartore öffnen, um den Druck von der Statik zu nehmen.“, sagte Mira. „Das macht auch ein Loch in der Abschirmung.“, sagte Scotty.

Shimar hatte seinen Neurokoppler, den er immer bei sich hatte, aus der Tasche gezogen und ihn an einen der Ports des Sprechgerätes von Scottys Jeep angeschlossen. „Das passt schon mal.“, sagte er. „Aber das Gerät wird nich’ erkannt.“, sagte Scotty, der einen Blick auf das Display geworfen hatte. „Wir brauchen die tindaranische Software.“ „Die lässt sich doch sicher im Netzwerk finden.“, sagte Mira. „Nicht im Zivilen.“, sagte Shimar. „Aber wenn ihr alle mal wegschaut, kann ich da bestimmt was drehen.“ Alle nickten, die Frauen drehten sich um und Shimar und Scotty tauschten rasch die Plätze. „Wieso is’ das mit dem Koppler überhaupt notwendig?“, fragte Scotty. „Weil IDUSA in Stufe zwei nur meinen oder Zirells Neuralabdruck als Code akzeptiert.“, antwortete der junge Tindaraner genervt. „Und jetzt stör mich bitte nicht!“

Tatsächlich war es ihm wenig später gelungen, die militärische Software auf das Sprechgerät in Scottys Jeep zu spielen. „Ganz legal war das nicht, was ich hier tue.“, sagte er. „Na ja.“, sagte Scotty. „Falls du dich vor einem tindaranischen Kriegsgericht verantworten musst, sage ich gern für dich aus, dass du in einer Notlage gehandelt hast.“ „Das ist sehr tröstlich.“, sagte Shimar. „Verdammt! Scotty, was bedeutet so eine Meldung?!“

Der versierte Ingenieur ließ seinen Blick über die auf dem Bildschirm flimmernde Meldung schweifen. Dann sagte er: „Es hat nicht genug Arbeitsspeicher.“ „Verdammt!“, sagte Shimar. „Du hast nicht zufällig irgendwo einen Replikator versteckt, Scotty? Oder vielleicht eine der Damen?“ „’n Replikator hab’ ich nich’.“, sagte Scotty. „Aber du hast zum Glück ja den lieben Scotty bei dir! Den König der Bastler! Ladies, würden Sie mir bitte kurz Ihre Sprechgeräte leihen?“ Die Celsianerinnen nickten und übergaben Scotty bereitwillig die Geräte. Sie wussten, wenn jetzt einer mit seinen unkonventionellen Methoden helfen konnte, dann war er es. Tatsächlich machte sich Scotty gleich daran, nach dem Herunterfahren der Geräte die Speicherbausteine auszubauen und sie in das Sprechgerät des Jeeps zu setzen. „Versuch’s mal, Shimar.“, sagte er dann stolz und zeigte auf den Einschalter des Gerätes. Der Tindaraner nickte und betätigte ihn, worauf das Betriebssystem des Gerätes wieder startete und auch die tindaranische Software für den Neurokoppler ohne Probleme aktivierte. Dann gab Shimar per Gedankenbefehl, was ihm ja jetzt möglich war, IDUSAs Rufzeichen ein. Da Milarah tatsächlich inzwischen den Befehl zur Öffnung der Hangartore gegeben hatte, kam der Ruf sogar bei ihr an. „Erkenne Shimar.“, sagte der Schiffsavatar. „Das ist richtig.“, gab Shimar zurück. „Meldeprotokoll aussetzen, IDUSA! Ich bin auf dem Weg zu dir! Auf weitere Befehle von mir warten!“ „Neuralabdruck akzeptiert.“, gab IDUSA zurück. „Befehl wird ausgeführt. Meldeprotokoll wird ausgesetzt. Erwarte weitere Befehle.“

Shimar setzte erleichtert den Neurokoppler wieder ab und zog den Stecker aus der Buchse. „Das war’s erst mal.“, sagte er. „Aber wir müssen trotzdem zur Werft und ich sollte mir mit IDUSA ansehen, was da oben im Orbit ist. Scotty, kannst du dafür sorgen?“ „Aber klärchen, Teddybärchen.“, frotzelte mein Ehemann. „Aber erst mal mache ich die Sprechgeräte von diesen beiden bezaubernden Ladies wieder heil. Vielen Dank, dass ihr uns den Arbeitsspeicher geliehen habt.“ „Gern geschehen.“, lächelten beide. „Und wenn ich damit fertig bin.“, sagte Scotty. „Dann fahren wir alle zur Werft und dann mache ich deine IDUSA für dich flott, Shimar und dann trittst du Sytania mit ihr zusammen gehörig von mir in den Arsch! Verstanden?!“ „Wenn du so sicher bist, dass es was mit ihr zu tun hat?“, meinte Shimar. „Darauf verwette ich mein Leben!“, meinte Scotty. „Also gut, Euer Majestät.“, scherzte Shimar, worauf Scotty ihn verwirrt ansah. „König der Bastler.“, half ihm Shimar auf die Sprünge. „Erinnerst du dich?“ „Klar.“, sagte Scotty, während er die letzten Module steckte. Dann übergab er den Frauen ihre Sprechgeräte und schloss auch die Abdeckungen über den Systemen des Jeeps. „Alles wieder OK?“, erkundigte sich Mira. „Ja.“, nickte Scotty. „Na gut.“, sagte sie und sprang gemeinsam mit ihrer Kollegin wieder in den Jeep der Sicherheit. „Dann folgen Sie uns!“

Radcliffe hatte sich in seinem Zimmer bereits moralisch auf die Kontaktaufnahme durch Sytania vorbereitet. Er schien bereits zu ahnen, dass es heute Nacht wohl so weit sein würde. Tatsächlich hörte er auch bald ihre Stimme in seinem Geist: Es ist so weit, Nathaniel! Lass dir vom Zimmerservice ein Tablett mit demetanischem Sommerfruchttee und einigen Keksen mit Schokolade bringen und dann geh zu Allrounder Betsy Scott ins Zimmer. Aber vergiss ja die Amphore nicht, die ich dir gegeben habe. Sie ist schließlich dein wichtigstes Werkzeug! Ich werde sie nicht vergessen, Prinzessin!, versicherte der verblendete Professor auf gleichem Wege. Aber ich frage mich, ob auch Ihr Euer Versprechen gegenüber mir einhalten werdet und dafür sorgen werdet, dass ich gesund bleibe. Wenn du deinen Teil unseres Deals einhältst., meinte Sytania, dann werde ich auch den Meinen einhalten. Warum zweifelst du? Ich weiß nicht., erwiderte Radcliffe zögerlich. Vielleicht ist es das, was Ihr von mir wollt, Milady. Ich meine, ich habe noch nie einen anderen Menschen oder gar ein anderes Tier oder ein Wesen getötet. Sogar die Stubenfliegen habe ich als Kind leben lassen, auch wenn sie mich genervt haben. Ich habe sie mit einem Glas eingefangen und wieder vor die Tür gesetzt. Wie rührend., gab Sytania zurück, aber sie klang dabei ziemlich gelangweilt. Du solltest dir aber bewusst machen, dass Allrounder Betsy Scott keine harmlose Stubenfliege ist. Sie ist der Feind! Ein mir sehr unbequemes Wesen, das dringend beseitigt werden muss, damit ich meine Pläne verwirklichen kann! Hast du verstanden?! Das habe ich!, entgegnete Nathaniel mit leichter Verwirrung in der geistigen Stimme. Aber warum benutzt Ihr dazu nicht einfach Eure …? Wenn ich das täte!, fiel ihm Sytania telepathisch so zu sagen ins Wort. Dann würde ja jeder darauf kommen, dass ich schuldig sein könnte und das will ich auf keinen Fall, hörst du?! Auf keinen Fall! Und dir wird auch keiner etwas nachweisen können, weil ich dafür sorgen werde, dass der Schlafwurz nicht mehr nachweisbar ist, wenn sie Betsys Körper scannen. Außerdem arbeitet der See in gewisser Weise für uns. Die mineralischen Ablagerungen in seinem Grund machen einen Scann quasi unmöglich. Sie werden sie schon transportieren müssen und bis sie das erledigt haben … Das ist mir alles klar, Hoheit., meinte Radcliffe. Es ist nur so, dass ich … Werden wir etwa feige?!, ermahnte ihn Sytania. Vergiss nicht, dass ich dich ganz schnell wieder zu dem nervlichen Wrack machen kann, das du warst, bevor wir uns begegnet sind. Willst du das etwa wieder erleben, he?! Nein, Prinzessin!, dachte Nathaniel fest, denn er erinnerte sich noch genau an die Phase seiner Krankheit. Diese Erinnerung hatte auch schlagartig sein schlechtes Gewissen vertrieben. Jetzt war er bereit, alles für Sytania zu tun! Ich werde tun, worum Ihr mich gebeten habt!, versicherte er. Warum nicht gleich so!, gab Sytania dreckig grinsend zurück. Warum lässt du dich immer so lange bitten, Nathaniel?

Er hatte bemerkt, dass sie die Verbindung beendet haben musste. Ihr Bild vor seinem geistigen Auge war verschwunden. Jetzt musste er nur noch die Sache mit dem Gebäck und dem Tee organisieren. Er wusste, dass demetanischer Sommerfruchttee etwas nach Marzipan schmeckte. Das würde den Geschmack des Schlafwurz, der ebenfalls leicht süßlich war, sehr gut übertünchen.

Mit ziemlich stark klopfendem Herzen ging er zur Sprechanlage und betätigte sie. Aus dem Menü auf dem Display hatte er sich das Rufzeichen des Gastraums herausgesucht. Ginalla, die am Rufzeichen ebenfalls erkannt hatte, aus welchem Zimmer der Ruf kam, nahm ihn entgegen. „Hier is’ Ginalla.“, sagte sie. „Was gibt es denn, Mr. Radcliffe?“ „Ich würde mir gern etwas aufs Zimmer bestellen.“, sagte der Professor. „Und was wäre das?“, fragte Ginalla freundlich, nachdem sie eine kurze Zeit abgewartet hatte. „Eine Kanne mit demetanischem Sommerfruchttee und einige Schokoladenkekse.“, sagte Nathaniel. „Ach ja. Dann hätte ich noch gern zwei Gläser.“ „Oh.“, meinte Ginalla. „Gibt es bei Ihnen etwa was zu feiern?“

Ihre Frage hatte ihn sehr nervös gemacht. Jene Frage, die er im Prinzip ja gar nicht beantworten durfte. Er konnte ihr schließlich nicht sagen, dass er gerade von Sytania den Auftrag erhalten hatte, mich um die Ecke zu bringen. Also sagte er nur: „Nayale und ich wollen auf den Neuanfang trinken, aber wir stehen dem Alkohol beide nicht sonderlich positiv gegenüber. Ich hoffe, Sie verstehen das.“ „Oh, sicher.“, meinte Ginalla. „Ich werde das sofort zu Ihnen rauf schicken.“ „Danke, Miss Ginalla.“, sagte Radcliffe erleichtert und ließ das Mikrofon wieder in die Halterung sinken. Er hoffte inständig, dass sie, egal was passieren würde, keine weiteren Nachforschungen anstellte.

Jasmin, die sich noch immer an ihrem Arbeitsplatz aufhielt, obwohl es schon tiefe Nacht war, hatte das Gespräch zwischen ihrer Chefin und Nathaniel mitbekommen. Eigentlich war ihre Arbeitszeit schon längst zu Ende, aber sie war heute freiwillig länger geblieben. Ginalla hatte dies mit ihren Eltern natürlich abgesprochen. Die Jugendliche hatte argumentiert, dass sie ja schließlich auch mal erfahren musste, wie es sei, in der Nacht in der Gastronomie zu arbeiten, wenn sie entscheiden wollte, ob dieser Beruf wirklich etwas für sie war. Vielleicht hing das auch mit Korelems Rat an sie zusammen, noch einmal genau über ihre Berufswahl zu reflektieren. „Ich kann die Sachen doch zubereiten und zu ihm bringen, Chefin.“, bot sich Jasmin an. „Wenn du willst.“, sagte Ginalla. „Aber du kannst mich auch ruhig Ginalla nennen. Hier auf Celsius sind wir ja nich’ so förmlich.“ „OK, Ginalla.“, sagte Jasmin und drehte sich lächelnd dem Replikator hinter dem Tresen zu, um die Bestellung von Radcliffe einzugeben.

Nervös saß Nathaniel in seinem Zimmer. Die Amphore mit dem Schlafwurz hatte er in der rechten Hand. Er plante, mich zu überreden, ihn den Tee einschenken zu lassen, damit er ohne Probleme etwas davon in mein Glas träufeln konnte. Sytania hatte ihm gesagt, dass nur wenige Tropfen ausreichen würden, um die Wirkung, ihre Hypnose zu verstärken, bei mir eintreten zu lassen. Er wusste genau, dass er etwas tat, für das man ins Gefängnis kommen konnte, aber er hatte keine Wahl, wenn er gesund bleiben wollte. Zumindest dachte er das. Sytania hatte ihm ja auch nichts anderes eingeredet.

Das Piepen der Sprechanlage ließ ihn zusammenfahren. Mit zitternder Hand griff Professor Radcliffe nach dem Mikrofon. „Hier Radcliffe!“, sagte er und gab sich dabei große Mühe, fest und selbstbewusst zu klingen, was ihm aber wohl nicht wirklich gelingen wollte. „Hier ist der Zimmerservice.“, meldete sich eine freundlich lächelnde Jasmin. „Ich habe Ihre Bestellung, Mr. Radcliffe.“

Nathaniel überlegte. Er hatte nicht mit einer so jungen Stimme gerechnet. Einer Stimme, die eventuell auf eine Minderjährige schließen ließ, die auf keinen Fall mit in diese Geschichte hineingezogen werden sollte. Es war für ihn schon schlimm genug, in Sytanias Bann zu stehen und von ihr erpressbar zu sein, das wusste Nathaniel. Aber er dachte sich auch, dass Sytania ihn als Einzige gesund machen konnte. Allerdings hatte ihn die Tatsache, dass er ihr jetzt doch helfen sollte, mich zu ermorden, hellhörig werden lassen. Nur dieses Mädchen durfte auf keinen Fall davon erfahren!

Er räusperte sich und betätigte die Sprechanlage, um Jasmins Ruf zu beantworten. „Komm rein und stell es am besten hier auf den Tisch.“, sagte er. „Ich werde schon zurechtkommen.“ Dann drehte er sich schnell von der Anlage weg, um den verräterischen Gegenstand, die Amphore mit dem Gift, zu verstecken. „Gut, Mr. Radcliffe.“, sagte Jasmin und betätigte den Sensor für die Tür. Da Nathaniel sie vorher entriegelt hatte, glitt sie vor ihr ohne Beanstandungen zur Seite. Dann betrat die Jugendliche mit dem Tablett in der Hand das Zimmer. Sofort fiel ihr auf, dass Radcliffe allein sein musste, denn eine weitere Person war nicht zu sehen. Auch Nathaniel fand sie zunächst nicht. „Ich stelle Ihre Bestellung auf den Schreibtisch, Mr. Radcliffe!“, rief Jasmin ins Zimmer. „Soll ich die Gläser noch aufdecken?“ „Nein.“, sagte Radcliffe, der sich mit der Amphore inzwischen ins Badezimmer begeben hatte. „Am besten wird sein, wenn du mich jetzt wieder verlässt.“ „Ich möchte Ihnen und Ihrer Frau ja nur behilflich sein.“, entgegnete Jasmin. „Das gehört hier zum Service und wird nicht extra berechnet.“

Der sichtlich nervöse Nathaniel verließ das Badezimmer. Er ahnte, dass eine rein verbale Beschwichtigung hier wohl nicht ausreichen würde. Sie war wohl sehr darauf bedacht, ihren Gästen jeden Wunsch von den Augen abzulesen und würde wahrscheinlich sogar warten wollen, bis die angebliche Nayale im Zimmer war. Dazu würde es aber nie kommen und er wollte in jedem Fall vermeiden, dass sie noch weiter herumschnüffelte. Aber dass er die Amphore noch immer in der Hand hielt, hatte er jetzt wohl auch nicht unbedingt bedacht. Die verräterischen imperianischen Schriftzeichen schimmerten durch seine schweißnassen Finger. Diese machten die Amphore auch bald so rutschig, dass er schließlich gezwungen war, sie auf dem Tablett abzustellen, um sie nicht fallen zu lassen und ihren kostbaren Inhalt womöglich noch zu verschütten. „Oh, warten Sie.“, bot Jasmin an. „Ich helfe Ihnen.“ „Nicht nötig!“, sagte Radcliffe streng und schob ihre Hand, die im Begriff war, die Sachen auf dem Tablett zurechtzurücken, unsanft beiseite. „Was machst du eigentlich noch hier?! Jemand in deinem Alter sollte schon längst nicht mehr arbeiten! Geh! Verschwinde!“ „Aber ich wollte doch nur …“, setzte Jasmin an. „Du hast hier gar nichts mehr zu wollen!“, schimpfte der sichtlich ertappte Radcliffe. „Geh jetzt, verdammt! Verzieh dich!“

Jasmin nickte und war aus der Tür. Sein Verhalten hatte sie stark irritiert und sie würde auch mit ihrer Chefin darüber reden. Aber nicht nur über sein Verhalten, sondern auch über die merkwürdige Amphore, die sie bei ihm gesehen hatte. Wenn ihr Schulwissen sie nicht völlig im Stich ließ, dann handelte es sich dabei um eine imperianische Anfertigung! Jedenfalls hatte Jasmin imperianische Schriftzeichen an dem Gefäß ausmachen können. Aber was hatte eine imperianische Amphore mit der angeblichen Feier von Radcliffe und seiner Frau zu tun und warum war sie nicht im Zimmer gewesen, wenn ihr Mann etwas mit ihr zu feiern hatte? Warum hatte er sie so harsch behandelt? Das waren eine Menge offener Fragen, denen Jasmin wohl zu gern nachgegangen wäre. Wenn sich die Merkwürdigkeiten jetzt häufen würden, dann würde sie dies auch tun. Sie musste nur noch jemanden außer Ginalla finden, dem sie sich anvertrauen konnte. Mehrere Zeugen waren schließlich immer besser, als nur einer. Den schalen Beigeschmack davon, dass hier etwas nicht stimmte, würde sie nicht so einfach los werden können und wenn das tatsächlich so war, dann durften diese Tatsachen nicht ignoriert werden. Sie beschloss also, sich hinter einer Säule im Flur zu verstecken und dort zu warten und zu beobachten, was geschehen würde. Jasmin wusste, dass ihre Gäste zu belauschen auf keinen Fall zum guten Ton gehörte, aber sie konnte einfach nicht anders. Falls hier ein Verbrechen geschehen sollte, wie ihr ein unbestimmtes Bauchgefühl sagte, dann würde sie, als rechtschaffene Bürgerin der Föderation, zu der ihre Eltern sie erzogen hatten, sicher gut daran tun, dies den zuständigen Behörden zu melden.

Kapitel 28: Das rätselhafte Schiff und andere Rätsel

von Visitor

 

Scotty und Shimar waren vor der Werft angekommen. Tatsächlich hatte die Anwesenheit der beiden Sicherheitsleute dafür gesorgt, dass sie geschmeidig an den Wachen am Tor vorbei geglitten waren. Der Schotte stellte sein Fahrzeug auf dem Parkplatz für Mitarbeiter ab, der sich näher an der Tür zum Hangar befand, als der für Besucher oder Gäste. Shimar wusste, dass er hier stehen durfte, denn Scotty arbeitete schließlich auf dieser Werft. Trotzdem war der junge Tindaraner sehr unruhig. „Was is’ mit dir los, Kumpel?“, fragte Scotty. „Du machst dir ja fast ins Höschen aus Nervosität.“ „Ich möchte gern wissen, was die Hornochsen von deinen Kollegen mit IDUSA gemacht haben.“, sagte der junge tindaranische Soldat. „Ich meine, sie geht ja schließlich nicht umsonst auf Stufe zwei. Ich hatte ihnen doch eindeutig gesagt, dass sie nichts tun sollten, rein gar nichts!“ „Anscheinend hat man sich nich’ daran gehalten.“, analysierte Scotty. „Aber ich werde schon rauskriegen, wer dafür verantwortlich is’. Darauf kannst du wetten, mein Freund. Aber erst mal helfe ich dir, IDUSA flott zu machen, wenn es da was zu tun gibt. Vorausgesetzt, du kannst dafür sorgen, dass sie mich ran lässt, du verstehst.“ „Ziemlich gut.“, sagte Shimar. „Aber das kriege ich schon hin. Vergiss bitte nicht, dass ich der Einzige bin, der das im Moment kann. Gut, da gäbe es noch Zirell, aber die ist jetzt nicht hier.“ „Noch mal ’ne andere Frage.“, meinte Scotty. „Wenn sie bei Stufe zwei nur deinen Neuralabdruck als Code akzeptiert, was musst du dann bei Stufe drei tun, um dich zu identifizieren?“ „Sie scannt dann nach meiner DNS, meinem Neuralabdruck, meinem Netzhautabdruck und meinen Stimmfrequenzen.“, antwortete der immer noch leicht alarmierte Shimar. „Aber zu allererst wird sie sich den Weg freischießen!“ „Uff.“, machte Scotty. „Da kann ich ja froh sein, dass es dazu nicht gekommen is’.“ „Das verdankst du nur mir!“, sagte Shimar fest. „Wenn ich ihr nicht den Befehl gegeben hätte, das Protokoll auszusetzen, dann hätten deine Leute sicher noch mehr falsch gemacht. Zuhören ist wohl Glückssache bei denen, was?!“ „Zumindest bei manchen.“, sagte Scotty. „Aber manche Leute sind anscheinend echte Pechvögel. Aber noch mal rein interessehalber. Was hätte eigentlich bei Stufe eins ausgereicht?“ „Meine Stimme und mein Kommandocode.“, antwortete Shimar knapp.

Sie betraten den Hangar der Werft und gingen auf IDUSA zu. „Bleib erst mal hinter mir.“, sagte Shimar. Dann machte er einige feste Schritte auf die Tür von IDUSAs Cockpit zu. Scotty, der längst gelernt hatte, dass er sich in dieser Hinsicht sicher auf seinen Freund verlassen konnte, führte aus, was ihm Shimar geraten hatte und blieb in einiger Entfernung stehen. „Hallo, Shimar.“, sagte die Stimme von IDUSAs Avatar freundlich über den Außenlautsprecher. Das Schiff hatte die Ankunft der Beiden selbstverständlich mitbekommen. „Hi, IDUSA.“, sagte Shimar. „Lass mich rein! Scotty wird sich gleich noch mal deine Systeme ansehen, bevor wir starten.“ „In Ordnung.“, sagte das Schiff. „Ich entnehme Ihren Äußerungen, dass Scotty zum Warten und Reparieren meiner Systeme durch Sie autorisiert wurde.“ „Das ist richtig!“, sagte Shimar. „Wieso musst du das erlauben?“, fragte Scotty verwirrt. „Wegen des Meldeprotokolls.“, erklärte Shimar. „Du darfst nicht vergessen, dass es lediglich ausgesetzt wurde. Sie soll mir erst mal zeigen, was sie gesehen hat. Dann entscheide ich weiter.“ „Ach so.“, sagte der Ingenieur und wendete sich ab. „Ich hol’ dann mal meine Arbeitskleidung und mein Werkzeug.“ Er war verschwunden.

Shimar sah, wie sich die Tür des Cockpits langsam öffnete. Er stieg ein und schloss seinen Neurokoppler an die Systeme des Schiffes an. Der individuelle Code des Kopplers verriet IDUSA sofort, wem er gehörte. Dies ließ sie auch gleich Shimars Reaktionstabelle laden. Vor dem geistigen Auge des Tindaraners erschien das Bild eines sehr erleichtert dreinschauenden Avatars. „Sie ahnen nicht, wie froh ich bin, dass Sie da sind.“, sagte das Schiff. „Nanu?“, wunderte sich ihr Pilot. „Ich dachte, du könntest keine Emotionen empfinden.“ „Das kann ich auch nicht.“, sagte IDUSA. „Aber ich bin zur Simulation entsprechender Reaktionen fähig. Wenn Sie wüssten, was ich gesehen habe, als Techniker Taurus meine Sensoren wartete, dann würden Sie mich sicher verstehen.“ „Dann zeig es mir mal.“, sagte Shimar mit einer Stimmlage, als wolle er ein Kind trösten, das mit einem aufgeschlagenen Knie zu ihm geeilt war. „Wie Sie wünschen.“, sagte IDUSA und stellte ihm die Bilder auf den Neurokoppler.

Scotty war zurückgekehrt. „Hey, Shimar!“, schrie er durch den ganzen Hangar. „Kannst du mich hören da drin?“ „Ich denke, Techniker Scott ist zurück.“, äußerte IDUSA, die im Gegensatz zu Shimar alles mitbekommen hatte. Der war ja durch ihr Cockpit von allen äußeren Einflüssen abgeschirmt. „Dann lass ihn rein und entsichere alle Wartungsluken!“, befahl Shimar. „Wie Sie wünschen.“, sagte IDUSA und führte seine Befehle aus.

Die Ansicht der Bilder hatte auch Shimar in mittlere Alarmbereitschaft versetzt. „Oh, Mann.“, sagte er. „Jetzt kann ich verstehen, warum du auf Alarm rot gegangen bist. Aber wir sollten uns das mal zusammen ansehen.“ „Das wäre auch mein Vorschlag gewesen, Shimar.“, sagte das Schiff. „Schließlich müssen wir ja wissen, wo dieses Schiff auf einmal herkommt.“ „Eine Vermutung habe ich schon.“, sagte der junge Tindaraner. „Wie wäre es mit Sytania?“ „Diese Theorie ist wahrscheinlich.“, sagte IDUSA.

Scotty hatte das Cockpit durch die Tür zur Achterkabine betreten. „Sie schnurrt wie ’n Kätzchen, Shimar.“, sagte er. „Von mir aus könnt ihr los. Ich werde jetzt erst mal zu meiner Chefin gehen und sie bitten, die Hangartore zu entsichern. Die sind nämlich wieder zu. Außerdem werde ich ihr erklären, was hier los is’.“ Shimar machte ein erschrockenes Gesicht. „Ich weiß, was du sagen willst.“, sagte Scotty. „Aber ich werde schon aufpassen, was ich sage. Die gute Sytania wird von mir mit keinem Wort erwähnt werden. Ich werde Milarah nur sagen, dass es da draußen einen Feind gibt, aber dass du, als Angehöriger des tindaranischen Militärs, die Situation schon im Griff hast.“ „Na gut.“, erklärte sich Shimar einverstanden. Er hatte schließlich nicht vergessen, dass Scotty eine gleichwertige Ausbildung wie er hatte und auch wusste, dass Zivilisten nach Möglichkeit nichts über das eine oder das andere Thema erfahren sollten. Er sah zu, wie sich Scotty wieder durch die Außenluke entfernte.

Tatsächlich führte sein Weg den technisch versierten Schotten gleich zu einem Lift, mit dem er auf die Büroetage der Werft fuhr. Hier, das wusste er, konnte er Milarah in jedem Fall vorfinden. Der Rest des Weges zu ihrem Büro kam ihm sehr lang vor. Endlich stand er dann aber doch vor dessen Tür. Die Betätigung der Sprechanlage verursachte in ihm eine mittlere Aufregung. Er wusste, wie hartnäckig seine Vorgesetzte sein konnte, wenn es darum ging, Dinge herauszubekommen. Sicher waren Milarah auch manche Dinge in letzter Zeit spanisch vorgekommen und er hoffte sehr, dass sie ihn nicht an irgendeinem wunden Punkt erwischen würde und er damit gezwungen sein könnte, doch noch alles zu verraten. Wenn dies Ginalla schon gelungen war, dann konnte es doch bei ihr sicher ähnlich sein. Er wusste, dass es arbeitsrechtlich sicher fraglich war, ihm mit Kündigung zu drohen, sollte er nicht auspacken, aber sie hatte auch andererseits sicher jedes Recht, die Wahrheit zu erfahren, denn schließlich war durch das Problem ihre Werft, für die sie die Verantwortung trug, gefährdet worden. Aber nicht nur die Werft, sondern auch und vor allem die darauf beschäftigten Mitarbeiter!

Mit klopfendem Herzen fasste sich Scotty schließlich selbiges und drückte auf den Knopf für die Sprechanlage. „Hier ist Milarah.“, kam es ruhig und sachlich von drinnen. „Hier is’ Scotty.“, sagte er. „Bitte lass mich rein, Milarah. Ich kann dir sagen, dass die Situation …“

Er bekam mit, wie die Tür entriegelt wurde. Dann zog ihn eine weibliche Hand in den Raum. Gleich danach wurde die Tür wieder geschlossen und der Computer bekam einen Befehl auf Celsianisch, auf den er die Tür vollständig blockierte. Dann wurde Scotty zu einem Stuhl geführt, auf den er sich setzte. Nun saßen er und seine Chefin sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. „Was ist los, Scotty?“, fragte Milarah ernst. „Ich weiß, was mit dem tindaranischen Schiff is’.“, sagte Scotty. „Aber Shimar is’ hier. Er hat die Sache schon im Griff. Ich meine, er is’ schließlich Soldat und die verstehen was von Feindberührung. … Ups!“ Erst jetzt hatte Scotty bemerkt, was ihm da rausgerutscht war. „Feindberührung?“, fragte Milarah besorgt. „Was heißt das? Was für ein Feind? Müssen wir uns Sorgen machen? Gibt es Krieg? Was haben die Tindaraner uns verheimlicht? Ich muss meine Familie in …“ „Kein Grund zur Panik.“, beschwichtigte Scotty. „Shimar hat die Situation im Griff. Falls er doch Hilfe braucht, is’ die in einem Augenblick hier. Die tindaranischen Schiffe haben alle schließlich einen interdimensionalen Antrieb. Shimar macht das schon. Er will sich erst mal einen Überblick verschaffen. Das kann er aber nur, wenn du die Hangartore aufmachst. Du musst dich echt nicht sorgen, Milarah. Vertrau mir und Shimar.“ „Also gut.“, sagte die sichtlich blasse Werftleiterin. „Wir haben immer gut zusammengearbeitet und du hast mich nie betrogen. Du bist mein loyalster Mitarbeiter, wenn ich das mal so sagen darf. Aber behalt das bitte für dich!“ „Danke für die Blumen.“, sagte Scotty lächelnd. ER war heilfroh, dass sie ihm keine weiteren Fragen gestellt hatte, die ihn unter Umständen noch ganz schön in die Bredouille bringen konnten.

Milarah bestellte für beide einen Kaffee. „Was hat eigentlich dafür gesorgt, dass sie auf Stufe zwei gegangen is’?“, fragte Scotty. „Das war Visentius.“, sagte Milarah. „Ach du Schande!“, rief Scotty aus. „Na, dann wundert mich nix mehr. Der Dummbeutel is’ doch zu nix zu gebrauchen!“

Jasmin wartete noch immer in ihrem Versteck. Von hier aus beobachtete sie jetzt, wie sich Radcliffe mit dem Tablett auf den Weg aus seinem Zimmer machte. Natürlich war ihr aufgefallen, dass er das Tablett im Gegensatz zu ihr, die es mittlerweile gelernt hatte, sehr ungelenk trug und es bei jeder Gelegenheit auf einem Mauervorsprung absetzte, um beispielsweise die Tür zu überprüfen. Irgendwas sagte ihr, dass er sich seiner Situation nicht wirklich sicher war. Immer wieder sah sie Seitenblicke, mit denen er die Umgebung zu scannen versuchte, wie sie fand. Sie hoffte so sehr, dass er sie nicht entdecken würde.

Jetzt sah sie, dass er vor meinem Zimmer angekommen war. Wieder stellte er das Tablett ab und drehte sich der Sprechanlage zu. Vor dem Betätigen des Knopfes sah er sich noch einmal nach allen Seiten um. Tatsächlich trafen sich ihre Blicke und Jasmin bekam für einen Moment Angst, er könnte sie bemerken. Sie ließ sich auf den Boden fallen und drückte sich regungslos an den Teppich. Weich fühlte sich dieser an. Weich und für sie sehr sicher. Sie fühlte sich in seinen Fasern zwar sehr geborgen, hoffte aber, sie wären noch viel länger, um ihren Körper ganz zu verdecken. Auf einer der grünen Wiesen um die Kneipe herum, die lange nicht mehr gemäht worden waren, versteckte es sich sicher leichter. Um so erleichterter war Jasmin, als sie erkannte, dass Radcliffe offensichtlich kein Auge für sie hatte. Statt dessen sah er nur stur auf das Display der Anlage. Hier verriet ihm ein Licht bald, dass ich sie beantwortet haben musste. Da sein nervöses Trommeln auf dem Tuchscreen veranlasst hatte, dass er das Terminal aus Versehen auf Lautsprecher gestellt hatte, bekam sie auch meine Antwort und alles, was gesagt wurde, prima mit. Sie würde versuchen, sich alles zu merken! Ja, alles! Wer wusste schon, wozu es einmal notwendig sein konnte.

„Hier ist Allrounder Betsy Scott!“, meldete ich mich und wieder fiel mir auf, dass ich den im Dienst gebräuchlichen Satz verwendet hatte. Irgendwas schien in meinem Kopf zu verhindern, dass die Tatsache, dass ich jetzt im Urlaub und damit in Zivil war, bei mir ankam. Das war nämlich schon das zweite Mal, dass mir das passiert war. „Allrounder Scott, ein reumütiger Zivilist, ein Mitternachtssnack und eine Hand voll guter Absichten bitten um Erlaubnis, Ihr Quartier betreten zu dürfen!“, gab Radcliffe zurück. „Erlaubnis erteilt!“, lächelte ich zurück, denn ich dachte mir schon, dass er wohl einen Scherz wegen meiner Art, mich zu melden, machen wollte. Das zeigte mir, dass er bereits sehr locker war. Vielleicht hatte er ja seine Krankheit wirklich besiegt.

Wieder beobachtete Jasmin die ungelenke Aufnahme des Tabletts, das Radcliffe auf einem Mauervorsprung in der Nähe abgestellt hatte, um die Sprechanlage betätigen zu können. Dabei verschüttete er beinahe etwas von dem Sommerfruchttee. Aber das schien ihn nicht wirklich zu stören. Sein Augenmerk lag viel eher auf der Amphore, die zwar verschlossen war, aber die aus irgendeinem Grund von ihm wie sein Augapfel gehütet wurde. Sie sah gerade noch, wie er mit dem Tablett in meinem Zimmer verschwand. Gern hätte sie jetzt Mäuschen gespielt, wusste aber, dass sich das nicht gehörte.

Radcliffe stellte das Tablett auf meinem Schreibtisch ab. „Verzeihen Sie die Unordnung.“, sagte ich. „Hier ist doch gar keine Unordnung.“, sagte Radcliffe, um mich zu beruhigen. „Ihre Freunde und Sie haben doch ein sehr aufgeräumtes Zimmer. Aber ich bin ja auch nicht hier, um mich mit Ihnen über Ihre häuslichen Qualitäten zu unterhalten. Ich möchte viel eher mit Ihnen auf unsere Versöhnung trinken. Ich gebe zu, ich habe Sie damals ziemlich erschreckt und das möchte ich wieder gut machen. Ich denke, das gehörte zu meinem Heilungsprozess. Aber jetzt bin ich meine Krankheit ja endlich wieder los. Sytania hat mir den Weg gewiesen.“

Die bloße Erwähnung dieses Namens ließ mich zusammenfahren. Ich überlegte ernsthaft, ihn über die Situation um Sytania und ihre Absichten aufzuklären. Aber wenn ich das tat, bestand die Möglichkeit, dass sie sich des unbequemen Mitwissers entledigte, indem sie ihn einfach vor meinen Augen tötete. Sie würde sicher ganz schnell eine andere Marionette finden, die ihre Pläne ausführen könnte. Wie sollte ich das Nayale und vor allem Malcolm erklären? Ich beschloss also, zunächst gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Allerdings hoffte ich, dass dieser Drahtseilakt für mich bald vorbei sein würde. Wie schnell das gehen sollte, ahnte ich nicht.

Radcliffe stellte die zwei bauchigen Gläser auf dem Tisch ab. Eines vor den einen und das andere vor den anderen Stuhl. Dann stellte er die Schale mit den Keksen in die Mitte. „Ich werde den Tee für Sie eingießen.“, sagte er. „Die Kanne ist noch sehr voll und ich denke, dass Ihnen da wohl etwas daneben gehen könnte.“ „Sehr liebenswürdig, Professor.“, sagte ich und schob ihm mein Glas näher an die Kanne. Er nahm diese und goss etwas von ihrem wohlriechenden Inhalt in unsere Gläser. Aber mir fiel ein Geräusch auf, das dem Eingießen des Tees nur in mein Glas unmittelbar folgte. Außerdem hatte ich das Gefühl, er würde noch mit einem anderen Gegenstand hantieren, den ich nicht einzuordnen vermochte. Meine erste Vermutung war, dass es sich um ein Milchkännchen handeln musste. „Oh, ich nehme in solchen Tees keine Milch, Professor.“, sagte ich. „Das war keine Milch, Allrounder.“, sagte Radcliffe und ich glaubte, in seiner Stimme einen Anflug von Nervosität zu erkennen. „Ich habe nur das inhaltliche Ungleichgewicht in unseren Gläsern etwas ausgeglichen. Wissen Sie, mir war aufgefallen, dass Sie weniger hatten als ich und deshalb habe ich bei Ihnen noch einmal nachgegossen. Es ist also alles ganz harmlos.“ „Oh, keine Angst, Professor.“, sagte ich. „Ich habe schließlich mit keinem Wort erwähnt, dass hier etwas im Gange ist, das nicht harmlos ist. Milch wäre ja auch kein Verbrechen und ich würde die Tasse auch leeren, wenn Sie mir versprechen würden, beim nächsten Mal keine mehr zu verwenden. Es ist nur so, dass sie den Geschmack von solchen Tees meiner Meinung nach erheblich verschlechtert. Aber da ich jetzt ja sicher bin, dass es keine gibt, da …“ „Sie können absolut sicher sein!“, sagte Radcliffe mit sehr fester Betonung. Immer mehr hatte ich das Gefühl, er wolle etwas verbergen, aber vielleicht war dieses Etwas ja auch nur seine Nervosität, dass er jetzt mit mir allein war. Mit mir, die er so erschreckt hatte und die er wohl unbedingt von der Tatsache überzeugen wollte, geheilt worden zu sein.

Noch immer harrte Jasmin in ihrem Versteck aus. Aber jetzt hörte sie etwas, das sie an einen ihr sehr vertrauten Freund erinnerte. Sie hörte Flügelschlag! Dieser kam näher und schließlich landete sein Urheber direkt neben ihr. „Hallo, Jasmin.“, flüsterte Korelems tiefe sanfte Stimme ruhig. „Warum liegst du hier auf der Erde?“ „Oh, Korelem.“, sagte Jasmin erleichtert, die inzwischen eine regelrechte Freundschaft mit dem Insektoiden verband. „Ich muss ganz dringend mit jemandem reden.“ „Dachte ich mir schon.“, sagte Korelem. „Na komm. Wir gehen zu mir.“

Er wartete, bis das Mädchen aufgestanden war. Dann startete er und nahm ihre Hand mit einem seiner Vorderfüße. So führte er sie nun in Richtung seines Zimmers. Hier strich er lässig mit seinen Fühlern über einen Sensor, worauf die Tür vor Jasmin und ihm im Boden verschwand. Dann flog er mit ihr an der Hand hindurch, um sie dann auf den einzigen freien wirklichen Stuhl zu setzen. Er selbst setzte sich auf den Rand seiner Schlafblüte und sah sie von dort aus erwartungsvoll an. „Na, was ist nun?“, fragte er. Jasmin, die ziemlich verstockt dagesessen hatte, traute sich zunächst nicht, auch nur ein Wort über ihre vor Angst gelähmten Lippen zu bringen. „Worüber möchtest du denn reden?“, hakte Korelem nach. „Sind wir hier sicher?“, fragte das Mädchen. „Ich meine, kann uns Sytania hier nicht …?“

Der Insektoide startete erneut und flog zu seinem Gepäck hinüber. Dann zog er einen Gegenstand aus seinem Koffer und stellte ihn vor Jasmin auf dem Tisch ab. „Kennst du das?“, fragte er und deutete auf den glänzenden an einen Weinkelch erinnernden Gegenstand. „Ja, Korelem.“, sagte Jasmin. „Das ist ein imperianischer Kontaktkelch.“ „Sehr richtig, junge Dame.“, lobte Korelem. „Und kannst du mir auch sagen, wem er geweiht ist?“

Jasmin sah sich den Kelch von allen Seiten an. Ihr waren sofort die zwei geflügelten Löwen aufgefallen, die sich darauf eingraviert befanden. „Er ist Logar geweiht!“, sagte sie schließlich fest. „Wieder richtig.“, meinte Korelem. „Wenn du so weitermachst, dann gehen mir bald die Einsen mit Sternchen aus. Aber jetzt sag mir doch bitte, ob uns Sytania dann etwas anhaben kann, wenn wir unter dem Schutz von Logar stehen.“ „Nein, das kann sie nicht.“, sagte Jasmin. „Genau.“, sagte Korelem. „Das bedeutet also, dieses Zimmer ist im Moment der sicherste Ort für dich, was die Sicherheit vor Sytania angeht. Sie hat keine Chance, solange du hier bist und wir hier über alles reden, was dich bedrückt. Warum glaubst du, dass Sytania hier ihre Finger ins Spiel bringen könnte?“ „Weil ich Dinge gesehen habe, von denen es ihr bestimmt nicht gefallen würde, wenn sie an die Öffentlichkeit kämen.“, sagte das Mädchen ängstlich. Der schmetterlingsartige Mann sah sie beruhigend an. „Du kannst mir alles sagen, Jasmin.“, meinte er. „Nun mal raus mit der Sprache. Was sind das für Dinge?“

Unvermittelt begann Jasmin zu weinen. Sofort holte Korelem eine Packung Taschentücher aus seinem Koffer und gab sie ihr. „Er will sie töten!“, schluchzte Jasmin, während sie sich die Nase putzte. „Wer möchte wen töten?“, fragte Korelem, der eigentlich schon ganz genau wusste, was hier passieren würde, dies aber vor ihr auf keinen Fall durchblicken lassen durfte. „Professor Nathaniel Radcliffe will Allrounder Betsy Scott töten!“, schrie sie verzweifelt. „Ich habe eine Amphore mit Sytanias Zeichen bei ihm gesehen! Weiß der Himmel, was da drin ist! Bitte, Korelem, wir müssen sie warnen!“

Von seiner Position auf der künstlichen Blüte aus flog Korelem zu ihr herüber und legte seine weichen Flügel um ihre Schultern, als wollte er sie umarmen. „Ganz ruhig.“, tröstete er, der jetzt auch genau ihren heftigen Herzschlag spüren konnte. „Kannst du mir die Amphore beschreiben, die du gesehen hast?“ „Ja.“, schluchzte Jasmin und trocknete mit einem weiteren Taschentuch ihre Augen. „Es ist eine bauchige kleine Flasche aus Ton mit einem langen Hals und einer kleinen Tülle. Sie ist mit einem Korken verschlossen. Sie ist rot und hat rund um den Verschluss Drudenfüße als Zierde. Reicht das, damit Sie mir glauben?“ „Oh, ja.“, sagte Korelem und startete erneut. Aber dieses Mal führte ihn sein Flug zu einer Dachluke, neben der er sich noch kurz an einem Mauervorsprung festhielt. Dann sagte er: „Hör mir jetzt genau zu, Jasmin. Es ist unbedingt erforderlich, dass du genau tust, was ich dir sage und genau so, wie ich es dir sage. Geh bitte zum Fenster.“ Irritiert sah ihn die Jugendliche an. „Vertraust du mir?“, fragte Korelem. „Ja.“, sagte Jasmin leicht verwirrt. „Wenn du mir vertraust, dann beweise es mir.“, sagte Korelem. „Wie kann ich das?“, fragte Jasmin. „Wenn du mir vertraust, dann gehst du jetzt zum Fenster.“, wies Korelem sie an.

Immer noch im Unklaren über seine Absichten folgte sie zunächst seiner Aufforderung. „Sehr gut.“, sagte Korelem. „Und jetzt schau hinaus! Was siehst du?“ „Ich sehe den See.“, sagte Jasmin. „In Ordnung.“, sagte Korelem. „Wende deinen Blick diese ganze Nacht lang nicht vom See ab! Egal, was auch immer geschieht, du bleibst hier und beobachtest den See! Merke dir jedes Detail, das du siehst! Morgen früh gehst du damit zu deiner Chefin und berichtest ihr! Aber nicht eher und auch nicht später! Wiederhole bitte meine Anweisungen!“ „Ich soll hier im Zimmer bleiben und den See beobachten.“, sagte Jasmin. „Was auch passiert, ich soll mich nicht davon abbringen lassen. Ich soll mir alles merken, was ich sehe. Morgen früh soll ich zu meiner Chefin gehen und ihr berichten. Nicht eher und nicht später.“ „Sehr gut.“, sagte Korelem und strich mit seinen Fühlern über den Sensor, der bald darauf die Dachluke öffnete. Dann war er hindurch geflogen und die Luke hatte sich wieder hinter ihm geschlossen.

Verwundert blickte Jasmin aus dem Fenster, wie er es ihr gesagt hatte. Sie war zwar leicht irritiert ob seiner seltsamen Anweisungen, aber sie vertraute ihm mittlerweile so stark, dass sie sich schon dachte, er würde seine Gründe haben, gerade das von ihr zu verlangen. Sie dachte sich zwar, dass Ginalla sich wundern würde, wo sie blieb, aber etwas sagte ihr, dass sie auf keinen Fall von den Anweisungen abweichen durfte. Solange sie in diesem Zimmer war, stand sie unter dem Schutz von Logar persönlich, hatte er ihr gesagt. Was war da schon ein Donnerwetter von ihrer Chefin?

 

Kapitel 29: Der Anschlag

von Visitor

 

Radcliffe hatte mir einen der gut nach Schokolade duftenden Kekse in die Hand gegeben. „Sie müssen ja ein völlig falsches Bild von mir haben, Allrounder.“, versuchte er, eine Konversation zu beginnen. „Keineswegs, Professor.“, sagte ich. „Das hatte ich vielleicht, aber das haben Sie ja mittlerweile erfolgreich revidiert.“ „So? Habe ich das?“, sagte Radcliffe. „Und wie habe ich das angestellt?“ „Nun.“, begann ich. „Ich finde, Ihre Reaktion, als Ihre Frau Ihnen den Rippenknuff verpasst hat, war eindeutig. Der alte Radcliffe hätte bestimmt nicht gesagt, dass es nur ein Spaß war. Er hätte sich sicher noch gerechtfertigt. Sicher hätte er auch den guten alten Solok angeführt.“ „Du lieber Himmel!“, lachte Radcliffe. „So was Verrücktes! Nein, Allrounder, ich halte mich schon lange nicht mehr für Sisko und wähne mich auch schon lange nicht mehr in der Vergangenheit. Dieses Kapitel meines Lebens ist Dank Ihnen und Dank Sytania endgültig vorbei!“ „Ach ja?“, sagte ich. „Also, als wir zusammen zu diesem Planetoiden geflogen sind, waren es noch die Propheten.“

Ich hörte, wie er sein Glas ansetzte und einen großen Schluck daraus nahm. Mein Satz musste ihn doch an etwas erinnert haben. Er musste ihn an die Widersprüche in den Dingen erinnert haben, die ihm passiert waren. Hätte ich damals geahnt, was er in Wahrheit für ein schlechtes Gewissen hatte, hätte ich mir das alles sicher viel besser erklären können.

„Ich denke, sich als Prophet zu tarnen, war zum damaligen Zeitpunkt für Sytania notwendig.“, sagte er schließlich, nachdem er eine ganze Weile lang nach einem Weg gerungen hatte, aus der Situation wieder herauszukommen. „Sehen Sie, ich war damals der Meinung, ich sei Benjamin Sisko. Also hätte ich mich auch nur auf die Propheten eingelassen und wohl nicht auf eine Person, die ich gar nicht kannte. Es war also ein sehr kluger Schachzug meiner Wohltäterin, nicht wahr? Sagen Sie selbst, Allrounder. Ich meine, meine Frau wird Ihnen ja sicher von meinen Eskapaden berichtet haben. Sie haben gute psychologische Instinkte, habe ich mir sagen lassen. Sie wissen auch, dass man zu manchen Leuten auch nur Zugang bekommt, wenn man sie in ihrer Welt abholt und genau das hat die geniale Sytania mit mir gemacht. Jetzt kann ich als Nathaniel Radcliffe leben, ohne diese Anfälle. Ach, nehmen Sie doch noch einen Keks und hier haben Sie noch ein Glas Tee.“

Er schob mir die Schale hin und ich fühlte mich fast genötigt, noch einmal zuzugreifen. In der Zwischenzeit goss er mir noch einmal Tee in mein Glas. Das tat er aber im gleichen Moment, in dem ich in den Keks gebissen hatte. Dies kam mir sehr merkwürdig vor. Es schien, als wollte er verhindern, dass ich etwas Bestimmtes mitbekam.

Er hob sein Glas, nachdem er sich wieder gesetzt hatte. „Auf den Neuanfang.“, sagte er. „Und auf einen neuen Nathaniel Radcliffe!“ „Das kann ich nur bestätigen.“, lächelte ich und stieß mit ihm an. Gleich darauf bemerkte ich aber, dass ich unglaublich müde wurde. „Na, da muss wohl jemand dringend schlafen.“, sagte Radcliffe. „Das Gefühl habe ich auch.“, sagte ich und gähnte. „Dann wird es wohl besser sein, wenn ich gehe.“, sagte Nathaniel. „Die Kanne und die Schale sind ohnehin leer.“

Er stellte beides wieder auf das Tablett. Dann trank er aus und auch ich leerte mein Glas. Dann stellten wir die Gläser dazu. „Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Betsy.“, sagte er und betonte meinen Vornamen noch besonders. „Ich Ihnen auch, Nathaniel.“, sagte ich und wankte in Richtung Bett, wo ich mich so wie ich war in der Mitte in die Kissen fallen ließ und sofort eingeschlafen war. Es hatte für mich keine Bedeutung mehr gehabt, dass ich noch immer meine Kleidung trug. Ein Verhalten, das man im Allgemeinen von einer Sternenflottenoffizierin sicher nicht erwarten würde, aber plötzlich war mir alles so egal geworden. Ich wollte nur noch schlafen.

Mein Einschlafen war von Sytania und Dirshan mit Freude durch den Kontaktkelch beobachtet worden. „Na endlich!“, äußerte sich die nicht gerade für ihre geduldige Ader bekannte Königstochter. „Das war sehr knapp, Herrin, wenn Ihr mich fragt.“, meinte der junge Vendar. „Da hast du Recht.“, erwiderte Sytania. „Ich hatte mir auch schon Sorgen gemacht, dass Nathaniel versagen könnte. Sie ist nun einmal sehr intelligent, diese kleine terranische Kröte. Aber den Göttern sei Dank hat er es ja immer wieder verstanden, ihre Bedenken zu zerstreuen. Was haben wir für ein Glück, dass sie Nathaniel die Sache mit seiner Heilung durch mich zunächst abgenommen hat, ohne ihn über mich zu informieren!“ „Aber selbst, wenn sie das getan hätte, Milady.“, sagte Dirshan. „Denkt Ihr denn tatsächlich, er hätte ihr auch nur ein Wort geglaubt?“ „Man weiß es nicht.“, sagte Sytania und warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Immerhin hat er leichte Zweifel, was die Mithilfe, seine Mithilfe wohlgemerkt, an ihrer Tötung angeht. Aber ich kann mir auch schon vorstellen, warum sie nichts gesagt hat. Ich denke, sie wollte diesen armen, armen Zivilisten nicht verwirren mit Informationen, die sein Weltbild doch ach so sehr erschüttern könnten. Sie hat wohl befürchtet, es könnte zu einem Rückfall kommen!“ Sie lachte spöttisch.

Dirshan ließ sich noch einmal vom Kontaktkelch mein Bild zeigen. „Sie sieht aus wie ein Engel, wenn sie schläft, Prinzessin, nicht wahr?“, sagte er mit zynischem Unterton. „Da hast du Recht, Dirshan.“, sagte Sytania. „Und die größte Ironie an der Sache ist, dass sie auch bald zu genau denen entfleuchen wird, wenn ich mit ihr fertig bin!“ „Wie werdet Ihr jetzt genau vorgehen, Hoheit?“, fragte der Novize neugierig. „Ich werde mich zunächst gleich heimlich still und leise in ihren Geist schleichen.“, erklärte die Mächtige. „Dann werde ich sie im Traum durch einen schönen lauschigen Wald spazieren lassen. Dabei wird das für ihr Unterbewusstsein aber so real sein, dass sich ihre Beine tatsächlich bewegen und sie aus der Kneipe tragen werden in Richtung See. Davon wird sie aber nichts merken. Dafür werde ich mit einer kleinen Suggestion schon sorgen. Sie wird auch nicht merken, dass sie jämmerlich ertrinken wird, denn aufwachen kann sie nicht.“ „Ich verstehe.“, sagte Dirshan grinsend. „Dafür sorgt wohl auch mit die Droge, die ihr Nathaniel in Eurem Auftrag verabreicht hat.“ „Was für ein kluger Junge du doch bist!“, sagte Sytania. „Ich weiß schon, warum ich dich trotz der Tatsache, dass du noch ein Novize bist, zum Führer meiner Truppen ernannt habe.“ „Warum musste er das überhaupt tun?“, fragte Dirshan. „Ich meine, Ihr seid eine Mächtige. Ihr könntet doch ihren Geist auch so manipulieren, ohne dass sie etwas merkt. Ich meine, immerhin ist sie Nicht-Telepathin.“ „Aber sie ist auch eine trainierte Sternenflottenoffizierin!“, sagte Sytania und klang dabei wie eine strenge Lehrerin, die einen unaufmerksamen Schüler zurechtweisen musste. Dirshan wurde das Gefühl nicht los, sie in diesem Augenblick maßlos enttäuscht zu haben. „Du weißt, dass die Psychotricks lernen in ihrem Training, um sich gegen äußere feindliche Einflüsse zur Wehr zu setzen!“ „Aber wie ich Euch bereits sagte.“, versuchte sich Dirshan zu rechtfertigen. „Sie ist Nicht-Telepathin. Sie hat doch überhaupt keine Möglichkeit, überhaupt zu erkennen, dass es einen solchen Einfluss überhaupt gibt. Wenn sie nicht weiß, dass ein Feind da ist, dann kann sie doch auch keinen bekämpfen. Schon gar nicht im Schlaf.“ „Im Prinzip hast du Recht.“, sagte Sytania und sah ihn mild an. „Du bist noch nicht sehr lange Novize bei Telzan gewesen, deshalb will ich dir deine naive Äußerung noch einmal vergeben. Du kannst vielleicht noch nicht wissen, was ich weiß. Sie ist zwar Nicht-Telepathin, aber sie ist auch das Liebchen dieses widerwärtigen Tindaraners! Wer weiß, was der ihr beigebracht hat. Er hat es ja leider auch geschafft, ihre Angst vor Telepathie zu besiegen. Aber wer weiß, vielleicht können wir sie ja wieder schüren.“ „Aber das wird doch nichts mehr nützen, wenn sie tot ist.“, sagte Dirshan. „Den Lebenden vielleicht nicht.“, meinte Sytania. „Aber wenn man im Totenreich davon erfährt, welche Furcht ich bringen kann, dann haben sicher sogar die Toten eine Heidenangst vor mir. Das kann uns doch nur zum Guten gereichen! Wer weiß, wozu es einmal Nütze sein wird! Aber noch mal zu Nathaniel. Ihn mit der Beihilfe zum Mord an Allrounder Betsy Scott zu beauftragen, war auch eine kleine Prüfung meinerseits an ihn. Ich wollte mich in jedem Falle seiner Loyalität versichern.“ „Das leuchtet mir ein, Milady.“, sagte Dirshan und schaute sie unterwürfig an. „Das hätte ich an Eurer Stelle sicher nicht anders gemacht.“ „Na siehst du.“, grinste die Prinzessin. „Dann sind wir uns ja einig! Und nun lass mich allein! Ich muss mich konzentrieren!“ „Sehr wohl, Hoheit.“, nickte der junge Vendar und schlich sich auf Zehenspitzen aus dem Thronsaal.

Wie es ihr Korelem gesagt hatte, stand Jasmin am Fenster seines Zimmers und beobachtete den See mit aufmerksamen Augen. Sie hoffte nur, dass sie sich alles, was sie sah, gut genug bis zum nächsten Morgen würde merken können, denn ein Pad oder etwas Ähnliches hatte sie gerade leider nicht zur Hand. Sie sah, wie ich die Kneipe durch die Tür verließ und auf den See zuging. Aber bedingt durch das Licht des Vollmondes, der in dieser Nacht schien, konnte sie auch genau sehen, dass meine Augen geschlossen waren. An sich war das nicht sehr ungewöhnlich, denn als jemand, der noch nie sehen konnte, hatte ich nur sehr wenig Kontrolle über die Muskulatur meiner Augen. Auf Familienfotos war das auch immer ein leidiges Thema gewesen. Jasmin konnte sich also nicht wirklich sicher sein, ob ich wirklich schlafwandelte. Es mussten also noch mehrere Faktoren abgeklärt werden, bevor das verifiziert werden konnte.

Jasmin überlegte, das Fenster zu öffnen und einige Worte zu mir herunter zu rufen, aber da fiel ihr etwas ein, das sie im Erste-Hilfe-Kurs gelernt hatte. Der Vulkanier, der diesen Kurs an ihrer High School gegeben hatte, hatte allen Schülern eindringlich eingeschärft, einen Schlafwandler niemals zu wecken. Statt dessen sollte man ihn einfach nur sanft mit einer ruhigen vorsichtigen Bewegung bei der Hand nehmen und ihn dann in sein Bett zurückführen. Dann würde man auf jeden Fall ein Erwachen vermeiden und die daraus resultierende Verwirrung des Schlafwandlers würde nie eintreten. Auch könnte eine verwirrte Person unter Umständen unberechenbar und vielleicht auch für den Helfer gefährlich werden.

Immer weiter sah mich Jasmin auf das Ufer zugehen. Ausgerechnet an der steilsten Stelle war ich jetzt im Begriff, das Wasser zu betreten. Sie wird ausrutschen!, dachte das Mädchen. Was mache ich jetzt? Korelem, wo sind Sie?! Offensichtlich hoffte Jasmin, dass er in der Nähe sein würde, denn sie hatte ja schließlich auch gesehen, wie er das Zimmer durch die Dachluke verlassen hatte. Sie war sehr erleichtert, als sie dann tatsächlich ein fliegendes Wesen sah, das sich mir offensichtlich zu nähern schien. Bei näherem Hinsehen erkannte sie tatsächlich denjenigen, den sie soeben in Gedanken um meine Rettung angefleht hatte. Natürlich hätte sie auch selbst zur Sprechanlage greifen und einen Notruf absetzen können, aber seine Anweisungen von vorhin ließen es einfach nicht zu, dass sie ihren Posten am Zimmerfenster auch nur für einen Moment verließ. Einerseits war sie über das, was sie hier sah, sehr verwirrt und fühlte sich wie gelähmt, aber auf der anderen Seite war sie auch sehr froh, endlich jemanden zu sehen, der mir aus der für mich so gefährlichen Situation helfen würde. Korelem würde das schon hinkriegen, das hoffte das Mädchen zumindest. Wie gebannt verfolgte sie weiter, was jetzt geschehen würde. Er hatte ihr gegenüber den Eindruck vermittelt, die Situation jederzeit im Griff zu haben, also würde es für sie auch nicht notwendig werden, seine Anweisungen in den Wind zu schlagen und zu gehen, um die Rettung zu alarmieren. Es würde wohl ausreichen, wenn sie hier blieb und sich alles merkte, wie er es ihr aufgetragen hatte. Um so besser würde sie am nächsten Morgen in der Lage sein, gegenüber der Polizei oder dem Geheimdienst auszusagen, falls heute doch noch etwas Schlimmes passieren sollte. Also blieb sie wo sie war und beobachtete das Geschehen weiter.

Shimar und IDUSA waren gestartet und hatten die Umlaufbahn von Celsius erreicht. Hier bemerkte jetzt auch der junge Tindaraner das Breenschiff. „Ich frage mich, wo das herkommt, IDUSA.“, sagte er. „Ich habe keine Daten, die seine Herkunft erklären könnten, Shimar.“, erwiderte das Schiff. „Du hast es also nicht ankommen sehen?“, fragte ihr doch mittlerweile etwas verwirrter Pilot. „Nein, Shimar.“, entgegnete sie. „Das habe ich leider nicht. Es gibt zwar eine Antriebssignatur, wenn Sie das meinen, aber sie ist zu alt. Ich habe das Schiff erst vor einigen Minuten wahrgenommen. Vor 45 Minuten, um genau zu sein. Die Signatur ist aber erheblich älter. Sie ist mehrere Tage alt. Ich könnte, wenn ich von Musterdaten über den Antrieb von Breenschiffen ausgehe, sicher berechnen, wie viele Tage es genau sind, aber …“ „Meinetwegen brauchst du das nicht zu tun, IDUSA.“, stöhnte Shimar, der nun wirklich keine Lust auf endlose Zahlenkolonnen hatte. Außerdem war ihm das Thema Statistik schon immer viel zu trocken gewesen. „Sie sagen, ich müsse es nicht Ihretwegen tun.“, sagte IDUSA, die sich denken konnte, dass in seiner Äußerung vielleicht schon ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl an sie versteckt sein konnte. „Aber ich denke, den Agent wird das vielleicht interessieren. Soll ich Sie mit ihm verbinden?“ „Mit ihm und mit Zirell!“, sagte Shimar und klang dabei regelrecht stolz. Er strich mit seinen Fingern über die leeren Ports, wie er es immer tat, um IDUSA zu verdeutlichen, dass sie ihn sehr zufrieden gestellt hatte. „Sie schmeicheln mir.“, sagte ihr Avatar und machte ein fast verschämtes Gesicht. „Ich habe doch noch gar nichts gemacht.“ „Natürlich hast du was gemacht.“, widersprach Shimar. „Du hast meine Worte richtig interpretiert.“ „Ach.“, sagte IDUSA. „Das konnte ich, weil ich Sie schon sehr lange kenne und aufgrund der Daten, die ich über Ihr Verhalten sammeln konnte, bestimmte Dinge ableiten kann.“ „Immer mathematisch logisch.“, lächelte Shimar. „Aber ich wette mit dir, dass du im Laufe unserer Zusammenarbeit längst mehr geworden bist, als die Summe deiner Subroutinen.“ „Sie schmeicheln mir erneut.“, stellte das Schiff fest. „Die tindaranische Rechtsprechung wird mich bestätigen.“, sagte Shimar. „Ich weiß.“, sagte IDUSA. „Vor dem Gesetz gelten wir als mit den biologischen Lebensformen, also mit Ihresgleichen, gleichgestellt. Es gibt zwar die Lex Technologica, aber sie regelt Sonderfälle, die nicht auf Organische anwendbar sind und sie enthält Formulierungen, die bei Ihnen auch sehr schlecht ankommen würden.“ „Ich weiß.“, sagte Shimar etwas gelangweilt. „Manche Dinge muss man eben anders nennen, um den guten Ton zu wahren und das sicher im wahrsten Sinne des Wortes.“

Er lehnte sich zurück und schaute erwartungsvoll in Richtung der Konsole für das Sprechgerät. „Was macht meine Verbindung, IDUSA?“, fragte er. „Joran sagt, er will versuchen, Zirell und Maron zu wecken.“, entgegnete das Schiff. „Offenbar ist auf 281 Alpha gerade tiefste Nacht.“ „Genau wie hier auch.“, stellte Shimar fest.

Einen kurzen Moment später sah er, wie das kleine Licht auf der Konsole zu blinken begann. „Ich habe Zirell für Sie.“, sagte IDUSA. „Gib sie her.“, sagte Shimar und nahm Haltung in seinem Sitz an. Sein Blick war starr auf die sich vor ihm befindende Konsole gerichtet. Anscheinend wollte er vor seiner Kommandantin einen zackigen Eindruck machen. „Was gibt es, Shimar?“, hörte er die noch leicht verschlafen klingende Stimme der älteren Tindaranerin aus dem Bordlautsprecher seines Schiffes, der auch gleichzeitig der Lautsprecher für das Sprechgerät war. Da er allein an Bord von IDUSA war und somit keine Informationen an fremde Ohren kommen konnten, die sie nichts angingen, erachtete er es nicht für notwendig, einen Ohrhörer zu benutzen oder sich das Gespräch gar auf den Neurokoppler legen zu lassen. „Warum lässt du mich von IDUSA und Joran zu dieser späten Stunde noch wecken?“ „Weil wir etwas höchst Merkwürdiges gesehen haben.“, sagte Shimar. „Ich meine, eigentlich hat IDUSA es gesehen. Plötzlich ist ein Breenschiff aufgetaucht, das aber eine viel ältere Antriebssignatur hinterlassen hat. Wenn es erst gerade in die Umlaufbahn gekommen wäre, dann wäre die doch viel jünger, oder? Jedenfalls hat IDUSA es so plötzlich gesehen, dass sie die Theorie für wahrscheinlich hält, dass es ein feindliches Schiff ist. Ich habe eigenmächtig entschieden, mit ihr zu starten, ohne deinen Befehl abzuwarten, sonst hätte sie die Werft womöglich noch in Trümmer geschossen.“ „Wieso sollte sie auf Stufe drei …?“, fragte die tindaranische Kommandantin. „Weil die auf der Werft was versaubeutelt haben, Zirell!“, sagte Shimar. „Obwohl ich sie genau instruiert hatte.“ „Shimar!“, tadelte sie ihn ob seiner Ausdrucksweise. „Du verbringst meiner Meinung nach viel zu viel Zeit mit einem gewissen Montgomery Scott.“ „Was soll ich machen?“, fragte Shimar unschuldig. „Die Beziehung zu Betsy kettet uns nun einmal aneinander.“ „Ich weiß.“, sagte Zirell beschwichtigend. „Du musst auch nicht immer jedes Wort gleich auf die Goldwaage legen, das ich sage. Aber nun zum dienstlichen Teil: Was hat IDUSA genau ausgemacht? Lass sie die Daten hierher überspielen.“ Shimar nickte und wandte sich dann an sein Schiff: „Du hast sie gehört!“ „Datenverbindung wird initiiert.“, lächelte der Avatar.

Die Tindaranerin überflog kurz die eingehenden Daten. Dann sagte sie: „Das ist ein ziviles Schiff. Aber es gibt da wohl doch einige Merkwürdigkeiten. Mit den Sensorenwerten über die Energieverteilung könnte wohl eher Jenna etwas anfangen. Ich werde ihr Bescheid geben und ihr die Daten in den Maschinenraum durchstellen lassen von Joran. Sie hat dort heute Nachtschicht. Wir sollten eine Konferenzschaltung programmieren, in der wir das, was du dort sehen wirst, in die ganze Interpretation mit einbeziehen.“ „Du befiehlst mir also, auf das Schiff zu beamen?“, fragte Shimar. „Genau das!“, sagte Zirell fest. „Laut IDUSAs Daten ist niemand an Bord. Du kannst also in Ruhe spionieren. Aber vergiss den Erfasser nicht. Auch den Neurokoppler solltest du aufsetzen und an dein Sprechgerät anschließen wie den Erfasser, damit IDUSA uns auch übermitteln kann, falls du etwas Merkwürdiges auf telepathischem Wege …“ „Bei allem Respekt, Zirell.“, unterbrach Shimar sie mit leicht genervter Betonung und nahm die Anschlussarbeiten an seinem Handsprechgerät direkt vor der Linse der Cockpitkamera vor. Damit wollte er verdeutlichen, dass er auf jeden Fall schon wusste, was sie ihm sagen wollte. „Ich bin kein Kadett mehr und IDUSA kennt auch die Protokolle für überwachte Außenmissionen. Sie wird mich mit dem Transporter hinbringen und mich dann über mein Handsprechgerät rufen. Ich werde die Verbindung annehmen und dann werdet ihr über alles informiert. Parallel wird sie euch noch Daten geben, die sie mit ihren eigenen Sensoren empfängt.“ „Na schön.“, sagte Zirell. „Dann sind wir uns ja einig. Sei aber vorsichtig da drüben. Nicht, dass du irgendeinem Anschlag von Sytania zum Opfer fällst.“ „Dass Sytania damit was zu tun hat, glaubst du also auch?“, vergewisserte sich der junge Flieger. „Allerdings.“, bestätigte seine Vorgesetzte. „Ich teile IDUSAs Theorie und vor allem Joran tut das. Er stand schließlich 90 Jahre lang in ihren Diensten und kennt sie wie kein anderer.“ „Das stelle ich nicht in Abrede, Zirell.“, lächelte Shimar. „Ich werde vorsichtshalber auch die Krankenstation in die Konferenz integrieren.“, sagte Zirell. „Man weiß ja nie. Ishans Wissen könnte auch von Nutzen sein.“ „OK.“, sagte Shimar und stand auf. „Sind Sie bereit?“, fragte IDUSA. „Das bin ich.“, nickte Shimar. „Du kannst im Übrigen das Meldeprotokoll beenden.“ „In Ordnung.“, sagte das Schiff. „Dann beame ich jetzt.“

Sytania und Dirshan hatten sich die Beobachtung der Situationen um Shimar und mich geteilt. Die Mächtige hatte mit ihren seherischen Fähigkeiten das Beobachten der Meinen, der Vendar das der Situation um IDUSA und Shimar übernommen. Das war auch das strategisch Klügste, denn Sytania hatte alle Hände voll damit zu tun, mich in meiner hypnotischen Suggestion zu halten. Sie musste ja immer wieder befürchten, dass entweder die Wirkung der Droge nachließ, denn Nathaniel könnte mir ja nicht genug gegeben haben, oder dass Shimar doch unter Umständen nicht abgelenkt genug war und vielleicht doch noch merkte, was mit mir vorging. Über die noch immer bestehende Schutzverbindung zwischen uns wäre ihm das ja durchaus möglich gewesen. Dann wäre Sytania durchaus Gefahr gelaufen, sich doch noch mit ihm duellieren zu müssen. Sie hoffte nur, dass Dirshan sie genau davor rechtzeitig warnen würde.

Die Mächtige nahm jetzt wahr, wie ich mich immer stärker dem Abgrund näherte, hinter dem der See begann. „Jetzt hast du dein Leben ausgehaucht, Betsy Scott! Jetzt stirbst du!“, flüsterte sie mit einem sehr schadenfrohen Grinsen.

Von ihrem Platz am Fenster aus sah jetzt auch Jasmin, wie ich das steile Ufer hinab und in das tiefe kalte Wasser stürzte. Jetzt muss sie doch aufwachen., dachte das Mädchen. Aber leider geschah nichts dergleichen. Im Gegenteil. Sie musste mit ansehen, wie ich reglos immer tiefer und tiefer sank. Erklären konnte sie sich diesen Umstand nur teilweise, denn sie hatte zwar die Amphore gesehen, wusste aber nicht genau, was darin gewesen war. Die Zeichen auf dem Hals des Gefäßes hatten ihr ja lediglich verraten, dass Sytania ihre Finger im Spiel hatte, aber nicht, was sich im Gefäß befunden hatte. Leider hatte sie auch keine Geräte, um derartiges analysieren zu können. Jasmin wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als die Anwesenheit eines Agenten des Föderationsgeheimdienstes. Ihr Schulwissen hatte dem Teenager gesagt, dass diese zuständig waren, wenn es einen feindlichen außerirdischen Einfluss gab und das war ja hier wohl eindeutig gegeben. Sie traute sich aber nicht, zur Sprechanlage zu gehen und den Notruf allein abzusetzen. Sie hatte starke Bedenken und wollte lieber abwarten, bis sie das in Gegenwart eines Erwachsenen tun konnte, dem man vielleicht doch mehr Glauben schenken würde, als ihr, die ja fast noch ein Kind war. Jasmin fühlte sich unglaublich klein und hilflos.

Maron war in die Kommandozentrale der Basis 281 Alpha geschlurft. Der erste Offizier war noch immer sehr schlaftrunken, denn Zirells Ruf hatte ihn unsanft aus seinen schönsten Träumen geweckt, in die er trotz fortgeschrittener Nacht erst gerade entglitten war. Schuld daran, obwohl man in diesem Zusammenhang sicher nicht davon im eigentlichen Sinn sprechen sollte, war Nitprin gewesen, die immer noch unter sehr starken Albträumen litt. Die IDUSA-Einheit der Station hatte von Maron den Befehl erhalten, ihn in so einem Moment sofort zu wecken. Deshalb hatte der Demetaner es auch vorgezogen, mit einem Ohrhörer im Ohr zu schlafen.

Zirell war sofort das müde Gesicht ihres Untergebenen aufgefallen, als Maron sich neben sie setzte. „Du bist ja ganz schön übernächtigt.“, stellte sie fest. „Dafür kann ich leider im Moment nichts.“, sagte der Demetaner zu seiner Verteidigung. „Es ist mein Pflegekind. Sie kann sich, wenn ich sie bei Tag befrage, leider an nichts erinnern. Aber unterbewusst scheint da doch einiges im Argen zu liegen. Sie träumt sehr schlecht und ich muss sie fast jede Stunde wecken!“ „Spricht sie dann im Schlaf, Maron El Demeta?“, fragte Joran in der Absicht, etwas Hilfreiches beizutragen. „Ja, das tut sie, Joran.“, bestätigte Maron. „Aber das sind nicht zusammenhängende gestammelte Sätze, an die sie sich selbst dann nicht mehr erinnert, wenn ich sie gerade erst geweckt habe. Zirell, vielleicht könnten du oder Nidell helfen.“ „Wir könnten es sicher versuchen, Maron.“, sagte die tindaranische Kommandantin und sah ihn fast mütterlich an. „Aber damit müsste sie natürlich einverstanden sein.“ „Ich werde sie darüber informieren, wenn ich wieder mit ihr spreche, Zirell.“, sagte Maron. „Vielen Dank.“ „Keine Ursache.“, sagte die ältere Telepathin lächelnd. „Diejenige, die am meisten leidet, ist ja wohl Nitprin selbst und wenn ich ihr helfen kann, dann tue ich das gern.“

Der Avatar des Stationsrechners zeigte sich allen über die Neurokoppler. „Ladies und Gentlemen.“, begann sie. „Ich habe etwas Interessantes für Sie.“ „Dann zeig es uns!“, befahl Zirell.

Dirshan hatte die Materialisierung Shimars an Bord des Breenschiffes beobachtet. „Der wird gleich eine Menge zu gucken haben, Gebieterin.“, informierte der junge Vendar seine Herrin. „Wovon sprichst du?“, fragte die imperianische Königstochter. „Na ja.“, sagte der Novize. „Was er da zu sehen bekommt, wird eine Menge offener Fragen aufwerfen. Dieser Demetaner wird alles genau wissen wollen und ihm sicher befehlen, das eine oder das andere Ding noch einmal genauer mit dem Erfasser zu scannen. Dann muss er das Gerät sicher auf viele Feinheiten einstellen und muss sich darauf sehr konzentrieren. Ihr werdet weiter unbehelligt bleiben. Was ich aber merkwürdig finde, ist die Tatsache, dass er sich offensichtlich auf dem Schiff frei bewegen kann. Hat Nathaniel El Taria denn gar keine Sicherheitsvorkehrungen eingebaut?“ „Nein, das hat er nicht.“, lachte Sytania. „Und dafür gibt es auch einen guten Grund. Ich wollte nicht, dass er das tut, damit meine Ablenkung auch gut gelingen kann. Es ist mir egal, wenn Shimar alles über das Schiff herausbekommt. Er soll sogar so viele Kleinigkeiten wie möglich finden, die ihm und seinem Commander und vor allem ihrem ersten Offizier viel Kopfzerbrechen bereiten sollen. Dann sind sie um so abgelenkter, was den Tod von einem gewissen Allrounder der Sternenflotte angeht.“ „Ihr solltet Eure persönliche Rache nicht über Eure Sicherheit stellen, mit Verlaub, Milady.“, sagte Dirshan. „Ich meine, wenn herauskommt, dass Nathaniel …“ „Nathaniel?!“, fragte Sytania empört. „Um den machst du dir Sorgen?! Nun, dann werde ich dir mal einiges über das Verhältnis zwischen ihm und mir erklären. Er ist eine Puppe, die man benutzt, solange man sie brauchen kann. Wenn ich ihn nicht mehr benötige, werde ich ihn sowieso über die Klinge springen lassen. Um so besser passt es mir, wenn sie ihm draufkommen. Sie können ruhig wissen, dass er das Schiff geklaut hat. Diese Information kann ihnen der liebe Shimar ruhig auf dem Silbertablett servieren. Hauptsache ist, sie stören mich nicht bei meinen eigentlichen Plänen.“ „Und wie lauten die, wenn ich dies, als Euer Untertan, fragen darf, Lady Sytania?“, fragte Dirshan. „Das wirst du noch früh genug gewahr werden.“, sagte die Angesprochene. „Diese Information werde ich mir als I-Tüpfelchen aufheben, wenn ich meine, dass es so weit ist. Aber bis dahin wirst du dich noch eine Weile gedulden müssen.“ „Dann werde ich warten, wie Ihr befiehlt, Milady.“, sagte Dirshan mit einem beschwichtigenden Blick zur Seite. Um nicht provokativ zu wirken, hatte der intelligente Junge es nicht gewagt, sie direkt anzusehen.

Auch Korelem war auf meine Situation aufmerksam geworden. Er hatte von oben schließlich einen sehr guten Überblick über den See. Aber das war nicht alles. Als hätte er es gewusst und schon damit gerechnet, hatte er über genau der Stelle Stellung bezogen, an der ich ins Wasser gestürzt war. Nun stieß er herunter und fasste mich mit Vorder- und Hinterfüßen, um mich aus dem Wasser zu ziehen. Aber im gleichen Augenblick bemerkte er, dass mein Körper von einer starken Unterströmung genau in die entgegen gesetzte Richtung gezogen wurde. „Na ja.“, flüsterte er. „Damit musste ich rechnen. Logar hat mir gesagt, dass sich seine Tochter hier einmischen wird. Also, keine Müdigkeit vorschützen und nicht aufgeben!“ Damit versuchte er mit aller Kraft, mich der Strömung zu entreißen.

Auch Jasmin hatte das Geschehen mit klopfendem Herzen beobachtet. Noch immer konnte sie sich nicht dazu durchringen, entgegen Korelems Anweisungen zu handeln und ihren Posten zu verlassen. Aber langsam beschlich sie das Gefühl, dass doch jemand etwas tun müsse. Sie hatte noch nie gesehen, dass der See eine Unterströmung entwickelt hatte. Dieser See, in dessen Nähe sie jetzt schon so lange arbeitete und in dem sie in diesem Sommer selbst schon so manches Bad genommen hatte. Wenn dies ein unberechenbares und gefährliches Gewässer war, dann konnte sie ja froh sein, dass ihr bisher noch nie etwas passiert war. Was ihr hätte passieren können, das sah sie jetzt vor allem an meinem Körper und an den Blättern der Wasserpflanzen, die nach unten gezogen wurden und deren Stängel teilweise einen richtigen Schwanenhals bildeten. Aber andererseits war ihr das alles auch viel zu plötzlich geschehen. So plötzlich, dass sie einfach nicht an ein natürliches Phänomen glauben wollte und konnte. Die Sache mit der Amphore war ja auch noch nicht so lange her! Was war, wenn Radcliffe mich nicht direkt mit deren Inhalt vergiften wollte?! Was war, wenn sich in dem Gefäß nur eine Droge befunden hatte, die hypnotische Einflüsse derart verstärken konnte, dass ich selbst in einer lebensbedrohlichen Situation nicht aufwachen würde und alles mit mir geschehen lassen würde?! Ihrem Wissen über Sytania nach würde sie unter Umständen genau so vorgehen. Laut dem, was über sie propagiert wurde, wollte sie zwar immer die Fäden ziehen, aber es sollte ihr nicht nachweisbar sein. Was Jasmin hier gesehen hatte, würde sehr gut dazu passen. Dazu, alles, was Sytania tat, wie einen Unfall aussehen zu lassen. Die Schülerin beschloss, doch noch keinen Notruf abzusetzen. Jetzt wurde ihr langsam klar, warum Korelem ihr diese Anweisung gegeben hatte. Bisher sah es ja noch immer so aus, dass es sich um ein natürliches Phänomen handeln konnte. Zumindest für die Leute, die kein großes Wissen über Sytania und ihr Vorgehen hatten. Sie musste noch mehr Beweise sammeln, bevor sie mit jemandem darüber reden konnte. Sie musste in jedem Fall etwas in der Hand haben, das mehr überzeugte, als das plötzliche Auftreten einer Unterströmung in einem See. Gut, da war noch die Amphore, aber was war, wenn Radcliffe die still und heimlich verschwinden lassen hatte? In sein Zimmer einbrechen und nach ihr suchen, das konnte sie schließlich nicht, ohne einen Haufen Ärger zu riskieren. Sie hoffte nur, dass Korelem mich retten konnte, denn dann wäre alles ganz einfach gewesen. Man hätte mich nur medizinisch untersuchen und meine Aussage aufnehmen müssen.

Durch einen Druck auf einen Sensor öffnete sie das Fenster. Dann lehnte sie sich ein kleines Stück hinaus, um besser sehen zu können, hielt sich aber mit der rechten Hand am Rahmen fest. Jetzt konnte sie noch besser wahrnehmen, was in der Mitte des Sees geschah. Hier bemühte sich Korelem noch immer sehr um meine Rettung. Aber auch die Gegenströmung wurde mit dem gleichen Maß, mit dem er zog, immer stärker. Zumindest hatte das Mädchen den Eindruck gewonnen. Die sehr kluge Jugendliche hatte sich zwischenzeitlich zum Messen der Strömung an der Tiefe der Blätter der Wasserpflanzen und an der Krümmung ihrer Stängel orientiert, um die Stärke in etwa zu berechnen. Der hat ganz schön zu kämpfen., dachte sie. Dabei muss er selbst sehr aufpassen, dass seine Flügel nicht nass werden.

Jetzt sah Jasmin, wie es ihm für einen kurzen Moment gelungen war, meinen Kopf aus dem Wasser zu ziehen. „Ja, Korelem!!!“, feuerte sie ihn an. „Sie schaffen das!!! Lassen Sie sich von Sytania nicht fertig machen!!!“

Von der Tatsache, dass ich bereits dem Ertrinken nahe war, hatte ich selbst nichts mitbekommen. Immer noch wähnte ich mich auf einem schönen Spaziergang durch einen Wald, von dem ich geträumt hatte. Ich war barfüßig und hatte eine kurze luftige weiße Bluse an. Um meine Hüften spielte ein bunter geblümter Rock. Es war sehr warm und in der Luft, die nur durch den Schatten der zahlreichen Bäume gekühlt wurde, lag der Duft von allerlei Wildkräutern. Hier bewegte ich mich nun federnden Schrittes und leise vor mich hin singend einen schmalen Weg entlang. Aber nicht nur ich sang, sondern auch viele kleine fröhliche Vögel.

Plötzlich bemerkte ich eine Hand, die sich langsam in die Meine schob und mich in eine andere Richtung zog. Dann hörte ich eine mir bekannte weibliche Stimme: „Hier geblieben! Es wird viel besser für dich sein, wenn du es von mir erfährst und vor allem wirst du dann deutlich leichter damit umgehen können!“ Verwirrt drehte ich mich zu ihr um und versuchte, mich aus ihrem Griff zu befreien, was mir aber nicht gelang. „Vergiss nicht.“, sagte sie. „Ich bin Telepathin! Ich weiß schon, was du vorhast, bevor du es ausführst.“ Jetzt hatte ich sie erkannt. Es musste sich um Shinell handeln, die tote Schwester meines Freundes. Aber warum war sie hier? Warum besuchte sie mich in meinen Träumen? Mir war aus der Mythologie der alten Griechen bekannt, dass die Toten die in ihren Träumen besuchen konnten, die Schuld auf sich geladen hatten. Aber was hatte ich getan? Gut, ich hatte die Sache mit Radcliffe in Gang gesetzt, aber das hatte ich doch schon längst bitter bereut! „Was tust du hier?“, fragte ich. „Warum besuchst du mich in meinen Träumen, Shinell?“ „Du verkennst leider die Sachlage.“, sagte die junge Tindaranerin. „Du träumst nicht. Zumindest nicht mehr. Und ich besuche dich auch nicht, Betsy. Sagen wir mal so: Du bist in meine Welt eingetreten. Aber du bist nicht zu Besuch.“

Panisch betastete ich mein rechtes Handgelenk. Aber von einer Silberschnur war nichts zu finden. „Nein!“, rief ich aus. „Shinell, sag mir bitte nicht, ich bin …!“ „Doch.“, sagte sie. „Du bist tot. Du wurdest von Sytania ermordet. Sie hatte Hilfe von einem gewissen Nathaniel Radcliffe. Ich habe alles beobachtet. Das können wir. Das wirst du auch noch lernen, jetzt, wo du zu uns gehörst. Die Quellenwesen haben mich zu deiner persönlichen Helferin bei der Akklimatisation ernannt. Ich weiß, dass es für dich schwierig sein wird, die Tatsache deines frühen Todes zu akzeptieren. Das ist bei Mordopfern so. Das weiß ich. Du bist nicht mein erster Auftrag. Aber du wirst dich schon daran gewöhnen. Das haben bisher alle geschafft. Wenn erst mal das große Vergessen einsetzt, dann wirst du dich auch nicht mehr in dein Leben als Sterbliche zurückwünschen. Im Gegenteil! Du wirst es als belastend und sogar vielleicht als Strafe empfinden. Du wirst nichts lieber wollen, als hier bei uns zu bleiben. Wer will denn auch schon eine Welt verlassen, in der ein bloßer Wunsch ausreicht, um sich seine Träume zu erfüllen? Nur in dein Leben zurück, das kannst du nicht mehr. Außer, wenn die Quellenwesen dich bestrafen wollen. Dann schicken sie dich in ein sterbliches Leben zurück. Aber das wird nicht das sein, das du kennst. Sie werden dafür sorgen, dass du als etwas völlig anderes wiedergeboren wirst.“

An meinem immer blasser werdenden Gesicht sah Shinell, dass es mir mit den Informationen, die sie mir gab, nicht wirklich gut gehen musste. „War das etwas viel für dich?“, fragte sie fürsorglich und setzte sich mit mir ins Gras. „Das kann man wohl sagen.“, sagte ich. „Aber warum sieht es hier genau so aus wie in meinem Traum? Das würde mich viel eher interessieren!“ „Wir wollten den Übergang für dich so gleitend wie möglich gestalten.“, sagte Shinell. „Du solltest nicht merken, was mit dir geschieht!“ „Das hättet ihr nicht tun sollen!“, sagte ich mit vorwurfsvollem Ton. „Dann hätte ich zumindest noch dagegen kämpfen können!“ „Das hättest du nicht!“, sagte Shinell fest. „Und ich werde dir jetzt auch zeigen, warum nicht!“

Wir glitten in eine Art schlafähnlichen Zustand ab. Dass dies eine Nebenwirkung gewisser tindaranischer Geistestechniken war, wusste ich von Shimar. Deshalb ließ ich es auch ruhig mit mir geschehen. Jetzt sahen Shinell und ich, die wir über dem See schwebten, wie mein Körper ertrank. „Hättest du das wirklich spüren wollen!“, fragte mich Shinell. „Glaub mir. Du hättest nicht schnell genug aufwachen können, um dich zu retten. Licht träumen und somit im Traum deinem Körper den Befehl geben zu schwimmen, kannst du nicht! Außerdem tut jeder, wenn er erwacht, zunächst einen tiefen Atemzug. Dass hätte deine Lungen noch mehr mit Wasser gefüllt und das hätte einen jämmerlichen Tod bedeutet. Du bist schließlich kein Fisch! Sie dir an, wie tief dein Körper bereits unter Wasser ist!“

Ich visualisierte meine Hand und ließ sie unter der Oberfläche nach meinem Körper tasten. „Oh, Gott!“, rief ich aus. „Du hast Recht, Shinell! Bitte, hol uns hier wieder raus! Ich habe es verstanden!“ „Also gut.“, sagte die junge Tindaranerin ruhig und kam meiner Bitte nach. Jetzt fanden wir uns auf dem Waldstück wieder. „Es gab also tatsächlich keine Möglichkeit?“, fragte ich. „Nein, Betsy.“, sagte sie fast zärtlich. „Aber glaub mir. Du wirst dich hier schon einfinden. Komm mit. Ich bringe dich zu meinen anderen Patienten. Es werden von Tag zu Tag mehr. Irgendwer muss in der Welt der Lebenden sein Unwesen treiben.“ „Ich weiß, wer das ist, Shinell.“, sagte ich. „Deshalb ist es wichtig, dass …“ „Alles zu seiner Zeit.“, sagte Shinell und nahm mich bei der Hand. „Ich habe das Gefühl, du wirst eine sehr schwierige Kandidatin werden.“, meinte sie, während wir zwischen den Bäumen hindurch auf eine lange Straße gingen. „Aber ich mag Herausforderungen!“

Kapitel 30: Alarmierende Hinweise

von Visitor

 

Shimar hatte sich auf einen der Sitze im Cockpit des Breenschiffes setzen müssen. Nachdem er sich dort wieder gefunden hatte, war sein ursprünglicher Plan gewesen, sich das ganze Instrumentarium dort genau anzusehen. Er hatte seinen Erfasser auf technische Parameter umstellen wollen, um Jenna ein passables Bild zu liefern, das von der Chefingenieurin sicher mühelos interpretiert werden konnte. Vielleicht hätte es ja hier auch schon eine Erklärung für das plötzliche Auftauchen des Schiffes vor IDUSAs Sensoren gegeben. Aber dazu war es, wie bereits gesagt, ja nicht gekommen. Statt dessen hatte er Mühe, sich überhaupt zu konzentrieren. Ein krampfartiger Kopfschmerz war der Grund dafür gewesen und er hatte das Gefühl, dass es ihm den Boden unter den Füßen wegzog. Außerdem jagte ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Noch nicht einmal den von IDUSA ausgesandten Ruf hatte er beantwortet. Was der Grund dafür war, konnte der junge Telepath nicht so schnell sagen, denn er hatte über zu vieles nachzudenken.

Endlich hatte er das Piepen seines Sprechgerätes gehört. Mit noch immer leicht zitternden Händen nahm er die Verbindung entgegen. „Ist alles mit Ihnen in Ordnung, Shimar?“, fragte die Stimme des Schiffsrechners Anteil nehmend. „Ja, ja, IDUSA.“, wischte er ihre Bedenken bezüglich seiner Gesundheit beiseite. „Ich habe wohl nur einige Schwierigkeiten mit der Luftveränderung. Es ist nichts.“

Er deckte das Mikrofon zu und flüsterte sich selbst etwas auf Tindaranisch zu, das etwa die Bedeutung von: „Reiß dich gefälligst zusammen!“, hatte.

Dem selbstständig denkenden Schiff war das in ihren Augen seltsame Verhalten ihres Piloten doch etwas merkwürdig vorgekommen und sie hatte beschlossen, dem Neurokoppler einen Befehl einzugeben, über den sie einen exakteren Scann von Shimars neuralem Muster bekommen konnte. Sie kannte diese Symptome nämlich und wusste, dass es unter Umständen eine telepathische Wahrnehmung gegeben haben konnte. Als Beschützerschiff war sie programmiert, alles zu tun, um die Gesundheit ihres Piloten und/oder ihrer gesamten Crew zu gewährleisten. Dazu konnte auch ein heimlicher Scann gehören, mit dem sie unter Umständen früher als Shimar auf eine Gefahr aufmerksam wurde, oder auch dann, wenn er diese offensichtlich nicht wahrhaben wollte. Ihre Ergebnisse würde sie gleich Ishan übermitteln.

Shimar atmete einige Male tief durch und stand dann auf. Er drehte sich in Richtung der Flugkonsole. Hier kam ihm zunächst nichts Seltsames unter die Augen. Aber vorsichtshalber hielt er dann doch den Erfasser darüber. „Jenn’.“, sagte er. „Falls du mit diesen Werten etwas anfangen kannst, sag es uns bitte.“ Da alle sich durch die Konferenzschaltung gegenseitig hören konnten, hatten auch Maron und Zirell alles mitbekommen. „Für mich sind das böhmische Dörfer.“, stöhnte der erste Offizier angesichts der technischen Daten, die über die Verbindung und Shimars Erfasser übermittelt wurden. „Keine Sorge, Sir.“, sagte McKnight. „Ich werde Ihnen das schon übersetzen.“

Die hoch intelligente Halbschottin warf einen kurzen Blick auf die Konsole im Maschinenraum. Dann schaute sie mit irritiertem Blick zu ihrer Assistentin hinüber. „Sagte IDUSA nicht, dass es sich um ein Zivilschiff handelt, Shannon?“, fragte sie in Richtung der blonden Irin gewandt. „Aber genaustens, Jenn’.“, flapste diese zurück. „Das hat unsere IDUSA gesagt.“ „Dann frage ich mich, was ein ziviler Pilot mit einer Tarnvorrichtung will.“ „Weiß ich auch nich’.“, meinte Shannon. „Aber wir müssen in jedem Fall die Brücke informieren.“ „Die hören alles, was hier geredet wird, Assistant.“, sagte Jenna. „McKnight hat Recht, O’Riley.“, sagte Maron. „Sie scheinen völlig zu vergessen, dass wir es hier mit einer Konferenzschaltung zu tun haben. Aber was haben McKnight und Sie da gerade von einer Tarnvorrichtung gesagt?“ „Offensichtlich, Agent.“, meldete sich Jenna. „Gibt es auf diesem Schiff eine Tarnvorrichtung. Aber ihre Komponenten sind viel jünger als der Rest des Schiffes. Das kann ich anhand der metalogischen Zerfallsrate feststellen. Aber da ist noch was Merkwürdiges. Wenn die Geräte von jemandem eingebaut werden, gibt es Bearbeitungsspuren an ihnen. Gut, seitdem wir die Modulbauweise verwenden, gibt es mit Sicherheit keine Abriebspuren von Schraubenschlüsseln mehr, aber wenn jemand einen Gegenstand einbaut, berührt er ihn mit den Händen und es müsste auch Energiespuren von Werkzeugen wie isolinearen Schraubenschlüsseln geben oder so etwas. Vielleicht könnte man das Nachweisen, wenn …“ „Keine hoch wissenschaftlichen Vorträge, Techniker!“, unterbrach Maron sie scharf. „Shimar hat noch ein ganzes Schiff zu durchkämmen und er hat vielleicht wenig Zeit. Also, was müssen wir tun, um ihm zu ermöglichen, so etwas herauszufinden?!“ „Wir müssten seinen normalen Erfasser kurzzeitig in einen Ballistischen verwandeln, Agent.“, führte die Chefingenieurin an. „Dazu müsste ich über die Verbindung das Programm dafür in Shimars Erfasser überspielen. Da es sich um ein geheimdienstliches Programm handelt, benötige ich aber Ihre Zugangsberechtigung, Sir.“ „Die übermittle ich Ihnen, McKnight.“, sagte Maron und begann mit dem Verfassen einer SITCH-Mail, deren einziger Inhalt die von seiner Untergebenen angeforderte Berechtigung war. „Vielen Dank, Sir.“, sagte Jenna.

Shimar hatte alles mitbekommen. „Was muss ich gleich machen, Jenn’?“, fragte er, der sich bei solchen Aktionen immer lieber auf ihr Urteil verlassen hatte, bevor er eventuell einen nicht wieder gut zu machenden Fehler beging. „Du musst zunächst gar nichts tun.“, sagte die versierte Ingenieurin. „Nur, wenn ich es dir sage, wirst du deinen Erfasser neu starten müssen. Die Menüs werden sich etwas verändert haben. Du wirst vielleicht Programme finden, die dir nichts sagen, aber wir helfen dir da schon durch.“ „OK.“, sagte Shimar. Ihm war durchaus bekannt, dass ein normaler Erfasser nicht zu so einem detaillierten Scann wie ein geheimdienstliches Gerät in der Lage war. Dennoch fand er es etwas seltsam, jetzt doch mit genau so etwas umgehen zu dürfen. Es war ihm tatsächlich etwas mulmig zumute. Aber im Augenblick war er Auge und Ohr des ersten Offiziers mit Agentenausbildung auf diesem fremden Schiff und da ging es nun einmal nicht anders.

Einige Sekunden, in denen Shimar das Überspielen des Programms durch den Rechner der Station beobachtet hatte, waren vergangen. „OK, Shimar.“, sagte Jenna. „Jetzt starte das Gerät bitte neu und dann scanne die Konsole noch einmal.“ „Geht klar, Jenn’.“, lächelte der junge Tindaraner und tat, was sie ihm soeben aufgetragen hatte. „Das gibt ja ein komplett neues Bild.“, sagte Maron zufrieden. „Es sieht aus, als wäre die Tarnvorrichtung nachträglich telekinetisch eingebaut worden. Oder sollte ich besser sagen, teleportiert?“ „Telekinetisch?“, fragte Zirell. „Lässt sich feststellen, wer das war?“ „Bedauerlicherweise nicht mehr.“, sagte der erste Offizier enttäuscht, nachdem er einen nochmaligen Blick auf die Scanns geworfen hatte. „Das Muster ist schon zu sehr zerfallen.“ „Vielleicht kann ich eine telepathische Prägung erspüren, wenn ich die Schalttafel berühre.“, schlug Shimar vor. „Da wirst auch du kein Glück mehr haben, fürchte ich.“, nahm Maron ihm alle Illusionen. „Meiner Erfahrung und diesem Bild nach ist das mindestens eine Woche her. Ein mentales Energiemuster hält sich höchstens 24 Stunden. Nein, Shimar, damit werden wir uns nicht mehr aufhalten! Geh jetzt bitte in die Achterkabine und sieh dich dort um. Wir wissen ja nicht, wie lange du noch allein bist.“ „Na gut.“, sagte Shimar und drehte sich in Richtung der Tür zur genannten Kabine, die sich sofort vor ihm öffnete. „Merkwürdig.“, sagte er. „Hier scheint es keine Sicherheitsvorrichtung zu geben.“ „Dann würde ich an deiner Stelle noch mehr auf der Hut sein.“, sagte Zirell. „Keine Sorge.“, sagte Shimar lächelnd. „Ich passe schon auf mich auf.“

Er betrat die Kabine. Hier stellte sich alles für ihn dar, als gehöre dieses Schiff einer Familie mit einem kleinen Kind, denn er hatte Spielzeug und Kinderkleidung gesehen. Auch Hinweise auf die Anwesenheit einer Frau und eines Mannes gab es. Er hielt einige der Gegenstände vor seinen Erfasser und scannte nach der sich darauf befindenden DNS. „Schon merkwürdig.“, sagte er. „Diese Sachen wurden eindeutig nicht von Breen benutzt, sondern von einem Terraner, einer Zeoniden und einem männlichen Kind, dass der Sohn von beiden sein könnte.“ „Das kann ich aufgrund der Zellbilder nur bestätigen.“, sagte Ishan, der ebenfalls an der Konferenz teilnahm. „Aber Shimars neurale Werte sagen mir auch, dass er etwas telepathisches wahrnimmt.“ „Hat er Recht, Shimar?!“, verhörte Maron seinen Untergebenen streng. „Ja.“, gab dieser zu. „Ach, ich habe nur schon wieder genau das gleiche komische Gefühl wie auf Khitomer.“ „Das könnte bedeuten, dass der Fremde ...“, mutmaßte Zirell. „Genau das glaube ich auch.“, meinte Maron. „Ich denke, dass er dieses Schiff einigen Breen unter dem Hintern weggestohlen hat.“ „Maron!“, wunderte sich Zirell, die eine solche Ausdrucksweise von ihm offensichtlich nicht gewohnt war.

„Ich denke, wir sollten IDUSA befehlen, Shimar zurück zu sich an Bord zu holen.“, entschied sie. „Wegen der anderen Sache kann vielleicht dein Pflegekind irgendwann was sagen. Ich meine, sie ist Breen und wir haben sie von einem Planetoiden weit weg von deren heimatlichem Sonnensystem geborgen. Ich meine, irgendwie muss sie ja dort hingekommen sein.“ „Das finde ich auch.“, sagte Maron. Dann wandte er sich über SITCH an Shimar: „Du hast es gehört.“ „Ist OK.“, sagte der junge Tindaraner und unterbrach die Verbindung.

„Ich muss auch noch mal mit dir über Shimars Werte reden, Zirell.“, sagte Ishan, nachdem er sicher war, dass Shimar nicht mehr in der Leitung war. „Am besten wird sein, du kommst heute Nachmittag unter einem Vorwand zu mir auf die Krankenstation.“ „In Ordnung.“, sagte die Kommandantin leicht verunsichert, denn langsam machte sie sich doch Sorgen darüber, was der Androide mit dem aldanischen Bewusstsein entdeckt haben konnte.

IDUSA hatte Shimar, wie es ihr von Zirell befohlen worden war, zurück zu sich an Bord geholt. „Sind Sie sicher, dass mit Ihnen alles in Ordnung ist, Shimar?“, fragte ihr Avatar. „Natürlich bin ich sicher, IDUSA!“, sagte der junge tindaranische Flieger schnell, denn er hatte durchaus das Gefühl, von ihr ertappt worden zu sein. „Tut mir leid.“, sagte sie. „Aber das nehme ich Ihnen nicht ab!“ Ihre Stimme klang dabei sehr fest. „Es gibt medizinische Werte, die mich darauf hinweisen, dass definitiv etwas mit Ihnen nicht stimmt. Dieser Kopfschmerz, den Sie empfunden haben, hat ja nun wirklich nichts mit einer eventuellen Luftveränderung zu tun, zumal die atmosphärischen Werte an Bord des Breenschiffes mit den Meinen übereinstimmen. Aber ich denke, Shimar, dass Sie einen bestimmten Fakt nicht wahrhaben wollen. Normalerweise kann ich sehen, ob die Schutzverbindung zwischen Ihnen und dem Allrounder noch besteht. Jetzt aber sehe ich sie nicht mehr.“

Shimar fuhr zusammen! Ihr letzter Satz hatte ihm einen solchen Schrecken eingejagt, dass er sich reflexartig räusperte. „Du meinst …“, stammelte er. „Ja, ich meine.“, sagte das Schiff. „Eigentlich müssten Sie das doch viel eher wahrgenommen haben, als ich es je könnte. Aber Ihre Reaktion zeigt mir, dass sich Ihre Gefühle gegenüber ihr nicht geändert haben können. Sie zeugt viel eher von Überraschung. Offensichtlich wollen Sie nicht wahrhaben, was Ihnen Ihr Unterbewusstsein zu sagen versucht. Ich schließe auch aus, dass sich die Gefühle des Allrounders Ihnen gegenüber verändert haben, denn ich halte sie für zu ehrlich, als dass sie Ihnen so etwas verschweigen würde. Das wären allerdings noch die zwei harmloseren Gründe, aus denen die Schutzverbindung, die ja ein Nebenprodukt Ihrer Beziehung ist, enden könnte.“

Sie machte absichtlich eine lange Pause und Shimar gewann immer mehr den Eindruck, dass sie mit etwas hinter dem Berg hielt, das ihn unter Umständen sehr verunsichern könnte, wenn er es erführe. „Und was wäre deiner Meinung nach die nicht so harmlose Variante, IDUSA?“, fragte er schließlich. „Ich bin nicht sicher, ob ich es Ihnen einfach so sagen sollte.“, erwiderte das Schiff. „Meine Daten könnten Sie in ein emotionales Ungleichgewicht stürzen und das könnte Ihre Dienstfähigkeit bis zur kompletten temporären Unfähigkeit beeinträchtigen. Als Beschützerschiff bin ich programmiert, jeglichen Schaden von Ihnen abzuwenden und …“ „Du sagst mir sofort, was die andere Möglichkeit ist, IDUSA!“, sagte Shimar streng. „Das ist ein Befehl! Ich entlasse dich aus jeder Verantwortung!“ „Die sonst noch mögliche Variante wäre der Tod des Allrounders.“, sagte IDUSA sachlich.

Wieder zog sich in Shimar alles zusammen. „Du hast Recht.“, sagte er. „Das ist die einzige noch verbleibende Möglichkeit. Und du hast auch damit Recht, dass ich es wahrgenommen habe. Nur, wollte ich es mir selbst wohl nicht eingestehen.“ „Wie werden wir jetzt mit der Situation umgehen?“, fragte IDUSA. „Du bringst mich zurück zur Werft!“, sagte Shimar und versuchte dabei, sicherer zu klingen, als er sich im Moment fühlte. „Dort lässt du dich von den Technikern weiter warten. Scotty wird mich zu Ginallas Kneipe zurückbringen. Dort werde ich mich mal umhören.“ „Sollten Sie nicht lieber auf die Unterstützung von Agent Maron oder einem anderen Geheimdienstoffizier warten?“, fragte das Schiff. „Ich meine, so jemand ist ein Spezialist, wenn es um Ermittlungen geht.“ „Es ist ja noch gar nichts offiziell.“, stellte Shimar fest. „Ich will keine Gerüchte verbreiten, die nur aufgrund einer telepathischen Wahrnehmung entstanden sind. Bis das alles offiziell bestätigt ist, sollten wir lieber langsam machen und außerdem weißt du, wie allergisch Ginalla auf Polizisten und Agenten reagiert. Ich halte es für besser, wir reden erst mal unter Freunden.“ „Wie Sie wünschen.“, sagte das Schiff. „Aber wenn ich ehrlich sein darf, dann kommen mir Ihre Vorschläge doch eher wie Ausflüchte vor. Mir scheint, dass Sie die Fakten noch immer ignorieren wollen. Zumindest hoffen Sie, dass sich das Problem durch Verdrängung erledigt, ein Wesenszug, den ich von Ihnen eigentlich nicht gewohnt bin. Bei unseren sonstigen gemeinsamen Missionen waren Sie immer sehr hartnäckig und zielstrebig, wenn es darum ging, etwas herauszufinden, aber jetzt weicht Ihr Verhalten komplett davon ab. Kann es sein, dass dies der Fall ist, weil es Ihre persönliche private Situation betrifft und Sie vielleicht zu stark emotional involviert sind?“

Shimar musste schlucken. Ihm war gerade bewusst geworden, wie Recht sie doch hatte. „Es hilft ja nichts.“, stöhnte er. „Du hast Recht, IDUSA.“, sagte er. „Aber wenn du auch mit Betsys Tod Recht haben solltest, dann muss die Sternenflotte informiert werden.“ „Ich halte für möglich.“, setzte IDUSA an. „Dass Ishan Zirell bereits über die Daten, die auch er über Ihre Situation durch mich sammeln konnte, informiert hat. Sie ist Tindaranerin, wie auch Sie Tindaraner sind. Sie weiß genau so gut wie ich und wie Sie, was es für Gründe für eine so plötzliche Vernichtung der Schutzverbindung geben kann. Wenn sie die richtigen Schlüsse zieht, dann wird sie …“ „Du wirst mir doch hier nicht allen Ernstes erzählen, dass sie der Sternenflotte melden wird, dass eine ihrer Offizierinnen tot ist, nur aufgrund einer …“, unterbrach Shimar sie. „Nein.“, sagte IDUSA. „Aber ich denke, sie wird diese Möglichkeit durchaus in Betracht ziehen. Natürlich wird sie die Fakten abwarten, so, wie wir beide sie kennen. Aber sie wird sich dem gegenüber sicher nicht verschließen.“ Der Avatar hatte ihm einen ernsten Seitenblick zugeworfen. „Danke für den Hinweis.“, sagte Shimar leicht geplättet. „Ich habe schon verstanden. Aber jetzt lass uns erst mal zurückkehren.“ „Wie Sie wünschen.“, sagte IDUSA und setzte selbstständig Kurs in Richtung Werft zurück.

Wie angewurzelt stand Jasmin noch immer auf ihrem Posten in Korelems Zimmer und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Sie konnte ihre Augen einfach nicht von Korelem wenden, der immer noch versuchte, mich der Strömung zu entreißen. Sie wünschte sich so sehr, mehr tun zu können, oder zu dürfen, aber immer dann, wenn sie sich fortzudrehen versuchte, kamen ihr seine Worte in den Kopf, die sie wieder daran erinnerten, was ihre eigentliche Aufgabe war. Einiges an dieser Sache war ihr höchst merkwürdig vorgekommen. Warum hatte er ihr diese Anweisungen gegeben? Wusste er etwa schon, was auf ihn zukommen würde? Warum hatte er einen Kontaktkelch und warum war er mit Logar in Kontakt? Wer war dieser merkwürdige Fremde? Warum sollte sie bezeugen, was mit mir geschah?

Darüber konnte sie nicht mehr nachdenken, denn an der Peripherie ihres Gesichtsfeldes war jetzt ein Jeep mit hiesigem Kennzeichen aufgetaucht, wie er in den einschlägig bekannten Vermietungen verliehen wurde. Das dunkelgrüne Fahrzeug, das von seiner Größe in etwa an einen Kleinbus erinnerte, kam auf dem Parkplatz vor der Kneipe zum Stehen. Dann öffneten sich Fahrer- und Beifahrertür und ein älteres Ehepaar stieg aus. Es handelte sich um zwei ältere Lithianer, wie Jasmin sehen konnte. Da das Fenster offen war, konnte sie jetzt auch gut hören, was der groß gewachsene Mann und die ebenfalls für eine Frau mit ihren geschätzten 1,70 m große Frau miteinander besprachen. „Jetzt sind wir ja endlich da.“, sagte er und schaute sie dabei an. „Wenn dieses Shuttle nicht so viel Verspätung gehabt hätte, dann hätte unser Urlaub ja sicher schon längst beginnen können, N’Ciba. Wir sollten schauen, dass wir in unsere Zimmer kommen. Die Kinder müssen sich bestimmt von dem langen Flug ausruhen.“ „Das haben wir alle nötig, Tamin.“, sagte die Frau lächelnd und öffnete die Schiebetür zum hinteren Bereich des Jeeps. Hier fiel Jasmins Blick nun auf einen lithianischen Teenager, der laut ihrer Schätzung nicht älter als sie selbst sein konnte. Das Mädchen hatte lange dunkle Haare wie ihre Mutter. In ihrem Arm schlief ein etwa 7-jähriger Junge mit einem rötlichen Bubikopf. „Hey, aufwachen, kleiner Bruder.“, flüsterte sie ihm zu, als sie des Gesichtes ihrer Mutter im Türrahmen ansichtig wurde. Der Kleine gab einen Laut von sich und öffnete langsam die Augen. „Sind wir endlich da?“, fragte er, eine Frage, die von kleinen ungeduldigen Kindern auf Urlaubsfahrten auch Jasmins Wissen nach sehr oft gestellt wurde, wenn sie die Ankunft an ihrem Ziel kaum noch erwarten konnten. „Ja, du Schlafmütze.“, flüsterte das Mädchen und küsste seine Nase. „Vergiss nicht, N’Cara.“, mahnte der Vater, „dass dein Bruder sonst schon längst im Bett liegt!“ „Das war doch bloß ’n Witz, Dad.“, sagte das Mädchen und schaute etwas genervt. „Wir dürften alle etwas angespannt sein.“, sagte die Mutter, um die Wogen zwischen ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter wieder zu glätten. „Bitte hilf deinem Bruder jetzt beim Aussteigen, damit er sich nichts tut.“ „OK, Mum.“, sagte N’Cara, verließ selbst den Jeep und zog dann ihren kleinen Bruder mit einer Hand zur Kante des Sitzes, wo sie ihm beide Hände gab und dann bis drei zählte. Dann machte sie einen Schritt nach hinten und ließ ihn in ihre Arme fallen. Danach stellte sie ihn sanft auf den Boden. „Ich hätte ja gern ein für kleine Kinder besseres Fahrzeug gemietet.“, sagte Tamin Senior. „Aber sie hatten kein anderes. Aber jetzt sollten wir rein gehen. Hoffentlich kann uns zu dieser späten Stunde noch jemand wegen der Zimmer helfen.“ „Und was machen wir, wenn nich’?“, fragte der kleine Junge. „Dann übernachten wir im Jeep.“, sagte N’Cara. „Das will ich aber nich’.“, sagte der Kleine und klammerte sich ängstlich an seine Schwester. „Der Jeep is’ so groß und hoch. Er macht mir Angst! Außerdem kann ich nich’ allein ein- und aussteigen!“ „N’Cara wird doch hinten bei dir sein.“, tröstete Tamin. „Ne, Dad. Das kannst du voll knicken.“, sagte die Jugendliche etwas unwillig. „Heute Abend am Raumflughafen habe ich eine Leuchtreklame von einer Disco gesehen. Da veranstalten sie heute eine coole Party! Da wollte ich eigentlich hin. Statt dessen habe ich nur wegen der blöden Verspätung von diesem lahmen Schiff jetzt wohl diesen Quälgeist an der Backe.“ „Ich bin kein Quälgeist.“, weinte der kleine Junge. „Mummy, bitte sag N’Cara, dass ich kein Quälgeist bin.“ „Was du da gerade gesagt hast, finde ich nicht schön, N’Cara!“, sagte N’Ciba und schaute ihre Tochter dabei streng an. „Du bist alt genug, um in einer solchen Notsituation auch mal zurückzustecken und auf deinen kleinen Bruder Rücksicht zu nehmen! Mit siebzehn Jahren sollte das ja wohl drin sein! Wenn du heute auf Tamin aufpasst, wird Dad morgen versuchen, ein anderes Fahrzeug zu bekommen, vor dem er keine Angst hat. Dann hast du den Rest des Urlaubs für dich. Falls nicht, ist das leider gestrichen! Klar?! Ist das ein Deal?“ „OK.“, sagte N’Cara skeptisch. „Aber vielleicht kommt es ja gar nicht dazu.“, meinte Mr. Tamin. „Ich glaube nämlich, ich habe im Gastraum noch Licht gesehen. Kommt!“

Er drehte sich um und wollte gehen, aber N’Ciba, die sich in der Landschaft zwecks Fotos fürs Familienalbum umgesehen hatte, hielt ihn plötzlich zurück und deutete auf den See. „Schau mal.“, flüsterte sie ihrem Mann zu, der sofort in die gleiche Richtung wie sie blickte. „Es sieht aus, als versuche der Alaraner, diese Frau da vor dem Ertrinken zu retten.“, sagte er. „Das stimmt.“, sagte Mrs. Tamin. „Das sehe ich genau so. Aber der See scheint eine gefährliche Strömung zu haben. Ich weiß nicht, ob wir die Kinder hier baden lassen sollten.“ „Das sollten wir wirklich noch einmal überdenken.“, sagte Mr. Tamin. „Aber merkwürdig finde ich, dass Ginalla das in der Buchungsbestätigung und am SITCH nie erwähnt hat. Hoffentlich ist sie keine Halsabschneiderin.“ „Mir kam sie auch nie so vor, als ob sie ihre Kunden belügen würde.“, sagte N’Ciba. „Irgendwas stimmt hier nicht.“ „Die Rettung muss her!“, entschied Mr. Tamin und setzte sich wieder ans Steuer des Fahrzeugs. Dort aktivierte er das Sprechgerät. „Wow!“, rief N’Cara aus. „Ein Abenteuer! Ne ehrlich! da kommt keine Disco im ganzen All mit. Is’ ja giga! Vergiss die Party! Diese Nummer is’ ja wohl endgeil!“ „Davon wirst du nur sehr wenig sehen, junges Fräulein!“, sagte Mr. Tamin bestimmt, der wohl darauf Rücksicht nehmen wollte, dass ein Rettungseinsatz mit einer eventuellen Toten nichts für die Augen eines 7-jährigen Kindes war. „Weil du jetzt mit deiner Mutter und deinem Bruder ins Haus gehen wirst. N’Ciba, kümmere dich doch am besten gleich um die Zimmer und darum, dass die Kinder endlich ins Bett kommen.“ „Sicher.“, nickte die Mutter. „Kommt jetzt, ihr zwei.“ Unwillig nahm N’Cara ihren Bruder bei der Hand und schlappte hinter ihrer Mutter her.

Sie hatten die Kneipe betreten und tatsächlich hatte sich Tamin nicht geirrt, was das Licht im Gastraum anging. Der Gastraum war zwar leer, aber hinter dem Tresen wurden sie tatsächlich noch von einer freundlich lächelnden Ginalla erwartet. „Hi, Mrs. Tamin.“, begrüßte sie die Lithianerin, deren Bild ihr aus den Gesprächen am SITCH durchaus geläufig war. „Sind Sie und die Kinder etwa allein?“ „Nein, Miss Ginalla.“, sagte N’Ciba. „Mein Mann ist noch im Fahrzeug und holt die Rettung.“ „Was macht der?“, fragte die junge Celsianerin alarmiert. „Is was passiert?! Soll ich ’n Arzt holen? Is’ was mit den Kindern? Ich mein’, bei der Hitze kann ’ne Menge …“ „Nein, Miss Ginalla.“, tröstete N’Ciba. „Die Kinder sind in Ordnung, wie Sie hier sehen. Wir möchten jetzt nur gern auf unsere Zimmer. Der Kleine muss dringend schlafen und die Große hat das auch bitter nötig. Wir haben nur beobachtet, wie jemand jemanden anders aus dem See zu retten versucht. Vielleicht hat sich eine Nachtschwimmerin überschätzt. Mein Mann regelt das schon. Aber warum haben Sie uns nicht gesagt, dass Ihr See so eine starke Unterströmung hat?“ „Mein See und Unterströmung?!“, fragte Ginalla entrüstet. „Ne, ne! Mein See macht so was nich’!“ „Ich fürchte, da irren Sie.“, sagte N’Ciba und deutete in Richtung eines der großen Fenster.

In diesem Moment betrat Mr. Tamin das Gasthaus. „Die Rettung ist verständigt.“, sagte er. „Rescue One wird bald hier sein. Ich hole dann schon mal das Gepäck.“ „Und ich zeige Ihnen Ihre Zimmer.“, meinte Ginalla bedient, die jetzt auch gesehen hatte, was ihr N’Ciba zu erklären versucht hatte. Dann ging sie voran in Richtung der Zimmer und die Familie folgte ihr

Auf der Erde war Tchey damit beschäftigt, ihrem Mann Lasse die Sache mit Yara schmackhaft zu machen. Der Arme hatte nämlich noch gar nichts von den Plänen seiner Frau gewusst, das verwaiste Haustier zu adoptieren. „Wie hast du dir das denn vorgestellt?!“, rief der völlig überraschte Terraner aus. „Wer soll sich denn mit dem Tier beschäftigen, wenn wir beide arbeiten? Du kannst jeder Zeit einen Einsatz bekommen und …“ „Aber du bist doch da, mein lieber und geschätzter Ehemann.“, argumentierte Tchey. „Du gehörst zum Bodenpersonal von Rescue One und hast geregelte Arbeitszeiten. Ich weiß, dass Yara nach dem Verlust ihres Frauchens sicher eine verlässliche Routine braucht, die du ihr aber sicher geben könntest. Außerdem komme ich ja irgendwann auch nach Hause und dann können wir ja beide für sie sorgen.“ „Aber sie ist nun mal auf dich geprägt.“, sagte Lasse. „Was mache ich, wenn wir zwei nicht miteinander klarkommen?“ „Das wird schon.“, tröstete Tchey. „Und außerdem hat uns Mr. Tymoron angeboten, uns jederzeit mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Er weiß, als ausgebildeter Trainer genau, was eine demetanische Wollkatze braucht und du kannst ihn sicher jederzeit … Oh, nein!“

Ihre Ohren hatten das unverwechselbare Piepen ihres Pagers wahrgenommen, den sie zu jeder Tages- und Nachtzeit zu tragen verpflichtet war. Nur bei der Körperpflege durfte sie ihn kurz ablegen, er musste aber immer in Sicht- und Hörweite der reptiloiden Pilotin bleiben.

Sie sah kurz auf das Display, wo Kelly per Rechner die Bedingungen des Einsatzes für sie gut lesbar übermittelt hatte. „Celsius.“, flüsterte Tchey. Dann wandte sie sich an ihren Mann: „Ich fürchte, wir müssen die Diskussion über Yara ein anderes Mal fortsetzen.“ „Gerettet vom Gong.“, meinte Lasse mit leicht zynischem Unterton. Es war ihm aufgefallen, dass der Pager Tchey in letzter Zeit des Öfteren gerade dann zu einem Einsatz gerufen hatte, wenn sie gerade in der schönsten verbalen Schlammschlacht waren.

Sie hatte sich ihre Ausrüstung geschnappt und war vor das Haus getreten. Hier erwartete sie D/4 bereits in ihrem Jeep, die sie sofort auf den Beifahrersitz zerrte und das Fahrzeug, kaum dass Tchey sich gesichert hatte, sofort in Bewegung setzte. Solche fliegenden Starts war Tchey mittlerweile von ihrer Vorgesetzten gewohnt, wenn sie von ihr abgeholt wurde. „Ich nehme an, unser Einsatzort ist Ihnen bekannt.“, sagte die Sonde. „Hm.“, machte Tchey und zeigte auf das Display ihres Pagers, wo sie in knappen Worten die Einsatzbedingungen lesen konnte. „Ich würde sagen, Sie lassen mich ans Sprechgerät und ich informiere die Raumkontrolle schon mal von hier aus darüber, dass wir einen Warpkorridor nach Celsius brauchen. Dann können wir gleich los und haben vielleicht wertvolle Zeit gespart.“ „Ihr Vorschlag ist sehr effizient.“, lobte die Sonde und zeigte mit einer einladenden Geste auf das Gerät.

Die lithianische Familie und Ginalla waren vor den Zimmern angekommen, die sie ihnen ausgesucht hatte. Erst jetzt schien der celsianischen Junggastronomin klar zu werden, mit wem sie es zu tun hatte, denn zumindest das Mädchen war ihr bekannt. „Mensch, Cary-Maus!“, sagte sie. „Ich Schlafmütze muss mal ganz dringend meine Augen schärfen. Ich hätte dich doch jetzt glatt nich’ erkannt! Mann, bist du groß geworden!“ „Nun übertreib mal nicht gleich, Giny.“, sagte N’Cara. „Das kann doch mal passieren. Sicher musst du in deinem Beruf mit tausenden von Gesichtern klarkommen. Da kann man schon mal das eine oder das andere vergessen.“ „Vergessen habe ich dich bestimmt nich’, Cary-Maus.“, sagte Ginalla. „Darauf kannst du Gift nehmen. Ich vergess’ doch die nich’, die mir geholfen hat, aus Sytanias Felsenkerker zu entkommen. Ach übrigens, Shimar, Scotty und Betsy sind auch hier. Sie haben ihr Zimmer gleich gegenüber von euren. Kommt mit, ich zeig’ euch …“

Ihr war etwas aufgefallen. Schon seit geraumer Zeit hatte sie sich gewundert, wo Jasmin blieb. Ihres Wissens nach hatte ihre Angestellte ja nur ein Tablett auf das Zimmer eines Gastes bringen wollen. Aber jetzt war sie schon mehrere Stunden fort. Einen Hinweis hatte sie aber dadurch bekommen, dass die Tür von Korelems Zimmer sich bewegt hatte. Daraus witschte eine völlig aufgelöste Jasmin ihr entgegen, die von Ginalla gleich einen vorwurfsvollen Blick erntete. Tamin gab seiner Frau und seinen Kindern einen Wink, ihm zu folgen, denn er konnte sich denken, dass Ginalla ihrer Angestellten jetzt wohl die Leviten lesen würde, etwas, das sie aus Höflichkeit ja nicht unbedingt mitbekommen mussten. Außerdem hatte der Telepath sehr wohl wahrgenommen, welche düsteren Wolken sich über Ginallas Seele zusammengebraut hatten.

Ginalla stellte sich Jasmin in den Weg und sah sie ernst an. „Was in aller Welt tust du allein im Zimmer eines Gastes?!“, fragte sie. „Das wirst du mir jetzt nicht glauben, Ginalla.“, sagte Jasmin mit verschämtem Unterton. „Aber es ist die Wahrheit! Das schon mal vorab.“ „So, so.“, sagte Ginalla. „Und was ist die Wahrheit?“ „Korelem wollte das.“, sagte Jasmin. „Du sagst doch auch immer: Der Kunde ist König.“ „Stimmt schon.“, meinte Ginalla. „Aber wieso sollte Korelem das gewollt haben?“ „Das weiß ich nicht.“, sagte Jasmin. „Ich sollte nur alles beobachten und mir alles merken, was da draußen geschieht. Dann sollte ich mit dir darüber reden.“ „Merkwürdig.“, sagte Ginalla. „Und wenn ich dich nich’ schon so gut kennen würde, dann hätte ich dir jetzt mit Sicherheit kein Wort geglaubt. Aber bei Korelem kann ich mir so einiges vorstellen, obwohl ich ihn nich’ wirklich lange kenne. Er hat irgendeine geheimnisvolle Aura, wenn du mich fragst.“ „Nicht nur das.“, sagte Jasmin. „Er hat auch einen imperianischen Kontaktkelch, der Logar geweiht ist.“ „Was?!“, sagte Ginalla. „Wo is’ der?!“

Jasmin deutete auf die Tür und sie und ihre Chefin gingen in Korelems Zimmer zurück. Hier stellte sich das Mädchen sofort wieder ans Fenster. „Kannst du mir mal sagen, was du da machst?!“, fragte Ginalla hektisch, während ihr Blick alle Möbel absuchte. „Korelem will, dass ich ihn beobachte.“, sagte Jasmin. „Das wird ja immer schöner.“, meinte Ginalla. „Bei was denn? Lass mich mal sehen!“

Sie drängte Jasmin zur Seite und stellte sich selbst vor das offene Fenster. Jetzt sah auch Ginalla, in was für einer Situation sich Korelem befand. Sie wusste jetzt aber auch, dass N’Ciba nicht gelogen hatte, als sie ihr die Sache mit der Unterströmung berichtet hatte. „Ach du Scheiße!“, rief sie aus. „Wie lange läuft das schon?!“ „Seit ungefähr vier Stunden.“, sagte Jasmin verschämt. „Und das lässt du einfach zu?!“, empörte sich Ginalla. „Wieso um Himmels Willen hast du die Rettung nich’ …“ „Das konnte ich nicht.“, sagte Jasmin. „Ich war wie gebannt. Ich musste hier bleiben, ob ich wollte, oder nicht.“ „Erzähl keinen Blödsinn!“, tadelte Ginalla Jasmin. „Du wirst doch wohl noch in der Lage sein …“

Aus Unachtsamkeit war sie über eine unter dem Bett hervorstehende Kante von Korelems Koffer gestolpert. Das hatte nicht nur dafür gesorgt, dass sie der Länge nach hingefallen war, es hatte den Koffer durch die Erschütterung auch umfallen und sich öffnen lassen. Als Erstes rollte ihr der Kontaktkelch genau vor die Füße. Fassungslos sah ihn sich Ginalla an. „Das kann doch wohl nich’ wahr sein!“, sagte sie. „Der is’ ja tatsächlich so was wie ’n Agent im Auftrag seiner Majestät. Ich denke, ich muss mich bei dir entschuldigen, Jasmin. Aber wenn der Kelch hier is’, dann erklärt dass auch deinen Bann und sicher auch meinen kleinen Unfall von gerade. Ich bin sicher, Logar wollte, dass ich den Kelch finde. Aber wieso das Ganze?“ „Das kann uns sicher nur Korelem beantworten.“, sagte Jasmin. „Das glaub’ ich auch.“, meinte die kesse Celsianerin. „Nur leider is’ er im Moment wohl kaum in der Lage dazu.“

Immer noch hielt Korelem verbissen an dem Versuch fest, mich doch noch aus den Fluten zu retten. Inzwischen schmerzten ihn aber seine Füße, mit denen er mich festhielt, ziemlich stark. Wer schon einmal versucht hat, einen schweren Koffer mehrere Stunden lang hoch zu halten, dürfte dies in etwa nachvollziehen können. Aber auch seine Brustmuskulatur, die er zum Bewegen seiner Flügel gebrauchte, bereitete ihm nicht weniger starke Schmerzen, aber er war nicht gewillt, auch nur einen Moment lang ans Aufgeben zu denken.

Dies hatten Sytania und Dirshan durchaus mitbekommen. Die Prinzessin war sogar dazu übergegangen, die Strömung von Zeit zu Zeit nur so weit zu schwächen, dass Korelem mich ein Stückchen weit aus dem Wasser ziehen konnte. Sobald meine Schultern aber die Oberfläche erreicht hatten, verstärkte sie die Strömung wieder, so dass ich erneut unter Wasser gezogen wurde. „Warum tut Ihr das?“, erkundigte sich Dirshan. „Weil es mir Spaß bereitet!“, erwiderte Sytania und grinste ihn dreckig an. „Er bildet sich ein, dass meine Konzentration irgendwann leiden wird und ich gezwungen sein werde, mein Vorhaben aufzugeben, aber da irrt er! Das hier ist nicht mehr, als eine telepathische Fingerübung für mich. Solche Sachen habe ich schon als 4-Jährige gemacht!“ „Und ich hatte mir schon Sorgen gemacht!“, atmete Dirshan auf. „Es ist alles pure Berechnung.“, erklärte die Imperianerin. „Hast du schon einmal gefischt?“ „Nein, Herrin.“, sagte der Novize. „Zu meinem großen Bedauern habe ich das nicht. Aber würdet Ihr mir die Gnade einer Erklärung erweisen?“ „Oh, sicher werde ich das.“, sagte Sytania und lehnte sich auf ihrem Thronsitz zurück. „Hör zu! Was geschieht wohl mit einer Angelschnur, wenn sie über Gebühr beansprucht wird, he?“ „Sie wird reißen, Milady.“, sagte Dirshan, der, obwohl er noch nie gefischt hatte, doch des Wissens über die physikalischen Folgen dessen mächtig war, was passierte, wenn zwei unerbittliche Kräfte in zwei verschiedene Richtungen an einem Gegenstand zogen. „Genau.“, sagte die imperianische Prinzessin. „Deshalb werden gute Angler nie versuchen, einen sich stark wehrenden Fisch mit einem Mal aus dem Wasser zu zerren. Nein, sie werden ihn erst müde machen, bevor sie das versuchen. Sonst laufen sie Gefahr, Fang, Schnur und Haken gleichermaßen zu verlieren.“ „Ihr wollt Korelem also ermüden.“, vermutete Dirshan. „Genau das, mein Junge.“, sagte Sytania. „Genau das! Ich will, dass er sich so verausgabt, dass er an der Erschöpfung stirbt. Zumindest wird er irgendwann aufgeben müssen und dann wird er ohnmächtig in die Fluten stürzen. Dann gibt es einen Mitwisser weniger. Mein Vater mag sich einbilden, damit, ihn zu seinem Auserwählten gemacht zu haben, Sorge dafür getragen zu haben, dass ich mit meinen Plänen keinen Erfolg haben werde. Er bildet sich ein, mir durch einen Sterblichen eine Lektion erteilen lassen zu müssen, aber da irrt er sich gewaltig! Die Einzige, die hier jemandem eine erteilt, bin ich! Ich werde seinen kostbaren Auserwählten nämlich umbringen und das ist etwas, mit dem er gar nicht zurechtkommen wird!“ Sie lachte hexenartig auf. „Was sagt Euch eigentlich, dass Korelem bis zu seinem Ende kämpfen wird, Hoheit?“, fragte Dirshan, der doch noch einige nicht berücksichtigte Varianten in ihrem Plan sah. „Die Tatsache, dass er sie kennt und mag, diese widerliche kleine terranische Kröte.“, meinte die Königstochter. „Das reicht. Außerdem wird er aus Treue zu dem albernen Eid, den er meinem Vater gegenüber geschworen hat, schon nicht aufgeben wollen. Du siehst also, es entwickelt sich alles zu unseren Gunsten.“ Wieder kicherte sie und rieb sich die Hände. „Bitte vergebt einem dummen Jungen.“, bat Dirshan. „Ich hatte ja nicht mit Eurer Weisheit und Weitsicht gerechnet.“ „Es sei dir vergeben.“, sagte Sytania und machte eine große Geste mit der rechten Hand, als wollte sie noch einmal ihre Macht unterstreichen.

Kapitel 31: Rettungsmanöver

von Visitor

 

Mit Warp 9,99, also nah am Bereich, Warp 10 und damit den Schwebezustand zum Interdimensionsflug zu erreichen, raste Rescue One in Richtung Celsius. Nachdem sich D/4 genauer bei Kelly über die Situation am Unfallort erkundigt hatte, hatte die Sonde genau diese Geschwindigkeit angeordnet. Wäre es ein anderer Pilot gewesen, der Rescue One geflogen hätte, wäre ihr das sicher nie über die Lippen gekommen. Aber da Tchey eben Tchey war, konnte sie das durchaus verlangen. Aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit auf der Scientiffica wusste sie, dass Tchey nicht nur sehr abenteuerfreudig, sondern auch eine sehr versierte Fliegerin war, die ihr Fluggerät jederzeit unter Kontrolle hatte, auch wenn andere schon längst aufgegeben hätten. Die anderen ehemaligen Mitglieder der Besatzung des genannten Schiffes und sie hatten des Öfteren gemeinsam gewitzelt: „Es gibt beim Fliegen keine drei, sondern vier Schwierigkeitsgrade. Grad eins, Grad zwei, Grad drei und Grad Tchey.“

Jetzt hatte D/4 das Mikrofon in der Hand und ließ sich noch einmal von Kelly den genauen Hergang schildern. „Der Melder sagt.“, sagte die Vermittlerin. „Dass er selbst erst dazugekommen ist. Er hat leider keine genauen Informationen, wie lange die Situation schon andauert. Er sagt, er sei ein Tourist, der alles auch erst gerade gesehen hat.“ „Verstanden, Kelly.“, sagte D/4. „Wir werden uns selbst ein Bild machen müssen.“ „Das schätze ich auch.“, meinte die SITCHerin und beendete fürs Erste die Verbindung.

Sekunden später leitete Tchey plötzlich die Schubumkehr ein und das Shuttle verlangsamte auf Impuls. Die plötzliche Vollbremsung hatte allerdings dafür gesorgt, dass D/4 mit dem Kopf auf die Konsole vor ihr getroffen war und Mühe hatte, sich aufrecht im Sitz zu halten. „Nennen Sie den Grund für dieses Manöver!“, sagte sie und sah Tchey mit einem fast bohrenden Blick an. „Ich musste uns stoppen.“, sagte die versierte Pilotin. „Sonst wären wir mit fast Warp 10 ins celsianische Sonnensystem eingeflogen. Das hätte unter Umständen dazu geführt, dass wir mit einigen Planeten zusammengestoßen wären und das hätten wir sicher nicht überlebt. Dann hätten wir unseren Patienten wohl kaum noch retten können! Sagen Sie selbst, wäre das etwa effizient gewesen, he?! Außerdem kann ich nichts dafür, wenn Sie trotz meiner Empfehlung Ihr Sicherheitskraftfeld nicht aktivieren. Also, wessen Fehler war das jetzt wohl?!“

Die Gesichtszüge der Sonde wurden schlagartig weicher. „Es tut mir leid.“, sagte sie und reaktivierte ihr Sicherheitskraftfeld, das in Shuttles des 30. Jahrhunderts den uns wohl eher bekannten Sicherheitsgurt ersetzte. Entgegen Tcheys ausdrücklicher Empfehlung vor dem Start hatte sie es nämlich tatsächlich während des Fluges nicht für nötig erachtet, es aktiv zu lassen. „Sind Sie beschädigt?“, fragte Tchey mitfühlend. „Negativ.“, tröstete die Sonde.

Sie hatten die Umlaufbahn von Celsius erreicht. Tchey begann damit, die Sensoren nach dem ihr von Kelly und D/4 geschilderten Unfallgeschehen suchen zu lassen. Tatsächlich wurde sie bald fündig. „Da ist es ja.“, sagte sie. Im gleichen Moment hörte sie aber einen schrillen Systemalarm vom Schiff, der sie zwang, es steil nach oben zu ziehen. „Bevor Sie mich wieder anpflaumen.“, sagte sie zu D/4. „Werde ich Ihnen lieber gleich sagen, warum ich das gemacht habe. In dem See, in dem sich unsere Patienten befinden, gibt es starke Ablagerungen von Mineralien, die von den Sensoren nicht gerade gemocht werden. Wenn ich da unten nach Sensoren fliegen würde, wäre ich quasi blind. Wir müssen das anders machen.“ Damit ging sie ins Menü des Steuerpultes und fuhr den Rechner für die Sensoren einfach herunter. „Tut mir leid, Rescue One.“, entschuldigte sich Tchey. „Aber damit ich ungestört und gut sehen kann, muss ich dir leider das Augenlicht nehmen. Dann machen wir’s auf die Altmodische! Auf geht’s!“

Sie stieß das Shuttle genau so steil wieder herunter, wie sie es vorher hochgezogen hatte. Auf Sicht zu fliegen war im Zeitalter von Sensoren- und Computernavigation etwas, das sich nur noch wenige Piloten im 30. Jahrhundert zutrauten. Das war auch mir aufgefallen, die ich ja aus einer Zeit kam, in der das, wenn man die Entwicklungsstufen verglich, sicherlich noch in den Kinderschuhen steckte. Insgeheim hatte ich nur Tchey und Thomas Eugene Paris in der Lage gesehen, das durchzuführen. Um so spektakulärer musste es auf andere wirken, wenn jemand das tat.

Sie waren ganze drei Meter über dem See. „D/4, sagen Sie mir bitte, wenn Sie die Beiden beamen können.“, sagte Tchey, deren Blick starr auf das sich vor ihr befindende Fenster gerichtet war. „Ich bezweifle, dass dies überhaupt so möglich sein wird.“, sagte die Sonde. „Der Radius des Eindämmungsstrahls des Transporters ist so eingeschränkt, dass ich nur einen zur gleichen Zeit beamen könnte. Er muss die Leiche loslassen.“ „Leiche?“, erkundigte sich Tchey. „Im Gehirn des weiblichen terranischen Individuums befindet sich keine neurale Energie mehr.“, sagte die Sonde. „Ein Versuch der Wiederbelebung wäre ineffizient.“ „Woher wissen Sie das?“, fragte Tchey. „Ich dachte, Sensoren, also auch die Ihren, könnten hier nicht …“ „Ihre Interpretation ist fehlerhaft.“, sagte die Sonde. „Die Sensoren dieses Schiffes mögen hier nicht arbeiten, aber die Meinen operieren auf Frequenzen, die offensichtlich durch die mineralischen Ablagerungen und ihre Strahlung nicht tangiert werden. Trotzdem werden wir dem Alaraner verdeutlichen müssen, dass er sie loslassen muss. Legen Sie mich auf den Außenlautsprecher!“ Tchey nickte und führte aus, was die Sonde angeordnet hatte: „Sie können sprechen.“

Noch immer versuchte Korelem, mich über Wasser zu halten. Die Aussicht, mich ganz aus dem See zu holen, hatte er längst begraben, denn langsam schwanden ihm so sehr die Kräfte, dass er glaubte, mit mir abzustürzen, wenn er es versuchen würde. Der Anblick von Rescue One musste für ihn wie eine Erlösung sein. Aber das, was er bald darauf zu hören bekam, passte nun so gar nicht in seine Pläne. Der Außenlautsprecher des Shuttles gab nämlich ein Signal von sich und dann hörte er D/4’s Stimme: „Alaranischer Staatsbürger, hier spricht Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe, Bereitschaftsärztin an Bord von Rescue One. Bitte lassen Sie von Ihrem Vorhaben ab. Wenn Sie das nicht tun, werden Sie auch sich gefährden. Ich wiederhole: Lassen Sie ab! Wir übernehmen ab hier!“ Die Ansage wurde noch einmal im Ganzen wiederholt.

Korelem hatte zwar sehr wohl gehört, was sie gesagt hatte, aber mich jetzt loszulassen, das kam für ihn einem Aufgeben und somit einem Zeugnis der Schwäche gleich, eine Tatsache, die Tchey, die auf eine Reaktion wartete, nicht entgangen war . „Es sieht aus, als würde er sich nicht sonderlich um Ihre Anweisungen scheren, D/4.“, sagte sie. „Ihre Beobachtung ist korrekt.“, meinte die Sonde und machte ein nachdenkliches Gesicht. „Aber was sollen wir Ihrer Meinung nach tun? Beamen können wir nach wie vor nicht. Ich könnte sie zwar gemeinsam mit dem Transporter erfassen, aber dann würden sie auch als ein Ganzes materialisiert.“ „Nur, damit ich das kapiere.“, meinte Tchey. „Die Beiden wären dann auf ewig miteinander verschmolzen?“ „Das ist korrekt.“, sagte D/4. „Solange er sie nicht loslässt, haben wir in dieser Umgebung keine Chance.“ „Das bezweifle ich.“, sagte Tchey und brachte das Schiff noch näher an die Oberfläche heran. „Bitte erläutern Sie Ihre Absichten.“, bat D/4, die sich auf das Verhalten ihrer Untergebenen keinen Reim machen konnte. „Sicher.“, sagte Tchey. „Wir werden sie mit Hilfe der Schilde des Shuttles bergen. D/4, ich werde aber ein zweites Paar Augen benötigen. Außerdem muss jemand die Konfiguration der Schilde entsprechend ändern. Haben Sie Ihr Antennenset dabei?“ „Das habe ich immer dabei.“, sagte die Sonde und legte es demonstrativ auf die Konsole vor Tchey. „Na, um so besser.“, sagte die Reptiloide ruhig. „Dann steht ja unserem Vorhaben nichts mehr im Wege.“ „Trotzdem vermag ich nicht ganz, Ihnen zu folgen.“ „Können Sie die Schilde so konfigurieren, dass sie Korelem nicht verletzen, wenn er auf sie trifft?“, fragte Tchey. „Das kann ich.“, sagte die Sonde. „Ich werde die Daten für die Sicherheitskraftfelder einfach in die Schildmatrix kopieren.“ Damit schloss sie das Set an und nahm direkte Verbindung mit den Systemen des Shuttles auf. „Sagen Sie dem Schildgitter, es soll nur die Generatoren auf dem Dach in Betrieb nehmen.“, sagte Tchey. „Aber dafür mit voller Energie.“ „Ihre Vorgehensweise ist ungewöhnlich.“, stellte die Sonde fest. „Aber ich werde Ihnen vertrauen.“ Damit führte sie demonstrativ Tcheys Anweisungen aus.

„Die Schilde sind konfiguriert.“, sagte die Sonde einige Sekunden später. „In Ordnung.“, sagte Tchey. „Auf mein Zeichen aktivieren Sie bitte das Programm.“ „Was meinten Sie, als Sie sagten, Sie würden ein zweites Paar Augen benötigen?“, fragte D/4. „Ich muss wissen, was hinten passiert.“, sagte Tchey. „Wenn ich auf Sicht fliege, dann kann ich ja nur meine Vorderseite abdecken. Aber bei diesem Manöver muss ich auch wissen, was hinter und vor allem über uns passiert. Deshalb benötige ich die Hilfe Ihrer nicht beeinträchtigten optischen Sensoren.“ „Sie werden mehr bekommen, als nur das.“, sagte D/4 und nahm Zugriff auf die Programme, die Tchey sonst die entsprechenden Bilder auf den Flugschirm zauberten. Zwar war der Hauptrechner für die Sensoren nach wie vor heruntergefahren, aber die Sonde hatte dem System deutlich gemacht, ihre optische Einheit temporär als Rechner zu akzeptieren. „Wow!“, machte Tchey. „Was hätten Paris und Seven für ein Team bilden können, wenn …“ „Ihre Vorfreude ist verfrüht.“, sagte die Sonde sachlich. „Sie können nicht wissen, ob Ihr Versuch positiv endet.“ „Natürlich nicht.“, sagte Tchey, die sich jetzt doch sehr auf das Fliegen konzentrierte. „In die Zukunft sehen kann ich nicht. Aber etwas Optimismus hat noch nie geschadet.“ „Ihre Intensionen sind für mich immer noch nicht vollständig transparent.“, sagte D/4. „Das werden sie schon noch werden.“, tröstete Tchey.

Sie senkte das Schiff langsam noch weiter ab. Dabei kamen sie der Oberfläche des Wassers schon extrem nahe. „Sie müssen die Impulstriebwerke ausschalten.“, sagte D/4. „Die Felder werden das Wasser zum Kochen bringen und der aufsteigende Dampf wird …“ „Nur die Ruhe.“, sagte Tchey und tat in aller Seelenruhe, was die Sonde verlangt hatte. „So weit war ich nämlich auch schon. Ab jetzt nur noch mit Manövrierdüsen.“

Die Manöver von Rescue One waren einigen Touristen nicht verborgen geblieben, die sich jetzt in einer großen Gruppe dem Strand näherten. Einige von ihnen zückten sogar Simu-Cams, um ihren Lieben einige Bilder für die Nachwelt zu hinterlassen. Man drängelte sogar um die besten Plätze, denn ein solches Unterfangen hatte man noch nie gesehen. Ein Raunen und Flüstern ging durch die Reihen. „Was haben sie wohl vor?“, fragte eine weißhaarige ältere Terranerin. „Haben Sie so was schon mal gesehen?“, wollte ein jüngerer schwarzhaariger Celsianer wissen. „Das kann doch nicht gut gehen.“, meinte ein etwas untersetzter rothaariger Platonier mit Schnauzbart. „Vielleicht doch. Diese Tchey Neran-Jelquist soll ja ’n echtes Ass am Steuerpult von Raumschiffen sein.“, meinte eine jüngere brünette kleinere Demetanerin mit Fernglas. „Ja, gibt es denn da keine andere Lösung!“, regte sich der Platonier vom Anfang auf. „Ach, sie macht das schon.“, versuchte ein hinzugekommener Vulkanier mit schlanker Figur und schwarzen Haaren, die Situation zu beruhigen. „Was wissen Sie denn?!“, fragte der Platonier empört in seine Richtung, wurde aber gleich wieder durch einen Fingerzeig der Demetanerin mit Fernglas auf das Geschehen zurückgelenkt. „Schauen Sie mal, was die jetzt machen.“, sagte sie.

Tchey hatte Rescue One schräg gestellt. „Passen Sie auf, D/4.“, sagte sie. „Wenn er das nächste Mal ihre Schultern aus dem Wasser hat, dann schiebe ich die Nase von Rescue One unter die Beiden. Dann aktivieren Sie sofort die Schilde!“ „In Ordnung.“, sagte die Sonde. Dann sah sie zu, wie Tchey sich Korelem und mir langsam mit dem Schiff näherte. Dabei musste sie aufpassen, dass sie Atmosphäre und Wasser nicht zu sehr aufwirbelte, um nicht durch eine selbst verschuldete Instabilität das ganze Manöver doch noch zum Scheitern zu verurteilen. Da sie sich uns von Vorn näherte, konnte sie bald selbst den richtigen Moment abpassen. „OK, D/4!“, sagte Tchey. „Schilde hoch!“ Die Sonde nickte und folgte ihrer Anweisung. Dann schob Tchey den schräg gestellten Bug des Shuttles unter Korelem und mich, was dazu führte, dass wir gekonnt auf das Schildkissen auf dem Dach des Schiffes gelöffelt wurden. Dann stellte sie sofort das Schiff gerade. Erleichtert ließ Korelem mich los und rollte sich zur Seite. „Wir haben sie, D/4.“, sagte Tchey erleichtert, die wohl selbst nicht ganz sicher war, ob dieses waghalsige Manöver tatsächlich klappen würde. Allerdings hatte sie D/4 dies nicht wissen lassen wollen. „Ich muss uns jetzt zu einer Stelle bringen, an der wir landen können. Der Rechner für die Sensoren muss wieder hochgefahren werden, wenn wir nach Hause kommen wollen. Im offenen Weltraum auf Sicht zu fliegen und das auch noch bei Warp ist nicht möglich, weil es keine Bezugspunkte gibt. Ich kann das nicht während des Fliegens tun, weil die Sensoren einen festen Punkt brauchen, an dem sie sich orientieren, wenn ihr System sich neu einstellt.“, erklärte Tchey. „Sie wollen mit unseren Passagieren auf dem Dach landen?!“, fragte D/4. „Mir bleibt keine Wahl.“, sagte Tchey. „Oder können Sie jetzt etwa beamen?“ „Nicht unter diesen Umständen.“, sagte D/4. „Wir müssen weiter weg vom See.“ „Na sehen Sie.“, sagte Tchey. „Halten Sie die Beiden im Auge. Ich will sofort wissen, wenn sie ins Rutschen kommen.“

Tchey flog eine weite Kurve, bei der sie zur Wende fast einmal den ganzen See überflog, aber jede kleinere Wende hätte uns unter Umständen vom Dach fegen können. Das wusste die versierte Pilotin. Dann brachte sie das Schiff auf einer ebenen Fläche am Strand herunter. Aber auch die Touristen, die sich das natürlich nicht entgehen lassen wollten, waren ihnen gefolgt. „Oh, Gott.“, sagte Tchey. „Ich hasse Gaffer! Die haben bei mir etwa die Effiziensklasse eines Lochs im Kopf und die Sympathie eines Geschwürs am Hinterteil!“ „Ich werde das Problem in die Hand nehmen.“, sagte die Sonde und öffnete die Luke, um dem Shuttle zu entsteigen. Die Touristen begannen sofort zu klatschen und Dinge zu rufen wie: „Klasse gemacht! Was für ein Manöver!“ Völlig unbeeindruckt von diesen Sätzen stellte sich D/4 direkt vor sie hin und sagte: „Ich nehme an, dass niemand von Ihnen über ausreichende Kenntnisse der Medizin verfügt, um uns effizient assistieren zu können.“ Alle nickten verschämt. „Dann sollten Sie gehen, damit wir unsere Arbeit tun können. Ihr Verhalten ist ineffizient. Ihre Anwesenheit ist hinderlich!“ Beleidigt schlappte das Grüppchen von dannen. „Das war aber ganz schön beleidigend, D/4.“, sagte Tchey. „Genau das war mein Operationsziel.“, meinte die Sonde. „Jetzt werden sie sich ein solches Verhalten hoffentlich noch einmal überlegen.“ „Uff.“, machte Tchey geplättet. „Nicht gerade die feine englische Art, aber wirkungsvoll.“ „Kümmern Sie sich jetzt bitte um die Schiffssensoren.“, sagte die Sonde. „Ich habe unsere Patienten bereits in den Stasecontainer und in die Achterkabine gebeamt. Für ihn kann ich noch etwas tun, aber für sie kommt jede Hilfe zu spät, wie ich bereits sagte. Wenn wir wieder starten können, steuern Sie bitte zunächst die Exo-Klinik auf Demeta an!“ „Wie Sie wollen.“, sagte Tchey und machte sich daran, den Rechner für die Sensoren erneut in Betrieb zu nehmen, während die Sonde in Richtung Achterkabine verschwand.

Korelem hatte sich auf einer Trage im Inneren von Rescue One wieder gefunden. Er war sehr erschöpft und extrem außer Atem. Da der Transporter ihn bäuchlings abgeladen hatte, musste er sich zunächst drehen, um seine genaue Position abzuschätzen. Jetzt sah er auch im schwachen Licht der Kabine diejenige, die auf ihn durch die Luke zuging. Da er, wie viele andere auch, bei ihrem Anblick eine merkwürdige Art von Schauer verspürte, was gut sichtbar für sie war, sagte die Sonde vorsorglich: „Ich bin Xylianerin!“ „Ist schon gut.“, sagte der Insektoide. Ihm war klar, dass sie wohl auf den Umstand angespielt haben musste, dass viele sie für eine Borg hielten, wenn sie ihrer zum ersten Mal ansichtig wurden, obwohl das ja eigentlich nicht möglich war, denn die waren bereits vor mehr als 800 Jahren durch Janeway vernichtet worden. Das Trauma, das sie damals aber gesetzt hatten, dauerte aber offensichtlich immer noch an, obwohl die Sache schon mehrere Generationen her war. D/4’s Meinung nach hatte die gesamte Föderation längst in Therapie gehört. Deshalb hatte sie sich angewöhnt, jedem neuen Patienten auch die Zugehörigkeit ihrer Spezies zu verraten, sozusagen als vertrauensbildende Maßnahme. „Schon gut, meine tapfere und hübsche Sonde.“, lächelte Korelem. „Ich bin wohl einer der wenigen, die Bescheid wissen und Sie nicht für eine Borg halten.“ „Dann frage ich mich, was Ihre ängstliche Reaktion ausgelöst hat.“, meinte D/4. „Das waren die Gesamtumstände.“, sagte Korelem. „Ich meine, was ist mit Allrounder Betsy? Bitte helfen Sie zuerst ihr! Ich kann warten! Wenn sie nicht wieder belebt wird, dann …“ „In ihrem Gehirn ist keine neurale Energie mehr vorhanden.“, unterbrach ihn die Sonde. „Eine Wiederbelebung ist unmöglich und der Versuch wäre ineffizient. Sie kann warten. Ihre Leiche befindet sich im Stasecontainer. Dadurch hoffe ich, die Beweise für den eventuellen Mord an ihr zu konservieren.“ „Mord, oh, ja.“, sagte Korelem und versuchte sich aufzusetzen. Da seine Beine aber sehr kraftlos waren, gelang ihm das nicht. „Verbleiben Sie bitte in dieser Position.“, beruhigte ihn D/4. „Ihre gesundheitliche Situation ist nicht sehr rosig. Sie sind stark beschädigt. Ich registriere einige Risse in den für Ihr Fortkommen wichtigen Partien Ihrer Muskulatur. Auch Ihr Kreislaufsystem ist angegriffen. Wir werden Sie nach Demeta in die Exo-Klinik verbringen. Dort wird man Sie behandeln. Es könnte sogar notwendig werden, Sie zu operieren.“ „Da habe ich mich wohl wirklich verausgabt.“, sagte Korelem. „Ihre Einschätzung ist korrekt.“, meinte die Sonde. „Warum haben Sie nicht abgelassen, als ich Ihnen die Instruktion gab?“ „Weil ich sie um jeden Preis retten wollte.“, erwiderte Korelem. „Sie hätten sehen müssen, dass dies Ihnen aufgrund der Konzeptionisierung ihrer Biosysteme nicht möglich war.“, sagte D/4. „Das stimmt.“, sah Korelem ein. „Aber da gibt es vielleicht etwas, das Sie nicht kennen und vielleicht auch nicht kennen können. Ich schätze, mein verdammter Stolz war mir im Weg! So was kennen Sie sicher nicht, die Sie allein aus Sachzwängen heraus entscheiden.“ „In der Theorie ist Stolz uns nicht unbekannt.“, sagte die Sonde. „Aber Sie haben Recht. Empfinden können wir ihn nicht. Aber wir kennen seine Auswirkungen. Hier war er aber eindeutig fehl am Platz.“ „Ich weiß.“, sagte Korelem und sah sie verschämt an. „Es muss Ihnen nicht peinlich sein.“, sagte D/4 tröstend. „Ich weiß, dass Sie eine biologische Lebensform sind und als eine Solche durchaus Stolz, also auch falschen Stolz, empfinden können. Dies ist bei Ihnen ein völlig normaler Prozess, also nichts, das man verurteilen müsste. Bitte halten Sie jetzt ganz still. Ich werde Sie examinieren.“ „Vielen Dank für die Warnung, meine Liebe.“, sagte Korelem und versuchte zu lächeln. „Ich kenne Ihren Namen ja noch nicht einmal.“ „Meine Kennung lautet: Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe.“, stellte sich die Sonde vor. „Sie können mich D/4 nennen.“ „Angenehm, D/4.“, sagte der Schmetterlingsartige. „Ich heiße Korelem.“ „Ebenfalls angenehm, Korelem.“, sagte sie und begann, ihn von Kopf bis Fuß zu scannen. „Diese Ergebnisse bestätigen meine grobe Diagnose vom Anfang.“, sagte sie dann. „Auf Demeta wird man sich gut um Sie kümmern.“

Ein Signal von der Sprechanlage zwang D/4, sich nach dem Gerät umzudrehen. „Es ist Tchey.“, sagte sie, nachdem sie das Display abgelesen hatte. Ihre Verbindung zu den Schiffssystemen hatte sie, effiziensliebend, wie sie nun einmal war, wieder gekappt, denn jetzt benötigte sie diese ja nicht mehr. Außerdem wollte sie Komplikationen vermeiden, die eventuell sonst beim Neustart der Systeme hätten auftreten können.

Sie nahm das Mikrofon in die Hand und meldete sich: „Hier ist D/4.“ „D/4, ich wäre dann so weit.“, sagte Tchey. „Wir können starten, wenn dem von Ihrer Seite und von Seiten unserer Patienten nichts im Wege steht.“ „In Ordnung, Tchey.“, sagte die Sonde. „Wie gesagt, setzen Sie Kurs in Richtung Demeta und verständigen Sie die Exo-Klinik!“ „Sofort, D/4.“, sagte Tchey und hängte das Mikrofon auf ihrer Seite der Verbindung wieder ein, was sie automatisch beendete.

„Warum haben Sie nicht erwähnt, dass Sie nur einen lebenden Patienten zu versorgen haben?“, fragte Korelem. „Weil sie Allrounder Scott kennt und die Kenntnis über ihren Tod sie zu diesem Zeitpunkt in eine emotional instabile Lage bringen könnte, was im jetzigen Moment sicher nicht sehr effizient wäre. Das könnte ihre Dienstfähigkeit beeinträchtigen. Sie könnte nicht mehr in der Lage sein, uns zu unserem Ziel zu fliegen. Sicher werde ich sie informieren, aber zu einem Zeitpunkt, der mir als geeigneter erscheint.“ „Verstehe.“, sagte Korelem.

Es gab eine Erschütterung und der Antrieb des Shuttles summte auf. Dann erhob es sich vom Grund. „Ich denke, wir sind gestartet.“, sagte Korelem. „Ihre Annahme ist korrekt.“, sagte die Sonde.

Sie drehte sich, um die Achterkabine wieder zu verlassen. „Bitte versuchen Sie, etwas zu schlafen.“, sagte sie. „Das wird Ihnen sicher gut tun.“ „Das bezweifle ich nicht.“, sagte Korelem. Dann sah er zu, wie sie einen Sensor berührte, der die Tür zum Cockpit öffnete. „Bitte warten Sie!“, rief er ihr noch hinterher. „Ich hätte da noch einige Fragen.“

Sie drehte sich um und kam zu ihm zurück, um sich auf das untere Ende der Trage zu setzen. „Ich höre.“, sagte sie dann. „Als Erstes wüsste ich gern, warum sowohl am Shuttle, als auch an mir und Betsys Körper kein weiterer Schaden entstanden ist, als Sie mich auf diesem Kraftfeld, oder was immer das auch war, balanciert haben. Ich meine, Betsys Leiche und ich waren immerhin nass und …“ „Es mag Ihnen jetzt sehr ironisch vorkommen, was ich gleich sage.“, warnte ihn die Sonde vor. „Aber genau dieser Flüssigkeit um Sie beide herum haben Sie zu verdanken, dass nichts passiert ist. Vielleicht auch dem Umstand, dass ich die Konfiguration für die Sicherheitskraftfelder in die Schildmatrix kopiert habe. Aber der Dampf, der beim Verdampfen des Wassers durch die Energie entstanden ist und die Tatsache, dass Sie ja nicht in direktem Kontakt mit den Generatoren waren, da sich diese im Inneren der Hülle befinden, hatte auf Sie und den Körper des Allrounders den gleichen Effekt, wie in etwa ein Dampfbügeleisen im 21. Jahrhundert auf Kleidung. Der Dampf bremst die Hitze, so dass sie nicht in vollem Umfang auf den Gegenstand wirken kann.“ „Faszinierend.“, sagte Korelem und grinste. „Dann sind wir jetzt zumindest knitterfrei.“

Mit einem leicht verwirrten Blick drehte sich die Sonde ihm zu. „Ich verstehe nicht.“, sagte sie. „Das war ein Witz.“, sagte Korelem. „Damit wollte ich auf Ihren Vergleich mit dem Bügeleisen anspielen.“ „Verstanden.“, sagte die Sonde. „Aber jetzt habe ich auch noch einige Fragen. Sie erwähnten, dass es sich bei der Tötung des Allrounders unter Umständen um Mord gehandelt haben könnte. Woher wissen Sie das?“ „Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen das sagen darf.“, sagte der Insektoide. „Ich bin Ärztin.“, sagte die Sonde. „Ich unterstehe der Schweigepflicht. Sollten keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, wird niemand etwas von dem erfahren, was wir hier gerade besprechen.“ „Und was wären das für Umstände?“, fragte Korelem. „Wenn das Thema unserer Gespräche relevant für die Sicherheit würde und ich somit gezwungen wäre, einem Agenten oder Polizisten Informationen zu geben, oder wenn Sie mich von der Schweigepflicht entbinden würden.“ „Dann tue ich das mal besser vorsorglich, meine Beste.“, sagte Korelem. „Die Entbindung von der Schweigepflicht muss schriftlich erfolgen.“, sagte die Sonde. „Leider habe ich im Augenblick kein geeignetes Pad bei mir.“ „Oh, Sie sind herzlich eingeladen, mich auf Demeta zu besuchen, wenn ich dort im Krankenhaus liege.“, erwiderte Korelem. „Ich denke, dieses Angebot werde ich annehmen.“, sagte D/4. „Tun Sie das.“, sagte Korelem und sah sie freundlich an. „Ich bin sicher, Sie werden es nicht bereuen. Dann gebe ich Ihnen auch die Informationen, die Sie wollten. Wir wollen ja schön alles auf korrekte Weise erledigen, nicht wahr? Sonst kommen die Schuldigen unter Umständen noch wegen eines Formfehlers davon. Das sollten wir lieber nicht riskieren.“ „Sie haben Recht.“, nickte D/4 und unternahm einen zweiten Versuch, die Achterkabine endgültig zu verlassen. „Gehen Sie ruhig.“, sagte Korelem. „Schlafen kann ich auch allein. Ich scheine ja im Moment stabil, oder?“ „Das ist korrekt.“, sagte die Sonde. „Falls doch noch etwas ist, befindet sich in Ihrer Reichweite an der Wand ein Knopf, mit dem Sie die Sprechanlage bedienen können. Ich werde dann so schnell wie möglich bei Ihnen sein.“ „Vielen Dank.“, sagte Korelem und schloss die Augen. D/4 verließ die Kabine in Richtung Cockpit.

Im Cockpit eines anderen Schiffes, das gerade wieder auf dem Weg zurück zu seinem Platz auf der Werft war, wurde weiterhin fleißig diskutiert. „Die Situation hat sich geändert, Shimar.“, stellte der Avatar fest. „Eigentlich dürften Sie mich jetzt nur Techniker Scott anvertrauen, denn er weiß im Notfall sicher besser die Umstände zu interpretieren, als es ein ziviler Ingenieur je könnte.“ „Du sprichst über die Sache mit Betsy.“, stellte ihr Pilot fest. „Aber du hast Recht. Wenn ich es recht bedenke, dann sollte wirklich nur Scotty weiterhin mit dir arbeiten. Falls dir noch was ein- oder auffällt, ist er außer mir noch der richtige Ansprechpartner und du müsstest nicht wieder die ganze Werft in Aufruhr versetzen. Also gut. Ich werde es ihnen sagen.“

Er landete IDUSA wieder im Dock. Hier erwarteten ihn bereits Scotty und Milarah. „Wie sieht es aus, Shimar?“, fragte der Schotte, nachdem er gesehen hatte, dass sein Kumpel wohlbehalten seinem Schiff entstiegen war.

Mit leicht alarmiertem Blick sah ihn Shimar an. Er hätte alles mit ihm besprochen, wenn sie allein gewesen wären. Aber die Anwesenheit dieser Zivilistin behagte ihm gar nicht. Ich muss mit dir irgendwo allein reden., machte er Scotty telepathisch deutlich. Der Schotte nickte nur und sagte zu seiner Chefin: „Milarah, ich müsste mal eben jemanden zur Kneipe zurückbringen. Ich glaube, das geht dann schneller. IDUSAs Wartung kann sicher noch etwas warten, oder?“ „Na, in Ordnung, Scotty.“, sagte die Leiterin der Raumwerft, die ihrem Untergebenen sehr vertraute. „Es war außerdem für uns alle eine lange Nacht. Wir sollten uns wohl alle besser schlafen legen, sonst sind wir morgen alle nicht zu gebrauchen.“ „Allerdings.“, sagte Scotty und gähnte übertrieben. Dann wandte er sich an Shimar: „Na komm, Kumpel!“ Erleichtert folgte ihm der junge Tindaraner zu seinem Jeep.

Sie hatten gerade das Gelände der Werft verlassen und Scotty war im Begriff, auf die Landstraße einzubiegen, die ihn wieder zu Ginallas Kneipe führen sollte, als Shimar plötzlich sehr ernst schaute und sagte: „Bitte fahr rechts ran, Scotty.“ „Was is’ ’n los?“, fragte der Schotte irritiert. Er war so einen ernsten Blick, wie er ihn jetzt von Shimar wahrnahm, normalerweise von ihm nicht gewohnt. „Bitte tu, was ich dir gesagt habe.“, bestand Shimar weiterhin auf der Erfüllung seiner Bitte. „Is’ dir schlecht?“, fragte Scotty flapsig und wollte sich schier kaputtlachen. „Ne, so was! ’n ausgebildeter Pilot und kriegt bei ’ner langsamen Fahrt über die Straße einen …“ „Bitte fahr rechts ran, Scotty!“, wiederholte Shimar seine Forderung mit mehr Nachdruck. „Eines kann ich dir schon mal sagen. Mir ist nicht schlecht! Und wenn du mir gleich zuhörst, dann wird dir das Lachen sicher schnell vergehen! Also, was ist jetzt?!“ „Na gut.“, seufzte Scotty, dem sehr merkwürdig vorkam, dass Shimar dieses Mal nicht über seinen Humor lachen konnte. Er wusste, wenn dies der Fall war, musste schon etwas sein, das sehr wichtig war und vor allem sehr ernst.

Scotty stellte den Jeep am rechten Rand der Fahrbahn ab und aktivierte vorschriftgemäß die Warnblinkanlage. „So, hier stecken wir jetzt.“, sagte er. „Jetzt verrate mir bitte mal, was los is’.“ „Bitte nimm die Hände von den Bedienelementen.“, sagte Shimar, der genau sah, dass Scotty jederzeit hätte wieder losfahren können. Aber er fand es besser, wenn er dies nicht tun würde. Vor allem nicht nach dem, was er ihm mitzuteilen hatte.

„Was ich dir sagen muss, ist für uns beide sicher nicht leicht.“, setzte Shimar an, nachdem er mit Erleichterung festgestellt hatte, dass seine Bitte erfüllt worden war. „Nun erzähl schon.“, sagte Scotty. „Was haben IDUSA und du da draußen gesehen?“ „Es geht weniger um das, was wir gesehen haben.“, sagte Shimar. „Es geht vielmehr um das, was bei mir passiert ist, während ich drüben auf dem fremden Schiff war.“ „Was für ’n Schiff?“, fragte Scotty, der das Gefühl hatte, seinem Kumpel alles aus der Nase ziehen zu müssen. „Das Schiff, das IDUSA gesehen hat und wegen dem sie Alarm geschlagen hat.“, erklärte Shimar. „Es handelt sich um ein ziviles Schiff der Breen. Aber merkwürdig daran ist, dass es eine Tarnvorrichtung hat. IDUSA und ich haben mit Hilfe einer überwachten Außenmission herausgefunden, dass die Vorrichtung telekinetisch eingebaut wurde. Aber wer das war, konnten wir leider nicht herauskriegen. Es war zu lange her. Aber wir wissen, wer mit dem Schiff hergekommen ist. Nathaniel Radcliffe und seine Familie.“ „Radcliffe?!“, staunte Scotty. „Aber der Is’ Archäologe! Vom Fliegen hat der so viel Ahnung wie ’ne Kuh vom Eierlegen! Seine Frau is’ mit Sicherheit auch keine ausgebildete Pilotin. Von dem 6-jährigen Steppke ganz zu schweigen! Willst du mich verarschen?!“ „Ich wäre froh, wenn es so wäre, Scotty!“, sagte Shimar ernst. „Ich weiß, da passt einiges noch nicht zusammen, aber wir werden schon noch herausfinden, wie das alles zusammen gehört. Meine Leute glauben, Sytania hat damit was zu tun und dass sie Radcliffe benutzt. Für eine Sache hat sie ihn auch wahrscheinlich schon benutzt. Wenn IDUSA Recht hat, dann für die Ermordung von Betsy! Jedenfalls würde das passen.“

Blass sank Scotty in seinem Sitz zusammen. „Was hast du da gerade gesagt?!“, fragte er mit großer Empörung in der Stimme. „Is’ das die neue Art von tindaranischem Humor?! Wenn ja, dann finde ich das nich’ sehr lustig!“ „Ich wünschte, es wäre so.“, sagte Shimar. „Aber die Schutzverbindung, die Betsy und ich aufgrund unserer Beziehung hatten, ist gewaltsam beendet worden. Das habe ich genau gespürt. Ich wollte es zuerst auch nicht wahrhaben. IDUSA musste mich mit der Nase darauf stoßen. Aber jetzt muss ich es wohl leider zugeben. Da IDUSA Betsy für zu ehrlich hält, als dass sie mir verheimlicht hätte, wenn sich ihre Gefühle gegenüber mir geändert hätten und sich meine gegenüber ihr auch nicht geändert haben, hält sie diese Theorie für am wahrscheinlichsten.“ „Na, jetzt warte mal.“, sagte Scotty. „Weil dein Schiff glaubt, dass Betsy tot is’, machst du hier die Welle? Was is’, wenn sich IDUSA irrt?“ „Sie irrt sich sicher nicht, Scotty!“, sagte Shimar und klang dabei sehr ernst, ja fast streng. „Würdest du einem eurer Computer etwa vorwerfen, dass er sich irrt, wenn er eine Sache als die Wahrscheinlichste ausgelotet hat?“ „Sicher nich’.“, sagte Scotty. „Und warum machst du das dann bei IDUSA?! Ich sag’ dir jetzt mal was! Betsys Tod als Ursache für das Ende der Schutzverbindung zu akzeptieren, ist auch mir schwer genug gefallen. Aber je mehr Zeit vergeht, desto sicherer werde ich mir. Ich kann Betsy nämlich hier in diesem Universum, geschweige denn auf diesem Planeten, nicht mehr spüren und das hat nichts mit der Schutzverbindung zu tun. Sie wäre ja permanent und unterbewusst. Aber ich kann sie auch so nicht mehr telepathisch finden! Du weißt, dass ich nicht interdimensional telepathisieren kann! Wenn Sie den Kelch von Korelem benutzen hätte dürfen, dann wäre das unter Umständen was anderes gewesen. Aber sie muss sich ja streng an die medizinischen Vorschriften halten, um ihr eigenes Gehirn nicht zu gefährden. Ich weiß, dass sie in der so genannten roten Phase war, also den Kelch nicht benutzen durfte. Wir führen simultan Kalender darüber.“ „Aber das kann doch nur klappen, wenn sie in ihrem Gehirn wäre oder es eine Verbindung zwischen ihr und ihrem Körper gäbe.“, sagte Scotty. „Zumindest laut dem, was wir bisher über Savarid-Strahlung wissen. „Ob ihr Geist die Energie mitnimmt, wissen wir ja nich’. Wir wissen nur, dass sie sich in ihrer Hirnrinde anreichert.“ „Das stimmt.“, sagte Shimar. „Aber ich habe doch auch ein Gehirn, in dem sich die Strahlung anreichern könnte. Was ist, wenn …“ „Bist du verrückt?!“, fragte Scotty. „Betsy is’ Nicht-Telepathin! Für sie wäre das sicher nich’ so schlimm. Aber hast du ’ne Ahnung, was diese Strahlung mit deinem Telepathiezentrum machen könnte?! Ich mein’, dein Gehirn is’ doch total empfindlich.“ „Savarid-Strahlung macht Telepathie über dimensionale Grenzen hinaus möglich.“, sagte Shimar. „Das ist es, was sie mit meinem Gehirn machen wird! Vielleicht kann ich Betsy somit wieder finden. Wenn sie in der Dimension der Toten ist, dann …“ „Du Verrückter!“, sagte Scotty. „Das werden dir deine oberen Zehntausend nie erlauben. Es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen darüber, was passiert, wenn sich ein Telepath Savarid-Strahlung aussetzt. Die werden nicht das Leben eines ihrer besten Flieger für so ein Experiment riskieren!“ „Oh, doch.“, widersprach Shimar. „Ich denke, das werden sie schon! Sie werden nämlich auch nicht wollen, dass Sytania gewinnt und das würde sie, wenn Betsy aus dem Weg wäre. Sie hat enormes Wissen über die Zusammenhänge im Dunklen Imperium und in Zeitland. Wissen, das sie der Sternenflotte immer gern zur Verfügung gestellt und das dafür gesorgt hat, dass wir Sytania den Göttern sei Dank immer wieder in ihre Schranken weisen konnten. Gut, dieses Wissen hat auch Mikel, aber der hat im Moment ganz andere Probleme. Wenn wir in Ginallas Kneipe sind, bitte ich sie, einen tindaranischen Nachrichtensender einzuschalten. Dann übersetze ich dir, was da gesagt wird. Dann wirst du schon sehen!“ „Na schön, Mr. Krisenherd.“, sagte Scotty, der ihm immer noch nicht ganz glaubte, was die Wahrheit über meinen Tod anging. „Wenn du dich da mal nich’ ins eigene Fleisch schneidest. Am Ende is’ alles vielleicht gar nich’ so schlimm und die Theorie von deinem Schiff bleibt das, was sie is’. Eine Theorie. Du kannst ’n alten Mann aber ganz schön erschrecken.“

„Wir sollten aber noch eines klarstellen.“, sagte Shimar nach einer Weile, die er absichtlich ohne ein Wort vergehen lassen hatte, um Scotty Zeit zu geben, sich mit der Situation zu arrangieren. „Du musst deiner Chefin unbedingt sagen, dass nur du IDUSA warten darfst. In ihrem Rechner befinden sich jetzt zu viele Informationen, die Zivilisten nichts angehen! Außerdem sollten wir die Plätze tauschen. In deinem aufgewühlten Zustand kannst du nicht fahren.“ „Also schön.“, sagte Scotty und stieg aus. Dann ging er zur Beifahrerseite, während Shimar einfach lässig von innen rüber auf den Fahrersitz rutschte und den Jeep nach Scottys Einsteigen wieder in Bewegung setzte. „Aber was sage ich Milarah?“, fragte Scotty. „Sag ihr, dass IDUSA ein Problem hat, an das ein Spezialist ran muss. Deine Chefin weiß doch, dass du gut im Knacken von Spezialfällen bist. Sie wird ihrem besten Mitarbeiter so etwas schon abnehmen.“, sagte Shimar grinsend. „Also schön.“, sagte Scotty.

 

Kapitel 32: Folgenreiche Wetten

von Visitor

 

Tchey und D/4 hatten bereits ein gutes Stück Weg zu der Exo-Klinik auf Demeta hinter sich gebracht. Die Sonde hatte es vorgezogen, ihrer Untergebenen so wenig Details wie möglich über ihre Patienten zu verraten, um sich nicht zu verraten oder sich gar in Widersprüche zu verwickeln, die Tchey unter Umständen mit Informationen versorgen könnten, die ihr sonst einen Grund zum Stellen von Fragen gegeben hätten. Sie wollte um jeden Preis vermeiden, dass Tchey sie über die geheimnisvolle Leiche im Stasecontainer befragen würde.

„Wie geht es unserem überlebenden Patienten, D/4?“, wendete sich Tchey an ihre Vorgesetzte. „Es geht ihm den Umständen entsprechend gut, Tchey.“, sagte die Sonde, die sich gerade auf den Sitz neben Tchey gesetzt hatte. „Die Demetaner werden ihn weiter behandeln. Ich gehe sogar davon aus, dass er sogar operiert werden muss, denn er hat sich einige Muskelstränge fast abgerissen. Ich habe ihm ein Schmerzmittel gegeben, damit er den Flug übersteht. Es ist meiner Meinung nach unfassbar, was manche Bioeinheiten riskieren, um jemanden zu retten, für den doch jede Hilfe zu spät kommt.“ „Na ja.“, sagte Tchey. „Die meisten Bioeinheiten haben leider nicht den Luxus von Sensoren, die ihnen genau mitteilen, ob sich im Gehirn der zu rettenden Person noch neurale Energie befindet. Aber sie geben die Hoffnung nun mal nicht auf. Das mag für Sie sehr irrational erscheinen, aber …“ „Sie haben Recht.“, unterbrach die Sonde sie schnell, denn sie befürchtete, Tchey könnte doch noch das Thema auf die Tote im Container lenken. „Hoffnung ist etwas, das uns genau so wie Stolz in der Theorie bekannt ist, das wir aber nie in dem Maße empfinden können, wie es eine reine Bioeinheit kann. Dafür ist unsere kybernetische Seite einfach zu stark ausgeprägt.“, meinte die Sonde. „Tja.“, machte Tchey und grinste. „Da haben wir Bioeinheiten Ihnen wohl etwas voraus.“ „Ich wusste nicht, dass wir mit Ihnen im Wettbewerb stehen.“, konterte D/4. „Ich auch nicht.“, flapste Tchey zurück. „Ich weiß zwar, dass die Borg von sich meinten, dass sie mit uns im Wettbewerb stehen und dass sie uns von vorn herein für minderwertige Kreaturen hielten, aber den Fehler haben sie, Janeway sei Dank, ja bitter bereut, oh, ja! Und den gleichen Fehler begeht ja Sytania Gott sei Dank auch immer wieder im Bezug auf Sterbliche!“ „Das ist korrekt.“, antwortete die Sonde und lehnte sich entspannt zurück. Sie war froh darüber, dass Tchey ein unverfängliches Thema begonnen hatte und sich nicht mehr auf die Tote im Container, die zweifelsfrei ein Mysterium darstellte, konzentrierte. Dass sich die Sonde da viel zu früh gefreut hatte, sollte sie wenig später erfahren.

„Wer ist eigentlich die Tote, die wir im Stasecontainer haben, D/4?“, fragte Tchey. „Ich meine, Sie haben sie mit keinem weiteren Wort erwähnt, als wollten Sie nicht mehr über sie sprechen. Außerdem hat mir der Computer gesagt, Sie hätten die Daten über sie verschlüsselt. Was soll ich nicht erfahren?“ „Diese Informationen werde ich Ihnen zu einem besser geeigneten Zeitpunkt geben, Tchey!“, sagte die Sonde. Dabei klang sie schon fast alarmiert und die Reptiloide wurde das Gefühl nicht los, dass sie etwas vor ihr verbarg. „Warum denken Sie, dass jetzt kein geeigneter Zeitpunkt sein könnte, D/4?!“, fragte Tchey empört, die sich etwas bevormundet vorkam. „Weil die Information Sie unter Umständen in der Ausübung Ihrer Pflicht benachteiligen könnte.“, antwortete D/4. „So?“, fragte Tchey. „Wie kommen Sie denn darauf? Meinen Sie etwa, dass ich sie kennen könnte?“

Der Gesichtsausdruck der Sonde verfinsterte sich. Sie wusste, wie unberechenbar Bioeinheiten unter gewissen Umständen reagieren konnten. Gerade dann, wenn ihren Freunden etwas passiert war. „Ich werde Ihnen diese Daten zu einem besser geeigneten Zeitpunkt zur Verfügung stellen!“, wiederholte sie bestimmt. „Und wer bestimmt, wann dieser Zeitpunkt ist?“, fragte Tchey. „Sie etwa? Ich dachte, wir wären ein Team und in einem Team hat man doch normalerweise keine Geheimnisse, oder? Außerdem haben Ihre Leute doch immer so große Stücke darauf gehalten, nicht so zu sein wie die Borg und uns nicht als minderwertig, sondern als gleichwertig, zu sehen! Ich finde es eine Riesensauerei, dass Sie mich jetzt so behandeln, als sei ich irgendein Mündel, das von der großen bösen Welt da draußen irgendwas nicht wissen darf! Aber das können wir ja ändern! Computer, …“ „Das wird Ihnen nichts nützen.“, sagte die Sonde. „Ich habe die Informationen mit xylianischen Algorhythmen verschlüsselt. Selbst wenn Sie im Besitz eines Hackprogramms wären, würde es zwei mal der Zeit unseres Fluges bedürfen, bis Sie Zugriff erlangen könnten.“ „Oh, das finde ich ja sehr nett, dass Sie mir derartige kriminelle Aktivitäten zutrauen!“, sagte Tchey zynisch und fast beleidigt. „Zwei mal die Zeit unseres Fluges sagten Sie? Nun, das ist ein Umstand, den ich ziemlich leicht ändern kann!“

Sie deaktivierte den Antrieb und schaltete gleichzeitig die Trägheitsdämpfer auf volle Leistung. Das Shuttle stoppte hart. „Sie werden auf der Stelle den Antrieb reaktivieren!“, ordnete D/4 an. „Das werde ich nicht!“, sagte Tchey fest. „Computer, die Antriebsstartsequenz mit meinem biologischen Fingerabdruck sichern!“ „Befehl wird ausgeführt.“, sagte der Rechner von Rescue One. „Bitte legen Sie Ihre rechte Hand auf den Sensor.“ Tchey tat grinsend, worum sie der Rechner gerade gebeten hatte. „So, meine Beste.“, sagte sie. „Jetzt kommen wir keinen Parsec mehr weit, wenn ich es nicht will!“ „Und was wird uns das jetzt nützen, Tchey?“, fragte D/4. „Wir haben einen lebenden Patienten, der dringend versorgt werden muss. Wenn das nicht geschieht, könnte er bleibende Schäden an seiner Flugmuskulatur davontragen, die für ihn lebenswichtig ist. Am Boden sind Alaraner viel zu unbeholfen. Er wird Dank Ihnen als Behinderter leben müssen, wenn die Blutversorgung der betroffenen Teile seiner Muskulatur nicht bald wieder hergestellt wird.“ „Oh, und das wissen Sie so genau?!“, empörte sich Tchey. „Ich sage Ihnen was, D/4! Wir Bioeinheiten sind keine rohen Eier! Wir können mehr aushalten, als Sie denken. Wir sind zäher, als wir aussehen. Sie müssen uns nicht behandeln wie kleine Kinder und ich lasse nicht zu, dass Sie mich in Watte packen, was die Leiche im Container angeht. Also, wer ist es?!“ „Darum geht es Ihnen also.“, sagte die Sonde. „Unser Patient ist Ihnen also völlig egal. Ich darf Sie an den Eid erinnern, den Sie bei Dienstantritt geschworen haben.“ „Und ich darf Sie daran erinnern, was Sie und Ihre Leute sich auf die Fahnen geschrieben haben!“, sagte Tchey. „Sie wollten uns als gleichwertig behandeln und nicht als …!“ „Dies ist eine Situation, in der ich das leider nicht kann.“, rechtfertigte sich die Sonde. „Ihre emotionale Nähe zu der Toten könnte eine Instabilität bei Ihnen auslösen, die zu unberechenbaren Handlungen Ihrerseits führen könnte.“ „Sie benutzen den Konjunktiv.“, stellte Tchey fest. „Das bedeutet, Sie sind sich nicht sicher. Also, warum probieren wir es nicht einfach aus?! Testen Sie mich!“

Jetzt hatte auch D/4 bemerkt, dass sie in der Möglichkeitsform gesprochen hatte. Sie wusste, dass rein statistisch sowohl die von ihr genannte Situation, als auch rein theoretisch das genaue Gegenteil auftreten konnte.

Ein Geräusch von der Sprechanlage ließ beide zunächst ihren Streit beenden. „Ich denke, Mr. Korelem braucht mich.“, stellte D/4 fest und wandte sich der Tür zur Achterkabine zu. Dort traf sie bald auf einen ängstlich dreinschauenden Korelem. „Was ist passiert?“, fragte sie mit Anteil nehmendem Gesicht. „Da wird alles taub!“, sagte der Insektoide alarmiert und zeigte auf seine Brust. „Ich kann meine Flügel nicht mehr bewegen. Sie fühlen sich auch ganz taub an!“

Die Sonde stellte sich gerade vor die Trage und begann, Korelem mit ihren Augen zu scannen. „Die Taubheitsgefühle resultieren aus einer Unterversorgung mit Blut und damit Sauerstoff, die zur Zeit in Ihrer Flugmuskulatur stattfindet. Ich werde die betroffenen Partien an ein Ersatzsystem anschließen, das Ihren Blutkreislauf vorübergehend simuliert und überbrückt. Somit hoffe ich, die Partien vor dem Absterben zu bewahren. Sie werden sie trotzdem nicht fühlen, weil die Nervenversorgung nicht gewährleistet ist, aber das werden die Demetaner dann im Operationssaal ändern!“, sagte D/4 im Versuch, ihm Trost zu spenden.

Korelem hatte sehr wohl bemerkt, wie angespannt sie war. „Irgendwas liegt Ihnen doch auf der Seele.“, sagte der Insektoide, der ein sehr guter Beobachter war. „Ich höre den Antrieb des Shuttles auch nicht. Haben wir gestoppt? Ist etwas nicht in Ordnung?“ „Ihre Annahme ist korrekt.“, sagte D/4. „Es ist etwas nicht in Ordnung. Aber ich bezweifele, dass Sie hier effizient assistieren können.“ „Sie haben mich ja noch gar nicht getestet.“, lächelte Korelem. „Also, wie kommen Sie darauf, das zu behaupten?“

Die Sonde holte eine Tropfkonsole aus einem der Schränke im Frachtraum und legte sie Korelem an. In der Aufgesteckten Patrone war reiner Sauerstoff. Sie stellte die Konsole so ein, dass sie diesen in regelmäßigen Abständen in bestimmter Dosierung direkt in die betroffenen Muskelpartien beamte. Dann setzte sie sich ans untere Ende der Trage. „Sie sind schon der Zweite, der mich darauf anspricht.“, sagte sie. „Interessant.“, meinte Korelem. „Warum? Wer war denn der Erste?“ „Es war eher die Erste.“, sagte die Sonde und machte ein verschämtes Gesicht. Die Tatsache, dass Korelem trotz seiner ernsten Situation noch Augen für das ihn Umgebende hatte, zeigte ihr, dass Tchey wohl Recht gehabt hatte und Bioeinheiten anscheinend doch mehr aushielten, als sie ihnen zutraute. „Die Erste war Tchey.“, gab sie zu. „Sie werden bemerkt haben, dass wir zum Halten gekommen sind. Ich denke, das war meine Schuld. Ich habe ihr etwas verheimlicht, von dem ich glaubte, es würde sie emotional destabilisieren. Aber mittlerweile bin ich mir da nicht mehr so sicher. Von Ihnen hatte ich nämlich auch erwartet, dass Sie in Ihrer gegenwärtigen Situation eventuell in Panik ausbrächen und außer sich selbst im Moment nichts sähen. Aber im Gegenteil. Sie verwickeln mich sogar in ein Gespräch darüber, was mit mir los ist und kriegen das so hervorragend hin, dass ich nicht anders kann, als es Ihnen zu berichten.“ „Man hat mir schon des Öfteren ein solches Talent bescheinigt.“, lächelte Korelem zufrieden mit sich selbst. „Und zum Thema Bioeinheiten werde ich Ihnen jetzt mal was sagen. Es mag Bioeinheiten geben, das sind echte Duckmäuser und Angsthasen. Denen gegenüber dürften Sie die Informationen, die Sie verheimlicht haben, sicher nie preisgeben. Aber eine Frau wie Tchey, die so ein mutiges Manöver ausführt, um Betsy und mich zu retten, das ist mit Sicherheit keine Duckmäuserin oder Angsthäsin. Gehen wir eine kleine Wette ein. Wetten wir, wie sie reagieren wird, wenn Sie ihr die Information geben. Ich wette, dass sie stark sein wird und eher versuchen wird, alles zu tun, um den Mord an Betsy sühnen zu lassen. Mit Sicherheit wird sie auch versuchen, ihren Teil dazu beizutragen und wenn es nur darin besteht, mich sicher nach Demeta zu fliegen und dann ihre Leiche auf Terra beim Geheimdienst abzugeben. Sie können ja ruhig wetten, dass sie zusammenbricht. Ich denke, über Ihre direkte Verbindung zum Schiff, die Sie ja aufbauen können, könnten Sie dieses sicher im Notfall genau so gut fliegen.“ „Also gut.“, sagte die Sonde und schlug ein. Dabei begegnete ihre rechte Hand Korelems linkem Vorderfuß. „Was wird Ihr Wetteinsatz sein?“, fragte sie. „Ich denke nicht, dass ich diese Wette verlieren werde!“, sagte Korelem selbstbewusst. „Aber falls das der Fall sein sollte, dürfen Sie gern eine Verliererstrafe für mich festlegen. Sollte ich aber gewinnen, wovon ich ausgehe, dann bekomme ich eine Gratisbehandlung von Ihnen während meiner Rehabilitation.“ „Einverstanden.“, sagte die Sonde.

Sie drehte sich wieder zur Tür. „Ich werde Tchey jetzt die Information geben.“, sagte sie. „Damit Sie mithören können, werde ich das Terminal der Sprechanlage auf Überwachung schalten.“ „In Ordnung.“, sagte Korelem und lehnte sich erwartungsvoll zurück.

Die Sonde betrat erneut das Cockpit von Rescue One, wo Tchey mit erwartungsvollem Gesicht saß. „Geht es unserem Patienten wieder gut?“, fragte sie. „Den Umständen entsprechend.“, antwortete D/4. „Aber es wäre wirklich seiner Gesundheit zuträglicher, wenn wir bald weiter fliegen würden.“ „Das liegt ganz bei Ihnen.“, erwiderte Tchey und machte ein betont entspanntes Gesicht.

D/4 überlegte erneut. Sie wusste durchaus, dass Tchey in vielerlei Hinsicht schon für ein gewisses Erstaunen im System gesorgt hatte. Für dieses Phänomen hatten die Xylianer sogar einen eigenen Begriff geprägt, den Tchey-Faktor. Also konnte es durchaus sein, dass Korelem und sie vielleicht doch Recht gehabt hatten, was ihre eventuelle Reaktion auf die Information anging.

Die Sonde drehte sich ihr zu und sagte plötzlich: „Es tut mir leid, dass ich versucht habe, Sie zu bevormunden.“ „Nanu.“, wunderte sich Tchey. „Auf einmal? Was ist da hinten passiert, he?“ „Unser lebender Patient hat mir ins Gewissen geredet.“, sagte d/4. „Korelem ist sicher, dass Sie nicht zusammenbrechen werden, wenn ich Ihnen sage, dass es sich bei der Toten im Container um Ihre Freundin Allrounder Betsy Scott handelt.“

Eine Weile lang war es unheimlich still geworden im Cockpit von Rescue One. Dann beobachtete D/4, wie Tchey mit entschlossenem Gesicht die Steuerelemente und den gewissen Sicherheitssensor des Shuttles berührte und der Computer sagte: „Antriebssystem freigegeben. Biologischer Fingerabdruck akzeptiert.“ Dann summte der Warpantrieb des Schiffes auf.

Erstaunt nahm D/4 dies zur Kenntnis. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so souverän reagieren.“, sagte sie. „Ich sorge eben immer wieder für einige Überraschungen, D/4.“, sagte Tchey. „Und jetzt sage ich Ihnen mal was! Ich werde alles tun, um den Agenten zu helfen, den Mörder von Betsy zu überführen! Keine Angst, D/4! Ich werde schon nichts tun, was mich meinen Job kosten könnte, oder so. Aber ich werde gegenüber dem Geheimdienst aussagen, was ich gesehen habe. Die sollen sich dann ihr Bild machen, obwohl ich schon eine Verdächtige habe.“ „Wenn Sie von Sytania reden.“, sagte die Sonde. „Dann kann ich Ihren Verdacht nur bestätigen. Die Art, in der das Ganze geschehen ist, weist auf ihre Einmischung hin. Leider konnten wir es ihr nicht auf frischer Tat nachweisen, weil die mineralischen Ablagerungen im See Sensoren stören, aber unter Umständen kann die Gerichtsmedizin noch etwas aus Betsys Körper lesen. Noch einmal, es tut mir leid!“ „Schon gut.“, sagte Tchey. „Mir tut es auch leid. Ich hoffe, ich habe unseren noch lebenden Patienten jetzt nicht gefährdet.“ „Das haben Sie nicht.“, versicherte die Sonde. „Die Behandlung, die ich durchführte, hätte ich so oder so durchführen müssen. Die Demetaner werden ihn operieren müssen.“ „Also gut.“, sagte Tchey. „Dann auf nach Demeta!“ Sie beschleunigte Rescue One von Warp vier auf Warp sechs.

Wie sie es mit Ishan abgesprochen hatte, traf sich Zirell an diesem Nachmittag mit ihm auf der Krankenstation ihrer Basis. Der Arzt hatte ihr das sicher nicht umsonst so hinter vorgehaltener Hand angeboten, das konnte sich die Kommandantin denken, obwohl sie keine Möglichkeit hatte, die Gedanken des Androiden zu lesen. Wenn sie das gewollt hätte, dann hätte sie die Hilfe des Rechners und einen Neurokoppler benötigt, der elektronische Signale in Biologische umsetzte und umgekehrt. Deshalb war sie begierig darauf, das Rätsel, das Ishan für sie hatte, auf normale verbale Weise zu lösen.

Als sie den Arbeitsraum der medizinischen Assistentin und ihres Vorgesetzten betrat, fiel ihr sofort Nidells traurige Miene auf. „Wo ist dein Vorgesetzter, Nidell?“, fragte sie. Stumm wies die junge Tindaranerin auf eine weitere Tür, die Zirell direkt in Ishans Sprechzimmer führte.

Der Androide mit dem aldanischen Bewusstsein blickte von seinem Schreibtisch auf, als Zirell das Zimmer betrat. „Da bist du ja, Zirell.“, sagte er ernst, wie sie es von ihm im Allgemeinen gewohnt war. Wenn er so eine ernste Miene aufsetzte, fand sie das nicht ungewöhnlich. „Ja, hier bin ich, Ishan.“, sagte Zirell.

Er rückte ihr eines der typischen tindaranischen Sitzkissen zurecht: „Setz dich bitte.“ „OK, danke.“, sagte die Kommandantin, während sie seiner Aufforderung nachkam. In diesem Moment fiel ihr auf, dass er sie so günstig platziert hatte, dass sie direkt gegenüber eines Anschlusses für den Neurokoppler saß. Deshalb zog sie auch gleich den Ihren aus der Tasche und schloss ihn an. IDUSA, die das auch gleich bemerkt hatte, lud sofort ihre Reaktionstabelle. Nun sah Zirell auf dem Monitor, was Ishan während der überwachten Außenmission für medizinisch relevante Bilder von Shimar bekommen hatte. „Ich kann damit leider nicht viel anfangen, Ishan.“, sagte die tindaranische Kommandantin. „Du müsstest es mir schon erklären.“ „Sehr gern.“, sagte der Arzt und ließ per Verbindung über sein Haftmodul den Cursor über IDUSAs virtuellen Bildschirm kreisen. Dann ließ er ihn im oberen Fenster anhalten. „Dies ist ein normales Bild von Shimars Neuralmuster, wie wir es seit seiner Beziehung mit Allrounder Betsy Scott kennen.“, referierte er. Dann ließ er den Cursor ein Bild nach unten wandern. „Dies ist das Bild, das IDUSA während der Mission überspielt hat, als Shimar die Kopfschmerzen verspürte.“ Wieder ließ er den Cursor wandern. „Und das letzte Bild zeigt sein Neuralmuster, wie es jetzt ist.“

Zirell ließ sich die Bilder genau durch den Kopf gehen. Dann sagte sie: „Es sieht aus, als würde da etwas herausgerissen worden sein.“ „Genau.“, sagte Ishan. „Ich wusste, dass du intelligent genug bist, das zu sehen. Ich kann dir auch genau sagen, was da herausgerissen wurde. Es ist das Muster von Allrounder Betsy Scott, das er sonst in seiner Hirnrinde hat, da eine Schutzverbindung zwischen beiden besteht …“ Er räusperte sich: „Oder sollte ich besser sagen, bestand? Zirell, du, als Tindaranerin, weißt sicher eher als ich, was das zu bedeuten haben kann.“ „Ja, das weiß ich.“, sagte die Tindaranerin betroffen. „Es bedeutet, dass die Beziehung zwischen den Beiden auf die eine oder andere Weise beendet worden ist. Aber wenn einfach Schluss gemacht worden wäre, dann würden die Übergänge sanfter verlaufen. Ich tippe eher auf ein gewaltsames Ende von außen. Das kann nur bedeuten, dass jemand Allrounder Betsy Scott getötet hat. Ich halte sie nämlich nicht für eine Selbstmordkandidatin.“ „Ich auch nicht.“, sagte der androide Arzt sachlich.

Zirell drehte sich auf ihrem Sitzkissen herum und seufzte. „Eigentlich müsste ich das der Sternenflotte melden. Ich meine, als unsere Verbündeten haben die Mitglieder der Föderation jedes Recht, zu erfahren, wenn eine ihrer Offizierinnen stirbt und wir die Ersten sind, die es erfahren, auf welchem Weg auch immer.“

Ishan kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Das würde ich in der gegenwärtigen Situation nicht so gern sehen.“, sagte Ishan. „Das seelische Gleichgewicht von Präsidentin Nugura könnte sehr leiden. Ich halte sie in ihrem augenblicklichen Zustand nicht für in der Lage, traurige Nachrichten zu verdauen.“ „Erklär mir das!“, befahl Zirell mit leichter Empörung in der Stimme, denn sie fand, dass eine gestandene Politikerin doch wohl in der Lage sein musste, so etwas zu ertragen. „Das hatte ich gerade vor.“, sagte der Androide unbeeindruckt und ließ IDUSA eine neue Datei auf den Bildschirm laden. „Das sind Daten, die uns die Xylianer gegeben haben.“, sagte er. „Dieses hier ist Nuguras Muster.“ Wieder führte er ihr Augenmerk per Cursor auf die gemeinte Stelle. „Und hier hast du ihr Muster vor dieser ganzen Affäre zum Vergleich.“

Lange ließ Zirell den Blick ihres geistigen Auges zwischen den beiden Mustern hin und her wandern. Dann sagte sie schließlich: „In Nuguras aktuellem Muster fehlen einige Wellen. Ich meine, wahrscheinlich kann ich froh sein, dass du es mir nicht als Zahlenkolonne, sondern als Graphik gezeigt hast. Damit kann ich nämlich noch am ehesten arbeiten. Aber hier fehlen eindeutig ein paar Frequenzen.“ „Du hast Recht.“, sagte der Arzt und sah sie mild an. „Du weißt, dass sich das Neuralmuster einer Person auf ihr gesamtes Gehirn verteilt.“, erklärte er weiter. „Zumindest auf den Teil, der ständig genutzt wird. Du dürftest wissen, dass bei verschiedenen Spezies auch der Anteil der Hirnmasse verschieden hoch ist, der brach liegt. Die bei Nugura fehlenden Frequenzen sind, wie bei den meisten Humanoiden, im Mandelkern beheimatet. Das ist das Aggressionszentrum. Der Kern regelt aber auch die Entschlossenheit und das Selbstbewusstsein, beides Dinge, die, wenn man logisch darüber nachdenkt, auch nirgendwo anders besser geregelt werden können, denn in allen Fällen bedarf es einer gewissen Forschheit. Je mehr Selbstvertrauen jemand hat, desto unerschütterlicher ist er im wahrsten Sinne des Wortes.“ „Du meinst also.“, verstand Zirell. „Dass eine solche Nachricht deswegen Nugura den Boden unter den Füßen wegziehen könnte?“ „Genau das meine ich.“, sagte Ishan. „Vielleicht solltest du mit deiner Schulfreundin Darell noch einmal über die Sache reden, bevor die Information an Nuguras Ohren kommt.“ „Das werde ich auch tun.“, sagte Zirell. „Ich meine, Darell ist Politikerin. Sie kennt sich auf dem diplomatischen Parkett sicher besser aus als ich.“ „Mag sein.“, sagte Ishan. „Dennoch würde ich mich in dieser speziellen Situation gern als medizinischer Berater zur Verfügung stellen.“ „Ist OK.“, sagte Zirell. „Manchmal glaube ich, du liest meine Gedanken. Das wäre nämlich das Nächste gewesen, auf das ich dich angesprochen und um das ich dich gebeten hätte. Wir sollten am besten gleich mit Darell Kontakt aufnehmen.“ „Im Gegensatz zu dir.“, begann Ishan. „Bin ich leider nicht in der Lage, die Gedanken einer anderen Lebensform zu lesen. Aber ich kann logisch denken und die Logik sagt mir, dass du nicht anders handeln würdest, weil es für alle so am besten ist.“ „Das stimmt.“, bestätigte Zirell und befahl dem Rechner der Station: „IDUSA, mach mir eine Verbindung mit der Zusammenkunft!“

Shinell hatte mich die lange Straße hinunter zu einem parkähnlichen Gelände geführt. Es war von einer wohlig süß duftenden grünen Hecke umschlossen, aus der ab und zu mal ein blühender Strauch als bunter Farbtupfer hervorschaute. Das Tor, durch das wir gingen, wurde von zwei steinernen Pferden gesäumt, die beide, wenn man sie berührte, wie zwei Springbrunnen Wasser aus ihren Nüstern spritzten und ein wohliges Schnauben abgaben. Beide Pferde waren weiß und trugen je einen lustigen Zwerg mit bunter wallender Kleidung im Sattel, der, wenn man auch ihn berührte, ein Lied sang und freundlich lachend ein herzliches Willkommen hören ließ. „Das ist ja süß!“, sagte ich. „Das finde ich auch.“, sagte Shinell und lächelte hörbar. „Es soll euch den Anfang hier erleichtern. Na komm!“

Wir gingen weiter den Hauptweg entlang und kamen an ein Gebäude. Hier berührte Shinell einen Sensor, der uns eine Tür öffnete. Wir schritten hindurch. Jetzt waren wir auf einem wohl temperierten Flur angekommen, dessen Fußboden mit Fliesen ausgelegt war, die Motive aus den verschiedensten Religionen zierten. Auch auf den Bildern an den Wenden sah es nicht anders aus. „Möchtest du dein Zimmer sehen?“, fragte Shinell. „Nein.“, überlegte ich. „Im Augenblick noch nicht. Gibt es hier so was wie einen Aufenthaltsraum? Ich meine, ich würde gern meine Mitpatienten kennen lernen. Warum hast du uns überhaupt so bezeichnet?“ „Weil ihr das ja auch seid.“, sagte Shinell. „Mordopfern fällt es immer sehr schwer, ihren Tod zu akzeptieren. Ich habe von den Quellenwesen die Leitung dieses Therapiezentrums anvertraut bekommen. Ich helfe euch dabei, hier klar zu kommen, bis ihr es entweder von allein akzeptiert, oder leider wartet, bis das große Vergessen einsetzt. Das ist noch einmal eine sehr sensible Phase.“

Ich war sehr erstaunt. Shinell, die ich eigentlich nicht als sehr sensibel kannte, hatte von den Mächtigen hier einen solchen Job bekommen. Aber vielleicht konnte man sich ja sogar als Tote noch ändern. Ansonsten hätte sie sich wohl kaum hierfür qualifiziert.

Sie musste bemerkt haben, dass ich abgeschweift war. „Ist was nicht in Ordnung?“, fragte sie. „Ach nichts.“, sagte ich. „Es ist nur … Ich habe an mein Leben denken müssen.“ „Das wird mit der Zeit vergehen.“, tröstete sie. „Das zu erreichen, wird unser Ziel sein.“ Ich schluckte, denn dieser Gedanke behagte mir gar nicht! „Ich weiß.“, sagte sie. „Die Meisten haben noch sehr viel zu erledigen, wenn sie jäh aus dem Leben gerissen werden. Aber das wirst du schon noch vergessen. Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem du dir nichts sehnlicher wünscht, als für immer hier zu bleiben. Was willst du denn auch in einem Leben, in dem du so eingeschränkt bist. Hier musst du dir die Dinge nur wünschen und sie geschehen. Nur in dein Leben zurückwünschen, das kannst du dich nicht. Irgendwann wirst du das ohnehin nur noch als reine Strafe empfinden, im Gegensatz zum Hiersein.“ „Das bezweifele ich.“, sagte ich. „Ich merke schon.“, stöhnte Shinell. „Du wirst eine schwierige Patientin.“

Eine andere Tote, die ich zunächst nicht einzuordnen vermochte, kam mit schnellen Schritten auf uns zu. „Shinell, sie brauchen dich.“, zischte sie ihr schnell zu und war wieder verschwunden. „Ich bringe dich auf eine Bank im Park!“, zischte Shinell. „Bitte warte dort auf mich.“ „In Ordnung.“, sagte ich und machte damit gute Miene zum bösen Spiel, denn ich hoffte, dort eine Gelegenheit zu finden, über eine Flucht nachzudenken.

Sie zerrte mich also wieder aus dem Gebäude und auf eine hölzerne glatte Bank. Dann bekräftigte sie noch einmal: „Warte hier!“ Ich nickte und nahm mit Erleichterung wahr, wie sich ihre kurzen schnellen Schritte immer weiter entfernten.

Hier saß ich nun mitten auf der Bank an der Stelle, an der sie mich darauf gepflanzt hatte und wartete. Es war heiß und um mich herum sangen die Vögel. Aber das war etwas, auf das ich im Moment wohl nicht all zu viel Wert legte. Ich wusste nicht, warum sie so darauf bestanden hatte. Was war der Grund, aus dem sie plötzlich so alarmiert war?

Langsame, fast zu ruhige männliche Schritte, näherten sich meiner Position. Dann stand ein Mann mittleren Alters vor mir. „Ist neben Ihnen noch ein Platz frei?“, fragte seine ruhige sonore Stimme. Ich nickte lächelnd und rückte ein Stück nach links. „Halt!“,, sagte er plötzlich und zog mich am Arm etwas zurück. „Sie wären ja fast über die Kante hinaus gerutscht. Sie scheinen die Maße der Bank noch nicht zu kennen …Oh.“ Ihm war wohl erst jetzt aufgefallen, dass ich blind war.

Er setzte sich rechts neben mich und führte meine rechte Hand vorsichtig über seine Kleidung. Dabei stellte er sich mir vor: „Lomādo Baldāri.“ „Allrounder …“, begann ich, korrigierte mich aber gleich, denn ich dachte mir, dass wir im Totenreich ja sicher schließlich alle in Zivil waren. Also räusperte ich mich und fuhr fort: „Betsy Scott. Angenehm, Mr. Baldāri mit dem weichen fluffigen Anzug.“ Er lachte leise, aber für mich doch gut hörbar. „Ihr Name klingt aldanisch.“, stellte ich fest, was mir als ausgebildeter Kommunikationsoffizierin ja durchaus möglich war. „Ganz recht.“, sagte er. „Ich bin ja auch Aldaner.“ „Aber dann sind Sie ein außergewöhnliches Exemplar Ihrer Gattung.“, sagte ich. „Normalerweise sind Aldaner doch nicht so aufgeschlossen Fremden gegenüber. Meinen bisherigen Informationen nach sind Sie doch ähnlich gestrickt wie die Vulkanier, besonders, was Berührungen angeht.“ „Dann bin ich eben ein außergewöhnlicher Aldaner.“, sagte Mr. Baldāri. „Wie kamen Sie hier her.“, fragte ich. „Auf dem gleichen Wege wie Sie, denke ich.“, sagte der Telepath. „Ich wurde vom Wäscher ermordet, weil ich nicht so wollte wie er. Aber vorher habe ich ihm einen ziemlichen Kampf geliefert, Oh, ja. Ich bin mit mir sehr zufrieden. Ich wusste, dass ich gegen die Kreatur, die Sytania aus dem armen unschuldigen Nathaniel Radcliffe gemacht hat, nicht allein ankomme, aber dass ich dem Geheimdienst wohl hoffentlich wertvolles Beweismaterial liefern konnte. Zumindest dann, wenn mein Körper von einer gewissen Androidin untersucht wird und eine bestimmte demetanische Agentin die Leitung in den Ermittlungen übernimmt. Beide kennen Sytania sehr gut und es ist auch genau so eingetreten. Ich habe meinen Körper nämlich beobachtet. Ich kann Ihnen zeigen, wie das geht. Das können Sie jetzt auch, jetzt, wo Sie körperlos sind.“ „Ich glaube nicht, dass ich das verdiene, Mr. Baldāri.“, sagte ich. „Und warum nicht?“, fragte er freundlich und vermittelte mir den Eindruck, die Antwort schon längst zu kennen, mich aber prüfen zu wollen. „Weil ich diejenige bin, die, naiv wie ich war, Sytania noch dabei geholfen hat, ihr Monster zu erschaffen.“ „Faszinierend.“, sagte Lomādo. „Sie halten sich also allen Ernstes für eine böse Kreatur, der es Spaß macht, in Sytanias Namen Monster zu erschaffen.“ „Das habe ich nicht gesagt.“, verteidigte ich mich. „Sie verdrehen mir die Worte im Mund. Es war mit Sicherheit kein Spaß für mich!“ „Doch.“, widersprach er. „Genau das haben Sie gesagt. Aber Sie können nicht böse sein, wenn Sie es so sehr bereuen, etwas, das ebenfalls aus Ihren Worten hervorging.“ „Was haben Sie als Lebender gemacht?“, fragte ich. „Waren Sie Anwalt?“ „Nein.“, sagte Lomādo. „Ich war Ingenieur. Genauer Ingenieur mit Fachgebiet Positronik. Deshalb weiß ich auch ganz genau, wie Cupernicas Gehirn tickt und auf was sie achtet und wie ich sie dazu bekomme, auf gewisses zu achten.“ „Schlau und listig wie ein Demetaner.“, lobte ich. „Echt außergewöhnlich für Ihre Spezies.“ „Man tut so manches, wenn man verhindern muss, dass eine Kreatur wie Sytania gewinnt.“, sagte Lomādo. „Da springt man auch schon mal über seinen aldanischen anerzogenen immer neutralen Schatten.“ „Ui!“, brachte ich in Ermangelung der Fähigkeit zu pfeifen mein Erstaunen zum Ausdruck. „Ja, Mrs. Scott, das ist ein Verhalten meinerseits, mit dem die Geißel der Dimensionen sicher nie gerechnet hätte und an dem sie sicher noch arg zu knabbern haben wird.“

Plötzlich fiel mir ein leichter Windhauch auf, der immer wieder vor meinem Gesicht auf und ab wehte. „Benutzen Sie einen Fächer?“, fragte ich. „Nein.“, sagte Lomādo grinsend. „Aber wir haben Besuch. Strecken Sie mal Ihre Hände aus.“ Ich folgte seinem Vorschlag und bekam etwas Weiches zu fassen, das ich aber sofort vor Schreck wieder los ließ, eine kluge Entscheidung, wie sich noch herausstellen sollte. „Was war das?!“, fragte ich verunsichert. „Das weiß ich nicht.“, sagte er grinsend. Dann hörte ich, wie er jemandem oder etwas zuflüsterte: „Du solltest dich ihr mal besser von vorn präsentieren.“ „Wen meinen Sie?“, fragte ich.

Statt einer Antwort von ihm hörte ich aber nur ein Tapsen vor mir und dann legte sich ein weiches rundes Etwas auf meinem Schoß ab. Das Etwas war, wie ich herausfand, als ich es weiter betastete, der Kopf eines großen weichen Hundes, der mich stark an den Bernhardiner unserer Nachbarn erinnerte. Er hatte ein weiches dickes Fell und süße Schlappohren. Außerdem ging seine Zunge immer hin und her und machte dabei: „Schlapp, schlapp, schlapp.“ „Er mag Sie.“, sagte Baldāri, auf dessen Mühlen die Verhaltensäußerungen des Hundes offensichtlich Wasser waren. Aber nicht nur ein kleines Rinnsal, sondern wohl ein ganzer Sturzbach, wenn man seinem Grinsen nach ging. Auch ich, die ich als Hobbyverhaltensforscherin genau wusste, was das zu bedeuten hatte, musste zustimmen. „Man sagt.“, sagte Lomādo. „Tiere spüren genau, wenn jemand Böses im Schilde führt. Sagen Sie selbst, Mrs. Scott. Würde der Hund Sie mögen, wenn Sie böse wären?“ „Nein.“, antwortete ich spontan. „Sehen Sie.“, sagte er. „Sie sind genau so ein Opfer wie der, den alle als den Wäscher vom Mars bezeichnen. Es mag zwar seltsam klingen, aber die Art, auf die ich ihn bekämpft habe, sollte ihm ermöglichen, später an Hilfe zu gelangen.“ „Schon klar.“, sagte ich, der inzwischen auch die Genialität seines Plans klar geworden war. „Übrigens, Sie können mich Betsy nennen.“ „Dann sagen Sie aber auch Lomādo.“, sagte er. Das war wieder so eine für einen Aldaner ungewöhnliche Verhaltensweise.

Ich begann damit, den großen offensichtlich sehr lieben Hund zu kraulen. „Na, mein Großer?“, sagte ich. „Wo kommst du denn so mutterselenallein her?“ „Er trägt ein Halsband.“, sagte Lomādo. „Ich versuche mal was.“

Er übertrug mir die Schriftzeichen, die er auf dem Halsband erkennen konnte, telepathisch. Dabei machte er aber leider den Fehler, mir auch die Farben zeigen zu wollen, was mich total verwirrte. „Entschuldigung!“, sagte er laut, fest, aber auch mit einer gewissen Scham in der Stimme. „Ich bin untröstlich. Das wollte ich nicht. Wissen Sie, Sie müssten hier nicht blind sein, wenn Sie wollten. Aber ich denke, dass die visuellen Eindrücke sie total verwirren und überfordern würden. Tut mir leid. Ich hoffe, ich habe jetzt nicht das zerstört, was Ihr Freund mit Ihnen in Jahren mühsam aufgebaut hat, was Ihre Angst vor Telepathie angeht.“ „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, Lomādo.“, sagte ich diplomatisch lächelnd. „Das bedeutet, dass Ihr Missgeschick sicher nicht alles zerstört hat.“ „Dann ist ja gut.“, sagte er erleichtert und atmete auf. „Ich werde mich das nächste Mal dann eben wie ein sehr disziplinierter Aldaner benehmen müssen und sehr stark selektieren, was ich Ihnen übermittle, Betsy. Einverstanden?“ „Einverstanden.“, nickte ich.

Der Hund fiepte plötzlich laut und nahm den Kopf von meinem Schoß. Dann hob er einen großen Ast mit seiner großen breiten Schnauze auf und hielt ihn mir hin. „Na, willst du spielen?“, fragte ich mit hoher leiser Stimme und einem hörbaren Lächeln im Gesicht. Auf meine Frage hin begann sein Schwanz erneut, stark zu wedeln. „Mir scheint, Sie haben einen neuen Freund gefunden.“, sagte Lomādo. „Das glaube ich auch.“, sagte ich. „Aber vielleicht ist es auch eine Freundin. Ich wäre froh, wenn ich das rauskriegen könnte, aber ich will dem armen Tier auch nicht ins Intimste fassen.“ „Verständlich.“, sagte Lomādo. „Vielleicht sollte ich mal nachsehen, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.“

Gerade in diesem Moment hörte ich ein Plätschern und bekam mit, wie der Hund sein linkes Hinterbein rückwärts wegstreckte. „Alles klar.“, lächelte ich. „Ein Junge! Du bist eindeutig ein Junge! Wie du wohl heißt und wem du wohl gehörst?“

Lomādo hatte plötzlich wie versteinert neben mir gesessen und kein Wort herausgebracht. „Ist was nicht in Ordnung?“, fragte ich. „Doch.“, sagte er erstaunt. „Ich wüsste nur gern, wie Sie das jetzt gerade gemacht haben, ohne ihm an die Wäsche zu gehen.“ Das Ihm hatte er noch einmal gesondert betont. „Nun.“, klärte ich ihn auf. „Wenn Rüden sich erleichtern, bleiben sie stehen und strecken ein Bein weg. Hündinnen setzen sich. Würde sich ein Rüde setzen, würde er sich ja selbst ins Fell pinkeln und das fände er bestimmt auch nicht sehr angenehm. Dass er stand, habe ich gespürt, weil seine Wirbelsäule nach wie vor gerade durchgedrückt war. Das Wegstrecken seines Beins habe ich daran gespürt, weil sich seine linke Beckenschaufel gedreht hat. Ich hatte meine Hand gerade an seiner Hüfte.“ „Wow!“, entflog es Lomādo. „Sie sind doch nicht so eingeschränkt, wie ich zu Anfang dachte. Vieles, was Ihnen Ihre Augen nicht zeigen, zeigt Ihnen dafür eindeutig Ihre Intelligenz in Verbindung und verlässlicher Zusammenarbeit mit Ihren Händen.“ „Danke.“, sagte ich und lächelte.

Dann griff ich mir den Ast und sagte zu dem Hund: „Aus!“, worauf er ihn sofort losließ. Dann ließ ich ihn einige Male über meinem Kopf mal in die rechte und mal in die linke Hand tanzen. Auch tat ich, als wollte ich ihn werfen. Dabei sagte ich immer zu: „Pass auf! Ui, pass auf! Wo is’ er?!“ Fiepend hechelnd und wedelnd folgte der Hund jeder meiner Bewegungen mit seinen Augen und seiner Nase. Dann machte ich plötzlich: „Woush!“, und ließ den Ast fliegen, was den Hund veranlasste, freudig hinterher zu sprinten. „Ui.“, sagte Lomādo und lachte. „Sie verstehen es, mit Hunden zu spielen.“ „Das versteht sich von selbst.“, sagte ich. „Ich hatte selbst mal einen. Aber noch mal was anderes: Was war es, das Sie mir über die Schriftzeichen auf dem Halsband sagen wollten?“ „Es sind Bajoranische.“, sagte Lomādo. „Interessant.“, sagte ich, die ich noch nicht ahnte, wohin mich diese Spur noch führen sollte.

Das Rettungsshuttle war in die demetanische Atmosphäre eingeflogen und Tchey hatte Kurs in Richtung der Exo-Klinik gesetzt. Dies hatte D/4 ihrem Patienten auch gleich mitgeteilt. „Was genau ist das für eine Einrichtung, D/4?“, fragte der Alaraner. „Es handelt sich um eine Klinik, in der Wesen behandelt werden, die nicht humanoid sind.“, antwortete die Sonde wahrheitsgemäß. „Es gibt einen Teil, der von zivilem Personal und einen, der von der Sternenflotte betrieben wird. Sie werden in den letzteren Teil überstellt.“ „Interessant.“, sagte der Schmetterlingsartige mit unschuldigem Blick. „Was für ein Interesse dürfte das Militär der Föderation an einem einfachen Heraldiker wie mir haben?“ „Ein sehr Großes.“, sagte die Sonde. „Meine Scanns haben ergeben, dass Sie in Kontakt mit Logar stehen oder standen. In Ihrer Hirnrinde befinden sich genügend Hinweise auf eine telepathische Verbindung zwischen Ihnen. Logar ist der Herrscher des Dunklen Imperiums und Sie scheinen weitaus mehr, als ein einfacher Heraldiker zu sein. Ich denke, dass Sie in der aktuellen politischen Situation mehr zum Thema beitragen können, als Sie uns jetzt hier weiß machen wollen.“ „Sie und Ihre ach so guten Adleraugen, meine Liebe.“, sagte Korelem. „Ich weiß, dass Leugnen zwecklos ist, deshalb gebe ich es Ihnen gegenüber besser gleich zu. Ja, es stimmt! Ich stehe in Kontakt mit seiner Majestät. Er hat einen bestimmten Plan, was eine Erziehungsmaßnahme gegen seine Tochter angeht, die sich schon wieder ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt hat und es bestimmt noch tun wird. Aber mehr darf ich Ihnen nicht sagen.“

Er hielt einen Moment lang inne, weil er wohl eine Reaktion von ihr erwartete, aber diesen Gefallen tat ihm D/4 nicht. Vielmehr ging sie scheinbar teilnahmslos weiter ihrer Arbeit nach. „Haben Sie mir zugehört?“, fragte er schließlich. „Das habe ich.“, bestätigte die Sonde. „Dann wundert mich, warum Sie mich nicht fragen, ob Logar seine Tochter nicht allein erziehen kann, oder warum er uns Sterbliche da immer mit hineinzieht.“ „Weil mir der Grund dafür bekannt ist.“, sagte die Sonde. „Seine Majestät weiß ganz genau, dass seine Tochter uns Sterbliche immer wieder unterschätzt und deshalb um so überraschter ist, wenn wir es schaffen, einen ihrer Pläne zu durchkreuzen. Das versetzt ihr einen stärkeren psychischen Dämpfer, als das Nutzen seiner Macht es je könnte.“ „Da haben Sie ganz Recht.“, sagte der Insektoide lächelnd. „Ich wusste, wir verstehen uns.“

An einer Schleuse auf dem Dach der Klinik hatte Tchey das Shuttle gedockt, ein Vorgang, der D/4 und Korelem nicht verborgen geblieben war. „Wir sind da.“, sagte die Sonde und öffnete per Knopfdruck die innere Schleuse. Im gleichen Moment wurde auch die Äußere geöffnet und ein Demetaner in der Uniform eines Medical Assistant der Sternenflotte blickte sie fragend an. „Männlich, Mitte 40, Alaraner, Verdacht auf multiple Muskelfaserrisse in der Flugmuskulatur, Zustand: Erschöpft aber ansprechbar. Kreislauf: eingeschränkt aber stabil nach Gabe von 22 mg stabilisierender Medikation. Gleiche Menge Schmerzmittel. Hat sich mit einem See um die Leiche einer Frau duelliert, die er retten wollte.“, erklärte D/4 knapp. „Interessanter Nebenbuhler.“, scherzte der Demetaner. Dann setzte er sich an eine Transporterkonsole und ließ Korelem von der Trage des Shuttles auf eine der Klinikeigenen beamen. „Sie können abrücken, Rescue One.“, sagte er dann noch und winkte einer weiteren Person. „Danke, Medical Assistant.“, sagte die Sonde und verschwand wieder im Inneren des Shuttles, dessen Luken sich wieder schlossen. Dann summten die Atmosphärentriebwerke auf und es war verschwunden. Jetzt wurde auch die Dachluke wieder geschlossen.

Der Demetaner, ein schwarzhaariger kräftig gebauter großer Mann von ungefähr einem Meter achtzig, beugte sich erneut über den Patienten auf der Trage. „Hallo, mein Freund.“, sagte er freundlich. „Ich bin Medical Assistant Vitron. Sie müssen sich nicht mehr sorgen. Jetzt wird es Ihnen bald besser gehen.“ „Daran hege ich keine Zweifel, Medical Assistant.“, sagte Korelem.

Der medizinische Assistent erhielt eine Weisung von der Frau im Hintergrund auf Demetanisch. Darauf trat er ein Stück zurück, um ihr Platz zu machen. Jetzt trat sie in Korelems Blickfeld. Sie war ca. 1,70 m groß, hatte ein helles freundliches Gesicht und kurze brünette Haare. „Hallo. Ich bin Scientist Makrin. Ich bin Ihre behandelnde Ärztin. Ich bin auf Ihre Art spezialisiert.“, sagte sie mit ihrer zwar festen aber dennoch freundlichen hellen Stimme. „Angenehm.“, sagte er. „Mein Name ist Korelem.“ „Gut, Mr. Korelem.“, sagte Makrin. „Dann werden wir Sie gleich erst mal auf Ihr Zimmer verfrachten. Aber vorher werde ich Sie untersuchen.“

Sie zog einen Erfasser, programmierte ihn auf bestimmte Parameter und begann damit, das zylindrische Gerät über Korelems Körper zu führen. Beim betrachten des Displays verzog sich das Gesicht der brünetten kurzhaarigen Frau plötzlich von normal neutral zu sehr ernst und alarmiert. „Sofort in den OP!“, ordnete sie an. „Je eher wir handeln, desto bessere Chancen haben wir, seine Flugfähigkeit zu erhalten! Los, Vitron! Sie verständigen mir auf der Stelle das Team für Notfallanästhesie! Ich ziehe mich um und wir treffen uns vor dem Saal! Das muss jetzt alles schnell gehen! ganz schnell!“ Er nickte und begann damit, ihre Anweisungen auszuführen.

Kapitel 33: Eine Begegnung, die Weichen stellt

von Visitor

 

Stunden lang hatten Lomādo und ich jetzt schon mit dem großen freundlichen Hund gespielt. Dabei bestand das Spiel nicht nur darin, dass er den von uns abwechselnd weggeworfenen Ast immer wieder zu uns zurückbrachte, nein, wir spielten auch ein Suchspiel mit ihm, in dem meine Aufgabe darin bestand, ihn abzulenken, damit mein neuer aldanischer Freund den Ast irgendwo verstecken konnte. Dabei versuchte Lomādo immer wieder, den Ast durch Schleifen über den Boden auch noch für ihn riechbar zu machen. Auf ein telepathisches Zeichen von Lomādo schickte ich den Hund, den wir in Ermangelung der Kenntnis seines wirklichen Namens erst einmal Softi genannt hatten, dann auf die Suche. Sobald das geschehen war, kam Lomādo zu mir zurück und führte mich hinter dem schnüffelnden Hund her. „Sie haben sich da ja ein paar hübsche Schlangenlinien ausgedacht.“, stellte ich fest. „Na ja.“, meinte Lomādo. „Wir wollen es ihm ja auch nicht zu einfach machen, nicht wahr?“ Ich nickte.

Dann hielt er mich plötzlich stark zurück. „Passen Sie auf.“, flüsterte er mir zu und im gleichen Moment hörte ich, wie der Hund sich an einem Laubhaufen in der Ecke zu schaffen machte und den Ast ausgrub. Dann trug er ihn stolz zu uns und wedelte mit dem Schwanz. „Feiner Softi!“, lobte ich und dann begannen Lomādo und ich damit, ihn fest und aus vollem Herzen zu kraulen. Er setzte sich hin und begann zu grunzen, was für mich ein eindeutiges Zeichen von Wohlgefühl war. Diese Tatsache ließ mich damit beginnen, über beide Ohren zu grinsen. „Na toll!“, lachte Lomādo. „Der eine grunzt, die andere grinst. Herz, was willst du mehr!“

Softi stand auf und drehte sich plötzlich um, bevor er sich mit Genuss auf den Bauch fallen ließ und sich auf den Rücken rollte. „Ui.“, machte ich. „Machst du kuller-kuller? Is’ das so fein hier? Hm?“ Als wollte er mir antworten, fuhr Softi damit fort, sich laut grunzend im Sand zu wälzen. Dann legte er sich vor uns flach auf den Bauch und begann damit, seine Pfoten zu lecken. „Der is’ platt wie ’ne Flunder, aber zufrieden.“, flapste ich. „Sie meinen, er sei erschöpft?“, erkundigte sich Lomādo, der mit meiner Äußerung wohl wenig anfangen konnte. „Genau das.“, bestätigte ich. „Dann sieht es wohl so aus, als müssten wir eine Weile hier bleiben.“, sagte er. „Ich glaube nicht, dass ich so einen großen Hund zurück zu unserer Bank tragen kann.“ „Das hat auch niemand von Ihnen verlangt, Lomādo.“, lächelte ich.

Er zog mich ein Stück beiseite und dann bekam ich nur noch mit, dass es eine Art Geräusch gab. Dann lag vor uns eine Wolldecke und mitten darauf stand ein riesiger Picknickkorb. „Wie haben Sie denn das gemacht?“, wollte ich wissen. „Sie wissen doch.“, meinte Lomādo, dass wir uns hier alles wünschen können, was wir wollen.“ „Entschuldigung.“, sagte ich. „Das habe ich wohl total vergessen.“

Er führte mich auf die Decke und dann setzten wir uns hin. Danach begann er, den Korb auszupacken. Auch an Hundewürstchen für Softi hatte er gedacht. Für uns gab es allerlei belegte Brote und Obst, sowie Hackbällchen und diverse Getränke mit und ohne Alkohol. Softi bekam eine große Schale mit Wasser.

„Ich hoffe, Sie wollen nicht mit mir anbändeln.“, sagte ich mit einem Grinsen auf meinen von terranischem Zaziki beschmierten Lippen. „Aber nein.“, scherzte Lomādo. „Ich habe nur versucht, das Beste aus unserer Situation zu machen. Ich weiß ja, dass Sie verheiratet sind und dass Sie alles daran setzen, zu ihrem Mann ins Leben zurückzukommen.“

Ich fuhr zusammen. Er schien doch mehr über mich zu wissen, als mir zunächst bewusst war. „Wenn Sie wissen, dass ich verheiratet bin.“, sagte ich. „Was wissen Sie noch?“ „Ich weiß.“, sagte Lomādo. „Dass Sie einen Freund haben, den Sie neben Ihrem Ehemann sehr lieben. Ich weiß auch, dass das Ganze eine kompliziertere Geschichte ist, als es auf den ersten Blick scheint.“ „Woher wissen Sie das?“, fragte ich. „Die Toten können die Geschicke der Lebenden beobachten.“, sagte er. „Das werden Sie auch noch lernen, wenn Sie in Shinells Unterricht gut aufpassen.“ Ich wurde das Gefühl nicht los, dass in seinem letzten Satz eine gewisse Art von Zynismus mitgeschwungen hatte, eine Eigenschaft, die ich an sich bei Aldanern noch nie festgestellt hatte, aber er war ja, nach seinen eigenen Angaben, ein ungewöhnliches Exemplar seiner Spezies.

Plötzlich kamen weibliche Schritte auf uns zu. Lomādo erblickte eine ca. 1,80 m große Frau, die eine sportliche schlanke Figur hatte und deren Kopf eine kurze rotbraune Haarpracht zierte. Außerdem hatte sie eine für eine Bajoranerin typische leicht eingedrückt wirkende Nase. Sie trug einen leichten weißen Rock und eine rote Bluse. Ihre strumpflosen Füße steckten in zwei pinken Flipp-Floppys. Sie ging gleich auf Softi zu und legte ihm eine mitgebrachte Leine an, deren unteres Ende mit bunten Steinchen verziert war. Der Rest steckte in einem blauen Plastikgehäuse und bestand aus einer dicken festen Schnur, die auf eine Spule aufgewickelt war. Am anderen Ende des Gehäuses befand sich ein handlicher Griff.

Sie führte den Hund zu der Bank, machte dort ein Handzeichen und sagte: „Sitz und bleib!“ Dann kam sie zu uns zurück. „Dieser Schlingel!“, lächelte sie. „Der muss auch immer versuchen, mit allen und jedem Freundschaft zu schließen. Hat er Sie belästigt?“ „Oh, nein, Miss.“, lächelte ich, der ihre Stimme irgendwie sehr bekannt vorkam. „Ich mag Hunde. Eigentlich mag ich alle Tiere, wie mir mal jemand bescheinigt hat.“ Lomādo nickte nur bestätigend.

„Ach, setzen Sie sich doch zu uns.“, sagte ich und deutete auf einen Platz auf der Decke direkt neben mir. „Und gegen die Gesellschaft Ihres lieben Vierbeiners habe ich auch nichts. Wir haben die ganze Zeit so nett miteinander gespielt!“ „Also gut.“, sagte die Fremde und pfiff. Dann rief sie: „Odo, hier!“ Ich musste laut lachen, konnte aber auch nicht glauben, was ich da gerade gehört hatte. Hatte sie den Hund gerade wirklich Odo gerufen?

Softi oder Odo, wie wir jetzt besser wussten, kam wedelnd zu uns gelaufen und ließ sich von seinem Frauchen neben mich auf die Decke dirigieren. Dann legte er sich dort ab. „Sagen Sie mal.“, sagte ich verwirrt. „Haben Sie Ihren Hund tatsächlich nach dem Sicherheitschef von Deep Space Nine benannt?“ „Oh, ja.“, grinste sie. Auch Lomādo lachte verschmitzt. Wenn ich damals schon gewusst hätte, warum die Beiden sich so verhielten, dann wäre mir sicher einiges nicht so geheimnisvoll vorgekommen.

Die Bajoranerin sah, wie ich mit einer sehr vollen Flasche Saft kämpfte. „Warten Sie.“, sagte sie freundlich. „Ich werde Ihnen helfen. Sonst machen Sie sich noch ganz schmutzig. Wissen Sie eigentlich, dass Sie ansonsten sehr gut zurechtkommen? Ich meine, Sie sind blind und tragen keinen Visor. Das ist etwas, was man schon in dem Jahrhundert, in dem ich gelebt habe, selten angetroffen hat. Aber jetzt, ca. 800 Jahre später, sollte man doch meinen …“ „Oh, ich war eine Pendlerin zwischen den Jahrhunderten.“, sagte ich. „Deshalb durfte ich nicht …“ „Aber hier dürften Sie doch.“, sagte sie. „Ich meine, jetzt, wo Sie tot sind, unterliegen Sie doch keinen Beschränkungen mehr.“ „Das wäre eine zu große Umstellung für sie.“, sprang Lomādo für mich in die Bresche. „Es würde sie total überfordern.“ Dann wandte er sich telepathisch an sie: Ja, wir haben die Richtige, Neris!

Mir war aufgefallen, dass wir uns noch gar nicht vorgestellt hatten. „Übrigens, ich heiße Betsy Scott.“, sagte ich. „Kira Neris.“, stellte sie sich vor. „Sie können mich ruhig Neris nennen.“ „OK, Neris.“, sagte ich. „Dann sagen Sie aber bitte auch Betsy zu mir.“ „OK, Betsy.“, sagte sie.

Lomādo hatte das Tor zum Park, das er aus unserer Position heraus gut sehen konnte, die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Jetzt wandte er sich an mich: „Ich denke, wir müssen diese Unterhaltung bald beenden. Da kommt unsere gestrenge Frau Therapeutin.“ „Dann werde ich am Besten wieder gehen.“, sagte Neris und nahm die Leine: „Komm, Odo!“ Dann war sie verschwunden. Wie gesagt, wenn ich gewusst hätte, was diese ganzen Hinweise, die sie gestreut hatte, noch für eine Bedeutung haben würden, dann …

„Warum haben Sie Neris fortgeschickt?“, fragte ich. „Weil die normalen Toten hier normalerweise nicht so gern gesehen sind.“, erklärte er. „Shinell und ihr Personal meinen, sie könnten uns viel zu viel und viel zu schnell in Dinge einweihen, die uns noch zu unvorstellbar erscheinen könnten. Deshalb sehen wir uns nur heimlich.“ „Haben Neris und Sie eine Beziehung?“, fragte ich. „Nein!“, sagte er. „Wo denken Sie hin? Da würde jemand anderes total eifersüchtig werden.“ Das war schon wieder so ein Hinweis. Wenn ich nicht bald herausbekommen würde, was hier los war, dann würde ich noch vor Neugier platzen! „Neris und ich sind nur Freunde.“, sagte Lomādo, während er mir den Rest des Saftes in mein Glas goss. „Aber sehr gute Freunde.“

Er musste mitbekommen haben, wie aufgeregt ich war. Ganz ruhig., hörte ich seine Stimme in meinem Geist. Gleichzeitig merkte ich, wie ich wieder von einer merkwürdigen Ruhe erfasst wurde. Ich werde Ihnen jetzt helfen, unsere Unterhaltung mit Neris vor Shinell zu verstecken. Wenn sie in der Nähe ist, werden Sie sich nicht mehr daran erinnern. Sobald sie weg ist, aber schon. Vertrauen Sie mir. Sonst wird es für uns beide unangenehm. Versuchen Sie, sich zu entspannen! Ja! Viel besser! Vertrauen Sie mir. Ganz ruhig jetzt!

Ich bekam das Gefühl, aus einem Traum aufzuwachen. Dann stand Shinell neben mir und sprach mich an. Lomādo war fort und auch an meine Unterhaltung mit Neris konnte ich mich nicht mehr erinnern. „Es ist spät, Betsy.“, sagte Shinell. „Ich bringe dich jetzt in dein Zimmer. Schlaf dich aus. Morgen beginnt ganz früh der Unterricht. Dein aldanischer Nachbar wird dich abholen.“ „OK, Shinell.“, sagte ich und folgte ihr. „Du musst übrigens keine Angst vor Mr. Baldāri haben, obwohl er Telepath ist.“, sagte sie, während wir ins Gebäude gingen. „Oh, ich habe keine Angst vor Telepathen mehr.“, sagte ich. „Das verdanke ich schließlich deinem Bruder.“ „Ich weiß.“, sagte sie.

Shinell führte mich den langen Gang entlang, den ich schon einmal kennen gelernt hatte. Dann gelangten wir zu einem Turbolift, mit dem wir in den zweiten Stock fuhren. Hier ging ein langer breiter Flur von dem Gang ab, in dem sich die Tür des Lifts befand. Von diesem Gang wiederum zweigten Türen in verschiedene Appartements ab.

Ich ging zur nächsten Wand, um von dort, wie ich es gewohnt war, die Türen zu zählen. „Du weißt, dass du hier nicht mehr so umständlich handeln musst.“, sagte Shinell. „Das weiß ich.“, sagte ich. „Aber ich will mich nicht zu sehr an den Luxus des Wünschens gewöhnen. Schließlich will ich noch einmal wieder zurück ins Leben.“ „Na gut.“, sagte Shinell. „Dann eben auf die Umständliche.“

Sie stellte sich neben mich und nahm mich bei der Hand, um mich zur Lifttür zurückzuführen. „Nimm sie in den Rücken.“, sagte sie. „Und jetzt geh einfach geradeaus rüber.“ Das tat ich und landete an einer der Wände mit den Türen. Die Wandverkleidung fühlte sich warm und weich an, als würde hier ein Teppich hängen. „Gibt es hier Wandteppiche, Shinell?“, fragte ich. „Ja, die gibt es.“, antwortete Shimars Schwester. „Sie zeigen die gleichen Motive wie die Fliesen im Eingang. Schließlich wollen wir hier keinem auf die Füße treten, was seine Glaubensgrundsätze angeht. Aber wenn du sie sehen willst, warum wünscht du dir nicht einfach, dein Augenlicht zu besitzen?“

Ich drehte mich exakt in die Richtung, aus der ich ihre Stimme gehört hatte, baute mich vor ihr auf und sagte langsam deutlich und bestimmt: „Ich habe dir gerade schon gesagt, Shinell, dass ich mich nicht an das Wünschen gewöhnen möchte! Meiner Ansicht nach, ist das nämlich der erste Schritt in eure Abhängigkeit von den Quellenwesen! Kein Wunder, dass ihr das normale Leben irgendwann als Strafe empfindet! Ich habe keine Ahnung, was die davon haben, euch hier zu halten, aber im Notfall kriege ich sogar das raus! Verlass dich drauf!“ „Nun mal nicht gleich so hitzig.“, versuchte Shinell, mich zu beruhigen. „Wieso?!“, sagte ich. „Wieso, he! Hat die liebe Shinell etwa Angst um ihren neuen heißen Job, den ihr die Quellenwesen gegeben haben?! Du musst dir ja sehr mächtig vorkommen! Vielleicht glaubst du sogar, irgendwann selbst einmal zu einem …!“

Betsy, stopp! Die telepathische Stimme, die mir dies eindringlich eingeschärft hatte, erkannte ich sehr wohl. Es war Lomādo. Er musste uns beobachten. Wahrscheinlich wollte er wissen, wohin Shinell mich brachte. Aber mir war, wenn ich es recht bedachte, auch längst klar, warum er mich gestoppt hatte. Wenn ich offenen Widerstand leistete, dann konnten Shinell und ihre Leute gewarnt sein und mir die Rückkehr in mein Leben noch viel mehr erschweren. Wenn ich aber nach außen so tat, als würde ich mitmachen, könnte ich es vielleicht schaffen, sie zu überzeugen, mich irgendwann von der Leine zu lassen und dann …

Ich holte tief Atem und versuchte, meine doch sehr hart gewordenen Gesichtszüge wieder merklich zu entspannen. Dann sagte ich: „Tut mir leid, Shinell. Ich denke, es war für mich heute alles etwas viel! Kannst du mir noch einmal verzeihen?“ „Natürlich.“, sagte sie. „Deine Reaktion ist außerdem völlig normal. So, oder so ähnlich reagieren die Meisten, die hier herkommen, bevor ihre Sanduhr eigentlich abgelaufen ist. So heftig habe ich das zwar noch nie erlebt, aber du scheinst eben heute etwas impulsiv zu sein.“ „Vielleicht sind es die Hormone.“, scherzte ich. „Du bist ja selbst eine Frau. Also weißt du ja auch, wie das ist, so alle vier Wochen.“ „Du bist witzig.“, meinte sie, die meinen Witz durchaus verstanden hatte, denn sie wusste ja auch, dass ich keinen Körper mehr hatte und mir dessen Bedürfnisse dann auch nichts mehr anhaben konnten. „Außerdem verzeiht man der Familie ja wohl fast alles. Wie sagt man bei euch auf der Erde noch? Blut ist dicker als Schnaps, nicht?“ „Nimm Wasser.“, scherzte ich. „Is’ gesünder.“ „Alles klar.“, sagte Shinell und korrigierte: „Blut ist dicker als Wasser.“ „Wie kommst du darauf, dass wir eine Familie sind?“, fragte ich. „Weil du mit meinem Bruder eine Beziehung hattest.“, sagte Shinell. „Also warst du fast so was wie meine Schwägerin.“ „Ach so.“, sagte ich.

Wir gingen weiter und fanden uns bald vor der dritten Tür von links wieder. „Hier wohne ich?“, fragte ich. „Ja, hier wohnst du. Teste es doch mal.“, meinte sie.

Ich tastete an der Wand nach den im 30. Jahrhundert üblichen Fingermulden. Endlich hatte ich sie gefunden und legte meinen rechten Zeigefinger hinein. „Biologischer Fingerabdruck akzeptiert.“, sagte eine nüchterne Rechnerstimme. „Die Quellenwesen und ich waren unsicher, ob wir dir eine Wohnung mit moderner, oder mit Einrichtung des 21. Jahrhunderts geben sollten. Aber da du aus der Welt des 30. Jahrhunderts kamst, als du gestorben bist, fanden wir es für deine Akklimatisation so besser.“ „Schon klar.“, sagte ich.

Ich betrat neben Shinell den Flur meiner neuen Unterkunft und bemerkte, dass sie meinem Quartier auf der Granger sehr ähnlich sah. Der Schnitt der Wohnung war genau so mit dem Flur, der direkt ins Wohnzimmer führte und den rechts und links von ihm abzweigenden Türen in die restlichen Zimmer.

„Ich werde dich jetzt erst mal allein lassen.“, sagte die junge Tindaranerin und wandte sich in Richtung Tür. Dann war sie verschwunden.

Ich ging ins Wohnzimmer und sah mir zunächst einmal meine Einrichtung an. Auf dem Sofa, das die ganze rückwärtige Wand einnahm, lagen weiche Kissen mit Tiergesichtern, die man sogar sehr gut fühlen konnte. Eines, das Motiv auf dem rechten Kissen, erinnerte mich an meinen Kater Mikosch, das andere auf dem Linken an meinen Hund Mausi. Du hast deine Hausaufgaben wirklich gemacht, Shinell., dachte ich. Dann strich ich über die weiche in verschiedener Art gefleckte Decke, die sich ebenfalls auf dem Sofa befand. Ansonsten sah es aus wie ein durchschnittliches 2-sitziges Sofa mit geschwungenen Armlehnen. Vor dem Sofa stand ein kleiner 4-eckiger Tisch. Er war rechteckig und glatt. Nur in seiner Mitte bildeten einige Fliesen ein Mosaik, das an eine strahlende Sonne erinnerte. In einer weiteren Ecke, auf die ich genau zu ging, wenn ich mich am Sofa orientierte, fand ich einen großen Schreibtisch. Darauf stand der Replikator in der rechten hinteren Ecke. In der Linken fand sich der Hausrechner und in der rechten vorderen Ecke das Terminal für die Sprechanlage. Die linke vordere Ecke war frei. Davor fand sich ein normaler Bürostuhl.

Mich überkam plötzlich eine merkwürdige Müdigkeit. Wahrscheinlich war das Erlebte ziemlich viel für mich gewesen. Ich ging also in Richtung meines Schlafzimmers und ließ mich dort in mein weiches kuscheliges Bett fallen, das sich für mich genau so anfühlte, als wäre ich zu Hause in meinem Haus in Little Federation. Neben dem Bett befand sich ein kleiner Nachttisch, auf dem sich ebenfalls ein Terminal für eine Sprechanlage befand. Als ich die Tasten berührte, gingen meine Finger unwillkürlich einen ganz bestimmten Weg. Da ich die Tastatur einer Sprechanlage, als ausgebildete Kommunikationsoffizierin, ja auswendig kennen musste, wusste ich auch bald, was für ein Weg das war. Ich vermutete sofort, dass dies Lomādos Rufzeichen war, was ich aus der Buchstaben- und Zahlenkombination auch eindeutig herleiten konnte. „Oh, Mr. Baldāri, Sie schlimmer Finger.“, flüsterte ich, bevor ich einschlief. „Sie haben wohl eindeutig mehr getan, als nur das Gespräch abgeschirmt, an das ich mich in Shinells Gegenwart nicht erinnern soll.“

Viele Wochen lang war Saron nun schon von Therapiesitzung zu Therapiesitzung gepilgert. Er wusste zwar nicht genau, ob er den zivilen Arzt, dem ihn Sendor und seine Frau anvertraut hatten, wirklich alles erzählen konnte, was er wusste, aber es war ihm ohnehin sicherer gewesen, das nicht zu tun. Da sich der Wäscher im Moment auch nicht um weitere Waschungen kümmern konnte, würde Doktor Jenkins wohl auch nicht so schnell eines seiner Opfer werden können. Radcliffe hatte aus strategischen Gründen wohl auch kein Interesse an noch einem Zivilisten. Aber dies kam wohl auch nicht von ihm, sondern eher von Sytania, die viel mehr Interesse an Schlüsselfiguren aus Politik und Sternenflotte hatte. Dass ihr aber gerade dies noch zum Verhängnis werden sollte, ahnte die Imperianerin noch nicht.

Der Sekretär hatte wie immer das Gebäude betreten, in dem Doktor Jenkins seine Praxis hatte. Die freundlich lächelnde Frau an der Anmeldung, eine Platonierin Mitte der 40er mit roten lockigen Haaren und einem ordentlichen weißen Kostüm, zu dem sie helle leicht hochhackige Schuhe trug, winkte ihn gleich durch. Sie war mit 1,60 m sehr klein, aber sie hatte auch schon durch intelligente Ratschläge ihren Teil dazu beigetragen, dass es Saron heute schon viel besser ging. „Gehen Sie doch schon mal durch, Mr. Saron.“, sagte sie. „Der Doktor erwartet Sie.“ „Danke, Malia.“, sagte Saron und bog in Richtung Sprechzimmer ab.

Hier, in dem hellen Raum mit freundlicher Bebilderung an der Wand und einem kleinen Sofa in der Mitte, das mit seinem bunten Blumenmuster und seinen weichen Kissen geradezu zum Verweilen einlud, erwartete ihn tatsächlich schon Doktor Jenkins. Der Arzt saß hinter seinem schweren Schreibtisch, der sich an der Südwand des Raumes befand und sah seinen Patienten, dessen Akte er auf dem Bildschirm seines Rechners hatte, nachdenklich an. „Da sind Sie ja, Mr. Saron.“, sagte er. „Am besten wird sein, Sie setzen sich. Was ich Ihnen zu sagen habe, könnte Sie sonst unter Umständen von den Socken hauen.“

Erwartungsvoll drehte sich Nuguras Sekretär um und ließ sich in das Polster der Couch sinken. Dann sah er zu Jenkins hinüber. „Ich fürchte, dass ich Ihnen nicht helfen kann, Saron.“, sagte der auch psychiatrisch ausgebildete Mediziner. „Wissen Sie, Malia und ich haben da eine Theorie. Sie wissen ja selbst, wie Sie reagieren, sobald wir Ihnen Bilder von Verbrechen zeigen.“ „Ja, das weiß ich.“, sagte Saron, der schon wieder das Gefühl hatte, man würde ihm den Boden unter den Füßen wegziehen. „Ich bin dann immer so erschüttert, als würde ich noch ein Kind sein, das …“ „Jetzt zitieren Sie mich.“, sagte Jenkins. „Das Gleiche habe ich Ihnen nämlich letzte Woche gesagt. Es scheint bei Ihnen nämlich so zu sein, dass Sie noch immer in einer Welt leben, in der Kinder zu Hause sind, die von der großen bösen Welt da draußen total überfordert wären, da der Teil Ihrer Persönlichkeit, der Ihnen hilft, diese Dinge zu verarbeiten, noch nicht ausgebildet ist. Unsere Untersuchungen haben zweifelsfrei ergeben, dass Sie dieses Verhalten auch nicht erlernen könnten, selbst, wenn Sie wollten, da Ihnen der entscheidende Teil ihrer Persönlichkeit einfach fehlt.“

Er rief ein Bild im Rechner auf. „Das ist Ihr Gehirn.“, sagte er. „Genauer die Verteilung Ihrer neuralen Energie in ebendiesem. Ein normaler Erwachsener Ihrer Rasse hat dieses Verhältnis.“ Damit ließ er ein weiteres Bild rechts neben dem von Sarons Profil erscheinen. „Sehen Sie die Unterschiede?“, fragte er. „Ja.“, nickte der Sekretär. „Es gibt bei mir offenbar ein Gebiet, das vollkommen leer ist.“ „Genau.“, sagte Jenkins. „Dieses Gebiet heißt Mandelkern und regelt das Selbstvertrauen und das Aggressionsverhalten. Weil es bei Ihnen quasi nicht versorgt wird, gehen wir davon aus, dass hier der Grund liegt, warum Sie von bösen Handlungen so mitgenommen werden. Eine Person mit normalem vitalen Mandelkern würde zumindest in Betracht ziehen, sich dagegen irgendwie zu wehren.“ „Sie meinen also, ab und zu mal eine aggressive Tendenz sei normal?“, fragte Saron, der sich durch Jenkins’ Sätze in die Situation seiner Waschung zurückversetzt fühlte, in der ihm der Wäscher eingebläut hatte, dass er keine aggressiven Handlungen mehr dulden und ausführen dürfte. „Oh, ja, Mr. Saron!“, sagte Jenkins mit Überzeugung. „Und das werde ich Ihnen jetzt auch verdeutlichen!“

Er wandte sich auf seinem Bürostuhl herum und einer Sprechanlage zu: „Malia, bringen Sie doch bitte unsere Versuchsanordnung rein, ja?!“ „Sofort, Chef.“, kam die freundliche helle Stimme der Helferin zurück. „Was haben Sie mit mir vor?“, fragte Saron, dem es leicht beklommen wurde. „Ich habe vor, Ihnen etwas zu zeigen.“, sagte Jenkins. „Bedauerlicherweise ist das unsere allerletzte Option. Wenn das nicht gelingt, dann habe ich keine Theorien mehr und bin mit meinem Latein am Ende.“

Die Tür des Behandlungsraumes öffnete sich und gab den Blick auf die kleine zierliche Gestalt der Arzthelferin frei, die einen Wagen vor sich her schob. Darauf befand sich ein Tablett, in dessen Mitte Saron eine altertümliche Waage ausmachen konnte, deren Waagschalen noch leer waren. Außerdem sah er eine Flasche mit Wasser und zwei grüne durchsichtige Töpfe, von denen einer mit schwarzen und einer mit weißen Bällen gefüllt war. Diese standen zu Füßen der Waage, wo sich auch einige Datenkristalle befanden. „Bringen Sie es in die Mitte des Raumes, Malia!“, ordnete Jenkins an. „Und dann beginnen Sie. Ach, diese Akten.“ Sein Blick hatte die Kristalle gestreift. „Na ja, egal. Fangen Sie an!“

Malia nickte und befestigte die Wasserflasche mittels eines Klebestreifens auf dem Balken an der Wage. Da er gerade war, war auch die Flasche im Lot. Dann entkorkte Malia sie. Gleich danach entnahm sie auch den Deckel des Topfes, in dem sich die weißen Bälle befanden und begann damit, sie in die eine Waagschale zu füllen. Sorgenvoll beobachtete Saron, wie sich die Flasche immer weiter neigte und das Wasser über die Kristalle zu laufen drohte. Würde das passieren, das wusste der Sekretär, dann hätte das die Vernichtung der Daten zur Folge. „Halt, Malia!“, versuchte Saron, sie in ihrem Vorhaben zu stoppen. „Damit vernichten Sie vielleicht wichtige Daten! Sie können doch nicht …!“

Starr sah die junge Frau ihren Chef an, der ihr aufmunternd zunickte, was sie als Aufforderung verstand, weiter zu machen. „Sie hört Ihnen nicht zu, Saron.“, sagte Jenkins. „Aber vielleicht finden Sie ja auch einen anderen Weg, einen Ausgleich herbeizuführen.“

Es plätscherte. Saron sah, wie sich einige Kristalle bereits in einem See befanden, der sich zu Füßen der Waage gebildet hatte. Aber noch war nicht alles Wasser ausgelaufen und einige waren vielleicht noch zu retten, wenn es ihm irgendwie gelingen sollte, die Richtung der Flasche, in die sie sich geneigt hatte, zu ändern.

Hilflos sah sich Saron im Raum um und erblickte tatsächlich den zweiten Topf mit den schwarzen Bällen. Händeweise begann er, sie in die leere Waagschale zu schaufeln. Da Mengen und Gewichte gleich waren, stand die Flasche auch bald wieder gerade und kein weiterer Tropfen Wasser mehr wurde vergossen. „Gut gemacht, Mr. Saron!“, lobte Jenkins. „Aber warum haben Sie das jetzt gemacht?“ „Als Sekretär weiß ich, wie wichtig Daten sein können.“, sagte Saron. „Dann wird es Sie interessieren, dass diese Kristalle leer waren.“, sagte Jenkins. „Wir haben Sie hereingelegt. Aber wir mussten das tun, um Sie zu einer Handlung zu provozieren. Deshalb wählten wir ein Beispiel aus Ihrem Alltag. Aber warum haben Sie gerade das gemacht?“ Er deutete auf die Waage. „Ich wollte wieder einen Ausgleich herstellen zwischen schwarz und weiß.“, sagte Saron. „Nur so geht es. Nur so …“

Dem intelligenten Demetaner fiel es wie Schuppen von den Augen. „Wollen Sie mir etwa sagen, dass nur ein Ausgleich zwischen gut und böse eine funktionsfähige Lebensweise ermöglicht?“ „Genau!“, sagte Jenkins. „Wissen Sie, junger Freund, der Wäscher hat Ihnen versucht weiszumachen, dass Sie ihre aggressive Seite ablegen müssen. Von mir sollen Sie lernen, sie wieder zu akzeptieren. Die Anomalie, die wir bei Ihnen feststellten, haben Sie nämlich nicht schon seit Ihrer Geburt, sondern erst seit Ihrer Begegnung mit dem Wäscher. Ich bin überzeugt, wenn Sie Ihre aggressive Seite akzeptieren würden, ginge es Ihnen viel besser.“

Saron lehnte sich zurück und dachte über das nach, was ihm der Arzt soeben gesagt hatte. „Aber wie soll ich das machen?“, fragte er. „Ich meine, woher wird meine aggressive Seite wissen, dass ich ihn akzeptiert habe und was wird er dann tun? Wenn Ihre und Malias Theorie stimmt, dann wird er zu mir zurückkommen, oder so. Genau habe ich das nicht verstanden. Ich meine, das ist kein Wunder. Ich bin Sekretär und kein Psychologe.“ „Sie irren sich, Saron.“, beschwichtigte Malia. „Im Gegenteil. Sie haben die Situation sehr gut verstanden. Genau das wird passieren, wenn Sie Ihre aggressive Seite akzeptieren. Wir wissen nicht genau, was der Wäscher mit ihm gemacht hat, aber wir denken, dass, wo immer er auch ist, er den Weg zu Ihnen zurückfinden wird. Ich habe keine Bedenken, dass Sie nicht in der Lage sein werden, mit ihm zurechtzukommen. Das ging ja vor Ihrer Begegnung mit dem Wäscher auch, ohne dass Sie straffällig geworden wären.“ „Sie haben Recht.“, erinnerte sich Saron. „Aber wie sollte ich Ihrer Meinung nach mit ihm in Kontakt treten?“ „Wie treten Sie denn sonst mit Leuten in Kontakt, die Sie noch nicht kennen?“, fragte Jenkins. „Oder wie tun Sie und Ihre Vorgesetzte, die Präsidentin der Föderation, das?“, ergänzte Malia. „Der erste förmliche Kontakt findet durch ein Raumschiff und dessen Besatzung statt.“, antwortete der Sekretär. „Das ist allgemein bekannt.“, sagte Jenkins. „Aber ich nehme doch an, Nugura und Sie werden nicht sofort an Bord dieses Schiffes sein, nicht wahr?“ „Natürlich sind wir das nicht.“, erwiderte Saron. „Das würden die Sicherheitsprotokolle gar nicht zulassen. Der nächste Schritt ist dann im Allgemeinen ein SITCH zwischen Nugura und dem fremden Staatsoberhaupt oder ein Briefwechsel per SITCH-Mail, um Verträge aufzusetzen und so weiter.“ „Dann tun wir das doch.“, sagte Jenkins. „Malia, Sie kennen Ihren Job.“ Die zierliche Platonierin nickte und verließ den Raum. „Was tut sie jetzt, Doktor?“, fragte der etwas verwirrte Saron. „Sie trifft alle Vorbereitungen.“, sagte Jenkins und sah ihn geheimnisvoll an. „Überlegen Sie sich doch schon mal ein paar Bedingungen, die Sie mit ihrer aggressiven Seite aushandeln wollen.“ Vertrauensvoll nickte Saron und tat, was ihm sein Arzt soeben vorgeschlagen hatte.

Im Antiuniversum saß Nugura mit ihrer Version von Saron zusammen und beratschlagte. „Was werden wir als Nächstes tun, Sea Federana?“, fragte der Demetaner. „Wir werden, das denke ich, zu einem geeigneten Zeitpunkt die gute Föderation angreifen sollen. Das wird sie ablenken von dem, was Sytania eigentlich wirklich vorhat. Aus keinem anderen Grund wurden wir geschaffen.“, sagte die Antinugura. „Und was ist ihr wahrer Plan, Sea?“, fragte Saron und schmeichelte ihr mit den Augen. „Darüber habe ich noch keine genauen Angaben.“, sagte Nugura und lachte gemein. „T’Mir steht in besserem Kontakt mit ihr. Ich weiß nur so viel, dass wir die gute Sternenflotte ablenken sollen. Ich denke, mein lieber Saron, dass ich auch nicht mehr wissen muss und Sie auch nicht. Falls die gute Sternenflotte nämlich doch als Siegerin aus dieser Schlacht hervorgehen sollte und wir in ihre Gefangenschaft geraten, wäre es besser, wir wüssten nicht all zu viel. Sie haben potente Telepathen, die …“

Der böse Saron stand auf, klopfte sich auf die Schenkel und begann laut zu lachen. „Was gibt es da zu lachen, Mr. Saron?!“, empörte sich die böse Nugura. „Die und uns besiegen?!“, prustete Saron. „Wovon träumen Sie nachts, Sea, mit Verlaub. Das ist eine Tatsache, die meines Erachtens niemals auftreten wird. Die Sternenflotte besteht nur noch aus willenlosen gelähmten Pazifisten! All ihren Kampfeswillen haben wir ihnen doch genommen! Um so verwirrter werden sie sein, wenn sie quasi von den eigenen Leuten angegriffen werden. Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, gibt es da auch noch eine kleine Sache, die auch sehr unangenehm für sie sein wird. Nämlich … Helfen Sie mir!“

Nugura wandte sich zu ihrem Sekretär um. Ursprünglich hatte sie vorgehabt, ihm die Leviten zu lesen, aber das, was sie jetzt sah, ließ sie dann doch nur mit vor Staunen offenem Mund zurück. Saron schien immer durchsichtiger zu werden und schließlich keine Substanz mehr zu besitzen. Dann schwebte er durch das Dach und ward nicht mehr gesehen.

Sofort nahm die Präsidentin das Mikrofon der Sprechanlage in die Hand und gab das Rufzeichen der Sicherheit ein. „Finden Sie Mr. Saron!“, befahl sie. „Ich glaube, er ist soeben vor meinen eigenen Augen entführt worden!“

Inzwischen war Malia zurückgekehrt und hatte ihrem Vorgesetzten eine Adresse für ein SITCH-Mail-Postfach und ein Kennwort zugeflüstert. Außerdem hatte sie ein Pad in der Hand, das sie Saron gegeben hatte. „Danke, Malia.“, sagte Jenkins. „Ich werde dann gehen. Unser Mr. Saron ist es gewohnt, dass ihm eine weibliche Stimme die Fakten des Tages präsentiert. Da möchte ich mich nicht einmischen.“ Dann lächelte der Arzt und war aus der Tür.

Kaum hatte sich die Tür geschlossen, veränderte sich Malias Gesichtsausdruck. Streng schaute sie jetzt drein und setzte sich hinter den Schreibtisch. Erst jetzt fiel Saron auf, dass sie ein ähnliches Kostüm trug, wie es Nugura hatte, wenn sie im Allgemeinen in den Nachrichten zu sehen war. Auch das Makeup stimmte. „Warum sehen Sie aus wie meine Chefin, Malia?“, fragte Saron. „Wie bitte?!“, sagte die falsche Nugura streng. „Wer ist Malia, Mr. Saron. Sie sind wohl mit den Gedanken noch immer bei Ihrer letzten Urlaubsbekanntschaft! Dabei wäre es sicher besser, wenn Sie schleunigst hier her zurückkämen, denn wir haben heute noch einen Erstkontakt zu besiegeln. Nehmen Sie Ihr Pad und notieren Sie! Die Adresse lautet: as-j 1, 19.ely. Inhaltlich wird es um die Ihnen bereits bekannten Vertragsbedingungen gehen! Haben Sie das?“ „Ja, Madam President.“, sagte Saron, der aufgrund der Zusammensetzung der Adresse durchaus ableiten konnte, dass es sich um eine Adresse im Firmennetzwerk der Praxis handeln musste und dass as wohl für Antisaron stand. Aber er war gewillt, das Rollenspiel mitzuspielen. Deshalb war es für ihn auch nicht schlimm, dass sich Malia als seine Chefin ausgab. „Ja, Madam.“, nickte er. „Ich mache mich sofort an die Arbeit.“ „Tun Sie das aber bitte hier.“, sagte Malia alias Nugura. „Ich möchte gern noch einmal drüber sehen, bevor Sie die Mail senden.“ „Gut.“, sagte Saron und setzte sich wieder auf das Sofa. Er platzierte sich aber so, dass Malia ihn gut sehen konnte. Dann räusperte er sich und begann, folgende Sätze in das Pad zu diktieren: „Lieber Antisaron, was du jetzt von mir zu lesen bekommst, ist sicher nicht das, was man als Idealbild der Föderation bezeichnen würde. Seine aggressive Seite willkommen zu heißen und sie einzuladen, wieder zurück zu kommen, nachdem man von ihr getrennt wurde, ist sicher nicht das Verhalten eines Föderationsbürgers, das man sich unter Theoretikern vorgestellt hat. Sicher habe ich dich recht stiefmütterlich behandelt in der Zwischenzeit. Dies ist eine Tatsache, die ich aus ganzem Herzen bitter bereue, denn mir ist klar geworden, dass wir uns gegenseitig benötigen, um überleben zu können, um beide überleben zu können. Ich benötige deine Stärke, um in der nicht gerade friedlichen Welt da draußen zurechtkommen zu können, aber du benötigst genau so meine Vernunft, um nicht irgendwann eine Handlung zu begehen, die dich unter Umständen das Leben kosten könnte. Als ich zuließ, dass man uns trennte, habe ich dies alles nicht bedacht. Aber jetzt habe ich meine Meinung geändert. Jetzt habe ich gelernt, dass es nur gemeinsam geht. Genau so, wie es im Universum immer zwei gegensätzliche Seiten und Pole geben muss, damit der Energiefluss funktionieren kann, brauchen sich auch gut und böse, um dauerhaft existieren zu können. Deshalb sage ich dir hiermit aus vollem Herzen: Ich akzeptiere dich und …“

Weiter war er nicht gekommen, denn im gleichen Moment wurde er ohnmächtig. Gleichzeitig sah Malia jetzt einen zweiten Saron, der aber irgendwie durchsichtig zu sein schien. Er kam durch das Dach hereingeschwebt und schwebte auf den am Boden liegenden Saron zu, um dann in ihn hinein zu fliegen. Für die irritierte Arzthelferin sah es aus, als würden sich beide miteinander vereinen.

Malia drückte drei mal einen bestimmten Rufknopf an der Sprechanlage, ein Zeichen, das sie mit Doktor Jenkins ausgemacht hatte, sollte etwas passieren. Sofort stürmte der Arzt mit einem Erfasser in der Hand ins Zimmer. „Was ist los, Malia?!“, fragte Jenkins. „Sehen Sie, Doktor!“, sagte die völlig überforderte Malia ängstlich und zeigte auf das Geschehen. Jenkins richtete den Erfasser darauf und traute ebenfalls seinen Augen kaum. „Mit so was hätte ich jetzt am wenigsten gerechnet.“, gab er zu. „Denken Sie etwa ich?“, fragte Malia. „Nein.“, sagte Jenkins. „Aber Fakt ist, dass sich die ganze Energie von unserem immateriellen Freund hier in seinem Mandelkern zu konzentrieren scheint.“

Saron kam zu sich. Seine anfänglich immer blassen Gesichtszüge hatten sich ebenfalls rosig gefärbt und er schaute auch schon wieder viel mutiger drein. „Ich muss zu Nugura!“, sagte er und versuchte sich aufzurichten, was aber zunächst nur in einem weiteren Kuss für den Fußboden endete. „Langsam!“, sagte Jenkins. „Sie ruhen sich jetzt erst mal aus! Dann können Sie ihrer Vorgesetzten immer noch alles sagen. So eine Vereinigung schlaucht sicher auch.“ „Sie wissen …?“, fragte Saron. „Ja.“, sagte Jenkins fürsorglich. „Wir haben alles gesehen. Aber jetzt legen Sie erst mal die Beine hoch!“ „Nein!“, sagte Saron und unternahm einen weiteren erfolglosen Versuch, auf die Beine zu kommen. „Ich muss auf der Stelle zu ihr! Sonst könnte es unter Umständen zu spät sein!“ Er war eingeschlafen. „Hängen Sie ihn an eine Infusion, Malia.“, flüsterte Jenkins seiner Helferin zu. „Wenn er wieder auf den Beinen ist, erlaube ich, dass er von hier ein Gespräch mit Nuguras Büro führen darf. Danach rufen Sie ihm dann bitte ein Taxi.“ „In Ordnung, Doktor.“, nickte Malia.

Sytania fand sich auf ihrem mit goldenen Beschlägen verzierten Bett in ihrem Gemach wieder. Zu ihren Füßen stand Cirnach und an ihrem Kopf stand Dirshan, der die kundige Vendar in Ermangelung eigener Erfahrung hinzugeholt hatte. Nachdem der Novize die Königstochter bewusstlos über ihrem Thron hängend aufgefunden hatte, glaubte er das Schlimmste.

„Was ist geschehen?“, fragte Sytania schwach, nachdem sie die Augen geöffnet hatte. „Ich weiß es nicht, Gebieterin.“, sagte Dirshan. „Ich fand Euch bewusstlos im Thronsaal. Dann ließ ich Euch hier her bringen und schickte nach Cirnach.“ „Du hast recht getan.“, sagte die Prinzessin. Dann drehte sie sich der Vendar zu, die ihr aus einer goldenen Karaffe einen Trank hinhielt. „Diese Kräuter werden Eure mentale Energie stärken, Hoheit.“, sagte sie. „Was immer Euch auch geschehen ist, wurde Euch nicht durch einen Sterblichen getan, soviel steht nach meiner Untersuchung fest. Der Junge … Ach, vergebt mir bitte! Ich meinte, Euer Truppenführer. Er sagte, er habe Euch mit seinem Erfasser gescannt, die Bilder des Gerätes aber nicht einordnen können. Es scheint jedoch, als sei etwas, das Ihr einem Sterblichen getan habt, wieder auf Euch zurückgefallen. Das kann ich mir aber auch nicht erklären. Er hat mir das Gerät gezeigt und das Meine hat das Gleiche angezeigt. Also, an was könnt Ihr Euch erinnern?“ „Ich erinnere mich nicht an sehr viel, Cirnach.“, gab Sytania ihrem Drängen nach. „Ich weiß nur, dass … Moment! Das Gefühl, das ich hatte, entsteht immer dann, wenn ein Sterblicher einen Bann austrickst, den ich über ihn verhängt habe. Reicht mir den Kontaktkelch!“ „Dafür sind Eure Fähigkeiten noch zu schwach.“, sagte die Vendar beschwichtigend. „Bitte erlaubt Dirshan und uns, mit Sonden nach dem Rechten zu sehen. Wir werden das Problem schon finden.“ „Also gut.“, sagte Sytania und schlief ein.

Kapitel 34: Von Problemen und Geständnissen

von Visitor

 

Auch auf 281 Alpha wurde zur gleichen Zeit ein Problem gewälzt. Wie sie es IDUSA befohlen hatte, hatte Zirell vom Rechner der Station eine Verbindung mit Darell bekommen. Das Staatsoberhaupt der Tindaraner war zwar überrascht, so spät in der Nacht noch von ihrer Freundin zu hören, wusste aber, dass Zirell dafür bestimmt ihre Gründe haben würde.

„Warum holst du mich so spät noch aus dem Schlaf, Zirell?“, fragte die Regierende, die sich extra für dieses Gespräch noch einmal angezogen hatte. „Weil ich dringend mit dir über eine neue Situation reden muss, die sich erst kürzlich ergeben hat und die unseren Umgang mit der Föderation angeht.“, erklärte Zirell. „Unseren Umgang mit der Föderation?“, fragte Darell, die Zirell im Moment nicht wirklich gut folgen konnte. „Vergib mir.“, sagte sie. „Vielleicht ist es nur meine Müdigkeit, aber ich weiß beim besten Willen nicht, was du meinst. Wir werden die Föderation schützen! Ich weiß, falls sie es nicht wollen, könnten wir das vielleicht nicht, zumindest dann nicht, wenn es mit Hilfe unserer Kräfte sein müsste, aber die IDUSAs können Phasersalven und Torpedos auch dann abfeuern. Ihre Piloten müssen es ihnen ja nur befehlen und die Schiffe, deren Piloten außer Gefecht gesetzt werden, können diese Entscheidung auch allein treffen. Also, es ist alles in Ordnung, Zirell und jetzt lass uns bitte schlafen gehen. Morgen haben wir wieder einen anstrengenden Tag vor uns.“

Sie war im Begriff, das Mikrofon einzuhängen. Dabei musste sie sich drehen, was dazu führte, dass ihr Blick in einem bestimmten Winkel den Schirm streifte. Das ermöglichte ihr, Ishan zu sehen, der auf Zirells Zeichen wie ein Schatten hinter ihr hervorgetreten war. „Was zur Hölle macht dein medizinischer Offizier bei dir?!“, fragte sie. „Er ist Sachverständiger.“, antwortete Zirell. „Sachverständiger?!“, echote Darell verwirrt. „Sachverständiger für was?“ „Für den Grund, aus dem ich mit dir reden muss.“, sagte Zirell und grinste, denn sie war sich ihrer Aufmerksamkeit jetzt sicher. „Es geht nämlich nicht um einen eventuellen Kriegsfall. Genauer geht es nämlich um einen eventuellen Mordfall, den Nugura auf offiziellem Weg sicher nicht verkraften würde. Da wir beide gute Freundinnen waren und es noch immer sind, dachte ich, du könntest mir vielleicht einen Rat geben, wie ich mit der Situation umgehen soll.“

Das Staatsoberhaupt der Tindaraner setzte sich auf und wurde ganz aufmerksam. „Einen Mordfall?“, fragte sie. „Jetzt verrate mir bitte mal, wovon du da gerade geredet hast! Ich verstehe nämlich immer noch nicht, was dein Arzt dabei soll. Wenn dein erster Offizier, der Geheimagent ist, jetzt neben dir sitzen würde, dann könnte ich das ja noch verstehen. Aber was hat dein Mediziner damit zu tun?!“ „Er hat den eventuellen Mord festgestellt.“, sagte Zirell. „Ach, ihr habt eine Leiche.“, sagte Darell. „Und die ist Bürgerin oder Bürger der Föderation.“ „Nein!“, sagte Zirell, die es regelrecht hasste, wenn man voreilige Schlüsse zog. Dafür war ihre Freundin aber schon zu ihren gemeinsamen Schulzeiten berühmt und bekannt gewesen. „Hör gefälligst auf, immer so schnell voreilige Schlüsse zu ziehen! Das habe ich früher schon nicht gemocht!“, meinte Zirell mit leicht erbostem Unterton. „Dann sag mir doch bitte mal endlich, was hier los ist, Frau 9-mal-klug!“, konterte Darell. „Es gibt wahrscheinlich eine Tote, die sogar Offizierin der Sternenflotte ist. Diese Frau hatte eine Beziehung zu einem Tindaraner. Du weißt, was dann passiert.“, berichtete Zirell. „Die Schutzverbindung.“, schloss Darell. „Genau.“, sagte Zirell. „Der tindaranische Patrouillenflieger ist mein Patrouillenflieger. Deshalb hat Ishan auch seine Daten. Er war auf einer überwachten Außenmission, als es passiert ist. Ishan sagt, die Verbindung zwischen den Beiden wurde gewaltsam von außen getrennt, wie es für ihn aussieht. Da mein Flieger noch am Leben ist, muss seine Freundin tot sein.“

Am anderen Ende der Verbindung herrschte lange betretenes Schweigen. Dann sagte Darell: „Du hast Recht. Das ist wirklich eine verzwickte Situation. Nugura ist im Moment in einer Stimmung, in der ihr sogar die Nachricht über einen vorhergesagten Regenschauer den Boden unter den Füßen wegreißen und sie in den Selbstmord treiben würde. Ich habe die Daten von den Xylianern ja auch gesehen. Aber es gibt ein Schiff, mit dessen Kommandantin du doch schon oft erfolgreich zusammen geplant hast. Wenn sie nicht vom Wäscher betroffen ist, dann wird sie dir bestimmt gern helfen.“ „Das denke ich auch.“, sagte Zirell. „Zumal die Offizierin, um die es geht, ein Mitglied ihrer Crew war.“ „Na dann um so besser!“, meinte Darell und hängte das Mikrofon ein. Sie war wohl sehr erleichtert, jetzt endlich doch schlafen gehen zu können.

Ishan sah die ältere Tindaranerin an. „Für einen kurzen Moment war ich nicht sicher, ob es nicht eventuell notwendig sein könnte, von mir aus einzugreifen.“, sagte der Androide. „Ach, woher denn?!“, lachte Zirell. „Ich weiß, es war vielleicht nicht gerade effizient, unser kleines Geplänkel, wenn du das meinst. Aber das passiert nun mal unter Freundinnen. Man zieht sich eben ab und zu mal gern gegenseitig auf.“ „Dann hoffe ich mal, dass niemand von euch Beiden je die Feder der anderen überdreht. Sonst muss ich noch operieren.“, scherzte Ishan. „Oh, du entwickelst ja tatsächlich noch Humor.“, sagte Zirell.

Sie stand auf und versuchte ihre Augen offen zu halten, aber das gelang ihr nicht wirklich. „Du solltest das Gespräch mit der Granger auf morgen verlegen.“, schlug der medizinische Offizier vor. „Es könnte noch dauern, bis IDUSA sie ausfindig gemacht hat und bis dahin könntest du bereits eingeschlafen sein. Es wäre doch höchst peinlich, wenn Commander Kissara dich so sähe, nicht wahr?“ „Recht hast du.“, gähnte Zirell. „Es wird wohl wirklich besser sein, ich gehe ins Bett. An den Fakten ändert das ja sicher auch nichts mehr. Tot ist tot.“ Damit verließ sie neben Ishan den Konferenzraum, bevor sich ihre Wege trennten.

Scotty hatte Shimar vor der Kneipe abgesetzt, wie dieser es ihm vorgeschlagen hatte. Dann war er selbst zur Werft zurückgekehrt. Hier hatte er sich wieder IDUSA gewidmet. „Bitte lassen Sie niemanden anders, als nur sich selbst in meine Nähe.“, bat das Schiff. „Da kannst du dich drauf verlassen, IDUSA.“, sagte Scotty und strich über die leeren Ports für den Neurokoppler.

Das Schiff verriegelte plötzlich alle Luken. „Ich muss Ihnen etwas sagen.“, sagte sie. „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Ihre Frau …“ „Das weiß ich schon.“, sagte Scotty. „Dein Pilot war so frei.“ „Dann wissen Sie sicher auch, dass es zu diesem Thema diverse Ungereimtheiten gibt.“, meinte IDUSA. „Das weiß ich.“, sagte Scotty. „Aber wir sollten abwarten, was Shimar rauskriegt. Vielleicht kann er später schon mehr sagen. Er wollte sich in Ginallas Kneipe umhören. Vielleicht hat dort jemand was gesehen.“ „Ich halte für wahrscheinlich, dass Sytania mit dieser Sache etwas zu tun hat und unter Umständen sogar für den Tod Ihrer Frau verantwortlich ist.“, sagte IDUSA. „Das denke ich offen gesagt auch.“, meinte Scotty. „Die sähe es doch sicher sehr gern, wenn meine geliebte Betsy tot wäre und ihr mit ihrem Wissen über die Zusammenhänge bei Mächtigen nicht mehr in die Quere kommen könnte. Sicher, da gäbe es noch Mikel, der noch ein viel größeres Wissen hat, aber er scheint im Moment nicht ihr Augenmerk zu besitzen.“ „Ich denke.“, sagte das Schiff, „Dass dies daran liegen könnte, dass Sytania von Ihrer Frau mehr zu befürchten hat, als sie es von Agent Mikel je könnte.“

Scotty ließ ihre Worte eine Weile lang auf sich wirken, ohne ihren Zusammenhang gänzlich zu erfassen. Dann fragte er: „Was meinst du damit, Schiffchen?“ „Ich meine.“, sagte IDUSA. „Dass der Allrounder ganz genau weiß, wie eine Frau tickt, weil sie selbst eine ist. Sicherlich weiß Sytania, dass Betsy, wenn sie die richtigen Quellen anzapft, sicher in der Lage wäre, all ihre Pläne zunichte zu machen. Sie müsste wahrscheinlich nur die richtigen Fakten den richtigen Leuten mitteilen.“ „Und du meinst tatsächlich, Schiffchen, dass Sytania deshalb meine arme unschuldige Betsy umgebracht hat?“ „Davon gehe ich aus, Techniker Scott.“, sagte IDUSA. „Ich denke sogar, dass Shimar und ich bald wieder einrücken müssen. Könnten Sie vorsichtshalber alles bei mir vorbereiten?“ „Gewiss kann ich das.“, sagte Scotty. „Aber dazu musst du mich erst mal wieder rauslassen.“ „Wie Sie wünschen, Techniker Scott.“, sagte IDUSA und öffnete die Luke. „Es tut mir leid, dass ich Sie einsperren musste.“, sagte sie. „Aber es erschien mir angesichts der Umstände doch besser.“ „Schon gut, Schiffchen.“, sagte Scotty. „Ich nehm’ dir das nich’ krumm. Du hattest ja schließlich eine geheime Sache mit mir zu bereden. Da wäre es wohl nicht so gut gewesen, wenn jemand anderes reingeplatzt wäre.“

Er stieg aus und schloss ein Modul an einen ihrer Energieladeports an. Dann sagte er: „Achtung, IDUSA, jetzt kommt ’ne Ladung echter celsianischer Strom. Wenn du die erst mal intus hast, musst du nicht gleich wieder die nächste Sonne anpumpen!“ „Vielen Dank, Techniker Scott.“, sagte IDUSA.

Scotty gab einige Befehle in einen Rechner ein. Dann fühlte IDUSA, wie die Energie in ihre Systeme floss. Danach kehrte er in ihr Cockpit zurück. „Vielen Dank.“, sagte sie erneut. „Keine Ursache, Schiffchen.“, sagte Scotty, während er einige letzte Messungen vornahm. „Falls Shimar und du wirklich gleich wieder einrücken müsst, grüß bitte Sytania recht hübsch von mir. Wenn’s geht, dann direkt zwischen die Augen. Ich meine, so ’n Torpedo mit Rosannium macht sich sicher gut als Kopfschmuck.“ „Sie wissen.“, setzte IDUSA an, „Dass Sytania nicht sterben darf! Ihr Tod hätte ein Ungleichgewicht der Dimensionen zur Folge, da sie direkt mit dem dunklen Imperium verbunden ist. Allerdings ist Ihre Reaktion wohl völlig normal, wenn man bedenkt, in welcher stressigen Lage Sie sich befinden. Schließlich müssen Sie den Tod Ihrer Frau verarbeiten. Deshalb werde ich noch einmal davon absehen, Sie Shimar oder gar Commander Zirell, oder der Sternenflotte zu melden.“ „Nun mach mal halblang, Schiffchen!“, empörte sich Scotty. „Ich weiß auch, dass Lady Widerlich nicht sterben darf! Was ich gerade gesagt habe, war auch mehr als Scherz zu betrachten.! Ich dachte, du kennst mich!“ „Ja, ich kenne Sie.“, bestätigte IDUSA. „Und ich weiß, dass Sie des Öfteren zum Machen übler Scherze neigen. Aber ich dachte, weil der Tod Ihrer Frau ja sicherlich nicht spurlos an Ihnen vorbeigeht, würden Sie …“

Scotty machte ein ernstes Gesicht und sah den Avatar streng an. „Hör mal zu, Schiffchen!“, sagte er. „Ich habe es dir gerade schon einmal gesagt und ich werde es dir auch immer wieder sagen. Um Sytania umbringen zu wollen, weiß ich viel zu viel über die Zusammenhänge. Jedenfalls reicht mein Wissen aus, um gerade dies nicht zu tun. Ich hätte zwar nicht übel Lust, ihr die Suppe gehörig zu versalzen, aber dass ich zu einem Racheengel werde, der nicht mehr weiß, was er da eigentlich tut, das brauchst du nich’ zu befürchten.“ „Dann ist ja alles in Ordnung.“, sagte IDUSA, die ihm jeden seiner gerade gesagten Sätze wortwörtlich glaubte. „Ich denke auch, dass in jedem anderen Fall Ihre Frau sicher sehr enttäuscht von Ihnen gewesen wäre. Sie ist Sternenflottenoffizierin und hat das gleiche Wissen wie Sie. Sie würde mit Sicherheit nicht gut heißen, wenn …“ „Aber dazu wird es ja nicht kommen, wie du jetzt hoffentlich weißt!“, versicherte Scotty. „Und jetzt lass mich bitte raus und halt dich für Shimar bereit. Mit dir ist alles in bester Ordnung und man weiß unter diesen Umständen ja nie, wann ihr vielleicht wieder einrücken müsst.“ „In Ordnung, Techniker Scott.“, sagte IDUSA und öffnete die Ausstiegsluke.

Ich hatte eine kräftige Schalldusche genommen an diesem Morgen. Das mochte wohl auch daran gelegen haben, dass ich das Säubern meines Körpers am Vorabend völlig vergessen hatte und deshalb einen enormen Nachholbedarf verspürte. Danach hatte ich mir aus meinem gut gefüllten Kleiderschrank neue Sachen geholt. Frisch angezogen wartete ich nun in meinem Wohnzimmer vor dem Terminal der Sprechanlage. Tatsächlich piepte dieses auch bald. Nach einer kurzen Abfrage der Zeit wusste ich auch bald, wer nur am anderen Ende der Verbindung sein konnte. „Ich komme raus, Lomādo!“, lächelte ich ins Mikrofon und beendete die Verbindung. Dann ging ich zur Tür, um meine Wohnung zu verlassen.

Vor der Tür erwartete er mich tatsächlich. „Hi.“, begrüßte er mich. „Sind Sie bereit für unseren gemeinsamen Schulweg?“ „Sicher.“, sagte ich. „Na dann!“, sagte er, hielt sich aber gleich darauf merkwürdig zurück. „Was ist?“, fragte ich. „Wie machen wir das jetzt?“, wollte er wissen. „Winkeln Sie bitte Ihren rechten Arm an!“, instruierte ich ihn. „Dann kann ich meine linke Hand darauf legen.“

Jetzt fiel mir auf, dass ich unter Umständen gerade auch etwas gesagt haben konnte, das ihn, als Aldaner, sehr treffen könnte. „Oh, tut mir leid.“, entschuldigte ich mich. „Sie mögen ja keine Berührungen.“ „Tja.“, sagte er. „Aber ich weiß auch, dass es nicht anders gehen wird mit uns. Außerdem haben Sie ja selbst festgestellt, dass ich ein ungewöhnliches Exemplar meiner Gattung bin. Also, warum nicht?!“

Er winkelte seinen Arm an und ich legte zögerlich meine Hand darauf. „Na sehen Sie.“, sagte er. „Es geht doch. Muss ich jetzt noch etwas beachten, während ich Sie führe?“ „Sie müssten mir Stufen und Unebenheiten ansagen.“, sagte ich. „Sonst stolpern und fallen wir zwei noch böse auf die Nase. Kurven spüre ich selbst, weil Sie ja immer einen halben Schritt vor mir sind. Sie könnten mich natürlich auch an die Hand nehmen, aber dann wäre mit Sicherheit die Leine zu lang. Sie verstehen schon.“ Er lachte.

Wir setzten uns in Bewegung. „Ist mein Tempo OK für Sie?“, fragte er. „Ja, Lomādo.“, sagte ich lächelnd. „Wenn Sie wollen, können wir sogar auch noch gern einen Zahn zulegen.“ „Von welcher Art Zahn reden wir hier?“, fragte er. „Meinen Sie den Zahn einer Maus oder den eines Elefanten?“ Ich musste lachen, denn ich wusste durchaus, was seine Andeutung zu bedeuten hatte. Deshalb überlegte ich mir meine Worte sehr genau, als ich sagte: „Sagen wir, den Zahn eines durchschnittlichen terranischen Menschen.“ Ich wusste, wenn ich das mit dem Elefanten bejaht hätte, würde er mit mir im Sprinttempo losgerannt sein. „OK.“, sagte er und wurde etwas schneller. „Sie scheinen sich bei mir sehr sicher zu fühlen.“, stellte er fest. „Das stimmt.“, bestätigte ich. „Obwohl Sie mich sicher heute das erste Mal führen. Aber Sie haben eindeutig ein Talent.“ „Danke für das Kompliment.“, sagte er. „Obwohl ich eigentlich noch nie so etwas gemacht habe, wie Sie schon richtig feststellten. Zu unseren gemeinsamen Lebzeiten, im 30. Jahrhundert wohlgemerkt, trugen ja die meisten Blinden einen Visor und so trat eine solche Situation sicher nie auf für mich.“ „Das schätze ich auch.“, sagte ich.

Wir hatten das Gebäude verlassen. „Findet der Unterricht nicht hier statt, Lomādo?“, wollte ich von meinem neuen Freund wissen. „Nein.“, entgegnete dieser hörbar lächelnd. „Es sind so viele Neuzugänge aufgetaucht, dass unser Klassenzimmer nicht mehr ausgereicht hat. Shinell musste sozusagen einen Raum außerhalb anmieten. Außerdem gehöre ich zu einigen ihrer Musterschüler.“

Sein letzter Satz hatte mich extrem verwirrt. „Wie bitte?!“, fragte ich und blieb stehen. „Sie sind einer ihrer Musterschüler? Das hat sich aber gestern Abend für mich noch ganz anders angehört, als Sie …“ „Man tut doch so einiges, um seine wahren Absichten zu verbergen.“, flüsterte mir Lomādo zu. „Ah.“, machte ich. „Verstehe.“

„Mein Spatz!“ Diese beiden deutschen Worte, die mir von einer Stimme aus einer Seitenstraße zugerufen worden waren, kannte ich sehr gut. So hatte mich nur einer genannt, wenn er sich gefreut hatte, mich nach langer Zeit wieder einmal zu sehen. Dieser Jemand, ein alter Mann mit Glatze, kam jetzt auf uns zu und nahm mich fest in seine Arme. Dabei gab er einen Laut von sich, den ich schon seit meiner frühesten Kindheit von ihm kannte und der mir seine Identität nur noch bestätigte. „Opa!“, rief ich und löste mich von Lomādo. „Was machst du denn hier?“, sprach er mich auf deutsch an und drückte mein Gesicht an das Seine. „Es ist doch noch gar nicht deine Zeit!“ „Ich wurde ermordet, Opa.“, sagte ich ebenfalls auf Deutsch, eine Tatsache, die für mich mittlerweile sehr ungewohnt war. Im 30. Jahrhundert hatte ich ja meistens Englisch gesprochen. Dabei war es mir sehr peinlich, dass mir das jetzt rausgerutscht war, denn eigentlich durfte ja niemand aus meiner Familie von meinem Pendeln zwischen den Jahrhunderten erfahren, damit die Geschichte nicht verändert wurde. Aber hier im Totenreich galten ja ganz andere Gesetze. Zeit war ein relativer Begriff und ich dachte, dass Opa ja wohl keinem Lebenden je stecken würde, was mit mir los war. Also sagte ich: „Du weißt es nicht, aber ich bin Sternenflottenoffizierin.“ „Ach.“, sagte Opa. „Du durchlebst wieder mal eine deiner Geschichten.“

Ich wollte verneinen, aber im gleichen Moment hörte ich Lomādo in meinem Geist: Sagen Sie ihm jetzt bitte das auf Deutsch, was ich Ihnen telepathisch auf Englisch sage! Geht klar., dachte ich und schaute ihn konzentriert an. Es ist ein Schutz., gab er mir ein. Ich komme mit der Situation hier noch nicht klar und spinne mich deshalb in diese Identität. Aber Shinell wird mir da schon helfen.

Ich übersetzte seine Worte und dann erklärte ich es Opa genau so, wie er es mir gesagt hatte. „Ach so.“, sagte er. „Na dann ist ja gut und wie es aussieht, ist mein Augäpfelchen ja auch jetzt in guten Händen. Dann muss ich mir ja keine Sorgen machen.“ Damit war er genau so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war.

Lomādo nahm gegenüber mir wieder die Führhaltung ein und ich hängte mich dran. Dann gingen wir weiter. Dass er sehr erleichtert über den Ausgang der Situation war, konnte ich ihm recht gut anmerken. „Warum durfte ich noch nicht einmal meinem Großvater die Wahrheit sagen, Lomādo?“, fragte ich. „Weil es ihn völlig überfordert hätte, wenn Sie das getan hätten, Betsy.“, sagte er. „Ihr Großvater lebt hier auf einer Erde, die seinem Heimatjahrhundert entspricht. Dass er hierher gefunden hat, liegt nur daran, dass er sich zu Ihnen gewünscht hat, ohne Ihren Aufenthaltsort genau zu kennen.“ „Ach du meine Güte!“, rief ich aus, denn als ausgebildete Sternenflottenoffizierin war ich mir durchaus über die Konsequenzen bewusst. „Sehen Sie?“, sagte Lomādo. Ich nickte verschämt. Eigentlich hätte ich darauf kommen müssen und nicht er, der als Zivilist ja gar nicht mein Wissen über die Konsequenzen einer solchen Einmischung kennen konnte. „Es ist nicht schlimm, Betsy.“, versuchte er mich zu trösten. „Schließlich handelt es sich hier um Ihren Großvater, mit dem Sie sehr viel verbunden hat. Aber er hat recht, wenn er meint, es sei eigentlich noch nicht Ihre Zeit. Ich verstehe nicht viel von Ihrer Muttersprache, aber Rudi und ich sind uns schon des Öfteren begegnet. Ich bin nur heilfroh, dass Sie jetzt da waren. Unsere sonstige Verständigung geschah nämlich nur mit Händen und Füßen.“ „Interessant.“, lächelte ich. „Haben Sie mir nicht gerade eine Moralpredigt über Einmischung gehalten?“ „Das stimmt.“, gab Lomādo zu. „Aber ich bin es ja auch nicht gewesen, der nach den Gerüchten über Ihre Ankunft den anderen aufgesucht hat. Ihr Großvater konnte es kaum erwarten, Sie zu sehen und so sind wir uns hier begegnet. Den Rat, sich einfach nur in Ihre Nähe zu wünschen, hat er von mir bekommen.“ „Wie das?“, wollte ich erstaunt wissen. „Ich dachte, Sie zwei konnten sich nur höchst mangelhaft verständigen.“ „Ja.“, bestätigte Lomādo und klang dabei schon fast nervös. Aber der Klang seiner Stimme gab mir auch das Gefühl, dass ich dabei war, ihn bei etwas zu erwischen, was eigentlich niemand wissen sollte.

Er zog mich zu einer Bank an der Straße. Dort setzten wir uns hin. Dann sagte er: „Hören Sie! Was ich Ihnen jetzt gestehe, darf niemand wissen, schon gar nicht Shinell! Versprechen Sie mir das!“ „Ich schwöre!“, sagte ich fest und legte meine rechte Hand auf mein Herz. „Bei allen Göttern, die ich kenne!“ „Also gut.“, sagte Lomādo und holte einige Male tief Atem, bevor er fort fuhr: „Ihr Großvater hatte von diesem Therapiezentrum für Mordopfer gehört und sich hier her gewünscht. Er wusste wohl, dass Sie ermordet worden waren und wollte Sie besuchen, aber da waren Sie und Shinell wohl noch unterwegs. Rudi war mit den Dingen, die er hier gesehen hatte, sichtlich überfordert, wollte aber nicht wieder gehen. Das hatte ich gespürt und mich seiner angenommen. Die Quellenwesen mögen mir vergeben.“ „War Opa nicht irritiert, dass sich ein Außerirdischer um ihn kümmerte?“, fragte ich. „Intelligentes kleines Ding, das Sie sind!“, zischte Lomādo und ich erkannte an der zögerlichen Weiterführung seines Berichtes, dass jetzt wohl der Knackpunkt kommen musste. „Sie wissen.“, sagte er. „Dass ich Ihnen erklärt habe, dass Sie hier theoretisch nicht blind sein müssen, wenn Sie es nicht wollen.“ „Ja.“, sagte ich und drängte: „Bitte, kommen Sie doch zur Sache, Lomādo! Was ist zwischen Ihnen und meinem Großvater passiert? Was haben Sie Schlimmes angestellt?!“ „Sie wissen, dass es signifikante visuelle Unterschiede zwischen Terranern und Aldanern gibt.“, erklärte er. „Als mir klar wurde, dass mein eigentliches Aussehen ihn erschrecken könnte, wünschte ich mich in die Gestalt eines Terraners. Das Problem war aber, dass Rudi mich bereits in meiner eigentlichen Gestalt gesehen hatte. Das Ganze hat ihn total verwirrt und er wusste nicht mehr aus noch ein! Und dann die Sprachbarriere! Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, sich also auch nicht zurückwünschen. Er wäre wahrscheinlich sonst wo gelandet! Also habe ich seinen Geist geordnet, nachdem ich mir gewünscht hatte, seine Sprache zu verstehen! Aber das hat nur noch mehr offene Fragen aufgeworfen. Verstehen Sie, Betsy! Ich war …“ „Deshalb wollten Sie, dass jetzt alles richtig läuft!“, stellte ich fest. „Deshalb wollten Sie Ihren Fehler quasi durch mich ausgebügelt wissen.“ „So ungefähr.“, sagte Lomādo. „Aber bitte kein Wort zu Shinell.“ „Darauf können Sie sich verlassen!“, sagte ich fest. „Aber Sie könnten doch das Gleiche noch mal mit mir machen, was Sie wegen dem Gespräch mit Neris gemacht haben.“ „Jeder telepathische Eingriff hinterlässt Spuren.“, stellte Lomādo gegenüber mir klar. „Wenn ich mich zu oft in Ihrem Geist herumtreibe, wird sie vielleicht doch misstrauisch.“ „Also gut.“, sagte ich. „Und noch mal danke.“ „Wofür danken Sie mir?“, fragte er. „Weil Sie, wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, meinen Großvater gerettet haben.“, antwortete ich. „Wenn das mit dem Wünschen aufgrund seiner Verwirrung nicht geklappt hätte, dann wäre er ja wirklich sicher sonst wo gelandet. Ich schulde Ihnen was.“ „Ach was.“, sagte er. „Ich habe nur getan, was ich für notwendig hielt in der Situation. Aber Sie dürfen Shinell wirklich nichts sagen. Sonst bin ich mal ihr Musterschüler gewesen.“ „Und dann ist sicher Ihre Versetzung gefährdet.“, sagte ich lächelnd. „Und das wollen wir ja wohl nicht. Also werde ich schon nichts sagen, um Shinell weiterhin schön fleißig Sand in die Augen zu streuen. Übrigens: Wie haben Sie sich denn nun eigentlich mit Opa verständigt? Ich meine, aus Ihrer Äußerung von Vorhin ging hervor, dass Sie sich die Kenntnis seiner Muttersprache nur temporär gewünscht hatten und sie dann wieder abgelegt haben. Sonst wären Sie ja eben nicht auf mich angewiesen gewesen.“ „Sie haben Recht.“, sagte er. „Und Sie können sich sicher auch denken, warum ich das getan habe.“ „Shinell?“, fragte ich. „Genau.“, sagte Lomādo. „Wie gesagt: Sie darf es nicht wissen und so etwas hätte zweifelsfrei eine Spur hinterlassen.“ „Weiß Opa denn mittlerweile, wer Sie sind?“, fragte ich. „Mittlerweile ja.“, sagte er. „Aber er hält mich für eine Art Schutzengel und das soll auch erst mal so bleiben.“ „Alles klar.“, sagte ich und streckte meine Hand aus: „Geben Sie mir fünf!“ Lomādo patschte mit seiner ausgestreckten Hand in meine. „Jetzt haben wir ein Geheimnis.“, stellte ich fest und er nickte mir bestätigend zu. Dann standen wir auf und gingen den Rest des Weges zu dem Gebäude, wo unser Unterricht stattfand.

Von Außen ähnelte jenes Haus fast einem Schloss. Es war groß, geräumig und man konnte sich in den Gängen schon mal verirren. „Wer sich das wohl gewünscht hat?“, fragte ich leise. „Die Quellenwesen stellen hier eine gewisse Struktur bereit.“, sagte Lomādo. „Sicher, theoretisch bräuchten wir keine Häuser und Straßen mehr, aber manche von uns hängen noch sehr an ihrem körperlichen Leben und für die stellt sich das eben so dar.“ „Verstehe.“, sagte ich. „Muss ich gleich eigentlich auf irgendwas achten?“ „Verhalten Sie sich einfach ganz normal.“, sagte Lomādo. „So sind Sie am wenigsten verdächtig.“ „Alles klar.“, sagte ich.

Wir bogen in einen Gang ab, der uns zu einigen schmalen Türen führte. Neben einer von ihnen stellte mich Lomādo ab und betätigte den Sensor. Die Tür glitt zur Seite und er nahm mich wieder an die Hand, um mich durch die Tür zu führen.

Wir gelangten in einen gemütlich eingerichteten Raum, in dem es für mich so gar nicht wie in einem Klassenzimmer aussehen wollte. Viel eher erinnerte der Raum mit seinem weichen bunten Teppich, den Bildern von sommerlichen Landschaften an der Wand und seinen kleinen in warmen Farben gehaltenen runden Tischchen, wie mir Lomādo erklärte, irgendwie an einen gemütlichen Aufenthaltsraum. Rund um jeden Tisch waren einige ebenfalls freundlich gefärbte Sessel gruppiert.

Er führte mich zu einem bestimmten Tisch in der Ecke. Hier setzten wir uns auf zwei Sessel. „Wo ist Shinell?“, fragte ich, die ich ihre Stimme in all dem Gewirr von Stimmen, die um uns herum waren, nicht wahrnehmen konnte. „Sie ist noch nicht da.“, antwortete Lomādo. „Aber sie wird schon noch kommen, verlassen Sie sich drauf. Und wenn sie kommt, dann würde ich an Ihrer Stelle nicht durchblicken lassen, dass Sie mit dem hier nun so gar nicht einverstanden sind. Versuchen Sie bitte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen wie ich auch.“ „Das habe ich Ihnen doch versprochen, Lomādo.“, sagte ich. „Erinnern Sie sich nicht?“ „Doch.“, sagte er. „Ich wollte es ja nur noch einmal verdeutlichen.“

Ich lehnte mich zurück und lauschte. Das merkwürdige Sprachengewirr, das ich hörte, ließ mich vermuten, dass der Wäscher bereits ziemlich oft zugeschlagen haben musste und wohl die halbe Föderation bereits hier war. Aber wenn die Wahl entweder Willenlosigkeit oder Tod hieß, konnte ich mir gut vorstellen, dass viele meiner Kameraden oder auch viele Zivilisten ersteres vorzogen. Zumal dann, wenn die Sache mit dem Wäscher schon durch die Medien gegangen war. Aber zumindest bei den Offizieren der Sternenflotte, die betroffen waren, konnte ich mir vorstellen, dass sie auch freiwillig den Tod gewählt hatten, denn nur so konnten sie verhindern, dass ihre bösen Alteregos zu Komplizen von Sytania wurden.

Lomādo schien Blicke mit jemandem auszutauschen. Jedenfalls hatte er sich in eine bestimmte Richtung gedreht und war auch am Gestikulieren. Die andere Person gestikulierte wohl auch zurück. Das konnte ich nur am Rascheln seiner und ihrer Kleidung wahrnehmen, denn im Rest des Raumes war es plötzlich so still geworden, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Erst nach Beendigung dieser Tätigkeit kam er wieder zu mir zurück. „Wer war das?“, flüsterte ich. „Ist Neris hier?“

Er knuffte mich in die Seite und gab scharf zurück: „Scht! Kein Wort! Es war nicht Neris, wenn Sie es unbedingt wissen wollen. In der Pause stelle ich Sie vor. Aber bis dahin wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie es nicht mehr erwähnen würden. Nur so viel. Mit einer Frau lagen Sie gar nicht so falsch. Nur Nationalität und Name stimmten nicht! Und jetzt still! Sie kommt!“

Die Tür öffnete sich erneut und Shinell betrat den Raum. Sie scannte ihn kurz mit den Augen und sagte dann: „Ah, da bist du ja.“ Dann wandte sie sich allen zu und räusperte sich, worauf das Geflüster und die Geräusche sofort verstummten. „Guten Morgen, Klasse!“, sagte Shinell ernst. „Guten Morgen, Shinell!“, erwiderten alle im Chor, inklusive mir. „Wir haben heute einen Neuzugang.“, sagte sie dann. „Betsy, komm doch bitte in die Mitte und stell dich vor. Lomādo, würdest du ihr bitte helfen?“

Mein neuer Freund lächelte und stand auf, um gegenüber mir wieder die übliche Haltung einzunehmen. Dann sagte er zu mir: „Na komm her!“, und zog mich zuerst auf die Beine und dann in die Mitte des Raumes. Hier hielten wir an.

Ich nahm eine aufrechte Haltung ein und sagte: „Also, mein Name ist Betsy Scott. Ich war Allrounder der Sternenflotte und bin ein Mordopfer! Ich denke, das trifft auf euch anderen auch zu.“ „Wurdest du auch vom Wäscher umgebracht?“, meldete sich die Stimme einer alten Frau aus einer Ecke. „Das weiß ich nicht genau.“, sagte ich. „Ich weiß nur, dass ich jetzt tot bin und sicher noch eine Menge zu lernen habe. Ich denke sogar, dass wir damit bald anfangen sollten. Ich bin schon ganz neugierig.“

Diese Worte hatte ich mit Bedacht gewählt und sie nicht umsonst benutzt. Die alte Frau, die mich gefragt hatte, ob ich auch vom Wäscher umgebracht worden war, hatte dies sicher nicht ohne Grund getan. Das bestätigte nicht nur mein Bauchgefühl, sondern auch Shinells Worte gegenüber ihr: „Wir reden später darüber, Lorana. Verlass dich drauf.“ Dann wendete sie sich an mich: „Möchtest du uns noch etwas sagen, Betsy?“ Ich schüttelte den Kopf. „Dann setz dich bitte wieder und warte hier auf mich.“, instruierte sie mich. „Ich werde den anderen nur noch rasch eine Aufgabe geben und dann werde ich mit dir in den Nebenraum gehen, um zu überprüfen, welche Vorkenntnisse du bereits hast.“

Mir wurde mulmig. Lomādo hatte mir zwar gesagt, dass ich zunächst zu allem Ja und Amen sagen sollte, aber falls sie mit mir allein wäre, bestände sicher die Gefahr, dass sie hinter unser kleines Geheimnis kommen könnte. Wie ich dies als Nicht-Telepathin verhindern sollte, wusste ich nicht. „Ist etwas nicht in Ordnung, Betsy?“, fragte Shinell. „Ich habe nur ein paar Schwierigkeiten, Shinell.“, log ich. „Sonst ist nichts. Ich denke, es hängt mit der Akklimatisation zusammen.“ „Ach, das wird schon vergehen.“, tröstete sie. „Wenn du erst mal ein paar hundert Jahre hier bist, dann vermisst du dein früheres Leben nicht mehr, glaub mir. So und jetzt komm! Es wird dir schon nichts Schlimmes passieren. Du kennst mich doch.“

Ich machte eine leichte Kopfbewegung in Lomādos Richtung. Dieser aber schien mich nicht zu beachten. „Du brauchst deinen neuen Freund nicht.“, sagte Shinell. „Wie gesagt, ich werde dir schon nichts tun.“ „Ich fühle mich nur noch nicht sonderlich wohl hier, Shinell.“, sagte ich. „Ach, das wird schon werden.“, meinte sie. „Spätestens dann, wenn das große Vergessen …“ „Ich will mein Leben nicht vergessen!“, sagte ich. „Da wirst du leider keine Wahl haben.“, sagte sie. „Das Vergessen setzt irgendwann von ganz allein ein. Aber dann kannst du mich jederzeit holen. Du bist nicht die Erste, die damit Schwierigkeiten hat. Ich werde mich dann schon um dich kümmern.“ „Kann ich mir vorstellen!“, zischte ich.

Keine Feindseligkeiten!, hörte ich plötzlich Lomādos Stimme in meinem Geist. Gehen Sie mit! Ich werde Sie beobachten, egal, was sie uns für eine Aufgabe gibt! Denken Sie an unsere Vereinbarung! Ich passe schon auf Sie auf! Verlassen Sie sich darauf! OK, Lomādo., dachte ich, denn ich dachte mir, dass er unsere Verbindung zumindest noch so lange aufrecht halten würde, bis er von mir eine Antwort bekommen hatte. Von Shimar wusste ich ja glücklicherweise, wie das zu machen war.

Ich wandte mich Shinell zu: „Gehen wir.“ „Warum nicht gleich so.“, sagte sie. „Und Ihr anderen beobachtet noch einmal eure Körper im Reich der Lebenden. Da hatten ja so manche noch ihre Schwierigkeiten. Lomādo, hilf bitte, wo du kannst.“ „Sicher, Shinell.“, sagte er und ich begann mich langsam zu fragen, ob an ihm nicht ein prima Schauspieler verloren gegangen war, während ich mit Shinell den Raum durch eine Seitentür verließ.

Kapitel 35: Ein ermittlerischer Durchbruch

von Visitor

 

Maron hatte in dieser Nacht, wie schon oft, kein Auge zugemacht. Er wusste, dass Nitprin immer noch von schweren Albträumen gequält wurde. Gerade deshalb wollte er sie nicht aus den Augen lassen, zumal sie zwar im Schlaf sprach, sich aber nach dem Aufwachen an nichts mehr erinnern konnte. Um das Puzzle trotzdem irgendwie zusammenfügen zu können, hatte der Agent IDUSA den Befehl erteilt, die nächtlichen Redeschwalle des Mädchens aufzuzeichnen. Außerdem sollte der Rechner ihn wecken, wenn Nitprin wieder einen Albtraum hatte. Dass dies in dieser Nacht entfiel, hatte der selbstständig denkende Rechner auch schon gemerkt, denn der erste Offizier hatte noch bis spät in die Nacht über Unterlagen gesessen, die er mit ihren Systemen bearbeitet hatte. Seine übliche Formulierung: „Ich gehe ins Bett, IDUSA!“, die sie normalerweise das Programm initiieren ließ, hatte er nicht benutzt.

„Soll ich Nitprin trotzdem überwachen, Agent?“, fragte der Stationsrechner. „Ja, IDUSA.“, sagte der erste Offizier und machte eine bestätigende Bewegung mit dem Kopf. „Ich frage nur, weil Ihr Verhalten von den programmierten Parametern abweicht.“, begründete IDUSA. „Das stimmt wohl.“, sagte Maron und klang dabei schon fast etwas amüsiert. „Aber du solltest trotzdem auf sie aufpassen und auch ihre Äußerungen weiterhin aufnehmen.“ „Haben Sie vor, sie beim Frühstück damit zu konfrontieren?“, fragte der Rechner. „Genau das!“, bestätigte Maron. „Aber ich werde schon aufpassen, dass ihr das Essen nicht im Hals stecken bleibt.“

Er wandte sich wieder den Unterlagen auf IDUSAs virtuellem Schirm zu, aber im gleichen Moment versperrte ihm der Avatar die Sicht. Sie hatte einen sehr ernsten Blick aufgesetzt und machte einige alarmierende Gesten vor seinem geistigen Auge. „Was ist los, IDUSA?!“, fragte Maron. „Nitprins medizinische Werte haben sich verändert.“, erklärte der Rechner nüchtern. „Sie produziert große Mengen von bei den Breen üblichen Stresshormonen. Außerdem zittert sie und ruft wieder Dinge im Schlaf.“ „Gib mir den Ton und das Bild aus ihrem Zimmer!“, befahl Maron. Der Avatar nickte und führte seinen Befehl aus. Der Demetaner konnte jetzt an der angestrengten und auf sehr große Angst hindeutenden Atmung des Mädchens gut hören, dass es ihr nicht gut ging. Außerdem schrie sie ununterbrochen Dinge wie: „Die Frösche! Hilfe, Maron, Betsy, Vater! Wo seid ihr?! Helft mir! Nein, sie dürfen mich nicht fangen! Der Kegel, nehmt euch doch den verdammten Kegel und lasst mich in Ruhe! Weg! Geht weg! Sytania, nein!“

Maron stand ruckartig auf und drehte sich in Richtung Tür. Dann befahl er noch in Richtung des Stationsrechners: „Aufzeichnung abbrechen, IDUSA! Hol Ishan oder Nidell! Sag ihnen, wir treffen uns in Nitprins Zimmer!“ Dann rannte der Agent, so schnell ihn seine Füße tragen konnten, ins Kinderzimmer. Dort sah er die völlig verkrampfte Nitprin in ihrem Bett liegen. Er nahm sie an den Schultern und rüttelte sie: „Jinya, wach auf! Du hast wieder einen Albtraum! Komm schon, wach auf! Wach auf!“

Einige Minuten vergingen, ohne dass sich etwas tat. Dann schlug das Mädchen plötzlich die Augen auf. „Oh, Maron!“, sagte sie und holte tief Luft. „Ist ja schon gut, Jinya.“, sagte der Demetaner tröstend. „Du hast nur mal wieder schlecht geträumt. Aber ich würde gern erfahren, um was es in deinen bösen Träumen eigentlich geht.“ „Das hatten wir doch schon, Maron.“, sagte Nitprin fast resigniert. „Ich kann mich nicht erinnern, wenn ich erwache. Denkst du, Sytania hat damit was zu tun?“ „Wie kommst du darauf, Jinya?“, fragte Maron interessiert. „Weil doch diese Geschichte mit Betsy und dem Professor passiert ist und weil sie ihn dazu gebracht hat, meinen Vater zu töten. Was ist, wenn sie mich jetzt lebenslang mit diesen Träumen strafen will, die deshalb nicht therapiert werden können, weil ich niemandem sagen kann, was ich träume. Ich bin damit also ganz allein! Total allein! völlig allein!“ Sie begann zu weinen.

Maron nahm sie so fest in den Arm, wie er es nur konnte. Er bezweifelte zwar, dass sie durch ihren Kälteanzug viel davon mitbekam, aber allein die Geste zählte, wie er fand. „Und genau das bist du nicht, Jinya!“, sagte er fest. „Du hast uns und wir haben das, was du im Traum gesagt hast. Die gute IDUSA hat nämlich auf meinen Befehl hin alles aufgezeichnet. Ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel.“ „Warum sollte ich?“, fragte Nitprin. „Wenn es uns hilft, kann es doch nur gut sein, oder?“

Maron ließ erleichtert die Luft aus seinen Lungen entweichen. „Und ich dachte schon.“, sagte er. „Was dachtest du?“, wollte Nitprin wissen. „Ich dachte, dass du jetzt kein Wort mehr mit mir redest, weil ich dich sozusagen bespitzelt habe.“ „Na ja.“, versuchte sie, einen Scherz zu machen. „Du bist Geheimagent. Du kannst nicht anders!“ Maron grinste.

Das Piepen der Sprechanlage kündigte Besuch an. „Ich muss da mal kurz antworten, Jinya.“, flüsterte Maron ihr zu und ließ sie langsam los, worauf sie zurück in die Kissen glitt. Dann nahm er das Mikrofon, stellte die Anlage auf Lautsprecher, damit Nitprin auch hören konnte, wer da draußen war und sagte dann: „Maron hier!“ „Maron, hier ist Nidell.“, kam die Antwort einer kleinen leisen ruhigen Stimme zurück. „IDUSA sagt, du brauchst mich.“ „Komm rein, Nidell!“, sagte der erste Offizier und befahl IDUSA dann, die Tür zu entriegeln.

Die junge tindaranische medizinische Assistentin betrat das Quartier des stellvertretenden Commanders. Aufgrund der ihr bereits bekannten Vorgeschichte wusste sie gleich, wo sie Maron finden würde. Sie ging also gleich ins Gäste- beziehungsweise Kinderzimmer durch. Das Bild, das sich ihr hier bot, war für sie recht eindeutig. „Hatte sie wieder einen, Maron?“, fragte sie und zeigte auf die hellwach vor ihr im Bett liegende Nitprin. „Ja, Nidell.“, sagte Maron. „Sie hatte wieder einen Albtraum. Dieses Mal war es wohl besonders schlimm. IDUSA sagt, ihre Stresskurve war schon kritisch. Wenn wir nicht bald herauskriegen, was sie gesehen hat und ihr helfen, wird sie noch einen Herzanfall erleiden und das trotz ihrer Jugend.“ „Vielleicht könnte ich telepathisch …“, schlug Nidell vor, aber der erste Offizier sah sie ernst an und schüttelte streng den Kopf. „Ich denke, davon sollten wir absehen, Nidell!“, sagte er mit strengem Unterton in der Stimme, denn er wollte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass es ihm ernst war. „Sie hat Sytania erwähnt und ich denke, dass jeder telepathische Eingriff ihr Trauma sogar noch verschlimmern könnte! Das müsste dir, als medizinischer Assistentin, doch wohl eher klar sein, als mir!“ „Stimmt.“, sagte Nidell und blickte beschwichtigend zur Seite. „Du hast Recht. Es tut mir auch leid, aber ich wollte ihr doch nur helfen.“ „Das wollen wir alle, Nidell.“, sagte Maron. „Wir dürfen nur vor lauter Feuereifer nicht die falschen Wege einschlagen. Ich wollte IDUSA ihr noch einmal ihre eigenen Worte vorspielen lassen, wenn einer von euch da ist. Vielleicht hilft uns das ja auch und du könntest im Notfall sicher eingreifen.“ „Das könnte ich.“, sagte Nidell und zeigte demonstrativ auf den Koffer mit ihrer Ausrüstung, den sie mitgenommen hatte.

„Also schön.“, sagte Maron und drehte sich zum Computermikrofon. Seinen Neurokoppler hatte er im Eifer des Gefechtes im Nebenraum gelassen. „IDUSA!“, befahl er. „Die letzte Aufzeichnung von Nitprins Albtraum abspielen!“ „Sofort, Agent.“, sagte die freundliche Stimme des Rechners. Dann gab es ein kurzes Signal und dann hörten alle Nitprin sagen: „Die Frösche! Hilfe, Maron, Betsy, Vater! Wo seid ihr?! Helft mir! Nein, sie dürfen mich nicht fangen! Der Kegel, nehmt euch doch den verdammten Kegel und lasst mich in Ruhe! Weg! Geht weg! Sytania, nein!“

Ohne Vorwarnung zuckte Nitprin plötzlich zusammen und gab einen markerschütternden Schrei von sich. Dann zitterte sie und klammerte sich fest an Maron. „Bitte, Maron, lass mich nicht allein!“, schrie sie. „Bitte, lass nicht zu, dass mich die Frösche kriegen! Bitte, ich habe solche Angst!“

Spiel ihr Spiel mit., hörte Maron Nidells Stimme in seinem Geist. Sag IDUSA, sie soll den Waffenalarm für dein Quartier ausschalten. Du musst mit dem Phaser in die Luft schießen. Tu, als wolltest du die Frösche vertreiben.

Sie ging zu seinem Schreibtisch und holte ihm die Waffe, die dort lag. „IDUSA, den Waffenalarm für mein Quartier temporär ausschalten!“, befahl Maron in Richtung des Computermikrofons. Dann befreite er sich aus Nitprins Griff, nahm die Waffe, stellte sie auf Betäubung und schoss mindestens zwei mal in die Luft. Danach drehte er sich dem Mädchen zu: „Es ist alles in Ordnung, Nitprin. Ich habe die Frösche vertrieben. Alles gut, Jinya. Sch.“

Das Mädchen holte tief Luft und entspannte sich merklich. „Ich weiß es wieder, Maron.“, sagte sie. „Ich kann es dir alles wieder erzählen.“ „Das wird zu lange dauern.“, entgegnete der Agent. „Aber ich habe eine andere Idee. Wir gehen in die Simulationskammer und dort kannst du es mir mit IDUSAs Hilfe illustrieren. Nidell, bitte komm du auch mit.“ „Jetzt?“, fragte Nitprin irritiert. „Mitten in der Nacht?“ „Ja, mitten in der Nacht!“, sagte Maron fest. „Jetzt sind deine Erinnerungen noch sehr frisch. Also komm mit. Nidell, du auch! Kommt jetzt, gehen wir!“ Nidell und Nitprin nickten und folgten ihm. Seine Vorgehensweise hatte ihnen verdeutlicht, dass er wohl keinen Widerspruch dulden würde.

Nitprin hatte ihre kleine Hand ängstlich in die von Nidell geschoben und ging zögerlich neben ihr, die auf der anderen Seite ihren Koffer mit der medizinischen Ausrüstung trug, hinter Maron her, der beiden mit vergleichsweise forschen Schritten voranging. „Ich habe Angst, Nidell.“, flüsterte die kleine Breen. „Das musst du nicht.“, tröstete die zierliche Tindaranerin. „Alles, was du siehst, wird dir nichts tun, weil es keine aktiven Routinen bekommt. Maron wird nur das Erkennungsprogramm für Phantombilder benutzen.“ „Da bin ich aber froh.“, sagte Nitprin und atmete auf. „Weißt du, Nidell, ich möchte sie am liebsten nie wieder sehen, diese Wesen mit ihren scheußlichen grünen Glupschaugen und den Froschfratzen!“ „Na, na!“, tadelte Nidell sie. „Redet man etwa so über andere Spezies? Man beurteilt eine Person nicht nach ihrem Äußeren! Merk dir das!“ „Aber sie haben mir Angst gemacht.“, sagte Nitprin und klang fast etwas enttäuscht, denn eine solche Erziehungsmaßnahme hatte sie von ihrer Lieblingskrankenschwester eigentlich nicht erwartet. „Ich kann ja verstehen, dass du Angst hast, Jinya.“, rief Maron nach hinten. „Aber Nidell und ich sind ja jetzt bei dir, um dir die Zusammenhänge besser zu erklären.“

Sie betraten die Simulationskammer und setzten sich auf drei Sitze. „Lehn dich zurück und leg deinen Kopf in die Mulde, Nitprin.“, erklärte Nidell. „Ich weiß, wie man eine Simulationskammer benutzt.“, sagte die kleine Breen und Nidell hatte fast den Eindruck, ein Lächeln auf ihrem Gesicht zu erkennen. „Dann ist ja gut.“, sagte sie.

Maron hatte sich an IDUSA gewandt: „IDUSA, das Erkennungsprogramm für Phantombilder laden. Dann von uns allen Reaktionstabellen erstellen, wenn nötig und laden!“ „Sofort, Agent.“, sagte der Stationsrechner. Dann sahen alle ein leeres Blatt Papier vor sich. Verwundert sah Nidell den Agenten an. „Wir beide haben noch nie mit so etwas gearbeitet, oder?“, fragte dieser. „Nein, Maron.“, sagte die junge Tindaranerin. „Aber ich kenne das.“, sagte Nitprin. „Maron und ich haben es in den letzten Tagen ja oft genug benutzt.“ „Da waren deine Erinnerungen aber noch verschüttet, Jinya.“, sagte Maron. „Aber ab jetzt ist ja alles anders.“ „Kann IDUSA uns auch die Dinge so zeigen, als würden wir sie real sehen?“, fragte die kleine Breen. „Oder werden wir sie nur auf dem Zeichenblock zu sehen bekommen.“ „Das liegt bei uns.“, erklärte Maron. „Das, was wir jetzt sehen, ist nur der normale Eingangsbildschirm des Programms.“ „OK.“, sagte Nitprin. „Dann möchte ich bitte alles so sehen, als sei ich mitten drin. Kannst du IDUSA das sagen?“ „Ich glaube, das lässt sich machen, Jinya.“, lächelte Maron und befahl in Richtung des Rechners: „IDUSA, das Programm im normalen Simulationsmodus fortsetzen!“

Das Blatt Papier verschwand vor ihren geistigen Augen und machte einer Art Bluescreen Platz. „OK, Nitprin.“, sagte Maron. „Wir haben die Aussage von Joran, was die Landschaft angeht, in der wir dich gefunden haben. IDUSA, Ergebnis meiner Vernehmung von Joran bei zentraler Allzeit 3036.0622,1230 in das Programm einfügen!“

Wieder veränderte sich das Bild und Nitprin, Maron und Nidell fanden sich auf dem Planetoiden wieder. „Ziemliche Wüste hier.“, sagte Nidell. „Und weit und breit keine Menschenseele. Ich kann mir vorstellen, dass du dich hier sehr einsam gefühlt hast und dich vielleicht sogar nach Gesellschaft gesehnt hast.“ Sie legte tröstend ihren Arm um Nitprin. „Die Gesellschaft, die ich dann aber bekommen habe.“, setzte Nitprin ängstlich an. „War aber beileibe nicht die, die ich mir gewünscht habe. Ich meine, bevor Joran eingetroffen ist und mich gerettet hat.“ „Was war denn das für Gesellschaft, Jinya?“, fragte Maron. „Wie sah die genau aus?“

Nitprin begann nachzudenken. „Ich habe so viele Bilder im Kopf, Maron.“, sagte sie. „Ich weiß nicht, womit ich anfangen soll.“ „Als sie angekommen ist, diese gruslige Gesellschaft.“, mischte sich Nidell ein. „Da hast du doch bestimmt zuerst ihr Schiff gesehen, nicht wahr? Versuch doch bitte erst mal, das zu beschreiben.“ Dann warf sie einen Blick zu Maron hinüber: „Entschuldige.“ „Was soll ich entschuldigen, Nidell?“, fragte der demetanische Ermittler. „Dafür gibt es überhaupt keinen Grund. Das Problem, das Nitprin gerade hat, ist ja wohl eher psychischer Natur und damit kennst du dich aufgrund deiner Ausbildung ja wohl am Besten aus.“ „Das stimmt.“, sagte Nidell. „Ich wollte nur den Eindruck vermeiden, dass ich dir reinreden würde.“ „Oh, das tust du nicht!“, versicherte Maron.

Nitprin hatte inzwischen versucht, sich an das Schiff der Fremden zu erinnern. Da IDUSA ihre Gedankenbefehle detailliert mitbekommen hatte, konnte sie bald ein Ergebnis präsentieren, das sie ihnen direkt vor die Nase setzte. „Dieses Schiff sieht aus wie eine Rulettscheibe.“, stellte Maron fest. „Oder wie ein Glücksrad.“ „Das war mir auch schon aufgefallen.“, sagte Nitprin. „Irgendwie fand ich das komisch. Ich meine, wer baut solche Schiffe?“ „Diese Frage wirst du uns vielleicht gleich sogar selbst beantworten können, Jinya.“, sagte Maron. „Als das Schiff gelandet war, ist doch bestimmt die Besatzung ausgestiegen. Was kannst du uns über sie sagen? Wie sahen sie aus? Was war das Erste, das du gesehen hast?“ „Ich habe mich so schnell wie möglich versteckt.“, sagte Nitprin. „Deshalb habe ich vielleicht nicht viel gesehen. Aber ich werde mal sehen, was ich noch weiß.“ „Du hast Glupschaugen erwähnt.“, half Maron ihr auf die Sprünge. „Glupschaugen und Froschgesichter. Du hast es zwar etwas unfeiner ausgedrückt, aber ich weiß schon, was du gemeint hast.“ „Ja, das stimmt, Maron.“, sagte Nitprin. „Aus dem Schiff kamen zwei riesige Frösche. Sie sahen aus wie terranische Ochsenfrösche aber sie waren so groß wie Menschen. Wenn ihr mich fragt, waren die voll hässlich. Sie hatten Panzer aus Schildpatt. Die waren wohl ein Teil ihres Körpers und nicht ihrer Kleidung. Außerdem hatten sie auf ihrem Kopf einen Hautlappen, der wie ein Füllhorn oder ein Trichter aussah. Keine Ahnung, was sie damit wollten.“ „OK, Jinya.“, sagte Maron. „Das reicht mir erst mal.“ Dann wendete er sich an IDUSA: „IDUSA, zwei terranische Ochsenfrösche im Maßstab von durchschnittlichen Humanoiden generieren. Ihre Körper mit Panzern aus Schildpatt bedecken und jedem einen Hautlappen in Gestalt eines Füllhorns auf den Kopf setzen!“

Der Stationsrechner führte den Befehl aus und bald darauf standen die Simulationen vor ihnen. „Igitt!“, rief Nitprin aus. „Diese fiesen Glupschaugen! Maron, sie sollen mich nicht ansehen!“ „IDUSA.“, sagte der Agent. „Die Simulationen um 90 Grad zu unserer Position drehen!“ Dann wandte er sich tröstend an Nitprin: „Gleich siehst du sie nur noch von der Seite, Jinya.“ Das geschah dann auch, eine Tatsache, die von der kleinen Breen mit Genugtuung zur Kenntnis genommen wurde.

„Was kannst du mir noch über sie sagen, Nitprin?“, fragte der Agent. „Sie waren nicht beide gleich groß.“, sagte die Angesprochene. „Die eine Lebensform war kleiner, als die andere. Es waren eine Frau und ein Mann. Sie war ungefähr ein Viertel kleiner als er insgesamt.“ Auch diese Details ließ Maron von IDUSA in die Simulation einflechten. „Und dann hatten sie graue juteartige Uniformen.“, sagte Nitprin. „Ich glaube, ich kenne sogar ihre Namen. Sie heißt Dianora und er heißt Lenn. Sie haben den Kegel mitgenommen. Den Kegel aus der Ausgrabungsstätte. Der ist es auch, von dem Professor Radcliffe diese Kräfte bekommen hat, mit denen er meinen Vater getötet hat. Betsy konnte mich retten, weil ich getan habe, was sie gesagt hat. Sie wollten um den Kegel mit Leuten spielen. Das Spiel, das sie erwähnten, heißt Quisar, glaube ich.“

Nidell erschauerte. „Musst du mir etwas sagen, Nidell?“, fragte der erste Offizier, dem diese Regung nicht entgangen war. „Lass von IDUSA eine Bestimmung der Spezies machen, Maron!“, sagte die Tindaranerin. „Dann wirrst du wissen, wovon ich rede.“ „Also gut.“, sagte der Agent und gab dem Rechner die entsprechenden Befehle. „Es handelt sich um zwei Mitglieder der Spezies Vagasiden.“, sagte IDUSA. Nidells Gesicht verfinsterte sich. „Welche Daten hast du über die Vagasiden, IDUSA?“, fragte der erste Offizier, für den ihre Reaktion noch immer keinen wirklichen Sinn machen wollte. „Kriegerisch sehen die mir nicht aus.“ „Kriegerisch nicht.“, sagte Nidell mit zusammengebissenen Zähnen.

Inzwischen hatte IDUSA die Daten über die Vagasiden herausgesucht. „Die Heimatwelt der Vagasiden.“, begann sie. „Befindet sich in der tindaranischen Dimension. Es handelt sich um einen Planeten mit überwiegend Sumpffläche. Die gesellschaftliche Ordnung der Vagasiden basiert auf den Regeln des Glücksspiels. Sie suchen teilweise die Galaxie nach Dingen ab, um die sie mit anderen spielen können. Dabei ist ihnen Herkunft und moralische Gesinnung ihrer Partner egal.“

Jetzt wurde auch Maron anders. Bei dem Gedanken daran, in welche Hände so ein mächtiges Ding, wie dieser Kegel, dadurch kommen konnte, drehte sich ihm der Magen um. „Mutter Schicksal, hilf uns!“, betete er. Dann wandte er sich an den Rechner: „IDUSA, weck Zirell!“ „Hab ich was Schlimmes gesagt?“, fragte Nitprin irritiert, die angesichts seiner Reaktion die Welt nicht mehr verstand. „Nein, Jinya.“, tröstete Maron. „Im Gegenteil. Du hast vielleicht die ganze Galaxie gerettet mit deiner Aussage. Nidell, bitte bring sie weg. Eine Kommandobesprechung ist nichts für Kinder!“ „OK, Maron.“, sagte Nidell und nahm Nitprin bei der Hand: „Komm mit! Es ist wirklich besser, wenn du noch ein paar Stunden schläfst. Morgen musst du schließlich wieder zum Fernunterricht und da solltest du fit sein.“ „Also gut, Nidell.“, gähnte Nitprin, die jetzt auch erst merkte, wie müde sie eigentlich war. Das Adrenalin, das sie bisher aus Angst gespürt hatte, musste das wohl bis dahin verhindert haben. Langsam folgte sie Nidell aus dem Raum.

Auch an einer anderen Stelle musste es offensichtlich sehr schnell gehen. Überhastet hatte Radcliffe nämlich damit begonnen, seine und die Sachen seiner Familie zu packen. Derjenige, der ihn dabei erwischte, war Malcom. „Warum packst du so schnell, Daddy?“, fragte er. „Weil unser Urlaub zu Ende ist.“, sagte der nervöse Mann schnell und warf noch einige Sachen in den Koffer. „Aber warum bist du so aufgeregt?“, wollte sein kleiner Sohn wissen. „Das geht dich gar nichts an!“, sagte Radcliffe fest, denn er fühlte sich durch Malcom sehr ertappt. Hatte er doch von vorn herein ein schlechtes Gewissen. Dieses schlechte Gewissen war auch der Grund, aus dem er Celsius so schnell wie möglich wieder verlassen wollte. Jenen Ort, an dem er in Sytanias Auftrag mitgeholfen hatte, einen Mord zu begehen, eine Tatsache, die ihn, der eigentlich von Natur aus kein blutrünstiger Killer war, wohl noch bis an sein Lebensende verfolgen würde, wenn ihm Sytania diesen Schmerz nicht nehmen würde, was er sich insgeheim von ihr erhoffte. Er wusste ja nicht, wie sie tatsächlich zu ihm stand und was sie ihm noch antworten würde.

Malcoms Blick war auf die Amphore gefallen, die Nathaniel wohl aus Nachlässigkeit auf dem Sims seines Zimmerfensters stehen lassen hatte. „Was is’ das, Daddy?“, fragte der Junge und hielt sie hoch. Erst jetzt sah auch Radcliffe, was sein Sohn dort gerade entdeckt hatte. „Das ist nur ein altes Stück.“, sagte Radcliffe. „Du weißt ja, was Daddy arbeitet.“ „Ja.“, sagte Malcom. „Du machst was mit alten Sachen, Daddy. Aber warum riecht es aus der Flasche nach Marzipan? Ich liebe Marzipan!“ Er zog den Korken aus der Amphore. „Nein, Malcom.“, sagte Nathaniel nervös und riss ihm das Gefäß aus der Hand. Dabei scheuerte es so sehr an den kleinen zarten Fingern des Jungen, dass diese ganz blutig wurden, denn Malcom hatte wohl nicht die Absicht, seine neue Entdeckung so einfach herzugeben. „Au!“, weinte er. „Du hast mir wehgetan, Daddy!“

Durch den Schrei ihres Kindes alarmiert war jetzt auch Nayale hinzugekommen. „Was ist hier passiert?!“, fragte sie. „Zeig Mummy mal deine Hand, Malcom.“ Folgsam streckte ihr der Junge seine Hand entgegen. „Ui.“, sagte Nayale und küsste seine Finger. „Das geht schon wieder weg. Mummy holt was.“ Dann ging sie in ihr Zimmer, um wenig später mit einem Hautregenerator zurückzukehren, mit dem sie Malcoms Verletzungen behandelte. „Daddy hat mir wehgetan.“, sagte Malcom. „Weil ich die komische Flasche nich’ hergeben wollte.“ „Welche Flasche?“, fragte Nayale. „Die da.“, sagte der 6-Jährige und zeigte auf die Amphore, die Radcliffe gerade unter einem Berg Schmutzwäsche im Koffer zu verstauen versuchte. „Weißt du, da is’ Marzipansaft drin. Den wollte ich trinken, aber das wollte Daddy nich’.“

Nayale begann innerlich vor Wut zu kochen! Warum verhielt ihr Mann sich so und was war das wieder für ein merkwürdiges Geheimnis? Außerdem fragte sie sich, was in einer der letzten Nächte vor Ginallas Kneipe für ein Auflauf gewesen war. Immer, wenn sie glaubte, dass jetzt alles wieder in Ordnung war, kamen neue Merkwürdigkeiten ans Tageslicht und das erst, seitdem Nathaniel angeblich von dieser merkwürdigen Prinzessin Sytania geheilt worden war und jetzt gab es eine merkwürdige Flasche, die ihr Mann unter allen Umständen vor ihr zu verbergen suchte. Sie war intelligent genug, um zu verstehen, dass hier eindeutig etwas nicht stimmte und sie hatte ja ohnehin schon vermutet, dass Sytania ihn nur für ihre dreckigen Spielchen benutzte und es ihr gar nicht um ihn, sondern nur um den eigenen Vorteil ging. Ihn davon zu überzeugen, hatte sie ja bereits erfolglos versucht. Sie entschied, ihn in dieser Sache zur Rede zu stellen, aber das Kind sollte nach Möglichkeit nichts davon mitbekommen. „Malcom.“, wendete sie sich an ihren kleinen Sohn. „Bitte geh in Mummys und dein Zimmer und warte dort auf Mummy, ja? Daddy und ich müssen was bereden, für das du noch nicht groß genug bist. Mach bitte die Tür zu. Mummy kommt und holt dich, wenn es Zeit ist.“ „OK, Mummy.“, sagte Malcom und tippelte los. Nayale war froh, dass er ihr so sehr vertraute.

Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, baute sie sich vor ihrem Mann auf. „Kannst du mir jetzt vielleicht mal sagen, warum du diese Flasche so beschützt und woher du sie hast?! Ist sie vielleicht wieder von deiner Prinzessin?! Und was ist das mit dem Marzipansaft?! Ich meine, so was gibt es nicht, aber das kann ja unser Sohn noch nicht wissen. Was ist das wirklich, Nathaniel?! Seit dieser Auflauf neulich war und sie diese Frau und diesen Mann aus dem See gezogen haben, benimmst du dich wieder sehr eigenartig! Was ist los mit dir?! Hast du einen Rückfall?! Da hat deine Prinzessin wohl doch nicht Wort gehalten, was?!“

Radcliffe wurde leichenblass. Ihre Worte hatten ihn sehr unter Druck gesetzt. „Na, habe ich dich erwischt?!“, setzte sie ihm weiter zu. „Also, was ist in der Flasche und warum benimmst du dich so seltsam?! Hast du etwa mit der Sache am See was zu tun?!“

Wie versteinert stand Radcliffe da. Immer wieder stellte er sich Sytanias Gesicht vor, um mit ihr in Kontakt zu treten und Instruktionen empfangen zu können, aber nichts geschah. Nayale, die seinen angestrengten Blick sah, wurde jetzt in ihrer Vermutung nur noch mehr bestätigt. „Na, lässt deine Prinzessin dich fallen?!“, fragte sie und hielt die Krawattennadel hoch, die sie inzwischen bei seinen Sachen gefunden hatte und die ihr auch nicht bekannt war. „Oder fehlt dir zu deinem Glück etwa das hier?!“

Wütend ließ sie die Nadel auf den Boden fallen und trat drauf, aber Nathaniel lachte nur und sagte: „Du solltest wissen, mein Liebling, dass kein Sterblicher einen Kontaktkelch zerstören kann, der einem Mächtigen geweiht ist.“ „Ach ja?!“, sagte Nayale langsam und deutlich. „Als ob ich das nicht wüsste! Aber du, mein Lieber, du hast dich gerade verraten! Und in der Flasche mit den Drudenfüßen ist bestimmt ein Gift, dass du dieser armen Frau verabreicht hast, damit Sytania und du sie aus dem Weg habt! Ich werde mitkommen, damit Malcom nichts merkt. Aber du solltest deine Prinzessin mal zur Rede stellen! Ich erkenne dich nicht wieder, Nathaniel! Ich dachte nicht, dass ich mit einem Mörder verheiratet bin. War das der Preis, den du für deine Heilung zahlen musstest?!“ „Ja, Nayale.“, sagte Radcliffe und sah sie hilflos an. „Wie konntest du dich darauf einlassen?!“, fragte sie. „Weil ich Malcom und dich liebe!“, sagte Nathaniel. „Du liebst uns!“, sagte Nayale, deren Blick mittlerweile erneut auf die verhasste Flasche gefallen war, die sie jetzt aus dem Koffer nahm und tat, als wolle sie diese an die Lippen setzen. „Entweder, du sagst mir jetzt, ob ich Recht habe mit meiner Vermutung, was den Tod dieser Frau angeht, oder ich trinke von dem Gift!“, setzte sie Nathaniel die Pistole auf die Brust. „Wenn du uns wirklich liebst, dann wirst du das nicht zulassen! Aber vielleicht liebst du ja deine satanische Prinzessin viel mehr! Ach übrigens, ich werde mich bei nächster Gelegenheit von dir scheiden lassen, um aus ihrem und deinem Einflussbereich zu verschwinden. Wer weiß, wozu sie dich noch alles bringt! Ich zähle bis drei!“

Nathaniel fiel auf die Knie und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Dann schluchzte er: „Nicht trinken, Nayale! Bitte nicht! Ich gebe es zu! Ich gebe es zu! In der Flasche ist Gift und ich habe sie von Sytania! Das Gift verstärkt Hypnose und so haben Sytania und ich Allrounder Betsy Scott getötet!“ „Was für ein Geständnis!“, sagte Nayale. „Aber ich weiß, dass du das nur getan hast, weil sie dich mit deiner Krankheit erpresst. Ich werde sie zur Rede stellen, wenn wir wieder bei ihr sind! Oh, ja!“ „Da bringst du dich nur selbst in Gefahr, Nayale.“, sagte Radcliffe niedergeschlagen. „Bitte, lass mich das tun.“ „Also gut.“, sagte die junge intelligente Zeonide. „Sieh es als Beweis meiner Liebe zu dir.“, sagte er. Nayale nickte. „Dann helfe ich dir mal beim Packen.“, sagte sie. „Und Ginalla sage ich auch Bescheid, dass wir abreisen.“

Durch ihre seherischen Fähigkeiten hatte Sytania alles in ihrem Palast beobachtet. „Wie jämmerlich!“, sagte sie angewidert. „Was werdet Ihr jetzt tun, Hoheit?!“, fragte Dirshan, der seine und ihre Pläne in Gefahr sah. „Ich werde ihn empfangen, damit er sich in falscher Sicherheit wiegt.“, sagte die Königstochter. „Aber um seine Frau werdet ihr euch kümmern. Einige deiner Soldatinnen sollen sie abfangen und festsetzen, sobald sie ihren Fuß auf imperianischen Boden setzt. Sie soll eingekerkert werden und in den Kristallminen als Wäscherin eingesetzt werden. Das Kind soll zu Cirnach gebracht werden. Mit ihm habe ich noch etwas ganz Besonderes vor! Und Nathaniel, der soll von einem deiner Soldaten getötet werden und das am besten irgendwo in einem der vielen Universen da draußen. Er soll es wie einen Unfall aussehen lassen. Aber vorher soll er noch zu mir kommen, damit ich ihn demütigen kann. Er soll lernen, was die Strafe dafür ist, wenn man mich hinhängt.“ „Ein weiser Plan, Herrin.“, stellte Dirshan fest. „Ich werde sofort alles vorbereiten. Also. Lasst uns auf sein Schiff warten!“

Unten in der Kneipe war Shimar Jasmin begegnet, die sich gerade wieder auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz befand. Während des Bowlingabends hatte sie Gelegenheit gehabt, unsere komplexe Beziehung zu beobachten und wusste daher, wie wir zueinander standen. Deshalb dachte sie sich wohl, dass sie das, was sie gesehen hatte, auch unbedingt mit ihm besprechen musste. Die Unterredung mit Ginalla, die sie ja geführt hatte, hatte zu keiner wirklichen Lösung geführt, sondern nur noch mehr Fragen aufgeworfen. Derjenige, der in ihren Augen all diese Fragen hätte klären können, war ja von Rescue One weggebracht worden und lag jetzt bestimmt in irgendeiner Klinik. So schnell würde sie also nicht mehr an Korelem herankommen. Aber Shimar war ja auch in die Sache eingespannt und hatte mit Sicherheit auch genug Wissen, um ihr einiges erklären zu können.

Jasmin nahm sich ein Herz und sprach ihn im Gang zwischen den Turboliften an. „Bist du Shimar? Ich muss mit dir reden.“

Der Tindaraner drehte sich um und sah in das ihm noch völlig fremde Gesicht. Zwar hatte er sie beiläufig gesehen, aber da sie in seinen Augen nur eine von Ginallas Angestellten gewesen war, hatte er ihr keine große Bedeutung beigemessen. „Du bist doch Ginallas Auszubildende.“, stellte er fest. „Habe ich Recht?“ „Das hast du.“, sagte das sehr aufgeregte Mädchen. „Aber ich muss echt mit dir reden! Es geht um deine Freundin! Sie ist tot und ich weiß, wie es dazu gekommen ist!“

Shimar ließ ihre Worte kurz auf sich wirken. Wenn es hier jemanden gab, der ihm helfen konnte, mehr über meinen Tod herauszufinden, dann sollte er diese Chance nicht einfach ungenutzt verstreichen lassen. Also sagte er: „OK, komm mit. Wir gehen am besten in mein Zimmer.“ Jasmin nickte und folgte ihm in Scottys, sein und mein Zimmer. Hier setzten sich beide auf das Bett. Dann sah er die Jugendliche erwartungsvoll an. „Was hast du gesehen?“, fragte er. „Es ist alles so verwirrend.“, begann Jasmin. „Es war so viel, das ich gesehen habe. Teilweise kann ich die Sachen gar nicht einordnen.“ „Das macht nichts.“, sagte Shimar. „Fang einfach mit dem Ersten an, das du gesehen hast.“ „OK.“, sagte das Mädchen. „Also, wir bekamen eine Bestellung von Mr. Radcliffe für den Zimmerservice. Ich habe die Sachen zubereitet und rauf gebracht. Radcliffe war ganz komisch zu mir. Er wollte mich gleich wieder loswerden, habe ich das Gefühl gehabt. Ich wollte ihm helfen, den Tisch für ihn und seine Frau zu decken, aber das sollte ich nicht. Er wurde total barsch und dann hat er etwas aus seinem Badezimmer geholt, das er mit auf das Tablett gestellt hat. Es war eine Amphore mit Drudenfüßen. Ich glaube, er wollte nicht, dass ich ihn beobachte. Dann habe ich so getan, als würde ich gehen, aber ihn weiter beobachtet, weil es mir alles sehr komisch vorkam. Er hat das Tablett in dieses Zimmer gebracht. Ich hörte, wie er was von Entschuldigen und guten Absichten zu deiner Freundin sagte. Dann hat mich Korelem in meinem Versteck aufgesucht und mich mitgenommen. Er hat einen Kontaktkelch, der ihn mit Logar verbindet. Er hat gesagt, solange ich sein Zimmer nicht verlasse, stehe ich unter dem Schutz von Logar und es kann mir nichts passieren. Er wollte, dass ich alles beobachte, was er von jetzt an tat. Ich habe gesehen, wie deine Freundin schlafwandelnd in den See gegangen ist. Dann hat Korelem sie zu retten versucht, aber das ging nicht. Dann kam Rescue One. Wow, was für ein Manöver!“ „Sekunde.“, sagte Shimar. „Das sind eine Menge Informationen auf einmal. Aber warum hat Betsy das mit sich machen lassen? Ich meine, die Amphore, was war da drin?“ „Das habe ich nicht gesehen.“, sagte Jasmin. „Ich weiß nur, wie sie ausgesehen hat.“ „Darf ich mir das Bild in deinem Geist ansehen?“, fragte Shimar. „OK.“, sagte das Mädchen. „Was muss ich machen?“ „Du brauchst gar nichts zu tun.“, erklärte der junge Telepath. „Denk bitte einfach nur an das Bild.“

Jasmin lehnte sich entspannt zurück und ließ zu, dass Shimar die Verbindung zwischen ihr und sich aufbaute. Nun sah der Tindaraner genau jenes Bild vor sich, über das auch Jasmin gestolpert war. Aber er sah auch die anderen Details aus ihrer Aussage noch einmal aus ihrer Sicht.

Nachdem er abgelassen hatte, stand er auf und sah sie ernst an. „Hör mal, Kleine.“, sagte Shimar. „Mit diesen Informationen müsstest du eigentlich sofort zum Geheimdienst!“ „Das wollte ich auch.“, sagte sie. „Aber warum ausgerechnet zu denen? würde nicht die Polizei ausreichen?“ „Nicht in diesem Fall.“, sagte der Tindaraner, dem inzwischen klar war, dass er durch das plötzlich aufgetauchte Schiff des Fremden und die damit verbundenen Ereignisse prima vom Wesentlichen abgelenkt worden war. „Wieso?“, fragte Jasmin. „Wer ist die Gegenspielerin von Logar?“, fragte Shimar. „Prinzessin Sytania, seine Tochter.“, sagte Jasmin. „Richtig.“, sagte Shimar. „Du weißt ja wohl auch, dass der Geheimdienst bei Fällen von feindlichem außerirdischen Einfluss zuständig ist.“ „Du meinst, Sytania hat …?“, fragte Jasmin. „Davon gehe ich aus!“, sagte Shimar fest, der sich wohl selbst in den Hintern beißen konnte, weil er auf Sytanias Ablenkung hereingefallen war. Aber unter den Umständen, die zu jenem Zeitpunkt herrschten, war ihm ja keine Wahl geblieben. Hätte er IDUSA damals nicht aus dem Protokoll geholt, wäre auf der Werft sicher noch etwas Schlimmes geschehen. Er würde sich später um Sytania kümmern, oder das vielleicht sogar den Agenten überlassen. „Hör zu, Kleine!“, sagte er ruhig, aber dennoch energisch. „Wie heißt du eigentlich?“ „Ich heiße Jasmin.“, sagte die Angesprochene. „Dann hör zu, Jasmin!“, bekräftigte Shimar. „Du gehst gleich morgen zu deiner Chefin und ihr redet mit dem Geheimdienst auf der Erde. Dort ist auch deren Zentrale für Notfälle! Das ist sehr wichtig! Hast du verstanden?“ Jasmin nickte. „OK.“, sagte Shimar. „Und jetzt lass mich bitte allein. Ich habe noch was zu erledigen.“ „Gut, Shimar.“, sagte Jasmin und verließ erleichtert den Raum. Sie war froh, sich endlich bei jemandem aussprechen zu können und derjenige hatte ihr auch gleich eine Lösung präsentiert, die sie am nächsten Morgen gleich zusammen mit Ginalla umsetzen wollte.

Zirell war auf IDUSAs Ruf hin gleich aus dem Bett gestiegen, war kurz unter die Schalldusche gesprungen und hatte sich dann ihre Uniform übergeworfen. Ihre Laune war nicht die Beste, denn der Rechner hatte sie gerade aus einem ihrer schönsten Träume geholt, aber die Kommandantin wusste auch, dass IDUSA dies nicht umsonst getan hatte. Dass es da noch eine ausstehende Aussage von Nitprin gab, war ihr auch bekannt.

„Was ist der Grund, aus dem du mich weckst, IDUSA?“, fragte die Kommandantin, nachdem sie aus dem Bad in ihr Schlafzimmer zurückgekehrt war. „Agent Maron benötigt Sie in Simulationskammer eins, Commander.“, erwiderte der Rechner nüchtern. „Ist er allein?“, wollte Zirell wissen. „Ja, Commander.“, antwortete IDUSA. „Aber es wurde eine Simulation aufgrund von Nitprins Aussage erstellt.“ „Wo ist das Kind jetzt?“, fragte Zirell weiter, der es etwas merkwürdig vorkam, dass ihr erster Offizier zuerst die so wichtige Aussage einer Zeugin aufgenommen, letztere aber dann doch fortgeschickt hatte. „Sie befindet sich wieder in Agent Marons und ihrem Quartier unter der Aufsicht von Nidell.“, erklärte der Rechner. „Ach du meine Güte!“, rief Zirell aus. „Na, da muss ja wohl etwas sehr Heftiges vorgefallen sein. Na ja. Ich werde es mir erst mal ansehen!“

Sie betätigte den Sensor für die Tür und ging auf den ausgeleuchteten Flur hinaus. Anhand von Leuchtstreifen auf dem Boden begann IDUSA sofort damit, ihr den Weg zum nächsten Turbolift auszuleuchten, denn im matten Licht der Nachtbeleuchtung der Station befürchtete sie wohl, Zirell könnte sich sonst verlaufen. „Schone deine Energievorräte, IDUSA!“, befahl die Tindaranerin, als sie an einem Computermikrofon im Flur vorbeikam. „Ich kenne diese Station wie die Taschen meiner Uniform.“ „Ich wollte Ihnen ja nur behilflich sein, Commander Zirell.“, sagte der Computer. „Das ist ja sehr nett von dir.“, sagte Zirell mit einem Lächeln, um dann etwas fester und strenger fort zu fahren: „Aber völlig unnötig! Zumindest in meinem Fall!“ Dann ging sie schnurstracks in Richtung des nächsten Turbolifts, mit dem sie auf das Freizeitdeck der Station fuhr, wo sich auch die Simulationskammern befanden.

IDUSA, die ihren Weg genau überwacht hatte, gab Maron Bescheid, als Zirell in den Flur zu Simulationskammer eins einbog. „Sie kommt, Agent.“, sagte sie nüchtern. „Dann ist ja gut, IDUSA.“, sagte der erste Offizier. „Scanne bitte nach ihrem Neurokoppler in ihrer Tasche. Wenn sie ihn bei sich hat, lade bitte ihre Tabelle über den Port, sobald sie eintrifft. Ansonsten wird sie wohl den zweiten Sitz benutzen. Du weißt ja selbst, was das im Zusammenhang mit ihrer Tabelle bedeutet.“ „Das weiß ich, Agent.“, lächelte der Avatar vor Marons geistigem Auge.

Die Tür der Kammer öffnete sich und Zirell betrat diese. Eine Leuchte an einem der Ports forderte sie sogleich auf, ihren tatsächlich mitgebrachten Neurokoppler anzuschließen. „Entschuldige, Zirell.“, sagte Maron. „Es tut mir leid, dass ich dich wecken musste, aber die letzte Entscheidung in allen Belangen hier triffst ja wohl du.“ „Das zweifelhafte Privileg eines Kommandanten.“, erwiderte Zirell und streckte sich. „Ist wohl sehr dringend, Maron.“, lächelte sie ihrem ersten Offizier danach zu, der im Vergleich zu ihr ein sehr verkniffenes Gesicht machte. „Du siehst aus, als wäre sonst was passiert!“, stellte sie fest. „Du wirst gleich selbst sehen, in was für einer Bredouille wir uns befinden, Zirell!“, sagte Maron unwirsch und mit zusammengebissenen Zähnen, denn er wollte sich auf keinen Fall anmerken lassen, wie aufgeregt und nervös er angesichts der Situation war. „Du bist ja total nervös, Maron.“, stellte Zirell fest. „Woher weißt du das?“, fragte der Demetaner, der eigentlich den Eindruck hatte, seine Stimmung perfekt vor ihr verborgen zu haben. „Ich bin Telepathin.“, erklärte Zirell ruhig. „Du weißt, dass du mir so schnell nichts vormachen kannst.“ „Oh.“, meinte Maron. „Das hätte ich doch beinahe übersehen.“ Zirell musste grinsen.

IDUSA hatte Zirells Reaktionstabelle geladen und sie in das laufende Programm integriert. Jetzt sah auch die Tindaranerin die Wüstenlandschaft, in der Nitprin gefunden worden war. Im Hintergrund war die Ausgrabungsstätte zu sehen und im Vordergrund die beiden Simulationen der Vagasiden. Fast angewidert sah Zirell über sie hinweg. Da ihre Reaktion ähnlich ausfiel wie Nidells, ahnte Maron bereits, wie sie mit der Situation umgehen würde.

„Also. Was haben wir hier, Maron?“, fragte Zirell. „Darf ich dir Lenn und Dianora vorstellen, Zirell?“, fragte Maron. „Das sind die Beiden, in deren Besitz sich der Kegel befindet, den Professor Radcliffe dort ausgegraben hat.“ „Was für ein Kegel, Maron?!“, fragte Zirell unwirsch. „Entschuldige bitte.“, sagte Maron, räusperte sich und begann noch einmal: „Also. Nitprin hat ausgesagt, dass sie und ihr Vater aufgrund von merkwürdigen Signalen aufgebrochen waren, um deren Ursprung zu ergründen. Auf dem Planetoiden sind sie auf Allrounder Betsy Scott und Professor Radcliffe getroffen. Der Professor hat einen merkwürdigen Kristallkegel ausgegraben, der ihm die Kräfte verliehen hat, mit denen er jetzt sein Handwerk des Reinwaschens in Sytanias Auftrag verübt. Der Kegel hat ihn auch dazu gebracht, alle Mitwisser zu beseitigen. Nitprin verdankt Allrounder Betsy Scott ihr Leben, da sie ihren Anweisungen gefolgt ist im Gegensatz zu ihrem Vater.“ „Das ist ja schrecklich!“, rief Zirell aus. „Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie Radcliffe den armen Breen getötet hat. Aber ich denke, das ist auch nicht das primäre Thema hier, nicht wahr? Ich meine, jetzt verstehe ich auch, warum du die Kleine unter Nidells Aufsicht gestellt und von hier weggebracht hast. Für sie müssen die Ereignisse ja traumatisch gewesen sein! Stell dir vor, du wärst ein 13-jähriger Junge und müsstest auf irgendeinem gottverlassenen Planetoiden deinen eigenen Vater begraben!“ „Das wäre sicher sehr schlimm für mich.“, gab Maron zu. „Aber du hast Recht. Das ist nicht das primäre Thema hier. Es geht vielmehr um das, was danach passiert ist. Irgendwann ist ein Schiff mit zwei Vagasiden aufgetaucht. Die haben sich jetzt des Kegels bemächtigt und werden ihn demjenigen geben, der das Spiel um ihn gewinnt. Du weißt, welche Standards sie setzen, wenn es um die Auswahl ihrer Spielpartner geht. Stell dir mal vor, Zirell, ein so mächtiges Ding wie dieser Kegel gelangt in die Hände von Ferengi oder ähnlichen nur auf ihren eigenen Vorteil bedachten Wesen! Ich mag gar nicht darüber nachdenken, was sie damit anstellen könnten! Aber warum habt ihr Tindaraner eigentlich alle so ein Problem mit den Vagasiden? Da gibt es wohl anscheinend etwas, was dein erster Offizier noch nicht weiß. Aber wenn ich dir helfen soll, musst du mich schon aufklären. Nidell machte zwar eine Andeutung, aber …“

Zirell erschauerte. Dann sagte sie: „Die Aufklärung kannst du gern haben, Maron! Die Vagasiden haben ihre gesellschaftlichen Regeln auf den Regeln des Glücksspiels aufgebaut, das weißt du. Und …“ „Moment!“, unterbrach Maron seine Vorgesetzte. „Wie kann so ein auf so instabilen Säulen erbautes Regelwerk überhaupt bestehen bleiben?“ „Frag mich was Leichteres!“, entgegnete Zirell. „Jedenfalls besteht ihre Gesellschaft schon seit mehr als 20.000 Jahren und ihre Regeln haben sich bis heute nicht geändert. Unsere Forscher meinen, sie hatten eben einfach Glück. Das Glücksspiel an sich ist bei ihnen sogar eine heilige Handlung.“ „Und in den meisten anderen Gesellschaften hat es einen schlechten Ruf und ist sogar strafbar.“, stellte Maron fest. Zirell nickte. „Die Vagasiden behaupten von sich, die reinste aller Gesellschaftsformen zu besitzen.“, ergänzte sie weiter. „Da es keine Privilegien aufgrund von Herkunft oder Berufsstand gibt. Nur das Glück entscheidet.“ „Das wäre trotzdem keine Grundlage, auf der ich persönlich mein Leben aufbauen möchte.“, stellte der erste Offizier nach etwas Nachdenken fest. Anscheinend hatte er ein Modell durchsimuliert. „Ich auch nicht.“, sagte Zirell. „Und die Zusammenkunft auch nicht. Deshalb haben wir auch bisher jeden Antrag der Vagasiden, unserer Allianz mit anderen Völkern beizutreten, abgelehnt. Unsere moralischen Grundvorstellungen sind einfach zu verschieden.“ „Wie bei uns und den Ferengi.“, stellte der Demetaner einen Vergleich an. „Nugura und ihre Amtsvorgänger würden sie niemals in die Föderation holen, weil ihre und unsere Moral nicht zueinander passen, obwohl sie warpfähig sind.“ „Und ich habe immer gedacht, das wäre euer Kriterium Nummer eins!“, sagte Zirell. „Das hat sich, Mutter Schicksal sei Dank, heute sehr gewandelt.“, stellte Maron fest. „Ich nehme an, ihr habt schon einige Reinfälle erlebt.“, vermutete Zirell. „Oh, ja.“, seufzte Maron. „Wir wären aufgrund dessen sogar einmal fast Opfer von Sytania geworden, wenn Time nicht …“ „Euer stets verlässlicher und moralisch integerer Commander Peter Time.“, sagte Zirell. „Er scheint euch ja schon oft gerettet zu haben.“ „Das hat er.“, bestätigte Maron. „Und vor allem hat er ein untrügliches Näschen für Sytanias Einmischung. Er und sein erster Offizier, Agent Yetron, im Übrigen ein Landsmann von mir. Aber an seine Instinkte komme ich nicht dran.“ „Schreib ihm doch mal.“, schlug Zirell vor. „Vielleicht kann er dich trainieren. Ich meine, das dürfte doch möglich sein, so unter Kollegen.“ „Ich glaube, er würde schnell mit mir die Geduld verlieren.“, sagte Maron. „Aber ich glaube auch, wir schweifen ganz schön ab.“

Er deutete wieder auf die beiden Simulationen der Vagasiden. „Du hast Recht.“, sagte Zirell. „Was hat dir die Kleine über sie gesagt?“ „Sie hat gesagt, dass sie Lenn und Dianora heißen und dass das Spiel, das sie um den Kegel spielen wollen, Quisar heißt.“, sagte Maron. „Na, das sind ja schon einmal ein paar Daten, mit denen IDUSA arbeiten kann!“, sagte Zirell und befahl in Richtung des Avatars: „IDUSA, alle vergangenen SITCH-Aktivitäten, alle gegenwärtigen und alle zukünftigen nach den Begriffen: Lenn, Dianora und Quisar scannen! Diejenigen, in denen sie vorkommen, melden und aufzeigen!“ Der Avatar nickte. „Denkst du etwa, die sprechen uns eine Einladung aus?“, fragte Maron. „Davon bin ich überzeugt!“, sagte Zirell. „Das haben sie bisher immer so gemacht. Nur hatten wir strickte Order, diese abzulehnen. Ich werde der Zusammenkunft die neuen Daten geben. Ich bin sicher, sie werden diesen Befehl ausnahmsweise mal lockern.“ „Das hoffe ich!“, sagte Maron. „Bei all dem, was im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Spiel steht. IDUSA soll uns auch die Regeln für Quisar heraussuchen, wenn sie diese Daten hat.“ „Sicher.“, sagte Zirell. Dann beendeten sie das Programm und verließen gemeinsam die Kammer.

Kapitel 36: Radcliffes Bestrafung

von Visitor

 

In Sytanias Palast hatten Dirshan und seine Gebieterin den Flug von Radcliffes Schiff genau beobachtet. „Er ist auf dem Weg zu uns, Herrin.“, stellte der junge Vendar fest und rieb sich die Hände vor Freude. „Ja, das ist er.“, bestätigte Sytania. „Und ich hoffe, es ist alles vorbereitet für den warmen Empfang, den ich gedenke, ihm zu bereiten.“ „Dessen könnt Ihr sicher sein, Sytania!“, meinte Dirshan mit einem gemeinen Grinsen auf den Lippen. „Wenn er gelandet ist, werden sich einige meiner Soldatinnen seiner Frau annehmen, wie Ihr es gewünscht habt. Cirnach persönlich wird sich um seinen Sohn kümmern und Telzan, ja, Ihr hört richtig, Telzan wird sich seiner persönlich annehmen und ihn hierher bringen, wo er Eure Antwort, also seine gerechte Strafe, erhalten wird.“ „Sehr gut.“, lobte die Prinzessin. „Ich muss immer wieder feststellen, was für eine gute Idee es war, dich mit dem Amt meines Truppenführers zu betrauen. Du bist zwar noch sehr jung, aber du hast bereits das strategische Verständnis deines Ausbilders.“ „Vielen Dank, Hoheit.“, bedankte sich der Novize.

Von den Dingen, die Radcliffes im Dunklen Imperium erwarten sollten, ahnten Nathaniel und seine Frau zunächst nichts. Sie waren sehr zerstritten auseinander gegangen, denn Nayale hatte sich nicht wirklich mit den Worten, die er ihr gegenüber benutzt hatte, abspeisen lassen. Auch seine schönen Worte hatten sie nicht darüber hinwegtäuschen können, dass hier etwas nicht stimmte.

Um Malcom nicht zu beunruhigen, war sie mit ihm im hinteren Teil des Schiffes geblieben, während sich Nathaniel allein im Cockpit aufhielt und es flog. Er hatte in den vergangenen Stunden viel Zeit gehabt, über das Geschehen im Zimmer in Ginallas Kneipe nachzudenken. Er wusste genau, dass Nayale mit all ihren Vermutungen gar nicht so falsch lag, aber was hätte er tun sollen? Sytania war die Einzige, die ihm Heilung versprochen hatte! Alle anderen, bei denen er bisher vergeblich an die Tür geklopft hatte, mussten früher oder später aufgeben. War es da denn wirklich so falsch, sich der einzigen Person anheim zu geben, die wirklich etwas tun konnte?

Er erblickte die Fackeln, die in alt hergebrachter imperianischer Weise den Landeplatz für sein Schiff markierten und betätigte die Sprechanlage, die ihn mit der Achterkabine verband: „Nayale, wir sind da.“ „In Ordnung.“, antwortete seine Frau vom anderen Ende der Verbindung. „Malcom und ich kommen nach vorn.“

Die Tür öffnete sich und bald standen sein Sohn und seine Frau vor ihm. „Du solltest Malcom besser hinsetzen.“, sagte Nathaniel, der sichtlich nervös war. Er wusste, dass er im Streit mit seiner Frau Sytania verraten hatte und konnte sich denken, dass sie dies nicht so ohne Weiteres hinnehmen würde. „Ich glaube nicht, dass ich heute so eine sanfte Landung hinkriege.“ „OK.“, stimmte Nayale zu, die sich vor dem Kind ja wie gesagt nichts anmerken lassen wollte.

Sie deutete auf einen Sitz: „Setz dich bitte, Malcom, und dann schalte bitte dein Sicherheitskraftfeld ein. Der Knopf ist an der rechten Armlehne.“ „Ich weiß, wo er ist, Mummy.“, sagte Malcom. „Ich bin doch schon ein großer Junge. Außerdem hast du es mir noch einmal gezeigt.“ „Das stimmt.“, sagte Nayale mit einem Lächeln. Dann sah sie zu, wie sich ihr Sohn auf den Sitz setzte und routiniert das Kraftfeld aktivierte. „Toll gemacht, Malcom.“, lobte sie.

„Also gut.“, sagte Nathaniel, griff die Steuerkontrollen fester und warf einen konzentrierten Blick auf seine Instrumente. „Gehen wir’s an!“ „Ich habe hinten eine Burg aus Bausteinen gebaut.“, sagte Malcom. „Sie sieht aus wie die Burg von der Märchenprinzessin. Du darfst nicht zulassen, dass sie bei der Landung kaputt geht, Daddy. Sonst ist die Prinzessin sicher sehr traurig.“, redete Malcom nichts ahnend seinem Vater ins Gewissen. „Das werde ich auf jeden Fall versuchen.“, sagte Nathaniel. „Aber ich werde wohl heute besser jemanden am zweiten Monitor beanspruchen, der mir hilft. Nayale, bitte komm her!“

Die junge Zeonide nickte und setzte sich neben ihn auf den Copilotensitz. Dann aktivierte sie auch ihr Kraftfeld und sah mit ihm auf den Schirm. Was sie dort allerdings sah, gab der intelligenten jungen Frau schon sehr zu denken. Sie sah jetzt, wie sich einige der Vendar, die vorher die Fackeln gehalten hatten, sie löschten, sich ohne sie umdrehten und die ganze Truppe eine total andere Formation einnahm. Es schien ihr auch, als holten sowohl einige Männer, als auch einige Frauen, Fesseln heraus. „Nathaniel, was die da unten machen, ist mir nicht geheuer.“, flüsterte sie ihrem Mann zu. „Wir sollten flüchten, solange wir es noch können. Bitte zieh das Schiff hoch und dann nichts wie weg! Vielleicht können wir sie so überraschen!“ „Ich weiß gar nicht, was du für ein Problem hast, mein Liebling.“, sagte Nathaniel. „Sie haben sicher nur eine neue Art von Ehrenspalier eingeübt.“ Er ließ das Schiff ungeachtet ihrer Warnung zu Boden sinken.

Draußen tat sich zunächst nichts. Das war aber auch durchaus von Dirshan so gewollt, um der Familie ein falsches Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. „Seht ihr.“, sagte Radcliffe. „Es ist alles in Ordnung. „Kommt! Lasst uns aussteigen.“

Er öffnete per Knopfdruck die Türen des Breenschiffes, aber kaum hatte er das getan, griffen zwei Vendar-Kriegerinnen nach Nayale und zerrten sie aus dem Shuttle. Sie versuchte, sich mit allen Kräften zur Wehr zu setzen, aber gegen zwei Frauen, von denen bereits eine so stark wie fünf durchschnittliche Terranerinnen war, hatte sie keine Chance. Das sah die kluge Zeonide auch bald ein. „Was macht ihr mit meiner Mummy?!“, schrie Malcom außer sich vor Angst, aber im Selben Moment wurde er von Cirnach persönlich gepackt, bekam einen Knebel in den Mund und dann wurde er gefesselt. So hängte sie sich das arme verängstigte Kind dann wie eine Handtasche über die Schulter und rief ihren Mitstreiterinnen ein Kommando auf Vendarisch zu, auf das sie mit Nayale einen Streitwagen bestiegen, der dann in eine bestimmte Richtung davon brauste. Sie selbst legte Malcom jetzt auch auf einem Streitwagen ab, stieg auf den Kutschbock und war in die Gegenrichtung verschwunden.

Perplex und von der Situation sichtlich überrascht sah Radcliffe seiner Familie hinterher. Erst einige Sekunden später gelang es ihm, sich aus seiner Starre zu befreien, die ihn aufgrund seiner Angst heimgesucht hatte. Erst jetzt verließ er das Schiff. Dann stand er niemand Geringerem als Telzan gegenüber, der die ganze Zeit dort zurückgeblieben war, um auf ihn zu warten. „Was haben deine Leute mit meiner Familie gemacht?!“, wollte Radcliffe wissen. „Oh, das werde ich dir gern zeigen.“, sagte Telzan mit einem süffisanten Grinsen. „Komm mit zu meiner Herrin. Sie wird dir sicher gern alles erklären.“ „Worauf du dich verlassen kannst!“, sagte Radcliffe wütend und stapfte hinter ihm her. Er war fest entschlossen, Sytania wegen all der Dinge, für die sie ihn missbraucht hatte, zur Rede zu stellen. Was ihn im Thronsaal erwarten würde, ahnte er ja noch nicht.

Sytania erwartete Telzan und Radcliffe bereits. Sie saß auf ihrem Thron und sah beide mit herablassendem Blick an, als sie sich in ihre Nähe begaben. Dirshan, der alles beobachtete, grinste gemein. Er schien der Einzige zu sein, der genau wusste, was Nathaniel erwarten würde.

„Hier ist er, Herrin.“, sagte Telzan und winkte Nathaniel, zu Sytania vorzugehen. Wutentbrannt folgte der Terraner seiner Aufforderung. Jetzt war er gar nicht mehr so gefällig gegenüber ihr. Jetzt wollte er ihr ein für alle Mal sagen, was er von ihr und ihrem Tun hielt.

„Was habt Ihr mit meiner Familie gemacht?!“, fragte Nathaniel energisch. „Deine Familie?!“, fragte Sytania und lachte dabei dreckig. „Nun, die habe ich an die Plätze geschafft, die ihnen gebühren.“ „Was soll das heißen?!“, fragte der Professor. „Nun.“, sagte die Prinzessin. „Sie werden die Strafe ausbaden müssen, die du bekommen wirst, weil du mich gegenüber deiner Frau hingehängt hast. Wie konntest du Nayale gegenüber zugeben, dass ich dich dazu gebracht habe, diese kleine widerwärtige terranische Kröte umzubringen?“ „Ich musste es ihr sagen.“, sagte Nathaniel. „Sie hätte sonst von dem Gift getrunken und ich wusste nicht aus, noch ein. Ich liebe sie doch.“ „Liebe!“, sagte Sytania verächtlich. „Wie schwach und verletzlich sie doch macht. Dagegen der Hass! Oh, ja, der Hass! Er ist eine Quelle der Stärke und …!“ „Aber auch eine Quelle der Unvernunft!“, stellte Radcliffe fest. „Wenn man aus Hass oder aus Verzweiflung, die ja auch eine negative Emotion ist, Handlungen begeht, die man später bereut, dann ist man doch genau so schwach, oder vielleicht sogar noch schwächer, weil man niemanden hat, auf dessen Liebe man zurückgreifen kann und der einen auffängt.“ „Spielst du etwa auf meine kleine Erpressung an, Nathaniel?!“, fragte Sytania und tat, als würde sie ihn bemitleiden, aber Radcliffe hörte an ihrer Stimme genau, dass sie im Grunde nur Verachtung für ihn übrig hatte. „Genau das tue ich, Milady.“, sagte Radcliffe. „Ihr habt mich für Euch töten lassen! Ihr habt mich nur benutzt. Oder warum behandelt Ihr jetzt meine Familie so?! Wenn Euch ernsthaft etwas an mir läge, dann …!“ „Herzlichen Glückwunsch!“, sagte Sytania mit süffisantem Unterton. „Endlich hast du es kapiert! Du warst von Anfang an für mich nicht mehr, als eine Marionette, mein Lieber! Glaubst du wirklich, ich mache mir was aus so niederem Gewürm und Gekrieche wie dir?!“ „Aber Ihr habt mich sogar mit auf Eurem Thron sitzen lassen!“, erinnerte er sie. „Sicher habe ich das!“, gab Sytania zu. „Ich musste ja vor dir aufrecht erhalten, dass ich dir helfen wollte, damit du auch schön weiter mitmachst! Und dafür, dass du überhaupt von mir geheilt werden wolltest, habe ich auch gesorgt, indem ich die gewalttätigen Impulse in deinen Geist gepflanzt habe. Jene Impulse, die dich fast dazu getrieben hätten, deinen Sohn ernsthaft zu verletzen. Ich wollte erreichen, dass du um Heilung bettelst! Um so leichter warst du gefügig zu machen für mich! Du hättest alles für mich getan, nicht wahr?! Alles! Aber deine Frau musste uns ja in die Quere kommen! Aber davor musst du jetzt keine Angst mehr haben!“ Sie lachte dreckig. „Meine arme Nayale!“, rief der immer verzweifelter werdende Radcliffe aus. „Was habt Ihr mit ihr gemacht?!“ „Oh, sie sitzt nur in meinem Kerker bei Wasser und Brot.“, sagte die Mächtige. „Morgen werde ich sie zur Arbeit in meinen Kristallminen einteilen lassen. Dort wird sie die Kristalle, die von den Schürfern geborgen werden, von Schmutz und Unrat befreien. Was glaubst du, wo die schönen Steine herkommen, die all dies hier zieren!“ Sie ließ ihren Blick genießerisch über ihre Habe schweifen.

„Das Wasser im Fluss ist sehr kalt.“, fügte sie noch hinzu. „Deine Frau wird bald sehr krank sein. Sehr, sehr krank und dann auch vielleicht sehr, sehr tot! Aber vorher wird sie leiden! Sie hätte ja ihre Nase nicht in Dinge stecken müssen, die sie nichts angehen!“

Radcliffe stand wie zur Salzsäule erstarrt da. Schlagartig war ihm klar geworden, auf was er sich eingelassen hatte. „Ihr widert mich an!“, sagte er. „Ihr und Eure ganze …“ „Überlege, was du sagst!“, drohte Sytania. „Wenn du mir entsagst, dann wirst du wieder zu dem nervlichen Wrack werden, das du einst warst! Willst du das wirklich?! Ich lasse dir die Wahl! Vergiss Nayale und ihr Schicksal! Sie war uns doch eh nur im Weg! Sie hat dich verraten! Oder werde wieder zu dem kranken Mann, der du warst! Damit du’s weißt, geheilt habe ich dich nie! Ich habe dich nur stabil gehalten, solange ich dich brauchen konnte, um …!“ „Um mich jederzeit unter Kontrolle zu haben!“, erkannte Radcliffe. „Oh, was für ein Narr bin ich nur gewesen! Wie konnte ich glauben, dass Ihr für jemanden anderes handeln konntet, als für Euch selbst?! Ihr habt nur jemanden benötigt, der für Euch die Drecksarbeit macht, damit man Euch nicht verdächtigt!“ „Genau das!“, sagte Sytania und lachte erneut. „Aber was ist nun mit deiner Wahl?! Wie hast du dich entschieden?!“ „Für Nayale habe ich mich entschieden!“, sagte Radcliffe. „Für Nayale und ausdrücklich gegen Euch! Mit so einer hasserfüllten selbstsüchtigen und selbst verliebten Hexe , die Ihr seid, will ich nichts zu tun haben!“ „Na, wenn das so ist!“, sagte Sytania. „Dann nimm das, du Wurm! Spüre meine Macht!“

Es gab einen schwarzen Blitz und Nathaniel spürte, wie es ihm immer schwerer fiel, die selbstbewusste Fassade vor Sytania aufrecht zu erhalten, obwohl er dies mit aller Kraft versuchte. Schon spürte er die Auswirkungen seiner Krankheit erneut. Er wurde wieder zu dem zittrigen fahrigen Etwas, das er war, wenn er so einen Anfall hatte. Auch wusste er, dass dies jederzeit wieder passieren konnte. Er dachte sogar an Selbstmord, um diesem Leben entkommen zu können. „Recht so!“, sagte Sytania. „Wenn du sterben willst, dann wird dir sogar jemand dabei helfen! Telzan, schaff ihn aus meinen Augen!“ „Wie Ihr wünscht, Herrin!“, sagte der Vendar, der jetzt ja nichts weiter war, als ein einfacher Soldat.

Er packte Radcliffe am Schlafittchen und zerrte ihn aus dem Saal. Dabei flüsterte er ihm zu: „Folge mir, wenn du leben willst, Nathaniel El Taria.“

„Endlich allein!“, sagte die Prinzessin zu Dirshan. „Endlich sind wir diesen Verräter los. Dass der so schnell einknickt, hätte ich nicht gedacht. Aber na ja. Wir brauchen ihn sowieso nicht mehr für den Rest meines Plans. Er hätte seinen Zweck ohnehin erfüllt. Da kommt es mir ganz gelegen, dass er jetzt sterben wird.“ „Was ist denn der Rest Eures Plans, Milady?“, fragte Dirshan. „Nun, Dirshan.“, begann Sytania. „Ich werde heiraten!“ „Wie soll ich das verstehen, Hoheit?“, fragte der Novize. „Das will ich dir erklären.“, sagte Sytania. „Ich werde einen der Palgeister heiraten, die seit ewigen Zeiten in ihrem Gefängnis dahin vegetieren. Wenn ich ein anderes mächtiges Wesen heirate, dann können wir in der Hochzeitsnacht ein Ritual durchführen, bei dem ein körperloses Wesen geschaffen wird, das unsere beiden Kräfte in sich vereinen wird. Dieses Wesen wird einer von deinen Leuten dann zur vollendeten Entwicklung tragen und dann werden wir für es einen Körper suchen. Ach nein, den habe ich ja schon.“ „Den Jungen?!“, fragte Dirshan. „Genau!“, sagte Sytania. „Wie klug du doch bist! Niemand wird etwas Böses im Körper eines unschuldigen Kindes vermuten, wenn meine Armeen dereinst unter seiner Führung die Dimensionen heimsuchen werden. Bis es so weit ist, wird die Antiföderation noch eine Weile für Ablenkung sorgen! Ich werde die Antisternenflotte gegen die Sternenflotte in den Krieg schicken! Dann sind sie so abgelenkt, dass sie nicht sehen werden, was hinter ihrem Rücken passiert. Du wirst inzwischen dein Schiff nehmen und damit ins Universum der guten Föderation fliegen. Dort wirst du die Feuerhöhlen von Bajor aufsuchen und mir helfen, meinen Auserwählten zu finden. Nimm den Kontaktkelch mit. Keine Sorge. Ich werde dich und dein Schiff unsichtbar machen. Der Rest meiner Anweisungen erfolgt dann telepathisch.“ „Vielen Dank, Herrin.“, sagte Dirshan. „Vielen Dank, dass Ihr mich zum Überbringer einer für die Palgeister sicher sehr erfreulichen Botschaft macht.“ „Oh.“, sagte Sytania. „Das ist meine Belohnung für treue Dienste. Die bekommt aber nur der, der immer treu zu mir steht und der mich nicht verrät.“ „Das dachte ich mir schon.“, sagte Dirshan, steckte den Kontaktkelch ein und war in Richtung seines Schiffes verschwunden.

Auch Telzan und Nathaniel hatten eines der Vendar-Schiffe aufgesucht. Nur lag das Ihre weit abseits. Der Terraner dachte sich, dass sein neuer Freund wohl nicht wollte, dass Sytania mitbekam, was er tatsächlich mit ihm vorhatte. Seine Aufforderung, ihm zu folgen, wenn er leben wollte, hatte er durchaus verstanden. Er konnte sich aber nicht vorstellen, was der Grund für den plötzlichen Sinneswandel des Vendar gewesen sein könnte, denn diverse Ereignisse, die dies erklären könnten, hatte Nathaniel ja nicht mitbekommen. Er kannte Telzan aber gut genug, um einschätzen zu können, dass er nicht plötzlich zum Gutmenschen mutiert war, sondern dass sein Handeln unter Umständen auch nur eigennützige Gründe haben würde. Aber wenn es ihm half, Sytania zu entkommen, warum nicht?

Jetzt standen sie vor dem älteren Schiff und Telzan öffnete die Luke. Dann deutete er auf sie und sagte zu Nathaniel: „Steig ein! Wir haben wenig Zeit!“

Der terranische Archäologe nickte und kletterte voran ins Cockpit des Schiffes, wohin ihm der Vendar auch bald folgte und sich auf den Copilotensitz setzte. Erst jetzt, als Nathaniel vor den vielen Knöpfen, Hebeln und Joysticks saß, fiel ihm auf, dass Sytania ihm sogar die Fähigkeit genommen hatte, ein Schiff zu fliegen. Er konnte nur vermuten, dass dies auch eine Fähigkeit war, die er durch den Kegel bekommen hatte und die sie ihm deshalb auch genau so schnell wieder nehmen konnte, wie sie ihm diese und andere Kenntnisse gegeben hatte. „Das habt Ihr wirklich prima eingefädelt, Prinzessin!“, zischte Radcliffe und versuchte, sich wenigstens noch an etwas zu erinnern, aber das gelang ihm nicht.

Telzan hatte dem Treiben geduldig zugesehen. Er sah Nathaniel jetzt an, als würde er auf eine bestimmte Regung von ihm warten. Er nickte ihm sogar auffordernd zu. „Bitte hilf mir.“, sagte der verzweifelte Professor schließlich. „Ich hatte schon befürchtet, du würdest nie fragen.“, sagte Telzan erleichtert. „Ich muss fragen.“, sagte Nathaniel. „Du hast gesagt, wir haben keine Zeit und wenn ich nicht frage, dann werden wir hier nicht wegkommen. Ich erinnere mich wirklich nicht.“ „Dafür bin ich ja da.“, sagte der Vendar und holte einen Schaltschlüssel aus seiner Tasche, den er Nathaniel in die rechte Hand gab. Dann deutete er auf einen Zapfen und sagte: „Da drauf stecken!“ Nathaniel nickte und führte seine Anweisung aus. „Er lässt sich nach rechts drehen.“, stellte er fest. „Dann tu es doch.“, lächelte Telzan und sah zu, wie Nathaniel auch das ausführte.

Die Systeme des Veshel summten auf und dann sagte der Rechner etwas auf Vendarisch. „Oh, das werde ich gleich mal umstellen.“, entschuldigte sich Telzan und betätigte einige Symbole auf dem Touchscreen vor sich. „Das bedeutet, du kannst jederzeit eingreifen?!“, vergewisserte sich Nathaniel. „Genau das!“, bestätigte Telzan.

Die Worte des Rechners wurden noch einmal auf Englisch wiederholt: „Hauptsystem in Betrieb. Systemdiagnose läuft. Alle Systeme sind online und laufen fehlerlos.“ „So gefällt es dir schon besser, was, Nathaniel El Taria?“, fragte Telzan mit einem Lächeln. „Das stimmt.“, antwortete der Professor. „Aber warum hilfst du mir? Ich meine, du hattest Befehl, mich zu töten. Wenn Sytania dahinter kommt, dann …“ „Alles zu seiner Zeit, Nathaniel El Taria.“, meinte Telzan. „Jetzt solltest du uns erst einmal hier wegbringen.“ „Aber das kann ich nicht.“, widersprach Nathaniel. „Ich vermag mit den Dingen, die ich hier sehen kann, nichts mehr anzufangen. Dafür hat deine Herrin gesorgt.“

Telzan gab einen verächtlichen Laut von sich. „Sie mag dir diese Fähigkeiten genommen haben.“, sagte er. „Aber ich beabsichtige, sie dir wieder zu geben. Führe genau aus, was ich dir jetzt sage. Keine Angst! Wenn etwas passiert, kann ich jederzeit eingreifen, wie du schon festgestellt hast. Oben rechts auf der Schalttafel mit den beiden großen Joysticks befindet sich auch ein Knopf. Wenn du ihn drückst, aktivierst du die Atmosphärentriebwerke.“ „Also gut!“, sagte Nathaniel entschlossen, der jede Gelegenheit nutzen wollte, einen möglichst großen Abstand zwischen sich und das Dunkle Imperium zu bringen. „Wenn du das getan hast.“, erklärte Telzan weiter. „Dann ziehst du den Stick, den du nur längs bewegen kannst, zu dir. Aber langsam. Sie ist etwas empfindlich, die alte Dame.“ „Und was tue ich dann?“, fragte Nathaniel. „Tu erst mal genau, was ich gesagt habe.“, sagte Telzan. „Alles andere können wir später noch erläutern. Du bist mir nämlich immer noch viel zu nervös und zu viele Informationen könnten zu Fehlern führen und vielleicht kann ich dir dann auch nicht mehr helfen.“ „Na gut.“, sagte Nathaniel und zog den Stick zu sich. „Jetzt schieb den Regler über den beiden Sticks langsam nach vorn!“, instruierte ihn Telzan weiter. Auch das tat Nathaniel und bemerkte tatsächlich, wie sich das Schiff bald vom Boden abhob. „Sehr gut.“, lobte der Vendar. „Du hast wirklich Talent. Die meisten meiner Novizen stellen sich schlechter an.“

Nathaniels Blick wanderte über die Instrumententafel. Er konnte nicht wirklich etwas mit den Zahlen auf den Displays anfangen. „Ich denke, ich muss noch viel lernen, Telzan.“, stellte er fest. „Ja, das musst du, Nathaniel El Taria. Es wird noch eine Weile dauern, bis ich dich allein lassen kann und wir die andere Hälfte meines Plans ausführen können.“ „Welche andere Hälfte?“, fragte der Professor. „Ich sagte dir bereits, dass ich dir alles sagen werde, wenn ich denke, dass es Zeit dafür ist.“, erwiderte Telzan etwas unwirsch. „Außerdem hast du noch eine Menge anderes zu lernen.“

Nathaniel beobachtete, wie Telzan eine Tasche aus einem Versteck unter der Steuerkonsole zog und sie öffnete. „Sieht aus, als hättest du das hier schon von langer Hand vorbereitet.“, stellte er fest. „Das hatte ich tatsächlich.“, sagte Telzan und griff nach Radcliffes linkem Arm. Dann legte er ihm eine Tropfkonsole an. „Sie ist programmiert, eine gewisse Menge eines Medikamentes in dein Blut abzugeben, sobald du diesen Knopf drückst.“, erklärte er und zeigte auf einen großen roten Knopf am Bedienelement. „Gegen was?“, fragte Nathaniel. „Gegen deine Anfälle.“, sagte Telzan. „Es kann dich nicht heilen, aber es kann deinen Realitätsverlust in Grenzen halten und stellt dich einwenig ruhig.“ „Aber woher soll ich wissen, wann ich es aktivieren muss?“, fragte Radcliffe. „Die Anfälle kommen aus heiterem Himmel! Was ist, wenn ich dir wehtue oder dich gar töte während eines solchen Anfalls. Ich meine, du hast doch gehört, was Sytania gesagt hat.“ „Sytania!“, lachte Telzan. „Um die brauchst du dir beileibe keine Sorgen mehr zu machen. Sie hat gänzlich das Interesse an dir verloren. Du bist jetzt unwichtig für sie, genau so, wie ich es bin.“

Verwirrt sah Radcliffe ihn an. „Du und für sie unwichtig?“, fragte er. „Was ist geschehen? Als ich euch mit meiner Familie verließ, warst du noch Sytanias oberster Vendar.“ „Die Zeiten haben sich eben geändert.“, sagte Telzan. „Jetzt hat mein ehemaliger Novize Dirshan meinen Posten. Ich habe wohl zu oft versagt in Sytanias Augen.“ „Kann das auch mit dem Grund zu tun haben, aus dem du mir jetzt hilfst?“, fragte der Professor. „Genau das.“, sagte Telzan. „Ich bin froh, dass du nicht so naiv bist, Nathaniel El Taria, dass du glaubst, ich hätte meine gute Seite entdeckt. Ich helfe dir nur, weil ich mich an Sytania rächen will. Aber wenn dir das hilft, dann kann es doch nur gut sein für uns beide. Manchmal sollte man keine Fragen stellen, sondern die Gelegenheiten nutzen, wie sie kommen. Wie sagt man doch gleich bei euch auf der Erde? Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, einem geschenkten Barsch nicht in den Arsch.“ „Du hast Recht.“, sagte Nathaniel. „Wir beide haben einen Grund, an Sytania Rache zu nehmen. Du wegen deines Postens und ich wegen meiner Familie. Wir könnten uns darüber streiten, welches Motiv edler ist, aber das sollten wir nicht tun, sondern viel eher zusammenarbeiten.“ „Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest.“, sagte Telzan. „Ich werde auch ein braver und aufmerksamer Schüler sein bei den Dingen, die du mir beibringen willst.“, sagte Nathaniel. „Das habe ich auch von dir nicht anders erwartet.“, sagte Telzan.

Ein Signal vom Rechner ließ die Männer aufhorchen. „Was bedeutet das?“, wollte Nathaniel wissen. „Schau selbst auf das Display.“, sagte Telzan. „Glaubst du etwa, ich habe mir die Mühe umsonst gemacht, alles auf Englisch umzustellen?!“ „Sicher nicht.“, antwortete Nathaniel und sah sich den Bildschirm an. „Die Sensoren nehmen Dinge wahr, die wie große Kreisel aussehen.“, sagte er. „Außerdem wird empfohlen, nach dem Durchqueren dieser Zone auf Impuls oder Warp zu schalten.“ „Hör mir zu!“, sagte Telzan. „Sie sieht die Weltraumwirbel. Halte sie zuerst einfach nur stabil. Mit dem anderen Stick kannst du ihren Kurs korrigieren, wenn es nötig sein sollte. Folge aber im Großen und Ganzen einfach nur ihren Bewegungen. Wenn du doch einmal gegensteuern musst, dann nur ganz langsam und ganz zart. Sonst stoßen wir noch mit einem der Wirbel zusammen. Wenn wir hier durch sind, dann gehst du auf Impuls. Das ist der mittlere Schalter von den dreien, von denen du den Rechten gedrückt hast, um die Atmosphärentriebwerke anzulassen.“ „Wird sie dann fragen, wie schnell ich fliegen möchte?“, fragte Nathaniel. „Nein.“, sagte Telzan. „Das kannst und musst du über den Regler bestimmen, weil wir auf manueller Steuerung fliegen. Das habe ich mit Absicht so eingestellt, damit du erst mal ein Gefühl für sie bekommst. Alles andere kommt später.“ „Na gut!“, sagte Nathaniel und begann damit, sich auf das Fliegen des Veshel durch die Wirbel zu konzentrieren.

Wenige Sekunden später hatten sie diese hinter sich gelassen und Nathaniel hatte auf Impulsantrieb umgeschaltet, wie es ihm Telzan aufgetragen hatte. „Ich gratuliere dir.“, sagte Telzan. „Das war irgendwie gar nicht so schwierig.“, sagte Radcliffe. „Vielleicht ist es ja richtig, was du sagst und ich habe tatsächlich Talent.“

Er bemerkte, dass er sehr zittrig wurde. „Ich glaube, das war etwas viel.“, stellte er fest. Im gleichen Moment kamen in ihm Bilder hoch, die Commander Sisko auf Deep Space Nine zeigten. „Du musst übernehmen!“, schrie Nathaniel außer sich. „Ich glaube, ich bekomme einen Anfall!“

Der Vendar holte selenruhig einen Erfasser aus seiner Tasche und begann damit, sein Gegenüber zu scannen. Die Worte der Stimme des Gerätes verstand Nathaniel nicht, denn es sprach Vendarisch. Er konnte sich aber denken, dass es Daten waren, die seinen Gesundheitszustand beschrieben. „Was habe ich dir denn gegeben, Nathaniel El Taria?!“, fragte Telzan. „Drück den Knopf! Dann wirst du sehen, dass alles nur noch halb so schlimm ist!“

Seine Anweisungen waren bei dem völlig panischen Radcliffe nicht mehr angekommen, das hatte auch Telzan gesehen. Also schnappte er sich dessen Arm und drückte selbst auf den Knopf an der Tropfkonsole. Augenblicklich gerieten die Bilder in Radcliffes Kopf in den Hintergrund. Erleichtert seufzte Nathaniel auf. „Danke, mein Freund.“, sagte er. „Du wirst von mir lernen, die Anfälle noch viel früher zu erkennen.“, sagte Telzan. „Außerdem wirst du lernen, Situationen, in denen sie auftreten können, im Vorhinein zu erkennen und dann besser vorbereitet zu sein. Sytania mag dir die Macht über deine Krankheit wieder genommen haben, die sie dir gegeben hatte, aber ich beabsichtige, sie dir wiederzugeben!“ „Große Worte, mein Freund.“, sagte Radcliffe skeptisch. „Aber glaubst du ernsthaft, dass die Sache so funktionieren kann?“ „Heilen wird dich dieses Medikament nicht.“, sagte Telzan. „Aber wenn wir die andere Hälfte des Plans ausführen, dann wirst du schnell an jemanden geraten, der das kann. So. Und nun sollten wir mit dem Unterricht fortfahren. Du hast noch eine Menge zu lernen, Nathaniel El Taria. Eine ganze Menge!“ „Also gut.“, sagte der Professor. „Ich würde nur gern wissen, ob du deine Novizen auch immer so ins kalte Wasser schupst, wie du es bei mir gemacht hast.“ „Oh, ja.“, sagte Telzan. „Das ist tatsächlich meine Art.“

Er ging zum Replikator und gab einige Befehle ein. Dann kam er mit zwei Bechern Eis zurück. „Schalte das Schiff auf Automatik!“, wies er Nathaniel an. „Wie soll ich das machen?“, fragte er. „Dreh dich zum Mikrofon des Mishar und sag einfach: „Mishar, Autopilot aktivieren!“ „Du meinst den Rechner.“, sagte Nathaniel, um sich zu vergewissern. „Was denn wohl sonst.“, sagte Telzan mit leicht genervter Stimme. „Also gut.“, sagte der Terraner und führte aus, was ihm sein neuer Lehrer soeben aufgetragen hatte: „Mishar, Autopilot aktivieren!“ „Befehl wird ausgeführt.“, kam es nüchtern zurück. „Warum kennt er meine Stimmfrequenzen?“, fragte Nathaniel. „Hast du nicht selbst festgestellt, dass ich alles gut vorbereitet hatte?“, fragte Telzan. „Doch.“, antwortete Nathaniel. „Das habe ich.“

Telzan stellte die beiden Becher auf einem Tisch ab, der sich im hinteren Teil des Cockpits befand. Dann zog er Nathaniel dort hin und beide setzten sich auf die Sitze. „Unsere Rache an Sytania sollte sein wie dieses Eis.“, sagte Telzan. „Schön kalt und süß.“ „Da stimme ich dir zu.“, sagte Nathaniel. „Und ich werde auch nicht mehr fragen, was den Rest angeht. Von jetzt an werde ich dir vertrauen.“ „Na dann.“, sagte Telzan. Dann begannen beide damit, ihr Eis zu genießen. Die Geschmacksrichtung war Nathaniel völlig unbekannt. Er tippte auf eine einheimische imperianische Fruchtsorte, wollte Telzan aber nicht fragen, denn er dachte sich, dass dieser ihn vielleicht jetzt schon damit prüfen wollte und sein Vertrauen auf die Probe stellte. Deshalb beließ er es dabei.

Ihre Entführerinnen hatten die arme Nayale einfach auf ein Strohlager in einer der Zellen in Sytanias Kerker geworfen. Hier fand sie sich nun neben einer genesianischen Kriegerin wieder. Diese war groß, muskulös und hatte rotes Haar, das wie ein Flammenkranz um ihren Kopf fiel. Nayale war froh, dass sie zu schlafen schien, denn ihr Anblick war für sie so schrecklich, dass er sie das Fürchten lehrte. Die schwarze Sträflingskleidung der Frau unterschied sich nicht wirklich von jener, in die sie selbst von den Vendar gesteckt worden war. Nur ihre Augen, diese feurigen Augen, strahlten noch Mut und Entschlossenheit aus, auch während sie schlief. Die Wärterinnen hatten es also wohl noch nicht geschafft, ihren Willen zu brechen. Das ließ auch Nayale wieder Mut schöpfen, die bereits sehr große Angst verspürt hatte. Lange sah sie der Frau in die Augen, als wollte sie etwas von deren Mut abschöpfen.

Plötzlich bewegte sie sich und Nayale wich erschrocken zurück. Sie hatte Gerüchte gehört, denen nach Genesianerinnen jemanden mit einem bloßen Schlag ihrer Handkante umbringen konnten. Dieses Schicksal wollte sie nun wirklich nicht erleiden. „Bitte töte mich nicht.“, flehte Nayale. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten, stolze Kriegerin. Ich habe nur bewundert, was du trotz unserer Situation immer noch für einen Mut hast. Bitte, bitte tu mir nichts!“

Die Genesianerin drehte sich um, so dass Nayale ihr vollständiges Gesicht sehen konnte und lachte lauthals. Es war ein Lachen, bei dem sich Nayale die Haare kräuselten. „Warum sollte ich dich töten?!“, fragte ihre etwas heiser anmutende für eine Frau sehr dunkle Stimme. „Dafür gibt es doch keinen Anlass, du zartes zerbrechliches Ding! Ich will mich ja nicht der Unehre schuldig machen, weil ich mich an einer Gegnerin versucht habe, die keine ist. Das wäre feige und ich bin kein Feigling. Du machst mir eher den Eindruck, als benötigst du Schutz! Den bin ich bereit, dir zu geben. Halt dich zukünftig an mich! Dann wird dir nichts passieren!“

Vor Erleichterung und Freude, aber auch noch etwas vor Angst, brach Nayale in Tränen aus. „Aber ich habe nichts, was ich dir zahlen kann.“, sagte sie, die schon einiges über die Gepflogenheiten in Gefängnissen gehört hatte. „Oh, doch!“, sagte die Genesianerin mit Überzeugung. „Du hast Informationen über diese Marionette von Sytania, die meine Prätora sicher brennend interessieren würden. Ich weiß nämlich, wer du bist, Nayale Radcliffe!“ „Wenn du weißt, wer ich bin.“, sagte Nayale. „Darf ich dann auch erfahren, wer du bist?“ „Ich bin Elaria.“, sagte die Genesianerin. „Nur Elaria?“, fragte Nayale. „Kein Hinweis auf deine Mutter? Kein Clanname?“ „Mein Clan wurde aufgerieben in einem der vielen genesianischen Bürgerkriege.“, sagte Elaria. „Ich wurde von einem anderen Clan aufgenommen, in dem ich mich zunächst einmal bewähren muss. Dann werde ich vielleicht von der Prätora adoptiert und darf sowohl den Namen ihres Clans, als auch den Ihren als den Namen meiner Mutter führen. Aber jetzt stell keine Fragen mehr und schlaf! Morgen müssen wir früh raus und arbeiten.“ „Na gut.“, sagte Nayale, die eigentlich noch viel mehr hatte wissen wollen. Aber sie ahnte auch, dass sie vorsichtig sein mussten, weil jederzeit die Vendar wiederkommen konnten. „Gute Nacht, Elaria.“, sagte sie daher nur. „Gute Nacht, Nayale, mein zartes Pflänzchen.“, lächelte ihre neue Freundin zurück. Dann schliefen beide ein.

Cirnach hatte den armen kleinen verängstigten Malcom in ihr Haus gebracht. Kaum war sie aber mit ihm dort angekommen und hatte ihm den Knebel entfernt, hatte sie einen schwarzen Blitz gesehen und der kleine Junge war bewusstlos geworden. Dann hatte sie ihn auf ein Bett gelegt und war sofort wieder zu Sytania geeilt, denn sie hatte sich denken können, woher der Blitz gekommen war.

Nun stand sie vor ihrer Herrin. „Was habt Ihr mit dem Kind getan und warum habt Ihr es getan?“, fragte die Vendar umsichtig. „Nun, Cirnach.“, antwortete Sytania. „Ich wollte schlicht und einfach verhindern, dass er das ganze Haus zusammen schreit, wenn du ihm den Knebel aus dem Mund nimmst. Außerdem war es notwendig, damit er seine Angst und seine Mutter vergisst. Wenn er in einigen Minuten aufwacht, wird er dich und deinen Mann als Tante Cirnach und Onkel Telzan akzeptieren. Dies ist wichtig, damit er später kooperiert. Ich wollte nicht so weit gehen und ihn euch Mutter und Vater nennen lassen, aber …“ „Mit Tante und Onkel bin ich schon zufrieden, Gebieterin.“, beschwichtigte Cirnach. „Aber wobei soll er kooperieren? Ich meine, Ihr habt alles ja nur mit Dirshan und meinem Mann besprochen. Allerdings denke ich, dass Telzan nur dabei war und Ihr ihn ja nicht offiziell eingeladen hattet. Er hat ja den Posten des Truppenführers nicht mehr inne.“ Sytania hatte ihre Spitze zwar mitbekommen, ging aber einfach darüber hinweg. „Er wird das Gefäß für meine neue Schöpfung!“, sagte Sytania. „Diese wird in meinem Namen alle Dimensionen erobern! Deren Bewohner werden zunächst ziemlich naiv sein und von einem kindlichen Körper ja nichts Böses erwarten, aber sie wissen ja nicht, was darin steckt!“ „Mit Verlaub, Herrin.“, begann Cirnach. „Ihr wisst, dass jede Eurer Schöpfungen automatisch schwächer ist, als die Schöpfungen Eures Vaters. Außerdem können die Föderation und ihre Verbündeten sicher leicht mit so einer fertig werden, wenn …“ „Du hast mir ja noch gar nicht zu Ende zugehört!“, unterbrach Sytania sie harsch. „Wer sagt dir, dass ich allein am Prozess dieser Schöpfung beteiligt sein werde? Wenn das so wäre, dann hättest du sicher Recht, aber so ist es nicht! Ich habe mir bereits einen potenten Kandidaten ausgesucht, der mir helfen wird. Dirshan wird ihm meine Botschaft überbringen und dafür sorgen, dass er hierher kommt!“ „Denkt Ihr etwa an Dill?!“, fragte Cirnach empört. „Das könnt Ihr ja nun wirklich getrost vergessen! Den habt Ihr ja schon einmal erpresst und versucht ihn dazu zu bringen, Euch zu heiraten, aber Time …“ „Wenn dir dein Leben lieb ist!“, unterbrach die Prinzessin ihre Dienerin erneut tadelnd. „Dann erwähne diesen Namen niemals wieder! Und, nein! Ich habe keineswegs an Dill gedacht! Derjenige, an den ich dachte, sitzt seit Jahrhunderten auf dem Planeten Bajor gefangen. Ich aber werde ihm die Freiheit bieten und auch mich! Ein Angebot, das er mit Sicherheit nicht abschlagen kann!“

Cirnach musste eine ganze Weile lang nachdenken. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wer auf Bajor so mächtig sein konnte, dass Sytania ein derartiges Interesse an ihm entwickeln würde. Schließlich kam sie aber dann doch zu einer Theorie. „Habt Ihr etwa an einen der Palgeister gedacht, Milady?“, fragte sie. „Genau das habe ich, Cirnach!“, sagte Sytania und klatschte in die Hände. „Genau das! Ich weiß nur noch nicht, für welches Exemplar ich mich entscheiden werde. Aber das werde ich dann tun, wenn Dirshan in den Feuerhöhlen angekommen ist.“ „Habt Ihr Dirshan unsichtbar gemacht?“, wollte Cirnach wissen. „Ich meine, irgendwie solltet Ihr verhindern, dass die Regierung von Bajor auf das aufmerksam wird, was dort passiert.“ „Natürlich habe ich das.“, sagte Sytania. „Ich bin schließlich keine Anfängerin!“ „Dann bin ich ja beruhigt.“, sagte Cirnach und wandte sich zum Gehen. Dabei warf sie Sytania einen fragenden Blick zu. Die Prinzessin nickte nur stumm. Cirnach verließ darauf erleichtert den Thronsaal.

Kapitel 37: Vielversprechende Lösungsansätze

von Visitor

 

Ich war von Shinell wieder aus ihrem Unterricht entlassen worden, nachdem sie festgestellt hatte, dass meine Kenntnisse über die Welt der Toten hauptsächlich theoretischer Natur waren. Die Dinge, die ich in meinen Träumen gesehen hatte, als ich damals Shimar beobachtete, hatte ich ja nur aus der Perspektive einer Zuschauerin wahrgenommen.

Shinell hatte mir zwar gesagt, dass ich mir hier alles wünschen konnte, was ich wollte und mir auch eine entsprechende Anleitung gegeben, aber ich hatte ja längst klar gemacht, dass ich meine Entscheidung bezüglich des Wünschens getroffen hatte. Mir waren außerdem die Verhaltensregeln für Sternenflottenoffiziere im Falle einer Gefangennahme durch den Feind in den Sinn gekommen, nach denen ich alles versuchen musste, um zu entkommen. Zwar galt das im Normalfall sicher nicht für den Tod, aber dies war kein Normalfall, wie sich einwandfrei feststellen lassen hatte.

Während Shinells Unterricht hatte ich mir nur meinen lieb gewonnenen Taststock hergewünscht, ohne den ich in meinem Jahrhundert aufgeschmissen gewesen wäre. Sicher hätte ich mir auch Technologie des 30. Jahrhunderts wünschen können, aber ich wollte ihr eine eindeutige Botschaft hinterlassen, die da lautete: „Ich lasse mich nicht von euren Annehmlichkeiten verführen! Ich bleibe bei meinem Ziel!“ Nachdem ich mit dem Stock in der Hand aus dem Nebenraum gekommen war, hatte mich eine meiner klingonischen Leidensgenossinnen doch tatsächlich gefragt, ob es eine Waffe sei, was ich lächelnd verneint hatte.

So saß ich nun überlegend an meinem Schreibtisch in meiner Wohnung. Das Thema meiner Überlegungen lautete: „Wie behalte ich meine Erinnerungen?“, denn ich hatte nun wirklich keine Lust auf dieses große Vergessen, was von Shinell als die Lösung aller Probleme deklariert worden war und nach dessen Einsetzen ich mich hier sehr wohl fühlen würde. Denn, wenn ich alles vergaß, dann bedeutete dies auch, dass ich mein Leben und die Sache vergaß, wegen der ich eigentlich hier war. Sytania hatte mich sicher nicht umsonst töten lassen! Das stand für mich fest, genau wie die Tatsache, dass nur sie etwas mit meinem frühen Tod zu tun haben konnte, auch dann, wenn ich dies nicht beweisen konnte. Das durfte auf keinen Fall passieren! Ich durfte nicht vergessen, aber wie sollte ich diesem Prozess entgegenwirken, der laut Shinell irgendwann ja ganz natürlich einsetzen würde? Wie stoppte man die Natur? Das Wissen, das ich über die Vorgänge in der Welt der Lebenden hatte, war extrem wichtig! Ich durfte es nicht verlieren! Dass ich es vielleicht nicht in meinem Kopf halten können würde, war mir klar. Aber fast im gleichen Moment, als ich darüber nachdachte, fielen mir die Worte meines alten Computerlehrers ein, der mich im 21. Jahrhundert in meiner dortigen Berufsausbildung unterrichtet hatte. Als Pragmatiker, der er gewesen war, hatte er mir immer wieder eingeschärft: „Sie müssen nicht alles Wissen im Kopf haben. Sie müssen nur wissen, wo es steht!“ Wo es stand? Natürlich! Da gab es eine Möglichkeit!

Ich lehnte mich zurück und stellte mir meine gute alte Punktschriftschreibmaschine vor. Tatsächlich stand sie bald vor mir. Daneben lagen einige leere Ordner und einige Packungen mit Papier und ein Locher , die ich mir ebenfalls gewünscht hatte. Damit würde ich mein ganzes Leben aufschreiben. Dann konnte ich es immer wieder nachlesen. Die Ordner würde ich auf meinem Schreibtisch liegen lassen, damit sie mir immer wieder in die Hände fielen, auch dann, wenn ich sie vergessen sollte. Sicherlich war das gegen die Quellenwesen, die ja bestimmt allmächtig und allwissend waren, kein Schutz, denn in ihrer Allwissenheit wussten sie bestimmt auch, was Punktschrift war und könnten meine Pläne buchstäblich mit einem Gedanken zunichte machen. Aber ich wusste auch, dass sie sich in Shinells Tun nicht direkt einmischten. Sie vertrauten ihr und sie wusste beileibe nicht, was man mit so einem in ihren Augen sicher antiquierten Schreibgerät anfangen konnte, geschweige denn, dass sie Ahnung von Punktschrift hatte. Es war nämlich nicht nur die Klingonin gewesen, die meinen Taststock sehr interessant und faszinierend gefunden hatte. Shinell hatte mich wahrscheinlich wohlweislich gefragt, warum ich mir keine Technologie des 30. Jahrhunderts gewünscht hatte. Wahrscheinlich hätte sie damit mehr anfangen und schneller hinter meine Pläne kommen können und mich somit auch leichter überwachen können, aber den Gefallen wollte ich ihr nicht tun!

Ich spannte also ein Blatt Papier in meinen treuen Helfer und begann damit, mein Leben aufzuschreiben. Allerdings lenkte ich mein Augenmerk zunächst auf das Leben, das ich im 30. Jahrhundert geführt hatte, denn dort gab es ja ein Problem, zu dessen Lösung ich unbedingt beitragen wollte und musste. Das verlangte schon allein mein Gewissen. Um mein anderes Leben im 21. Jahrhundert würde ich mich bei Zeiten kümmern. Ich schrieb in Deutsch, was Shinell, falls sie dahinter kommen sollte, die Erkennung meiner Pläne auch noch erschweren sollte. Englisch hätte es ihr viel zu leicht gemacht.

Während des Schreibens überlegte ich auch, ob ich nicht so einigen meiner neuen Freunde auch helfen sollte. Lomādo zum Beispiel würde sich ja noch sehr gut an sein Leben vor dem Tode erinnern! Vielleicht wäre er mir ja sogar sehr dankbar, wenn ich sein Leben für ihn aufschreiben und ihm immer wieder vorlesen würde. Bei Gelegenheit würde ich ihn danach fragen, aber jetzt hatte ich erst mal mit mir selbst zu tun.

Saron war zwischenzeitlich wieder zum Büro seiner Vorgesetzten unterwegs. Er hatte es abgelehnt, von Doktor Jenkins’ Praxis aus mit Nugura zu sprechen. Das Taxi aber hatte er dankbar angenommen und überlegte nun die gesamte Fahrt lang, wie er es anstellen konnte, Nugura davon zu überzeugen, dass sie ihr böses Ich nur zu akzeptieren brauchte, um ihre alte Stärke und ihr Selbstbewusstsein zurückzubekommen. Er ahnte, dass dies wohl ein besonders hartes Stück Arbeit werden würde, denn seine Vorgesetzte würde mit Sicherheit große Angst vor ihrem bösen Ich haben. Dies war ein Umstand, den er ja selbst noch gut kannte. Aber er würde versuchen, sie auf die gleiche Weise zu überzeugen, wie Jenkins und Malia es bei ihm geschafft hatten. Er war sicher, die sehr vernünftige Nugura würde dafür bestimmt offen sein.

Nach der Ankunft stieg er aus dem Taxi. Der Fahrer hatte ihn einige Schritte vor dem Gebäude abgesetzt. So hatte der Sekretär noch Zeit, sich in Ruhe über sein Vorhaben klar zu werden, während er sich zu Fuß auf den Weg in Richtung Gebäude machte. Nichts, nicht die geringste Reaktion von ihr, durfte ihn erschüttern.

Sowohl der Computer, als auch der Leibwächter am Eingang, hatten Saron bald positiv identifiziert. „Mr. Saron, was machen Sie denn hier?“, fragte der Wächter verwundert, als er des demetanischen Sekretärs ansichtig wurde. Der Mann war ein deutschstämmiger Terraner von ca. 180 cm Körpergröße, einem muskulösen Äußeren und sportlicher drahtiger Figur. Er war in die normale schwarze Uniform eines Leibwächters gekleidet, unter der er eine Energie abweisende Weste zum Schutz vor Angriffen mit dem Phaser trug. Er trug ebenfalls schwarze Stiefel und hatte kurze rote Haare. Außerdem sprach er mit starkem sächsischem Akzent. „Ich gehe zur Arbeit, Mr. Zimmermann!“, erwiderte Saron selbstbewusst. „Aber ich denke, Sie sind krank.“, wunderte sich Zimmermann. „Das war einmal und ist nicht mehr.“, lächelte der Demetaner. „Und jetzt lassen Sie mich bitte vorbei! Ich kenne nämlich einen Weg, wie wir alle geheilt werden können. Den werde ich an Nugura selbst demonstrieren!“

Zimmermann legte seine rechte Hand an die Waffe, einen Phaser des Typs drei, den er in einem Halfter an seinem Gürtel trug und stellte sich zwischen Saron und das Tor. Er war bereit, jederzeit von seiner Waffe Gebrauch zu machen, sollte sich herausstellen, dass Saron nicht der war, der er vorgab zu sein. In letzter Zeit war viel durch die Nachrichten gegangen, was den aufmerksamen Wächter irritiert hatte. Was war, wenn der Wäscher sich unter Umständen jetzt von einem unbekannten Terraner in Mr. Saron verwandelt hatte, um auch noch die heimzusuchen, die sich bis jetzt erfolgreich gegen seine Maßnahmen gewehrt hatten. Auch bei Zimmermann hatte der Wäscher es versucht, aber der hatte ihn im wahrsten Sinne des Wortes gekonnt ausgehebelt, was ihm natürlich Schmerzen verursacht hatte. Wie ihr ja wisst, konnte er dann seine Kräfte nicht benutzen und musste unverrichteter Dinge wieder abziehen. An diese Begebenheit hatte sich Zimmermann jetzt wohl erinnert.

Saron war klar, dass Zimmermann wohl glaubte, in ihm eine Bedrohung zu sehen. Er wusste nicht, wie er ihm dies ausreden sollte. „Ich weiß nicht, für wen Sie mich halten.“, beschwichtigte der Demetaner. „Aber ich bin garantiert keine Bedrohung. Im Gegenteil! Ich denke, ich kann einen guten Teil dazu beitragen, dass diese gefährliche Situation, in der wir uns alle befinden, bald vorbei ist. Ich habe es geschafft, mich wieder mit meinem bösen Ich zu vereinen und ich habe alle seine Informationen. Ich weiß, was man im Antiuniversum plant! Das klingt komisch, ich weiß, aber es ist die reine Wahrheit. Fragen Sie Nugura! Sie wird Ihnen sicher bestätigen, dass ich wirklich Saron bin!“ „Also schön.“, sagte der Leibwächter. „Ich werde sie fragen. Aber Sie rühren sich nicht von der Stelle, verstanden?!“ Saron nickte.

Zimmermann holte ein Sprechgerät aus seiner Tasche und gab das Rufzeichen von Nuguras Büro ein. „Hier ist Präsidentin Nugura.“, antwortete sie mit gleichgültiger Stimme. „Madam President, hier ist Zimmermann vom Tor.“, sagte der Sachse in stark akzentuiertem Englisch. „Hier ist jemand, der behauptet, Ihr Sekretär Saron zu sein. Er sagt, er wisse einen Weg, Sie zu heilen. Er hat ’ne Menge wirres Zeug gestammelt. Von wegen einer Vereinigung mit seinem bösen Ich und so. Soll ich ihn reinlassen?“

Zimmermanns Zusammenfassung der Ereignisse hatte Saron eine Idee gegeben. „Denken Sie nach!“, sagte der Sekretär, so leidenschaftlich er nur konnte. „Wenn ich der Wäscher wäre, dann würde ich doch Nugura sicher kein zweites Mal aufsuchen wollen. Schließlich wäre sie schon einmal mein Opfer gewesen und ich hätte doch bei ihr längst erreicht, was ich erreichen wollte! Es gäbe also gar keinen Anlass für mich, noch einmal wiederzukommen!“ „Auch wieder wahr.“, sagte der Sachse geplättet, steckte sein Sprechgerät ein und winkte Saron durch, ohne das OK der Präsidentin abzuwarten.

Saron betrat das Gebäude und stieg in den Turbolift, der ihn zu Nuguras Büro brachte. Dann stand er bald vor seiner Vorgesetzten. „Sie sehen erholt aus, Mr. Saron.“, sagte Nugura, nachdem sie ihm ins Gesicht gesehen hatte. Er tat es ihr gleich. Dabei fiel ihm auf, wie blass und müde sie wohl im Gegensatz zu ihm wirken musste. Aber das war in Anbetracht der Situation auch kein Wunder. „Das bin ich auch, Madam.“, sagte der Demetaner. „Und ich weiß auch, wie auch Sie das erreichen können! Ich weiß, wie Sie Ihre alte Stärke und Ihr Selbstvertrauen zurückgewinnen können, das Ihnen von Ihrem bösen Ich schrittweise entzogen wurde. Wir haben unsere böse Seite verleugnet, Madam President! Deshalb konnte der Wäscher hier einhaken. Ich bin sicher, unsere bösen Seiten haben sich Sytania angeschlossen, unserer ärgsten Feindin! Wollen Sie das zulassen, Nugura?!“ „Es ist mir egal.“, sagte die Präsidentin gleichgültig.

In Saron wollte ob dieser Antwort zunächst die Wut aufsteigen, aber er hielt sie zurück. „Sie kann nichts dafür, Saron!“, ermahnte er sich auf Demetanisch. „Sie ist krank!“ Er wusste, auf diese Weise würde er sie nicht überzeugen können. Ihr Zustand dauerte schon zu lange an, als dass sie noch für vernünftige Argumente zugänglich sein konnte. Das Experiment mit der Waage konnte er also auch vergessen. Aber es gab etwas, was ihm sicher Zugang zu ihr, die sich ja jetzt selbst in einer Opferrolle sah, gewähren würde. Die demetanische Tugend der Einfühlsamkeit.

Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich direkt neben die mehr oder minder teilnahmslos an ihrem Schreibtisch hängende Nugura. Dann sah er sie freundlich an. „Sagen Sie mir doch bitte, wie Sie sich im Moment fühlen, Madam President.“, bat Saron. „Ich fühle mich nicht gut.“, sagte Nugura. „Ich bin immer so schläfrig und habe überhaupt keine Lust zu irgendwas. Ich weiß, dass das nicht immer so war und ich mir das als Oberhaupt eines Staates eigentlich überhaupt nicht leisten kann. Das zeigen mir ja alle Dokumente, die ich in der Vergangenheit in diesem Büro verfasst haben muss. Ich weiß nicht, wie ich aus diesem Loch wieder herauskommen soll!“ „Aber ich weiß es, Sea Federana.“, sagte Saron fast zärtlich und nahm ihre Hand. „Und ich werde Ihnen dazu gern noch einmal erklären, was passiert ist. Bitte versuchen Sie mir zuzuhören. Also. Der Wäscher hat Ihnen den Teil genommen, der Ihre Stärke und Ihr Selbstbewusstsein repräsentiert. Den Teil, der Ihnen hilft, energisch zu sein. Ihr böses Ich allein mag negativ sein. Ihr gutes Ich allein mag antriebslos sein, weil es so friedlich ist, dass es zu allem Ja und Amen sagt, um Konflikten aus dem Weg zu gehen, weil es sich nicht behaupten kann. Dazu braucht es die Hilfe Ihres negativen Ich. Aber das allein würde früher oder später auch einen bösen Fehler begehen, weil es sprunghaft ist. Es braucht die Vernunft Ihres guten Ich, um ausbalanciert werden zu können. Gut und böse brauchen sich also gegenseitig, um zu existieren. Deshalb müssen Sie Ihr böses Ich akzeptieren. Dann kommt es zu Ihnen zurück und Sie werden wieder erstarken. Außerdem werden Sie all ihre Pläne kennen. Bei mir war es genau so, Sea Federana! Genau so!“

Nugura begann zu schluchzen. Saron löste seine Hand wieder von der Ihren, ging zur Schublade des Schreibtisches und holte eine Packung Taschentücher hervor, die er ihr gab. „Aber ich habe Angst vor meinem bösen Ich, Mr. Saron.“, schluchzte sie. „Was ist, wenn sie die Oberhand gewinnt und ich schreckliche Dinge tue, die …“ „Das wird nicht passieren, Madam!“, versicherte Saron. „Sehen Sie mich an. Bei mir ist es ja auch nicht passiert, oder würde ich Ihnen sonst so etwas vorschlagen? Wenn mein böses Ich die Oberhand hätte, dann hätte er Sie doch schon längst umgebracht, so schwach und zerbrechlich, wie Sie mir scheinen. Und, Madam President, wenn er die Oberhand hätte, dann hätte ich mich vorhin sicher nicht selbst ermahnt, vorsichtig mit Ihnen umzugehen, weil Sie krank seien!“ „Das mag ja sein.“, sagte Nugura. „Aber wer garantiert mir, dass …“ „Ich denke, es hat etwas mit den Universen zu tun.“, sagte Saron. „Wenn ich in sein Universum gezogen worden wäre, dann hätte er sicher die Oberhand gewonnen. Aber wir sind in meiner Heimat! In meiner und in Ihrer, Nugura! Es gibt also keinen Grund, warum es nicht klappen sollte! Außerdem müssen Sie bald eine Parlamentssitzung leiten, bei der es wichtig ist, Ihren Standpunkt zu vertreten. Das können Sie in diesem Zustand nun wirklich nicht.“ „Von welcher Sitzung reden Sie, Saron?“, fragte Nugura. „Ich spreche von der Sitzung, in der abgestimmt werden soll, wie wir mit der Frage nach der Wahrheit über den Mord an den romulanischen Gesandten umgehen.“, erinnerte sie der diensteifrige Sekretär. „Ach ja.“, sagte Nugura und wurde blass. Dann schlug sie die Augen nieder und gab einen Laut von sich, der auf starke Trauer hinwies. „Wir müssen den Romulanern die Wahrheit sagen.“, sagte sie bestürzt. „Leugnen ist zwecklos, zumal die Xylianer …“ Erneut wurde sie von einem Weinkrampf geschüttelt. „Oh, ich kann noch nicht mal daran denken!“, schrie Nugura. „Es schmerzt mich so, daran zu denken, Mr. Saron!“ „Das tut es, weil Sie im Moment nur aus ihrem guten friedlichen Ich bestehen, das mit einer solchen Situation total überfordert ist.“, erklärte Saron. „Ihr böses Ich, das mit so etwas wesentlich besser umgehen kann, würde das kompensieren. So können Sie auf keinen Fall die Sitzung leiten und die Romulaner warten auch auf Ergebnisse. Wenn wir nicht bald welche liefern, dann wird es Krieg geben. Zumindest schätze ich sie so ein.“ Saron ahnte nicht, wie prophetisch seine letzten beiden Sätze in Wahrheit waren. „Oh, mein Gott!“, schrie Nugura, der jeder Gedanke an Krieg im Augenblick die pure Verzweiflung in die Augen trieb. „Gibt es denn wirklich keine andere Lösung?“ „Nein, Sea Federana!“, antwortete der Demetaner zwar freundlich, aber mit Überzeugung. „Die gibt es nicht!“

Saron rückte ein Stück von ihr fort, um ihr nicht das Gefühl zu geben, sie zu bedrängen. Er wollte ihr im wahrsten Sinne des Wortes auch physisch Raum verschaffen, über seine Worte nachzudenken. Er ließ sie dabei aber nicht aus den Augen.

Eine Weile lang hatten beide nun schon so dagesessen, als Nugura plötzlich erneut um seine Hand bat: „Bitte helfen Sie mir dabei, Saron.“ Der Demetaner nickte und rutschte wieder näher an sie heran, um ihre Hand nehmen zu können. „Was muss ich tun?“, fragte sie. „Sie müssen Ihr böses Ich aus vollem Herzen und freiem Willen akzeptieren.“, sagte Saron. „Das müssen Sie ihr sagen. Bei mir reichte eine SITCH-Mail. Moment, ich habe eine andere Idee!“

Er holte einen Spiegel von der Wand des nahen Badezimmers und WC und hielt ihn ihr vor das Gesicht. „Das wird Ihnen dabei helfen, hoffe ich.“, sagte er. „Sagen Sie ihr einfach, dass Sie sie akzeptieren!“, sagte Saron zur Ergänzung und zeigte auf ihr Spiegelbild.

Nugura holte tief Luft, räusperte sich und sagte dann: „Ich akzeptiere dich, meine böse Seite! Ich akzeptiere dich aus vollem Herzen und freiem Willen!“ Kaum hatte sie ausgesprochen, wurde sie ohnmächtig. Saron, der bereits damit gerechnet hatte, fing sie auf und legte sie sanft auf dem Boden ab. Seine Augen suchten den Raum nach einer Erscheinung oder einem Licht oder so etwas ab. Von Doktor Jenkins und Malia hatte er genau geschildert bekommen, was sie bei der Vereinigung seines bösen Ich mit ihm selbst gesehen hatten. Bald schwebte auch tatsächlich eine aus reiner Energie bestehende Nugura durch das Dach ein, die Saron nur als reine aus schwarzem Licht bestehende Gestalt wahrnehmen konnte. Er sah, wie sie sich Nuguras Kopf näherte. Dann drang sie durch das Schädeldach ein und war verschwunden. Im gleichen Moment sah Saron, wie die Wangen seiner Vorgesetzten von leichenblass zu rosig tendierten. Zufrieden nahm er dies zur Kenntnis. Jetzt musste er nur noch warten, bis sie erwacht war.

Er wollte sich gerade fortdrehen, um ihr einen Kaffee zu replizieren, als sie die Augen aufschlug. „Mr. Saron?!“ Ihre Stimme war jetzt viel energischer, als sie vorher gewesen war, das war dem Sekretär mit den geschulten Ohren sofort aufgefallen. Sofort drehte er sich wieder zu ihr und half ihr auf. Der Kaffee konnte warten! „Was mache ich hier auf dem Boden?!“, fragte Nugura. „Das ist eine Nebenwirkung, wenn Sie wieder mit Ihrem bösen Ich vereint werden.“, sagte Saron. „Das hatte ich auch.“

Er zog sie auf ihren Bürostuhl zurück. „Oh, mein Gott!“, sagte Nugura plötzlich. „War ich etwa ein Opfer des Wäschers?!“ „Ja, Madam President.“, sagte Saron. „Aber das waren wir Beide. Aber es ist extrem wichtig, dass wir diese Sache hier aufklären. Dieses Antiuniversum darf nicht länger existieren! Die verbliebenen bösen Ichs werden sich Sytania angeschlossen haben, vermute ich und …“ „Sie vermuten richtig.“, sagte Nugura. „Ich weiß das aus aller erster Quelle! Ich erinnere mich, dass Sie mir vor der Vereinigung sagten, ich würde alle Informationen erhalten, die mein böses Ich gesammelt hat! Das ist wahr! Sie war eine Verbündete Sytanias! Das ist nur logisch, weil das Böse immer das Böse sucht! Aber sie ist noch lange nicht so schlimm wie ihre Vizepräsidentin T’Mir von Vulkan! Oh, Gott, Saron! Sie wird jetzt die böse Föderation regieren! Sie repräsentiert den Teil von T’Mir, den sie immer unterdrückt hat! Sie wissen, dass die Emotionen der Vulkanier, wenn sie ans Licht kommen, um ein Vielfaches stärker sind, als bei uns! Also auch ihr Hass! Davon hat sie eine Menge! Hätten Sie nur nicht …!“ „Nein, da werde ich Ihnen nicht zustimmen, Madam President!“, sagte der Sekretär fest. „Wenn ich Sie nicht dazu gebracht hätte, sich mit Ihrem bösen Ich zu vereinen, dann hätten Sie jetzt nicht die Stärke, dieser Situation zu begegnen! Akzeptanz ist der Schlüssel, auch im Hinblick auf die Ermordung der Gesandten von Romulus vor ca. 800 Jahren! Wenn wir es akzeptieren und es nicht mehr leugnen, werden wir uns als normale fehlbare Wesen sehen, die wir nun einmal sind. Sicherlich macht es das Ganze nicht ungeschehen, aber wir können die Romulaner zumindest um Verzeihung bitten. Dadurch akzeptieren wir ja auch, dass es in uns eine Seite gibt, die aus Verzweiflung manchmal böse Dinge tut. Das ist eben so. Wir sind keine Götter und wir müssen aufhören, uns für solche zu halten. Eine moralische Richtschnur zu haben, ist sicher schön und gut, aber wir dürfen uns keine Ziele setzen, die wir nicht erreichen können. Sonst fangen wir an, uns aus lauter Not so zu verhalten, wie wir uns verhalten haben. Dann beginnen wir damit, zu lügen und zu betrügen, sobald wir merken, dass wir unserem Ideal nach außen hin nicht genügen können.“

Saron war bei einem Seitenblick eine Lampe am Replikator aufgefallen, den er wohl im Eifer des Gefechtes völlig vergessen hatte. Offensichtlich hatte er eine Befehlssequenz nicht zu Ende geführt. „Oh, Computer, zwei mal schwarzen terranischen Bohnenkaffee!“, sagte er in Richtung des Mikrofons. Dann kündeten ein Signal und ein Geräusch von der Ausführung der Befehle.

Saron nahm die Tassen entgegen und stellte sie auf dem Schreibtisch ab. „Das kann ich jetzt sicher gut gebrauchen.“, sagte Nugura. „Und noch etwas anderes werde ich in der Sitzung gut gebrauchen können. Bitte schreiben Sie mir doch Ihre leidenschaftliche Rede von eben in ein Pad, Saron. Ich bin sicher, sie wird mir in der Sitzung sehr helfen, meine Argumente zu bekräftigen. Sie haben Recht. Mit unserem bisherigen Verhalten haben wir Sytania ein Schlupfloch geboten und ich beabsichtige, dieses jetzt ein für alle Mal zu schließen! Ich hoffe nur, dass die Abstimmung entsprechend ausgeht!“ „Das hoffe ich auch, Sea Federana.“, erwiderte Saron. „Das hoffe ich auch.“

Die Vernichtung der Antinugura hatte Sytania dieses Mal nicht ganz so unvorbereitet getroffen. Auf Cirnachs Rat hin hatte sie sich Energie von einem Kristall geholt, den die Gefangenen, zu denen jetzt auch Nayale gehörte, extra für sie aus dem Fluss holen mussten. Diese Art von Kristallen war in der Lage, ihre geistige Energie temporär zu verstärken. Auf den Rat der Vendar hin hatte die Prinzessin den Kristall berührt, sobald sie das Gefühl hatte, wieder ohnmächtig zu werden. Da die Energie in dem Kristall das verhindert hatte, konnte Sytania genau beobachten, was geschah. „Dieser verdammte Schreibtischtäter!“, tobte sie. „Dieser verdammte Akten bebrütende Bürohengst! Dieser niederträchtige Sohn eines räudigen Fuchses und einer doppelzüngigen Viper!“

In ihrem Tobsuchtsanfall warf sie einiges gegen Wände und ließ ihre rohen telekinetischen Kräfte sogar sinnlos walten, was dazu führte, dass einige ihrer schönsten Möbel im Thronsaal zu Bruch gingen. Ihre Zofen, meist alles imperianische Bauernmädchen, bekamen solche Angst vor ihrer eigenen Herrin, dass sie sich nicht anders zu helfen wussten, als wiederum Cirnach, die sich bestimmt besser mit so etwas auskannte, zu holen.

Die Vendar betrat nun den Ort des Geschehens und sah Sytania beschwichtigend an. Zu den Zofen meinte sie nur tröstend: „Geht! Ich werde dieses Problem schon in den Griff bekommen.“ Erleichtert nickten die Mädchen und gingen auf Zehenspitzen aus dem Raum. „Was ist Euch, Herrin?“, fragte Cirnach an Sytania gewandt. „Was mir ist?!“, fragte Sytania empört zurück. „Du willst wirklich wissen, was mir ist?! Nun, das will ich dir gern erklären! Setz dich an den Tisch, an dem ich immer meine Audienzen abhalte und warte dort auf mich! Ich werde gleich zu dir stoßen!“

Cirnach nickte und führte die Anweisungen Sytanias aus. Sie beobachtete, wie die imperianische Prinzessin ihrer Macht und ihrer Wut noch einige Male freien Lauf ließ. Dann kam Sytania endlich zu ihr und holte den Kontaktkelch aus ihrem Kleid hervor. „Lege deine linke Hand auf den Fuß des Kelches und gib mir deine Rechte!“, wies sie Cirnach an. „Ja, Gebieterin.“, nickte die Vendar ruhig, die sich nicht vorstellen konnte, was die Mächtige so sehr in Rage gebracht haben konnte. Bis jetzt waren doch ihre Pläne sehr gut verlaufen. Es gab doch eigentlich keinen Grund für diese Art von Anfällen. Aber wenn Cirnach herausfinden wollte, wo ihre Gebieterin der Schuh drückte, musste sie wohl zunächst mitmachen.

Vor den geistigen Augen der Frauen erschien das Büro von Nugura im positiven Universum. „Was ist hier passiert?“, fragte Cirnach mit tröstendem Blick. „Das wirst du gleich sehen!“, erwiderte Sytania mürrisch und wies den Kelch per Gedankenbefehl an, den Film sozusagen weiter laufen zu lassen. Jetzt sahen Cirnach und sie das Gespräch zwischen Nugura und Saron und auch alles, was danach passiert war. „Ist das etwa kein Grund, einen Wutanfall zu bekommen, Cirnach?!“, fragte Sytania. „Mit Verlaub, Herrin.“, antwortete die weise Vendar. „Das ist es nicht.“ Sie war dabei betont ruhig geblieben. „Wieso ist es das nicht!“, schäumte ihr Sytania entgegen. „Sag mir bitte nicht, dass du billigst, was hier gerade passiert ist! Ich hoffe, du wirst nicht zu so einer schändlichen Verräterin, wie dein Mann. Hat es dir etwa nicht zur Warnung gereicht, dass ich ihn zum einfachen Soldaten degradiert habe?! Was denkst du, soll ich mit dir in so einem Fall machen, Cirnach, he?!“ „Wenn Ihr mich schon darum bittet, mein eigenes Urteil zu sprechen, Milady.“, setzte Cirnach selbstbewusst und mutig an. „Dann solltet Ihr mir die Füße küssen für das, was ich Euch gleich zu erklären gedenke.“ Immer noch war ihre Stimme sehr ruhig. „Was nimmst du dir heraus?!“, fragte Sytania. „Aber gut. Eine weitere Rebellion von euch Vendar, wie sie erst vor einigen Jahren stattgefunden hat, kann ich mir in dieser Situation nicht leisten. Schließlich werde ich auch einen oder eine von euch benötigen, um meinen Plan ausführen zu können. Wenn ich dir jetzt ein Haar krümmen würde, verlöre ich all euren Respekt. Joran Ed Namach hat ja gezeigt, dass ihr auch anders könnt. Also werde ich dich anhören. Sprich also! Warum sollte ich dir die Füße küssen?“ „Weil ich Euch sage, dass Euch nichts Besseres, als der Tod der Antinugura, passieren konnte.“, sagte Cirnach.

Sie rückte ein Stück weit von Sytania weg, um ihre Reaktion aus der Ferne zu beobachten. „Ich kann dir nicht folgen!“, sagte die Prinzessin. „Drück dich gefälligst etwas einfacher aus!“ „Wie Ihr wollt.“, sagte Cirnach ruhig und kam ihrer Gebieterin wieder etwas näher. „Wer regiert Eurer Ansicht nach jetzt das Antiuniversum, seit Nugura El Fedaria nicht mehr am Leben ist?“, fragte sie. „T’Mirs böses Ich!“, rief Sytania immer noch sehr erbost aus. „Aber ich begreife nicht, was uns das bringen soll!“ „Ich glaube, Ihr lasst Eure Wut Euren Verstand vernebeln, Hoheit!“, sagte Cirnach, die langsam auch ungeduldig wurde. „Ihr solltet Euch erst einmal beruhigen! Ich bin sicher, dann wird es auch Euch wie Schuppen von den Augen fallen.“

Noch einmal sah Cirnach in das Gesicht der Königstochter. „Ich befürchte aber, dass wir nicht die Zeit haben, Eure Beruhigung abzuwarten. Deshalb werde ich es Euch erklären.“, sagte sie dann freundlich. „T’Mir El Vulkan im Antiuniversum ist der Teil von der guten T’Mir, den diese schon Zeit ihres Lebens unterdrückt hat. Ihr wisst, Herrin, dass die Vulkanier sehr wohl Gefühle haben und dass diese viel stärker sein können, als bei Normalsterblichen, wenn sie ans Licht kommen. Wenn T’Mir El Vulkan im Antiuniversum den bösen Teil von T’Mir repräsentiert, welches Gefühl, glaubt Ihr, ist dann wohl das Stärkste bei ihr?“ „Der Hass natürlich!“, sagte Sytania freudig und sprang auf. „Der Hass und die Lust auf Krieg! Die normalen Vulkanier sind ja so was von friedlich! Dann muss ja T’Mir das genaue Gegenteil sein! Du meinst also …!“ „Ja, ich meine, Gebieterin.“, sagte Cirnach erleichtert, denn sie war jetzt endlich sicher, dass Sytania verstanden hatte. „Wenn Ihr also Krieg entfesseln wollt, dann habt Ihr in T’Mir El Antivulkan sicher eine weitaus bessere Partnerin, als in Nugura El Antifedaria.“ „Wie Recht du hast, meine gute schlaue Cirnach!“, sagte Sytania. „Oh, wie Recht du hast! Ich denke, ich sollte dich für diese Strategie angemessen belohnen!“ „Aber ich habe das doch gar nicht ersonnen.“, gab sich Cirnach bescheiden. „Ich habe Euch doch nur die Augen geöffnet.“ „Ja, genau das hast du.“, sagte Sytania. „Deshalb sollst auch du mich mit einem Eurer Schiffe nach Antivulkan bringen, wo ich T’Mir persönlich meine Glückwünsche ausrichten will. Dann werde ich mit ihr unsere weiteren Pläne besprechen!“ „Wie Ihr wünscht.“, sagte die Vendar stolz. „Ich werde gleich einen unserer Techniker beauftragen, für Euch und mich das beste Schiff vorzubereiten.“ „Tu das!“, nickte Sytania und winkte ab, was für Cirnach das klare Zeichen war, sich entfernen zu dürfen.

Kapitel 38: Traurige Gewissheit und neue Pläne

von Visitor

 

Meinen Körper hatte Rescue One in Little Federation in der Gerichtsmedizin abgegeben. D/4 hatte dies entschieden, nachdem Korelem ihr gegenüber Andeutungen gemacht hatte, die sie nicht anders handeln lassen konnten. Hier waren sie und meine Leiche von Cupernica in Empfang genommen worden. „Ich werde mich sofort darum kümmern, D/4.“, sagte die Androidin und ließ ihre Augen scannend über meine toten Überreste wandern. „Ich werde dann wieder gehen.“, entgegnete die Sonde und drehte sich in Richtung Tür, durch die sie den Raum dann auch verließ.

Nun wähnte sich Cupernica mit mir allein. „Bedauerlich, dass Sie so früh aus dem Leben scheiden mussten, Allrounder.“, sagte die Androidin mit ihrer gewohnt nüchternen Stimme. „Also, an Ihrem Gesundheitszustand lag das sicher nicht. Das weiß ich, als Ihre Hausärztin, schließlich genau! Ich persönlich tippe auf eine unnatürliche Todesursache, aber dieses Geheimnis werde ich schon entschlüsseln. Verlassen Sie sich auf mich.“

„Also, ich glaube nicht, dass Commander Data, Ihr Mann, mit Toten geredet hätte, Ma’am!“ Die Stimme, die dies gesagt hatte, vermochte Cupernica im ersten Moment nicht zuzuordnen. Sie konnte ihren Besitzer weder lokalisieren, noch hatte sie erkannt, wer es war. Die Tatsache, dass er sie jedoch Ma’am genannt hatte und auch jene typische leicht aufgeregte Art der Stimme, genau wie die Tatsache, dass ihr Eigentümer sich offensichtlich mit ihren Familienverhältnissen auskannte, ließen jedoch nur einen Schluss zu. „Wo sind Sie, Mr. Oxilon?“, fragte Cupernica ernst in den Raum.

Hinter einem der vielen Geräte schnellte eine kleine Gestalt hervor. „Ah, da haben wir Sie ja, Assistant.“, sagte die Androidin. „Ich wollte ja nur mal versuchen, Sie einwenig zu erschrecken, Cupernica.“, sagte der immer zu kleinen Scherzen aufgelegte Talaxianer. „Sie wissen, dass dies bei mir unmöglich ist.“, sagte die künstliche Lebensform. „Ich bin Androidin und als solche nicht in der Lage, Schreck oder gar Angst zu empfinden. Meine Systeme verzeichnen zwar einen leichten Datenkonflikt, aber ansonsten kann ich nichts Ungewöhnliches feststellen.“ „Na ja.“, sagte der kleine Mann mit den weichen Gesichtshaaren. „Mindestens das habe ich erreicht!“

Sein Blick fiel auf den Tisch, auf dem ich lag. „Um Himmels Willen!“, rief er aus. „Das ist ja …!“ „Ja.“, unterbrach ihn seine Vorgesetzte. „Das ist Allrounder Betsy Scott, deren Tod sicher nicht vorauszusehen war.“ „Aber das bedeutet ja …“, sagte Oxilon und wurde blass. „Soll ich die Agenten …“ „Noch nicht!“, sagte seine Vorgesetzte streng. „Wir müssen ja zunächst etwas haben, was wir ihnen präsentieren können. Das bedeutet, wir müssen sie zunächst untersuchen. Also, keine Müdigkeit vorschützen und an die Arbeit!“ „Wie Sie meinen, Ma’am.“, sagte Oxilon geplättet, aber eifrig und zog sich medizinische Handschuhe an, eine Tätigkeit, die Cupernica längst hinter sich hatte. Dann begannen sie mit meiner Untersuchung.

Die positive Granger war in eine Umlaufbahn um einen beliebigen Planeten eingeschwenkt, ein Zeichen für alle außer Kissara, sich wieder in einem der Konferenzräume des Schiffes einzufinden. Hier taten sie unter Mikels Leitung das, was man inzwischen als Operation Nadelstich bezeichnete. Mikel hatte ihnen nämlich beigebracht, den Entzug der geistigen Energie durch ihre bösen Gegenspieler zu verlangsamen. Dies würde, zumindest laut seinem Verständnis von telepathischen Zusammenhängen, ihnen ziemliche Kopfschmerzen bereiten. Die Einzige, die sich nicht an diesem Tun beteiligte, war Kissara, weil es von ihr ja keine böse Version gab. Damals hatte sie sich ja erfolgreich gegen den Wäscher zur Wehr setzen können und der hatte es ja vermieden, sie ein zweites Mal aufzusuchen.

Nun saß sie also in ihrem Bereitschaftsraum und erwartete den Bericht ihres ersten Offiziers, der ihr immer bei solchen Aktionen von ihrem Ausgang berichtete. Beim letzten Mal hatte Mikel ihr sogar zuversichtlich versichert, die negative Granger bald so weit zu haben, dass sie wohl herkommen würden. Kissara und ihre Leute würden ihnen einen herzlichen Empfang bereiten.

Ein Signal vom Terminal auf ihrem Schreibtisch ließ meinen Commander aufhorchen. Im Display der Sprechanlage erkannte sie das Rufzeichen des Computers, der jetzt das Schiff flog und den SITCH überwachte, da Ribanna ja auch anderweitig beschäftigt war. „Was gibt es, Computer?“, fragte sie. „Ankommender Ruf.“, sagte die Stimme des Rechners kurz und nüchtern. „Rufzeichen anzeigen!“, befahl Kissara und bekam im Display gleich das Rufzeichen von Zirells Basis nebst dem Unterrufzeichen ihres Arbeitsplatzes serviert. „Zirell.“, flüsterte Kissara. „Was kann sie von uns wollen? Na ja. Das werde ich schon herausfinden.“ Dann befahl sie in Richtung Rechner: „Stell durch, Computer!“

Es gab ein Signal und auf dem Schirm wurde das Gesicht der angesprochenen Tindaranerin sichtbar. „Kissara?“, fragte Zirell. „Bist du allein?“ „Ja, das bin ich.“, erwiderte die Thundarianerin. „Du siehst so ernst aus, Zirell. Gibt es dafür einen Grund?“ „Den gibt es durchaus.“, antwortete die tindaranische Kommandantin. „Ich muss dir mitteilen, dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass eine deiner Offizierinnen tot ist.“

Der letzte Satz ihrer guten Freundin aus der anderen Dimension hatte Kissara sehr erschrocken und ihr einen Stich in die Magengegend versetzt. „Tot?!“, fragte sie mit einem leichten Zittern in der Stimme. „Wer soll das sein und warum wisst ihr das eher, als die Sternenflotte? Wenn es so wäre, warum hat mich dann niemand von meinen Leuten informiert? Es sei denn … Nein! Du redest doch nicht etwa von …“ „Doch.“, sagte die Telepathin. „Genau von ihr rede ich. Ich rede von Allrounder Betsy Scott, die ja, wie du weißt, eine Beziehung zu meinem Patrouillenflieger Shimar hatte. Du weißt ja sicher von der Sache mit der Schutzverbindung.“ „Natürlich weiß ich das, Zirell!“, meinte Kissara energisch. „Über diese Verbindung in Verbindung mit Savarid-Strahlung war es Betsy ja auch möglich, Shimar in ihren Träumen zu …“ „Genau um diese Verbindung geht es.“, unterbrach Zirell. „Ishan hat festgestellt, dass sie gewaltsam beendet worden sein muss. Das konnte er an einem Energiemuster in Shimars Hirnrinde sehen. Da er lebt, muss Betsy also tot sein.“ „Schick mir bitte die Daten!“, sagte Kissara mit leichter Empörung. „Meine medizinische Offizierin soll sie sich auch ansehen!“ „Du glaubst mir nicht.“, stellte Zirell fest. „Nein, Zirell!“, sagte Kissara fest. „Ich glaube dir nicht wirklich! Was ist, wenn sich Ishan irrt und das Ende der Schutzverbindung aus einem ganz anderen Grund zustande gekommen ist? Ich meine, deine Theorie ist nur eine Theorie aufgrund von Wahrscheinlichkeiten. Die müssen nicht immer der Wahrheit entsprechen. Es gibt bei Wahrscheinlichkeiten nämlich immer einen geringen Teil, der auch anders lauten kann.“ „Es gibt keine andere Möglichkeit, Kissara!“, sagte Zirell. „Ishan ist sicher, dass das Ende mit Gewalt herbeigeführt wurde. Hätten sich nur die Gefühle von einem zum anderen Teil geändert, dann gäbe es diese Hinweise nicht! Aber ich werde dir die Daten gern geben, wenn du eine zweite Meinung einholen willst.“ „Oh ja, Zirell.“, sagte Kissara. „Das will ich. Wir sind auf dem Weg zur Erde. Falls Betsy wirklich tot sein sollte, halte ich für wahrscheinlich, dass man dort im Hauptquartier der Sternenflotte vielleicht etwas weiß.“ „Eure Sternenflotte ist doch momentan zu nichts in der Lage, Kissara.“, rief Zirell ihr die Fakten in Erinnerung. „Bei denen im Hauptquartier hat der Wäscher doch sicher zuerst angesetzt. Die hängen doch sicher nur antriebslos in ihren Sesseln. Vorausgesetzt, dass sie überhaupt noch leben. Du kannst doch nicht ernsthaft erwarten, dass sie …“ „Stimmt ja auch.“, stellte Kissara fest. „Danke, Zirell. Das sind Fakten, die ich wohl völlig außer Acht gelassen habe. Ich glaube, ich muss mich bei dir entschuldigen. Jetzt wird mir auch klar, warum du mich informiert hast und nicht die Sternenflotte. Wenn alles stimmt, was wir über den Wäscher und seine Vorgehensweise bis jetzt wissen, dann hattest du keine andere Wahl.“ „Willst du trotzdem Ishans Daten für Loridana?“, fragte die Tindaranerin. „Nein.“, sagte Kissara. „Deine Aussage genügt mir. Zumal meine Ärztin ihren Beruf im Moment nur sehr schwierig ausüben kann. Sie war ein Opfer des Wäschers, wie fast alle anderen auch. Sogar mein erster Offizier, der es eigentlich hätte besser wissen müssen. Aber er ist sehr bemüht, seinen Fehler wieder gut zu machen. Deshalb ist Loridana auch im Moment sehr eingespannt, genau wie der Rest meiner Crew. Wir sind nämlich dabei, ihre bösen Gegenspieler unter Mikels Anleitung einwenig zu piesacken. Wir wollen erreichen, dass sie zu unserer Erde kommen und sich uns hier zum Kampf stellen.“

Angesichts von Kissaras Plan fiel Zirell die Kinnlade herunter. „Was habt ihr vor?!“, fragte sie empört. „Ihr glaubt doch wohl nicht, dass die Granger allein kommt! Sie wird mit Hilfe der anderen Schiffe aus der bösen Sternenflotte ein Sieb aus deinem Schiff machen und euch skrupellos töten! Bitte, Kissara! Ich bitte dich inständig! Setze deinen Plan aus, bis unsere Streitkräfte da sind! Ich werde sofort einen Eilantrag bei der Zusammenkunft stellen, damit wir euch helfen können!“ „Also gut.“, sagte Kissara und atmete auf. „Es ist doch immer wieder schön, wenn man Freunde hat, auf die man sich verlassen kann.“ Damit beendete sie die Verbindung und stand auf, um ihren Bereitschaftsraum in Richtung des Konferenzraumes zu verlassen, in dem sich Mikel mit den anderen befand. Sie wollte jetzt doch genauer wissen, wie weit seine Bemühungen gediehen waren.

Alle saßen im Konferenzraum auf weichen braunen Sesseln um einen runden weißen Tisch. Alle außer Mikel, der von Elektra immer wieder um sie herumgeführt wurde. Die Androidin diente dem ersten Offizier quasi als lebendiger Erfasser. Ständig flüsterte sie ihm Werte ins Ohr, wenn sie bei jemandem stehen geblieben waren. Diese konnte Mikel, obwohl er keine medizinische Ausbildung hatte, sehr wohl interpretieren. Falls dies einmal nicht klappte, half ihm Elektra, die sich die nötigen Daten aus dem Schiffscomputer gezogen hatte, auch hierbei. Die so mit ihr ausgetauschten Daten nahm Mikel zum Anlass, um seinen Kameraden dann motivierende Sätze ins Ohr zu flüstern, wie: „Das sieht sehr gut aus, Kang.“ Oder: „Ein bisschen mehr Konzentration, Mr. Jannings. Das ist genau richtig, Loridana. Na, nur Mut, Ribanna! Trauen Sie sich! Learosh, zu Ihnen komme ich morgen und dann versuchen wir es noch einmal zusammen!“

Kissara betrat den Raum, ein Fakt, der Elektra nicht entgangen war. Sie hatte Kissaras Silhouette nämlich mit der Peripherie ihrer Augen gut wahrnehmen können, die in sehr kurzer Zeit mehr Bilder verarbeiten konnten, als jedes menschliche Auge. Sie gab Mikel mittels ihres ausgestreckten Armes ein Signal, auf das er stehen blieb und sich von ihr in Kissaras Richtung wenden ließ. „Wie läuft es hier, Agent?“, fragte die Kommandantin freundlich und ruhig. „Sehr gut, Kissara.“, gab Mikel zuversichtlich zurück. „Denken Sie, dass Sie Ihre Schüler für einen Moment verlassen können?“, fragte sie ernst. „Ich wollte das hier für heute ohnehin gerade beenden.“, lächelte der erste Offizier. „Sonst, wenn wir das zu oft und zu lange machen, tritt bei unseren bösen Freunden da drüben vielleicht noch ein Gewöhnungseffekt ein und das wollen wir ja wohl nicht.“ „Ganz Ihrer Ansicht.“, lächelte Kissara. Dabei kamen ihre für ihr Raubtiergebiss typischen Eckzähne zum Vorschein. „Also, Mikel. Sie beenden das hier und dann treffen wir uns in meinem Raum in fünf Minuten!“, sagte sie. „Aye, Commander.“, sagte der blinde Terraner und hakte sich wieder bei Elektra unter, die ihm half, sich den still vor ihnen sitzenden Besatzungsmitgliedern wieder zuzuwenden. „Mission beendet, Ladies und Gentlemen!“, befahl Mikel. „Das war heute wieder eine Glanzleistung! Das wär’s! Wegtreten!“ Alle warfen ihm im Chor ein schmissiges: „Danke, Sir!“, entgegen und verließen den Raum. Auch Mikel machte sich zu Kissara auf den Weg.

Lange musste die Kommandantin nicht auf ihren Untergebenen warten. Mikel hatte den Turbolift genommen, der sich in der größten Nähe zu seiner Position befunden hatte. Er kannte das Schiff mittlerweile in- und auswendig und wusste daher genau, wo dieser zu finden war.

Nun betrat der erste Offizier bereits den Bereitschaftsraum seiner Vorgesetzten, eine Tatsache, mit der Kissara wohl nicht so bald gerechnet hatte. „Bin ich etwa früh dran, Kissara?“, fragte Mikel scherzend. „Oh nein, Agent.“, gab sie zurück, während sie noch einige Sachen ordnete. „Ich hatte Sie ja hierher kommen lassen. Ich fürchte aber auch, dass Ihnen das Scherzen bald vergehen wird. Ich habe nämlich eine traurige Nachricht für Sie.“

Mikel räusperte sich und holte tief Luft. Er ahnte schon, dass sie, wenn sie sagte, es würde eine traurige Nachricht geben, sicher nicht übertreiben würde. „Was ist das für eine traurige Nachricht, Commander?“, fragte der Agent förmlich. „Sie sollten sich setzen, Agent.“, meinte Kissara, während sie seinen Arm nahm, um ihn zu einem nahen Stuhl zu führen. Dort setzte sich Mikel bereitwillig. Dann wartete er auf eine Reaktion von ihr. Diese erfolgte allerdings zuerst nicht. Statt dessen begann Kissara mit dem Nachdenken. „Also, Kissara, ich sitze.“, sagte Mikel. „Und jetzt liegt der Ball in Ihrem Feld.“ „Um Ehrlich zu sein.“, begann sie schließlich doch. „Es geht um Ihre langjährige Freundin Betsy.“ „Reden wir von Allrounder Betsy Scott?“, versicherte sich der geheimdienstlich ausgebildete Offizier. „Genau von ihr ist die Rede, Agent.“, gab Kissara zu. Dann schwieg sie erneut. „Was ist mit ihr?!“, versuchte Mikel nun, das Gespräch einwenig zu beschleunigen. Er hatte es satt, seiner Vorgesetzten jedes Bröckchen einzeln aus der Nase zu ziehen. „Als ich sie zuletzt sah, wollte sie in den Urlaub.“ „Das war auch meine letzte Information, Mikel.“, sagte Kissara. „Allerdings nur so lange, bis mir die Tindaraner gesagt haben, dass sie eventuell auf Celsius verstorben ist.“

Ihre letzten Sätze, die sie sehr ruhig vorgetragen hatte, ließen Mikel erschauern. „Verstorben auf Celsius?“, fragte er. „Gut, ich kann mir denken, was sie dort wollen konnte. Dort lebt schließlich ihr Mann. Aber woran oder wobei ist sie verstorben und was wissen die Tindaraner darüber? Warum informiert uns nicht die Sternenflotte? Wenn wir im Hauptquartier eintreffen, dann werde ich …“ „Dort werden Sie nichts erreichen, Mikel.“, unterbrach ihn Kissara. „Unsere Vorgesetzten sind alle Opfer des Wäschers geworden. Entweder, sie sind tot, oder sie hängen antriebs- und willenlos in ihren Sesseln. Von denen werden Sie nichts erfahren! Das ist auch der Grund, warum die Tindaraner uns informieren müssen. Im Augenblick sieht es wohl so aus, als müssten sie die Föderation sozusagen betreuen. Weder die Politiker, noch das Oberkommando, scheinen zu irgendwelchen Entscheidungen in der Lage zu sein. Ich habe mir vom Computer einen tindaranischen Nachrichtensender suchen lassen und mir die Meldungen übersetzen lassen. Die Tindaraner und all unsere anderen Verbündeten wollen beratschlagen, wie man uns helfen kann. In den Nachrichten der Föderation wird das nicht erwähnt, weil man diesen Zustand als normal empfindet.“ „Um Himmels Willen.“, sagte Mikel. „Ich hätte nicht geahnt, dass es so schlimm um uns steht, Commander. Wenn das so ist, dann müssen wohl auch wir umdenken, was unseren Plan angeht. Wir können wohl von der hiesigen Sternenflotte kaum Schützenhilfe erwarten.“ „Da mögen Sie Recht haben, Agent.“, sagte die Thundarianerin. „Aber Commander Zirell hat mir versichert, dass wir nicht allein sein werden. Wir müssen nur das Eintreffen der tindaranischen Streitkräfte abwarten.“ „Daher weht also der Wind.“, sagte Mikel. „Sie haben mit Zirell gesprochen.“ „Wohl eher sie mit mir.“, erwiderte Kissara. „Daher habe ich auch die Information über Betsys Tod, um wieder zu unserem eigentlichen Thema zurückzukommen.“

Der blinde Terraner, der mich sehr gut kannte, da wir bereits miteinander die Schule besucht hatten und auch einmal eine Beziehung führten, musste schlucken. „Es tut mir leid, Agent.“, sagte Kissara, deren scharfen Augen die Bewegung seines Adamsapfels nicht entgangen war. „Aber wir müssen nun mal darüber reden. Laut Commander Zirell ist Betsy vermutlich getötet worden.“ „Woher weiß Zirell das?“, fragte Mikel. „Sie wissen, dass Allrounder Betsy neben ihrer Ehe mit Techniker Scott auch noch eine Beziehung mit dem tindaranischen Patrouillenflieger Shimar führt.“, erklärte Kissara. „Das ist mir bekannt.“, sagte Mikel. „Dann wissen Sie auch, was die Nebenwirkung einer solchen Beziehung ist.“, setzte die Kommandantin voraus. „Das weiß ich.“, nickte der Agent. „Es entsteht eine so genannte Schutzverbindung zwischen den Beiden, die aber nur innerhalb dimensionaler Grenzen funktioniert. In Betsys und Shimars Fall gibt es aber eine Ausnahme alle drei Monate wegen der Savarid-Strahlung von einem gewissen Kaffeebecher, der sich in ihrem Besitz befindet und den … Sie kennen die Geschichte ja. Das bedeutet, falls sich Betsy hier in Not befinden würde und Shimar wäre auch hier, oder sie wäre bei ihm, dann könnte er das sehen und ihr, egal aus welcher Entfernung, mit Hilfe seiner Kräfte Schutz bieten.“ „Das haben Sie sehr gut recherchiert, Mikel.“, lobte Kissara. „Und, wenn Sie schon einmal mit so viel Wissen darüber brillieren können, dann wissen Sie doch bestimmt auch, wodurch eine solche Verbindung beendet werden kann.“ „Entweder wird sie beendet, wenn sich die Gefühle eines Partners zum anderen ändern, oder dann, wenn einer von beiden …“ Das letzte Wort traute er sich nicht auszusprechen, da es ihm beim bloßen Gedanken an meinen Tod die Kehle zusammenschnürte. „Genau das, Agent.“, sagte Kissara. „Der Arzt der Basis 281 Alpha hat Hinweise darauf, dass die Verbindung gewaltsam beendet wurde, also, dass Betsy wohl getötet worden ist.“ „Aber was soll denn passiert sein, Kissara?“, fragte der Agent zugegebenermaßen etwas ratlos. „Genau weiß das niemand, Mikel.“, sagte Kissara und setzte dabei einen tröstenden Blick auf. „Aber ich bin sicher, das werden wir schon irgendwie herausbekommen. Solange, bis wir Hinweise bekommen, sollten wir unseren normalen Geschäften nachgehen. Wie läuft es denn im Einzelnen mit ihrer Operation Nadelstich, Agent?“

Mikel atmete erleichtert auf. Es war ihm sehr recht, dass sie ein unverfänglicheres Thema angefangen hatte. Er wusste, früher oder später würde man zu dem unangenehmen Thema zurückkehren müssen, aber im Moment gab es wohl auch noch einiges, was Kissara über die Operation Nadelstich wissen wollte. „Nun.“, setzte Mikel an. „Es läuft eigentlich bei allen recht gut, außer vielleicht bei Learosh. Aber das ist ein Problem, das ich wohl auch noch in den Griff bekommen werde, wenn Sie mich lassen.“ „Natürlich lasse ich Sie.“, sagte Kissara. „Aber vielleicht kann ich Ihnen ja sogar behilflich sein. Wir werden Operation Nadelstich sowieso eine Weile aussetzen müssen, bis die Tindaraner hier sind. Zirell vermutet, dass die Antigranger nicht allein kommen wird, sondern dass sie ihre großen Brüder und Schwestern mitbringen wird. Sie verstehen?“ „Ich verstehe ziemlich gut, Commander.“, sagte der erste Offizier, dem es bei ihren Worten wiederum heiß und kalt geworden war. Schließlich war es sein Plan gewesen, die Granger aus dem negativen Universum hierher zu locken. Erst jetzt sah er die Schönheitsfehler seines Plans, die unter Umständen tödliche Konsequenzen haben konnten. Er selbst hatte dies nicht in Betracht gezogen, aber offensichtlich hatten die Tindaraner genauere Informationen über das böse Universum, oder Commander Zirell hatte ganz einfach das bessere strategische Denken. „Wir können wohl froh sein, dass wir die Tindaraner haben, Kissara.“, sagte Mikel. „Oh ja, das können wir, Agent.“, bestätigte Kissara. „Die Tindaraner und auch den Rest unserer Verbündeten. Soweit ich den tindaranischen Sender verstanden habe, haben all unsere Verbündeten eine Allianz gebildet, um uns zu betreuen, was unter den gegebenen Umständen sicher sehr hilfreich ist. Da nimmt es nicht Wunder, wenn die Tindaraner so reagieren.“ „Das stimmt.“, sagte Mikel. „Sie sind ja sicher nicht umsonst allen als die Beschützer bekannt.“ Kissara nickte.

Sie ging zum Replikator und bestellte für beide eine Tasse terranischen Milchkaffee. Dann fragte sie, während sie Mikel über den Rand ihrer Tasse hinweg konspirativ ansah: „Und was genau ist das Problem mit Learosh?“ „Wie meinen, Ma’am?“, fragte Mikel mit seinem Strohhalm im Mundwinkel zurück. Dann fand er den Faden aber doch selbstständig wieder und erklärte: „Der Medical Assistant hat wohl, wenn ich Elektras Werte richtig interpretiere, damit Schwierigkeiten, sich das Bild eines von Geröll zugeschütteten Flusses vorzustellen und das auf seine geistige Energie zu beziehen.“ „Sie wissen, dass die Taskonianer Schwierigkeiten mit allem haben, was man nicht sehen oder anfassen kann. Die Hirnzentren, die bei uns für die Fantasie und die Erfassung von allem metaphysischen zuständig sind, sind bei ihnen verkümmert.“ „Sie meinen also.“, sagte Mikel, nachdem auch er ihre Erklärung durch sein eigenes Wissen bestätigt sah. „Ich sollte ihm buchstäblich etwas in die Hand geben.“ „Nein.“, sagte Kissara und klang dabei listig und fast so, als wollte sie schon wieder zu schnurren beginnen. „Ich meine, Sie sollten ihn ganz aus der Gruppe nehmen. Wenn alle das Gleiche verspüren, dann macht das uns unter Umständen nur verdächtig, nicht wahr, Agent? Aber wenn es bei einem nicht zu Kopfschmerzen kommt, oder es gar nur bei einzelnen an völlig verschiedenen Tagen, erweckt das den Anschein von Zufälligkeit. Damit würden wir vermeiden, dass sie uns draufkommen.“ „Sie haben Recht, Commander!“, strahlte Mikel, der wohl für ihren Rat sehr dankbar war. „Also gut. Dann ab morgen schichtweise und nicht immer dieselben Leute.“ „Genau.“, bestätigte sie. „Wir wollen uns ja schließlich nicht verraten, was?“ „Ganz recht.“, meinte Mikel und grinste. „Dann sind wir uns ja einig.“, sagte Kissara. Beide tranken aus. „Genau.“, sagte Mikel. „Lassen Sie uns also ganz einig wieder zum Dienst auf die Brücke gehen.“ „In Ordnung.“, sagte Kissara und bot ihm ihren Arm an, ein Angebot, das Mikel dankend annahm.

Während des Weges zur Brücke spürte er, dass dies wohl auch nicht ganz ohne Absicht geschehen war, denn über ihre rechte Seite konnte er sehr wohl leichte Vibrationen ihrer Haut und ein leises Geräusch wahrnehmen. Sie schnurrte offensichtlich heimlich, eine Tatsache, die ihn wiederum heimlich zum Grinsen brachte.

 

 

Kapitel 39: Finstere Aussichten

von Visitor

 

Wie Recht Zirell haben sollte, sollte sich zur gleichen Zeit bereits im Antiuniversum abzeichnen. Hierher waren Sytania und Cirnach längst auf dem Weg, um sich mit T’Mir, dem jetzigen Oberhaupt, zu treffen. Die Vendar hatte über SITCH der Raumkontrolle des Antivulkan bereits ihre Ankunft mitgeteilt, als sie sich noch in der interdimensionalen Schicht befanden. „Warum hast du es so eilig, Cirnach?“, wollte die Prinzessin wissen. „Weil ich nicht will, dass das Antiuniversum länger in Ungewissheit leben muss, Hoheit.“, antwortete Cirnach. „Ich wollte damit nur deutlich machen, dass sich die Antiregierung der Antiföderation Eurer Unterstützung sicher sein kann. Sie werden eventuell ziemlich verwirrt sein, nachdem dieser Saron ihre Nugura quasi getötet hat. Ich wollte nur verhindern, dass sie kopflos irgendwelche Dinge tun, die sie nachher bitter bereuen könnten. Die gute Föderation hat damit einen großen moralischen Sieg errungen. Das ahnen sie nur noch nicht, aber wir wissen es um so besser. Ich wollte nur …“ „Oh, Cirnach!“, unterbrach Sytania sie. „Du bist immer so fürsorglich. Aber warum denkst du, dass sie den Kopf verlieren könnten? Daran glaube ich nicht. Immerhin ist die dortige T’Mir Vulkanierin.“ „Ihr vergesst, Herrin.“, rief Cirnach der Prinzessin die Fakten noch einmal in Erinnerung. „Dass sie Antivulkanierin ist.“ Sie betonte das Anti besonders. „Das bedeutet, dass sie genau das Gegenteil von dem ist, was die gute T’Mir ausmacht. Sie ist reine Emotion, wo die gute T’Mir reiner Verstand ist. Sie ist sprunghaft und ihre starke Aggression könnte sie zu Dingen verleiten, die unseren Plänen nicht gut tun. Ohne Euch, Herrin, die sie auf dem Boden der Tatsachen hält, wird T’Mir El Antivulkan ihre eigene Dimension vor die Wand fahren. Bitte bedenkt meine Worte!“

Sytania lehnte sich zurück und begann tatsächlich, über die Worte der Vendar nachzudenken. Keinem anderen ihrer Vendar hätte sie erlaubt, so mit ihr zu reden, außer vielleicht Dirshan und ihr. Sie war zwar die Ehefrau dessen, der in ihren Augen schändlich versagt und daher seine Degradierung zum einfachen Soldaten mehr als verdient hatte, aber sie war selbst eine sehr gute Strategin. Wenn sie Sytania etwas sagte, dann würde es schon der Richtigkeit entsprechen.

„Recht hast du.“, sagte Sytania dann schließlich. „Sie wird im hohen Maße auf mich angewiesen und mir somit sehr gefällig sein! Und ich dachte schon, es wäre alles zu spät, jetzt, wo es die Antinugura nicht mehr gibt. Ohne den Kopf ist eine Schlange schließlich nicht lebensfähig. Nur hatte ich wohl nicht auf dem Schirm, dass längst einer nachgewachsen ist. Aber dieser Saron hat sich wohl nicht gedacht, dass er unter Umständen sein eigenes Universum vom Regen in die Traufe manövriert, wenn er sie vernichtet und seine Nugura wieder herstellt. Wie sollte er solche Zusammenhänge auch verstehen? Er ist schließlich nur ein einfacher Sekretär!“ „Aber einer, der oft mit der guten Nugura zusammengearbeitet hat.“, fügte Cirnach bei. „Sie vertraut ihm sehr und hat ihm sicher auch oft genug Geheimnise anvertraut. Vielleicht weiß er mehr, als wir uns jetzt denken können.“ „Bitte, Cirnach!“, sagte Sytania etwas unwirsch. „Bereite mir keine schlaflosen Nächte!“ „Das war nicht meine Absicht, Herrin.“, sagte Cirnach beruhigend. „Ich habe Euch nur erklären wollen, dass wir vorsichtig sein müssen. Aber auf der anderen Seite wird ihnen auch dieser neue Sieg nicht viel nützen.“, sagte die Vendar und wartete ab.

„Was meinst du damit?“, drängte Sytania. Sie hatte eine Weile nachgedacht, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. „Ich meine, dass es niemals zu einer Entschuldigung der Föderation bei den Romulanern kommen wird.“, antwortete Cirnach. „Spann mich gefälligst nicht so auf die Folter!“, empörte sich Sytania. „Sag mir gefälligst, was du …“ „Die Abstimmung, Gebieterin!“, sagte Cirnach und grinste schelmisch. „Was ist mit der Abstimmung?“, wollte Sytania wissen. „Ich kenne mich mit solchen Dingen nicht aus. Du musst schon etwas konkreter werden.“ „Wie Ihr wünscht.“, sagte Cirnach und grinste erneut.

Sie übergab dem Mishar die Steuerkontrolle und stellte sich in die Mitte der Kanzel, um einen Vortrag zu beginnen. „Ihr wisst.“, begann sie. „Dass in einer Demokratie immer das getan wird, was die Mehrheit wünscht. Das bedeutet in unserem Fall, dass die Politiker der guten Föderation das tun werden, was die Meisten wollen. Das wird aber auf Garantie nicht sein, sich bei den Romulanern zu entschuldigen und vor ihnen zu Kreuze zu kriechen. Das würde ja bedeuten, dass man zugeben müsste, einmal gefehlt zu haben, was die eigenen moralischen Standards angeht. Etwas zugeben, Herrin, das tun Politiker ziemlich ungern. Außerdem würden sie sich ja dann mit einem in den Augen der Meisten scheußlichen Konflikt auseinandersetzen müssen und das werden sie in ihrer jetzigen Verfassung sicher nicht wollen. Sie werden dafür stimmen, lieber Garak El Cardassia alles in die Schuhe schieben zu wollen. Er hat den Mord an den Gesandten ja schließlich zu guter Letzt auch ausgeführt. Wer ihn geplant hat, dieses Detail werden sie ihm auch noch zurechnen wollen, auch dann, wenn es nicht ganz die Wahrheit ist. Die Politiker der guten Föderation waren schon immer bequem, Sytania, und das hat sich bis heute nicht geändert. Sie gefallen sich zu sehr in der Rolle des unfehlbaren moralisch integeren Friedensengels, der sie schon immer sein wollten. Sie haben sich aber schon immer davor gescheut, solch schrecklichen Wahrheiten ins Auge zu sehen. Ihr wisst, dass sie sich aus vielen Situationen herauslavieren wollten und es auch getan haben. Das mordlüsterne Schneiderlein für sich über die Klinge springen zu lassen, zumindest in den Augen der Öffentlichkeit, sollte eine ihrer leichtesten Übungen sein. Ich bin überzeugt, Milady, dass die Abstimmung genau so ausgehen wird! Darum würde ich sogar mit Euch wetten! Sogar um mein Leben!“ „Ist dir klar, was das bedeutet, was du gerade gesagt hast?!“, fragte die Prinzessin. „Ja, Herrin!“, antwortete Cirnach. „Es ist mir völlig klar! Falls ich also diese Wette verlieren sollte, dürft Ihr mich ruhig töten lassen. Aber ich bin sicher, dass ich sie nicht verliere! Dazu habe ich die Politiker der Föderation zu lang beobachtet!“ „Kühne Worte!“, keifte Sytania. „Aber gut! Ich werde mich auf die Wette mit dir einlassen, Cirnach! Aber ich muss jetzt, da du dein Leben als Einsatz aufs Spiel gesetzt hast, einen Einsatz bieten, der zumindest gleichwertig ist, um mein Gesicht nicht zu verlieren und nicht als feige zu gelten. Falls ich die Wette also verliere, werde ich deinen Mann nach seiner Rückkehr wieder in sein Amt einsetzen, was für mich eine ebenso große Überwindung bedeutet.“ „Aber wie erklärt Ihr das Dirshan?“, wollte Cirnach wissen, die bereits kommen sah, dass sich Sytania wohl verkalkuliert haben würde. „Das muss ich ihm nicht erklären, Cirnach!“, sagte Sytania. „Das ist ja gerade das Gute an der Monarchie! Eine entscheidet und der Rest hat das zu akzeptieren! Ich bin die absolute Herrscherin in meinem Gebiet, Cirnach. Vergiss das nicht und nun sag selbst. Muss sich eine Herrscherin vor ihren Dienern rechtfertigen?“ „Nein, Milady.“, sagte Cirnach und setzte einen unterwürfigen Blick auf. „Siehst du!“, meinte die Königstochter. „Und nun sage mir, wann wir auf Antivulkan angekommen sein werden!“

Cirnach gab dem Mishar einige Befehle auf Vendarisch ein und der spuckte danach eine Antwort in derselben Sprache aus. „Laut dem Mishar werden wir in ungefähr drei Minuten in der Umlaufbahn sein, Hoheit.“, übersetzte Cirnach. „Das ist sehr gut.“, sagte Sytania grinsend. „Ich kann es kaum erwarten, T’Mir ins Gesicht zu sehen.“

Der Planet war in Sensorreichweite gekommen. Cirnach übernahm wieder die Steuerkontrolle, denn ihr war etwas aufgefallen, das sie ihrer Herrin unbedingt zeigen wollte. „Bitte wendet Euch dem Monitor vor Euch zu.“, bat sie die neben ihr sitzende Sytania. Diese kam ihrer Bitte auch nach. Jetzt sah auch sie jene Parkanlage, die sich T’Mir bauen lassen hatte. „Sehr schön und fast anheimelnd.“, lobte die Prinzessin. „Da bekommt man ja gleich auch neue Ideen für den Umbau des eigenen Schlosses. Suche uns einen Landeplatz außerhalb, Cirnach. Ich will zu Fuß in und durch diesen Park gehen, wenn ich mich mit T’Mir treffe.“ „Empfandet Ihr das nicht immer als umständlich?“, wunderte sich die Vendar. „Eine Zeit lang, Cirnach.“, erklärte Sytania. „Eine Zeit lang war das wohl so. Aber jetzt habe ich eben meine Meinung geändert. Man könnte sagen, ich habe die Langsamkeit für mich entdeckt. Also, du tust, wie ich dir geheißen habe! Wenn wir gelandet sind, wirst du zunächst auf dem Schiff bleiben und den Antrieb in Bereitschaft lassen. Sicher ist sicher! Ich werde nach dem Gespräch zu dir zurückkehren!“ „Wie Ihr wollt, Milady.“, sagte Cirnach und nickte, während sie das Schiff zwischen einigen Büschen aufsetzte. Inzwischen waren die drei Minuten nämlich mehr als vergangen und die Frauen hatten Antivulkan erreicht.

Die Prinzessin berührte einen Sensor und die Luke glitt zur Seite. Dann verließ sie das Shuttle. „Halte die Systeme in Bereitschaft!“, ermahnte sie Cirnach. „Sicher ist sicher! Man weiß ja nie!“ Dann ging sie und die Luke schloss sich wieder hinter ihr, wodurch sie die Vendar mit dem Schiff allein ließ.

Sytanias Weg führte sie nun zum Tor des Parks, durch das sie mit machtvollen Schritten ging. Sie hatte die beiden Bildnisse des Gottes des Todes und des Krieges sehr wohl gesehen, die das Tor flankierten. „Oh, was für eine Begrüßung?!“, stellte sie fest und verneigte sich ehrerbietig. „Göttern, deren Hilfe ich unter Umständen noch brauchen werde, sollte ich schließlich Respekt zollen. Ich werde nämlich dieses Mal meine Feinde bestimmt nicht unterschätzen! Oh nein.“

Sie bog auf den Hauptweg ein, der von Beeten mit Kakteen und anderen für uns nicht gerade als schön geltenden Pflanzen gesäumt wurde. Bei einer Venusfliegenfalle blieb sie stehen und schaute sich um. „Ich wusste gar nicht, dass die Vulkanier einen so großen Sinn für Symbole entwickeln können, wenn man erst mal ihren langweiligen Verstand von ihren im Gegensatz dazu doch sehr aufregenden Gefühlen trennt!“, sagte sie zu sich. „Sytania, da hast du doch genau das Richtige getan!“ Sie klopfte sich selbst mit der linken Hand auf die rechte Schulter.

„Prinzessin!“ Sie hatte die Frau nicht bemerkt, die sie gerade bei ihrem Adelstitel gerufen hatte. Erst jetzt drehte sie sich um und sah die Silhouette T’Mirs, die immer näher kam. „Da seid Ihr ja endlich!“, lächelte die Antivulkanierin und breitete ihre Arme aus, um Sytania in dieselben zu schließen. „Lass das!“, sagte diese etwas angewidert. „Diese positiven Gefühle sind ja furchtbar! Lass uns lieber gleich zur Sache kommen und über das Geschäftliche reden.“ „Wie Ihr wünscht.“, sagte T’Mir und setzte dabei einen Blick auf, als wollte sie sich bei Sytania entschuldigen. „Bitte begleitet mich.“, sagte sie.

Sytania nickte und ging hinter ihr her, die sie zu einer Bank aus Steinen führte, die sich in der Nähe eines Wasserspieles befand, das einen Teufelskopf darstellte, aus dessen Nasenlöchern Mund und Augen das Wasser spritzte. „Ich sehe, du hast auch die Mythologie anderer Planeten mit eingebunden.“, sagte die Königstochter. „Natürlich.“, sagte T’Mir. „Schließlich sind wir ja alle eine große Familie, nicht wahr? Es gibt noch einige freie Flächen hier im Park, auf denen ich sogar Imperianisches plane. Der Höhepunkt meiner architektonischen Planungen soll aber nach unserem Sieg über das gute Universum dort stehen.“

Sie zeigte auf einen alles überragenden Hügel. „Und was schwebt dir vor?“, fragte Sytania, für die es sicher ein Leichtes gewesen wäre, es aus den Gedanken ihrer Verbündeten herauszulesen, denn T’Mir vertraute ihr. Aber die Prinzessin zog es dieses Mal doch vor, es auf verbalem Wege zu erfahren. Dies würde alles noch eine Weile in die Länge ziehen und das Ergebnis würde noch auf sich warten lassen. Normalerweise war Sytania nicht für ihre Geduld bekannt, aber in diesem Fall machte sie wohl einmal eine Ausnahme. Anscheinend gefiel ihr der eigene Plan und seine Folgen so gut, dass sie es buchstäblich genoss, alles ganz langsam und mit viel Bedacht auszuführen und zu erfahren.

„Es wird eine Statue geben.“, erklärte T’Mir. „Diese wird aus Eurem Ebenbild bestehen, das eine Axt in der Hand hält, mit der sie gerade die gute Nugura enthauptet hat.“ „Sehr gut.“, grinste Sytania. „Und so glorreich! Ich als Henkerin meiner größten Widersacherin! Da hast du fürwahr meinen Geschmack getroffen, T’Mir! Aber ich bin nicht hier, wie du sicher weißt, um mit dir über Gartenbau und Architektur zu reden. Vielmehr möchte ich dich zum Antritt der Regierung hier in diesem Universum beglückwünschen. Zuerst habe ich gedacht, hier gebe es jetzt ein Machtvakuum, seitdem …“ „Oh, nein.“, beschwichtigte T’Mir. „Da haben wir vorgesorgt. Und Euch, Hoheit, sollte auch klar sein, dass Ihr mit mir an Eurer Seite sicher viel besser dran seid, als mit dem Gegenpart von Nugura. Sie war, im Gegensatz zu mir, noch echt vernünftig. Aber ich bin der emotionale Teil von T’Mir, den sie Jahre lang unterdrückt hat. Was tut wohl ein Unterdrückter, he?“ „Er entwickelt eine Mordswut auf seinen Unterdrücker.“, antwortete Sytania. „Das bedeutet, diese negativen Gefühle hast du kultiviert.“ „Ganz genau!“, sagte T’Mir und lächelte der Imperianerin kalt und verbrecherisch zu. „Das bedeutet aber auch, dass ich Pläne fassen kann, die Euch noch in pures Erstaunen versetzen werden, so böse und skrupellos, wie sie sind.“ „Das kann ich mir denken.“, sagte Sytania. „Ich habe auch schon einen, der Euch bestimmt gefallen wird. Wie soll ich ihn Euch mitteilen? Wünscht Ihr eine Geistesverschmelzung, oder …?“, fragte T’Mir. „Oh nein!“, sagte Sytania energisch. „Meine Vendar haben in einem Recht. Je länger man etwas Grandioses herauszögert, desto besser kann man es genießen. Also werde ich es vorziehen, wenn du es mir verbal unterbreitest, dieses hübsche kleine Stück Denkspiel.“ „Wie Ihr wünscht, Königliche Hoheit.“, sagte T’Mir mit einem ehrfürchtigen Blick. Dann fuhr sie fort: „Ihr wisst, dass Agent Mikel großes Wissen über die Zusammenhänge bei Telepathie hat.“ „Das weiß ich.“, sagte Sytania, um die Abwartende dazu zu bringen, weiter zu reden und um zu signalisieren, dass sie ihr durchaus noch immer folgen konnte. „Dann könnt Ihr Euch ja sicher auch vorstellen, dass er eine Möglichkeit gefunden haben könnte, sein negatives Ich daran zu hindern, ihm weitere geistige Energie zu entziehen.“ „Ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen.“, sagte Sytania, in der schon wieder eine gewaltige Wut aufstieg, die sich gegen Dill, der Mikels Nennvater und Lehrer war, richtete. „Dann wisst Ihr auch.“, erklärte T’Mir, dass dies bei der Besatzung der bösen Granger zu ziemlichen medizinischen Problemen führt.“ „Ja, auch das weiß ich, meine Freundin.“, sagte Sytania. „Aber warum bei der gesamten Besatzung?“ „Das werde ich Euch zeigen.“, sagte T’Mir und holte ein Pad aus der Tasche. Dann aktivierte sie es und hielt es Sytania unter die Nase. „Dies ist ein medizinischer Bericht, der von Medical Assistant Learosh verfasst wurde.“, erklärte sie. „Er berichtet von Kopfschmerzen, von denen seine Kameraden in unregelmäßigen Abständen heimgesucht werden. Auch sei es ihnen, als würde man ihnen ihre Energie entziehen oder sie ihnen zumindest vorenthalten. Er ist als Einziger nicht betroffen, deshalb hat er auch neulich die ganze Sache ans Hauptquartier weitergegeben. Hier ist man sich sicher, dass dies nur durch die Besatzung der guten Granger verursacht werden kann, die wohl jetzt über dieses Wissen verfügt. Wir müssen dem ein Ende bereiten, Prinzessin! Ich denke, dass der gute Mikel beabsichtigt, uns in sein Universum zu locken. Den Gefallen werden wir ihm auch tun, aber die Granger wird nicht allein kommen. Den Rest unserer Sternenflotte wird sie mitbringen. Dann wird Mikel sich ganz schön umschauen, denn er wird keine Hilfe erwarten können. Die restliche gute Sternenflotte ist wie gelähmt und im Hauptquartier sieht es nicht viel anders aus. Dort schläft man auch vor sich hin. Mikel wird ziemlich bereuen, was er Kissara da für einen Floh ins Ohr gesetzt hat, denn, ehe er sich versieht, wird es die Granger nicht mehr geben!“ Sie lachte gemein auf. „Ein sehr guter Plan, T’Mir.“, sagte Sytania. „Ich hätte es mir nicht besser ausdenken können.“ „Vielen Dank, Hoheit.“, erwiderte T’Mir, die sich sehr geschmeichelt fühlte. „Und ich finde.“, sagte Sytania. „Darauf sollten wir sogar anstoßen! Dieser einfältige terranische Narr hat nicht bedacht, dass er mit diesem Plan seine eigenen Leute vernichten wird. Aber damit habe ich zwei meiner größten Widersacher aus dem Weg geräumt. Betsy ist ja schon seit langem tot und Mikel wird es auch bald sein. Dann gibt es niemanden mehr, der mir dazwischen pfuschen kann! Niemanden!“

T’Mir ging zu einem Replikator in einer anderen Ecke des Parks. Dann replizierte sie eine Kanne Met und zwei Trinkhörner, die sie befüllte, um Sytania gleich darauf eines zu geben. Das Zweite behielt sie selbst. „Lasst uns auf unseren Plan anstoßen!“, sagte sie freudig und prostete Sytania zu. „Ganz recht!“, sagte die Prinzessin und erwiderte das Prosten.

Nach dem Austrinken stellte T’Mir plötzlich ihr Trinkhorn an der Lehne der Bank ab. Dann sah sie Sytania an. „Was ist dir?“, fragte die etwas über dieses Verhalten verwirrte Prinzessin. „Was wird mit mir geschehen, falls die gute Föderation in diesem Krieg, den Ihr sicher Zweifels ohne plant, unterliegen wird?“, fragte die Antivulkanierin. „Nun.“, sagte Sytania. „Um dich und um all die anderen musst du dir keine Sorgen machen. Ich habe vor, dich als Königin von ganz Vulkan einzusetzen. Das kann ich durchaus tun, denn ich wäre dann ja Kaiserin aller Dimensionen!“ Erleichtert atmete T’Mir auf. „Hast du wirklich gedacht, ich lasse dich im Stich?“, fragte Sytania und klang dabei schon fast tröstend. „Um ehrlich zu sein, Milady, das glaubte ich. „Ich glaubte, Ihr würdet einen Imperianer einsetzen, der für Euch …“, erklärte T’Mir, aber Sytania winkte nur ab. „Warum sollte ich das denn tun?!“, fragte sie. „Wo ich doch so eine loyale Verbündete in dir habe! Nein! Wenn ich gewonnen habe, wirst du hier alles in die Hand bekommen. Es wird dir vielleicht zunächst merkwürdig vorkommen, als Monarchin zu regieren. Aber ich denke, dass wird gar nicht so schlimm. Das Meiste hast du nämlich schon verinnerlicht, wenn ich mir hier alles so ansehe. Ein Bewusstsein für Macht und ihre Annehmlichkeiten hast du ja bereits.“ „Vielen Dank, Milady.“, sagte T’Mir geschmeichelt.

Sytania stand auf. „Ich werde jetzt gehen.“, sagte sie. „Schließlich habe ich noch einige Vorbereitungen zu treffen, wenn dieser Plan, von dem ich dir gerade berichtet habe, wirklich funktionieren soll.“ „Was für Vorbereitungen sind das, Milady?“, fragte T’Mir. „Nun.“, erklärte Sytania. „Ich beabsichtige, mich in nächster Zeit zu vermählen. Dazu muss ich mir aus den in Frage kommenden Kandidaten noch den passenden Bräutigam aussuchen. Wenn das getan ist, werde ich noch Zeit benötigen, um mit ihm ein Wesen zu erschaffen, das Angst und Schrecken verbreiten wird. Es wird meine Armeen und deine Sternenflotte anführen, wenn es gegen alle Dimensionen geht!“ „Aber die Sache mit der Granger.“, gab T’Mir zu bedenken. „Die Sache betrachtet deine Sternenflotte am besten als eine kleine Vorübung.“, meinte die Prinzessin lapidar. „Ich denke, mit der werdet ihr leicht fertig! So, nun lass mich gehen. Meine seherischen Fähigkeiten melden mir gerade, dass sich Dirshan schon ziemlich nah am Ort des Geschehens befindet. Ich muss im Schloss sein, bevor er auf Bajor eintrifft.“ „Also gut, Hoheit.“, meinte T’Mir. „Ich werde Euch aber noch zu Eurem Schiff begleiten. Als gute Gastgeberin tut man das schließlich.“ „Nun denn, in aller Teufels Namen!“, sagte Sytania unwirsch, die auf solcherlei Formalitäten im Moment liebend gern verzichtet hätte. „Aber spute dich!“

T’Mir nickte und eilte hinter Sytania her, die sich schnellen Schrittes auf den Weg zu dem immer noch zwischen den Büschen stehenden Veshel machte. Cirnach, die ihre Ankunft mit Hilfe der Sensoren beobachtet hatte, ließ den Rechner sofort die Luke öffnen, um ihrer Herrin das Einsteigen zu ermöglichen. Dann schloss sich die Luke wieder und die Vendar aktivierte sofort die Atmosphärentriebwerke. „Du tust sehr gut an dem, was du tust, Cirnach.“, lobte Sytania. „Wir haben es nämlich sehr eilig!“ „Darf ich wissen, warum wir es so eilig haben, Herrin?“, fragte die Vendar, während sie das Schiff aus der Atmosphäre des Antivulkan lenkte. „Das darfst du.“, sagte Sytania. „Dirshan ist fast auf Bajor. Das Gespräch mit T’Mir hat mich wohl zu lange aufgehalten. Wann können wir auf Interdimensionsflug gehen?!“ „Sobald wir das Sonnensystem verlassen haben, Herrin.“, erklärte Cirnach. „Aber warum bringt Ihr uns nicht mit Hilfe Eurer Kräfte dort hin, wo Ihr hin wollt, wenn es so eilig ist?“ „Weil ich gerade all meine Aufmerksamkeit auf Dirshan gerichtet habe.“, erwiderte Sytania. „Ich werde ihn jetzt, in dieser kritischen Phase, auf keinen Fall aus den Augen lassen, verstehst du?!“ „Sehr genau, Gebieterin.“, sagte Cirnach. „Sehr genau.“

Sie beschleunigte das Schiff auf Warp eins, obwohl sie sich noch im Sonnensystem befanden. „Ich hoffe, du weißt, was du da tust!“, ermahnte sie Sytania. „Das weiß ich sehr wohl, Prinzessin.“, sagte Cirnach tröstend und gab sich alle Mühe, einen versierten Eindruck auf ihre Herrin zu machen. In Wahrheit hatte sie dieses Manöver heute nämlich zum ersten Mal ausgeführt. Aber auf dem Kurs, den sie gesetzt hatte, schien es laut Sensoren keine Hindernisse zu geben. Tatsächlich gelang es ihr, das Veshel auf gradem Kurs aus dem System zu steuern. Erleichtert begann sie mit den Vorbereitungen für den Interdimensionsflug.

„Du bist eine geschickte Fliegerin, Cirnach.“, stellte Sytania fest, nachdem das Schiff in den Interdimensionsmodus gegangen war. „Um ehrlich zu sein, dieses Manöver hätte ich dir nicht zugetraut.“ „Ich habe eben bei den Schulungen gut aufgepasst, die mein Mann immer abgehalten hat, Milady.“, erwiderte Cirnach. Dabei betonte sie die Tatsache, dass Telzan seine Truppe gut in Form gehalten hatte, besonders. Bei Dirshan hatte es solche Schulungen nie gegeben. Wie sollte es auch, wo er doch selbst noch auf dem Bildungsstand eines Novizen war und seine Führerschaft nur der Tatsache geschuldet war, dass Sytania im Moment wohl lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach haben wollte. „Ich verstehe, was du mir sagen willst.“, sagte die imperianische Prinzessin. „Und du kannst ganz beruhigt sein. Wir haben ja immer noch unsere kleine Wette am Laufen. Du weißt ja, was ich tun muss, falls die Abstimmung bei der guten Föderation so ausgeht, wie du vermutest.“ „Das weiß ich, Herrin.“, grinste Cirnach listig und flog mit dem Schiff ins Dunkle Imperium ein. „Beame mich sofort ins Schloss!“, befahl Sytania. „Wie Ihr wünscht.“, sagte Cirnach und stellte den Transporter genau auf den Thronsaal ein, um ihn gleich darauf zu aktivieren.

Auf 281 Alpha hatte Maron das Frühstück eingenommen. Nitprin schien aber irgendwas zu stören, das ahnte der erste Offizier, denn er sah zu, wie sie gedankenverloren in den Raum starrte. „Ist etwas nicht in Ordnung Jinya?“, fragte der Demetaner Anteil nehmend. „Is' schon okay, Maron.“, sagte Nitprin und begann gleich darauf, herzzerreißend zu weinen.

Maron stand von seinem Stuhl auf und ging um den Tisch herum, um sie, die ihm gegenüber gesessen hatte, zu trösten. Er nahm sie fest in den Arm und drückte sie an sich. Jetzt spürte er, dass sie am ganzen Leib zitterte. „Meine arme kleine Jinya.“, sagte er, während er sie sanft hin und her wiegte. „Was ist denn los?!“ „Hätte ich doch nur früher was gesagt!“, schluchzte Nitprin verzweifelt. „Jetzt wird alles drunter und drüber gehen, nur, weil ich den Mund nicht aufgekriegt habe! Die Ferengi werden den Kegel kriegen und ihn an den nächst besten Kriegsherren verhökern! Und das alles nur, weil ich nicht früher was gesagt habe! Das Ding kann zu einer schrecklichen Waffe werden! Das sagen alle!“ „Jetzt hör mir mal zu, Jinya!“, sagte Maron. „Ich gehe mal zu deinen Gunsten davon aus, dass du uns diese Information nicht absichtlich vorenthalten hast. Dein Trauma saß sehr tief. Die Mediziner sagen, …“ „Es ist mir egal, was die sagen, Maron!“, unterbrach Nitprin seinen Versuch, sie zu trösten, schluchzend. „Ich bin schuld, wenn die Galaxie zusammenbricht! Das sagt zumindest Shannon!“

In Maron stieg eine unglaubliche Wut auf, die er nur schwerlich zu kontrollieren vermochte. „O’Riley!“, zischte er. Dann folgten einige Sätze auf Demetanisch, die Nitprin wohlweißlich nicht verstehen sollte. Wahrscheinlich enthielten sie die verbalen Äußerungen dessen, was Maron wohl am liebsten mit der technischen Assistentin tun würde, wenn er denn dürfte und es keine Regeln für den Umgang zwischen Vorgesetzten und Untergebenen gäbe.

Er machte plötzlich ein angestrengtes Gesicht und räusperte sich. Wahrscheinlich hatte er gerade versucht, diese Gedanken mit aller Kraft wieder zu verdrängen. „Hat sie das wörtlich zu dir gesagt, Jinya?“, fragte er ernst. „Nein.“, erwiderte Nitprin noch immer schluchzend. „Sie fand es nur seltsam, dass es noch immer keine Einladung von den Vagasiden zu geben scheint. Sie meinte nur, vielleicht war die ganze Sache schon und wir haben die Party verpasst, wie sie sich ausgedrückt hat. Sie weiß das wohl aus eurer Besprechung und vermutet es deshalb, weil kein Befehl erfolgt ist, das IDUSA-Schiff zu warten. Deshalb glaubt sie, …“ „Ach.“, sagte Maron. „Und deshalb, weil sie wieder einige ihrer unausgegorenen Theorien verbreitet hat, glaubst du, dass …“ „Hm.“, nickte Nitprin traurig. „Dann will ich dir jetzt mal was sagen, Jinya!“, sagte Maron fest. „Was wir mit Sicherheit wissen, ist die Tatsache, dass wir die Party nicht verpasst haben! Zirell hat IDUSA nämlich in den vergangenen SITCH-Nachrichten nach einer Einladung, die diesen Kegel betrifft, suchen lassen und es hat definitiv keine gegeben. IDUSA soll immer noch suchen und wird uns bestimmt informieren, wenn eine eingeht! Also, es ist noch gar nichts passiert, Jinya! Noch gar nichts! Hörst du?!“

Nitprin atmete auf. „Den Göttern sei Dank!“, sagte sie. „Und ich dachte schon!“ „Das nächste Mal.“, sagte Maron. „Fragst du mich am besten zuerst, bevor du Shannon und ihre düsteren Endzeitvisionen konsultierst!“ Dabei betonte er das „Mich“ noch außerordentlich stark. „OK, Pflegevati!“, versprach Nitprin und klang dabei schon wieder etwas fröhlicher. „Abgemacht!“

Auch die tindaranische Kommandantin war in ihrem Quartier dabei, ihr Frühstück einzunehmen. Seit einigen Stunden schon hatte sie nicht mehr geschlafen und war tatsächlich mitten in der Nacht aufgestanden. Seit kurz nach Mitternacht hatte die Telepathin eine merkwürdige Vorahnung beschlichen. Zwar hatte sie versucht, diese Gedanken beiseite zu schieben, das war ihr aber nicht geglückt. Jetzt saß sie simulierend vor einer Tasse Kaffee und einem terranischen Brötchen mit Marmelade und starrte Löcher in die Luft. „Nun komm, Zirell!“, ermahnte sie sich schließlich, endlich mit dem Essen zu beginnen. „Du wirst noch zu spät zum Dienst auf deiner eigenen Brücke erscheinen, wenn du dich jetzt nicht beeilst!“

Sie griff beherzt zum Brötchen, um es sich zum Mund zu führen, aber zum Abbeißen sollte sie nicht kommen, denn im gleichen Augenblick zeigte sich der Avatar des Stationsrechners über den Simulator im Raum. Erschrocken ließ Zirell das Brötchen wieder auf den Teller fallen. „IDUSA!“, sagte sie. „Was ist los?!“ „Bitte verzeihen Sie, Commander.“, sagte die Stimme des Avatars nüchtern. „Ich weiß, dass ich mich eigentlich durch eine Leuchte und ein Signal ankündigen soll, außer, es handelt sich um einen Notfall.“ „Nun.“, sagte Zirell mild, nachdem sie den ersten Schrecken verdaut hatte. „Wenn du dich so verhältst, wie du dich normalerweise nur verhältst, wenn es einen Notfall gibt, dann wird es auch einen geben, denke ich. Sonst sollte Jenna wohl mal deine Programmierung überprüfen.“ „Es gibt tatsächlich einen Notfall, Commander.“, sagte der Avatar.

Zirell ließ ganz von ihrem Frühstück ab und wandte sich in Richtung des Simulators. Außerdem stand sie vom Stuhl auf und glättete ihre Uniform. „Wovon sprichst du, IDUSA?“, fragte sie. „Gibt es endlich eine Einladung von den Vagasiden?“ „Nein, Commander.“, negierte der Rechner. „Aber ich habe Darell, die Vorsitzende der Zusammenkunft, für Sie. Sie sagt, es sei sehr dringend. Sie spricht über den Notkanal!“ „Gib sie her!“, befahl Zirell alarmiert. Irgendetwas sagte ihr, dass hier wohl auch der Grund für ihr nächtliches Aufschrecken zu finden war. Durch einen hier nicht weiter zu erwähnenden Zwischenfall war Zirell zur einzigen Tindaranerin geworden, die ihre telepathischen Fähigkeiten auch interdimensional nutzen konnte. Der Grund konnte also überall und nirgends zu finden sein.

Es gab ein Signal und Zirell schaute in das virtuelle Gesicht ihrer Schulfreundin und der Regierenden ihres Volkes, die dadurch auch ihre Oberbefehlshaberin war, das IDUSA ihr über die Verbindung zeigte. „Was gibt es, Darell?“, fragte sie. „Es ist etwas passiert, Zirell!“, sagte die ältere Tindaranerin, deren Züge sehr blass schienen. „Das kann ich mir schon denken.“, sagte Zirell. „Ich meine, den Notkanal benutzt man schließlich nicht, um ein Kaffeekränzchen zu halten.“ „Sicher nicht.“, sagte Darell und schien, als hätte sie schon jetzt total den Faden verloren. „Jetzt sag mir doch bitte, was los ist!“, insistierte Zirell.

Darells Hand winkte. Das konnte Zirell jetzt gut sehen. Dann trat eine blasse Gestalt hinter ihr hervor. Die kundige Tindaranerin, die ja auch wusste, wie einige Bewohner des Universums der Föderation aussahen, erkannte einen Bajoraner. Ja, sie erkannte sogar einen bestimmten Bajoraner. Allerdings kannte sie ihn aus offiziellen Anlässen nur mit Robe. Sie erinnerte sich nur an eine einzige Situation, in der sie ihn als Flüchtling und in Zivilkleidung gesehen hatte. Aber sie fand auch, dass dies hier nichts zur Sache beitragen würde.

Sie verneigte sich: „Eminenz! Wie kommen Sie hierher und was ist so Schlimmes passiert, dass Sie die Hilfe des tindaranischen Militärs anfordern?“ „Es ist noch nichts passiert, Commander.“, sagte der Bajoraner, der jetzt auch sie erkannt hatte. „Aber es wird noch passieren! Meine letzte Vision von den Propheten war eindeutig!“ „Na, das ist ja etwas ganz Neues.“, sagte Zirell. „Normalerweise drücken die sich doch immer sehr verschnörkelt aus.“

Zirell sah, wie ihm Darell in einer vorsichtigen, aber bestimmten Bewegung das Mikrofon wieder abnahm. „Der Kai hat sich in ein interdimensionales Transportschiff geschmuggelt, um hierher zu kommen.“, sagte Darell. „Und ich weiß, was deine Befürchtungen sind. Aber dieses Mal hat Sytania hoffentlich nichts mit der Vision, die er erfahren hat, zu tun. Ich selbst habe es telepathisch in seinem Geist überprüft und die Soldaten, die ihn zwischen einer Lieferung Warpspulen aus dem Universum der Föderation fanden, haben auch nichts von ihr gespürt. Aber das ist noch lange nicht alles. Niemand durfte wissen, dass er nach Tindara reist! Wenn ich dir gesagt habe, was er gesehen hat, dann wirst du auch verstehen, warum das so ist. Wenn diese Information an die bajoranische Bevölkerung weitergegeben worden wäre, dann …“ „Nun sag schon.“, drängte Zirell.

Darell setzte sich an ihren Schreibtisch. Dann setzte sie eine ernste Miene auf. „In seiner Vision.“, setzte sie an. „Haben die Propheten ihn vor einem schrecklichen Unheil gewarnt! Da ich selbst in seinem Geist war, kann ich das alles bestätigen. Er ist nicht in der Lage, mit dir darüber zu reden. Die Sanitätseinheit deiner Nachbarstation wird ihn abholen und man wird sich dort sofort um ihn kümmern. Aber ich werde dir alles sagen, was ich selbst erfahren konnte. Ich wollte ihn nur noch so lange hier lassen, bis du ihn gesehen hast.“ „Dann sag ihnen am besten gleich Bescheid.“, sagte Zirell. „Ich schätze, dass er sonst zusammenbricht.“ „In Ordnung.“, sagte Darell. Dann ließ sie das ihren Rechner erledigen.

Im Hintergrund sah Zirell jetzt zwei tindaranische Soldaten in Medizineruniformen, die den völlig aufgelösten Kai in die Mitte nahmen, nachdem sie das Büro betreten hatten. Dann richteten sie einige tröstende Worte auf Englisch an ihren Patienten und verließen es mit ihm. Darell konnte es kaum erwarten, bis die Tür ins Schloss gefallen war.

„Und nun zu uns.“, sagte sie. „Ich kann natürlich das, was ich in seinen Gedanken gesehen habe, nur so wiedergeben, wie er es gesehen hat. Aber es gibt da ein paar Dinge, die mich ziemlich alarmiert haben. Auch ich glaube, dass die Propheten dieses Mal Hilfe brauchen. Ich glaube, dass wir alle Hilfe brauchen, wenn das eintritt, was …“ „Rede endlich!“, drängte Zirell unwirsch. „Ich habe dir ja schon gesagt, dass die Propheten dieses Mal sehr deutlich und weniger nebulös waren. Trotzdem kann ich einiges nicht verstehen. In der Vision hat der Kai zum Beispiel einen tanzenden Kelch gesehen, der einen Drudenfuß als Weihezeichen zeigte.“ „Oh, nein!“, erschrak Zirell. „Das ist ein eindeutiges Zeichen, dass Sytania sich hier einmischt!“ „Allerdings.“, bestätigte Darell. „Der Kai und ich, wir hatten beide den Eindruck, dass weder er, noch die Propheten wirklich verstehen, was hier los ist. Sie wissen nur, dass es ein großes Unheil geben wird!“ „Wenn Sytania sich einmischt, Darell.“, sagte Zirell. „Dann ist das doch wohl mehr als offensichtlich!“ „Arbeitet Joran noch für dich?“, fragte Darell. „Natürlich.“, sagte Zirell. „Dann lass ihn mit dem zweiten Schiff einen Aufklärungsflug im Universum der Föderation unternehmen!“, befahl Darell. „Er hat 90 Jahre lang für Sytania gearbeitet. Ich denke, er wird der Einzige sein, der das hier richtig interpretieren kann.“ „In Ordnung.“, sagte Zirell. „Aber wir sollten die bajoranische Regierung informieren. Ich meine, dass der Kai seinen Weg zu uns gefunden hat, muss nicht heißen, dass sie Bescheid wissen. Immerhin praktiziert auch Bajor die Trennung von Kirche und Staat.“ „Sicher.“, sagte Darell. „Aber ich werde die geheimen Militärkanäle benutzen müssen. Was glaubst du, was das mit der Psyche der Öffentlichkeit von Bajor macht, wenn die hören, dass ihre Götter sich über den Kai an eine verbündete sterbliche Macht gewendet haben, um Hilfe und vor allem eine Erklärung zu erhalten?“ „Verzweifeln werden die!“, sagte Zirell. „Eine öffentliche Glaubenskrise ist sicher das Letzte, was das Universum der Föderation und vor allem Bajor, jetzt gebrauchen kann. Ich werde Joran sofort losschicken! Sag das bitte auch dem Kai. Wenn hier einer rauskriegen kann, was Sytania im Schilde führt, dann ist es Joran!“ „Danke, Zirell.“, sagte Darell erleichtert und beendete die Verbindung.

Zirell schlang hastig ihr Frühstück herunter. Mit leerem Magen konnte sie auf keinen Fall vor ihre Leute treten! Sie musste gewappnet sein, wenn sie in der kommenden morgendlichen Offiziersbesprechung allen die neuesten Entwicklungen mitteilte. Auch hatte sie den Eindruck, sich erst mal stärken zu müssen nach den Informationen, die sie gerade bekommen hatte. Nach dem Frühstück würde sie zuerst in Marons Quartier vorbeischauen. Ihn würde sie als Erstes informieren. Sie konnte sich keinen Reim auf den tanzenden Kelch machen und hoffte, dass ihr erster Offizier, der ja aus dem Universum der Föderation stammte, etwas mehr darüber wusste. Sie klammerte sich wohl an jeden Strohhalm, der ihr helfen würde, endlich eine Erklärung für das seltsame Gefühl, das immer noch nicht weichen wollte, zu finden. Bis Joran von seiner Mission zurück war, wollte sie am liebsten gar nicht warten müssen.

Sie verließ also ihr Quartier und ging auf den Flur hinaus. Hier hoffte sie, bald auf den Demetaner zu treffen, denn jetzt würde eigentlich genau der Zeitpunkt sein, zu dem er auch sonst diesen Weg zum Turbolift nehmen musste, um zur Brücke zu kommen. Dass Maron durch die Krise um Nitprin aufgehalten worden war, konnte sie ja nicht ahnen.

Langsam ging Zirell auf den nächsten Lift zu. Dabei wichen ihre Augen nicht von den Türen seitlich des Ganges. Aus einer dieser Türen musste er doch kommen! Sie wollte es vermeiden, in sein Quartier gehen zu müssen und dort unter Umständen noch auf die kleine Breen zu treffen, denn Zirell fand, dieses Thema, das sie mit ihrem ersten Offizier besprechen musste, war beileibe nichts für Kinder.

Die tindaranische Kommandantin war, ohne es selbst zu merken, durch die offene Tür eines der Turbolifts gegangen. Wie es ihr eingegeben war, hatte IDUSA diese geöffnet, sobald ihre Sensoren jemanden auf sie zukommen sahen. Völlig in Gedanken stand Zirell nun also vor der Rückwand der Kabine. Erst dann, als der Avatar des Rechners über den Simulator vor ihrem geistigen Auge erschien und sie ansprach, realisierte Zirell, was geschehen war. „Wohin, Commander?“, fragte der Rechner gewohnt freundlich. „Oh, lass mich am besten gleich wieder raus, IDUSA.“, sagte Zirell und drehte sich in Richtung Tür. „Ich muss zwar eigentlich zum Dienst, aber erst mal muss ich mit Agent Maron reden. Wo ist er?“ „Agent Maron befindet sich in seinem Quartier.“, erwiderte der Rechner und öffnete die inzwischen geschlossene Tür des Lifts erneut. „Danke, IDUSA.“, sagte Zirell lächelnd und verließ den Lift.

Jetzt führte sie ihr Weg einige Gänge weiter in eine Nische, wo sie gleich eine Türsprechanlage betätigte. Die Stimme dessen, der den Ruf von drinnen beantwortete, kannte sie gut. „Hier Agent Maron.“, sagte diese Stimme. „Maron, hier ist Zirell.“, sagte sie leise und fast etwas geheimnisvoll. „Ich muss mit dir vor dem Dienst noch etwas besprechen. Bitte lass mich ein.“

Per Display bekam sie die Information, dass die Verbindung beendet worden war. Dann glitt die Tür vor ihr zur Seite. Zirell ging einige Schritte in den Flur. Von hier aus konnte sie die Gestalt ihres ersten Offiziers bereits durch die halboffene Tür des Wohnzimmers erspähen, auf das sie zu und in das sie hinein ging. Dort sah sie allerdings sofort, dass Maron nicht allein war. „Schick bitte das Kind raus!“, sagte sie freundlich, aber bestimmt. „Die Dinge, die ich mit dir zu bereden habe, sind dienstlicher Natur und gehen die Kleine nun wirklich nichts an!“

Maron nickte. Obwohl er kein Telepath war, hatte er mitbekommen, dass diese Sache, was immer das auch für eine Sache war, sie sehr mitnehmen musste. Deshalb wendete er sich auch gleich an Nitprin: „Bitte geh in dein Zimmer und lass dich von IDUSA mit deiner Fernschule verbinden, Jinya.“ „Aber da wird doch jetzt noch niemand sein.“, entgegnete Nitprin, nachdem sie einen Blick auf ihre Uhr geworfen hatte. „Der Unterricht beginnt doch erst in fünf Minuten.“ „Dann wird sich dein Lehrer um so mehr freuen, wenn du die Erste bist.“, lächelte Maron. „Also gut.“, sagte Nitprin und schlich aus dem Wohnzimmer in Richtung des Kinder- und Gästezimmers. Dass sie weggeschickt wurde, gefiel ihr gar nicht! Zirell war ihr sehr nervös vorgekommen. So nervös, dass sie das Gefühl bekommen musste, dass hier etwas nicht stimmte, ja sogar, dass hier gewaltig etwas nicht stimmte! Trotzdem aber war sie folgsam und tat, was ihr Maron gerade gesagt hatte, denn sonst würde sie sein Vertrauen verlieren und eventuell gar nichts mehr erfahren, so dachte sie zumindest. Also setzte sie sich an ihren Schreibtisch, forderte die Verbindung von IDUSA an und begann zu lernen.

Maron und Zirell waren im Wohnzimmer zurückgeblieben. Der Demetaner hatte seiner tindaranischen Vorgesetzten einen Stuhl hingeschoben. „Nun verrate mir doch bitte mal, was dich so nervös macht, Zirell!“, sagte der Demetaner, replizierte eine frische Tasse und goss ihr Kaffee ein. „Oh, bitte nicht, Maron.“, lehnte Zirell höflich ab. „Wenn ich dieses terranische Zeug trinke, wird es nur noch schlimmer!“ Sie atmete einige Male tief durch. „Was in Mutter Schicksals Namen ist passiert?!“, fragte Maron mit etwas mehr Nachdruck in der Stimme. „Das geistliche Oberhaupt von Bajor hat sich nach Tindara Prime geschmuggelt.“, begann Zirell. Verwirrt sah der erste Offizier sie an. „Warum musste er sich schmuggeln?“, fragte er. „Soweit ich weiß, besteht immer noch Reisefreiheit zwischen verbündeten Dimensionen.“ „Sicher.“, sagte Zirell und Maron bekam den Eindruck, dass sie bald explodierte, wenn er ihr nicht helfen würde, die Information loszuwerden. Er konnte nur das richtige Ventil einfach nicht finden.

„Die Reisefreiheit ist auch nicht das Problem.“, sagte Zirell schließlich. „Das Problem ist eher die Brisanz der Information, die er uns übergeben hat. Deshalb musste er sich schmuggeln. Stell dir mal vor, es käme an die Öffentlichkeit, dass sich der Kai und vor allem die Propheten selbst, an die Regierung einer sterblichen Macht gewendet haben, um von dort Hilfe zu erhalten. Gerade in diesen Zeiten, Maron. Denk mal drüber nach. Der Wäscher war sicher auch auf Bajor tätig und …“

Der erste Offizier machte ein gequältes Gesicht und zog Luft durch die Zähne ein. Dann sagte er: „Du hast Recht. Für uns mögen die Propheten nur Wesen aus dem Wurmloch sein, die, wie jede andere Lebensform auch, ihre Stärken und Schwächen haben. Aber für die Bajoraner sind sie Götter! Das macht die Situation wirklich sehr pikant und nicht weniger brisant. So eine Information könnte unter den Zivilisten eine Massenpanik auslösen. Aber da ist doch noch mehr, Sea Tindarana, nicht wahr? Was weißt du noch?“ „Darell hat mit dem Kai gesprochen.“, fuhr die Tindaranerin leise fort. „Er hat ihr gesagt, dass er eine Vision von den Propheten empfangen habe, in der sie um Hilfe bitten, weil sie die Situation, in der sie sind, nicht verstehen. Ich weiß, das klingt merkwürdig, wenn man bedenkt, dass sie allmächtig und allwissend sind, aber …“ „Halt, Zirell!“, unterbrach Maron sie. „Diesen Gedanken brauchst du gar nicht weiter zu spinnen, weil er falsch ist! So allwissend, allmächtig und allverstehend sind sie nicht! Es gibt nämlich etwas, das sie nicht verstehen. Sie verstehen alles nicht, was linear ist. Sie sind Wesen von außerhalb der Zeit und deswegen ist ihnen ihr Konzept fremd. Was ist, wenn die Lösung des Problems irgendwas mit etwas Linearem zu tun hat? Was ist, wenn die Propheten gern helfen würden, aber es nicht können, weil …“ Er hielt kurz inne und entschuldigte sich dafür, ihr so harsch und in seinen Augen doch sehr respektlos ins Wort gefallen zu sein. „Ist schon OK, Maron.“, sagte sie. „Es ist deine Heimatdimension! Du kennst dich dort aus! Aber deine Theorie könnte hinkommen. Ich werde Joran dort hin beordern. Anscheinend hat Sytania etwas mit der Angelegenheit zu tun. Er stand 90 Jahre lang in ihren Diensten. Wenn hier jemand herausfinden kann, was los ist, dann er. Der Kai sagte, ein tanzender Kontaktkelch mit einem Drudenfuß hätte in seiner Vision eine Rolle gespielt.“ „Du weißt, dass es mehr als offensichtlich ist, dass Sytania hiermit etwas zu tun hat, Zirell!“, sagte der Spionageoffizier mit sehr viel Sicherheit in Stimme und Augen. „Das weiß ich.“, sagte die tindaranische Kommandantin. „Aber ich wollte das am SITCH gegenüber dem Kai nicht durchblicken lassen. Der hatte schon Angst genug. Er befindet sich jetzt übrigens auf 282 Alpha.“ „Die Sanitätseinheit?“, fragte Maron. „Genau.“, nickte seine Vorgesetzte. „Ich denke, man wird ihn jetzt erst mal unter Medikamente setzen. Ich weiß, dass eine Aussage, die unter solchen Umständen genommen wird, wertlos ist. Du wirst noch warten müssen, aber du solltest ihn bei Gelegenheit vernehmen. Ich werde über Ishan mit der Crew von 282 Alpha in Kontakt bleiben. Sie werden mir sagen, wenn er so weit ist.“ „Das ist gut so.“, sagte Maron erleichtert. „Das ganze Medizinerlatein versteht er sowieso am besten.“ „Wen wundert’s.“, sagte Zirell. „Er ist ja auch schließlich unser Arzt.“

Sie wandte sich zur Tür und winkte ihm unmissverständlich. „Ich komme.“, sagte Maron. „Darell will die bajoranische Regierung über die geheimen Militärkanäle informieren.“, sagte Zirell. „Sie meint wohl, es sähe dort nicht ganz so schlimm aus. Sie hofft wohl, dass es dort noch einige gibt, die sich gegen den Wäscher wehren konnten und noch leben.“ „Da könnte sie wohl Glück haben.“, lächelte Maron. „Immerhin sind die Bajoraner für ihre rebellische Ader bekannt und ich denke, dass einige wirklich intelligent genug sind, um zu erkennen, dass der Wäscher auf keinen Fall von den Propheten geschickt wurde. Ich schätze, die gibt es gerade unter den Soldaten. Die mögen vielleicht sehr gläubig sein, aber wenn sie erkennen, dass ihnen jemand ein X für ein U vormachen will, verstehen sie, denke ich, sicher keinen Spaß!“ „Den Gedanken hatte Darell wohl auch.“, sagte Zirell.

„Ich werde Jenna auf jeden Fall gleich sagen, dass sie das Schiff warten soll. Dann schicke ich Joran besser gleich los. Dann muss ich nicht vor allen die ganze Geschichte noch einmal breit treten.“, sagte Zirell und verließ gemeinsam mit Maron das Quartier. Dann betrat sie mit ihm den Turbolift, der beide zur Brücke bringen sollte. „Ich sage IDUSA am besten gleich, dass sie Jenna und Joran Bescheid geben soll.“, meinte die Kommandantin noch, während sie ihr Sprechgerät zückte und einige Eingaben machte. „Es ist deine Station.“, lächelte Maron als Anspielung auf ihre Äußerung von vorhin. „Dort kennst du dich am besten aus!“ Zirell musste grinsen.

Kapitel 40: Telzans Rachepläne

von Visitor

 

Telzan und Radcliffe hatten ihren Flug und auch Nathaniels Unterricht fortgesetzt. Mittlerweile konnte der immer noch leicht verwirrte und von Sytania zutiefst enttäuschte Terraner schon ganz gut mit dem Schiff umgehen. Auch seine Krankheit hatte er in der Weise im Griff, dass er selbst genau spürte, wann ein Anfall drohte und sich selbst daher die passende Dosis seiner Medizin verabreichte.

„Sehr gut, Nathaniel El Taria!“, lobte Telzan, nachdem er zugesehen hatte, wie sich der Professor mal wieder eine Spritze gegeben hatte. Natürlich hatte Telzan ihn ebenfalls mit dem Erfasser überwacht. „Findest du wirklich?“, fragte der Professor, der wohl sehr wütend auf sich selbst war. Er konnte und wollte nicht verstehen, wie es dazu kommen konnte, dass er Sytania derart auf den Leim gegangen war. Er mochte zwar diese Anfälle bekommen und sich von Zeit zu Zeit für jemanden halten, der er nicht war, aber über alles andere sah er jetzt um so klarer. Ihm war jetzt klar, dass er für die imperianische Königstochter nichts anderes als ein Spielball gewesen war. Eine Marionette, die man benutzen und bespielen konnte, wie man wollte. Aber das war jetzt vorbei! Die Fäden, mit denen sie ihn gelenkt hatte, waren zerschnitten! Das bedeutete zwar, dass er wieder krank war, aber er war lieber krank, als das Monster, zu dem sie ihn gemacht hatte. Vielleicht würde es ja auch eine andere Möglichkeit für seine Heilung geben. Jedenfalls würde er, der sonst eigentlich nicht als sehr gläubig galt, zu allen Göttern um ebendiese beten. Von Sytania abhängig sein, das wollte er um keinen Preis der Welt mehr!

Nathaniel hatte wieder das Steuer übernommen, da sich Telzan in einen Text auf Vendarisch am zweiten Monitor vertieft hatte. „Was liest du da?“, wollte der Terraner wissen. „Das sind alle Kenntnisse, die von den Vendar durch unsere gesamte Geschichte hindurch über Geisteskrankheiten zusammengetragen wurden.“, erklärte der Vendar. „Ich suche nach Erklärungen. Unter Umständen kannst du geheilt werden, wenn ich etwas finde.“ „Falls du etwas findest.“, korrigierte Radcliffe, der den Eindruck hatte, Telzan habe sich lediglich in der Wahl des englischen Ausdrucks vertan. „Du bist immerhin kein Arzt! Von einem Psychiater ganz zu schweigen!“ „Das mag ja sein!“, entgegnete Telzan zuversichtlich und machte ein selbstbewusstes Gesicht. „Aber unter den Blinden ist der Einäugige König! Wir Vendar müssen von allem einwenig beherrschen. Außerdem habe ich schon lange die Theorie, dass sich meine Gebieterin von Anfang an bei dir eingemischt hat.“

Nathaniel schluckte. Ihm war wieder die Szene in den Sinn gekommen, in der er seinen Sohn geschlagen hatte. „Oh ja.“, bestätigte er. „Das glaube ich auch. Sie hat ja ein Geständnis abgelegt, was die Erhöhung meines Leidensdrucks angeht. Das würde wahrhaftig zu ihr passen. So könnte sie mich ja noch abhängiger von sich machen, indem ich ihre angebliche Heilung noch mehr brauche. Ich denke, dass sie mich, schon bevor sie wusste, dass ich mich von Zeit zu Zeit für Benjamin Sisko halte, als verzweifeltes und schwaches Wesen wahrgenommen hat, das sich leicht ködern lässt. Der Rest war wohl ganz einfach für sie. Immerhin ist sie omnipotent.“ „Ganz deiner Ansicht, Nathaniel El Taria.“, sagte Telzan.

Er ließ den Mishar den Bildschirm löschen und holte das Flugprogramm wieder in den Vordergrund. „Ich muss dir noch eine Prüfung abnehmen, Nathaniel El Taria.“, erklärte der Vendar. „Bevor wir den Rest unseres Plans ausführen.“ „Was für eine Prüfung wird das sein, Telzan?“, fragte Radcliffe. „Ich muss sehen, ob du mit ihr einen Warpsprung hinkriegst. Das könnte unter Umständen wichtig sein, falls du vor meinen Leuten flüchten musst. Falls Sytania mir nicht glaubt, wenn ich … Ach, das erkläre ich dir am besten später. Sonst bist du gleich viel zu unruhig und kannst dich nicht konzentrieren.“ „Was ist ein Warpsprung?“, fragte Nathaniel. „Du schaltest sie auf mein Kommando von jetzt auf gleich auf Maximum Warp.“, erklärte Telzan. „Danach bremst du sie wieder sofort auf Impuls ab. Die Sensoren unserer Schiffe haben eine Schwachstelle, musst du wissen. Sie können eine Spur, die bei einem Warpsprung entsteht, nicht wirklich verfolgen, weil die auf einmal auf sie einwirkende Strahlung zu stark ist. Das System für die Sensoren stürzt erst mal ab und die Piloten müssen einen Stopp einlegen, um es neu zu starten.“ „Danke für den Tipp.“, sagte Nathaniel. „Gern geschehen.“, erwiderte Telzan. „Und nun lass uns beginnen. Sei gewarnt! Die Zentrifugalkraft wird dich ganz schön in den Sitz pressen!“ „Können wir dem nicht mit der Gravitationskontrolle entgegenwirken?“, fragte Nathaniel. „Ich meine, ich habe keine Lust darauf, mein Mittagessen gleich wieder zu sehen. Das könnte nämlich ebenfalls eine Konsequenz sein, nicht wahr?“ „In der Tat.“, grinste Telzan, der über Nathaniels Idee erst jetzt nachgedacht hatte. „Also gut. Dann programmiere das doch gleich.“

Stolz nahm Nathaniel Zugriff auf die Umweltkontrollen des Veshel. Er war sehr erfreut über den Umstand, dass sein Fluglehrer und Krankenpfleger ihm dies zutraute. Natürlich achtete Telzan von der Nebenkonsole darauf, dass ihm kein Fehler unterlief. Die notwendigen Berechnungen hatte Nathaniel dem Schiffsrechner überlassen. Dann hatte er die Zahlen einfach in die Befehlssequenz eingegeben. „Von mir aus können wir anfangen, Telzan.“, sagte Nathaniel. „Na dann!“, erwiderte der Vendar auffordernd und klatschte in die Hände.

Nathaniel nahm Zugriff auf das Menü für die Geschwindigkeit und stellte den Cursor auf den Begriff Maximum Warp. Dann bestätigte er seine Eingabe. Alsbald gab das Veshel ein Geräusch von sich und beschleunigte. Von der durch Telzan angekündigten Zentrifugalkraft war aber, Dank Nathaniels Idee, nicht viel zu spüren. Gleich darauf schaltete er wieder auf Impuls zurück. Die bei der Bremsung entstehende Trudelbewegung glich er gekonnt mit einigen ruhigen Steuerbewegungen aus. Dabei fiel Telzan auf, dass er immer in die gleiche Richtung steuerte, in die sich das Schiff bewegte, nur waren seine Bewegungen groß, ruhig und langsam, was das Veshel sofort stabilisierte.

„Unglaublich!“, rief Telzan aus, nachdem er dies gesehen hatte. „Du bist besser als die meisten meiner Novizen es je waren! Die Meisten versuchen nämlich, auf Teufel komm heraus mit ruckartigen Bewegungen gegenzusteuern.“ „Das mag sie nicht.“, sagte Nathaniel und setzte einen kundigen Blick auf. „Das kann ich mir denken. Meine Instinkte haben mir zwar auch dazu geraten, aber ich wusste, dass ich somit nur erreichen würde, dass sie noch mehr trudelt. Am Ende wären wir vielleicht sogar noch abgestürzt, oder sie hätte sich aufs Dach gedreht. Hier ist ja Gott sei Dank nichts, auf das man stürzen könnte.“ „In der Tat.“, sagte Telzan. „Deshalb habe ich dieses Gebiet ja auch gewählt für unseren Test. Aber ich finde, du bist so weit. Behalte bitte kurz die Steuerkontrolle. Ich muss etwas holen.“

Vertrauensvoll nickte Nathaniel und schaute ihm nach, der in Richtung des Waffenschranks, der sich im hinteren Teil der Achterkabine befand, ging. Dann sah er, wie Telzan mit zwei Phasern zurückkehrte. Davon gab er ihm einen. Außerdem bekam er noch einen Erfasser und ein Handsprechgerät. Dann stellte sich Telzan ihm gegenüber hin und zielte mit seiner Waffe in seine Richtung. „Was wird das?!“, fragte Nathaniel erschrocken. „Ich werde bis drei zählen und dann werden wir aufeinander feuern.“, sagte Telzan. „Die Phaser sind beide auf Verwunden gestellt. Wenn das geschehen ist, werde ich die Rettungskapsel nehmen und wegfliegen. Du, Nathaniel El Taria, wirst die Achterkabine etwas verwüsten. Es muss aussehen, als hätten wir gekämpft und du hättest mich in einem Anfall überwältigt.“ „Das wird uns niemand glauben, auch wenn man deine Verwundung sieht.“, sagte Nathaniel. „Du bist ein Vendar! Ihr seid fünf mal so stark wie wir!“ „Aber auch wir haben hinten keine Augen, Nathaniel El Taria.“, sagte Telzan. „Außerdem sollte dir bekannt sein, dass Geisteskranke mit unter bei ihren Anfällen unglaubliche Kräfte entwickeln können.“ „Ich schieße dir also in den Rücken?“, fragte Nathaniel. „In der Tat.“, sagte Telzan. „Wenn ich gezählt habe, schieße ich auf dich und drehe mich dann ganz schnell um. Dann musst du sofort feuern!“

Er ging zum Computermikrofon und gab einige Befehle auf Vendarisch ein. „Sobald ich weg bin.“, erklärte er. „Wird sie dich direkt in deine Heimat bringen. Sie wird dich erst wieder steuern lassen, wenn ihr in der terranischen Umlaufbahn angekommen seid.“ „Verstanden.“, sagte Nathaniel. „Aber muss ich wirklich auf dich schießen?“ „Es muss sein, wenn wir ein glaubwürdiges Bild abgeben wollen, Nathaniel El Taria!“, ermahnte ihn Telzan. „Du hast schon Schlimmeres getan! Da fällt das sicher nicht ins Gewicht!“ „Also gut.“, sagte Radcliffe, der genau wusste, wovon er geredet hatte.

Auch er nahm jetzt seinen Phaser auf. „Ich bin bereit.“, sagte er. „Also dann!“, sagte Telzan und zählte: „Eins, zwei, drei!“ Dann feuerte er auf Nathaniel und drehte sich um, was den Professor veranlasste, seinerseits zu feuern. „Sehr gut.“, stöhnte Telzan und griff sich an sein schmerzendes rechtes Schulterblatt. Dann ging er. Das Letzte, was Nathaniel von ihm sah, war sein blutüberströmter Rücken und wie er in die Rettungskapsel wankte. Er selbst war zunächst durch den Schock bedingt wohl immun gegen die eigenen Schmerzen gewesen, obwohl ihm Telzan einen ziemlichen Treffer in die linke Seite verpasst hatte. Aber bei Gelegenheit würde er das schon mit der medizinischen Ausrüstung behandeln.

Den Start der Rettungskapsel bekam er nur am Rande mit. Zu tief saß der Schreck darüber, dass er schon wieder jemanden verletzt hatte. Aber auch sein Schiff ging automatisch auf Warp und flog seiner Wege. Spätestens jetzt wusste Nathaniel, dass es keinen anderen Weg gab, als den Plan in Telzans Weise zu Ende auszuführen.

Ein anderer Vendar hatte zur gleichen Zeit gerade eine Unterredung mit seiner tindaranischen Vorgesetzten, die ihn in ihren Bereitschaftsraum zitiert hatte. „Habe ich etwas angestellt, Anführerin?“, wollte Joran wissen. „Nein, das hast du nicht.“, erwiderte die Tindaranerin, was ihn erleichtert aufatmen ließ. „Wir benötigen nur deine Expertise. Es ist nämlich etwas geschehen, bei dem nur du uns helfen kannst.“

Joran sah sie abwartend an. „Worum geht es denn?“, fragte er schließlich. „Du bist sonst eigentlich nicht dafür bekannt, dass du wie eine terranische Katze um den heißen Brei schleichst, Anführerin Zirell El Tindara.“ „Das stimmt.“, sagte die Tindaranerin und dachte nach. „Wie erkläre ich es dir, ohne dass du womöglich …“ „Sag es doch einfach.“, versuchte Joran, sie zu ermutigen. „Setz dich.“, sagte Zirell, die genau wusste, dass ein eventueller Streich seiner ehemaligen Gebieterin Joran ziemlich auf die Palme bringen konnte. Vor allem dann, wenn eine oder mehrere unschuldige Spezies darunter leiden würden. Sie wusste, dass Joran dann oft nicht gerade diplomatische Töne angeschlagen hatte, um der Spezies zu verdeutlichen, auf was sie hereingefallen war. In diesem Fall jedoch benötigte sie jemanden mit Fingerspitzengefühl, denn nach Darells Einlassung bezüglich des bajoranischen Militärs befürchtete sie, dass Joran auf einen Bajoraner treffen könnte, den die Nachricht, seine Götter könnten von Sytania belästigt werden, in eine tiefe Glaubenskrise stürzen könnte.

Zirell gab sich selbst einen Ruck. Dann sagte sie leise: „Es geht um deine ehemalige Gebieterin. Sie hat wohl etwas getan, oder wird es noch tun, das mit den bajoranischen Propheten zu tun hat. Der Kai von Bajor hat es in einer Vision gesehen. Die hat ihn ziemlich beunruhigt. Er ist auf 282 Alpha. Maron wird ihn noch vernehmen, wenn sein medizinischer Zustand das zulässt. Stell dir vor! Er musste sich schmuggeln, denn sonst wäre alles an die Öffentlichkeit …“ „Ich verstehe!“, fiel ihr Joran energisch ins Wort. „Schließlich sprichst du gerade mit Joran Ed Namach, deinem besten Strategen, wenn es um Sytania geht. Ich kenne sie in- und auswendig und weiß, dass sie vor nichts zurückschrecken würde. Ich werde schon herausfinden, was sie wieder im Schilde führt!“ „Pass aber auf, was du tust und vor allem, was du sagst.“, sagte die Kommandantin. „Du könntest auf einen Bajoraner treffen, der …“ „Ich verstehe dich!“, bekräftigte Joran. „Glaub mir! Ich werde keine seinen Glauben erschütternden Äußerungen von mir geben! Ich will tot umfallen, wenn ich es doch tue, das schwöre ich dir! Alle Götter mögen meine Zeugen sein!“ „Pass auf, was du schwörst, Joran.“, warnte Zirell. Dann wandte er sich zum Gehen und Zirell nickte bestätigend.

Im Maschinenraum waren Jenna und Shannon mit der Wartung des neuen Schiffes beschäftigt, als der Vendar eintraf. „Hi, Grizzly!“, grinste ihm die blonde Irin zu. „Ich grüße dich, Shannon O’Riley.“, sagte er. Dann ging er weiter und lächelte Jenna zu, die gerade aus IDUSAs Cockpit kam. „Ist sie bereit, Telshanach?“, fragte er seine Freundin zärtlich. „So bereit, wie sie nur sein kann.“, antwortete die hochintelligente Halbschottin. „Sie hat mich sogar gebeten, dir auszurichten, dass sie sich darauf freut, gemeinsam mit dir Sytania zu entlarven.“ „Ich dachte, künstliche Intelligenzen sind zur Empfindung von Emotionen nicht fähig, Telshanach.“, wunderte sich Joran. „Das ist sie auch sicher nicht.“, erklärte Jenna. „Aber ihr Avatar kann die Reaktionen simulieren.“ „Das ist wohl noch so ein Unterschied zwischen ihr und der alten IDUSA.“, stellte Joran fest. „Unsere andere IDUSA macht uns nämlich immer auf den Umstand aufmerksam, dass sie nichts fühlen kann.“ Jenna nickte bestätigend.

Der Vendar ging an ihr vorbei in Richtung der Luke, die ihn ins Cockpit führte. „Tritt Sytania von mir anständig in den Arsch, Grizzly!“, rief ihm Shannon noch hinterher. „Ich werde mir die größte Mühe geben, Shannon O’Riley!“, gab Joran zurück. „Gute Jagd, Telshan!“, wünschte Jenna. „Danke, Telshanach!“, sagte Joran und befahl IDUSA, die Luke zu schließen. Dann starteten sie in Richtung Föderationsuniversum.

Dort, in der Gerichtsmedizin von Little Federation, waren Cupernica und Oxilon immer noch mit meiner Untersuchung beschäftigt. Die Androidin hatte ihren Untergebenen angewiesen, mit dem chirurgischen Transporter Proben aus meinen Organen zu entnehmen und sie in Röhrchen zu lagern. Später, wenn es notwendig werden sollte, würde sie sich die Ergebnisse ansehen. Allerdings sollte es auch Oxilon sein, dem etwas Entscheidendes auffiel. Er hatte gerade meinen Magen gescannt, als er etwas bemerkte, das wie eine Energiesignatur aussehen konnte. Sofort drehte er sich seiner Vorgesetzten zu, die an einem anderen Arbeitstisch stand und zeigte ihr den Erfasser. „Was halten Sie davon, Cupernica?“, fragte Oxilon. Wortlos nahm ihm die Androidin das Gerät ab und betrachtete das Display. „Sie haben Recht.“, stellte sie fest. „Es könnte sich tatsächlich um eine so genannte Negativsignatur handeln. Am besten wird sein, Sie geben sofort Agent Sedrin Bescheid! Sollte Agent Peters den Ruf beantworten, bestehen Sie darauf, mit Sedrin sprechen zu wollen! Sollte sie nicht anwesend sein, verschieben Sie das Gespräch!“, ordnete Cupernica an. „Warum darf ich nicht mit Agent Peters darüber reden, Madam?“, fragte Oxilon. „Ich meine, er ist schließlich ihr Partner.“ „Weil dies ein Fund ist, Medical Assistant, den nur sie fachlich beurteilen kann.“, erklärte die Befragte. „Es hat ähnliche Situationen des Öfteren schon während unseres gemeinsamen Dienstes unter Huxley gegeben und deshalb bestehe ich darauf, dass erst mal nur unser Agent von der Sache erfährt. Peters wird das Ganze nicht entsprechend interpretieren können.“ „Also gut.“, sagte der medizinische Assistent, der ihr durchaus glaubte, wenn sie ihm so etwas sagte. Sie hatte ein Gedächtnis wie der Schiffscomputer, eine Datenbank, in der nicht so schnell etwas verloren ging wie in einem biologischen Gedächtnis. Wenn sie also durch einen Vergleich die Situation so erkannt hatte, dann musste es wohl auch so sein.

Er ging zur Sprechanlage und gab das Rufzeichen von Sedrins Büro ein. Tatsächlich meldete sich Peters am anderen Ende der Verbindung: „Hier Agent Peters!“ „Agent Peters.“, begann Oxilon. „Hier spricht Medical Assistant Oxilon. Ist Ihre Partnerin zu sprechen? Es geht um die Ergebnisse von Allrounder Betsy Scotts Untersuchung.“ „Sie ist sich gerade einen Kaffee holen.“, sagte Peters. „Aber Sie können das doch sicher auch mit mir besprechen, Oxilon.“ „Tut mir leid.“, sagte der Talaxianer, der ja von seiner Vorgesetzten ganz klare Anweisungen bezüglich seines Vorgehens bekommen hatte. „Scientist Cupernica besteht darauf, das Ganze nur mit Ihrer Partnerin zu besprechen.“ „Dann geben Sie mir bitte Ihre Vorgesetzte.“, sagte Peters. „Sedrin und ich ermitteln schließlich beide in diesem Fall und ich sehe keinen Grund dafür, warum Sie beide mir Informationen vorenthalten sollten. Aber wenn Ihre Vorgesetzte meint, dann soll sie mir den Grund selbst verraten.“

Hilflos sah Oxilon zu Cupernica hinüber, die sich plötzlich sehr stark in die Arbeit vertiefte. Diesen Wink verstand der clevere Talaxianer durchaus. „Sie ist sehr beschäftigt, Mr. Peters.“, bedauerte Oxilon.

Im gleichen Moment betrat Sedrin ihr Büro, was Oxilons Ohren über die Sprechanlage, die Peters wohl auf Freisprechen geschaltet hatte, nicht entgangen war. Die Demetanerin sah sofort am Rufzeichen im Display, was los sein musste. Sofort nahm sie ihrem Partner das Mikrofon ab: „Gib her!“ Dann räusperte sie sich und fragte: „Was gibt es, Mr. Oxilon?“ „Agent, Scientist Cupernica und ich haben Ergebnisse für Sie, die nur Sie sehen sollten.“, erwiderte der aufgeregte Talaxianer. „Ich bin auf dem Weg.“, sagte Sedrin und hängte das Mikrofon ein. Sie wusste genau, wenn Oxilon so etwas sagte, duldete die Situation keinen Aufschub.

Die demetanische Agentin wandte sich in Richtung Tür. „Ich muss gehen, Karl!“, sagte sie mit leicht alarmierter Stimme. Sie ahnte wohl schon, was auf sie zukommen könnte. „Halte du hier so lange die Stellung.“ „Wie du willst.“, sagte der deutschstämmige Terraner und setzte sich an den Schreibtisch, während sie aus dem Zimmer ging.

Zur gleichen Zeit hatten sich Jasmin und Ginalla im Hinterzimmer der Kneipe getroffen, um gemeinsam über das weitere Vorgehen zu beraten. Shimars Rat folgend hatte sich die Auszubildende tatsächlich an ihre Chefin gewandt und mit ihr besprochen, was sie gesehen hatte. „Das muss sofort dem Geheimdienst gemeldet werden!“, entschied Ginalla. „Hier stimmt echt was nich’. Das sagt mir meine dicke Nase!“

Sie ging zum Terminal für das Sprechgerät und betätigte die Notruftaste. „Bist du sicher, Ginalla, dass wir das wirklich über den Notruf abwickeln sollten?“, fragte die Jugendliche vorsichtig. „Wieso nich’.“, flapste ihr Ginalla entgegen. „Die ganze Sache stinkt so was von zum Himmel, dass der Geheimdienst froh sein sollte, so ’ne schöne Info auf dem Silbertablett serviert zu kriegen. Über den Notruf wird man zumindest bevorzugt behandelt.“ „Ich wusste gar nicht, dass du so abgebrüht sein kannst, Ginalla.“, sagte Jasmin mit einer Mischung aus Bewunderung und Angst in der Stimme.

Kelly beantwortete den Ruf: „Hier ist die Notrufzentrale von Polizei, Rettung und Geheimdienst in Little Federation. Sie sprechen mit Kelly Davis.“ „Hi auch.“, flapste Ginalla. „Mein werter Name is’ Ginalla und ich hab’ ’n paar heiße Infos für die Agenten! Wär’s möglich, einen ans Rohr zu kriegen?“ „Dann verbinde ich Sie am besten mal mit Agent Sedrins und Agent Peters’ Büro.“, lächelte Kelly zurück. „Einen kurzen Augenblick Geduld bitte.“ „OK.“, meinte Ginalla und wartete ab. Zu Jasmin murmelte sie nur: „Die muss früher mal Toilettenfrau gewesen sein. Die is’ ja so scheißfreundlich!“ Das Mädchen, das bis dahin ein angespanntes Gesicht gemacht hatte, musste lachen. „Na siehst du.“, sagte Ginalla. „Genau das wollte ich erreichen.“

Peters nahm Kellys Ruf im Büro entgegen. „Was gibt es denn, Kelly?“, fragte er. „Ich habe eine Zeugin Namens Ginalla für Sie, Agent.“, sagte die Vermittlerin. „Sie sagt, es sei wohl sehr dringend. Ich muss Sie vorwarnen. Sie hat eine sehr burschikose Ausdrucksweise.“ „Danke, Kelly.“, sagte Peters. „Stellen Sie durch!“ „Ja, Agent.“, erwiderte Davis und ging aus der Leitung.

Nun war ihr Gesicht dem von Ginalla auf dem Schirm gewichen. Aufgrund seiner angeborenen deutschen Gründlichkeit hatte Peters sofort, als er dieses sah, den Rechner die Datenbank für Vorstrafen nach ihrem Namen absuchen lassen. Das Gerät war aufgrund von Ginallas Vergangenheit tatsächlich fündig geworden und hatte einiges ausgespuckt. Aber das waren nur kleine Betrügereien, Mundraub und kleine Diebstähle gewesen. Trotzdem stand Peters’ Meinung jetzt schon felsenfest, was den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage anging, noch bevor sie diese überhaupt ansatzweise getätigt hatte.

Der Agent versuchte zunächst, sich nichts anmerken zu lassen, als er sagte: „Was können Sie uns denn sagen, Mrs. Ginalla? Und um welchen Fall geht es überhaupt?“ „Es geht um die Leiche, die Sie gerade frisch reingekriegt haben, Agent Peters!“, sagte Ginalla flapsig. „Ich weiß, dass jemand den guten Allrounder ermordet hat! Ja, das weiß ich so sicher wie das Amen in der Kirche. Erst mal geht wohl keiner mitten in der Nacht baden und zum zweiten entwickelt ’n See nich’ von jetzt auf gleich ’ne Unterströmung, die es sonst noch nie gegeben hat! Der See gehört nämlich mir, genau wie die Kneipe, zu der er gehört und ich weiß genau, mein See macht so was nich’! Außerdem wacht ja wohl jeder spätestens dann auf, wenn er ertrinkt. Aber Betsy is’ nich’ aufgewacht. Das heißt für mich, sie stand unter fremdem geistigen Einfluss. Ich kann mir auch schon denken, wer das war! Sytania war’s! Wollen wir wetten?!“ „Ich wette grundsätzlich nicht mit Zeugen!“, entgegnete Peters. „Aber das, was Sie mir hier gerade geschildert haben, muss auf jeden Fall bewiesen werden, Mrs. Ginalla. So einfach eine so mächtige Person wie Sytania zu beschuldigen, halte ich unter diesen Umständen für verfrüht. Aber ich weiß, dass Sie auch kein unbeschriebenes Blatt sind, meine Liebe. Ich habe hier nämlich Ihre Vorstrafen und es sieht nicht gut für Sie aus. Ich traue Ihnen durchaus zu, dass Sie uns in einen Krieg mit dem Dunklen Imperium manövrieren wollen, um irgendeine betrügerische Absicht zu verwirklichen. Ich glaube Ihnen kein Wort, Ginalla! Kein Einziges! Schließlich haben Sie sich eine ganze Weile lang durch ihr Leben gelogen, betrogen und gestohlen, dass es nur so krachte!“ „Das war vor meiner Begegnung mit einem gewissen Tindaraner.“, verteidigte sich Ginalla. „Seitdem bin ich geläutert! Meine Aktionen damals waren ein Protest und ein Hilferuf, weil ich das mit der Föderation als Kind komplett in den falschen Hals gekriegt habe. Aber er hat mir geholfen und seitdem bin ich eine ehrliche Bürgerin wie Sie auch! Ich habe sogar eine Leumundszeugin. Sie ist mit ihrer Familie hier. Ihr Name is’ N’Cara Tamin. Sie hat alles mitgekriegt, was die Sache mit Shimar angeht!“ „Sie sollten sich schämen, sich mit einem unbescholtenen Mann wie mir zu vergleichen!“, wurde Peters ausfallend. „Die Aussage von so einer wie Ihnen ist keinen Pfifferling wert! Sie steht sogar noch unter der einer risanischen Straßendirne!“

Diese Beleidigung war zu viel für Ginalla. Sie beendete wortlos die Verbindung und warf das Mikrofon in die Ecke. „Das kann doch nichts dafür, Ginalla.“, sagte Jasmin tröstend. „Nein!“, sagte Ginalla mürrisch und zog es am Kabel wieder heran, um es ordnungsgemäß in der Halterung zu verstauen, nachdem sie seine Funktionalität überprüft hatte. „Das hält was aus!“, stellte sie fest. „Das ist echte celsianische Wertarbeit!“

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Jasmin. „Jetzt gehe ich mit der Aussage zu den Genesianern!“, sagte Ginalla wütend. „Wenn uns schon die Föderation nicht helfen will, dann vielleicht ihre Feinde!“ „Willst du mit deiner Provokation einen Krieg auslösen?!“, fragte die erschrockene Jugendliche. „Wenn’s sein muss!“, antwortete Ginalla. „Die müssen endlich aufwachen! Ich übergebe dir den Betrieb hier!“ „Aber ich bin doch noch ein Lehrling.“, sagte die überraschte Jasmin. „Was ist, wenn ich etwas nicht weiß?“ „Dann fragst du deine Kollegen!“, ordnete Ginalla an. „Die werden dir schon nich’ den Kopf abreißen. Wir sind ja alles zivilisierte Leute. Und jetzt entschuldige mich! Ich muss mein Schiff kontakten!“ „Dein was?“, fragte Jasmin verwirrt, die von Ginallas Vergangenheit nur sehr wenig wusste. Aber dazu, ihr zu antworten, kam die Celsianerin nicht mehr, denn im gleichen Moment wurde sie von einem Transporter erfasst und fand sich gleich darauf in Kamurus’ Cockpit wieder. Das Schiff musste alles beobachtet haben. Sofort setzte die junge Celsianerin den vor ihr liegenden Neurokoppler auf und wartete ab, bis Kamurus ihre Tabelle geladen hatte. „Mann, hab’ ich ein Schwein, dass du schon da bist, Kamurus!“, begrüßte sie den Avatar ihres Schiffes. „Auf jetzt! Ab nach Genesia Prime!“ „Nicht so schnell.“, bremste Kamurus sie. „Ich habe dich eigentlich abholen wollen, weil ich dich auch noch um einen Gefallen bitten möchte. Bei mir zu Hause gibt es jemanden, die mit einem zerstörten Antrieb im Dock liegt. Es ist Lycira, Allrounder Betsys Schiff. Man hat ihr ganz schön zugesetzt. Meine Leute konnten ihr das Leben retten, aber sie ist total bewegungsunfähig. Reparieren können wir sie nicht. Dazu benötigen wir deine Hilfe. Bitte, Ginalla. Ich denke, sie weiß etwas, das Sytania oder irgendwem nicht gepasst hat. Deshalb wollte man sie zerstören. Bitte, Ginalla!“ „Also gut.“, sagte die junge Celsianerin, in deren Kerbe seine Argumentation durchaus schlug. „Dann hilft jetzt erst mal eine Zeugin der anderen. Also dann! Auf in deine Dimension! Wir müssen ohnehin noch Pläne machen und das geht am besten unterwegs. Ich hab’ dir nämlich noch einiges zu erzählen.“ „OK, Ginalla.“, sagte der Avatar erleichtert und das Schiff verließ die Umlaufbahn des Planeten Celsius.

Telzan hatte seine Wunde notdürftig behandelt und die im Vergleich mit dem Schiff, das er Radcliffe überlassen hatte, langsame Rettungskapsel durch die Wirbel geflogen. Er war ein geübter Pilot und somit war ihm das nicht weiter schwer gefallen, obwohl die Kapsel bei Weitem nicht so manövrierfähig wie das Veshel war. Aber um seine Geschichte einigermaßen aufrecht zu erhalten, musste jedes Detail stimmen und sie hätten die Schiffe auf keinen Fall tauschen dürfen. Radcliffe war Anfänger und so war es besser, ihm das bessere und leichter zu bedienende Schiff zu überlassen. Außerdem musste es ja so aussehen, als sei Radcliffe als Sieger aus dem Kampf zwischen den Männern hervorgegangen und der Sieger bekam bekanntlich immer das Bessere. Es war ja schon ein Problem, dass er Sytania nicht vorlügen konnte, Radcliffe sei tot, denn das würde die omnipotente Königstochter ja ganz schnell überprüfen können und dann würde sie wissen, dass er versucht hatte, sie hereinzulegen. Telzan musste also ein Lügengebäude aufbauen, das ihrer Prüfung in jedem Fall standhalten würde.

Jetzt jedenfalls steuerte er die heimatlichen Gefilde an und landete die Kapsel auf dem Raumflughafen seiner Garnison. Hier erwartete ihn bereits Cirnach, die seinen Einflug auch am Monitor überwacht hatte. Obwohl er ihr durchaus die Wahrheit hätte erzählen können, hielt er es für besser, ihr auch eine Lügengeschichte aufzutischen, denn im Falle einer telepathischen Überprüfung durch Sytania war das in jedem Fall wohl besser. Was sie nicht wusste, konnte Cirnach auch nicht unbewusst verraten.

Er stieg aus der Kapsel und hielt sich seine noch immer stark schmerzende Schulter. „Was ist dir geschehen, mein armer Ehemann.“, fragte die Vendar und sah ihn mitleidig an. „Was mir geschehen ist?“, fragte Telzan und stützte sich an der Hülle der Kapsel kurz ab. „Ob du es glaubst, oder auch nicht, Telshanach.“, log er. „Nathaniel El Taria hat mich überwältigt, während er einen Anfall hatte. Er hat sich eine Waffe genommen und auf mich geschossen und zwar von hinten.“ „Was ist dann passiert?“, fragte Cirnach, die inzwischen einen Blick durch die noch immer halboffene Luke der Kapsel werfen konnte. „Wie ich sehe, ist er nicht mehr bei dir.“ „Nein.“, sagte Telzan. „Er hat mich so getroffen, dass ich meinen Schussarm nicht mehr bewegen konnte. Bevor ich mich also wehren konnte, hat er das Veshel genommen und ist damit weggeflogen. Mir blieb nur die Rettungskapsel, in die er mich gezwungen hat zu steigen. Die Götter mögen wissen, wo er jetzt ist. Ich konnte ihm nicht folgen, weil er seine Warpsignatur maskiert hat. Ich habe keine Ahnung, woher er das notwendige Wissen hatte. Sytania hat ihm doch alle Fähigkeiten wieder genommen, die …“ „Du weißt, dass er die Reinkarnation von Benjamin Sisko El Taria ist.“, vermutete seine Frau. „Wer weiß, wie viel von dessen Wissen tatsächlich noch in ihm steckt. Wenn er kurz vorher einen Anfall hatte, ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass er dieses Wissen allein dadurch erlangt hat.“ „Du könntest Recht haben, Cirnach, meine kluge schöne Cirnach.“, sagte Telzan. Dann gab er einen Laut von sich und verzerrte sein Gesicht schmerzlich. „Komm mit mir, Telzan.“, sagte Cirnach mitleidig. „Ich werde dich erst einmal behandeln.“ Telzan nickte und folgte ihr.

Kapitel 41: Der Lösung so nah und doch so fern

von Visitor

 

Mit einem medizinischen Problem ganz anderer Natur musste sich jetzt auch Sedrin beschäftigen, die inzwischen die gerichtsmedizinische Abteilung betreten hatte. Hier suchte sie gleich wieder nach Cupernica, der sie an einem Seziertisch ansichtig wurde. „Was haben wir hier, Scientist?!“, fragte die Agentin energisch. „Nun.“, begann die Androidin. „Dies sind die medizinischen Werte von Allrounder Betsy Scott. Ich bin sicher, dass ihr Tod keine natürliche Ursache hatte.“ „So weit war ich auch schon, Cupernica.“, sagte die Demetanerin. „Da erzählen Sie mir mit Sicherheit nichts Neues. Aber was haben Oxilon und Sie denn nun festgestellt, das so brisant ist, dass Sie es nur mir mitteilen können?“

Cupernica winkte ihrem Assistenten und der Talaxianer holte sofort seinen Erfasser, auf dessen Bildschirm immer noch das Bild von der Negativsignatur zu sehen war. „Ich habe so etwas schon einmal gesehen.“, gab Sedrin zu. „Ich kann mich aber im Moment nicht wirklich erinnern, bei welcher Gelegenheit …“ „Es gab während unserer gemeinsamen Dienstzeit auf Huxleys Schiff diverse Gelegenheiten, bei denen Sie so etwas gesehen haben könnten, Agent.“, erklärte die Androidin. „Speziell dann, wenn Sytania versucht hat, ihre Spuren zu verwischen. Eine Negativsignatur entsteht nämlich immer dann, wenn durch die Einwirkung von Energie Materie entnommen wird. Eine Negativsignatur ist nämlich nichts anderes, als ein energetischer Sog.“ „Das kann ich mir denken, Scientist.“, sagte Sedrin. „Können Sie die Signatur zuordnen?“ „Bedauerlicherweise nicht.“, sagte Cupernica und setzte einen traurigen Blick auf. „Dazu ist sie leider bereits viel zu sehr zerfallen. Ich weiß, dass wir schon weitaus schlechtere Signaturen gesehen haben und sie immer Sytania zugeordnet haben, was sich in der damaligen Situation auch in 100 % der Fälle als richtig erwiesen hat. Aber damals waren wir gezwungen, selbst zu entscheiden und schnell zu entscheiden. Heute, wo zumindest theoretisch die Möglichkeit besteht, ein Gericht anzurufen, dürfen wir nicht einfach nur aufgrund eines Indizes jemanden vorschnell aburteilen. Natürlich weiß ich, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es sich hierbei tatsächlich um eine Signatur von Sytania handelt. Aber das ist nun einmal nur eine Wahrscheinlichkeit. Auch für Sytania gilt die Unschuldsvermutung, wenn es hart auf hart käme. Und, ich muss ehrlich zu Ihnen sein, es sähe für uns nicht sehr gut aus. Allein auf diesem Rest einer Signatur könnten wir keinen Prozess oder keine Verhaftung aufbauen. Wenn der Erfasser oder ich 100 % sicher wären, dass es sich bei dieser Signatur um eine von Sytania handelt, dann stünde hier im Display jetzt ihr Name und es wäre kein fragmentarisches Wellenmuster zu sehen.“ „Verdammt!“, fluchte Sedrin leise. „Dies ist genau der Grund, aus dem ich nur Sie herbestellt habe, Agent.“, sagte Cupernica. „Bei Ihnen bin ich mir sicher, dass Sie unser Dilemma verstehen.“ „Das tue ich.“, sagte Sedrin. „Wir sind also im Prinzip erst mal nicht schlauer als am Anfang. Wenn sich keine Zeugen finden, dann …“ „Exakt.“, sagte die künstliche Lebensform. „Wenn sich keine Zeugen finden, werden wir wohl nur schwerlich eine Handhabe gegen Sytania bekommen. Leider kann ich auch nicht feststellen, was Sytania entfernt haben könnte, weil die Signatur dazu auch nicht ausreichend ist.“

Sie winkte ihrem Assistenten erneut und ordnete an: „ Mr. Oxilon, bitte holen Sie die Probe aus dem Magen des Allrounders!“ „Was kommt jetzt, Scientist?“, fragte Sedrin und wurde blass. „Ich habe gerade gefrühstückt.“ „Keine Sorge.“, tröstete Cupernica. „Sie werden schon keine unangenehmen Details zu sehen bekommen. Ich möchte Ihnen nur etwas anhand eines Scans demonstrieren.“

Oxilon war mit dem Röhrchen zurückgekehrt und legte es vor seiner Vorgesetzten auf dem Tisch ab. Dann gab er ihr seinen Erfasser. Natürlich benötigte Cupernica das Gerät an sich nicht, aber wenn sie jemandem anders etwas zeigen wollte, war es doch schon von Nöten.

Sie hielt das Gerät über das Röhrchen und veranlasste einen Scan nach Energiesignaturen. Dann hielt sie es der Agentin hin. „Sie sehen, Agent Sedrin.“, begann sie einen Vortrag. „Auch diese Signatur ist zerfallen. Ich nehme an, dass die Umgebung, in der man den Allrounder gefunden hat, ihren Teil dazu beigetragen hat. Laut Aussage der Crew von Rescue One wurde sie ja in einem celsianischen See gefunden, auf dessen Grund es Steine gibt, die Energie absorbieren. Wenn das Gleiche mit der Energie geschehen ist, die, was immer sie auch für ein Gift im Magen hatte, es entfernt hat, dann können wir leider heute nichts mehr nachweisen. Wie gesagt, unsere Erfahrung und Ihr Bauchgefühl, Agent, mögen uns zu 100 % sagen, dass dies hier auf Sytanias Konto geht, aber das ist nun einmal kein juristisch gültiger Beweis.“ „Da stimme ich Ihnen durchaus zu.“, antwortete die Demetanerin mit enttäuschtem Blick. „Das Einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann.“, fuhr Cupernica fort. „Ist, Dass sie mit Sicherheit Schlaf gewandelt ist. Ihre Serotoninwerte weisen eindeutig darauf hin und sie hat sehr viel Wasser in den Lungen. Das bedeutet, sie muss es mehr oder minder mit Absicht eingeatmet haben.“ „Moment mal.“, sagte die Agentin. „Allrounder Betsy Scott ist kein Fisch! Warum sollte sie mit Absicht Wasser einatmen?!“ „Ich sagte mehr oder minder, Agent.“, sagte die Androidin. „Sie haben Recht, Agent. Normalerweise kann ihr Atmungssystem Wasser nicht verarbeiten. Das wäre eigentlich auch der Grund, aus dem ihr Gehirn Alarm schlagen müsste und sie wecken würde. Aber das ist offensichtlich nicht geschehen, was mich darauf bringt, dass jemand oder etwas diese Instinkte mit einem hypnotischen Befehl überbrückt haben könnte. Da der Allrounder aber keine Selbstmordkandidatin ist, wäre sie sicher im Normalfall aufgewacht, außer, man hilft mit einer Droge nach. Diese Droge ist aber nicht mehr nachweisbar. Die Energiesignatur, die sich auch in der Probe aus ihrem Magen fortsetzt, weist aber darauf hin, dass sie entfernt wurde.“ „Hypnotische Befehle, Energiesignaturen!“, sagte Sedrin leicht verärgert. „Das alles weist doch auf Sytania hin, wenn sie mich fragen!“ „Für uns beide schon.“, sagte Cupernica. „Aber der Chief-Agent und auch alle Juristen würden uns die Indizienkette in der Luft zerreißen, solange sie nicht durch die Aussage von Zeugen untermauert wird. Gerade in diesen Zeiten und gerade unter diesen Umständen. Sie wissen, wie konfliktscheu die Regierung und auch der Chief-Agent geworden sind.“ „Oh ja.“, sagte Sedrin. „Das weiß ich nur zur Genüge. Das haben wir alles dem Wäscher vom Mars zu verdanken, wie ihn die Presse nach seinem Angriff auf die Kolonie betitelt hat. Allerdings haben wir lange nichts mehr von ihm gehört. Ich bin mal neugierig, was da passiert ist!“ „Ich bin sicher.“, sagte Cupernica. „Dass er sein Ziel erreicht hat. Es sind genug Schlüsselfiguren aus Politik, Wissenschaft und Sternenflotte seine Opfer geworden.“ „Sie könnten Recht haben, Cupernica.“, sagte Sedrin. „Und, wenn er tatsächlich für Sytania arbeitet, dann wird das sicher mit einem neuen Eroberungsfeldzug zusammenhängen, den sie plant.“ „Wenn das der Fall ist.“, sagte die Androidin. „Dann sollten Sie zu allen Göttern beten, die Sie kennen.“ „Das werde ich.“, sagte Sedrin. „Darauf können Sie sich verlassen. Aber jetzt werde ich erst einmal wieder in mein Büro gehen. Ich muss schließlich Ihre Funde und Ihre Aussage protokollieren. Was für ein Jammer, dass wir noch nicht einmal die Droge nachweisen können, die Sytania benutzt hat, um …“ „Wahrscheinlicher ist es, dass sie einen Komplizen hatte, der dem ahnungslosen Allrounder die Droge verabreicht hat.“, sagte Cupernica. „Und ich denke, wir wissen auch schon, wer das gewesen sein könnte.“ „Sie denken an den Wäscher?!“, vergewisserte sich die Agentin, die durchaus die gleiche Theorie wie Cupernica verfolgte. „Bestätigt.“, nickte die künstliche Intelligenz. „Der Wäscher scheint in hohem Maße von Sytania abhängig zu sein. Deshalb halte ich auch für möglich, dass er für sie einen Mord begeht, oder, wie in diesem Fall, einen vorbereitet. Er könnte ihr also tatsächlich die Droge verabreicht haben.“ „Aber welche Droge kann das sein, Scientist?“, fragte Sedrin. „Was hatte sie denn genau im Magen?“ „Nun.“, sagte die über ihr Verhalten etwas überraschte Androidin. Sie war erstaunt über den Umstand, dass Sedrin jetzt offensichtlich so genau über eine Sache Bescheid wissen wollte, über die sie noch gerade erst eine Erklärung stringent verneint hatte. „Es sieht aus, als hätte der Allrounder vor ihrem Tod noch einen kleinen Mitternachtsimbiss zu sich genommen.“, sagte Cupernica. „In ihrem Magen befanden sich demetanischer Sommerfruchttee und einige Schokoladenkekse.“

„Schokoladenkekse und Sommerfruchttee.“, überlegte die Agentin. „Süß, Marzipan, imperianischer Schlafwurz! Er würde zumindest geschmacklich dazu passen und sie würde ihn nicht herausschmecken. Sie hat keine Einstichstellen, nicht wahr?“ „Korrekt.“, antwortete die Androidin. „Dann muss sie die Droge also oral eingenommen haben!“, sagte Sedrin erfreut.

Cupernica hob den rechten Zeigefinger. „Bitte passen Sie auf, Agent.“, mahnte sie. „Ich möchte nicht, dass Sie sich zu sehr in etwas verrennen.“ „Das ist schon passiert, Scientist.“, sagte die Demetanerin. „All meine ermittlerischen Instinkte schreien Sytanias Namen, aber wir können ihr nichts beweisen! Das ist so …“ „Ich glaube, das Wort, nach dem Sie suchen, ist unbefriedigend, nicht wahr?“, sagte Cupernica. „Aber wer weiß. Vielleicht hat Ihr Partner ja inzwischen ein paar Zeugen aufgetrieben.“ „Das will ich hoffen.“, sagte Sedrin. „Ich gehe am besten gleich zu ihm.“ „Tun Sie das.“, empfahl die Medizinerin. „Aber was tun wir jetzt mit der Leiche?“ „Wir werden sie zur Beerdigung freigeben.“, entschied Sedrin. „Es ist ja nichts mehr aus ihr herauszuholen.“ „In Ordnung.“, sagte Cupernica. „Vielen Dank, Cupernica!“, entgegnete Sedrin und verließ die gerichtsmedizinische Abteilung im Keller des Gebäudes.

Ich musste bis tief in die Nacht hinein geschrieben haben. Jedenfalls war mir nicht bewusst, wie schnell die Zeit vergangen war. Aber es gab auch noch einen weiteren Grund, aus dem ich das Fortschreiten der Zeit nicht wahrnahm. Ich war bereits bei dem Kapitel meines Lebens angekommen, in dem jene unsägliche Geschichte mit Radcliffe begonnen hatte. Dieser Umstand hatte mich sehr zornig auf mich selbst werden lassen. Warum hatte ich sein Spiel nicht durchschaut? Aber es war ja auch nicht sein, sondern eigentlich auch Sytanias Spiel gewesen. Warum hatte ich ihn nicht aufgeklärt? Warum war mir nicht aufgefallen, dass die Propheten nie so etwas tun würden? Seit meiner Zeit als Kadettin, in der wir auch die Geschichte Bajors auf der Akademie durchgenommen hatten, wusste ich doch, dass die Propheten niemals so direkt wären, und jemanden so eindeutig zu dieser oder jener Handlung auffordern würden! Aber Sytania würde, wenn sie etwas Bestimmtes dadurch erreichen wollte, sicher genau so vorgehen und sich vielleicht sogar noch als die Propheten ausgeben. Genau das war dem armen Radcliffe ja auch passiert, aber er war doch nur ein verdammter Zivilist! Ich hingegen war eine ausgebildete Sternenflottenoffizierin und hätte ihn eigentlich auch aufmerksam machen müssen! Wo in aller Welt hatte ich zu dem Zeitpunkt nur meinen Verstand?! Hatte mich seine Verzweiflung etwa so überwältigt, dass nicht nur meine Augen, sondern auch mein Verstand blind geworden waren?!

Die Sprechanlage machte meinem Sinnieren ein Ende. Ich konnte mir zwar nicht denken, wer zu dieser Zeit noch etwas von mir wollen könnte, beantwortete den Ruf aber trotzdem. Allerdings war ich nicht wirklich in der Stimmung, mich jetzt lang und breit mit jemandem über Belangloses zu unterhalten. „Ja, was ist?!“, fragte ich mürrisch. „Oh, da hat aber jemand gar keine gute Laune.“, kam es ruhig und besonnen von einer bekannten Stimme zurück. „Tut mir leid, Lomādo.“, entschuldigte ich mich. „Es war nur heute alles etwas viel.“ „Das glaube ich Ihnen gern.“, sagte er. „Ich habe Sie telepathisch beobachtet und dabei festgestellt, dass es Ihnen wohl nicht gut ging.“

Ich fühlte mich ertappt aber im gleichen Moment auch sehr sicher bei ihm. Es war mir, als hätte er mich aus einem langen freien Fall heraus aufgefangen und sicher zur Erde gebracht, nachdem sich mein Faltschirm nicht geöffnet hatte. Sofort hatte ich das unbewusste Gefühl, dass es mir sehr gut tun würde, mit ihm zu reden. „Kommen Sie rein, Lomādo.“, sagte ich und ließ den Rechner die Tür entriegeln.

Er betrat meine Wohnung und kam gleich ins Wohnzimmer. Hier sah er mich vor einem Berg von Aktenordnern sitzen, die mein bisher aufgeschriebenes Leben längst gefüllt hatte. Aber das, auf das sein zweiter Blick fiel, schien ihn noch mehr zu interessieren und auch in gleichem Maße zu faszinieren. „Bei allen Göttern!“, rief er aus. „Was ist das für eine Höllenmaschine?! So etwas habe ich zuletzt in meiner Schulzeit im Geschichtsunterricht gesehen!“ „Ach.“, lächelte ich, die ich langsam meine gute Laune zurückerlangte. „Die tut nichts. Die will nur spielen. Damit kann ich mein Leben aufschreiben und nur ich, oder jemand anderes, der nicht sehen kann und diese Schrift beherrscht, kann es lesen. So hoffe ich, dem Großen Vergessen entgegenwirken zu können.“

Etwas hektisch hatte sich Lomādo einen Stuhl herangezogen und sich neben mich gesetzt. Durch sein Auftreten bemerkte ich, dass er sehr aufgeregt wurde, was für einen Aldaner sehr ungewöhnlich war, aber er war ja, seiner eigenen Auskunft nach, ein sehr ungewöhnlicher Aldaner. „Bitte arbeiten Sie weiter und lassen Sie mich noch eine Weile zusehen.“, bat er. „Na gut.“, nickte ich, spannte ein neues Blatt ein und begann erneut zu tippen. Er hingegen befasste sich mit dem Aktenordner, der auf meinem Tisch rechts neben der Maschine lag und in den ich gerade im Begriff war, einiges einzuheften. Diesen nahm er sich vor und versuchte, mit den Augen einen Sinn in all den verschiedenen Kombinationen von Punkten zu finden. Er legte allerdings schnell den Ordner wieder hin. „Ich muss aufgeben. Bin wohl ziemlich aus der Übung.“, erklärte er resignierend. „Dass Sie offensichtlich hierin einen Sinn sehen, finde ich wirklich erstaunlich!“ „Jahre lange Übung.“, lächelte ich. „Man hat mir diese Schrift schon während meiner Kindheit beigebracht.“ „Und ich kenne ja noch nicht einmal die Bedeutung eines Zeichens.“, gab Lomādo zu. „Das kann ich mir denken.“, sagte ich. „Soll ich Ihnen vorlesen?“ „Wenn Sie wollen?“, sagte er. „Also gut.“, sagte ich, räumte die Maschine beiseite und holte den ersten Ordner hervor. Dann räusperte ich mich gut hörbar und begann damit, ihm vorzulesen, wie Mikel und ich uns kennen gelernt hatten, wie ich auf Dill traf und wie Mikel diesen schlussendlich überzeugte, mich ebenfalls zu einer Pendlerin zwischen den Jahrhunderten wie ihn selbst zu machen.

Ich wollte gerade mit dem zweiten Kapitel anfangen, als mir Lomādo auf die rechte Schulter tippte. „Könnte ich Ihnen auch mein Leben diktieren und Sie lesen es mir immer wieder vor, wenn ich etwas vergessen sollte?“, fragte er. „Sicher könnten Sie das.“, sagte ich. „Aber ich müsste Sie bitten, mir diverse aldanische Eigenheiten zu buchstabieren.“ „Was immer Sie wollen.“, sagte Lomādo und seine Stimme klang dabei, als hätte ich ihm gerade das Evangelium verkündet. „Das sollte eine meiner leichtesten Übungen sein. Aber mir ist aufgefallen, dass ich richtig zuhören musste, um zu verstehen, was Sie gelesen haben. Ich kann mir denken, dass Sie in Ihrer Muttersprache geschrieben haben. Mein Leben müssten Sie aber in Englisch niederschreiben, damit ich das, was Sie mir später vorlesen, leichter verstehen kann. Ich verlange ja keine Abschrift in Aldanisch, nur …“ „Was immer Sie wollen.“, zitierte ich ihn lächelnd. „Schließlich schulde ich Ihnen was wegen meines Großvaters. Der hätte sich ja ohne Sie hoffnungslos verzettelt, Lomādo.“ „Das stimmt wohl.“, gab er zu. „Aber ich möchte nicht, dass Sie mir nur helfen, weil Sie glauben, Sie müssten eine Schuld tilgen.“ „Das ist es nicht.“, sagte ich. „Ich will den Quellenwesen auch klar machen, dass ich mich von ihnen hier nicht gefangen halten lasse. Auch das Paradies kann ein Gefängnis sein, wenn man weiß, dass man hier nicht hingehört, Lomādo.“ „Sie meinen, weil Sie nun einmal getan haben, was Sie getan haben.“, sagte er fast zärtlich. „Ja, ja. Ich weiß, was Ihnen auf der Seele brennt und ich weiß auch, dass Sie noch etwas zu erledigen haben, was diese Sache angeht. Deshalb werden wir uns morgen mit unserer Widerstandszelle an einem Platz treffen, den ich Ihnen jetzt besser noch nicht verraten werde. Vertrauen Sie mir?“ Ich nickte nur. „Gut.“, sagte Lomādo. „Muss ich etwas mitbringen?“, fragte ich. „Nur Ihre Aufmerksamkeit.“, erwiderte er. „OK.“, sagte ich zögerlich. Mir war nämlich gerade etwas klar geworden. Offensichtlich hatte sich eine Gruppe gebildet, die mir bei meiner Flucht aus dem Paradies, wenn sie denn möglich wäre, helfen würde. Diese Leute hatten aber sicher eine Menge Ärger von den Quellenwesen zu erwarten, wenn das herauskäme. Ich wusste nicht, was für eine Strafe sie ihnen aufbrummen würden. Nur verantwortlich sein für ihr eventuelles Leid, das wollte ich nicht! Auf gar keinen Fall! Wenn ich das wäre, dann würde sich das ja auch nicht mit der Obersten Direktive vertragen, denn ich hätte ja zur negativen Entwicklung des Lebens einiger Lebensformen beigetragen, auch wenn diese eigentlich schon lange laut Definition nicht mehr am Leben waren, zumindest dann, wenn man Leben auf die Existenz in einem Körper aus Fleisch und Blut beschränkte. Aber es gab ja sogar im Universum Lebensformen aus reiner Energie, die spätestens jetzt Einspruch erheben sollten. Ich war total verwirrt!

„Ich darf das nicht zulassen, Lomādo.“, sagte ich, war aber selbst nicht wirklich überzeugt von dem, was ich da gerade von mir gegeben hatte. Meine Stimme hatte diesen Satz nämlich sehr leise und leicht stotternd herausgebracht. Auch ein Nicht-Telepath hätte also meine Unentschlossenheit spüren können. Für Lomādo musste dies also einer Fingerübung gleichen. „Warum zweifeln Sie?“, fragte er. „Ich dachte, Sie wollen Ihre Pflicht erfüllen und dafür sorgen, dass Sytania nicht siegreich ist!“ „Das stimmt.“, sagte ich. „Aber ich will nicht … Ich darf nicht … Niemand darf wegen mir Ärger bekommen und bestraft werden. Das darf ich nicht verlangen!“

Plötzlich erschrak ich, denn statt mit meinen Ohren nahm ich seine Stimme jetzt nur noch in meinem Geist wahr. Sie wiederholen unentwegt die Oberste Direktive in Gedanken., stellte er fest. Dann möchte ich Ihnen jetzt einmal eine einfache Frage stellen! Wo sind wir?

Ich bemerkte, dass ich mich ihm nicht entziehen konnte. Die Reaktion darauf war ein starkes Zittern. Wieder hörte ich seine bohrende telepathische Stimme: Wo sind wir?! Dann noch nachdrücklicher: Wo sind wir?! Hören Sie auf zu denken! Antworten Sie mir! Wo sind wir?! Wo sind wir?! Wo sind wir?! „Wir sind im Reich der Toten!“, antwortete meine Stimme gegen meinen Willen. Gilt die Oberste Direktive laut Definition auch für hier?!, fragte seine telepathische Stimme weiter im Verhörton. „Nein.“, sagte ich. „Laut Definition gilt sie nur für Lebensformen, also für Lebende.“ Trifft Sie dann irgendeine Schuld?, fragte er weiter. Auch das musste ich verneinen. Wenn er es so sah, dann hatte ich ja wirklich nicht gegen das Gesetz verstoßen.

Er hatte von meinem Geist abgelassen. Im gleichen Moment hatte ich begonnen Tränen zu vergießen und fühlte mich, als hätte ich gerade etwas sehr Anstrengendes und Schmerzhaftes hinter mir. „Ruhig.“, tröstete er. „Ganz ruhig. Es ist vorbei. Ich weiß, wie schwer das für Sie war. Sie leben gern nach Regeln, weil Sie sich gern orientieren. Aber manchmal darf man solche Pfade auch verlassen, ohne dass man gleich in einen Abgrund fällt. Ich werde da sein und Sie halten. Und die Widerstandszelle existiert zwar Ihretwegen, aber sie existiert auch, weil hier schon lange einige das Gefühl haben, dass hier was nicht stimmt und selbst die mächtigen Quellenwesen mit der Situation hoffnungslos überfordert sind. Sie müssen also keine Angst haben, für unsere Bestrafung verantwortlich zu sein!“ „Danke, Lomādo.“, sagte ich und brachte tatsächlich ein gequältes Lächeln zustande.

„Ich werde heute Nacht bei Ihnen auf der Couch schlafen.“, sagte er. „Jemand sollte auf Sie achten.“ „OK.“, sagte ich geschwächt. „Gut.“, erwiderte er und nahm mich bei der Hand, um mich vom Stuhl zu ziehen. „Dann sollten wir jetzt aber beide endlich schlafen gehen. Morgen wird wieder ein anstrengender Tag.“ Ich nickte und folgte ihm, der mich in Richtung meines Schlafraums zog. Ich war nicht sicher, ob er sich mit seiner Berufswahl nicht geirrt hatte. Statt eines Ingenieurs hätte er auch Anwalt werden können.

Shimar und Scotty waren in unserem Zimmer auf Celsius mit dem Packen beschäftigt. Der junge Tindaraner hatte traurig die letzten Sachen in seinen Koffer gesteckt und dann begonnen, das Bett abzuziehen. „Sie hätte sich das sicher nicht träumen lassen.“, sagte Scotty. „Was meinst du genau?“, fragte Shimar und grub sich unter einer der Bettdecken hervor. „Sie hätte sich sicher nicht träumen lassen, im Urlaub dahin gemordet zu werden. Wenn sie bei einer Mission gestorben wäre, dann wäre ihr das sicher recht gewesen, aber so …“ „Man kann sich leider seine Art zu sterben in den wenigsten Fällen aussuchen, Scotty.“, antwortete Shimar. „Wirst du eigentlich mit zu ihrer Beerdigung kommen können?“, wollte der Techniker wissen. „Das hängt von Zirell ab.“, sagte der Patrouillenflieger. „Du hast ja auch das mitbekommen, was in den tindaranischen Nachrichten gesagt wurde, nachdem ich es dir übersetzt habe.“ „Aye.“, machte Scotty in seiner gewohnt flapsigen Art. „Deine Leute gehen wohl davon aus, dass ihr bald alle wieder einrücken müsst, um die Föderation zu beschützen.“ „Genau das!“, bestätigte Shimar fest. „Die Zusammenkunft und auch alle anderen Verbündeten der Föderation haben eine Art Betreuungsallianz gebildet und sind jederzeit bereit, ihre Truppen gegen Sytania in den Kampf zu schicken.“ „Wieso gerade Sytania?“, fragte Scotty. „Seid ihr denn so sicher, dass …“ „Wem sonst sollte so was einfallen und wem sonst wäre das möglich, verdammt noch mal?!“, empörte sich Shimar. „Mach die Augen auf, Scotty! Da hat es vor 800 Jahren etwas gegeben, mit dem sich die Föderation erpressbar gemacht hat und das hat Prinzessin Fies eiskalt ausgenutzt! Der Wäscher sollte dafür doch wohl Beweis genug sein! Ich bin sicher, der Mord an Betsy geht auch auf sein Konto! Aber ich bin auch sicher, dass er nicht aus freien Stücken gehandelt hat!“ „Du meinst, Ihre Gemeinheit, Prinzessin Sytania, hat da auch was gedreht?“, fragte Scotty. „Was denn sonst!“, meinte Shimar, der in diesem Moment auch eine Menge Zorn gegen sich selbst verspürte.

Erst jetzt war ihm aufgefallen, wie er sich die gesamte Zeit über gegenüber Scotty benommen hatte. Gegenüber ihm, der ja eigentlich sein Leidensgenosse war. „Sorry, Kumpel.“, sagte er und setzte sich neben Scotty auf die jetzt lakenlose Matratze. „Ich bin nur so ungnädig mit mir selbst. Warum musste mich erst IDUSA mit der Nase auf Betsys Tod stoßen? Warum habe ich das nicht selbst gespürt? Die Schutzverbindung muss doch intakt gewesen sein, als sie noch lebte!“ „Auch einen Soldaten der tindaranischen Streitkräfte kann man ablenken, Shimar.“, vermutete der ältere Terraner. „Und du darfst nicht vergessen, dass du in dem Moment deine eigene Rettungsmission hattest. Wenn du IDUSA nicht befohlen hättest, das Protokoll auszusetzen, würden wir heute alle nicht mehr leben, weil sie auf Stufe drei gegangen wäre und die Werft mit allem, was sich darin befindet, zu Klump geschossen hätte. Ich meine, wer hätte es ihr verübeln können. Wenn all ihre Wege zur Kommunikation mit dir oder Zirell gestört werden, dann muss sie ja denken, wir arbeiten alle für den Feind.“ „Danke für dein Verständnis, Scotty.“, sagte Shimar erleichtert. „Aber deine Kollegen hätten doch einfach nur tun müssen, was ich gesagt habe und nicht auf eigene Faust …“ „Das haben ja auch fast alle.“, brach Scotty für seine Arbeitskollegen eine Lanze. „Alle außer einem, der ohnehin bloß ’n Handlanger is’, weil es für mehr im Kopf halt nich’ reicht. Dem hättest du das vielleicht noch extra zehn mal erklären müssen, damit er es beim elften Mal kapiert!“

Der tindaranische Soldat wandte seinen Kopf leicht von Scotty ab und warf der Wand jenen verächtlichen Blick zu, den er am liebsten Scotty sehen lassen hätte. Aber da die beiden Männer durch die Beziehung zu mir ebenfalls eine tiefe Freundschaft verband, wollte er es dann doch nicht dazu kommen lassen. „Was hat die Wand damit zu tun?!“, fragte Scotty. „Gar nichts.“, sagte Shimar. „Sie war nur der visuelle Punchingball. Aber wie kannst du so über jemanden reden, der ja auch nichts dafür kann, dass er dumm ist?!“ „Ja, ja.“, schnaubte Scotty. „Dumm geboren, nichts dazugelernt und die Hälfte wieder vergessen!“

Shimar hatte schwer mit seiner aufsteigenden Wut zu kämpfen. Von einem ausgebildeten Offizier der Sternenflotte, für den normalerweise ja Toleranz eine unumstößliche Regel darstellte, hatte er eigentlich etwas anderes erwartet. „Hast du dir schon einmal überlegt, dass er nichts dafür kann?!“, schrie Shimar Scotty so laut an, dass es sicher im ganzen Flur zu hören gewesen wäre, wenn die Wände nicht schalldicht wären. „Hast du schon mal drüber nachgedacht, dass Sytania nachgeholfen haben könnte?! Solche wie dein Kollege werden verdammt leicht ihre Opfer, weil sie sich gegen ihren geistigen Einfluss noch schlechter wehren können, als etwas intelligentere Personen. Sytania bevorzugt solche Leute, weil ihre Schwächen offensichtlich sind. Sie hat es dann leicht und das mag sie! Sie ist zwar omnipotent, aber sie ist auch sehr bequem! In diesem Fall brauchte sie nur ein schwaches schnelles williges Opfer!“

Seine Standpauke musste bei Scotty einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Jedenfalls wurde der Schotte plötzlich sehr blass und nachdenklich und kippte fast aus dem Sitzen ins Liegen. „Oh Mann!“, sagte er. „Du hast verdammt Recht. So habe ich das noch nie betrachtet. Dann habe ich ihm unter Umständen ja gerade ganz schön Unrecht getan. Aber es ist ja nur, weil die Meisten meiner Kollegen auch keine sehr hohe Meinung von ihm haben. Davon habe ich mich wohl anstecken lassen, obwohl ich es eigentlich ja hätte besser wissen müssen. Es tut mir leid.“ „Sag ihm das, wenn ihr euch das nächste Mal seht.“, sagte Shimar. „Mich hast du ja nicht beleidigt. Aber ich bin überzeugt, das ist wieder so ein Ding, das Sytania eiskalt ausgenutzt hat. Der dumme Kollege würde die Prügel kassieren, wenn …“ „Dazu darf ich es nicht kommen lassen, Shimar!“, sagte Scotty betroffen. „Aber ich kann meiner Chefin doch nicht sagen … Ich meine, sie ist Zivilistin! Sie darf doch nicht erfahren, dass …“ „Sicherlich keine Details.“, sagte Shimar. „Aber jedes Kind weiß, dass Sytania omnipotent ist. Sag ihr doch einfach, sie hätte auf ihn Einfluss genommen. Das muss reichen.“ „In Ordnung.“, sagte Scotty. „Ich sollte sofort mit ihr reden.“

Er begab sich zum Sprechgerät und gab das Rufzeichen der Werft ein, aber die Verbindung wurde nicht hergestellt. „Ich schätze, dass Ginalla unsere Berechtigung schon gelöscht hat.“, sagte er. „Wir hatten ihr ja gesagt, dass wir heute abreisen wollen.“ „Schätze ich auch.“, sagte Shimar. „Wir wollten ja nur noch packen und dann los.“

Die Männer verschlossen ihre Koffer und machten sich auf den Weg zum nächsten Turbolift, mit dem sie in den unteren Teil der Kneipe fuhren. Hier wollten sie mit Ginalla noch die restlichen Formalitäten regeln. Um so überraschter waren sie, hinter dem Tresen auf Jasmin zu treffen. „Was machst du denn hier?!“, wunderte sich Shimar. „Ginalla hat mir die Leitung hier übertragen.“, antwortete die in den Augen des Tindaraners mit dieser Aufgabe völlig überforderte Jugendliche. „Was?!“, empörte sich jetzt auch Scotty. „Wo is’ sie?! Der werde ich was erzählen!“

Jasmin begann zu weinen. Die Augen der Männer scannten den Raum und Scotty entdeckte tatsächlich eine kleine Pforte, die sie genau hinter den Tresen führte. Diese benutzten sie und standen bald rechts und links neben der schluchzenden Jasmin. Es war ihr egal, dass Gäste hier eigentlich keinen Zutritt hatten. Ihre Anwesenheit tat ihr sogar sehr gut. „Sie will zu den Genesianern!“, sagte das Mädchen verzweifelt. „Soweit ich sie verstanden habe, will sie deren Hilfe gegen die Föderation. Sie hat so was gesagt, bevor sie weggegangen ist. Sie meinte, wenn es sein müsste, würde sie sogar einen Krieg auslösen, damit die von der Föderationsregierung aufwachen! Das Ganze hat mit einer Aussage zu tun, die ihr Agent Peters auf der Erde nicht glauben wollte! Ihr seid doch beide ausgebildete Soldaten und versteht doch sicher was davon. Meint ihr, dass es Krieg gibt?“

Scotty und Shimar wechselten Blicke. Sie wussten, dass sie diesem halben Kind auf keinen Fall die ganze Wahrheit sagen durften, aber sie mussten auch für ihre Sicherheit garantieren. Schließlich nahmen sie Jasmin in den Arm und Scotty flüsterte: „Hör mal zu, kleine Maus. Du schließt jetzt hier ab, oder übergibst das hier einem der Erwachsenen und dann machst du, dass du zurück zu deinen Eltern kommst. Falls es Krieg gibt, bist du da immer noch am sichersten.“ „Aber Ginalla hat gesagt …“, widersprach Jasmin. „Hör mal.“, mischte sich jetzt auch Shimar ein. „Wer hat hier wohl die richtige Ausbildung und weiß Bescheid, wenn es um Krieg geht? Ginalla oder wir?“ Jasmin zeigte auf Shimar und Scotty. „Na also.“, sagte Shimar. „Dann tust du jetzt genau das, was wir dir sagen. OK?“ Sie nickte und winkte einen ihrer Kollegen herbei. „Um Ginalla werden wir uns kümmern.“, versicherte Scotty. „Danke.“, sagte Jasmin, die über ihre Hilfe doch sehr erleichtert war. „Ach übrigens, das hier ist heute aus deiner Heimat gekommen, Shimar. Ich konnte die Datei zwar herunterladen, aber sie reagiert nur auf deinen biologischen Fingerabdruck.“, sagte Jasmin. „Schon OK.“, sagte Shimar, nahm das Pad entgegen und las sich die SITCH-Mail durch. Dann sagte er nur kurz zu Scotty: „Wir müssen los! Bring mich bitte zur Werft und check IDUSA ein letztes Mal durch!“ „OK!“, sagte Scotty schmissig und die Beiden verschwanden ohne ein weiteres Wort aus der Kneipe. Beide wussten, dass sie hier nicht über Details sprechen durften, aber spätestens an Bord von IDUSA würden sie das tun.

Sedrin war in ihr und Agent Peters’ Büro zurückgekehrt und hatte missmutig ihre Weste, die Teil ihrer Sommeruniform war, über ihren Stuhl geworfen, bevor sie sich gesetzt hatte. Seufzend widmete sie sich jetzt einer Akte. „Was ist geschehen?“, fragte ihr Partner über den Rand seines Schreibtisches hinweg, der wohl eine solche Haltung nicht von ihr, die sonst eigentlich nicht dafür bekannt war, leicht aufzugeben, gewohnt war. „Es ist zum Mäusemelken, Karl!“, stöhnte Sedrin. „Ui!“, scherzte der deutschstämmige Terraner. „Wie viel Milch soll’s denn sein? Vielleicht so um die zwei Liter? Da wirst du aber eine Menge melken müssen, um diese ansehnliche Menge an Milch zusammen bekommen zu können. Das könnte wohl etwas dauern, aber Demetanerinnen sollen ja sehr geduldig sein. Ich hörte, ihr kommt fast an Vulkanierinnen heran.“ „Lass bitte die Witzchen.“, bat Sedrin und hielt sich den Kopf. Das Nachdenken über die Situation hatte ihr wohl ziemliche Kopfschmerzen bereitet.

Peters ließ die Arbeit ruhen und drehte sich zu ihr. „Was ist denn los?“, fragte er. „So kenne ich dich gar nicht. Ich weiß nur, dass Cupernica dich rufen lassen hat und dann?“ „Dann hat sie mir eine Menge Indizien präsentiert.“, sagte Sedrin mit frustriertem Unterton. „Wir beide, also Cupernica und ich, wir wissen genau, dass Sytania an Allrounder Betsy Scotts Tod schuld ist. Aber die Beweise, die wir haben, dürften sich eigentlich gar nicht so nennen, wenn wir ehrlich sind. Auf einige zerfallene Reste von Energiesignaturen und die Instinkte der leitenden Ermittlerin kann man keinen Prozess gründen und schon gar keine Verhaftung. Sogar Sytania gilt vor dem Gesetz als unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist. Es wäre gut, wenn es Zeugen für das Ganze gäbe, aber die gibt es wohl nicht. Anscheinend hat sie den Allrounder in aller Stille, heimlich, allein und leise umgebracht. Die Crew von Rescue One hat es ja erst gesehen, als Betsy bereits tot im Wasser lag und Korelem sie herauszog, oder es zumindest versuchte.“ „Das stimmt.“, sagte Peters und wurde blass. Jetzt würde bald der Zeitpunkt kommen, das spürte er, zu dem er ihr Rede und Antwort stehen musste, was die Sache mit Ginalla anging.

Auch Sedrin wendete jetzt den Kopf vom Bildschirm ab. Aus dem Augenwinkel heraus hatte sie gesehen, dass er blass angelaufen war. Während ihrer langen Zusammenarbeit hatte sie gelernt, solche unbewussten Zeichen von ihm durchaus zu deuten. „Musst du mir etwas sagen, Karl?!“, fragte sie mit leicht verschärftem Ton in der Stimme. „Ich schätze, dass ich das wohl muss, Sedrin.“, gab der Terraner zu und schluckte einige Male kräftig. Dann fuhr er fort: „Es gibt wohl eine Zeugin, aber ich weiß nicht, wie hoch der Wahrheitsgehalt ihrer Aussage zu werten ist, weil sie selbst beim Thema Kriminalität kein unbeschriebenes Blatt ist. Sie hat sich mit Lügen und Betrügereien ihr Leben aufgebaut. Es besteht also die Wahrscheinlichkeit, dass sie uns in einen Krieg mit Sytania manövrieren will, um irgendeinen Plan durchzuführen. Ihr Name ist Ginalla und sie behauptet, alles genau gesehen zu haben. Außerdem sagt sie, sie sei keine Kriminelle mehr und hat versucht, mir eine rührselige Geschichte aufzutischen, dass sie angeblich geläutert worden wäre und ihre Verbrechen nur begangen hätte, weil sie in ihrer Kindheit etwas falsch verstanden hätte. Aber das mit der schweren Kindheit haben Verbrecher meiner Meinung nach viel zu oft vorgeschoben! Deshalb habe ich ihr auch kein Wort geglaubt. Ich habe ihr gesagt, dass ihre Aussage keinen Pfifferling wert ist und sogar noch unter der einer risanischen Straßendirne rangiert.“

Sedrin schlug die Hände vor das Gesicht, warf ihren Stuhl zurück, stand auf und sah ihn mit wütenden Augen an. „Was hast du getan?!!!“, schrie sie ihn an. „Gibt es denn das?! Vergrault und beleidigt unsere einzige Zeugin! Ich darf dich doch wohl daran erinnern, dass wir laut Gesetz verpflichtet sind, jede Zeugenaussage unabhängig von der Person, die sie macht, zu überprüfen! Und einen Zeugen beleidigen, das dürfen wir schon mal gar nicht, egal was oder wie viel er oder sie früher auf dem Kerbholz gehabt hat! Manchmal bist du so dermaßen unfähig, Karl Peters! So einen schlimmen Fehler würde noch nicht mal ein Kadett im ersten Jahr machen! Das darf doch wohl nicht wahr sein! Mutter Schicksal, warum strafst du mich mit diesem Taugenichts?! Was für eine schreckliche Sünde habe ich begangen, um das zu verdienen?!“ „Du bist sicher auch nicht unfehlbar.“, werte sich Peters kleinlaut, der genau wusste, dass sie eigentlich Recht hatte, denn auch eine ehemalige Kriminelle, besonders dann, wenn sie wieder auf den rechten Pfad zurückgefunden hatte, konnte die Wahrheit sagen. „Ich habe auch nie behauptet, es zu sein!“, sagte Sedrin. „Aber lass mich die Akte mal sehen, über die du gestolpert bist.“

Peters nickte und forderte den Rechner auf, ihr die Akte auf den Bildschirm zu stellen. Jetzt sah auch Sedrin Ginallas Vorstrafen, musste sich aber im gleichen Moment vor Lachen auf die Schenkel klopfen. „Mundraub, kleine Diebstähle, Betrügereien mit Taschenspielertricks?!“, fragte Sedrin mit ironischem Unterton. „Oh, ja. Das sind wirklich die schwersten Verbrechen, die es gibt. Deshalb wurde sie ja auch nur auf Bewährung verurteilt und die Strafe nach ihrem Aufenthalt in Sytanias Gefängnis von den tindaranischen Richtern als abgegolten betrachtet. Oh, ja. Diese Ginalla ist eine wahre Gangsterbraut. Ja, eine richtige Mafiosa!“ Sie musste so lachen, dass sie gleich wieder nach hinten auf ihren Stuhl fiel. „Kannst du mir mal verraten, was du daran so lustig findest?“, fragte Peters. „Das tue ich gern.“, sagte Sedrin und wurde wieder sehr ernst. „Wenn du mir sagst, was mit dir los ist. Was ist der wahre Grund, aus dem du ihr nicht geglaubt hast. Ich hoffe ja nicht, dass du für Sytania arbeitest. Aber vielleicht bist du ja ein Opfer des Wäschers geworden und scheust dich deshalb …“

Sie sah, wie sich Peters’ Mund zusammenzog. Dann entflog seiner Kehle ein lautes Schluchzen. „Oh, Sedrin!“, schrie er, bei dem sie offensichtlich einen wunden Punkt erwischt hatte. „Es wird mir zu heiß! Es wird mir einfach zu heiß! Immer dann, wenn wir es mit Sytania zu tun bekommen, habe ich eine Heidenangst um meine Familie. Deshalb habe ich mir gewünscht, dass sie in diesem Fall unschuldig ist und wollte nichts von Ginallas Aussage hören! Ich habe jedes Mal Angst, Sytania wird meine Frau und meine Kinder holen, wenn ich einen Teil dazu beigetragen habe, sie zu entlarven! Ich kann das nicht mehr! Ich glaube, ich tauge wohl eher für den Innendienst!“

Die Demetanerin warf ihm einen weichen tröstenden Blick zu und holte eine große Packung mit Taschentüchern aus ihrer Schreibtischschublade. Dann half sie ihm, seine Tränen zu trocknen. „Deshalb hast du also unsere einzige Zeugin vergrault.“, sagte Sedrin. „Sie hätte dir Dinge erzählt, die Sytania entlarvt hätten und das wolltest du nicht hören. Ich sage dir was. Diesen Fall stehen wir noch zusammen durch und dann werde ich dir helfen, bei Tamara einen Antrag auf Versetzung in den Innendienst zu stellen. Im Moment können wir von ihr keinerlei Entscheidung erwarten. Sie ist nicht sie selbst, wie du weißt.“ „Danke, Sedrin.“, sagte Peters und schnäuzte sich. „Diese Ginalla hat übrigens noch was gesagt.“, meinte er dann. „Sie sagte, sie hätte eine Leumundszeugin Namens N’Cara Tamin. Sie sei bei ihr und könnte alles bestätigen, was die Sache mit ihrer Läuterung angeht. Wenn das bestätigt ist, könnte also auch der Rest ihrer Aussage in einem völlig anderen Licht erscheinen.“ „Darum kümmere ich mich.“, sagte Sedrin. „Vielleicht kann ich ja noch kitten, was du zerbrochen hast. Vielleicht sagt Ginalla ja trotzdem gegenüber mir aus. Kümmere du dich am besten schon mal um die Berichte. Dann kannst du für dein Dasein zwischen den sieben Aktenbergen schon mal üben, Schneewittchen. Ich habe immer schon geahnt, dass etwas mit dir nicht stimmt. Aber dass dich die hautnahe Arbeit an Fällen mit feindlichem außerirdischen Einfluss so überfordert, hatte ich nicht gewusst. Vielleicht geht es dir wirklich besser, wenn du weißt, dass dein Fall nur eine Akte ist und somit ein Fall für die Ablage. Manche sind eben nicht für das Ermitteln draußen geschaffen. Das ist nichts, für das du dich schämen musst. Nur reden hättest du müssen. Für mich sah es ja so aus, als würdest du unseren Fall mit Absicht sabotieren.“ „Arme Sedrin.“, sagte Peters und warf ihr einen mitleidigen Blick zu. „Du hast einfach kein Glück mit deinen Partnern. Der Erste ein Verräter und der Zweite eine Niete.“

Sie rückte näher an ihn heran, nahm ihn an den Schultern und sagte: „Schau mich mal an, Karl. Du magst ein Problem damit haben, dass du nur für einen Bürojob taugst, aber jetzt sage ich dir mal was. Was glaubst du, wo wir tapferen außendienstlichen Ermittler ohne dich und deinesgleichen wären. Das gäbe doch nur Chaos.“ „Meinst du das wirklich?“, fragte Karl ungläubig. „Ja, das meine ich.“, sagte Sedrin. „Und jetzt entschuldige mich bitte. Ich muss heim und für eine kleine Dienstreise nach Celsius packen. Aus der Akte geht ja hervor, wo ich Ginalla und auch die Leumundszeugin finden kann. Nur wird der letzte Liner wohl nicht auf mich warten, wenn ich zu spät komme.“ „Schon gut.“, nickte Peters und widmete sich den Akten.

Sedrin ging in den Waschraum, zog sich ihre zivile Kleidung an und verließ das Gebäude in Richtung Parkplatz, auf dem ihr Fahrzeug stand. Dann fuhr sie heim.

Kapitel 42: Dunkle Wolken ziehen auf

von Visitor

 

Mittels ihrer seherischen Fähigkeiten hatte Sytania jenes Geschehen auch beobachtet. Irgendetwas hatte ihr gesagt, dass es dort wohl etwas zu sehen gab, das sie sehr erfreuen würde und deshalb hatte sie ihren Fokus auf das geheimdienstliche Büro auf Terra gerichtet. Wie meistens war auch jetzt Cirnach bei ihr gewesen, die ihre Hand hielt und somit alles mitbekommen hatte.

Gerade hatte Sytania wieder von dem Ereignis abgelassen und die Bilder waren vor den geistigen Augen der Frauen wieder verschwunden. „Das war sehr knapp, Herrin.“, stellte Cirnach fest. „Was meinst du damit, es sei knapp gewesen?“, wollte die Königstochter wissen. „Meiner Ansicht nach war da gar nichts knapp. Die liebe Sedrin war noch nie so hilflos, wie sie jetzt ist. Sie konnte mir in diesem Fall nichts beweisen, kann mir nichts beweisen und wird mir auch nie etwas beweisen können. Sie hat schon Recht damit, dass ihr jeder Anwalt, den ich mir nehmen würde, gegebenenfalls die Föderation würde mich anklagen, ihre Indizienkette in der Luft zerreißen würde und Pannen-Peters hat auch noch seinen Teil zum Misserfolg ihrer Ermittlungen beigetragen. Damit wird sie erst einmal eine Weile zu tun haben. Bis sie auf Celsius war und vor allem, bis sie Ginalla gefunden hat, die sich ja nicht mehr dort befindet, wird noch eine Menge Zeit vergehen. Diese aber werde ich sehr gescheit nutzen. Dirshan ist, wie gesagt, kurz vor Bajor und wird mir dort meinen Bräutigam abholen. Wenn ich mich mit ihm erst einmal vermählt habe und unser Geschöpf da ist, wird ihr all ihre Ermittlung sowieso nichts mehr nützen. Dann werde ich nämlich stärker sein als mein Vater und alle, die mir sonst noch gefährlich werden könnten. Was macht eigentlich der kleine Malcom?“ „Oh, er fühlt sich bei Telzan und mir recht wohl, Herrin.“, antwortete Cirnach. „Um so besser.“, erwiderte Sytania. „Und vertraut er euch auch?“ „Uneingeschränkt!“, grinste Cirnach gemein. „Ich denke also, dass Eurem Plan nichts im Wege stehen wird.“ „Sehr gut.“, lobte die Prinzessin.

Plötzlich warf sie den Kopf herum. „Es sieht aus, als sei Dirshan gerade angekommen.“, sagte sie. „Soll ich Euch allein lassen, Gebieterin?“, fragte Cirnach. „Ich meine, wenn es um Euren zukünftigen Bräutigam geht, dann wollt Ihr doch sicher etwas Intimsphäre.“ „Du bist meine Vertrauteste unter den Vendar!“, antwortete Sytania fast entsetzt. „Du darfst natürlich bleiben, aber nur dann, wenn du willst. Falls es aber dein Wunsch sein sollte, mich allein zu lassen, so darfst du auch gehen. Aber ich hatte gehofft, du hilfst mir bei der Auswahl. Ich kann mich nämlich einfach nicht zwischen drei Kandidaten entscheiden.“ „Zu viel der Ehre, Hoheit.“, sagte Cirnach verschämt. „Aber ich danke Euch für dieses Amt. Also gut. Ich werde bleiben und Euch bei der Auswahl helfen, wenn Ihr meint, dass ich mit meinen bescheidenen Fähigkeiten wirklich einen Beitrag dazu leisten kann.“ „Du bist eine Vendar.“, sagte Sytania. „Natürlich kannst du einen Beitrag leisten. Ihr seid Telepathenjäger. Deshalb könnt ihr auch spüren, wie potent ein Telepath ist.“ „Aber das könnt Ihr doch sicher viel besser.“, sagte Cirnach. „Oh, ich denke, da nehmen wir zwei uns nichts.“, antwortete Sytania. „Im Gegenteil. Ich glaube, dass ich viel besser dran bin, wenn ich jemanden meine Entscheidung mit prüfen lasse. Jemand mit einem neutralen Blickwinkel, der das Ganze von außen betrachtet, fällt vielleicht noch ein besseres Urteil. Ich bin vielleicht von dem Wunsch zu heiraten zu sehr besessen und mache mir Sorgen darüber, dass ich es vielleicht übers Knie brechen wollen könnte. Aber du, Cirnach, du bist schon verheiratet und hast daher dieses Problem nicht, nicht wahr? Aber für mich ist es das erste Mal, dass ich mir einen Ehemann aussuche. Ich möchte nichts dem Zufall überlassen und schon gar nichts falsch machen. Also sage mir, Cirnach, wie hast du dir deinen Mann ausgesucht?“ „Oh, ich habe wissentlich wenig dazu beigetragen, Gebieterin.“, sagte Cirnach. „Ich bin einfach meinem Herzen gefolgt. Es war Liebe, Herrin.“ „Nun, mit solch alberner Gefühlsduselei werde ich mich nicht abgeben.“, wischte Sytania ihre Erwiderung weg. „Ich weiß.“, sagte Cirnach. „Aber Ihr fragtet mich danach. Ich weiß jedoch, dass Eure Interessen ganz anders liegen. Am besten wird sein, Ihr bindet mich tatsächlich in alles ein, was in den Feuerhöhlen geschehen wird. Ich werde Euch also tatsächlich bei Eurer Entscheidung helfen!“ „Genau darauf habe ich gehofft, Cirnach.“, sagte Sytania. „Gib mir deine Hand.“ „Wie Ihr wünscht, Milady.“, sagte Cirnach und führte aus, was ihr gerade befohlen worden war.

Entgegen Shimars und Scottys Rat hatte Jasmin zwar die Kneipe verlassen, war aber danach nicht nach Hause gegangen, sondern hatte sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die nächste öffentliche Disco aufgemacht. Sie wollte unbedingt noch einmal feiern, falls es doch zu einem Krieg kommen sollte. Sie wollte das Leben vorher zumindest noch einmal richtig genossen haben.

Ihr gegenüber in einem der Busse war sie auf eine blasse Lithianerin aufmerksam geworden. Dieses Mädchen hatte sie schon einmal gesehen. Es musste sich um einen ihrer Gäste handeln.

Jasmin nahm sich ein Herz und sprach sie mit dem vermuteten Namen an: „Hallo, N’Cara.“ Erschrocken drehte sich die Angesprochene um. „Hi.“, gab sie erstaunt zurück. „Kennen wir uns?“ „Wir haben uns in der Kneipe gesehen, in der ihr auch eure Zimmer habt.“, erklärte Jasmin. „Ich bin Ginallas Lehrling.“ „Ach du bist das.“, stellte N’Cara flapsig fest, die sich mit Jasmin im gleichen Alter befand. „Aber besser kann es ja gar nicht laufen. Du müsstest hier ja eigentlich die besten Plätze zum Partymachen kennen, wenn du hier schon wohnst und hier arbeitest. Kann ich mich dir anschließen?“ „Klar.“, sagte Jasmin erleichtert, die in ihr endlich jemanden sah, dem auch sie sich, außer ihrer Chefin und den beiden Offizieren, anvertrauen konnte. Jemand, der gleichaltrig war und sie sicher noch viel besser verstehen könnte. „Was geht denn bei dir ab?!“, fragte N’Cara. „Eigentlich müsste ich die sein, der ein Stein vom Herzen fällt. Ich meine, du führst mich herum und zeigst mir die coolen Plätze und bringst mich mit den coolsten Leuten zusammen. Was Besseres kann mir ja wohl nicht passieren, als ’ne Einheimische kennen zu lernen. Na ja. Außer das Kennen lernen von Shimar. Das übertrifft es noch bei Weitem!“ „Den kennst du auch?!“, fragte Jasmin. „Jops!“, nickte N’Cara. „Da bin ich ja froh!“, sagte Jasmin erleichtert. „Dann kann ich dir ja alles erzählen. Es ist nämlich was ganz Merkwürdiges passiert.“ „Schieß los, Jas’.“, lud N’Cara sie ein. „OK, Cary.“, lachte Jasmin und begann mit dem Bericht über Korelem, meinen Tod und die merkwürdige Tatsache, dass sie sich nicht wegbewegen konnte und all diese Dinge.

„Voll schräg, Jas’.“, grinste N’Cara, nachdem Jasmin geendet hatte. „Jetzt wird mir klar, warum du so drauf bist. Aber ich sage dir was. Morgen nach der Party gehen wir zwei zu einem Geheimdienstler und sagen aus. Die werden uns dafür sicher die Füße küssen!“ „OK.“, sagte die etwas schüchterne Jasmin, die sich aber mit der forschen N’Cara an ihrer Seite schon bedeutend wohler mit dem Gedanken an einen zweiten Aussageversuch fühlte.

Der Bus hielt und sie stiegen gemeinsam aus. „Jetzt zeige ich dir die geilste Disco am Platz!“, lächelte Jasmin ihrer neuen Freundin zu. „Na dann los!“, sagte N’Cara. „Warum bist du eigentlich hier unterwegs.“, wollte Jasmin noch wissen. „Müsstest du nicht eigentlich auf deinen kleinen Bruder aufpassen?“ „Meine Oldies haben mir frei gegeben.“, sagte N’Cara. „Weil ich mich vorher so gut um ihn gekümmert habe.“ „Na dann ist ja gut.“, antwortete Jasmin. „Dann können wir ja ohne ein schlechtes Gewissen heute Nacht noch mal feiern, bevor morgen vielleicht die Welt untergeht.“ „Damit wird die schön warten, bis wir unseren Ballon platzen lassen haben!“, meinte N’Cara. „Ich finde schon jemanden, der uns glaubt! Sind ja nicht alle solche Feiglinge wie dieser Peters! Und jetzt komm! Die Tanzfläche hat Sehnsucht nach uns zwei heißen Mädels!“ Jasmin nickte und folgte der wacker voranstürmenden N’Cara in die Disco.

Nayale und Elaria waren von den Vendar-Wächterinnen wieder aus ihrer Zelle in die Nähe des Flusses geführt worden, in dem sie die Kristalle, die von den Schürfern, meist männliche Gefangene, abgebaut wurden, waschen und dann nach gut und schlecht sortieren sollten. Beim ersten Mal, bei dem sie den Energiekristall für Sytania holen sollten, war die junge Zeonide nicht mitgekommen, denn die Vendar fanden, dass sie nicht gebraucht wurde und aufgrund der Tatsache, dass sie noch Anfängerin war, ohnehin nicht viel hätte beitragen können. Jetzt aber stand sie verängstigt neben der Genesianerin und harrte der Dinge, die da wohl kommen würden. Sie konnte vom Flussufer aus gut sehen, was sich auf der anderen Seite zutrug, vermochte es aber nicht wirklich einzuordnen. Sie sah Loren, die von Pferden gezogen und von missmutig dreinschauenden Männern mit Kristallen beladen wurden. Dann brachte man sie über eine Furt zu den Frauen und kippte ihren Inhalt einfach ab, um dann wieder zurückzukehren. Auch direkt neben Nayale und Elaria war jetzt ein solcher Haufen abgekippt worden. „Was machen wir jetzt damit?“, fragte die junge Zeonide ihre genesianische Mitgefangene. „Waschen, also, sie von Unrat befreien, und dann sortieren.“, antwortete Elaria knapp. „Wir müssen die herausfiltern, die Energie enthalten. Der Rest ist Abraum.“ „Aber wieso denn?“, fragte die intelligente junge Frau. „Für Sytania.“, erklärte die Genesianerin. „Sie braucht die Kristalle aus irgendwelchen Gründen. Vielleicht will sie Energie daraus ziehen.“ „Aber sie ist doch schon omnipotent.“, stellte Nayale fest. „Das mag ja sein, mein zartes Pflänzchen.“, sagte Elaria, die sich durch ihre Fragen sehr bedrängt fühlte. Falls sie zu viele Fragen stellen würde und die Vendar-Wächterinnen würden darauf aufmerksam, dann konnten sie Nayale durchaus töten, denn kein Sterblicher durfte zu viel über die Geheimnisse der Mächtigen erfahren. Wenn dieser Fall eintrat, würde sie auch nichts mehr zu Nayales Schutz tun können.

„Bitte, mein zartes Pflänzchen.“, drängte Elaria. „Bitte stell keine Fragen mehr! Falls die Vendar das hören, könnte es dir an den Kragen gehen und dann kann auch ich dich nicht mehr beschützen. Die Hand gegen eine Wächterin zu erheben, wäre nämlich glatter Selbstmord und das würde Unehre für mich bedeuten. Du hast mir in der Zelle einige Fragen gestellt, die mich vermuten lassen, dass du einiges über mein Volk weißt.“ „Das stimmt.“, sagte Nayale. „Aber bitte beantworte mir doch wenigstens diese Frage.“ „Ich sage nur so viel, mein zartes Pflänzchen.“, erwiderte die Genesianerin. „Je mehr sie hat, je mehr sie will.“ „Ich verstehe.“, sagte Nayale und sah zu Boden, ein Zeichen, dass sie jetzt mit ihrer Antwort zufrieden war und sie zukünftig in Ruhe lassen würde.

Eine Vendar mit mürrischem Gesicht hatte damit begonnen, Eimer, Kisten, Schaufeln, Säcke und Erfasser zu verteilen. „Was bedeutet das?“, fragte Nayale. entschuldigte sich aber gleich wieder: „Tut mir leid. Ich hatte ja versprochen, keine Fragen mehr zu stellen.“ „Diese Art von Fragen musst du stellen, wenn du hier überleben willst, mein zartes Pflänzchen.“, sagte die Genesianerin und hielt etwas hoch. „Kannst du mit einem Erfasser umgehen?“ Nayale schüttelte den Kopf. „Dann werde ich es dir zeigen.“, sagte Elaria und hielt das Gerät so, dass Nayale das Display sehen konnte. „Darfst du mir das denn einfach zeigen?“, fragte die junge Zeonide. „Sollten wir nicht lieber eine Wache rufen?“ „Die erlauben mir so manches.“, grinste Elaria. „Dafür nehme ich ihnen viel Arbeit ab, was die Ordnung in der Gruppe angeht. Das haben sie schon gemerkt und respektieren mich daher sehr gut.“ „Schon klar.“, sagte Nayale. „Aber nun zeig mir doch bitte einfach, was du mir zeigen musst, bevor wir vielleicht noch beide bestraft werden, weil wir nicht arbeiten.“ „Dann pass gut auf, mein zartes Pflänzchen.“, lächelte Elaria und rief eine Datei im Erfasser auf. Das tat sie so langsam und deutlich, dass Nayale alles gut sehen konnte. „Das ist das Vergleichsprofil.“, erklärte sie. Dann löschte sie die Datei wieder und gab Nayale das Gerät in die Hand: „Hier! Mach’s selbst!“

Nayale orientierte sich kurz auf dem Display, rief dann das Menü per Tastendruck auf und öffnete tatsächlich die richtige Datei, deren Namen sie bereits auf dem Display gesehen hatte. Stolz hielt sie Elaria das Ergebnis vor die Augen. „Du lernst schnell.“, sagte die Kriegerin und nahm ihrer Schutzbefohlenen das Gerät wieder ab. Dann nahm sie zwei Steine aus dem Haufen und hielt einen von ihnen dem Erfasser vor den Sensor. Dieser gab einen hohen Piepton von sich, der dann von einem tieferen abgelöst wurde. Gleichzeitig erschien auf dem Display eine schwarze Null. „Das war eine Fehlermeldung, nicht wahr, Elaria?“, fragte Nayale. „Ganz recht, mein zartes Pflänzchen.“, sagte die Genesianerin. „Das Gerät hat das gesuchte Muster zu 0 % gefunden. Ich hoffe, dass wir bei dem hier mehr Glück haben.“

Sie hielt den zweiten Stein vor das Gerät. Dieses gab wieder ein Signal bestehend aus zwei Tönen von sich, nur war dieses Mal der zweite höher als der erste. „Na also.“, sagte Elaria. „Das ist aber jedes Mal ein Glücksspiel.“

Sie nahm sich einen Sack und eine Schaufel und lud ihn mit Steinen aus dem Haufen voll. Dann hob sie ihn auf ihre kräftigen Schultern und machte sich zum Fluss auf. „Warte, Elaria!“, rief ihr Nayale noch hinterher, der sie den Erfasser dagelassen hatte. „Sollten wir nicht zuerst alle Steine scannen, um den Abraum von den energiehaltigen Kristallen zu trennen, bevor wir sie waschen? Ich meine, das wäre doch sicher effizienter. Wer wäscht schon Abraum, wenn er sowieso nicht aufgehoben wird?“

Elaria drehte sich um und schaute nach, ob niemand von den Wachen hinsah. Dann sagte sie: „Das mag ja sein. Aber das ist Schikane. Du vergisst, dass das hier kein normales Arbeitsverhältnis ist, in dem wir stehen. Schließlich sind wir nur Gefangene. Aber jetzt keine Fragen mehr! Das war nämlich schon wieder so eine Frage, die du besser nicht stellst. Und jetzt nimm den Erfasser und warte auf mich. Ich wasche und du sortierst später. Die Guten in die Kisten und die Schlechten in die Eimer!“

Noch ehe sich Nayale äußern konnte, wurde sie einem männlichen Arbeiter ansichtig, der schnellen Schrittes durch den Fluss auf sie zukam. Er war ein imperianischer Mann von großem Wuchs, sehr starkem Körperbau aber sehr einfachen Gemüts. Seine Erscheinung und der wütende Ausdruck in seinen Augen schüchterten Nayale ziemlich ein. Ängstlich versteckte sie sich hinter Elaria. „Geh hinter dem Haufen in Deckung!“, zischte diese ihr zu. „Den kenne ich. Ich kümmere mich schon um ihn!“

Die junge Zeonide nickte und warf sich hinter dem Steinhaufen auf den Bauch. Da sich aber eine kleine Lücke in dem Haufen befand, konnte sie genau sehen, wie der Fremde Elaria angriff. Er fiel sie von hinten an, würgte sie und drückte ihre Schultern nach unten. Dabei schrie er immer wieder: „Du bist schuld, dass wir kein gutes Essen mehr bekommen! Hast deiner neuen Schülerin mal wieder gezeigt, wie sie uns austricksen kann, was? Du manipulierst heimlich den Erfasser, damit er anzeigt, dass es mehr Abraum als Kristalle gibt! Gib es zu!“

Es gelang Elaria, seine kleinen Finger zu fassen. Dann hörte es Nayale nur noch knacken. Der Schmerz über seine gebrochenen Finger ließ den Fremden von der Genesianerin Abstand nehmen. „Kann ich vielleicht etwas dafür, wenn ihr zu dämlich seid, vernünftige Kristalle zu finden?!“, fragte sie und spuckte vor ihm aus. „Wag das noch mal!“, rief Elaria. „Dann breche ich dir alle Finger einzeln! Arbeitsfähig bist du dann nicht mehr und somit unbrauchbar, also ein Fall für das Schafott! Die Vendar sind da nicht gerade zimperlich! Du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass sie warten, bis du wieder gesund bist. Ein kranker Gefangener ist ein nutzloser Gefangener und das kann und will sich Sytania sicher nicht leisten! Also überlege gut, was du …!“

Der Fremde hatte, das hatte Nayale aus ihrem Versteck gut sehen können, etwas aus seiner Sträflingskleidung gezogen. Er musste sich aus einem Stück Abraum, das er mit einem härteren Stück bearbeitet hatte, eine Art steinernen Dolch geschliffen haben. Damit umging er Elaria jetzt und holte aus. „Vorsicht, Elaria!“, rief Nayale. „Er hat eine …!“

Es war zu spät. Nayale nahm nur noch ein Geräusch wahr, das sich wohl am ehesten mit „Pop-Schlapp!“, beschreiben ließ. Dann brach Elaria mit dem Dolch im Rücken tot vor ihr zusammen. „Wachen!“, rief Nayale laut weinend und verzweifelt. „Zur Hilfe!!! Helft mir doch!!!“ Sie fühlte sich allein und verlassen. Jetzt, so glaubte sie, hatte sie niemanden mehr.

Statt einer Reaktion von den umstehenden Wächterinnen geschah aber etwas ganz anderes. Die Erde begann zu beben und dann fuhr ein weißer Blitz durch die Luft. Gleich darauf fand sich Nayale in ihrer Zelle neben Elarias Leiche wieder, mit der aber jetzt ebenfalls etwas Merkwürdiges geschah. Der Dolch hatte sich aufgelöst und die Wunde schloss sich. Gleich darauf tat die Kriegerin einen tiefen Atemzug. „Du lebst!“, rief Nayale erfreut aus und nahm Elaria fest in den Arm. „Ja, mein zartes Pflänzchen.“, sagte diese beruhigend. „Aber ich kann das nicht verstehen.“, sagte Nayale. „Du warst doch tot. Und wer war das mit dem Blitz und mit dem Erdbeben? Warum sind wir wieder hier?“ „Die Beben passieren im Moment öfter.“, antwortete Elaria. „Sie sind Auswirkungen des verschobenen Gleichgewichts der Kräfte in den Dimensionen. Aber der Blitz und unsere Ankunft hier.“ Sie begann zu grinsen. „Das war mein Schöpfer. Er ist auch für meine Auferstehung verantwortlich.“ „Dann bist du Logars Geschöpf?!“, schloss Nayale, die sich jetzt einiges denken konnte. „Dann stimmt die Geschichte, die du mir über dein Leben erzählt hast, sicher nur halb.“ „Da hast du Recht, mein kluges zartes Pflänzchen.“, sagte Elaria. „Logar erschuf mich und sandte mich zu Shashana. Sie ist die Einzige, die meine wahre Geschichte kennt außer dir. Ich sollte mich Sytania gefangen geben und somit dafür sorgen, dass ich für die Genesianer spionieren kann. Die wurden nämlich leider nicht zum großen runden Tisch zum Thema: Wir betreuen und retten die Föderation eingeladen.“ „Warum auch.“, sagte Nayale. „Ihr seid schließlich eigentlich unsere Feinde.“ „Du scheinst sehr viel zu wissen für eine einfache Bürgerin, mein zartes Pflänzchen.“, stellte Elaria fest. „Ich bin politisch und wissenschaftlich interessiert.“, sagte die junge Zeonide. „Das ist sehr gut.“, lobte Elaria. „Dann weißt du auch, dass Shashana jedes Recht hat, angehört und mit einbezogen zu werden. In Sytanias Augen sind alle ja nur die Bewohner einer Dimension und somit ist es ihr gleich, wen sie besiegt. Wenn alle aber untereinander zerstritten sind, fällt es ihr noch leichter. Das darf nicht passieren!“ „Ganz deiner Ansicht.“, sagte Nayale. „Aber ich komme darüber einfach nicht hinweg. Logar und Shashana? Und dass, wo ihr doch an sich nichts von Männern haltet!“ „Es gibt Situationen, in denen man Kompromisse machen muss, mein zartes Pflänzchen.“, sagte Elaria. „Aber wenn es dich tröstet, der Plan kam von Shashana. Es ist also kein Almosen eines Mächtigen. Sie hat erkannt, dass wir alle zusammenstehen müssen, wenn Sytania angreift und es in der Not keine Feindschaft geben darf. Nur die Verbündeten der Föderation sind da wohl anderer Meinung. Aber ohne die Informationen von uns Genesianern wird es nicht gehen.“ „Aber wie sollen diese Informationen zu ihnen kommen?“, fragte Nayale. „Willst du eine Flucht wagen und …“ „Oh nein.“, lachte Elaria. „Darauf warten Sytanias Vendar doch nur. Es wird eine andere Möglichkeit geben. Eine, mit der niemand rechnet. Aber jetzt stell bitte keine Fragen mehr.“ „Also gut.“, sagte Nayale und legte sich beruhigt wieder auf ihr Strohlager. Die Nacht war angebrochen und die Wächterinnen würden sie heute wohl nicht mehr zur Arbeit holen nach dem, was gerade passiert war.

In ihrem und Commander Huxleys Haus in Little Federation war Sedrin gerade dabei, ihre Sachen zu packen. Sie hatte sich über das Kommunikationsnetzwerk der Föderation bereits einen Flug gebucht, der in wenigen Stunden vom Raumflughafen in Washington gehen würde. Jetzt steckte sie nur noch nachdenklich einige Sachen in ihren Koffer.

„Jinya Demetana?“ Eine männliche Stimme hinter ihr hatte jenen Kosenamen verwendet, den eigentlich nur ihr Ehemann verwendete. Sie drehte sich um und sah ihn tatsächlich dort in der Tür des Schlafzimmers stehen.

„Warum packst du?“, fragte Jaden. „Ich hoffe nicht, dass du mich verlassen willst.“ „Aber nein, Jineron Terraneron.“, sagte Sedrin mild und nahm ihn in den Arm. „Ich muss nur ganz schnell auf Dienstreise. Es haben sich einige Neuigkeiten ergeben, die …“ „Dienstreise?“, fragte der ehemalige Sternenflottenkommandant irritiert. „Hat denn Tamara …?“ „Tamara.“, sagte Sedrin abfällig. „Die ist doch im Moment gar nicht mehr sie selbst. Nein, Jaden. Diese Entscheidung musste ich ihr abnehmen. Es ist etwas passiert und ich muss dringend eine Zeugin vor Ort vernehmen.“ „Warum das?“, wollte der Terraner wissen. „Geht das nicht auch über SITCH?“ „Ich glaube nicht, dass sich die Zeugin darauf noch einmal einlässt, nach dem, wie mein Partner mit ihr umgegangen ist.“, antwortete die Demetanerin. „Du meinst den, den alle als Pannen-Peters bezeichnen.“, vergewisserte sich Huxley. „Genau den.“, bestätigte Sedrin. „Aber ich weiß jetzt auch, was mit ihm los ist. Er ist mit Ermittlungen vor Ort hoffnungslos überfordert und ich werde ihm helfen, demnächst in einem unserer Büros unter zu kommen. Ich glaube nämlich, dass er sich am Schreibtisch bedeutend wohler fühlt.“

Sie schloss ihren Koffer und zog ihn vom Bett auf den Teppich. „Weißt du was, Jinya?“, fragte Jaden. „Ich fahre dich nach Washington. Dann kann ich zumindest einen kleinen bescheidenen Beitrag leisten.“ „Danke, Jaden.“, sagte Sedrin und nahm ihr Gepäckstück, um ihm zum Jeep zu folgen.

Sie gelangten in die Garage, wo Jaden seine Hand sofort nach dem Gepäckstück der hinter ihm gehenden Sedrin ausstreckte. „Bitte lass mich das machen, Jinya.“, sagte er. „Oh nein!“, sagte sie fest. „Ich denke, das kann ich schon selbst.“ Damit hob sie den Koffer in den bereits offenen Gepäckraum des Fahrzeugs. „Du gibst einem auch keine Chance, ein Gentleman zu sein.“, meinte Jaden. „Aber auf der anderen Seite regst du dich auf, wenn …“ „Tut mir leid.“, sagte Sedrin. „Ich musste mich nur gerade einwenig abreagieren. Da kam mir Gewichtheben mit Koffern schon ganz recht.“

Sie gingen zum Führerhaus vor. Huxley stieg an der Fahrer- und seine Frau an der Beifahrerseite ein. Dann startete der Terraner den Jeep und bald waren sie aus der Hofeinfahrt gefahren und auf dem Weg zum Freeway, der sie nach Washington führen sollte.

„Mir will eines nicht in den Kopf, Jinya.“, sagte Huxley. „Warum hat Tamara dir Peters überhaupt als Partner zugeteilt? Sie hätte doch wissen müssen, dass …“ „Sie konnte ihm nur vor den Kopf schauen, Jaden.“, sagte die Agentin. „Und nicht hinein. Unter Umständen hat er bei seiner Prüfung alles richtig gemacht und erst bei der praktischen Arbeit hat sich herausgestellt, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Vielleicht war der Beruf des Agenten auch von vorn herein nichts für ihn.“ „Würdest du wirklich so weit gehen in deiner Beurteilung, Sedrin?“, fragte Jaden. „Willst du meine ehrliche Meinung, oder eine diplomatische Antwort, Jineron?“, fragte Sedrin zurück.

Huxley sagte nichts. Er wusste, würde er etwas sagen, dann würde er das, was jetzt käme, unter Umständen noch verschlimmern. Er wusste, wenn sie so ein Urteil fällte, dann hatte sie ihre Gründe dafür. In diesen Fällen, das wusste er, hatte ihre Urteilsfähigkeit große Ähnlichkeit mit der von T’Pol von der ersten Enterprise. Der Unterschied war nur, dass sie dann meistens irgendwann ein tröstendes Wort auf den Lippen hatte, um die Folgen ihres eigenen Urteils emotional abzumildern. Meistens sprach sie aber auch, zumindest ihm gegenüber, vorher eine Warnung aus.

Sedrin war aufgefallen, dass er stumm geblieben war. „Dann werde ich dir jetzt mal was sagen.“, fuhr deshalb sie fort. „Viele, die mit irgendeiner Situation total überfordert sind, entwickeln Mechanismen, um dies zu kaschieren, falls es notwendig sein sollte. Ihr habt ja so eine Tradition auf diesem Planeten, dass der Sohn nach Möglichkeit den Beruf des Vaters ausüben soll. Zumindest manchmal. Ich gehe davon aus, dass Karl einer langen Reihe von Agenten entstammt und deshalb …“ „Verstehe.“, sagte Jaden. „Aber wie ich dich kenne, hast du auch schon die passende Therapie für ihn und ich bin sicher, du würdest es auch hinkriegen, es seinem Vater beizubringen, wenn er noch leben würde. Dafür hast du nämlich Haare auf den Zähnen, Jinya Demetana. In denen hat sich ja sogar Sytania oft genug verheddert.“ „Oh ja.“, bestätigte Sedrin. „Und unser Zahnarzt hat mir neulich gestanden, dass er meinetwegen eine Weiterbildung zum Friseur anstrebt.“ Huxley grinste.

Sie hielten auf dem Parkplatz des Raumflughafens an und Sedrin lud ihren Koffer aus. Dann ging sie in Richtung Abflughalle davon, nachdem sie ihrem Mann noch ein kurzes: „Danke, Jineron.“, zugeworfen hatte. Sedrin hatte es eilig, denn dies war der letzte Liner, der heute Nacht noch in Richtung Celsius starten sollte. Wenn sie diesen nicht nahm, konnte unter Umständen noch mehr wertvolle Zeit verstreichen und das wollte die demetanische Agentin in jedem Fall vermeiden!

Sie reihte sich in die kurze Schlange vor dem einzigen noch offenen Schalter ein. Die Person, die allerdings hier vor ihr stand, hatte sie hier am wenigsten vermutet. Zuerst traute Sedrin auch ihren Augen kaum und sah lieber zwei mal hin. Dann aber sagte sie nur leise und erstaunt: „D/4! Was machen Sie denn hier?“ „Mein Ziel lautet Demeta.“, sagte die Sonde. „Der Liner wird dort laut Flugplan einen Zwischenstopp einlegen, bevor er nach Celsius weiterfliegt.“ „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Sedrin. „Ich habe ja auf der gleichen Linie gebucht, wie es scheint.“ „Ihre Annahme ist korrekt.“, sagte die Sonde. „Fliegen Sie in den Urlaub?“ „Oh nein.“, sagte Sedrin. „Dann würde ich ja auch meinen Mann mitnehmen. „Ich muss dienstlich nach Celsius.“ „Ich nehme an, um Details zu erfahren, bin ich nicht befugt.“, sagte die Sonde. „Ihre Annahme ist korrekt.“, grinste Sedrin.

Sie wurden relativ zügig durch das Personal des Schalters abgefertigt. Dann brachte sie ein Bus zum Rollfeld, wo sie in das Shuttle stiegen. Hier fiel Sedrin sofort auf, dass sie ihre Plätze genau nebeneinander hatten und im Mittelklasseabteil des Shuttles allein waren. „Was führt Sie in meine Heimat, D/4?“, fragte Sedrin. „Sagen wir, ich bin semi-dienstlich dort beschäftigt.“, sagte die Sonde. „Semi-dienstlich.“, wiederholte Sedrin. „Interessante Formulierung. Was genau ist denn der Auslöser dafür gewesen? Oder bin ich dieses Mal zum Erfahren von Details nicht befugt?“

„Sie sollten es erfahren.“, entschied die Sonde, nachdem sie eine Weile überlegt und das Für und Wider gegeneinander abgewogen hatte. „Schließlich hat es etwas mit dem Tod von Allrounder Betsy Scott zu tun, den Sie und Ihr Partner bearbeiten, weil er wohl auch unmittelbar etwas mit dem Wäscher vom Mars zu tun haben könnte. Sie wissen, dass Mr. Korelem versucht hat, den Allrounder zu retten. Dabei hat er sich selbst in Gefahr gebracht und verletzt. Das rief Tchey und mich auf den Plan. Ich habe mich auf eine Wette mit Korelem eingelassen und sie verloren. Jetzt schulde ich ihm eine Behandlung im Rahmen seiner Physiotherapie.“ „Das kommt davon, wenn man sich auf Wetten mit Patienten einlässt.“, grinste Sedrin. „Aber worum haben Sie überhaupt gewettet?“ „Um das Verhalten von Tchey, wenn sie erfährt, dass wir ihre tote Freundin transportieren. Ich war sicher, sie würde zusammenbrechen, aber Korelem hat dagegen gehalten und gewonnen.“ „Wenn es um Tchey Neran-Jelquist geht.“, sagte die demetanische Agentin. „Dann sollten Sie sie niemals unterschätzen. Ich hatte angenommen, dass Sie den ehemaligen Allrounder der Sternenflotte besser einschätzen können. Schließlich haben Sie eine ganze Weile lang mit ihr zusammengearbeitet.“ „Das ist korrekt.“, sagte D/4. „Aber auch ich darf mich doch wohl mal irren. Im Gegensatz zu den Borg hat mein Volk nie behauptet, perfekt zu sein.“

Die Agentin öffnete ein Fach ihrer Handtasche und zauberte ein Pad daraus hervor. Dann sagte sie: „OK, D/4. Anscheinend haben wir ja beide ähnliches Wissen und hier ist sonst niemand, der etwas mitbekommen könnte. Ich werde Ihnen jetzt sagen, was ich auf Celsius will. Es gibt eine Zeugin für den Tod des Allrounders, die ich vor Ort vernehmen muss.“ „Warum müssen Sie das?“, fragte die Sonde irritiert. „Wäre es nicht über SITCH weniger umständlich und damit effizienter?“ „Unter normalen Umständen schon.“, sagte Sedrin. „Aber bedauerlicherweise hat mein Partner sich etwas geleistet, was das unmöglich macht. Sie wird sich auf ein weiteres Gespräch nicht einlassen. Außerdem muss ich ihre Leumundszeugin finden, um mir ihre Aussage bestätigen zu lassen. Die Sache ist etwas kompliziert.“

Sie bereitete das Pad zur Aufnahme einer Notiz vor. „Wir scheinen beide das gleiche Ziel zu haben, D/4.“, sagte sie dann. „Wir sollten unser Wissen eventuell zusammenwerfen. Vielleicht wird so aus den Einzelteilen endlich ein vollständiges Bild. Wissen Sie schon, wo Sie auf Demeta erreichbar sein werden?“ „Negativ.“, sagte die Sonde. „Ich habe mir noch keine Herberge gesucht. Aber wenn Sie dies zu dem Zweck fragen, das Rufzeichen zu erfahren, unter dem ich erreichbar bin, dann kann ich Ihnen eines geben, unter dem Sie mich garantiert immer erreichen.“

Sedrin schrieb: „D/4.xyl.“, in das Pad und hielt es der Sonde mit fragendem Blick unter die Nase. „Das ist korrekt.“, lächelte diese. „Bitte geben Sie mir das Pad.“ Sedrin nickte und legte es in die Hand der Sonde, die: „Interlinkfrequenz: 108,24547.“, darunter schrieb. „Sie haben mir da gerade einen ziemlich großen Vertrauensbeweis geliefert.“, sagte die Agentin. „Ihre Interlinkfrequenz verraten Sie bestimmt nicht jedem.“ „Das ist korrekt.“, sagte die Sonde. „Aber in diesem Fall kann ich eine Ausnahme machen. Sie würden sie niemals missbrauchen. Wenn Sie das täten, und das noch dazu im Amt, dann hätten Sie Repressalien bis hin zum Aufenthalt im Gefängnis zu befürchten.“ „Sie haben Recht.“, bestätigte Sedrin. „Das wäre eine strafbare Handlung und auf Gefängnis habe ich nun wirklich keine Lust. Zumal es tatsächlich strafverschärfend wirken würde, wenn ich dies im Dienst täte und ich bin jetzt ja im Dienst. Sie kennen unser Rechtssystem wirklich sehr gut.“ „Danke.“, sagte die Sonde.

„Wie werden Sie erreichbar sein?“, fragte sie dann, nachdem sie der Agentin das Pad zurückgegeben hatte. „Das weiß ich noch nicht.“, sagte Sedrin. „Ich muss erst mal abschätzen, wie sich die Situation entwickelt. Kontaktieren Sie mich also nicht. Ich kontaktiere Sie.“ „Einverstanden.“, sagte die Sonde gewohnt knapp.

Per Durchsage wurden sie darauf aufmerksam gemacht, dass das Shuttle in Kürze Demeta erreichte. „Ich werde Sie gleich verlassen müssen, Agent.“, sagte die Sonde und nahm ihr Handgepäck näher zu sich, bevor sie das Sicherheitskraftfeld ihres Sitzes vorschriftgemäß aktivierte, wie es in den Anweisungen für die Landung vorgeschrieben war. Auch Sedrin tat es ihr gleich. „Vielleicht treffen wir uns ja auf dem Rückflug erneut.“, meinte Sedrin. „Davon gehe ich aus.“, sagte die Sonde und verabschiedete sich.

Das Shuttle setzte auf und D/4 verließ ihren Sitzplatz. „Warten Sie kurz.“, sagte Sedrin. „Ich denke, Sie wollen zur Exo-Klinik in der Hauptstadt. Es gibt eine kleine Pension ganz in der Nähe. Dort würden Sie mit Sicherheit ein Zimmer bekommen, das auch mit einer Regenerationseinheit ausgestattet ist. Die Pension wird nämlich von einem meiner Verwandten geleitet und ich weiß, dass man sich dort auf spezielle Gäste spezialisiert hat.“ „Wenn das Haus in der Nähe einer Exo-Klinik liegt, ist das naheliegend.“, sagte die Sonde. „Aber ich habe eine portable Regenerationseinheit in meinem Koffer. Also kann ich auch ein normales Zimmer benutzen. Aber Ihr Angebot ist trotzdem sehr verlockend. Ich bin geneigt, es doch anzunehmen.“ „Dann sagen Sie, dass Sie die Empfehlung von Cousine Sedrin haben.“, lächelte die Agentin. „Vielleicht bekommen Sie dann noch Familienrabatt.“ „Ich werde Ihren Vorschlag ausführen.“, sagte D/4 und lächelte ebenfalls. Natürlich wusste die Sonde, dass, da die Föderation schon lange kein monetäres Wirtschaftssystem mehr hatte, solche Überlegungen müßig waren, ihr war aber auch durchaus klar, was ein Scherz war.

Kapitel 43: Auf zu neuen Taten!

von Visitor

 

Nicht nur D/4 und Sedrin, auch Kamurus und Ginalla, hatten ihre Geschichten ausgetauscht. Die junge Celsianerin hatte buchstäblich Bauklötze gestaunt über das, was ihr Schiff ihr berichtet hatte. „Wow!“, machte sie. „Das würde ich keinem Schwanz glauben, wenn es mir jemand anderes als du erzählt hätte. Aber weil wir zwei uns nun mal so gut verstehen, mache ich mal eine Ausnahme. Wo ist dieser Brotheas jetzt?“ „Er ist seiner Wege geflogen, nachdem er mich abgesetzt hat, Ginalla.“, antwortete Kamurus. „Ich habe ihn leider nicht wiedergesehen.“ „Schade.“, sagte Ginalla. „Ich hätte mich gern beim Lebensretter meines Schiffes bedankt, weißt du?“ „Das kann ich mir denken.“, tröstete Kamurus. „Aber vielleicht ergibt sich die Gelegenheit ja noch mal. Die Terraner sagen schließlich, man sieht sich immer zwei mal im Leben oder so. Würde mich ja nich’ schwer wundern, wenn wir deinem neuen Freund noch mal über den Weg stolpern.“ „Ich würde es auch sehr begrüßen.“, stimmte das selbstständig denkende Schiff zu. „Ich habe ihm nämlich von dir erzählt.“ „Hoffentlich nur Gutes.“, grinste Ginalla. „Ich hoffe, die Vergangenheit hast du weggelassen.“ „Ich habe Brotheas nicht jedes Detail verraten.“, beruhigte der Avatar und sah sie weich an. „Ich habe ihm nur im Groben erzählt, wer du bist und dass wir zusammen schon eine Menge durchgemacht haben.“ „Oh ja.“, sagte Ginalla bestätigend. „Das haben wir.“

Kamurus schaltete seinen Antrieb von Interdimensionsflug auf normalen Warpantrieb um. „Sind wir schon da?“, fragte Ginalla erstaunt, die ihm die Steuerkontrolle überlassen hatte. „Ja, das sind wir.“, bestätigte Kamurus. „Zumindest fast. Sharie und ich wohnen gleich da drüben.“ „Beim nächsten Kometen rechts ab, wie!“, lästerte Ginalla.

Kamurus setzte einen SITCH ab, der bald darauf von einer aufgeregten Sharie beantwortet wurde: „Bist du es, Kamurus?!“ „Ja.“, beruhigte er sie. „Ich bin zurück, Sharie.“, erklärte Kamurus dann. „Ich habe Ginalla mitgebracht.“ „Den Erbauern sei Dank.“, gab Sharie zurück und klang dabei immer noch recht aufgeregt. „Geht es Lycira schlechter?“, fragte Kamurus. „Das nicht.“, sagte Sharie. „Aber sie hat mir von Dingen berichtet, die eigentlich nicht sein können. Sie sagt, in einer alternierenden Realität, die jetzt aber nicht mehr existiere, hätten wir statt einer leiblichen Tochter einen adoptierten Sohn und ich hätte Tchey sogar geholfen, einer Q die Augen zu öffnen. Kannst du dir so was vorstellen?!“ „Vielleicht hat sie ein Datenproblem.“, meinte Kamurus. „Ich stelle dich mal am besten an Ginalla durch. Sie wird den Rest mit dir besprechen. Schildere ihr am besten noch einmal alles.“ „OK.“, sagte Sharie und wartete ab.

Das Gesicht des fremden Avatars zu sehen, bereitete Ginalla zunächst etwas Verwirrung. Dann aber sagte sie: „Hi, Sharie! Ich bin Ginalla, der Schrecken aller Fehlerquellen. Wenn irgendwas mit deiner Freundin ist, dann kriege ich das schon raus! Da kannst du einen drauf lassen! Kamurus hat mir alles erzählt und ich weiß, wer Lycira is’. Ich krieg’ sie schon wieder hin!“

Sie gingen längsseits. „Du beamst mich besser gleich rüber.“, sagte Ginalla zu ihrem Schiff. „Dann werde ich mal sehen, was ich für den gestreiften Kürbis da draußen tun kann.“ Sie musste grinsen. „In Ordnung.“, sagte Kamurus. „Aber an deiner Stelle würde ich erst mal ins Auswurffach meines Replikators schauen.“

Ginalla drehte sich in die Richtung und erblickte im Fach eine nagelneue Werkzeugtasche! „Danke, Kumpel!“, sagte sie strahlend. „Wenn ich dich nich’ hätte und die dicken Kartoffeln! Mir is’ da nämlich was echt Peinliches passiert. Ich hab’ meine Werkzeugtasche vergessen.“ „Ginalla!!!“, sagte der Schiffsavatar, bekreuzigte sich drei mal und machte ein verschämtes Gesicht, während er dann die Hände vor selbigem zusammenschlug. „Und so was passiert einer Celsianerin, die sonst ohne ihre Werkzeugtasche nirgendwo hingeht. Es könnte doch überall was zu reparieren geben! Technik ist doch euer größtes Hobby!“ Er schämte sich übertrieben stark fremd, was Ginalla kurzzeitig zum Lachen brachte. „Was glaubst du, warum mir das so peinlich is’?“, fragte Ginalla und schulterte die Tasche. „Aber jetzt mach! Oder soll es Lycira noch weiterhin schlecht gehen?! Ach, was mich noch interessieren würde: Du hast mir erzählt, du hättest ein Antriebsmodul für sie repliziert, aber dein Replikator hat ja schon bei dieser Tasche hier ein volles Fach. Wie hast du das hingekriegt? Ich meine, das hier is’ kein Industriereplikator.“ „Ich habe die Teile einzeln repliziert und sie dann in den Transporterpuffer gebeamt.“, erklärte Kamurus. „Dann habe ich die Profile der Reihe nach so in eine Datei gespeichert, dass beim Materialisieren ein ganzes Gerät dabei herauskommen musste. Dann habe ich es im Weltraum materialisiert.“ „Clever hilft sich.“, lobte Ginalla. „Aber jetzt bring mich bitte zu unserer Havaristin.“ „Wie du willst.“, sagte das Schiff und erfasste sie mit dem Transporter, um sie wenig später an Bord von Lycira abzusetzen.

Ginalla war erstaunt, sich im Cockpit dieses für sie sehr merkwürdig anmutenden Schiffes wieder zu finden. Sie hatte sich zwar schon anhand von Lyciras Äußerem vorstellen können, dass hier einiges nicht so sein könnte, wie sie es gewohnt war, aber mit dem, was sie hier vorfand, hatte wohl noch nicht mal die kesse Celsianerin gerechnet. Einen Anschluss für einen Neurokoppler suchte sie vergeblich und auch sonst erinnerte sie nichts an Raumschiffe, wie sie diese gewohnt war. Allerdings fielen ihr sofort die handtellergroßen Vertiefungen auf, die sich auf der Konsole für den Piloten und für den Copiloten befanden. Sie legte ihre Hände nichts ahnend hinein und wollte sie am liebsten gar nicht mehr entfernen, denn jetzt bemerkte sie, wie weich die Vertiefungen waren. Is’ ja irre!, dachte sie. Wo kriegt man so ’ne Konsole her? Oh, die habe ich schon, seit ich denken kann., hörte sie Lyciras telepathische Stimme.

Ginalla erschrak und wollte zurückweichen, aber dann riss sie sich doch zusammen. Kamurus hatte sie schließlich schon vorgewarnt. Du kommunizierst ja tatsächlich telepathisch!, bemerkte die Celsianerin in Gedanken. Erst habe ich gedacht, Kamurus will mir Astronautengarn vorspinnen. Wie du siehst, wollte er das nicht., antwortete Lycira. Das glaubt mir kein Schwein, wenn ich das zu Hause erzähle., dachte Ginalla. Du bist also Betsys Schiff? Wo hat sie dich denn aufgegabelt? Ich glaube, ich bin ihr sozusagen passiert., antwortete Lycira. Aber das ist eine lange Geschichte.

Der Avatar vor Ginallas geistigem Auge machte ein Schmerz verzerrtes Gesicht. Schon gut., tröstete Ginalla. Ich bin ja schließlich hier, um dich zu reparieren. Alles andere können wir dann ja immer noch bereden. Du kannst der neugierigen Ginalla später ja immer noch Rede und Antwort stehen. Aber jetzt zeig mir erst mal, wie ich zu deinem Wartungsschacht komme.

Lycira öffnete die Tür zur Achterkabine und ließ Ginalla hindurchgehen. Dann entsicherte sie einen Wartungsschacht. „Ah, hier is’ es also.“, flüsterte die Celsianerin und beugte sich hinunter, um in den Schacht zu sehen. Als Erstes fiel ihr Blick auf das Antriebsmodul, das etwas quer in dem Schacht steckte. „Schief is’ englisch und englisch is’ modern!“, lästerte sie. Dann nahm sie ihr Sprechgerät und gab das Rufzeichen ihres Schiffes ein.

„Was gibt es denn, Ginalla.“, meldete sich Kamurus freundlich. „Ich habe das Problem!“, antwortete die kesse Celsianerin triumphierend. „Du musst das Modul um 45 Grad im Uhrzeigersinn drehen. Dann passt es schon. Wenn wir das gemacht haben, beam mir bitte einige Anschlussmodule her. Irgendwie muss es ja Saft kriegen. Ach, und erklär Lycira bitte, sie soll etwas Strom hindurchleiten, wenn ich es sage, damit ich es durchmessen kann.“ „In Ordnung, Ginalla.“, sagte Kamurus und erfasste das Modul mit dem Transporter, um es zu drehen. Dazu beamte er es zunächst heraus, drehte sein gesamtes Profil um den von Ginalla angegebenen Winkel und materialisierte es danach wieder an Ort und Stelle. „Maßarbeit, Kumpel.“, lobte Ginalla. „Und jetzt die Module! Sag mal, warum ist euch die Schieflage nicht aufgefallen?“ „Das ist sie ja.“, sagte Kamurus. „Aber um sie zu korrigieren, hatten weder Sharie noch ich wohl den richtigen Blickwinkel. Aber jetzt bekommst du erst mal deine Module.“

Vor Ginalla auf dem Boden lag bald darauf ein Paket mit den passenden Anschlussmodulen. „Heißen Dank.“, grinste sie und riss es auf. Dann verband sie den neuen Antrieb mit Lyciras Energieversorgung und der notwendigen Steuereinheit. Dann holte sie ein Messgerät aus ihrer Werkzeugtasche und schloss es an. „OK, Kamurus.“, gab sie dann über die noch immer bestehende Sprechverbindung durch. „Sag ihr mal, sie soll etwas Saft geben. Frag sie, ob sie weiß, was Prüfspannung ist! Ich kann im Moment ja selbst nich’ mit ihr reden!“ „Schon gut, Ginalla.“, sagte Kamurus. „Falls sie es nicht weiß, erkläre ich ihr das mit der Prüfspannung.“

Ginalla nahm das Messgerät in die Hand und betrachtete sein Display. Bald darauf sah sie einen ersten Ausschlag. „Na bitte!“, grinste sie und entfernte ihr Werkzeug. Dann schloss sie den Wartungsschacht wieder, während sie noch sagte: „Sitzt, passt, wackelt und hat Luft! Jetzt dürfte es Lycira wieder bessergehen, Kamurus, nich’ wahr?“ „Es geht ihr in der Tat viel besser, Ginalla.“, sagte Kamurus. „Ich hole dich wieder an Bord. Wir müssen alle etwas besprechen.“ „Na schön.“, sagte Ginalla und schulterte ihre Tasche: „Aktivieren!“

Wieder an Bord von Kamurus setzte Ginalla gleich wieder ihren Neurokoppler auf. Vor sich sah sie jetzt die Avatare von Kamurus, Sharie und Lycira. Aber bei ihnen war auch ein kleines Mädchen. „Wer bist du denn, Süßmaus?“, fragte Ginalla und grinste die Kleine an. „Ich bin Kamura.“, sagte sie. „Ich bin der Avatar von Kamurus’ und Sharies Tochter.“ „Faszinierend.“, sagte Ginalla bedient und musste erst mal tief durchatmen. „Ich will gar nich’ wissen, wie ihr das gemacht habt. Aber was habe ich mit eurer Familie zu tun?“ „Es geht im weitesten Sinne um die Kleine.“, sagte Kamurus. „Lycira hat Kamura und Sharie die Geschichte von der alternierenden Realität erzählt, die sie aus den Erinnerungen ihrer Pilotin hat. Sharie war davon so fasziniert, dass sie mich und dich unbedingt begleiten will. Sie meint, dass ihre Pilotin Tchey uns sogar helfen kann. Aber wer passt dann auf Kamura auf?“ „Das kann ich doch übernehmen.“, bot Lycira an. „Schließlich schulde ich euch jetzt was.“ „Oh ja, Tante Lycira!“, quietschte Kamura. „Na gut.“, erklärten sich Kamurus und Sharie wie aus einem Munde einverstanden. „Dann wäre das ja geklärt.“, sagte Ginalla. „Dann lass uns mal machen, das wir los kommen, Kamurus.“ „Wie du willst.“, sagte Kamurus und verabschiedete sich noch per Signal mit dem Positionslicht von seiner Tochter. Dann aktivierte er seinen Impulsantrieb. Auch Sharie tat es ihm gleich und folgte.

Auch Scotty beschäftigte sich zur gleichen Zeit mit einer technischen Angelegenheit. Er hatte IDUSA ein letztes Mal untersucht, wie Shimar es sich erbeten hatte. „Sie schnurrt wie ’n Raubkätzchen, Kumpel.“, sagte der Terraner, nachdem er seine Untersuchung abgeschlossen hatte. „Ich habe ihr sogar noch Energie von uns gegeben, damit sie nicht gleich wieder die nächste Sonne anpumpen muss.“ „Zu liebenswürdig.“, lächelte der Tindaraner und stieg ins Cockpit. Dann setzte er seinen Neurokoppler auf und gab IDUSA einen Befehl auf Tindaranisch, auf den hin sie die Luke blockierte. „Willst du mit offener Tür fliegen?“, fragte Scotty. „Willst du hier Wurzeln schlagen?“, fragte Shimar zurück. „IDUSA und ich bringen dich zur Erde und dann kannst du dich und mich bei Betsys Beerdigung würdig vertreten. Ich kann leider nicht. Ich muss einrücken! Einer muss der Granger ja helfen bei diesem Selbstmordkommando!“ „Was?!“, rief Scotty empört, der keine Kenntnis über den Inhalt der Mail hatte, die Shimar von Zirell bekommen hatte. „Welches Selbstmordkommando?“, wollte er wissen. „Was hat Kissara vor?“

Shimar sah ihn genervt an. Es gefiel dem jungen Tindaraner gar nicht, dass sein Freund solche Dinge offenbar buchstäblich zwischen Tür und Angel besprechen wollte. „Steig ein, verdammt!“, zischte er und deutete auf den Sitz neben dem Seinen. „Also gut.“, sagte Scotty und folgte seiner Aufforderung.

Shimar befahl seinem Schiff, die Luke zu schließen und dann starteten sie. „Nimm dir bitte den zweiten Neurokoppler!“, sagte Shimar mit einer Bestimmtheit, die Scotty sonst nicht von ihm gewohnt war. „Wenn du mir das erlaubst.“, schloss der Ingenieur. „Dann hast du wohl doch vor, mich in eure Kommunikation mit einzubinden.“ „Das stimmt schon in gewisser Hinsicht.“, bestätigte der tindaranische Pilot leicht nervös, denn mit der Komplikation eines zu neugierigen Freundes hatte wohl niemand gerechnet. Er wohl am allerwenigsten, denn er hatte wohl gedacht, dass Scotty ja wohl sehr gut wissen musste, dass manche Dinge besser geheim gehalten wurden. Er hatte ja schließlich auch eine militärische Ausbildung und musste das doch eigentlich wissen. Aufgrund der Freundschaft zwischen ihm und Shimar konnte dieser aber auch in den Gewissenskonflikt geraten, doch unter Umständen etwas zu verraten.

IDUSA, die bis dahin beide Tabellen geladen hatte, löschte Scottys plötzlich. Jetzt konnte nur Shimar sie noch sehen und hören. „Sind sie in Ordnung, Shimar?“, fragte sie. Ja, ich bin OK, IDUSA., gab Shimar nur in Gedanken zurück, was völlig entgegen seiner bisherigen Gewohnheit war. Sonst hatte er, wenn er sich mit dem Schiffsavatar unterhalten hatte, seine Äußerungen auch verbal getätigt. Aber jetzt war es wohl wichtig, dass Scotty nicht mitbekam, worüber sie sprachen und das konnte nur gewährleistet werden, wenn er sich und das Schiff nicht verriet. Für IDUSA war es ja kein Problem, seinen Gedanken über den Neurokoppler zu folgen. „Da muss ich Ihnen leider widersprechen, Shimar.“, stellte das Schiff fest. „Ihren medizinischen Werten nach sind Sie hoch aufgeregt. Ist es etwa wegen unseres Einsatzbefehls und der Anwesenheit von Techniker Scott? Falls ja, kann ich Sie, denke ich, beruhigen. Bevor er auf einer zivilen Werft gearbeitet hat, war Techniker Scott auch ein Angehöriger einer Streitmacht wie Sie. Sie beide haben im Prinzip die gleiche Grundausbildung und für Sie beide gelten die gleichen Regeln. Es erscheint mir daher unlogisch, dass Sie ihn von jeglicher Zusammenarbeit mit uns ausschließen wollen.“ Ich will nicht, ich muss!, dachte Shimar. „Bitte erklären Sie mir das.“, bat IDUSA.

Shimar fiel auf, dass er das Pad, das er von Jasmin bekommen hatte, immer noch in seiner Tasche trug. Er nahm es heraus und schloss es an IDUSAs Datenport an. Da hast du deine Erklärung., dachte er. Lies dir die Datei durch, die sich in diesem Pad befindet!

Eine Leuchte am Pad und eine am Datenport zeigten IDUSAs Zugriff auf die Datei an. Wenig später beendete das Schiff die Verbindung aber schon wieder. „Das sind Befehle von der Zusammenkunft.“, fasste sie den Inhalt zusammen. „Die tindaranischen Streitkräfte sollen die USS Granger bei ihrem Vorhaben unterstützen, die böse Sternenflotte zu beschäftigen, damit sie nicht auf die Idee kommen, unschuldige Planeten anzugreifen. Die Zusammenkunft befürchtet wohl sonst einen kriegerischen Akt in Sytanias Namen von ihnen.“ Das stimmt., dachte Shimar. Wir sollen sie lähmen und ihnen so viel Schaden zufügen, dass ein solcher Angriff für sie unmöglich wird, bis wir eine Möglichkeit gefunden haben, sie wieder mit ihren positiven Ich’s zu vereinen. Wenn wir sie vernichten würden, würden wir Gefahr laufen, dass auch unsere Verbündeten im gleichen Moment vernichtet werden. Die Zusammenkunft und ihre Wissenschaftler haben die Theorie, dass noch immer eine Verbindung zu ihren positiven Gegenstücken besteht. „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte IDUSA. „Ein Phaserschuss mit Rosannium auf diese Verbindung könnte unter Umständen tatsächlich beide töten. Aber aus der Mail geht auch hervor, dass Sie zum Staffelführer ernannt worden sind, Shimar und dass wir den Konvoy am Rand des terranischen Sonnensystems treffen werden. Ich frage mich allerdings, warum die Zusammenkunft trotz Ihres geringen Alters gerade Ihnen eine solche Aufgabe aufbürdet.“ Ich denke, es ist wegen meiner Beziehung zu Betsy., vermutete Shimar. Ich kenne mich mit den Gepflogenheiten auf der Granger etwas aus und genieße aufgrund dessen auch ein besonderes Vertrauensverhältnis zu ihrem Commander. Ich denke, die Zusammenkunft denkt, dass Kissara mir eher vertraut, als irgendeinem anderen älteren Offizier. „Verzeihen Sie mir.“, sagte IDUSA. „Aber das verstehe ich nicht. Das sind doch eigentlich keine rationalen Überlegungen.“ Mir ist klar, dass du das nicht verstehst., tröstete Shimar. Du bist eine Maschine und kannst daher Emotionales nicht wirklich erfassen. Das ist ja auch nicht schlimm. Du bist ja durch die Lex Technologica auch abgesichert. Was diktiert sie dir denn in so einem Fall, he? „In Situationen, die ich selbst nicht erfassen kann, die aber für meinen biologischen Piloten erfassbar sind, ist seinem Urteil zu folgen. §18 Unterabschnitt 14 d der Lex Technologica.“, zitierte IDUSA einen Paragraphen aus dem genannten Regelwerk. Richtig!, nickte Shimar. Und was bedeutet das? „Es bedeutet.“, schlussfolgerte das Schiff. „Dass ich Ihnen in dieser Hinsicht einfach vertraue. Bitte verzeihen Sie, dass ich Ihr Urteil hinterfragt habe.“ Da gibt es nichts zu verzeihen., dachte Shimar und visualisierte sein Gesicht mit tröstendem Blick. Ich finde es viel besser, wenn wir über alles reden, als wenn du nur zu allem Ja und Amen sagst. Es hat ja schon Situationen gegeben, in denen uns unsere Diskussionen dann zu ganz anderen Lösungen gebracht haben, die sich am Ende als richtig herausgestellt hatten. Mal hast du Recht, mal habe ich vielleicht Recht und ich persönlich finde es viel besser, das vor einer Handlung zu klären. Dann passieren am Ende auch weniger Fehler. „Da haben Sie Recht.“, sagte IDUSA, die seine Einlassung durchaus anhand von Daten aus der eigenen Datenbank bestätigen konnte. „Ich werde Ihnen also bezüglich Commander Kissara und der Entscheidung der Zusammenkunft vollends vertrauen.“ Danke, IDUSA.“, dachte Shimar lächelnd.

„Jemand zu Hause?“ Shimar hatte nicht bemerkt, dass Scotty ihn angesprochen hatte. „Was?“, sagte er daher nur und drehte sich erst jetzt zu dem neben ihm sitzenden Terraner um. „Warum hat sie mich abgeschnitten?“, fragte Scotty. „Hattet ihr tindaranische Militärgeheimnisse zu bereden? Ich darf dich erinnern, mein Freund, dass es zwischen uns so was eigentlich nicht geben sollte. Schließlich sind wir Verbündete und wir zwei persönlich sind sogar Freunde. Also, spuck’s aus!“ „IDUSA hat da was nicht verstanden.“, redete sich Shimar raus. „Ich musste es ihr erklären.“ „Das kannst du deiner Großmutter erzählen!“, schnodderte Scotty. „Damit lasse ich mich nicht abspeisen! Wieso behandelst du mich eigentlich wie einen dummen Zivilisten, der von nichts eine Ahnung hat? Ich bin sicher, das wirst du noch mal bitter bereuen, wenn du mich nicht mitmischen lässt! Ich wette mit dir, dass ich von großem Nutzen sein kann!“ „Na schön.“, überlegte Shimar. „Vielleicht kannst du uns ja wirklich helfen. Schließlich bist du Ingenieur und erkennst die technischen Schwachpunkte der negativen Sternenflotte sicher viel besser, als einer von uns das je könnte.“ „Das will ich doch wohl meinen.“, grinste Scotty. „Ich frage mich bloß, wie ich Commander Zirell das erklären soll.“, dachte Shimar halblaut nach. „Lass mich mit ihr reden.“, schlug Scotty vor. „Ich bin sicher, die wird sachlichen Argumenten gegenüber nicht abgeneigt sein.“ „Also gut.“, sagte Shimar und befahl IDUSA: „Lade Scottys Reaktionstabelle wieder und verbinde ihn mit Commander Zirell!“ „Wie Sie wünschen.“, sagte das Schiff nüchtern und baute die Verbindung auf.

Zirell war überrascht, nach Annahme der Verbindung in Scottys Gesicht zu sehen. „Was machst du an Bord von Shimars Schiff?“, fragte sie, die Scotty auch entfernt kannte. „Euch behilflich sein.“, sagte Scotty knapp, als wäre es das Natürlichste der Welt. „Ich kenne Sternenflottenschiffe aus dem FF. Das heißt, ich weiß genau, wie sie ticken. Vielleicht kann ich euch ja eine Möglichkeit nennen, bei der ihr keinen einzigen Schuss abgeben müsst.“ Er ließ die Sendetaste auf dem virtuellen Schirm los, um seinen Satz auf sie wirken zu lassen.

Die ältere Telepathin war hin und her gerissen. Sie ahnte, dass in Scottys Gehirn wohl etwas am Reifen war, konnte es aber noch nicht definieren. Das Einzige, das sie sicher wusste, war, dass er sich auch schon in der Vergangenheit als fabelhafter Problemlöser entpuppt hatte. „Wie soll ich das verstehen?“, fragte sie schließlich. „Das wirst du sehen.“, sprach Scotty sie betont korrekt in tindaranischer Anredeweise an. „Wenn du mich machen lässt. Dein Flieger, sein Schiff und ich, wir werden der negativen Sternenflotte ein Ei ins Nest legen, von dem sie noch ihren Enkelkindern erzählen werden!“ „Du machst mich wirklich neugierig.“, gab Zirell zu. „Also gut. Ich weiß ja, dass du gut auf dich aufpassen kannst und die Risiken durchaus selbst für dich abwägen kannst aufgrund deiner Ausbildung. Von mir aus kannst du also mit an der Schlacht teilnehmen.“ „Danke, Zirell.“, sagte Scotty und IDUSA beendete die Verbindung. Dass Zirell sich ködern lassen hatte, das wusste sie, aber aufgrund ihrer Einschätzung war das Risiko für Scotty, wie gesagt, ja auch vertretbar. Aber auch ihre Neugier war sehr groß. Was plante er? Wie wollte er die negative Sternenflotte besiegen, ohne einen einzigen Schuss abzugeben? Sie wusste, dass sie, wenn sie ihre Erlaubnis nicht gegeben hätte, niemals Antworten auf diese Fragen bekommen würde.

Maron hatte die Kommandozentrale betreten. Zirell hatte ihren ersten Offizier zunächst weder telepathisch noch mit den Augen wahrgenommen, denn sie war noch immer mit dem beschäftigt, was ihr Scotty gesagt hatte.

„Zirell?“ Sie hatte erst jetzt bemerkt, dass Maron sie angesprochen hatte. Langsam wandte sie den Kopf mit nachdenklichem Blick in seine Richtung. „Was beschäftigt dich?“, fragte der Demetaner, der sich denken konnte, dass sie ein solches Verhalten nicht immer an den Tag legte. Nur dann, wenn wirklich etwas nicht stimmte, hatte er dies bei ihr beobachtet. „Du wirst es nicht glauben, Maron.“, sagte sie schließlich. „Techniker Scott wird uns bei unserem Versuch, die Granger vor Schaden zu bewahren, unterstützen.“ „Scott?“, fragte der erste Offizier und kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Na, Allrounder Betsy Scotts Ehemann!“, half ihm Zirell auf die Sprünge. „Ursprünglich hatte Shimar Befehl, ihn nur mit zur Erde zu nehmen. Das weißt du. Aber ich bin sicher, wenn er das tun würde und ihn dort einfach nur absetzen würde, dann würden wir uns gehörig ins eigene Fleisch schneiden. Scotty hat genau die gleiche Ausbildung wie wir. Ich denke durchaus, dass er …“ „Techniker Scott ist Zivilist, seitdem er aus dem Interdimensionswirbel gekommen ist!“, unterbrach Maron sie. „Seine Ausbildung bei der Sternenflotte ist quasi 1000 Jahre her. Du kannst nicht erwarten, dass er Sternenflottenschiffe von heute und vor allem ihre Schwachpunkte so gut kennt, wie es vielleicht zu seinen Glanzzeiten der Fall war. Der Interdimensionswirbel hat …“ „Der hat ihn gar nichts vergessen lassen!“, sagte Zirell bestimmt. „Außerdem ist Scotty sehr anpassungsfähig, was solche Dinge angeht. Er wird das schon machen. Ich denke, wir können und sollten uns auf ihn verlassen. Er hat mir gesagt, dass er einen Plan hat, bei dem wir unter Umständen keinen einzigen Schuss abgeben müssen. Ich bin neugierig, was das für ein Plan ist.“ „Du hasst dich ködern lassen!“, warf Maron ihr vor. „Du riskierst das Leben unserer Leute, um deine eigene Neugier zu befriedigen?!“, fragte Maron empört. „Wenn du das wirklich tust, dann bist du nicht besser als Sytania!“ „Das habe ich nicht gesagt.“, antwortete Zirell im Vergleich zu ihm sehr ruhig. „Ich werde es sogar der Zusammenkunft melden. Aber ich bin sicher, sie werden Scottys Plan auch zustimmen.“ „Kennst du denn seinen Plan?“, fragte Maron. „Ich habe nur in seinem Geist sehen können, dass er einen hat.“, antwortete Zirell, die dies, als einzige Tindaranerin, ja beurteilen konnte. „Er hat etwas vor und ich vertraue ihm. Ich meine, es ist Scotty!“ „Ich würde McKnight auch mein Leben anvertrauen, wenn es von ihrer technischen Expertise abhinge.“, musste Maron zugeben. „Na also.“, sagte Zirell und grinste ihn an. „Und sie ist ja auch nur eine Astronautin aus dem 21. Jahrhundert, die ein Wirbel zu uns gespült hat. Aber sie ist ein technisches Genie und das ist Scotty auch.“ „Ich weiß.“, sagte Maron und seufzte.

„Was beschäftigt dich?“, fragte dieses Mal Zirell. „Ich müsste mit unserem technischen Genie noch einiges klären.“, antwortete der Spionageoffizier. „Und was wäre das?“, fragte Zirell. „Es geht um die Daten der Xylianer.“, sagte Maron. „Ich meine, mir will einfach nicht in den Kopf, wie sie das angestellt haben. Insbesondere stört mich dieser Eintrag aus Siskos Logbuch, den sie anscheinend ohne Beschädigung rekonstruiert haben. Wieso geht das, wenn Sisko ihn gelöscht hat? Ich denke viel eher, dass die Xylianer ihn zusammengeschnitten haben und die Schnitte retuschiert haben. So klingt er, als wäre er so verfasst worden und wir merken nicht, dass …“ „Du willst den Xylianern doch nicht etwa unterstellen, dass sie uns alle belügen!!!“, fuhr Zirell ihn an. „Ich unterstelle niemandem etwas ohne Beweise.“, verteidigte sich der Demetaner. „Das darf ich schon von Berufswegen nicht. Aber ich wünschte, dass es so wäre.“ „Warum begrüßt du es, wenn ein politischer Verbündeter uns die Unwahrheit vorspiegelt?“, fragte Zirell, die über sein Verhalten sehr verwirrt war. „Warum hoffst du darauf?!“ Sie sah ihn streng an.

Maron wankte auf seinen Stuhl zu und setzte sich. Zirell aber blieb völlig unbeeindruckt auf ihrem Platz sitzen und beobachtete das Schauspiel nur. Sie fixierte ihn mit den Augen, denn sie wusste, dass sie ihn jetzt genau dort hatte, wo sie ihn haben wollte.

„Beantworte meine Frage!“, befahl Zirell. „Und beantworte sie ehrlich! Du weißt, dass ich das jederzeit überprüfen kann!“ „Weil ich lieber einem Außenstehenden eine Lüge unterstelle, als zugeben zu müssen, dass ein Kamerad Mist gebaut hat, Zirell.“, sagte Maron geknickt, fühlte sich aber im gleichen Augenblick auch sehr erleichtert. „Als Mist würde ich den geplanten Mord an den romulanischen Gesandten nun wirklich nicht bezeichnen.“, sagte Zirell. „Du hast Recht.“, sagte Maron und schämte sich fremd. „Das klingt viel zu harmlos! Das ist ein Verbrechen, das ein Sternenflottenoffizier normalerweise weder billigen noch selbst begehen darf. Aber statt die Romulaner aufzuklären, hat Sisko Garaks Tun zwar gegenüber ihm selbst getadelt, die Staatsorgane beider Seiten aber offensichtlich im Unklaren gelassen, so dass beide Seiten davon ausgegangen sind, es wären die Gründer gewesen. Das ist Beihilfe! Oder zumindest Duldung einer Straftat, falsche Verdächtigung! Er war ein Mittäter, oder besser der Drahtzieher, denn er hat es geplant und dann hat er es stillschweigend hingenommen und somit alle belogen! Ein Verhalten, das man von einem Offizier der Sternenflotte doch wohl am wenigsten erwarten würde!“

Zirell warf ihm einen Blick zu, der für ihn wie eine Rettungsleine wirkte, mit der sie ihn jetzt wieder aus den psychischen Stromschnellen, in die er geraten war, an Land zog. „Du kommst damit überhaupt nicht klar, stimmt’s?“, fragte sie. Der Demetaner nickte erschöpft. „Dann will ich dir jetzt mal zwei Dinge sagen.“, sagte die Tindaranerin und lehnte sich zurück, um dann einen weisen Blick aufzusetzen. Dann sagte sie: „Zum Ersten tun verzweifelte Wesen verzweifelte Dinge und zum Zweiten glaube ich, dass sich deine Föderation ihre moralischen Ziele viel zu hoch gesteckt hat. Sie besteht aus Lebewesen und Lebewesen machen Fehler und können Dinge wie Verzweiflung empfinden, die sie zu Verzweiflungstaten zwingen können. Aber dann 800 Jahre lang darüber zu schweigen und eine weiße Weste vorzuspielen, wo man keine hat, das finde ich ebenso verwerflich, wenn nicht sogar verwerflicher. Aber wenn die Staatsorgane noch nicht einmal die Wahrheit kannten, konnten sie ja auch den Romulanern gegenüber nichts sagen und um Entschuldigung bitten. Vom Zeitpunkt des Bündnisses bis heute ist ja von völlig falschen Tatsachen ausgegangen worden. Kein Wunder, dass Sytania hier einhaken konnte.“ „Das war ein gefundenes Fressen für sie!“, sagte Maron frustriert. „Aber Lügen haben tatsächlich kurze Beine. Die Wahrheit holt einen eben immer wieder ein und wenn es 800 Jahre dauert.“ Zirell nickte zustimmend.

Wieder seufzte Maron, aber dieses Mal klang sein Seufzen erleichtert. „Ich hatte solche Furcht vor dem Termin mit Jenn’.“, sagte er. „Warum?“, fragte die tindaranische Kommandantin. „Hattest du Angst, sie könnte dir erklären, dass der Eintrag wirklich so lautete und nicht anders und sie könnte dir auch plausibel zeigen, wie die Xylianer es angestellt haben?“ „Genau das.“, sagte Maron. „Aber jetzt geht es mir schon besser damit. Jetzt, wo du mir die Augen geöffnet hast. Egal was sie sagt, ich werde es schon verkraften und dann entsprechend damit umgehen.“ „Hast du schon einen Termin mit ihr vereinbart?“, fragte Zirell. „Das habe ich.“, sagte Maron. „Wir treffen uns nach dem Mittagessen in der Simulationskammer. Zumindest hat sie das selbst angeboten. Sie hat wohl schon mit meiner Frage gerechnet und etwas vorbereitet.“ „Du wirst ihr genügend Anhaltspunkte geliefert haben.“, schlussfolgerte Zirell. „Schließlich weiß sie, dass du mit solchen technischen Rätseln bisher immer gern zu ihr gekommen bist.“ „Das stimmt.“, sagte Maron. „Und ihre Art, technisch komplizierte Dinge zu erklären, ist immer sehr einleuchtend. Ich schätze, davor hatte ich Angst. Ich hatte wohl Angst, es könnte mir am Ende alles logisch erscheinen.“ „Das wird es auch, Maron!“, versicherte Zirell. „Jedenfalls logischer, als deine Theorie, die Xylianer hätten uns belogen. Sie hätten doch dafür überhaupt kein Motiv.“ „Das stimmt.“, sagte Maron. „Aber Sisko hatte ein Motiv. Seine Verzweiflung.“ „Das stimmt.“, sagte Zirell. „Aber ich bin sicher, dieses Gefühl kennen die Romulaner auch. Denk mal drüber nach. Vielleicht lässt sich darüber ja sogar eines Tages eine gemeinsame Basis für eine Versöhnung finden, obwohl Mord nicht verjährt, was ich natürlich auch weiß und eine Bitte um Entschuldigung nichts ungeschehen machen würde.“ „Das sehe ich noch nicht, Zirell.“, sagte Maron. Dann widmeten sich beide schweigend und bestürzt ihrer Arbeit.

Kapitel 44: Prinzessin sucht Prinz

von Visitor

 

Joran und IDUSA waren wohl weitaus besserer Dinge. Sie waren inzwischen im Universum der positiven Föderation angekommen und der Vendar hatte sein Schiff in die Umlaufbahn von Bajor gesteuert. Dort hatte er ihr befohlen, ihren Energieausstoß so weit es ging zu reduzieren, damit sie nicht eventuell von den falschen Leuten entdeckt werden konnten. Mit den falschen Leuten meinte er aber nicht die Bajoraner, sondern seine ehemaligen Kameraden, die bei Sytania verbliebenen Vendar. Er ahnte wohl bereits, dass die Prinzessin wohl mindestens einen von ihnen schicken könnte, um einen ihrer widerwärtigen Pläne auszuführen.

Der Avatar der neuen IDUSA-Einheit zeigte sich Joran plötzlich mit besorgtem Ausdruck in den Augen. Vorher hatte der versierte Pilot nur die Steuerkonsole gesehen, die jetzt in den Hintergrund geriet, was für ihn auch ein Zeichen war, dass IDUSA die Kontrolle übernommen hatte. Das Schiff drehte sich langsam. „Was ist los?“, fragte Joran, der sich denken konnte, dass sie so etwas nicht ohne Grund tat. „Ich muss Ihnen etwas zeigen, Joran, das ich nicht verstehe.“, erwiderte die Stimme des selbstständig denkenden Schiffsrechners. „Dann lass mal sehen.“, sagte Joran und erwartete ihre Informationen, die sie ihm gleich darauf auf dem virtuellen Schirm präsentierte. Er sah ein Wellenmuster, das er aber sehr gut einzuordnen vermochte. „Das ist das Antriebsmuster eines Veshel.“, sagte er. „Das kann ich nur bestätigen.“, entgegnete IDUSA. „Es endet in der Umlaufbahn von Bajor, aber ich sehe kein Schiff.“ „Meine ehemalige Herrin wird das Schiff und ihren Piloten unsichtbar gemacht haben!“, erklärte der Vendar mit viel Sicherheit in der Stimme, der ja Sytanias Gewohnheiten sehr gut kannte. Schließlich hatte er rund 90 Jahre lang in ihren Diensten gestanden. „Sprechen wir hier über Tarnvorrichtungen?“, fragte IDUSA, die das Ganze nicht wirklich verstehen konnte. „Wenn es so eine gäbe, dann müsste ich doch zumindest ihren Energieausstoß registrieren.“ „Es ist keine technische Tarnung.“, erklärte Joran. „Eher eine mentale, wenn du so willst.“ „Sie wollen damit sagen.“, schlussfolgerte das Schiff. „Solange Sytania nicht will, dass wir das Schiff oder ihren Piloten sehen, sehen wir sie auch nicht? Ich meine, Sytania ist eine Mächtige. Was sie will, das geschieht.“ „Korrekt!“, lächelte Joran. „Du bist sehr klug, IDUSA.“ „Ich danke Ihnen.“, sagte das Schiff. „Aber das habe ich nur den tindaranischen Ingenieuren zu verdanken. Sie haben mich mit der entsprechenden Grundprogrammierung ausgestattet, deren Informationen zweifelsfrei auch sicher von Ihnen kommen, was Sytania angeht. Ich hörte, Sie hätten die Zusammenkunft umfassend informiert.“ „In der Tat.“, bestätigte Joran.

Wie es Joran bereits vermutet hatte, war Dirshan, nachdem er mit seinem Schiff Bajor erreicht hatte, in die Feuerhöhlen gebeamt. Hier hatte er den Kontaktkelch ausgepackt und ihn vor sich auf den Boden gestellt. Er hatte gehofft, dass seine Herrin dies sehen würde, was sie auch getan hatte, denn Sytania hatte ihn beobachtet. Recht so!, lobte sie telepathisch, Hier soll der Platz für unser Rendezvous sein. Romantisch, nicht wahr? Dirshan nickte, aber er machte nur gute Miene zum bösen Spiel. Er wusste, dass Sytania alle Aspekte der Romantik gern ins Lächerliche zog. Wie Ihr wünscht, Gebieterin., dachte Dirshan und tat, wie sie ihm geheißen hatte.

IDUSA hatte festgestellt, dass sie wohl in der Umlaufbahn des Planeten bald nicht mehr allein sein würden. Sie hatte mit ihren Sensoren den Planeten gescannt und bemerkt, dass von einem der wohl militärisch genutzten Raumflughäfen aus ein kleines Schiff gestartet war und Kurs in ihre Richtung gesetzt hatte. „Joran, wir bekommen Gesellschaft.“, meldete sie ihrem Piloten. „Zeig mir, was du siehst, IDUSA!“, befahl Joran. Bereitwillig führte sie seinen Befehl aus. Jetzt sah der Vendar auf dem virtuellen Schirm das kleine bajoranische Schiff, das nur mit einem ca. 180 cm messenden Bajoraner mit roten kurzen Haaren besetzt war, der eine Uniform trug. „Ich denke, er wird sich auch ansehen wollen, was hier vorgeht.“, sagte Joran. „Sobald er in die Umlaufbahn einschwenkt, rufst du ihn und verbindest ihn mit mir.“ „Wie Sie wünschen.“, erwiderte das Schiff.

 

Und nun?, wollte er wissen. Nun schau hin!, wies ihn Sytania an und dann sah Dirshan nur noch einen schwarzen Blitz, der von der Decke herabfuhr. Der Junge beobachtete, wie der Blitz in den Kelch einschlug. Wenig später erhob sich der Kelch und begann zu tanzen. Dirshan, der so etwas noch nie gesehen hatte, bekam es leicht mit der Angst zu tun. Wovor fürchtest du dich, Dirshan?, fragte Sytanias Stimme, aber dieses Mal fühlte der Vendar tatsächlich ihre Anwesenheit, als sei sie nicht mehr im Dunklen Imperium, sondern hier bei ihm in den bajoranischen Feuerhöhlen. Seid Ihr es, die den Kelch bewegt, Herrin?“, fragte Dirshan voller Ehrfurcht. Ja, ich bin es, Dirshan., antwortete Sytania. Aber ich bin nicht allein. Lass mich dir meinen Verlobten vorstellen!

Dirshan hatte das Gefühl, dass ein geistiger Vorhang zur Seite glitt. Jetzt spürte er auch die Anwesenheit eines anderen Wesens innerhalb des Kelches. Sytania, oder das Wesen selbst, mussten das bis jetzt verhindert haben.

Er erschrak etwas, als er die ihm noch sehr fremde Stimme in seinem Geist vernahm: Fürchte dich nicht, Vendar! Ich bin der, den Sytania, deine Herrin, auserwählt hat, um mit ihr den zu erschaffen, der Angst und Schrecken über alle Dimensionen bringen wird! Sie hat mich aus meinem elenden Dasein in diesem Gefängnis befreit. Aber wie?, fragte Dirshan Sytania und sich gleichermaßen, denn er spürte genau, dass nicht nur der Palgeist, sondern auch sie, noch immer Verbindung mit ihm hatten. Muss dazu nicht ein bestimmtes Ritual ausgeführt … Sterbliche!, lachte Sytania. Sterbliche müssen ein Ritual ausführen, aber ich, ich, ich bin eine Mächtige! Solche albernen Einschränkungen gelten für mich nicht! Das müsstest du doch eigentlich längst wissen, Dirshan! Vergebt mir bitte, Herrin., stammelte Dirshan. Das hatte ich wohl nicht bedacht. Dir sei verziehen., sagte Sytania. Du bist schließlich ja eigentlich noch ein Novize. Was ist das für ein Tanz, den Ihr aufführt?, fragte Dirshan. Erklär du es ihm, Schatz., meinte Sytania zu dem Palgeist. Wie du wünschst, mein Liebling., gab dieser zurück. Pass auf, Junge! Dieser Tanz ist unser Verlobungswalzer., erklärte der Palgeist. Er soll dir zeigen, wie gut wir harmonieren. Urteile selbst! Wie gut passen wir deiner Meinung nach zusammen?!

Eine Weile lang sah Dirshan dem Tanz des Kelches zu. Dann dachte er: Ihr passt vortrefflich zusammen, wenn ich meine bescheidene Meinung äußern darf. Natürlich darfst du!, meinte der Palgeist. Sonst hätten wir dich das hier bestimmt nicht sehen lassen. Du wirst dies noch zwei Mal mit noch anderen Partnern zu sehen bekommen., informierte ihn Sytania. Deine und Cirnachs Meinung sind mir sehr wichtig, weißt du? Cirnach ist bei mir im Schloss und hilft mir von dort, den passenden Ehemann zu finden. Deine Aufgabe ist es, dies von Bajor in den Feuerhöhlen aus zu beurteilen. Setze dich mit deinem Schiff in Verbindung und lasse dich mit dem Rufzeichen von Cirnachs Sprechgerät verbinden, damit auch ihr euch austauschen könnt. Wie Milady wünschen., erwiderte Dirshan und gab die entsprechenden Befehle in sein Sprechgerät ein, nachdem er es aus der Tasche geholt hatte.

Das tindaranische Schiff hatte Jorans Befehl ausgeführt. Jetzt sah der Vendar auf dem virtuellen Schirm das lächelnde Gesicht des bajoranischen Piloten. „Sei gegrüßt.“, begrüßte er ihn. „Tag auch!“, gab der Bajoraner schmissig zurück. „So was habe ich ja noch nie gesehen. Ein Vendar, der ein tindaranisches Schiff fliegt.“ „Ich arbeite für Zirell El Tindara!“, antwortete Joran stolz. „Sie ist die Anführerin der Crew von Basis 281 Alpha!“ „Ach du bist das.“, sagte der Bajoraner. „Dann sollte ich mich wohl glücklich schätzen, so einer Berühmtheit zu begegnen. Das ganze Universum redet nur gut von dir. Aber was machst du hier?“ „Ich bin auf einer Aufklärungsmission.“, sagte Joran. „Oh, dann sind wir schon zu zweit.“, sagte der Bajoraner. „Ich soll auch einige Bilder schießen. Der Kai soll sich zu euch geschmuggelt haben, sagt man, nachdem er eine Vision von den Propheten empfangen hat, in der sie zugeben, dass sie Hilfe brauchen, weil sie was nicht kapieren. Zumindest meinte das mein kommandierender Offizier, als er mit mir allein über diese Mission sprach, zu der ich mich freiwillig gemeldet habe. Es ist nämlich was passiert, das mich an der ganzen Sache hier gehörig zweifeln lassen hat. Der Wäscher war auch auf Bajor und hat das bei mir versucht, aber meine Handkante war wohl sehr überzeugend! Daraufhin habe ich nur auf eine Gelegenheit gewartet, es Sytania so richtig zu geben! Mir kann keiner erzählen, dass der Wäscher von den Propheten kam. Die sind nämlich viel rätselhafter, als es dieser Wäscher war. Der war mir zu direkt. So sind unsere Götter nicht! Pah!“ „Du bist also nicht sehr gläubig?“, meinte Joran. „Oh, doch.“, entgegnete der bajoranische Soldat. „Gerade deshalb weiß ich das ja so genau und lasse das nicht mit mir und den Propheten machen. Ich lasse nicht zu, dass Sytania ihren guten Nahmen derart in den Dreck zieht! Nicht mit mir! Nicht mit Mura Orton! Irgendwie tat mir dieser Typ ja leid, als er da so hilflos vor mir im Staub lag, weißt du? Der arme Kerl wurde ja auch nur von Sytania benutzt, aber was sein musste, das musste sein! Ich lasse mir doch nicht von jedem in meinem Geist herumpfuschen! Offensichtlich konnte er seine Kräfte nicht mehr benutzen, als er Schmerz empfand.“ „Das ist ein Teil des Kontrollmechanismus, Orton El Bajor.“, erklärte Joran. „Meine Herrin belässt gern einen Teil der Sterblichkeit bei ihren Marionetten, um sie besser im Griff zu haben.“ „Hey, Kompliment!“, staunte Orton. „Du bist der erste Nicht-Bajoraner, der die Sache mit Vor- und Nachnamen bei mir nicht verdreht hat, Joran Ed Namach, also Joran, der zu Namach gehört. Oder besser, der Witwer von Namach ist. Deine Geschichte ist uns ja allen bekannt. Oh, Sorry!“ „Schon gut, Orton El Bajor.“, sagte Joran. „Ich habe die Trauer über Namachs Tod längst überwunden. Wie ich sehe, haben wir beide gut über die sprachlichen Feinheiten der Kultur des jeweils anderen recherchiert. Aber du sagtest, du wärst auf einer Aufklärungsmission. Wie wäre es, wenn wir zusammenarbeiten würden?“ „Einverstanden.“, sagte Orton. „Ich bräuchte nämlich ganz dringend Hilfe! Wie du siehst, sehen wir nichts und ich würde das gern ändern. Hättest du eine Idee?“

IDUSA legte die Verbindung plötzlich in die Warteschleife und ihr Avatar ließ es sich für Joran anfühlen, als tippe sie ihm auf die Schulter. „Was gibt es, IDUSA?“, fragte Joran. „Ich hätte eine Idee.“, sagte das Schiff. „Wie wäre es, wenn ich mit der Rosannium-Waffe eine geringe Dosis auf das Ende der Antriebsspur schieße? Nur so viel, wie es braucht, damit meine Sensoren Umrisse sehen können. Sytania wird dann wahrscheinlich nur etwas leichten Kopfschmerz empfinden, den sie sicher nicht unbedingt mit uns in Verbindung bringt, wenn wir uns am unteren Ende der von mir berechneten Toleranz bewegen. Außerdem würde ich gern eine Datenverbindung zwischen mir und dem bajoranischen Schiff aufbauen. Dann könnte sich mancher umständliche SITCH zwischen Orton und Ihnen erübrigen. Unsere Betriebssysteme müssten kompatibel sein.“ „Sehr gut.“, grinste Joran. „Gib mir Orton El Bajor.“

Der Avatar nickte und führte seinen Befehl aus. „Was war das denn?“, fragte der leicht irritierte Bajoraner. „IDUSA hat mir einen Vorschlag gemacht, den du noch nicht unbedingt hören solltest.“, erklärte Joran. „Du weißt, dass sie laut der tindaranischen Rechtsprechung das Recht dazu hat.“ „Oh ja.“, sagte Orton. „Und was ist das für ein Vorschlag?“ „Sie will das Ende der Antriebssignatur mit einwenig Rosannium beschießen.“, sagte Joran. „Gerade so viel, dass wir Umrisse photographieren können. Sytania wird dann nur etwas Kopfschmerz empfinden. Sie wird hoffentlich nicht auf uns kommen. Außerdem möchte sie mit deinem Schiff eine direkte Datenverbindung aufbauen, damit wir effizienter kommunizieren können. Sie meint, ihre Systeme müssten kompatibel sein.“ „Gute Idee!“, sagte Orton. „Darüber habe ich nämlich auch schon nachgedacht. Aber ich hatte Angst, nicht die richtige Dosis zu erwischen. Mein Schiff hat nämlich auch eine Rosannium-Waffe. Aber Sytania ist deine ehemalige Herrin, also kennst du dich da wohl besser aus. Ich vertraue dir in der Hinsicht und wegen der Datenverbindung mach dir auch mal keine Sorgen. Ich bin damit auch einverstanden und wenn mein Schiff das anders sehen sollte, dann werde ich es schon überzeugen. Ich bin nämlich Computerfreak!“ „Also gut.“, sagte Joran. „Aber wir selbst sollten uns verstecken, um nicht gesehen zu werden. Aber ich denke, das sollte deine Aufgabe sein, Orton El Bajor. Das hier ist deine Heimat und hier kennst du dich aus.“ „Na dann komm mal mit.“, sagte Orton grinsend, ließ sein Schiff ein kurzes Signal mit den Positionslichtern von sich geben und flog los. Das Signal und seine Bedeutung waren Joran sehr gut bekannt. Es war der allgemein zwischen der Föderation und ihren Verbündeten bekannte Code für: „Bitte folgen.“ „Na komm, IDUSA.“, motivierte Joran das zögerlich den Antrieb aktivierende Schiff. „Eine solche Einladung sollten wir nicht ausschlagen.“ „Wie Sie meinen.“, sagte IDUSA und folgte mit einem viertel Impuls.

Cirnach hatte Sytania beim Verlassen ihres Körpers überwacht. Jetzt sah sie mit Zufriedenheit, dass ihre Herrin in ebendiesen zurückgekehrt war. „Was haltet Ihr von Kandidat Nummer eins, Milady?“, fragte die Vendar. „Nun.“, antwortete die Königstochter. „Er ist ganz passabel. Aber ich möchte doch noch sehen, was die anderen Beiden zu bieten haben.“ „Dies bleibt Euch ungenommen.“, lächelte Cirnach. „Schließlich solltet Ihr Euch den besten Partner für die Erschaffung des Geistwesens aussuchen. Mit einem minderwertigen Vater könnte es ja sein, dass es viel zu leicht besiegt werden kann und das ist ja wohl das Letzte, was Ihr wollt.“ „Recht hast du.“, sagte Sytania. „Das ist wirklich das Letzte, was ich will. Also, lass uns erneut zur Tat schreiten!“ „Wie Ihr wünscht, Prinzessin.“, sagte Cirnach und setzte ihr die Maske wieder auf, die gewährleistete, dass ihr Körper auch während der Zeit, in der sie ihn verlassen hatte, am Leben blieb. Sie war zwar eine Mächtige und damit eigentlich auf medizinische Geräte nicht angewiesen, aber dieser Schutz entfiel, sobald ihre geistige Energie nicht mehr in ihrem Körper war und er somit nicht mehr von ebendieser geschützt wurde.

Joran und Orton hatten einen Mond, der Bajor umkreiste, erreicht. Hinter diesem deaktivierten sie nun die Antriebe ihrer Schiffe. Auch die Datenverbindung hatte IDUSA ohne Schwierigkeiten etablieren können. Die von Orton befürchteten technischen Probleme waren ausgeblieben. „Joran, Orton ruft uns.“, sagte IDUSA. „Stell ihn durch!“, befahl Joran.

Auf dem virtuellen Monitor vor Jorans geistigem Auge erschien das Gesicht des stolz dreinschauenden Bajoraners. „Na, Joran!“, sagte Orton. „Ist das nun ein Versteck, oder ist das keins?“ „Es ist in der Tat ein sehr gutes Versteck.“, erwiderte Joran. „Soweit ich sehe, werden wir sogar noch von universeller Strahlung geschützt, die so auf uns fällt, dass wir quasi getarnt sind.“ „Wusste ich doch. Wusste ich doch.“, lachte Orton.

IDUSA, die jetzt von allen gehört werden konnte, weil ein Teil der Verbindung ja schließlich über ihre Systeme lief, räusperte sich plötzlich und mischte sich ein: „Gentlemen, wir werden ein Problem bekommen. Laut meinen Daten sind die Sensoren Ihres Schiffes, Orton, nicht so hoch auflösend wie meine. Außerdem haben sie eine zu geringe Reichweite. Ich befürchte, Sie werden gar nichts sehen.“

Joran dachte nach und kratzte sich am Kopf. Inzwischen aber meldete sich Orton: „Das macht nichts. Dann werde ich eben wieder näher heranfliegen!“ „Dein Mut in Ehren, Orton El Bajor.“, erwiderte Joran. „Aber ich halte das für keine sonderlich gute Idee. Du könntest gesehen werden und unter Umständen könnte man dir starke Probleme bereiten. Wir wissen nicht, wie viele Vendar da unten sind! Wenn die dich erblicken, machen sie sicher kurzen Prozess und du hättest vielleicht gegen diese Übermacht gar keine Chance! Das sollten wir lieber lassen!“ „Hast du vielleicht eine bessere Idee?!“, fragte Orton empört. „Nein, die habe ich nicht.“, gab Joran betont ruhig zurück. Er wollte in jedem Fall der sein, der jetzt Vernunft ausstrahlte. Er kannte seine ehemaligen Kameraden und wusste sehr genau, was diese bereit waren, für Sytania und ihren fragwürdigen Ruhm zu tun.

Jetzt sah er, wie sich Ortons Schiff tatsächlich wieder auf dem Kurs, den sie geflogen hatten, um in ihr Versteck zu kommen, zurückbewegte. „IDUSA, hilf mir!“, wendete er sich verzweifelt an sein Schiff. „Er wird sich noch in Lebensgefahr begeben.“ „Das ist mir auch klar.“, sagte IDUSA. „Aber die Bajoraner sind als relativ starrsinnig bekannt. Sie werden laut meinen Berechnungen der Wahrscheinlichkeiten wohl kaum eine Chance haben, ihn verbal umzustimmen. Aber wir müssen ihn ja ohnehin begleiten, weil wir ja noch einen Schuss auf das Ende der Antriebssignatur des Veshel abgeben müssen. Wir sollten aber mit der gleichen Dosis auch in die Atmosphäre von Bajor feuern, denn wo ein Schiff ist, da ist mindestens auch ein Pilot und der wird sicher etwas auf dem Planeten vorhaben.“ „In der Tat, IDUSA.“, sagte Joran. „Dann lass uns ihm folgen.“

Sytania hatte erneut ihren Körper verlassen und war in den Kontaktkelch gegangen. Von hier aus instruierte sie Dirshan nun telepathisch: Nimm jetzt den Kelch und bring ihn auf die andere Seite des Felsvorsprung. Wie Ihr wünscht, Gebieterin., gab der Novize zurück und führte ihre Instruktionen aus. Er fragte sich allerdings, warum sie jetzt, wo sie sich in dem Kelch befand, ihn nicht selbst telekinetisch dorthin beförderte. Aber das sollte ihm ziemlich bald selbst klar werden, denn kaum war Dirshan dort angekommen, bekam er schon wieder die nächste Order: Behalte deine Hände auf dem Kelch, solange ich es dir sage! Wir machen es dieses Mal etwas anders mit dem Erspüren der Harmonie. Immer der gleiche Tanz ist doch auf die Dauer ziemlich langweilig, oder? Ihr habt Recht, Herrin., meinte Dirshan und ließ seine Hand auf dem Kelch ruhen. Alsbald fuhr ein erneuter schwarzer Blitz auf ihn und den Kelch herab und er spürte das Bewusstsein von zwei Kreaturen darin. Aber es kam Dirshan vor, als würden sich beide küssen. Habt Ihr Euch gerade mit dem Palgeist geküsst, Milady?, fragte der Novize ungläubig. Das habe ich!, gab Sytania zurück. Nun, ich kann, wie du weißt, keine Liebe empfinden und weiß daher nicht, was sonst noch als Liebessymbol gelten könnte, aber du, Dirshan, du kannst mir doch sicher etwas sagen. Wir hatten den Tanz, den Kuss und was könnte jetzt wohl kommen? Vielleicht eine Art romantisches Picknick., schlug Dirshan vor. Interessant., meinte Sytania. Und wie hast du dir das vorgestellt? Wartet bitte einen Moment, Gebieterin., bat der Novize. Dann werdet Ihr es sehen.

Er gab einige Befehle in sein Sprechgerät ein, worauf der Replikator seines Veshel einen Kristall zauberte, der künstliche Energie enthielt, die Sytanias neuraler Energie doch sehr nah kam. Dieser wurde vom Transporter direkt zu seiner Position gebeamt. Dann nahm Dirshan das Mikrofon seines Sprechgerätes in die Hand: „Cirnach, was hältst du eigentlich von den bisherigen Kandidaten?“ „Der Zweite war potenter, was seine Energie anging, als der Erste.“, gab die erwachsene Vendar zurück. „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Dirshan. „Ich wollte nur sichergehen.“

Die Kamera des Sprechgerätes zeigte Cirnach den Kristall. „Das finde ich eine sehr vortreffliche Idee, Dirshan.“, lobte sie. „Ich nehme an, du hast die Energie in dem Kristall ungefähr der unserer Herrin nachempfinden lassen?“ „Das stimmt.“, sagte Dirshan. „Damit wollte ich auch testen, ob sich die Beiden gut vertragen.“ „Im übertragenen Sinne also, ob dem Palgeist Sytanias Hausmannskost lieb ist, nicht wahr?“ „So könnte man es ausdrücken.“, sagte Dirshan, der wohl ein Donnerwetter erwartete. Aber stattdessen sagte Cirnach nur: „Sehr gut! Weißt du, es wird in so mancher Ehe über nichts mehr gestritten, als über die Kochkunst.“ Dirshan grinste erleichtert.

Orton war aufgefallen, dass Joran und sein Schiff ihm gefolgt waren. Sofort nahm er wieder Sprechkontakt zu dem Vendar auf. „Hast du es dir doch noch überlegt?“, fragte er. „Das habe ich nicht.“, sagte Joran sehr ehrlich. „Ich muss nur noch etwas erledigen und es liegt mir nichts daran, dir dabei zuzusehen, wie du dich selbst in Gefahr bringst.“ „Ach ja.“, sagte der Bajoraner. „Der Schuss auf das Ende der Signatur. Aber wenn es ein Veshel gibt, wo ist dann der Pilot?“ „Der wird irgendwo auf Bajor sein.“, vermutete Joran. „Aber das kriegen wir ganz leicht raus, indem wir auch noch einen Schuss in die Atmosphäre abgeben. Dein Volk besteht aus Nicht-Telepathen, Orton El Bajor. Denen wird es nichts ausmachen.“ „Wohl wahr.“, sagte Orton. „Aber wie lösen wir jetzt das Sensorenproblem? Ich meine, mir ist auch klar, dass deine ehemaligen Kameraden, wenn sie uns erwischen, kein heiles Haar an uns lassen werden, aber was sollen wir machen?“

IDUSA schaltete sich auf die Sprechverbindung auf. Da sich in Ortons Shuttle keine Simulatoren befanden, wusste sie, dass er sie nur hören und nicht sehen können würde, aber für den Zweck, den sie verfolgte, würde auch das ausreichen. „Verzeihen Sie, dass ich mich einmische, Gentlemen.“, sagte sie. „Aber ich hätte einen Vorschlag, bei dem sicher keiner von Ihnen den Heldentod wegen ein paar Fotos sterben muss.“ „Wir hören, IDUSA.“, sagten Joran und Orton wie aus einem Munde. „Beide Schiffe, also, Ihr Schiff, Orton, und ich, benutzen meine Sensoren, um Bilder zu bekommen. Falls das nicht reicht, kann ich immer noch Kontakt zur tindaranischen interdimensionalen Sensorenplattform aufnehmen und sie, meine alte Freundin, um Hilfe bitten. Das geht auch alles aus unserem Versteck heraus.“, sagte IDUSA. „Einverstanden.“, stimmten die Männer zu und IDUSA konfigurierte die Datenverbindung.

Sie kamen bald an einer Position an, von der aus es gut möglich war, sowohl das Ende der vendarischen Antriebssignatur, als auch die bajoranische Atmosphäre mit Rosannium zu kontaminieren. IDUSA nahm das gleich zum Anlass, die Datenverbindung mit Ortons Schiff zu überprüfen. „Orton wird gleich sehen, was auch Sie sehen, Joran.“, erklärte sie. „Ah.“, sagte der Vendar. „Das bedeutet, auch den Zielvorgang.“ „Auch den.“, bestätigte die künstliche Intelligenz. „Soll ich zielen und feuern, oder wollen Sie?“ „Gib mir die Waffenkontrolle und übernimm das Steuer!“, befahl Joran. „Verstehe.“, sagte IDUSA. „Sie wollen es sich selbst nicht nehmen lassen, den Vorhang einen Spalt zu lüften, durch den wir Sytania ins Schlüsselloch schauen.“ „In der Tat, IDUSA.“, sagte Joran. „Also gut.“, erwiderte das Schiff und ließ ihn die Waffenkonsole sehen. Jetzt sah Joran auch, auf welche Dosis sie die Rosannium-Waffe eingestellt hatte. „3,59287.“, murmelte er. „Ja, das könnte gehen.“ „Danke für Ihre Bestätigung.“, sagte IDUSA höflich. „Ich wollte mir von Ihnen, der Sytania ja so gut kennt, meine Berechnungen nur noch einmal bestätigen lassen.“ Joran grinste.

Im Fadenkreuz des Zielerfassungsgerätes erschien das Ende der Antriebssignatur. Joran stellte sich vor, den Feuerknopf auf dem virtuellen Kontrollpult für die Rosannium-Waffe zu drücken. Im gleichen Moment beförderte der Phaser die entsprechende Dosis Rosannium auf den anvisierten Punkt. Zum Vorschein kam tatsächlich das Veshel! Aber es sah aus, als sei es eine Kinderzeichnung aus einem Mahlbuch, die man ausmahlen konnte. „Mehr darf ich nicht.“, sagte IDUSA. „Sonst könnte sie doch noch aufmerksam werden, das wissen Sie.“ „Das weiß ich.“, bestätigte Joran mit tröstendem Ton in der Stimme. „Aber ich habe noch eine Idee. Gib mir Orton El Bajor!“

Das Schiff führte seinen Befehl aus und wieder sah Joran Ortons Gesicht. „Möchtest du den Schuss in die Atmosphäre übernehmen?“, fragte der Vendar den erwartungsvoll dreinschauenden Bajoraner. „Wenn ich darf?“, fragte Orton zurück. „Die Konfiguration für die Rosannium-Waffe habe ich ja, Dank der Datenverbindung. Flieg du schon mal vor in unser Versteck. Ich mache das hier schon.“ „Also schön.“, sagte Joran. „Aber denke daran. Nur einmal feuern! Nur ein Mal!“ „Ja, ja.“, beruhigte ihn Orton. „Oder hältst du mich für einen totalen Anfänger! Ich bin kein Kadett mehr! Krieg’ das in deine große behaarte Birne! Aber wenn es dich beruhigt, kann ja IDUSA beim ersten Anzeichen von Ärger den Phaser meines Schiffes lahm legen. Dank der Datenverbindung geht das ja. Aber ich werde dir schon beweisen, dass ich keine Dummheiten vorhabe.“ „Na gut.“, sagte Joran und gab IDUSA den Gedankenbefehl zum Kurssetzen ins Versteck. „Diese Bajoraner sind ganz schön mutig, IDUSA.“, stellte er fest. „Nun, Joran.“, setzte das Schiff zu einer Erklärung an. „Sie kämpfen vielleicht auch mit dem Mut der Verzweiflung. Ihr Planet war vor ca. 800 Jahren von den Cardassianern besetzt. Da mussten sie lernen, sich zu wehren. Es ist möglich, dass sie dies sehr stark in ihrer Persönlichkeit verankert haben.“ „Mag sein.“, sagte Joran. „Aber der Übergang zwischen Mut und Dummheit kann manchmal auch fließend sein.“ „Lassen Sie Orton das bloß nicht hören.“, sagte IDUSA und ließ ihren Avatar ein peinlich berührtes Gesicht machen. „Das liegt ganz bei dir.“, sagte Joran. „Solange du gerade nicht durchgestellt hattest, kann da gar nichts passieren.“ „Ich würde nichts tun, das Ihre Zusammenarbeit stören würde.“, versicherte das Schiff.

Dirshan hatte den Kristall auf den Fuß des Kontaktkelchs gelegt und dann die eigenen Hände zurückgenommen, denn er befürchtete, dass sonst seine eigene Energie die aus dem Kristall unter Umständen verwässern könnte. Er hatte seine Hände jetzt benutzt, um sein Sprechgerät zu bedienen, mit dessen Hilfe er immer noch Verbindung zu Cirnach unterhielt. „Ich überlasse die letzte Entscheidung allein dir, Cirnach.“, sagte er. „Es ist mir so einfach sicherer für uns alle. Wenn ich meine Hände auf dem Kelch gelassen hätte, wäre eventuell meine eigene Energie bei dem Picknick im Weg gewesen und die Energie eines Vendar könnte wohl auch von dem Palgeist als störend empfunden werden. Immerhin sind wir über die Grenzen aller Dimensionen hinaus als Telepathenjäger bekannt.“ „Sehr gut!“, lobte Cirnach. „Da sieht man mal wieder, wie gut du im Unterricht meines Mannes aufgepasst hast.“

Sie hatte Telzan nicht umsonst erwähnt. Damit wollte sie nämlich auch Sytania immer wieder an die Wette erinnern, die zwischen den Frauen am Laufen war. Jetzt pflegte Cirnach, immer dann das Gespräch auf Telzan zu bringen, wenn sie fand, dass es dafür der passende Moment war und jetzt, das dachte sie zumindest, war ein solcher mal wieder gekommen.

IDUSA und Joran waren ebenfalls an ihrer Position im Versteck angekommen. „Sag mir genau, was Orton El Bajor tut, IDUSA!“, beorderte der Vendar sein Schiff. „Sie scheinen ihm immer noch nicht wirklich zu vertrauen, Joran.“, schlussfolgerte die künstliche Intelligenz aus seinem Befehl. „Wenn ich ehrlich bin.“, sagte der Vendar. „Dann hast du ganz Recht. Er kennt sich mit Sytania nicht aus. Aber ich dafür um so besser. Wer sollte also deiner Meinung nach bei dieser Aktion das Kommando haben, he?“ „Sie natürlich.“, sagte IDUSA. „Aber ich für meinen Teil glaube nicht, dass Orton an Ihrer Autorität zweifelt. Die Bajoraner sind nun einmal wie sie sind und Ihr Volk hat ja auch seine Eigenheiten. Offensichtlich prallen hier zwei Welten aufeinander und … Ah, es werde Licht!“

Orton musste auf die bajoranische Atmosphäre gefeuert haben, denn im gleichen Moment stellte IDUSA Joran die Bilder durch, die ihre Sensoren jetzt von dem Planeten empfingen. Auch die Wesen und ihre Umgebung glichen Figuren zum Ausmahlen. Aber den Grund dafür kannte Joran ja bereits. „Wo ist das, IDUSA?“, fragte Joran. „Das vendarische Biozeichen, das ich jetzt empfange.“, erklärte das Schiff. „Befindet sich in einem Höhlensystem. Außerdem sehe ich einen Kontaktkelch mit Drudenfuß.“ „Zeig mir den Vendar einzeln!“, befahl Joran.

IDUSA führte seinen Befehl aus und Joran wollte sich vor Lachen schier ausschütten: „Ein Novize!“, lachte er. „Ein Novize in der Kleidung eines Truppenführers! Bei allen Göttern, wie verzweifelt muss Sytania sein?!“ „Ich denke nicht, dass sie verzweifelt ist.“, sagte IDUSA und ihr Avatar hob warnend den rechten Zeigefinger. „Ich glaube viel eher, Telzan wurde ein Opfer ihrer Launen. Er wird einige Male zu oft in ihren Augen versagt haben und dafür die Quittung erhalten haben. Ansonsten scheint mir das hier nämlich alles sehr geplant und methodisch. Ich habe keinen Anhalt dafür, dass Sytania planlos oder verzweifelt handelt. Sehen Sie selbst.“ Damit zeigte sie ihm eine Abfolge von Bildern, die sie inzwischen aufgezeichnet hatte. „Du hast Recht.“, sagte Joran, dem jetzt klar wurde, was Sytania wahrscheinlich plante.

Auch Orton war mit seinem Schiff in das Versteck hinter dem Mond zurückgekehrt. „Na, wie habe ich das hingekriegt?“, fragte er mit einem schelmischen Grinsen, das vermuten ließ, dass er noch etwas im Schilde führte.

„Joran.“, sagte IDUSA, noch bevor dieser den SITCH beantworten konnte. „Ich erhalte gerade eine Anfrage nach Integration in unsere Datenverbindung. Das Rufzeichen kenne ich nicht.“

Joran musste sich sehr zusammenreißen, um nicht wütend zu werden. „Gib mir Orton El Bajor.“, sagte er betont langsam und zählte in Gedanken auf Vendarisch bis zehn. Dann stieß er hervor: „Was hast du wieder für einen Alleingang gewagt?! Du hattest mir doch versprochen, …“ „Du willst doch sicher ganz genau wissen, was in den Feuerhöhlen vor sich geht.“, sagte der Bajoraner. „Ich habe nur eine kleine Sonde repliziert, die uns das ermöglichen wird. Sie ist von den in den Höhlen auf Bajor lebenden Spinnentieren nicht zu unterscheiden. Lass dein Schiff das doch überprüfen.“ „Du hättest dich mit mir absprechen müssen!“, brüllte Joran ins Sprechgerät.

IDUSA simulierte einen Ausfall der Sprechverbindung. Dann beendete sie diese tatsächlich und wendete sich an Joran: „Zu Ihrer Information: Ortons Behauptung ist korrekt. Ich habe die entsprechenden Befehle in seinem Replikator gefunden. Er muss auch einiges von Insektenverhalten verstehen, so naturgetreu, wie er das Verhalten der Spinne programmiert hat. Auch optisch steht die Sonde einer einheimischen Spinne in nichts nach. Von einer echten Spinne unterscheidet sie nur, dass sie einen Haufen Technologie im Bauch und ein Mikrofon und eine Kamera, sowie ein Sprechgerät hat. Im Übrigen: Sie haben mir indirekt unterstellt, das Potential zu besitzen, Ihre Zusammenarbeit zu stören. Aber das Talent dazu beweisen Sie gerade selbst wirklich exzellent!“

Rumms! Das hatte gesessen! Hätte Joran nicht ebenfalls gerade gesessen, hätten ihn die letzten Sätze seines Schiffes sicher umgehauen. „Jetzt fällst du mir auch noch in den Rücken.“, sagte er blass. „Das tue ich keineswegs.“, antwortete das Schiff. „Ich versuche lediglich, Sie davor zu warnen, einen Fehler zu begehen. Mr. Mura hat die gleiche Ausbildung, die auch ein Sternenflottenoffizier haben könnte. Er ist kein strategischer Neuling. Sie sollten ihn wirklich stärker respektieren! Sonst werden wir den Einzigen verlieren, der sich hier am besten auskennt und dann wird es schwierig. Bitte denken Sie mal drüber nach!“

Joran überlegte. Dabei fiel ihm auf, dass sie Recht hatte. In diesem Universum kannte er sich wirklich nicht gut aus und schon gar nicht auf dem Planeten Bajor. Er war also tatsächlich auf Orton angewiesen. „Lass mich noch einmal mit ihm reden, IDUSA.“, sagte er. „Ich werde es versuchen.“, sagte das Schiff. „Aber nach dem, wie Sie ihn behandelt haben, halte ich es für wahrscheinlich, dass er …“ „Mach es einfach.“, sagte Joran genervt. Er war bereit, vor Orton zu Kreuze zu kriechen.

„Ich habe ihn.“, sagte IDUSA wenig später. „Offensichtlich hat er meine kleine technische Lüge geschluckt und Sie nicht unter Verdacht, etwas damit zu tun zu haben. „Gib her!“, sagte Joran energisch. Dann setzte er einen weichen Blick auf und sagte: „Orton El Bajor, ich möchte mich bei dir entschuldigen. Deine kleine Idee mit der Sonde finde ich wirklich sehr gut! Ich werde IDUSA befehlen, die Verbindung zuzulassen. Außerdem weiß ich, dass ich auf dich angewiesen bin, weil ich mich hier nicht auskenne. Es tut mir leid, dass ich dich so behandelt habe.“ „Welch versöhnliche Töne.“, flötete Orton zurück. „Wer hat dir denn den Kopf gewaschen?“ „Mein Schiff.“, gab Joran kleinlaut zu. „Sie hat mich von den Vorzügen unserer Zusammenarbeit überzeugt und …“ „Schwamm drüber.“, sagte Orton. „Wie wär's mit einem Handel? Du akzeptierst meine Ortskenntnis und mich als vollwertig und hörst auf, mich wie ein Baby zu behandeln und ich werde jede Aktion vorher mit dir absprechen. IDUSA wird die Einhaltung des Deals überwachen.“ „In Ordnung, Orton El Bajor.“, sagte Joran.

Sytania war erneut in ihren Körper zu Cirnach zurückgekehrt, um sich mit ihr über die Entscheidung, welcher Palgeist denn nun ihr Ehemann werden sollte, zu unterhalten. Nun, Cirnach.“, setzte sie an. „Du hattest durch mich ja jedes Mal einen Einblick. Wer, meinst du, würde für den Zweck, den wir verfolgen, am besten zu mir passen?“ „Nun, Hoheit.“, sagte Cirnach. „Mir ist aufgefallen, dass der zweite Kandidat sehr viel mehr Energie als der Erste hatte, aber Eure Energie nicht so gut mit seiner harmonierte. Dies könnte unter Umständen verhindern, dass der Schöpfungsakt überhaupt gelingen wird. Aber das wisst Ihr ja sicher selbst.“

Die Prinzessin schaute überrascht, was wiederum für Cirnach sehr überraschend war. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr das nicht wusstet, Milady.“, sagte die Vendar verwundert. „Du hast Recht.“, sagte Sytania. „Ich wusste es, aber es war mir zur Zeit wohl entfallen. Aber gut, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Kandidat Nummer zwei fällt also trotz größerer geistiger Potenz schon mal raus! Aber was ist mit Kandidat Nummer eins und drei?“ „Das ist schwer zu beurteilen, Milady.“, sagte Cirnach. „Aber wer sagt denn, dass Ihr nur einen Ehemann wählen dürft. In vielen Religionen ist das so, aber Euer Bündnis hat doch nun fürwahr nichts mit Moral zu tun. Ihr solltet den Weg wählen, der für Euer und unser Vorhaben der Beste ist. Wenn Ihr den Schöpfungsakt gleichzeitig mit Kandidat eins und drei ausüben würdet, dann wäre auch das Energieproblem gelöst. Und falls jemand mit Moral und Anstand daher kommen sollte, so können wir immer noch auf die Genesianer verweisen, bei denen es ja für eine Frau normal ist, mehrere Männer zu heiraten. Die Männer dürfen aber nur einer Frau treu sein.“ „Kluge intrigante Cirnach!“, rief Sytania aus. „Ich überlege, ob ich statt deines Mannes nicht besser dich an die Spitze meiner Truppen setzen sollte.“ „Milady wissen, dass mir das Kämpfen auf dem Schlachtfeld nicht sonderlich liegt.“, entgegnete Cirnach. „Ich ziehe lieber hier die Fäden mit Euch.“ „Also gut.“, sagte Sytania. „Dann gilt unsere Wette also weiterhin. Informiere Dirshan über unsere Entscheidung und lasse ihn wissen, dass ich nun beide meiner Ehemänner in den Kelch transferieren werde, den er dann zu mir bringt. Er soll den Kelch noch einmal zum Gefängnis von Kandidat Nummer eins bringen und dann zu dem von Nummer drei.“ „Wie Ihr wünscht, Herrin.“, sagte Cirnach und nahm ihr Sprechgerät zur Hand, über das noch immer eine in der Warteschleife liegende interdimensionale Sprechverbindung mit Dirshans Rufzeichen bestand. „Hör zu, Junge!“, instruierte sie den Novizen. „Unsere Herrin Sytania wünscht, dass du den Kelch noch einmal zu dem Platz bringst, in dem sich Kandidat Nummer eins befindet. Dann wirst du warten, bis er in dem Kelch ist und das Ganze dann zurück zu dem Platz bringen, an dem du Kandidat Nummer drei abholen wirst! Dann bringst du den Kelch hierher ins Schloss!“

Obwohl Dirshan eigentlich jetzt der Anführer von Sytanias Vendar war, hatte ihm ihre strenge Stimme sehr viel Respekt eingeflößt. Im tiefsten Inneren war er mit der Situation doch sehr überfordert und ganz froh darüber, dass sie wohl das in ihm sah, was er eigentlich noch immer war, ein Novize, für den jeder erwachsene Vendar automatisch den Status eines Ausbilders und somit einer Autorität hatte. Diesen Umstand hatte Cirnach schon immer sehr geschickt verstanden, für sich auszunutzen.

Der Novize hatte zwar verstanden, was sie ihm sagen wollte, für Dirshan ergab aber trotzdem nichts irgendwie einen Sinn. Was hatte sie gesagt? Von Kandidat eins und drei war die Rede gewesen? Warum sollte Sytania zwei Ehemänner haben wollen? Er verstand die Welt nicht mehr!

Die Einzige, die ihm jetzt noch helfen konnte, war Cirnach. Er nahm also sein Sprechgerät auf und sagte: „Cirnach, habe ich das wirklich richtig verstanden? Ich meine, die Höhlen könnten den Empfang verzerrt haben und ich weiß nicht, ob ich das richtig gehört habe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sytania zwei Männern ihre Liebe schenken will. Könntest du das noch einmal wiederholen?“ „Oh, du naives dummes Kind!“, entgegnete Cirnach. „Bist du wirklich davon ausgegangen, dass unsere Herrin diese Heirat aus Liebe vorhat? Wenn ja, dann muss ich dich daran erinnern, dass sie keine Liebe empfinden kann, weil sie von Grund auf böse ist. Aber das sind die Palgeister auch. Also passen sie gut zusammen und das ist das Einzige, das für den Schöpfungsakt zählt! Hast du mich verstanden?! Die Hochzeit ist nur notwendig, weil sonst das nötige Ritual nicht ausgeführt werden kann. In Sytanias Bewusstsein muss die Voraussetzung geschaffen sein, dass sie jemanden Mächtiges geheiratet hat, damit es funktionieren kann und nur mit denen geht es. Wie viele es am Ende werden, das bleibt ihr überlassen! Als Mächtige ist sie ja wohl nicht an alberne menschliche oder sonst welche Moralvorstellungen gebunden! Nein, sie könnte sie sogar allen Sterblichen aufzwingen, ihre eigenen Vorstellungen! Hast du endlich kapiert!“ „Ja, Cirnach.“, sagte Dirshan, der angesichts ihrer Standpauke immer kleinlauter geworden war. „Ich wollte ja nur anmerken, dass eventuell zwischen den Beiden eine Eifersucht entstehen könnte, die vielleicht beim Schöpfungsakt im Weg ist und ihn stören könnte.“ „Was hatte ich dir denn gerade erklärt?!“, fragte Cirnach wiederum sehr streng. „Sitzt du etwa auf deinen Ohren?! Ich habe dir doch gerade gesagt, dass sowohl die Palgeister, als auch Sytania, viel zu böse sind, um Liebe empfinden zu können. Also gibt es auch keine Eifersucht, wo es keine Liebe gibt, oder? Schließlich werden beide an dem Schöpfungsakt zu gleichen Teilen beteiligt sein und sie werden schon mitmachen, wenn ihnen durch die Ausführung dieses Aktes unbegrenzte Macht zuteil wird. Außerdem verspricht Sytania ihnen die Freiheit, die sie sonst nicht erlangen könnten. Sie werden schon spuren.“ „Also gut, Cirnach.“, sagte der Novize und hob den Kelch hoch, um sich dann umzudrehen und den gleichen Weg zurück zu nehmen, auf dem er hergekommen war.

All diese Dinge waren weder Joran noch Orton verborgen geblieben, da IDUSA Ortons Sonde jetzt auch in die Verbindung integriert und Dirshan sein Sprechgerät nichts ahnend auf Lautsprecher geschaltet hatte. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte Orton Joran. Der Bajoraner hatte schon an so etwas gedacht, als er den jungen Vendar in den Feuerhöhlen mit dem Kontaktkelch hantieren sah, aber er hatte sich nicht ausmahlen wollen, dass es wirklich so schlimm stand. „Es ist wohl tatsächlich wahr.“, sagte Joran betroffen. „Sytania will tatsächlich den Ritus von Shamun Rê ausführen.“ „Den Ritus von was?!“, fragte Orton irritiert. „Der vendarische Begriff für Eheschließung.“, übersetzte IDUSA. „Danke, cleveres kleines Schiff.“, bedankte sich Orton. „Hör zu, Joran. Ich schlage vor, wir bringen diese Aufzeichnungen so schnell wie möglich zu unseren Oberen. Die sollten dann ganz schnell entscheiden, was damit zu passieren hat. Vielleicht kann ja das Schlimmste noch verhindert werden.“ „Das Gleiche wollte ich auch gerade sagen, Orton El Bajor.“, sagte Joran. „Aber wir sollten in jedem Fall in Kontakt bleiben. Ich meine, ich weiß viel über Sytania und du sicher viel über die Palgeister. Wir müssen klug handeln, wenn wir handeln wollen und das geht nur, wenn wir unser Wissen zusammenwerfen.“ „Sehe ich genau so.“, sagte Orton. „Deine Zusammenkunft kann sich ja bei uns melden.“ „Das wird sie sicher, wenn ich meiner Anführerin diese Informationen gegeben habe. Aber auch du solltest deinen Teil so schnell wie möglich zu deiner Herrscherin Kira Laren tragen.“ „Herrscherin?!!!“, lachte Orton und wollte sich schier entleiben. „Da bist du aber schief gewickelt! Sie ist unsere demokratisch gewählte Primeministerin! Herrscherin, nein so was!“ Er prustete noch einige Male ins Mikrofon.

IDUSA übernahm das Gespräch, denn sie befürchtete, dass Joran sich eventuell verspottet vorkommen könnte. Er und Orton hatten bisher sehr gut zusammengearbeitet und das Schiff befürchtete nun, dass Joran ob Ortons Reaktion diese Zusammenarbeit aufkündigen könnte, wenn sie seinen Charakter richtig einschätzte und nicht eingriff. „Bitte vergeben Sie meinem Piloten, Mr. Mura.“, begann sie diplomatisch. „Aber in der Welt, aus der er kommt, gibt es keine demokratischen Strukturen. Deshalb tut er sich mit dem Benutzen solcher Begrifflichkeiten etwas schwer. Außerdem ist Englisch, das wir die ganze Zeit gesprochen haben, ja weder Ihre noch seine Muttersprache. Hier haben Sie beide etwas gemeinsam und das ist ja wohl die beste Voraussetzung für eine Annäherung.“ „Entschuldigung, Schiffchen.“, sagte Orton, der durchaus wusste, wer da gerade mit ihm gesprochen hatte, auch ohne sie gesehen zu haben. „Übermittle ihm bitte meine Entschuldigung. Daran hätte ich vielleicht denken müssen, bevor ich gelacht habe. Aber Joran wird ja sicher auch schon gemerkt haben, dass ich etwas impulsiv bin. Es tut mir leid.“

IDUSA hatte Joran Ortons letzte Sätze hören lassen. „Schalte mich wieder auf die Verbindung, IDUSA.“, sagte er. „Wie Sie wollen, Joran.“, sagte IDUSA und führte seinen Befehl aus, was Joran bald an Ortons Gesicht auf dem virtuellen Schirm sehen konnte. „Ich nehme deine Entschuldigung an, Orton El Bajor.“, sagte der Vendar langsam und deutlich, ja schon fast feierlich. „IDUSA hat Recht. Ein sprachliches Missverständnis sollte nicht zwischen uns stehen.“ „Natürlich hat es Recht, dein kleines schlaues Schiff.“, sagte Orton, der sich auch einwenig mit der tindaranischen Rechtsprechung auskannte und daher wusste, welchen Status die IDUSA-Einheiten hatten. „Ohne IDUSA wäre es sicher nicht dazu gekommen, denn wir hätten uns tierisch in die Wolle gekriegt. Stattdessen bringt jeder von uns seiner Regierung jetzt brillante Bilder, die es ohne unsere Zusammenarbeit nie gegeben hätte!“ „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Zumindest so brillant, wie es unter den gegebenen Voraussetzungen möglich ist.“ „Das stimmt schon.“, sagte Orton. „Aber sie werden wohl damit zufrieden sein müssen.“ „Allerdings.“, sagte Joran. „Aber jetzt sollten wir auch unsere Nabelschnur trennen, damit es gleich keine technischen Probleme auf beiden Seiten gibt.“ „Einverstanden.“, sagte Orton. Die Datenverbindung zwischen den Schiffen wurde beendet, Orton beamte seine Sonde an Bord und dann flogen beide ihrer Wege.

Kapitel 45: Ein weiteres Puzzleteil fügt sich ein

von Visitor

 

Es musste bereits später Vormittag gewesen sein, als ich in meinem Bett im Appartement in Shinells Therapiezentrum erwachte. Durch das weit geöffnete Fenster meines Schlafzimmers war nämlich Lärm zu hören und in den Bäumen im nahen Park zwitscherten die Vögel. Außerdem bemerkte ich aber noch etwas anderes. Etwas, das mich sehr irritierte, mir aber zum gleichen Zeitpunkt eine Art von sehr intensivem Wohlgefühl gab. Neben mir auf dem Kissen an meinen beiden Wangen verspürte ich etwas Weiches! Ich tastete herum und erfühlte die beiden Kissen mit den Gesichtern meiner Haustiere. Lomādo musste sie dort platziert haben. Wann ich meine beiden Kleinen wirklich wieder sehen würde, wusste ich nicht, dachte mir jedoch, dass dies erst dann passieren würde, wenn ich meinen Tod vollständig akzeptiert hätte, um Schmerz und Verwirrung auf beiden Seiten zu vermeiden.

Ich wandte den Kopf in Richtung der Computerkonsole und befahl: „Computer, Zeit!“ „Es ist 10:00 Uhr.“, kam es nüchtern zurück.

Ich erschrak. Als Sternenflottenoffizierin war ich eigentlich das frühe Aufstehen gewohnt. So lange hatte ich noch nie geschlafen, wenn ich im Dienst war. Ich musste das auf 06:00 Uhr eingestellte Wecksignal völlig überhört haben. „Shit! Mist, verdammter!“, zischte ich und kugelte aus dem Bett, denn ich hatte irgendwie an diesem Tag meine gesamte Koordination noch nicht unter Kontrolle. Was ich auch nicht ahnte, war der Umstand, dass diese peinliche Aktion von jemandem beobachtet worden war, der gerade zur Tür herein gekommen sein musste. „Oh, welch warme Worte am frühen Morgen.“, sagte die Person und half mir auf. Erst jetzt erkannte ich Lomādo, dem ich so einen ironischen Ausspruch, nach allem, was ich über die Aldaner wusste, nicht zugetraut hätte. „Na ja.“, sagte er, während er mich von meiner Decke befreite, die noch immer um mich herumgewickelt war. „Andere treiben Sport und Sie fluchen erst mal eine Runde am frühen Morgen. Interessant.“ „Sollten Sie auch mal versuchen.“, lächelte ich. „Hebt die Stimmung.“ „Oh nein, danke.“, lehnte er höflich ab. „Schon gut.“, sagte ich. „Das wäre wohl selbst für Sie zu unaldanisch.“

Er nahm meine Hand und wir gingen ins Wohnzimmer, wo es nach allen erlesenen Speisen duftete, die der Replikator zaubern konnte. „Was ist denn hier passiert?“, fragte ich. „Ich habe versucht, Frühstück zu machen.“, sagte Lomādo. „Aber Sie haben wohl ein technisches Problem mit Ihrem Replikator. Er hat, egal welchen Befehl ich eingegeben habe, das komplette Buffet ausgespuckt. Sie wissen aber auch, dass Sie auf all diese Dinge nicht angewiesen wären. Sie könnten sich auch einfach alles wünschen, so wie Sie es …“ „Das hatten wir doch schon, Lomādo!“, unterbrach ich ihn höflich, aber energisch. „Das war ein Test.“, gab er zu. „Ich wollte sicher gehen, dass Sie immer noch zurück in Ihr Leben wollen.“ „Ja, das will ich!“, sagte ich. „Dann ist ja alles gut.“, sagte er und führte mich zum Tisch: „Setzen Sie sich.“ Ich schüttelte den Kopf und erwiderte: „Ich glaube, das mit dem Frühstück sollte ich übernehmen. Alles, was Sie aus dem Replikator geholt haben, scheint nämlich eher Mittagessen zu sein und so schwere Kost am frühen Morgen vertrage ich nicht.“ „Also gut.“, sagte er. „Aber lassen Sie mich wenigstens das Tablett zum Tisch tragen.“ Ich nickte und wandte mich dem Replikator zu.

Tatsächlich hatte ich irgendwann, trotz aller technischen Widrigkeiten, ein passables Frühstück repliziert, mit dem wir beide einverstanden waren, auch wenn ich dabei 90 % des übrigen Essens der Materierückgewinnung überantwortet hatte. Ich würde das Problem irgendwann der Haustechnik melden müssen. Dieses Frühstück brachte Lomādo zum Tisch und half mir auch beim Eingießen des Kaffees aus der ziemlich vollen Kanne. Aber als ich so vor meinem Brötchen saß, dachte ich doch über einiges nach und meine Gedanken erschreckten mich doch zutiefst! Konnte er ein echter Aldaner sein? Werden die nicht alle nach dem Tod mit Narāja vereint? Wer war er? Warum wich sein Verhalten derart von dem ab, was ich über Aldaner gelernt hatte? War seine Erklärung mir gegenüber, ein äußerst ungewöhnlicher Aldaner zu sein, wirklich ausreichend, um all dies zu erklären? OK, dafür, meine Berührung zu erdulden, während er mich geführt hatte, gab es auch einen logischen Grund, aber …

„Sie halten Ihr Brötchen schief.“, erklärte er. „Der ganze leckere Inhalt fließt auf Ihr Brett!“ „Was?“, fragte ich geistesabwesend. „Irgendetwas beschäftigt Sie doch, Betsy.“, sagte er. „Sie haben Recht.“, fing ich ein Geständnis an, aber der Rest wollte einfach nicht über meine Lippen. Stattdessen sagte ich nur: „Danke, dass Sie mir geholfen haben, die festgefahrenen Strukturen bei mir aufzubrechen, Lomādo und danke für das Aufpassen heute Nacht. Ich weiß, das ist sonst eigentlich sicher nicht die aldanische Art, aber ich denke auch, wenn wir das hier alle heil überstehen wollen, müssen wir alle über unseren Schatten springen.“ „Gern geschehen.“, sagte er. „Sie müssen unheimliche Angst haben, Regeln zu verletzen. Stimmt’s?“, sagte er ruhig und kratzte mit seinem Messer den Inhalt meines Brötchens vom Brett, um ihn wieder auf dessen Rest zu verteilen.

Da war sie wieder, seine liebenswürdige hilfsbereite Art, die ich mir ansonsten nicht bei seinesgleichen vorstellen konnte. Warum gab er sich so intensiv mit mir ab? In den Augen der Aldaner mussten wir doch sehr primitiv wirken und sie hatten sicher zig Direktiven, die einen solchen nahen Umgang verbieten würden. Auch wenn wir politische Verbündete waren, so konnte ich doch für ihn nicht mehr als ein Forschungsobjekt sein. Hier passte eindeutig etwas nicht zusammen! Wer weiß, wem ich mich da anvertraut hatte.

Mir blieb nur noch die Flucht nach vorn! Ich warf mein Brötchen auf das Brett, stand auf und versuchte, so gut es ging, mich so zu drehen, dass ich ihm theoretisch hätte ins Gesicht sehen können, wenn ich denn sehen gekonnt hätte. Dann holte ich tief Luft und fragte langsam und deutlich in akzentfreiem Englisch: „Was sind Sie?!“

Er stand ebenfalls auf, aber dabei war er viel ruhiger als ich. Dann kam er auf meine Seite des Tisches hinüber. Hier nahm er mich erneut bei der Hand. „Ihre Formulierung war goldrichtig.“, sagte er. „Wissen Sie, ich bin in Wahrheit nicht wirklich hier. Ich bin längst mit Narāja vereint, wie Sie sicher schon vermutet haben. Was Sie von mir sehen, ist ein Echo meiner Seele. Wissen Sie von der Begegnung zwischen Picard und Guinan im Nexus?“ „Ja.“, sagte ich. „Aber wie kann das bei uns beiden genau so sein? Ich wusste doch nichts von Ihrem Tod?“ „Da irren Sie.“, sagte Lomādo. „Sie, oder genauer Ihr Unterbewusstsein, wusste es schon. Das haben Sie König Logar und Korelem zu verdanken, der Logars Gefäß war, um diese Informationen auf Sie zu übertragen. König Logar durfte mein Seelenecho nur mit Rücksprache mit Narāja nutzen und sobald meine Aufgabe hier erfüllt ist, wird mein Seelenecho komplett verklungen sein. Im Augenblick Ihres Todes war Korelem bei Ihnen und für Außenstehende sollte es aussehen, als würde er Sie zu retten versuchen. Aber in Wahrheit ist die Information, als er Sie berührte, von ihm zu Ihnen gewandert. Dafür, dass das passiert, obwohl Korelem Nicht-Telepath ist, hat seine Majestät, König Logar, höchst persönlich im Vorhinein gesorgt.“ „Ach so.“, atmete ich auf. Jetzt hatte ich einiges begriffen. Endlich wusste ich, woran ich bei ihm war und dass er mir wirklich helfen wollte. Wahrscheinlich sollte mir sein Seelenecho helfen, meine Ziele zu erreichen. Der omnipotente König des dunklen Imperiums hatte wohl nicht umsonst gerade diesen Weg der Einmischung gewählt und das ging auch nur, weil Narāja ihr Einverständnis dazu gegeben hatte. Vielleicht wusste er, dass seine Tochter, da sie alle Sterblichen gern unterschätzte, niemals darauf kommen würde.

„Sind wir jetzt wieder Freunde?!“, fragte Lomādo lächelnd. „Sicher.“, sagte ich erleichtert und setzte mich wieder auf meinen Stuhl. „Ich hatte nur befürchtet, dass …“ „Dass ich ein Spion von Sytania wäre?“, fragte er. Ich nickte verschämt. „Nein, da können Sie ganz beruhigt sein. Das bin ich nicht.“, sagte er. „Aber ich muss Ihnen etwas über Sytania verraten. Hat Shinell Ihnen schon beigebracht, wie man die Welt der Lebenden beobachtet?“ „Nein.“, sagte ich. „Dann will ich ihr mal nicht vorgreifen.“, sagte er. „Aber ich habe es getan und gesehen, was Sytania vorhat. Es wird etwas Schreckliches passieren, wenn Sie nicht in Ihr Leben zurückkehren und die richtigen Informationen an die richtigen Leute kommen.“ „Was will Sytania?“, fragte ich. „Ich glaube, die Vendar nennen es die Ausführung des Ritus von Shamun Rê.“, antwortete er. „Sie will heiraten?!“, fragte ich ungläubig. „Aber wen denn? Ich meine, unsere Theoretiker sagen, sie kann sich nicht verlieben, also warum sollte sie …“ „Es ist eine Zweckehe.“, sagte Lomādo. „Und sie will zwei Palgeister ehelichen, um mit ihnen ein Geistwesen zu erschaffen, das großes Unheil über die Dimensionen bringen wird, wenn es nicht gestoppt wird und die einzige Möglichkeit, dies zu tun, wäre …“ „Wäre Meilenstein gewesen.“, beendete ich seinen Satz. Gleichzeitig wurde mir heiß und kalt. Jetzt wusste ich, warum sie die Übergabe verhindert hatte. „Oh mein Gott! Ich muss zurück, Lomādo!“, schrie ich.

Ich stand wieder auf und versuchte, zur Tür meines Appartements zu gelangen. Lomādo aber war sofort neben mir und hielt mich am Arm zurück. „Stopp!“, sagte er ruhig freundlich, aber bestimmt. „Sie wissen, dass es so nicht geht. Sie benötigen ja auch noch die Informationen und wir müssen einen Weg finden, Sie zurück in Ihren Körper zu bringen. Die Information bekommen Sie, wenn wir gleich den Rest der Widerstandszelle treffen. Erinnern Sie sich noch an die Frau, die ich Ihnen vorstellen wollte?“ Ich nickte nur atemlos zitternd und schweigend. Kurz darauf aber durchströmte mich auch ein Gefühl der Beruhigung. In jenem Moment hatte ich beschlossen, den Rest des Geschehens ganz in seine Hände zu legen. Lomādo würde es schon machen!

Joran und die neue IDUSA-Einheit waren wieder in die tindaranische Dimension eingeflogen. „Wie glauben Sie, dass Commander Zirell auf das Ergebnis unserer Mission reagieren wird, Joran?“, wollte das Schiff wissen. „Ich denke, das werden wir bald herausbekommen, wenn du ihr jetzt gleich Bescheid über unsere Rückkehr gibst, IDUSA.“, antwortete der Vendar. „Aber warum fragst du das? Hast du Bedenken oder ist es eine Form Konversation zu üben?“ „Ich kenne den Commander noch nicht so gut wie Sie, Joran.“, wies das Schiff auf die Tatsache hin, noch nicht lange im Dienst zu sein. „Ist sie eher besonnen und hat sie einen kühlen Kopf, oder ist sie eher spontan und von hitzigem Temperament?“ „Das kommt immer ganz auf die Situation an, IDUSA.“, sagte Joran. „Sie ist mal so und mal so. Ich weiß, das ist etwas, das gar nicht in dein mathematisches Denken passt, aber ich sage dir was: Dadurch, dass sie eben ist, wie sie ist, ist sie eine gute Strategin und eine wendige Anführerin, der es sehr leicht fällt, sich einer Situation anzupassen und dadurch bessere Entscheidungen zu treffen. Das macht es für dich vielleicht schwieriger, aber du hast ja immer noch einen von uns, der dir in so einer Situation sehr gut helfen kann.“ „Ich danke Ihnen, Joran.“, sagte der Avatar des Schiffes erleichtert und machte ein entspanntes Gesicht.

Joran steckte einen Datenkristall in ein Laufwerk an der Konsole, was IDUSA nicht verborgen blieb. „Ich nehme an, Sie wollen, dass ich die gesammelten Daten auf den Kristall ziehe.“, sagte das Schiff. „In der Tat, IDUSA.“, erwiderte Joran. „Soll ich auch die Gespräche, die während der Mission zwischen Orton, Ihnen und mir geführt worden sind, hinzufügen?“ „Unbedingt!“, sagte der Vendar energisch. „Zirell soll sich ja schließlich ein vollständiges Bild machen können.“ „Ich frage ja nur.“, erklärte IDUSA. „Weil Mr. Mura vielleicht nicht so gut aussehen könnte in den Augen unseres Commanders, wenn herauskommt, dass …“ „Ich werde schon ein gutes Wort für ihn einlegen, IDUSA.“, sagte Joran. „Überlass dass ruhig mir. Ich bin zwar eigentlich eher dafür bekannt, offen und ehrlich die Wahrheit zu sagen und nicht gerade für Diplomatie, aber ich denke, in diesem Fall werde ich mal eine Ausnahme machen.“ „Also gut.“, sagte IDUSA und begann mit dem Überspielvorgang, nach dessen Ende Joran den Datenkristall wieder entnahm und in seine Tasche steckte.

Maron hatte die Brücke verlassen und Zirell war allein mit dem Stationsrechner, der ihr gleich darauf die Ankunft der neuen IDUSA-Einheit und Jorans mitteilte. „Möchte Joran mit mir sprechen, IDUSA?“, fragte Zirell. „Ja, Commander.“, entgegnete der Rechner. „Aber das nur, wenn Sie dann auch gleich die Daten entgegennehmen können.“ „Also gut.“, sagte Zirell. „Ich werde dann mal runtergehen. Sag Maron bitte, dass er …“ „Er kann das Kommando nicht übernehmen.“, sagte IDUSA korrigierend. „Wie Sie wissen, hat er jetzt eine Verabredung mit Techniker McKnight.“ „Ach ja.“, antwortete Zirell. „Das stimmt ja auch. Darüber haben wir ja gerade erst gesprochen. Danke, dass du mich erinnert hast. Wo habe ich heute nur wieder meinen Kopf?“

IDUSA nahm Zugriff auf die internen Sensoren der Station, um Zirells Körper zu scannen. Dann sagte sie: „Ihr Kopf sitzt noch immer auf Ihrem Hals, Commander.“ „Ach, das ist doch nur so ein Spruch, den ich mir von unseren terranischen Verbündeten angeeignet habe, IDUSA.“, erklärte die Kommandantin. „Ich hatte angenommen, Jenna hätte dich schon mit solchen Floskeln und ihren Bedeutungen programmiert.“ „Techniker McKnight hat mich in der Tat mit vielen Floskeln und ihren Bedeutungen aus diversen Kulturen versorgt, Commander, um mir den Umgang mit diesen zu erleichtern. Aber ich vermute, diese hat sie vergessen. Aber da Sie mir ja jetzt ihre Bedeutung erläutert haben, werde ich die Situation so abspeichern.“ „OK.“, sagte Zirell, nahm ihren Neurokoppler ab, was IDUSA gleich zum Anlass nahm, um ihre Reaktionstabelle zu löschen und verließ ihren Platz. „Wenn etwas ist.“, sagte sie noch in Richtung des Bordmikrofons. „Dann kannst du mich ja über mein Handsprechgerät erreichen. Dann verließ sie die Brücke.

Die aufmerksamen Augen des Vendar bemerkten, dass die Positionslichter der Station aktiviert worden waren. „Ich nehme an, du hast ihnen bereits Bescheid gegeben.“, sagte Joran. „Das habe ich.“, antwortete IDUSA. „Genau wie Sie es mir befohlen haben. Trotzdem konnte ich mich noch mit Ihnen unterhalten, weil ich, wie alle IDUSA-Einheiten, multi-tasking-fähig bin.“ „Das weiß ich.“, erwiderte Joran. „Aber jetzt lass uns docken.“

An der Schleuse wurden sie bereits von O’Riley erwartet. „Hey, Grizzly.“, sagte die blonde Irin mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen. „Hattest du Glück?!“ „Das kommt ganz darauf an, wie du Glück definierst, Shannon O’Riley.“, sagte der Vendar beim Aussteigen und sah sich hastig um. „Wo ist Anführerin Zirell?“, fragte er. „Ich hatte IDUSA befohlen …“ „Die wird schon noch kommen, Grizzly.“, flapste Shannon. „Wieso bist du so erpicht darauf, sie zu sehen?! Reiche ich dir etwa nich’?“ Sie grinste. „Mir ist überhaupt nicht nach Witzen, Shannon O’Riley.“, sagte Joran mürrisch. „Oh, unserem armen Grizzly is’ wohl ’ne Laus über die Leber gelaufen.“, sagte Shannon und schaute mitleidig.

Zirell betrat den Ort des Geschehens. Sofort fiel der Blick der älteren Tindaranerin auf Joran. „Da bist du ja wieder.“, sagte sie. „Konntest du etwas herausbekommen?“ „Ich kehre mit reicher Beute von meiner Aufklärungsmission zurück, Anführerin!“, sagte Joran stolz und übergab ihr den Datenkristall. „Dann darf ich ja wohl gespannt sein.“, sagte die ältere Tindaranerin. „Das darfst du in der Tat.“, meinte der Vendar. „Ich kann übrigens auch deine Sorge zerstreuen, was die Zusammenarbeit zwischen mir und einem Bürger von Bajor angeht. Ich bin zwar auf einen getroffen, aber wir haben, trotz einiger Widrigkeiten, am Ende doch exzellent zusammengearbeitet. Es geht alles aus den Gesprächsprotokollen hervor, die IDUSA ebenfalls mit überspielt hat. Ich denke, Agent Maron und du, ihr werdet viel Lesestoff und auch einiges zu hören haben.“ „Du kannst einem wirklich den Mund wässrig machen, Joran.“, sagte Zirell. „Aber ich glaube, dieses Vergnügen muss ich mir zunächst allein gönnen.“ „Oh ja, dass muss sie.“, bestätigte Shannon. „Agent Maron hat nämlich gerade eine Verabredung mit deiner Telshanach.“ „Shannon!“, sagte Zirell mit einer ordentlichen Portion Empörung in der Stimme. Die Tindaranerin wusste durchaus, wie eifersüchtig Vendar werden konnten und sie befürchtete, dass Joran ihre Äußerung eventuell in den falschen Hals bekommen könnte. Die Konsequenzen für Maron in so einem Fall wären für ihn sicher kein Zuckerschlecken gewesen. Zu Zirells Überraschung aber sah Joran sie nur ruhig an und meinte, ohne weiter auf Shannons Äußerung einzugehen: „Dann gönn es dir, Anführerin. Ich denke, es wird sehr spannend für dich sein. Aber wir können es uns auch gemeinsam ansehen. Dann sind die Kommunikationswege nicht so lang, falls du für etwas eine Erklärung benötigst.“ „Einverstanden.“, sagte Zirell. „Dann komm. Lass uns in die Kommandozentrale gehen.“ Joran nickte und folgte ihr.

Shannon blieb allein zurück. Sie war etwas beleidigt über den Umstand, dass ihr Witz nicht wirklich gut angekommen war, aber sie hatte ja selbst auch genug zu tun und gar keine Zeit, sich weiterhin über ihren missglückten Sketch Gedanken zu machen. IDUSA benötigte ihre übliche Wartung nach einer Mission und außerdem hatte sie, solange Jenna nicht da war, auch die Verantwortung für die Technik der Station. Diesen Jobs würde sie jetzt nachgehen. Die Arbeit würde sie schon genug ablenken.

Tatsächlich hatten Jenna und Maron sich vor der Simulationskammer getroffen, wie der Spionageoffizier es bereits gegenüber Zirell angekündigt hatte. „Ich hoffe, Sie empfinden das nicht als eine all zu große Belastung, Ihrem dummen Vorgesetzten immer wieder alles veranschaulichen zu müssen, McKnight.“, sagte Maron verschämt. „Ach was.“, lächelte Jenna diplomatisch. „Ich finde, da gibt es weitaus schlimmere Tätigkeiten und dass Sie dumm sind, kann ich auch nicht bestätigen, Sir. Wenn Sie mich bitten, Ihnen etwas zu veranschaulichen, dann handelt es sich meistens um Probleme physikalischer oder technischer Natur, was ja in gewisser Weise das Gleiche ist. Das ist nun einmal mein Beruf und nicht der Ihre. Ich bin überzeugt, wenn es um geheimdienstliche Dinge ginge, wäre es zwischen Ihnen und mir sicher auch umgekehrt und nun kommen Sie.“

Sie ging forschen Schrittes voran in die Kammer und setzte sich dort auf einen der beiden Sitze, was Maron ihr gleichtat. Nachdem beide ihre Köpfe in den Mulden platziert hatten, fragte sie: „Ist Joran schon wieder zurück, Sir?“ „Das weiß ich leider nicht, McKnight.“, sagte Maron. „Aber IDUSA dürfte es wissen.“ „Das denke ich auch.“, sagte die Technikerin und wandte sich an den Rechner der Station: „IDUSA, ist Joran schon wieder zurück?“ „Ja, Jenna.“, erwiderte dieser nüchtern. „Ist er abkömmlich?“, fragte Jenna. „Nein, Jenna.“, sagte IDUSA. „Das ist er leider nicht.“ „Danke für deine Information.“, sagte die Ingenieurin. „Dann machen wir das gleich anders. Lade jetzt Programm Jennas Waldspaziergang und ersetze nicht anwesende Personen durch deren Simulation. Dann verknüpfe Agent Marons und meine Reaktionstabellen.“ „Zu befehl, Jenna.“, sagte IDUSA.

Die Simulation begann und Jenna und Maron fanden sich auf einem Waldstück wieder. Die Luft roch harzig und um sie herum standen in lockerer Abfolge sowohl Nadel-, als auch Laubbäume. Der Boden war bedeckt mit Moos, Aststücken, Nadeln und Laub. Auch war Vogelgezwitscher zu hören. Hin und wieder wurde das einheitliche Braun verrottender Äste am Boden durch eine Blume als bunter Farbtupfer aufgelockert, die dort wuchs. Die Bäume selbst standen in bestem sattem Grün. Es war angenehm warm. Maron schätzte die Temperatur der Luft auf ungefähr 25 ° ein. „Was bitte hat das hier mit den Daten der Xylianer und mit dem Eintrag von Commander Sisko zu tun, in dem er dieses Geständnis abgelegt hat, McKnight?“, fragte der erste Offizier seine Untergebene irritiert und sah sie etwas streng an. „Auf den ersten Blick vielleicht gar nichts, Sir.“, sagte Jenna ruhig. „Aber diese Kulisse ist ein Teil des Schaubildes, das ich benutzen werde, um Ihnen zu veranschaulichen, was Sie mich baten, Ihnen zu veranschaulichen.“

Sie winkte ihm und ging entschlossen voran. „Na gut.“, sagte Maron leise und folgte. Der Demetaner wusste genau, dass sie, wenn sie so etwas tat, dafür bisher immer ihre Gründe gehabt hatte. Dass sie quasi Szenen aus dem Alltag benutzte, um technische Dinge zu erklären, war eine ihrer Eigenarten, die der erste Offizier sehr an ihr schätzte. Sie war keine Fachidiotin, für die es außerhalb der Welt von technischen Fachbegriffen nichts gab, sondern sie konnte auch um die Ecke denken, etwas, mit dem er für seinen Teil manchmal gewaltige Schwierigkeiten hatte, wie er selbst zugab.

Sie kamen an eine Lichtung, auf der Maron zwei hölzerne Würfel stehen sah, die ihnen den Weg versperrten. Auf einem der Würfel lag eine Axt, auf dem anderen ein Phaser. Beide Würfel standen aber genau auf der Grenze zwischen Lichtung und bewaldetem Gebiet. „Eines steht fest.“, sagte Maron, nachdem er die Ausmaße der Würfel ins Verhältnis zur Breite des Weges gesetzt hatte. „Hier kommen wir wohl nicht weiter. Die Dinger sind eindeutig im Weg und sehen sehr massiv aus. Wegschieben können wir sie wohl nicht. Ich nehme an, dass soll symbolisieren, dass das Verbrechen auch schwer auf Siskos Gewissen lastete.“ „Genau.“, nickte Jenna lächelnd. „Und was hat Sisko mit dem Geständnis über dieses Verbrechen getan, oder zumindest versucht zu tun, Sir?“, fragte sie. „Er hat es zerstört.“, sagte Maron. „Er hat es gelöscht. Ich nehme an, die Würfel selbst symbolisieren die Datei und ich soll jetzt auch das Gleiche mit ihnen tun.“ Wieder nickte Jenna. „Es gibt aber eine Regel, Agent.“, sagte sie. „Sie dürfen jeweils nur das Werkzeug benutzen, das auf dem jeweiligen Würfel liegt. Tauschen, oder gar eines für beide benutzen, dürfen Sie nicht!“ „Na schön, McKnight.“, sagte Maron und schnappte sich die Axt, um den Würfel, auf dem sie gelegen hatte, zu zerhacken. „Aber Sie gehen besser ein Stück zur Seite, Jenna. Sie wissen ja, dass ich einwenig ungeschickt bin.“

Die brünette Terranerin nickte und begab sich lächelnd hinter den nächsten Baum, von wo aus sie beobachtete, wie Maron die Axt in beide Hände nahm, weit ausholte und dann den Würfel in einige handliche Klötze verwandelte, die er auf der anderen Seite des Weges hinter einer Baumgruppe verteilte. Dann nahm er den Phaser in die Hand und versuchte, damit auf den zweiten Würfel, von dem er ihn genommen hatte, zu zielen, denn der Demetaner hatte gesehen, dass der Weg immer noch nicht breit genug war. Der zweite Würfel musste auch noch dran glauben.

Maron versuchte also, den Würfel ins Fadenkreuz zu nehmen, aber dabei fiel ihm auf, dass der Phaser auf eine viel zu breite Streuung eingestellt war. All seine Versuche, diese Einstellungen zu ändern, wurden vom Gerät nicht akzeptiert. Zwar bemerkte Maron, dass er durchaus hätte treffen können, wenn er exakter zielen könnte, aber das gaben seine Augen leider nicht her.

Er legte die Waffe wieder auf den Würfel zurück und rief dann in die Richtung, in die er Jenna gehen sehen hatte: „Techniker!“ Gleich darauf war sie zurück. Erwartungsvoll sah sie ihn an. „Der Phaser hat einen Defekt.“, sagte Maron. „Er ist auf eine viel zu breite Streuung eingestellt und ich würde einen Waldbrand verursachen, wenn ich mit diesen Einstellungen arbeiten würde. Ich denke zwar auch, dass man aus einem anderen Winkel heraus den Würfel eventuell einzeln treffen könnte, aber dazu bräuchte ich rund 40 % schärfere Augen wie ein Vendar.“

Kaum hatte Maron dies gesagt, hörten beide bekannte schnelle schwere Schritte auf sich zukommen. Dann sagte eine tiefe leise Stimme: „Hier bin ich schon, Maron El Demeta.“ Erstaunt sah Maron in Jorans Gesicht. „Wo kommst du denn jetzt auf einmal her?“, fragte er verwundert. „Ach.“, antwortete der Vendar. „Ich gehöre nun einmal zum Programm und bin Jorans Simulation. Aber ich denke, dass ich euch trotzdem helfen kann. Gib mir bitte die Waffe, Maron El Demeta.“ Wortlos und geplättet tat der erste Offizier, worum er gerade gebeten worden war. „Bist du sicher, dass du das hinkriegst, ohne hier alles abzufackeln?“, fragte Maron gleichzeitig besorgt, aber auch mit einer ziemlich aufgesetzt wirkenden Lockerheit. „Darin bin ich ein Experte.“, sagte der Vendar, der den Experten noch besonders betonte, zielte in aller Seelenruhe und feuerte. Tatsächlich wurde nur der Würfel vollständig eingeäschert. „So.“, sagte er und warf einen coolen Blick über das Häufchen Asche, das übrig geblieben war. „Ich denke, jetzt kommt ihr doch sicher allein weiter.“ „Sicher.“, nickte Jenna. Dann sahen sie und Maron zu, wie Joran genau so schnell wieder hinter den Bäumen verschwand, wie er von dort aus aufgetaucht war. Den Phaser hatte er vorher Jenna übergeben, die ihn einsteckte.

Maron sah sich um. „Jetzt wäre der Weg frei, Techniker.“, sagte er. „Das schon.“, sagte Jenna. „Aber mein Ziel war eigentlich nicht wirklich, jetzt mit Ihnen weiterzugehen, Agent. Ich möchte eigentlich viel lieber von Ihnen wissen, welchen der Würfel Sie theoretisch wieder zusammensetzen könnten.“ „Ich denke, mit dem zerhackten Exemplar würde ich das durchaus hinbekommen, wenn ich die Teile wieder richtig aneinander bekomme.“, sagte Maron.

Sie reichte ihm eine Tube Leim, den sie aus ihrer Tasche geholt hatte: „Versuchen Sie es.“ Dann folgten noch einige Schraubzwingen, mit denen die geklebten Stellen zusammengepresst werden sollten, um später auch wirklich gut halten zu können. „Sagen Sie ruhig, falls Sie Hilfe benötigen, Agent.“, bot Jenna an. „OK, McKnight.“, willigte Maron ein und machte sich ans Werk, nachdem er alle Teile des Würfels wieder eingesammelt hatte.

Zu McKnights Erstaunen war es ihm tatsächlich wenig später gelungen, den Würfel wieder zusammenzukleben. „Fast wie neu, Sir.“, lobte sie. „Wenn man ihn noch anstreichen würde, könnte man auch die Klebestellen nicht mehr sehen.“ „Ich bin auch ganz erstaunt über mich selbst, Techniker.“, gab Maron zu. „Wo ich doch sonst eigentlich immer zwei linke Hände zu glauben hatte. Aber das hier ist die Simulationskammer. Hier werden die Karten oft zu unserem Vorteil gemischt.“ „Sie wissen, dass das ganz allein beim Schreiber des jeweiligen Programms liegt, Sir.“, klärte sie ihn auf. „ Und ich hatte ja keineswegs vor, Sie zu kompromittieren.“ „Sage ich doch.“, grinste Maron. „Aber ich glaube, ich habe auch verstanden, was Sie mir hiermit sagen wollten. Sie wollten sagen, wenn ein Laie den einfachen Löschbefehl gibt, dann ist die Löschung viel grober, als wenn ein Experte am Werk wäre. Ja, ich habe genau auf Jorans Worte geachtet, McKnight. Er hätte ja den Experten sicher nicht so betont, wenn es nicht wichtig gewesen wäre und wenn Sisko damals O’Brien beauftragt hätte, die Löschung vorzunehmen, dann hätten die Xylianer heute sicher kein Glück gehabt! Joran ist in diesem Fall das Äquivalent zu O’Brien, weil er der bessere Schütze ist und O’Brien der bessere Techniker. Sisko ist das Äquivalent zu mir, weil ich aufgrund der Lage nur mit vergleichsweise primitiven Mitteln arbeiten konnte.“

Das Programm wurde beendet. Verblüfft sah Maron Jenna an. „Das war alles, was ich erkennen sollte, Techniker?“, fragte er. „Ja, das war alles, Sir.“, antwortete sie. „Was wäre passiert, wenn ich das nicht erkannt hätte.“, wollte er wissen. „Dann wäre das Programm noch einmal von vorn gestartet.“, sagte Jenna. „Aber ich bin davon ausgegangen, dass dies nicht nötig sein wird, Sir. Sie machen sich, mit Verlaub, oft nämlich viel dümmer, als Sie in Wahrheit sind.“ „Im Gegensatz zu Ihnen bin ich sicher ein Tor, McKnight.“, sagte Maron. „Aber Sie haben auch ein sehr großes Talent, jemandem Dinge begreiflich zu machen.“ „Danke, Agent.“, sagte Jenna. „Dabei tue ich doch nichts weiter, als meine Methoden der jeweiligen Situation anzupassen. Von Ihnen zum Beispiel weiß ich, dass Sie es immer schön plastisch brauchen.“ „Stimmt.“, lachte Maron.

Er stand von seinem Platz auf. „Ich glaube, ich muss zu Zirell.“, sagte er. „IDUSA sagte, Joran sei zurück, aber nicht abkömmlich. Das wird bedeuten, dass er sich mit ihr die Daten ansieht, die er und das neue Schiff gewonnen haben. Ich sollte dazu stoßen und mir auch ein Bild machen.“ „In Ordnung.“, sagte die hochintelligente Halbschottin. „Aber was mich noch interessieren würde: Geht es Ihnen jetzt besser damit? Ich meine, die halbe Station spekuliert darüber, wie Sie wohl damit umgehen. Ich meine, immerhin hat einer Ihrer ehemaligen Kameraden, in gewissem Sinne zumindest, eine Verfehlung gegen den eigenen Moralkodex begangen und …“ „Der Ausdruck Verfehlung ist viel zu harmlos, McKnight!“, sagte Maron mit einem tadelnden Blick in ihre Richtung. „Tut mir leid.“, sagte sie, gestand aber gleich: „Ich habe diesen harmlosen Ausdruck mit Absicht gewählt, Agent. Das war ein Test. Ein Test, der mir gezeigt hat, dass Sie damit reichlich Probleme haben.“ „Sie haben Recht.“, sagte Maron. „Die habe ich und ich hatte gehofft, Sie würden mir sagen, dass die Xylianer die Daten gefälscht haben, obwohl sie dafür ja kein Motiv hätten. Aber die passende Moralpredigt dazu hat mir Zirell schon gehalten. Wir sind eben alle nicht unfehlbar und dürfen dann auch nicht behaupten, es zu sein. Hohe moralische Ideale sind schön und gut, aber man muss auch den Mut haben, dazu zu stehen, wenn man sie einmal nicht eingehalten hat und darf meiner Meinung nach dann die Wahrheit nicht länger vertuschen.“ „Sir.“, sagte Jenna und warf ihm einen tröstenden Blick zu. „Ich bin sicher, wenn Nugura im Rest des Parlaments darüber abstimmen lässt und die Abstimmung gewinnt, dann wird es auch zu einer Aufklärung kommen, sowohl der Öffentlichkeit, als auch den Romulanern gegenüber.“ „Falls Sie gewinnt, Techniker.“, sagte der Agent skeptisch, der das Verhalten der Politiker der Föderation durchaus gut kannte.

Die negative Sternenflotte war in Keilformation, die Granger allen voran, in das Universum der positiven Föderation eingeflogen. „Wie werden wir vorgehen, Sir?“, wollte die böse Ribanna von Mikel wissen. „Wir werden uns zunächst überall über den Pohlen der Planeten verstecken.“, sagte der erste Offizier mit einem gemeinen Grinsen. „Dann wird Kissara uns nicht sehen und sich in falscher Sicherheit wiegen. Erst, wenn sie alle Aufmerksamkeit fallen lassen haben, werden wir uns hervorwagen und sie angreifen, aber nicht so, wie Sie jetzt vielleicht alle denken! Ich will Kissara dazu bringen, selbst den ersten Schlag gegen uns zu führen!“ Er machte eine Pause, um seine Sätze auf die übrigen Mitglieder der Brückenbesatzung wirken zu lassen. „Warum wollen Sie, dass sie den ersten Schlag gegen uns führt, Agent?“, fragte Kang. „Weil sie dann automatisch ihr eigenes Schiff außer Gefecht setzt, Mr. Kang!“, lachte der terranische Agent. „Sie wissen doch, dass T’Mir und Sytania gegenüber uns von einer kleinen aber feinen Nebenwirkung gesprochen haben, die es aufgrund der Verbindung zwischen uns und auch zwischen den Schiffen gibt. Warum sollen wir unsere Waffen verschwenden, wenn sich die gute Granger doch sehr gut selbst demontieren kann. Wir werden dann zwar auch etwas abbekommen, aber die Schäden werden bei Weitem nicht so groß sein, wie bei ihnen und weil wir unsere Waffen gespart haben, können wir dann zum entscheidenden und letzten Schlag gegen sie ausholen und sie endgültig vernichten!“ „Genial, Sir.“, sagte Ribanna und sah ihren Vorgesetzten mit einem bewundernden Blick an. „Aber wie wollen Sie Kissara zum Erstschlag provozieren?!“ „Das wird die Aufgabe von Ihnen und unserem verehrten Mr. Kang sein, Ribanna.“, sagte Mikel und rieb sich die Hände in gewaltiger Vorfreude. „Sie, Allrounder, werden uns in eine gute Position fliegen, von der aus der liebe Kang gut auf die Lebenserhaltung der positiven Granger schießen könnte, wenn er denn würde. Dann, Warrior, zielen Sie auf die Verteilerknoten und bereiten sogar einige Photonentorpedos vor. Mal sehen, wie Kissara reagiert, wenn sie das Gefühl hat, dass ihr bald die Luft weg bleibt!“ Sowohl Ribanna, als auch Kang grinsten dreckig und klatschten ihrem Vorgesetzten Beifall für seinen Plan.

Ginalla, Sharie und Kamurus waren zunächst ohne festen Kurs unterwegs gewesen. „Wohin, Ginalla?“, fragte das Schiff, nachdem sie die Partikelfontänen hinter sich gelassen hatten. „Zur Erde!“, erwiderte die junge Celsianerin ebenso knapp. „Ich nehme an, du hast wieder einen Plan.“, sagte Kamurus. „Da kannst du einen drauf lassen!“, meinte Ginalla. „Eigentlich hat mich dieser Dussel von Agent, der so dämlich war, und mich nicht vernehmen wollte, dazu inspiriert, als er mir meine Vorstrafen vorgehalten hat. Er wollte eine Diebin, also kriegt er eine Diebin!“ „Und was sollen wir auf der Erde stehlen, Ginalla?“, fragte Kamurus. „Ne tote Leiche.“, flapste die Celsianerin. „Du meinst die von Allrounder Betsy Scott?“, fragte das Schiff. „Genau.“, erwiderte Ginalla. „Am besten, wir machen es, während alle der Grabrede zuhören. Dann sind sie so ergriffen, dass sie nicht darauf achten werden, was alles hinter ihrem Rücken passiert.“ „Aber spätestens, wenn der Sarg ins Grab gebeamt wird, werden sie ihn noch einmal scannen.“, sagte Kamurus. „Wenn sie dann sehen, dass er leer ist, dann …“

Ginalla grinste. „Kennst du mich wirklich so schlecht, dass du glaubst, ich hätte da nich’ vorgebaut? Pass auf. Wir machen das ganz hinterlistig. Du wirst mir eine Puppe replizieren, die in Gewicht und Größe dem lieben Allrounder bis aufs Haar gleicht. Außerdem soll sie voller Täuschtechnik sein, die jedem Erfasser vorspielt, dass sie tatsächlich am Verwesen ist. Und für die echte Leiche benötige ich einen Stasecontainer. Kriegst du das hin?“ „Ich habe keinen Industriereplikator.“, sagte Kamurus. „Solche großen Dinge kann ich nicht auf einmal replizieren. Du wirst sowohl die Puppe, als auch den Container zusammenbauen müssen. Kriegst du das hin?“ „Vergiss nich’, wo ich herkomme!“, flapste sie ihm entgegen. „Dann betrachte ich das mal als ein Ja.“, sagte Kamurus. „Aber wenn wir die Leiche haben, was willst du dann mit ihr?“ „Dann fliegen wir mit ihr zu den Genesianern!“, sagte Ginalla entschlossen. „Du weißt doch, dass ich da von Anfang an hinwollte.“ „Das weiß ich.“, erwiderte das Schiff. „Aber ich nehme an, du willst nicht nur das. Ich denke, es gibt auch genug Leute auf der Erde, die Betsys Tod vor genau so viele Fragen stellt wie uns.“ „Genau!“, lobte Ginalla und strich mit ihrem Finger über die leeren Ports für Neurokoppler, was ein Massesignal bei Kamurus verursachte, eine Tatsache, die bei ihm sehr positiv ankam. „Wer hat dir denn so was beigebracht?“, fragte das Schiff erstaunt. „Das hab’ ich von Shimar gelernt und zwar im Handumdreh’n.“, flapste Ginalla ein Zitat aus einem alten terranischen Schlager fast original zurück. „Das bringt einem sonst keiner bei, so …“

Der Schiffsavatar räusperte sich. „Ginalla, was hast du sonst noch vor?!“ „Ach ja.“, sagte die junge Celsianerin. „Schluss mit der Blödelei, zurück zum Thema. Also, Kamurus, ich möchte, dass du versuchst, dich, sobald wir auf dem Weg zu Shashana sind, in das Netzwerk des Friedhofs von Little Federation einzuhacken. Dann schreibst du auf Betsys elektronischen Grabstein kleine Botschaften, die ich dir diktieren werde. Wollen doch mal sehen, ob wir nicht die richtigen Leute auf die richtige Sache aufmerksam machen können! Oder denkst du, dass du so ’ne Sicherheitssoftware nicht überwinden kannst.“ „Du machst mir Spaß, Ginalla.“, sagte Kamurus. „Ich habe damals in deinem Auftrag die streng gesicherte Datenbank des tindaranischen Militärs geknackt, um an Shimars Dienstakte zu kommen. Da sollte doch so ’n Friedhofsnetzwerk für mich kein Problem darstellen. Aber du willst sicher nicht, dass ich meine Spuren maskiere, oder?“ „Du hast es erfasst!“, lachte Ginalla, die sich wunderte, warum von ihm keine Gegenargumente zu ihrem Plan kamen. „Ich will ja mit den richtigen Leuten in Kontakt treten und die müssen wissen, wer ich bin und meine Kontaktdaten, die brauchen sie auch. Aber wer immer du bist, gib mir meinen Kamurus zurück!“ „Ich bin doch hier.“, sagte das Schiff. „Das glaube ich nich’.“, sagte Ginalla. „Du hast doch sonst immer was zu meckern.“ „Aber nicht dieses Mal.“, sagte Kamurus. „Dein Plan ist zwar heikel, denn immerhin könnten statt der richtigen Leute auch die Strafverfolger auf uns aufmerksam werden und unsere Aktion in den falschen Hals bekommen, aber man muss schon ganz schön an denen rütteln, wenn man sie wach kriegen will. Ich denke, dein Plan hätte durchaus das Potenzial dazu. Ich frage mich nur, wo ich ansetzen soll, um mich einzuhacken. Ich meine, wo gibt es im Netzwerk eines Friedhofs einen Zugang zum SITCH!?“ „Versuch die Kondolenzseite.“, schlug Ginalla vor. „Die kann man doch anSITCHen.“ „OK.“, sagte Kamurus. „Übrigens, Sharie hört uns gerade zu. Sie hat mich gebeten, bei allem, was wir planen, mitmachen zu können und darum, dass ich sie informiere. Sie möchte mit dir sprechen.“ „Dann stell sie durch.“, sagte Ginalla.

Kamurus nickte und im nächsten Moment wich das Gesicht seines Avatars dem von Sharies auf dem virtuellen Schirm vor Ginallas geistigem Auge. „Hi, Sharie.“, lächelte Ginalla ihr zu. „Ich hab’ gehört, du willst was beisteuern?“ „Das will ich tatsächlich, Ginalla.“, sagte Sharie. „Ich werde für euch Spionin spielen. Ich werde die Erde beobachten, solange ich kann. wenn Tchey und ich fort müssen, wird das zwar auch nicht mehr gehen, aber bis dahin kann ich euch ja auf dem Laufenden halten, was dort passiert. Ich werde mich in den Ringen des Saturn verstecken. Dort sieht mich keiner. Dann werde ich meine Sensoren so modifizieren, dass sie trotzdem die Erde sehen können und dann kriegst du von Zeit zu Zeit mal einen kleinen SITCH von mir mit den neuesten Daten. Wenn irgendwas schiefläuft, warne ich euch sofort.“ „Klasse, Sharie!“, lobte Ginalla. „Wenn das deine Pilotin jetzt gehört hätte.“ „Tchey wird davon erfahren.“, sagte Sharie mit einem mutigen Ausdruck im Gesicht. „Sie gehört ja wohl auch zu den richtigen Leuten, oder?“ „Allerdings.“, sagte die junge Celsianerin. „Na dann.“, sagte Sharie und beendete die Verbindung. Dann bog sie ab in Richtung Saturn.

Kapitel 46: Eine wichtige Schlacht

von Visitor

 

Auch Scotty, IDUSA und Shimar waren mit den übrigen tindaranischen Schiffen zusammengetroffen und hatten sich nun gemeinsam auf den Weg zur Erde gemacht. Der tindaranische Pilot war immer neugieriger auf Scottys Plan geworden und hatte daher seine Aufmerksamkeit gegenüber IDUSA etwas schleifen lassen. „Soll ich das Steuer übernehmen?“, fragte diese. „Wäre vielleicht besser.“, sagte Shimar, der selbst bemerkt hatte, dass es mit seiner Konzentration aufs Fliegen gerade nicht zum Besten bestellt war.

IDUSA ließ die Steuerkonsole vor seinem geistigen Auge in den Hintergrund verschwinden. Dann fragte sie: „Darf ich wissen, was Ihre Aufmerksamkeit so beansprucht?“ „Frag Scotty.“, sagte Shimar. „Der redet doch die ganze Zeit davon, einen Plan zu haben, der eigentlich unmöglich ist. Wie sollen wir die negative Sternenflotte besiegen, ohne selbst einen Schuss abzugeben?“ „Knobel mal noch ’n bisschen, Kumpel.“, sagte Scotty, der genau wusste, dass Shimar niemals ohne sein Einverständnis in seinen Geist eindringen und sich die Informationen von dort holen würde. „Aber ich glaube nich’, dass du drauf kommen kannst. Dafür fehlen dir die Fachkenntnisse. Außerdem ist es mit guten Plänen wie mit gutem Wein oder gutem Käse. Sie brauchen viel Zeit zum Reifen.“

„Shimar!“ IDUSA hatte nach seiner Aufmerksamkeit verlangt und stellte ihm jetzt die Bilder von der negativen Sternenflotte auf den Neurokoppler. Der junge Tindaraner machte ein ernstes Gesicht. „Ich schlage vor, du beschleunigst den Reifeprozess ein wenig, Scotty!“, sagte er etwas hektisch. „Ich denke nämlich, es gibt bald saftigen Ärger!“ „Nur die Ruhe, Junge.“, sagte mein Mann. „Ich kann dir schon mal so viel verraten. Weißt du, was Elektrosmog is’?“ Mein Freund schüttelte den Kopf. „Na komm, IDUSA!“, wendete sich Scotty an das Schiff. „Hilf ihm! du hast das doch bestimmt in deiner Datenbank.“ „Bei Elektrosmog.“, begann IDUSA. „Handelt es sich um austretende Strahlung, die entsteht, wenn elektrische Energie eine Leitung passiert. Er kann empfindliche elektronische Systeme sehr stark beeinträchtigen, wenn sie nicht genügend abgeschirmt sind. Heute haben wir das Problem nicht mehr, weil die Abschirmungen nahezu optimal sind.“ „Aber jede dieser Abschirmungen kann kompromittiert werden.“, sagte Scotty ergänzend. „Was glaubt ihr, was passiert, wenn man bei so ’nem Energiekristall, der gerade Energie abgegeben hat, die Hülle anknackst und den Strahlemann dann direkt durch die Abschirmung in den Prozessorenkern beamt?! Ich meine, durch alle Abschirmungen hindurch!“ „Das wird die Absturzparty des Jahrhunderts!“, lachte Shimar. „Und vor allem werden sie nicht damit rechnen, weil das Problem ja eigentlich heute nicht mehr existiert. Aber wie kommen wir nah genug an ihre Hauptrechner heran?“ „Wir warten, bis sie uns angreifen.“, sagte Scotty. „Dann tut deine IDUSA so, als wäre sie getroffen worden und als wolltest du dich ergeben. Die von der bösen Sternenflotte werden so großen Appetit auf tindaranische Kriegsgefangene bekommen, dass sie uns mit Freuden in den Traktorstrahl nehmen sollten. Wenn wir kurz vor dem Hangardeck sind, beamt IDUSA den Strahlemann an seinen Platz. Ihre Systeme sind und bleiben ja abgeschirmt. Wenn die Systeme der bösen Jungs und Mädels da drüben ausfallen, macht sie mit uns einen Warpsprung und weg sind wir. Sag das deinen Leuten. Aber nicht über SITCH. Jede Aktivität über das Sprechgerät könnte verdächtig sein. Außerdem sollten sie wissen, was ich mit der Hülle des Energiekristalls mache. Du hast doch da noch ’ne Möglichkeit.“ „Wow!“, sagte Shimar. „Primitiv, aber sicher wirkungsvoll. Da zeigt sich mal wieder, wie praktisch es sein kann, mit jemandem aus der Vergangenheit eine Beziehung zu führen. Das wusstest du doch sicher von Betsy, in deren Zeit das Problem mit dem Elektrosmog noch sehr aktuell sein dürfte.“ Scotty nickte.

„Aus welchem meiner Nebensysteme gedenken Sie, einen Kristall bei laufendem Betrieb zu entnehmen, Techniker Scott?“, fragte IDUSA. „Nun, ich hatte an deinen Replikator gedacht.“, sagte der Ingenieur. „Also gut.“, sagte das Schiff. „Dann werde ich Ihnen gleich mal isolierende Handschuhe und einen technischen Erfasser replizieren, damit der was zu tun hat, bevor Sie den Kristall entnehmen. Dann haben Sie auch gleich Werkzeug.“ „Zwei Klappen mit einer Fliege!“, flapste Scotty. „Ich könnte dich knutschen, IDUSA!“ „Bitte machen Sie Ihre Frau nicht eifersüchtig, Techniker Scott.“, bat IDUSA. „Keine Panik, Schiffchen.“, sagte Scotty flapsig. „Aber jetzt sollten wir anfangen. Wie sieht’s aus, Shimar? Hast du Kontakt zu deinen Leuten?“ „Ja, Scotty.“, sagte Shimar, der inzwischen zu allen anderen tindaranischen Soldaten, die hierin verwickelt waren, tatsächlich eine telepathische Verbindung hergestellt und es ihnen erklärt hatte. Jetzt würden sie durch ihn Scotty genau zusehen, um zu wissen, wie sie das mit dem Kristall hinbekommen konnten. „Dann aufgemerkt.“, sagte Scotty. „Fangen wir an, IDUSA.“

Das Schiff replizierte ihm das Werkzeug und Scotty stülpte sich die Handschuhe über, was Shimar aufmerksam beobachtete und über die Verbindung an alle anderen weitergab. Dann entnahm der Techniker einen Kristall aus der Leitung, die den Replikator noch gerade mit Energie versorgt hatte und ersetzte ihn gleich durch einen Neuen. „Leih mir bitte mal deinen Phaser.“, sagte er. Wortlos und sehr angespannt vor Konzentration holte Shimar die Waffe hervor und gab sie seinem Freund. Scotty stellte sie auf die geringste Stufe ein und feuerte zwei kurze Salven auf die Hülle des Kristalls, in der sich zwei kleine Risse bildeten. „Nich’ schön, aber selten.“, kommentierte er die eigene Leistung. Dann steckte er den beschädigten Kristall erst mal in seine Tasche. „Hier halte ich dich erst mal schön warm, bis zu deinem Einsatz, mein Schätzchen.“, flüsterte er. Dann wandte er sich an Shimar: „Haben deine Leute alles verstanden?“ „Das haben sie.“, sagte Shimar und beendete die telepathische Verbindung. „Alles. Auch die Sache mit der lahmen Ente. Hoffen wir nur, dass die negative Sternenflotte unsere Finte auch schluckt.“ „Gier frist Hirn, mein Junge.“, sagte Scotty ruhig. „Shimar hat Recht, Techniker Scott.“, mischte sich IDUSA ein. „Ich würde auf jeden Fall Verdacht hegen, wenn sich mir ein Feind so freiwillig anbietet.“ „Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nich’ dem Angler, IDUSA.“, sagte Scotty. „Die haben ihre Vernunft nich’. Die is’ Gott sei Dank ein Teil der positiven Seite eines Wesens und somit bei unseren Freunden verblieben. Die werden vor Gier sabbernd und geifernd in ihren Stühlen sitzen und nur noch auf ihren Traktorstrahl schielen, damit der auch ja hält. Aber du, IEDUSA und die anderen Schiffe, ihr solltet von Zeit zu Zeit die Vorstartsequenz eurer Antriebe zünden, damit es so aussieht, als wärt ihr euch mit euren Piloten nich’ einig. Das bringt ihre Aufmerksamkeit noch mehr auf ihre Traktorstrahlen und weg von dem, was hinter ihrem Rücken passiert. Sonst wär’s zu leicht. Aber wenn die meinen, wir könnten ihnen doch noch durch die Lappen gehen, dann …“ „Na gut, Techniker.“, willigte IDUSA ein. „Ich sage es den anderen.“, sagte Shimar und baute erneut die Verbindung zu seinen Kameraden auf.

Auch Ginalla und Kamurus hatten die Ankunft der Tindaraner und der negativen Sternenflotte beobachtet. „Die sehen ja aus wie unsere.“, stellte die junge Celsianerin fest, nachdem ihr Kamurus die Bilder gezeigt hatte. „Stimmt.“, sagte das Schiff. „Es dürfte schwierig werden, zu unterscheiden, wer Freund und wer Feind ist.“ „Glaubst du echt, ich wollte mich da einmischen?“, fragte Ginalla. „Ne. Ich denke, die Tindaraner haben das schon im Griff. Außerdem könntest du beschädigt und ich verletzt werden und dann war’s das mit unserem Plan. Komm, ab ins Versteck! Sag Sharie, dass sie bald nich’ mehr allein die Herrin der Ringe is’! Außerdem habe ich überhaupt keine Zeit zum Kämpfen und du auch nich’. Wir müssen schließlich noch was bauen.“ „Also gut.“, sagte Kamurus und flog in dieselbe Richtung, in die vorher auch Sharie abgebogen war.

Die positive Granger hatte ebenfalls die Erde erreicht. „Es ist seltsam, Commander.“, stellte Kang fest. „Normalerweise müsste doch die böse Sternenflotte schon längst da sein, nach allem, was wir bisher wissen.“ „Oh, ich bin sicher, das ist sie, Warrior.“, erwiderte Mikel, der sein böses Ich relativ gut einschätzen konnte. „Aber wo könnten sie …“, setzte Ribanna zu einer Frage an, aber im selben Moment kamen von den Pohlen aller Planeten Schiffe herbei. Mikels Hilfsmittel identifizierte sie sofort als die negative Sternenflotte. Im gleichen Moment meldete Kang: „Commander, die negative Granger zielt auf uns. Sie hat unsere Lebenserhaltung im Visier!“ In seinen Worten schwang eine gehörige Portion Wut mit. „Worauf sind Sie genau sauer, Mr. Kang?“, fragte Kissara, deren feine Katzenohren diese Dinge durchaus mitbekommen hatten. „Wenn Ihre Wut Ihre Konzentration auf Ihren Dienst beeinträchtigen sollte, wäre es vielleicht besser, wenn …“ „Ich schaffe das schon, Ma’am!“, versicherte der Klingone. „Ich bin nur in gewisser Hinsicht sauer auf mich selbst, oder besser gesagt auf den bösen Teil von mir! Wie kann ein Klingone bei einer so unehrenhaften Handlung mitmachen, wie auf unsere Lebenserhaltung zu zielen?! Das ist feige und ehrlos!“ „Oh, diese Frage werden Sie sich selbst beantworten können.“, sagte Mikel. „Wenn Sie mir zunächst eine andere beantworten. Empfinden Sie Ihr Ehrgefühl als positiven oder negativen Teil von sich, Kang?!“ „Als Positiven, Sir!“, antwortete Kang. „Also.“, sagte der blinde erste Offizier. „Da haben Sie Ihre Antwort, wie so etwas sein kann!“ „Sie meinen.“, schlussfolgerte Kang. „Dieser Kang da drüben ist ohne Ehre?“ „Ja, das meine ich.“, erklärte Mikel. „Jeder von uns hat ein schwarzes Schaf in sich, das aber auch manchmal sehr hilfreich sein kann, wenn man kämpfen muss. Es ist nur wichtig, dass es uns nicht für immer kontrolliert. Die richtige Balance ist entscheidend.“ „Ich verstehe, Sir.“, sagte Kang. „Keine Sorge. Jetzt habe ich mich wieder im Griff. Ich kann meinen Dienst weiter fortsetzen. Vielen Dank, Agent.“ „Sehr gut, Mikel.“, lobte Kissara. „Man tut, was man kann, Kissara.“, sagte der erste Offizier bescheiden.

Auf der negativen Granger hatte man die Situation ebenfalls abgelauert. „Bisher scheinen sie noch nicht auf unsere Drohung zu reagieren, Sir.“, meldete Kang an Mikel. „Dann müssen wir eben noch bedrohlicher werden!“, sagte der erste Offizier. „Nehmen Sie auch all ihre Notsysteme unter Ziel, Kang. Zielen Sie mit den Phasern darauf und feuern Sie auf einen der Reserveknoten für die Notkraftfelder. Wenn Kissara Angst haben muss, bei einem Hüllenbruch in den Weltraum herausgeblasen zu werden, wird sie sich schon rühren. Das Ziel für die Lebenserhaltung bleibt auch weiterhin bestehen, Mr. Kang!“ „Um das durchführen zu können.“, sagte der Klingone. „Muss uns Ribanna drehen.“ „Dann soll sie doch.“, sagte Mikel. „Na los, Allrounder.“ Ribanna nickte und führte seinen Befehl aus.

Auf der positiven Granger sah Ribanna mit Sorge, was ihr Gegenstück mit dem anderen Schiff tat. Die versierte Pilotin wusste, dass, wenn das Schiff so gedreht wurde, es dem Waffenoffizier sehr leicht möglich war, alle Not- und Sicherheitssysteme des Schiffes zu treffen. „Commander.“, meldete sie. „Die negative Granger hat sich gedreht und jetzt zielen ihre Torpedos weiterhin auf unsere Lebenserhaltung, während ihre Phaser auf unsere anderen Notsysteme ausgerichtet sind! Wir müssen handeln!“ „Allrounder Ribanna hat Recht, Commander.“, sagte Kang. „Also gut!“, ordnete Kissara an. „Besser die, als wir. Heben Sie unsere Schilde, zielen Sie auf ihre Waffen, Mr. Kang und legen Sie diese lahm!“

„Ziel erfasst, Commander.“, meldete Kang nach einigen schnellen Bewegungen auf der Tastatur seines Pultes. „Feuer!“, befahl Kissara.

Die Systeme der positiven Granger registrierten die Einschläge auf dem negativen Schiff, aber gleich danach fielen sie auch aus, obwohl von jenem kein einziger Schuss abgefeuert worden war. „Was hat das zu bedeuten?!“, fragte Kissara in die Runde. Im gleichen Moment wurde ihr per Sprechanlage aus dem Maschinenraum durch Elektra bestätigt, dass die Waffen ausgefallen waren. „Sind wir doch beschossen worden?“, fragte die Androidin. „Ich frage, weil die Symptome der Systeme das vermuten lassen, aber weder Mr. Jannings, noch ich einen Torpedo oder Phaserenergie registrieren.“ „Das kann ich mir im Augenblick auch nicht erklären.“, sagte Kissara und tippte Mikel an, ein vereinbartes Zeichen, wenn sie etwas von ihm wissen wollte. „Ich kann es mir auch nicht erklären, Kissara.“, sagte der erste Offizier. „Wir haben geschossen, sind aber nicht beschossen worden und trotzdem benehmen sich unsere Systeme, als währen wir es. Ich denke aber, wenn das so ist, dann sollten wir dies kein zweites Mal riskieren.“ „Wie soll das auch gehen ohne Waffen?“, fragte Kang spöttisch.

„Ich glaube.“, meldete Ribanna. „Wir müssen uns auch bald keine Sorgen mehr darum machen. Da kommt nämlich unsere Schützenhilfe. Ich registriere eine große Menge kleinerer Schiffe mit tindaranischer Transponderkennung. Es sind genau so viele, wie die böse Sternenflotte Schiffe hat!“ „Das ist die beste Nachricht seit langem, Ribanna!“, atmete Mikel auf. „Legen Sie die Beine hoch, Mr. Kang. Jetzt ist alles in Ordnung! Die Tindaraner kommen!“

Auch die Crew der negativen Granger hatte das Eintreffen der tindaranischen Schiffe registriert. „Das habe ich mir schon gedacht, dass die sich einmischen werden.“, sagte Mikel. „Wie ist das zahlenmäßige Verhältnis, Ribanna?!“ „Eins zu eins, Sir.“, antwortete die junge Indianerin. „Na dann!“, sagte Mikel. „Verbinden Sie mich mit allen unseren Schiffen, Ribanna.“

Die SITCH- und Flugoffizierin nickte und gab einen Sammelruf an alle Sternenflottenrufzeichen ein. „Sie können sprechen, Agent.“, sagte sie, nachdem alle geantwortet hatten. „Hergehört!“, sagte Mikel. „Jeder nimmt sich das tindaranische Schiff vor, das ihm am Nächsten ist! Macht Ihnen den Garaus, aber wenn möglich, macht auch ein Paar Gefangene! Ich will Informationen über das, was die Zusammenkunft über die ganze Aktion hier weiß!“ Mikels Befehl wurde von allen bestätigt.

Ein Regen aus Torpedos und Phasersalven ging auf die tindaranischen Schiffe hernieder. Ihre Piloten gaben ihnen in letzter Sekunde den Gedankenbefehl zum Ausweichen, wie Shimar es als Staffelführer befohlen hatte. So entstand bei der negativen Sternenflotte der Eindruck, alle seien getroffen worden. Auch Shimars Schiff war betroffen und legte jetzt eine famose schauspielerische Leistung hin. Sie schaltete ihre elektronische Trimmung ab und belieferte die Impulsspulen einzeln nur unregelmäßig mit Energie, so dass ein regelrechter Holperflug entstand.

Dies war von dem bösen Kang nicht ungesehen geblieben. „Sir.“, wendete er sich an Mikel. „Direkt vor unserer Nase tanzt das Schiff des tindaranischen Staffelführers herum. Es sieht aus, als hätten wir es empfindlich getroffen. Er wird wohl am Meisten über die Operation wissen, wenn Sie mich fragen. Wir sollten also …“ „Wer hätte das gedacht!“, entgegnete Mikel gierig. „Der tindaranische Staffelführer selbst geht gerade uns ins Netz. Schnappen Sie ihn sich mit dem Traktorstrahl, Kang! Der wird sich gut machen in unserer Sicherheitszelle! Dafür wird mir T’Mir sicher einen Orden verleihen, wenn wir wieder daheim sind!“ Der Klingone nickte und führte den Befehl des ersten Offiziers aus.

IDUSA hatte das Greifen des Traktorstrahls an ihrer Hülle registriert, aber machte unbeirrt mit ihrem Humpeln weiter. „Schön machst du das!“, lobte Shimar, der aufgrund einer abgeschlossenen Kunstflugausbildung besser wieder das Steuer übernommen hatte. Auch seine Kameraden hatten ihn telepathisch darüber informiert, dass auch sie in die Traktorstrahlen genommen worden und ebenfalls bereit waren, die Kristalle an ihre Bestimmungsorte zu beamen. Das hatte Shimars Laune noch mehr verbessert. „Ich wusste gar nicht, was du für eine Schauspielerin bist.“ „Ich bin auch selbst sehr über mich überrascht, Shimar.“, erwiderte IDUSA. „Aber wir dürften bald an unserem Bestimmungsort sein.“ „Das hoffe ich inständig.“, mischte sich Scotty ein. „Ich fange nämlich gerade an, mein Frühstück zu bereuen.“ „Mimose!“, zischte Shimar grinsend, gab noch einen abfälligen Laut von sich, zog eine Tüte aus der Tasche und gab sie Scotty.

Mit Schrecken hatten Kissara und ihre Leute gesehen, wie leicht sich die Tindaraner scheinbar gefangen nehmen lassen hatten. „Das sind mir schöne Alliierte.“, sagte Kang. „Lassen sich beim ersten Anzeichen von Ärger …“ „Abwarten, Warrior.“, sagte Mikel. „Ich bin überzeugt, die haben noch irgendein Ass im Ärmel. Darum würde ich sogar wetten!“ „Wenn Sie die Wette mal nicht verlieren werden, Sir.“, sagte Kang.

„Ich glaube, es ist bald so weit.“, sagte Scotty, der nach draußen gesehen und den Eingang zum Hangardeck erkannt hatte. Wenn IDUSA den Kristall jetzt beamen würde, würde er direkt im Hauptprozessor des Rechners landen. „Wenn du das sagst.“, sagte Shimar. „Du bist ja der Techniker von uns zweien. Du kennst ja die Konstruktionspläne von Sternenflottenschiffen. IDUSA, ich will Commander Kissara beruhigen. Verbinde mich mit der Granger!“ Der Schiffsavatar sah Shimar fest an und sagte zu dessen Überraschung fest und entschlossen: „Nein, Shimar!“ „Sie hat Recht.“, mischte sich Scotty ein, bevor Shimar etwas erwidern konnte. „Wenn sie das Rufzeichen der Granger anspricht, könnten beide Sprechgeräte auf beiden Schiffen reagieren und der Feind könnte alles mithören! Willst du das riskieren?“

Der junge Tindaraner überlegte kurz. Dann sagte er: „Nein! Natürlich nicht! Danke, IDUSA und danke, Scotty. Da hätte ich wohl beinahe einen großen Fehler gemacht.“ „Oh, ja, dass hättest du.“, sagte Scotty, dem es auf einmal gar nicht mehr so schlecht war. „Aber ich habe noch ’ne Info für dich. Wir sind genau da, wo unsere liebe IDUSA der bösen Granger gleich mal einen lieben Gruß von meiner Frau bestellen kann.“ „Also gut.“, sagte IDUSA, die verstanden hatte. „Bitte bleiben Sie jetzt ganz still sitzen, Techniker Scott, damit ich den Kristall in Ihrer Tasche erfassen kann. Durch die Strahlung hindurch ist das nämlich etwas schwierig.“ „OK.“, sagte Scotty.

Der Kristall wurde an seinen Bestimmungsort gebeamt und auch alle anderen taten es Shimars Schiff gleich. Tatsächlich stürzten auf allen Schiffen der negativen Sternenflotte reihenweise die Hauptrechner ab und die Systeme versagten. „Der Traktorstrahl ist ausgefallen und hat uns freigegeben, Shimar.“, meldete IDUSA. „Dann komm jetzt!“, sagte Shimar und gab ihr gleichzeitig alle nötigen Gedankenbefehle für den Warpsprung. „Scotty, festhalten!“

Sekunden später waren sie in Freiheit. „Merkwürdig.“, sagte Scotty. „Ich dachte, man würde mehr in den Sitz gepresst bei einem Warpsprung.“ „Ich habe das mit den Umweltkontrollen kompensiert.“, sagte IDUSA zur Erklärung. „Alles klar.“, flapste Scotty.

„Jannings!!!!“, brüllte der negative Mikel ins Mikrofon der Sprechanlage, über die er eine Verbindung zum Maschinenraum aufgebaut hatte. „Eine Erklärung! Ich verlange eine verdammte Erklärung!“ „Die kann ich Ihnen leider nicht geben, Agent.“, sagte der Chefingenieur kleinlaut. „Ich bin mit der Situation im Moment auch restlos überfordert. Die seltsamen Systemausfälle sind auch mir ein Rätsel.“ „Dann lösen Sie das gefälligst!“, schrie Mikel, der hoch aufgeregt war. „Durchkämmen Sie von mir aus das ganze Schiff, wenn es sein muss, aber bringen Sie mir den Grund für unsere Probleme ans Licht! Und so bald Sie das getan haben, sagen Sie mir, wann Sie voraussichtlich den Antrieb wieder flott haben und vor allem welchen! Ich will nicht, dass uns diese verdammten Tindaraner, oder gar die Granger noch einmal angreifen können! Ich will so schnell wie möglich nach Hause! Haben Sie das kapiert, Techniker?!“ „Ja, das habe ich, Agent.“, gab Jannings mit zitternder Stimme zurück. Er wusste, wenn Mikel so erregt war, würde er ihn vielleicht sogar töten, wenn er ihm nicht bald ein Ergebnis brachte. Dass die Brückenoffiziere bei den unteren Rängen auf den negativen Schiffen Angst und Schrecken verbreiteten, lag in der Natur der Sache, denn sie bestanden ja nur aus den negativen Teilen der eigentlichen Crews und ein falsches Wort oder eine falsche Handlung zur falschen Zeit konnte schon mal böse Konsequenzen haben. Deshalb schlief auch jeder mit einem Phaser unter dem Kopfkissen.

Elektra trat an ihren Vorgesetzten heran. „Sir.“, begann sie langsam und streckte Mr. Jannings ihre rechte Hand hin, in der sie etwas Glänzendes hielt. „Das steckte in unserem Hauptprozessor.“, erklärte sie und legte den Kristall vor Jannings auf der Konsole ab. „Ich habe es in eine isolierende Hülle gesteckt.“, erklärte die Androidin. „Hätte ich das nicht getan, wäre ich jetzt bei seiner Berührung sicher auch ohnmächtig geworden. Deshalb möchte ich Sie bitten, den Deckel des Behälters nicht zu öffnen, Sir. Er ist aber durchsichtig, also für normales Tageslicht durchlässig. Sie werden also trotzdem sehen, was darin ist.“

Der Techniker nahm den Behälter auf und studierte ihn und seinen Inhalt. Dann ließ George gut hörbar die Luft aus seinen Lungen entweichen. „Wissen Sie, dass Sie mir gerade das Leben gerettet haben, Assistant?“, fragte er. „Ich denke, Agent Mikel hätte mich umgebracht, wenn ich ihm keine Lösung präsentiert hätte!“ „Davon ist auszugehen.“, sagte die negative Elektra. „Und ich wäre dann wahrscheinlich in Ihren Rang aufgestiegen.“

Jannings drückte einen Knopf an der Sprechanlage, der eine Verbindung mit Mikels Arbeitsplatz auf der Brücke ermöglichte. „Ich habe die Lösung, Sir!“, sagte er. „Die Tindaraner haben uns offensichtlich allen Energiekristalle in die Prozessoren gebeamt, die große Mengen von Elektrosmog freisetzen. Die Systeme laufen jetzt zwar alle auf Reserve, aber deshalb auch nur mit halber Kapazität. Im Moment kann ich Ihnen vielleicht Manöverdüsen bieten, aber mehr auch nicht. Ich werde natürlich alles tun, um …“ „Das will ich Ihnen auch geraten haben, George!“, erwiderte der erste Offizier immer noch sehr wütend. „Sonst wissen Sie ja, was passiert!“ Er spielte, für Jannings gut hörbar, mit den Knöpfen seines Phasers. „Ihre Assistentin könnte Ihren Job vielleicht sogar noch besser ausfüllen.“ „Ich werde mich bemühen, Agent.“, versprach Jannings voller Angst. „Das ist ja wohl das Mindeste, das ich von Ihnen erwarten kann!“, schnaubte Mikel. „Aber jetzt sollten wir machen, dass wir aus dem Sonnensystem humpeln. Mehr ist ja nicht möglich. Die verdammten Tindaraner haben uns doch tatsächlich ausgetrickst mit einer List, die nur jemand kennen kann, der noch aus meiner Zeit stammt und weiß, was Elektrosmog ist! Weiß der Himmel, woher sie das wissen, aber das ist mir jetzt auch egal! Los, Ribanna! Bringen Sie uns hier weg! Ich denke aber, dass nur mein Gegenstück das wissen konnte, denn er stammt ja aus einer Zeit, in der es noch aktuell ist! Er soll mich kennen lernen. Ich werde ihn abpassen, wenn er allein ist und mich dann an ihm rächen!“

Auf der positiven Granger hatte man die Manöver ihres negativen Gegenstücks und auch die gesamte Situation beobachtet. Wegen der Verbindung hatte man zwar auch dort leichte Systemausfälle verzeichnet, aber Kissara fand das bei Weitem nicht so schlimm. Sie würden ja eh bleiben, denn sie hatten ja auch noch was zu erledigen.

„Was für ein Jammer, Mr. Kang.“, sagte der gute Mikel zu seinem klingonischen Untergebenen. „Dass wir nicht wirklich gewettet haben.“ „Für mich kann das nur gut sein, Agent.“, sagte Kang. „Ich hätte nämlich haushoch verloren. Ich habe unsere tindaranischen Freunde wohl unterschätzt. Aber was genau haben die mit den Schiffen der negativen Sternenflotte gemacht?“ „Ich gebe Ihre Frage gern weiter, Warrior.“, sagte Kissara und sah zu Ribanna hinüber.

Die Reservistin programmierte den Erfasser des Schiffes auf das tindaranische Neuroband und ließ ihn scannen. Dann sagte sie: „Ihre Kräfte haben sie nicht benutzt, Ma’am. Aber ich werde auch noch andere Möglichkeiten prüfen. Eines steht nämlich offensichtlich fest. Die Schiffe der negativen Sternenflotte haben alle irgendein komisches Strahlungsproblem. Zumindest sagt das Elektra, mit der ich gerade Mails ausgetauscht habe. Ich habe die Situation der Crew des Maschinenraums gemeldet, weil ich selbst nicht weitergekommen bin.“ „Das war schon richtig, Ribanna.“, sagte Kissara. „Dafür sind ja unsere Fachleute da. Aber haben Jannings und Elektra unter Umständen auch eine Erklärung für uns?“ „Ja.“, sagte Ribanna zögerlich. „Elektra hätte schon eine, aber die ist so primitiv, dass es eigentlich nicht sein kann, weil doch in der heutigen Zeit unsere Systeme viel zu gut abgeschirmt sind. Sie hat die Erklärung aus der historischen Datenbank und …“ „Leiten Sie mir Elektras Mail weiter, Allrounder.“, sagte Kissara ruhig und grinste. „Sind Sie sicher, dass Sie jetzt eine Lektion in Geschichte haben wollen, Commander?!“, fragte Ribanna verunsichert. „Ja, das bin ich.“, sagte Kissara. „Auch wenn es unwahrscheinlich klingt. Aber genau das könnte der Faktor sein, den sie ausgenutzt haben.“

Noch immer leicht verwirrt tat Ribanna schließlich doch, was ihr Commander von ihr verlangt hatte. Kissara überflog die Mail kurz und sagte dann: „Wenn das stimmt, dann muss da aber ein ganz schöner Fuchs am Werk gewesen sein. Sind die Tindaraner noch in SITCH-Reichweite, Allrounder?“ „Ja, Ma’am.“, nickte die junge Indianerin. „Dann verbinden Sie mich mit dem Führungsschiff!“ Die Angesprochene nickte und gab das Rufzeichen von Shimars Schiff ins Sprechgerät ein.

Shimar und seine Leute hatten sich etwas zurückgezogen, um der negativen Sternenflotte zu signalisieren, dass sie ohne Störungen abziehen konnte. Sie war jetzt ja erst mal keine Bedrohung mehr. Im Gegenteil. Wenn sie nicht der Feind gewesen wären, hätte er ihnen sogar noch Hilfe angeboten.

„Du warst unglaublich, du Fliegerass du!“, sagte Scotty. „Du aber auch.“, meinte Shimar. „Ohne dein Fachwissen hätte das nicht funktionieren können.“ „Aber diese Holpernummer hätte ich nicht hingekriegt.“, meinte der Ingenieur. „Ich hätte das Shuttle sicher total übersteuert und dann wären wir abgestürzt.“ „Du hast ja auch keine Kunstflugausbildung, in der man das Gefühl für solche Manöver gelehrt bekommt.“, sagte Shimar. „IDUSA weiß, dass ich das kann. Deshalb hat sie …“ „Dafür hattest du wohl nur Zeit, weil du wohl in der normalen Flugausbildung ein totaler Überflieger warst, du Flieger.“, witzelte Scotty. „Also, ich hätte sie nicht halten können.“ „Und ich hätte bestimmt nicht auf die Sache mit dem Elektrosmog kommen können.“, sagte Shimar. „Ich habe das Gefühl, wir vergessen jemanden.“, sagte Scotty. „Ich meine, diese Art von Antriebsschaden zu simulieren, das war doch deine Idee, IDUSA, nicht wahr?“ „Sie haben Recht, Techniker Scott.“, sagte das Schiff. Dann wendete sie sich an Shimar: „Ich habe ein Gespräch für Sie. Es ist die positive Commander Kissara. Sie darf uns ja rufen, weil es von uns ja nur ein Rufzeichen gibt.“ „Stell sie Scotty und mir durch!“, befahl Shimar.

Bald darauf sahen Scotty und er das Gesicht Kissaras vor ihren geistigen Augen über die Neurokoppler. „Was kann ich für Sie tun, Commander?“, lächelte Shimar und achtete dabei sehr darauf, den für ihn etwas ungewohnten Umgangston korrekt anzuwenden. „Ich glaube, ich bin dir und deinen Leuten zu großem Dank verpflichtet.“, sagte Kissara, die sich jetzt ihrerseits um diplomatische Richtigkeit bemühte. „Aber mich würde wirklich interessieren, wie ihr es angestellt habt.“ „Das ist ein Trick, den nicht jeder kennt.“, sagte Shimar. „Aber das gebe ich gern weiter an Techniker Scott, dessen Idee es auch war.“ „Oh, das wird sicher etwas länger dauern.“, sagte Kissara. „Ich denke, wir werden im Rahmen von Allrounder Betsy Scotts Beerdigung sicher noch Gelegenheit finden, ausführlich darüber zu reden. Techniker, ich freue mich schon auf Ihre Ausführungen.“ „Wie gehen Sie eigentlich mit den aufgrund der Verbindung entstandenen Problemen um?“, wollte jetzt Scotty wissen. „Das ist nicht so schlimm.“, tröstete Kissara. „Ich glaube, die böse Sternenflotte ist schlechter dran. Sie will weg und kann nicht, aber wir können es uns leisten, hierzubleiben und in aller Ruhe eine Kameradin zu beerdigen. Ich hoffe, Shimar, dass du bleiben darfst.“ „Davon gehe ich aus.“, versicherte der junge Tindaraner. „Also gut.“, sagte Kissara. „Dann sollten wir uns jetzt alle im Sternenflottenhauptquartier treffen. Dort ist sicher schon alles vorbereitet.“ Sie beendete die Verbindung.

Traurig sah Scotty Shimar an. „Damit mussten wir doch rechnen.“, tröstete dieser. „Das schon.“, sagte Scotty. „Aber jetzt ist es so endgültig!“ „Hey, wir schaffen das!“, sagte Shimar und strich ihm über den Rücken. „Betsy hätte das genau so für jeden von uns beiden getan und ich glaube nicht, dass es wirklich so endgültig ist. Sie ist ein kleines schlaues Ding, unsere Betsy. Etwas, dass man ihr bei ihrer sanften lieben Art vielleicht nicht immer zutraut, aber …“ „Du glaubst doch wohl nicht, dass sie sogar den Tod überlisten kann.“, schluchzte Scotty. „Ich habe ein unbestimmtes Gefühl.“, sagte Shimar. „Es ist eine Art von telepathischer Vorahnung, die ich aber nicht näher beschreiben kann. Details bleiben mir leider verborgen, so sehr ich auch versuche, sie zu erspüren. Aber …“ „Lass uns davon aufhören.“, sagte Scotty. „Ich will Kissara nicht warten lassen.“ „Na gut.“, sagte Shimar. Dann ließen sich die Männer von IDUSA zum Treffpunkt beamen.

Ginalla war in der Achterkabine von Kamurus mit dem Zusammenbau des Containers beschäftigt. Die Puppe hatte sie bereits fertig gestellt und Kamurus und sie hatten die Täuschtechnik programmiert. Die Tür zwischen Cockpit und Kabine war aber im offenen Zustand blockiert worden, um eine Kommunikation zwischen dem Schiff und seiner Pilotin zu erlauben. Diese konnte jetzt ja nur über Bordlautsprecher und Mikrofon stattfinden. Diesen benutzte Kamurus jetzt auch, um sie zu informieren: „Bitte unterbrich kurz deine Arbeit, Ginalla. Ich muss dir etwas zeigen.“

Die junge Celsianerin legte neugierig ein Werkzeug beiseite, das sie gerade in der Hand gehalten hatte und ging ins Cockpit zurück. Hier setzte sie sich auf den Pilotensitz und den Neurokoppler auf. Sofort lud Kamurus ihre Tabelle. „Was hast du für mich?“, fragte sie. „Sieh selbst.“, sagte das Schiff, das die gesamte Situation genau beobachtet hatte.

Nachdem Ginalla sich die Bilder angesehen hatte, blieb ihr vor Staunen der Mund offen. „Wie geil war das denn?!“, fragte sie bewundernd, aber auch in der ihr eigenen typischen celsianischen flapsigen Art. „Oh, Mann! Wer hat unserem tindaranischen Lieblingssoldaten bloß beigebracht, solche coolen Dinger zu produzieren! Weißt du, was ich am liebsten machen würde, Kamurus?! Ich würde am liebsten auf der Beerdigung auftauchen und ihn mal fragen!“ „Und genau das wirst du nicht tun!“, sagte Kamurus. „Das würde nämlich unter Umständen unseren anderen Plan gefährden. Falls die falschen Leute dir habhaft würden …“ „Da is’ er ja wieder, mein Mister Disziplin!“, lachte Ginalla. „Aber du hast Recht. Und jetzt bring uns zur Erde! Ich muss noch arbeiten!“ Der Avatar nickte und führte ihren Befehl aus, sie hingegen ging wieder an ihre Arbeit zurück.

Auch Nathaniel und das Veshel hatten die Umlaufbahn der Erde erreicht. Hier hatte der Computer des Schiffes den Professor geweckt, denn dieser hatte tief und fest geschlafen. Er hatte in letzter Zeit bemerkt, dass das Medikament, das ihm Telzan gegeben hatte, ihn nicht nur ruhig stellte, sondern ihn auch, je nach Dosierung, in einen tiefen Schlaf versetzen konnte, was oft genug notwendig war, denn die Häufigkeit und Intensität seiner Anfälle hatte sehr stark zugenommen. Offensichtlich hatte Sytania die Wahrheit gesagt, als sie sagte, sie würde ihn wieder zu jenem nervlichen Wrack machen, das er vor ihrer Begegnung war. Diese Tatsache machte Radcliffe sehr wütend! Er wünschte nichts sehnlicher herbei, als seine Heilung.

Er stand von der Sitzbank, auf der er gelegen hatte, auf und ging ins Cockpit. Vorher hatte er sich in der Achterkabine aufgehalten. Ein Blinklicht auf der Konsole und das schon seit mehreren Minuten andauernde Schrillen des Alarms hatten ihn jetzt sehr aufmerksam werden lassen. Nathaniel drehte sich also zum Mikrofon des Rechners und fragte hinein: „Was gibt es, Mishar?“ „Wir haben die Umlaufbahn der Erde erreicht.“, gab eine sachliche Stimme zurück. „Die Kontrollen werden freigegeben. Das bisher laufende Programm wird beendet.“

Radcliffe setzte sich auf den Pilotensitz und legte seine Hände auf die Steuerkontrollen. Im gleichen Augenblick gab es ein Signal und das Gesicht Telzans erschien auf dem Schirm. „Hallo, Nathaniel El Taria.“, begrüßte ihn der Vendar lächelnd. „Wenn du diese Aufzeichnung hörst, hast du dein Ziel erreicht. Bitte geh jetzt zum Replikator und entnimm aus dem Auswurffach, was du dort findest. Dann stecke den Datenkristall in das Laufwerk. Der Mishar wird alles überspielen, was wichtig ist. Nimm dann den Kristall an dich und aktiviere die Selbstzerstörung des Schiffes. Stelle sie auf fünf Minuten ein. Dann hast du noch genug Zeit, auf die Transporterplattform zu gehen. Gib Koordinaten ein, an denen du möglichst viele Leute findest, damit man dich auch sieht. Dann findest du auch leichter jemanden, dem du dich anvertrauen kannst. Wegen der Selbstzerstörung wird dir der Mishar keine Schwierigkeiten machen. Dafür habe ich schon gesorgt. Mach’s gut und viel Glück, Nathaniel El Taria.“

Die Aufzeichnung endete und Radcliffe saß zunächst wie versteinert da. Wann hatte Telzan dies programmieren können? Sie waren doch während des gesamten Fluges zusammen gewesen und er hätte es doch bemerkt, wenn der Vendar etwas in den Computer gesprochen hätte. Das war doch wohl hoffentlich keine Falle von Sytania, um ihn zu irgendwelchen Handlungen zu bewegen, die seinen Fluchtweg abschneiden sollten. Er dachte sich, dass ihr und ihren Vendar alles zuzutrauen war. Er musste Beweise für die Echtheit des Programms finden! Anderenfalls würde er die Anweisungen auf keinen Fall ausführen! „Mishar.“, befahl er. „Zeig mir alle Programme, die von Telzan Ed Cirnach auf deinen Hauptkristall überspielt oder dort erstellt wurden!“ „Befehl wird ausgeführt.“, sagte der Rechner und dann bekam Nathaniel eine lange Liste vorgelegt, die er aber leider nicht lesen konnte, denn es war alles in Vendarisch. Telzan hatte ihm zwar einen Computerkurs gegeben, aber das erst, nachdem er mit ihm aufgebrochen war. Nur ganz am Ende der Liste befand sich ein Programm mit englischem Titel, das aber lange vor ihrer gemeinsamen Zeit entstanden sein musste, aber wenn Nathaniel zu Grunde legte, warum ihm Telzan geholfen hatte, ergab alles einen Sinn. Der Vendar hatte ihm ja auch nur aus Eigennutz geholfen und er hatte ja sein Amt schon lange vor der Bestrafung des Professors verloren. Er kannte ja seine Herrin schließlich lange genug, um zu wissen, wie sie sich verhalten und wie er sich an ihr rächen können würde. Er hatte dies sicher von langer Hand geplant, da er wohl die ganze Zeit mit Nathaniels Bestrafung gerechnet hatte. Warum sonst hätte er sich auch freiwillig für die Mission, Nathaniel zu töten, gemeldet, wenn er nicht etwas geplant hätte?

Nathaniel drehte sich zum Replikator, wie es ihm Telzan in der Aufzeichnung aufgetragen hatte. Hier fand er tatsächlich einen Datenkristall vor. „Ich glaube dir, Telzan.“, sagte er. „Und das werde ich dir jetzt auch beweisen, indem ich deine Anweisungen ausführe. Ich wünschte, du könntest das jetzt sehen, wo immer du auch bist.“

Er schob den Kristall ins Laufwerk und im gleichen Moment begann der Mishar mit dem Überspielen einer Datei aus dem Verzeichnis des Replikators. „Wahrscheinlich die Rezeptur für meine Medizin.“, sagte Nathaniel leise. Dann entnahm er den Kristall wieder, steckte ihn ein und ging zu seinem Platz zurück. „Mishar.“, sagte er. „Die Selbstzerstörung aktivieren und auf fünf Minuten einstellen. Jede Minute eine Warnung herausgeben!“ „Befehl wird ausgeführt.“, kam es zurück. „Selbstzerstörung aktiviert. Fünf Minuten bis zur Überlastung aller Systeme.“

Nathaniel wandte sich dem Transporter zu: „Zeig mir einen Platz mit möglichst vielen Biozeichen!“, befahl Radcliffe. Auch dieser Aufforderung kam der Rechner nach. Der Professor erblickte eine Menge Leute, die auf den Friedhof von Little Federation zuströmten. In dieser Menge würde er sich gut verstecken können und einfach eine Weile mit dem Strom schwimmen. Zu gegebenem Anlass würde er dann einen Agenten aufsuchen und sich ihm stellen. Die Bedeutung dessen, was er dort sah, war Nathaniel durchaus bewusst. Tiefe Reue überkam ihn und er erkannte, dass er nicht passend angezogen war. Schnell replizierte er sich noch einen schwarzen Anzug, warf ihn sich über und befahl dann in Richtung des Mishar: „Mich zu den Koordinaten auf dem Schirm beamen! Aktivieren!“

Wenig später fand sich Nathaniel am Ende des Trauerzuges wieder. Er würde jetzt einfach nur mitgehen und hoffen, dass ihn keiner zu früh als meinen Mörder identifizieren würde, denn er wusste, dass ich eine sehr beliebte Person in Little Federation war und ihn der Mob sonst unter Umständen lynchen könnte. Er wusste ja nicht, dass keiner wusste, was wirklich passiert war, aber sein Gewissen spielte ihm hier wohl einen Streich.

Von Zeit zu Zeit blickte er nach oben, denn theoretisch hätte ja auch bald die Explosion des Schiffes erfolgen müssen, die einen kurzen Feuerschein auslösen würde. Tatsächlich wurde er dessen auch bald ansichtig, ein Umstand, der ihn sehr erleichterte. Das war’s., dachte er. Nun ist meine Flucht endgültig zu Ende!

Kapitel 47: Entscheidende Aussagen

von Visitor

 

Auch D/4 hatte ihr Ziel, die Exo-Klinik auf Demeta, erreicht. Nun stand die Sonde vor dem Empfang und wartete in der Schlange unzähliger weiterer Besucher auf eine Gelegenheit, nach Korelems Aufenthaltsort zu fragen. Die Zeit schien für die Sonde sehr langsam zu vergehen, bis sie endgültig an der Reihe war. Die Empfangsdame, eine zierlich gebaute Demetanerin in weißer Bluse und rotem Rock, der in solchen Kliniken üblichen Bürokleidung, sah sie lächelnd an. „Sie wünschen bitte?!“, wandte sie sich an D/4. „Ich wünsche zu erfahren, wo sich ein Patient von Ihnen aufhält.“, sagte die Xylianerin. „Sein Name lautet Korelem.“ „Sind Sie eine Angehörige?“, fragte die Empfangsdame. „Negativ.“, sagte D/4. „Aber ich bin Ärztin an Bord des Rettungsshuttles, das ihn herbrachte. Ich habe noch etwas zu erledigen.“ „Einen Augenblick bitte.“, sagte die Demetanerin mit ihrer hellen freundlichen Stimme und wandte sich einem Sprechgerät zu. Hier gab sie das Rufzeichen der Station ein, auf der sich Korelem befand. Dann führte sie ein Gespräch mit der dortigen Dienst habenden Oberschwester, wie D/4 vermutete.

Sie kam zurück ans Fenster und lächelte der Sonde erneut zu. „Sie werden auf der dritten Etage erwartet.“, sagte sie dann. „Dort ist auch unser Trainingsraum. Ich habe gerade erfahren, dass sich Korelem dort aufhält. Normalerweise machen wir keine solchen Ausnahmen für Besucher, aber in Ihrem Fall, das sagen zumindest meine Vorgesetzten, ist das schon OK. Der Turbolift ist gleich dort drüben.“ Sie deutete mit ihrer rechten Hand nach schräg links. „Danke.“, sagte die Sonde knapp, nachdem sie mit ihren Augen die Linie, die der Arm der Empfangsdame angedeutet hatte, verlängert und den Lift tatsächlich erspäht hatte. Dann stieg sie ein und gab über die Symbole auf dem Touchscreen die dritte Etage ein. Sie konnte ja nicht davon ausgehen, dass ein fremdes System ihren Stimmabdruck kannte.

Bald darauf war sie in der angegebenen Etage angekommen, wo sie von einem Demetaner in weißem Kittel empfangen wurde. „Ich bin Medical Assistant Mitron.“, sagte der Demetaner in fast akzentfreiem Englisch. „Angenehm.“, erwiderte die Sonde. „Meine Kennung lautet D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe. Sie können mich D/4 nennen.“ „In Ordnung.“, entgegnete der Demetaner mit seiner leisen tiefen freundlichen Stimme. „Dann folgen Sie mir bitte, D/4.“

Die Sonde nickte und wartete, bis er sich in Bewegung gesetzt hatte, um ihm dann einige Schritte später hinterher zu gehen. Sie wurde von dem Krankenpfleger, der offensichtlich der Sternenflotte angehörte, durch einige lange Gänge geführt. Dann standen sie vor einer Tür, die er mit seinem biologischen Fingerabdruck entsichern musste. „Ihre Empfangsdame sagte mir bereits, dass Besucher hier normalerweise keinen Zutritt haben.“, sagte die Sonde, denn sie hatte gesehen, dass er ihr einen fragenden Blick zugeworfen hatte. „Das Sicherheitssystem muss ja zwischen Personal, Patienten und Besuchern unterscheiden können.“ Der Demetaner nickte nur stumm und winkte ihr, ihm in den Raum zu folgen.

D/4 ging an einigen Geräten vorbei, die für sie etwas merkwürdig anmuteten. Aber wenn sie bedachte, wo sie hier war, begann alles schon einen Sinn zu machen. Ganz in der hintersten Ecke des Raumes erblickte sie Korelem, der mit seinen Vorderfüßen an einem Griff hing, der an einer Stange befestigt war und sich offensichtlich aus dieser herausziehen ließ. Über dieser Konstruktion war ein Display angebracht, auf dem sie einige Symbole und fünf Striche sehen konnte. Offensichtlich versuchte Korelem, den Griff noch weiter herauszuziehen, indem er mit den Flügeln schlug und versuchte, an Höhe zu gewinnen. Aber das gelang ihm nicht. An seinem angestrengten und verzweifelten Gesichtsausdruck konnte die Sonde sehr gut ablesen, dass ihm dieser Umstand ganz und gar nicht gefiel.

„Sie haben Besuch, Korelem.“, sagte der demetanische Pfleger ruhig und sah ihn mild an. Erst jetzt ließ der Alaraner den Griff los und drehte sich der Sonde zu. „Hallo, D/4.“, sagte er. „Hallo, Korelem.“, erwiderte sie. „Sie können sich doch sicher denken, warum ich hier bin.“ „Oh ja.“, sagte Korelem. „Das kann ich.“

Ihm fiel auf, dass sich Mitron noch immer im Raum befand. „Bitte gehen Sie.“, sagte er. „Was D/4 und ich zu besprechen haben, ist nicht für Ihre Ohren bestimmt.“ „Also gut.“, sagte der Pfleger und drehte sich in Richtung Tür. „Sie wissen ja, wie man die Sprechanlage bedient.“ Dann ging er, für den es durchaus zum Anstand gehörte, Patienten, wenn sie Besuch hatten, nicht weiter zu stören.

D/4 stellte sich so neben Korelem, dass sie sowohl ihn, als auch die Anlage, an der er soeben trainiert hatte, gut in Augenschein nehmen konnte. „Nennen Sie mir bitte den Zweck dieses Gerätes!“, sagte die Sonde. „Es soll eigentlich dem Aufbau von Muskeln dienen.“, sagte der Schmetterlingsartige frustriert. „Aber im Augenblick glaube ich eher, es dient dem Aufbau meiner Frustration. Mein Physiotherapeut sagt, wenn ich den Griff so weit herausziehen kann, dass im Display zehn Striche zu sehen sind, darf ich nach Hause. Aber ich komme schon seit Wochen nicht über die Fünf hinaus.“

Wieder startete er in Richtung der Anlage und nahm den silbrig schimmernden Griff zwischen seine Vorderfüße. Dann folgte jenes Schauspiel, das die Sonde bereits gesehen hatte.

D/4 machte einige Schritte nach hinten und setzte sich dann auf eines der umstehenden zylindrischen Kissen, die wohl auch als Wartesessel gedacht waren. Aus dieser Position hatte sie einen sehr guten Überblick. „Gibt es denn das!“, sagte Korelem und ließ den Griff los, um sich danach frustriert zu ihr zu gesellen. „Fünf Striche entsprechen dem Gewicht von ca. 40 Kilo, das ich tragen kann. Aber ich habe vor meiner Verletzung mühelos Gewichte von mehr als 70 Kilo heben können!“ „Die Ursache dafür ist mir bekannt.“, sagte D/4 ruhig, was Korelem offensichtlich überraschte. Sie aber gab ihm keine Gelegenheit, seiner Überraschung Ausdruck zu verleihen und fuhr fort: „Ich habe das Problem examiniert und Ihr Verhalten analysiert. Die Einteilung der von Ihnen aufgewendeten Energie ist ineffizient.“ „So?“, sagte Korelem gleichzeitig etwas frustriert, aber auch bereit, ihr zuzuhören. „Dann erklären Sie mal.“ „Am Anfang.“, sagte die Sonde. „Wenn es noch leicht geht, geben Sie gleich alles. Das ist Kraft, die Ihnen dann am Ende fehlt, wenn Sie diese brauchen. Sie sollten zu Anfang eher vorsichtig ruhig und langsam ziehen, um dann später noch mal eine Schippe drauflegen zu können.“ „Also gut.“, sagte Korelem. „Testen wir Ihre Theorie!“

Er erhob sich von dem Polster, auf das er sich gesetzt hatte und flog wieder auf die Anlage zu. Dann griff er sich erneut den Griff mit den Vorderfüßen. „Ruhig, ruhig, langsam.“, erinnerte ihn D/4 mit fast hypnotischer Betonung in der Stimme an das, was sie gerade vereinbart hatten. Korelem glaubte tatsächlich, keine andere Wahl zu haben, als auf sie zu hören. Genau hielt er sich an ihre Anweisungen. Dabei bemerkte er tatsächlich, dass er den Griff viel weiter herausziehen konnte. Seine Fassettenaugen hatten jetzt auch das Display genau im Blick. Er konnte kaum glauben, was er da sah. Auf dem Display prangten tatsächlich zehn dicke fette Striche!

Irritiert ließ er den Griff zurückschnellen und begab sich wieder zu D/4. „Haben Sie das Ding manipuliert?“, fragte er. „Negativ.“, sagte D/4. „Was hätte ich davon? Aber es wäre auch nicht möglich, weil es keine kompatible Schnittstelle besitzt. Das haben Sie ganz allein hinbekommen, Korelem. Aber wenn Sie so wollen, dann habe ich Sie manipuliert, als ich Sie an unsere Vereinbarung erinnerte.“ „Oh ja.“, sagte er. „Das haben Sie. Sie können ganz schön manipulativ sein, meine Liebe! Aber ich habe mich in dieser Hinsicht auch gern von Ihnen manipulieren lassen, weil alles, was Sie gesagt haben, irgendwie einen Sinn ergab. Aber ich frage mich, warum mein Physiotherapeut das nicht erkannt hat, was für Sie offensichtlich war.“ „Vielleicht ist seine Ausbildung unzureichend.“, vermutete die Sonde. „Das glaube ich nicht.“, sagte Korelem. „Aber die Chemie stimmt einfach nicht zwischen uns. Er sagt etwas und ich bin sofort beleidigt. Ich mache bei den Übungen einen Fehler und er fährt gleich aus der Haut.“ „Solche Umstände können sich auf eine Zusammenarbeit durchaus störend auswirken.“, sagte D/4. „An Ihrer Stelle würde ich beantragen, einen anderen Therapeuten zugewiesen zu bekommen. Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, dürfen Sie ja ohnehin nach Hause, wenn Sie die Zehn erreicht haben. Sie werden Jetzt also diese Sprechanlage betätigen und wir führen demjenigen, der dann herkommt, mal vor, was Sie erreicht haben.“ „Wie Sie wollen.“, sagte Korelem. „Aber jetzt benötige ich erst mal eine Pause. Aber auch die können wir effizient nutzen.“

Er rutschte näher an sie heran. „Ich möchte Ihnen einige Informationen geben.“, flüsterte er ihr zu. „Bitte konfigurieren Sie Ihre Systeme für eine verbale Übertragung.“ „Sie sind konfiguriert.“, sagte D/4 konspirativ, die damit nichts anderes ausdrücken wollte, als dass sie ihm zuhörte. „Ich arbeite für König Logar.“, sagte Korelem. „Er hat mich zu seinem Werkzeug und seinem Auserwählten gemacht. Sie wundern sich doch bestimmt, warum ich so schnell vor Ort war, als Betsy ertrunken ist. Das war alles von ihm so geplant. Er weiß, was seine Tochter plant und was die Konsequenzen wären, wenn sie mit ihrem Plan durchkäme. Aber das wird er nicht zulassen. Seine Erziehungsmaßnahme wird nur nicht so offensichtlich sein, wie alle es sich vielleicht wünschen. Ich sage nur so viel. Sytania wird zuerst alle besiegen müssen, bevor sie besiegt werden kann. Lassen Sie dazu mal ein paar Theorien von Ihren Leuten durchsimulieren.“ „Ich verstehe nicht.“, sagte die Sonde. „Vertrauen Sie mir?“, fragte Korelem. „Ja.“, sagte D/4. „Dann werden Sie mich schon noch verstehen.“, sagte der Insektoide. „Und jetzt gehen Sie bitte Online und sagen Sie Ihren Leuten, was Sie gerade von mir erfahren haben. Ihre Wissenschaftler werden schon die richtigen Daten zugrunde legen.“ „Also schön.“, sagte D/4 und führte aus, worum er sie gerade gebeten hatte. Seine Worte waren ihr ein Rätsel. Eines, das sie nicht allein würde lösen können, aber Korelem war ihr und dem System durchaus als sehr intelligent, aber auch loyal gegenüber dem Guten bekannt. Dass Logar und er sich zusammentun würden, war durchaus im Bereich des Möglichen für sie. Aber was konnte er damit gemeint haben, dass Sytania erst erlaubt werden müsste, alle besiegen zu können, bevor seine Erziehungsmaßnahme greifen konnte?

Darüber weiter nachzudenken, fehlte der Sonde aber bald die Zeit, denn Korelem war zur Sprechanlage geflogen und hatte sie betätigt. Wenig später betrat Mitron den Raum. „Was gibt es?“, fragte der Pfleger freundlich. „Sie werden gleich etwas zu sehen bekommen.“, sagte D/4. „Das Sie mit Sicherheit nicht glauben würden, wenn Sie es nicht selbst sehen würden.“ „Da bin ich aber gespannt.“, sagte der freundliche Demetaner und setzte sich neben sie, die ihm einladend zugewunken hatte. Dann warf sie Korelem einen auffordernden Blick zu.

Der Insektoide verstand und flog wieder zum Trainingsgerät hinüber. Hier fasste er erneut den Griff und zog ihn heraus. Wieder zeigte die Anlage zehn Striche. „Das ist ja unglaublich!“, sagte Mitron, der sich die Situation zweimal angesehen hatte und sich ungläubig die Augen rieb. „Herzlichen Glückwunsch! Warum können Sie das auf einmal, Korelem?“ „Weil mir endlich jemand gezeigt hat, wie es wirklich geht.“, sagte Korelem. „Ich weiß, dass Sie sich mit Ihrem Therapeuten nicht wirklich verstehen.“, sagte Mitron. „Aber im Moment war einfach niemand anderes frei. Aber wie ich das sehe, wird ein Wechsel ja auch gar nicht mehr nötig sein. Ich werde Ihren Fortschritt sofort dem Dienst habenden Arzt melden. Ich bin überzeugt, morgen sind Sie hier raus!“ Er drehte sich zackig um und verließ federnden Schrittes das Zimmer.

D/4, die jetzt wieder mit Korelem allein war, hatte zwischenzeitlich eine Verbindung zum System aufgebaut, über die sie A/1 die neuesten Erkenntnisse mitgeteilt hatte. „Auch mir sind die von Korelem zur Verfügung gestellten Daten ein Rätsel.“, informierte das Staatsoberhaupt sie. „Aber ich denke, wir werden seinen Vorschlag annehmen und die Simulationen durchführen.“ „Verstanden.“, gab D/4 über die Verbindung zurück und beendete sie. „Ich habe Ihre Daten weitergeleitet, Korelem.“, sagte sie. „Dann wird Ihr System ja ein neues Rätsel zum Knacken haben.“, sagte Korelem, der laut seinem Gesichtsausdruck mit sich sehr zufrieden war. „Davon gehe ich aus.“, sagte D/4. „Und ich denke, wir sind jetzt auch quitt.“ „Das sind wir.“, sagte Korelem. „Dann werde ich jetzt gehen.“, sagte D/4, wandte sich zur Tür und verließ den Raum. „Auf Wiedersehen, meine kleine Wunderärztin.“, grinste ihr Korelem noch hinterher. Auch sie erwiderte den Abschiedsgruß höflich und ging.

Sedrin hatte Ginallas Kneipe betreten. Sie konnte sich denken, dass jene Zeugin, die Ginalla ihrem Partner am SITCH genannt hatte, hier zu finden sein musste. Nachdem ihr Peters gestanden hatte, dass seine Vernehmung der Junggastronomin wohl ziemlich in die Hose gegangen war, hoffte Sedrin, zumindest noch etwas von der festgefahrenen Situation retten zu können und Ginalla sich gegenüber doch noch zu einer Aussage bewegen zu können. Die Demetanerin dachte, dass sie vielleicht, wenn Peters nicht in der Nähe war, zugänglicher wäre. Dass sie Ginalla dort schon gar nicht mehr antreffen würde, ahnte die Agentin noch nicht.

Sie ging durch die Tür in den Gastraum. Hier suchten ihre Augen sofort nach dem Tresen und nach jemandem, der sich dahinter befinden könnte. Tatsächlich wurde sie auch bald jenes bajoranischen Kellners ansichtig, dem Jasmin die Leitung übertragen hatte, nachdem sie Scottys und Shimars Rat schlussendlich doch gefolgt und nach Hause gegangen war.

Die Agentin setzte sich unauffällig auf einen Barhocker. Wenn sie den Bajoraner gezielt auf sich aufmerksam gemacht hätte, hätte das unter Umständen noch Verdacht erregt und das war das Letzte, das Sedrin erreichen wollte. Er würde schon auf sie achten und dann würde sie ihm in einem stillen Moment erklären, warum sie hier war. Schon in der Agentenschule hatte Sedrin gelernt, dass sich Geduld mitunter sehr gut auszahlen konnte.

Tatsächlich drehte sich der Bajoraner einige Sekunden später zu ihr, die zum Schein begonnen hatte, die Getränkekarte zu studieren. „Was darf ich Ihnen bringen?“, fragte er freundlich. „Oh.“, sagte Sedrin. „Ich habe mich noch nicht wirklich entschieden. Aber Sie können mir doch sicher eine Empfehlung aussprechen.“ „Natürlich.“, sagte er höflich und beugte sich ebenfalls zur Karte herunter. Dies nutzte Sedrin aber geschickt aus, um ihm ihren Dienstausweis unter die Nase zu halten, den sie zuvor aus der Tasche gezogen und unter dem Pad mit der Karte versteckt hatte. Jetzt schob sie ihn mit einer schnellen Bewegung zwischen seine Augen und die Karte. Dann flüsterte sie ihm, der sich jetzt sehr nah bei ihr befand, ins Ohr: „Mein Name ist Agent Sedrin Taleris-Huxley und ich bin auf der Suche nach Ginalla oder einer gewissen N’Cara Tamin. Ist eine der beiden Personen gerade zufällig anwesend?“ Der Kellner nickte und drehte sich fort. Im Gehen sagte er noch: „Ein Samarianischer Sonnenaufgang also. Kommt sofort!“ Sedrin wartete. Sie war sicher, dass er genau verstanden hatte, worum es ihr ging und dass dies auf keinen Fall etwas war, das laut in der Öffentlichkeit besprochen werden konnte. Samarianische Sonnenaufgänge waren die am meisten bestellten Drinks in Ginallas Bar. Wenn man diesen Namen also laut fallen ließ, war das nicht weiter verdächtig.

Statt zu seinem Replikator führte der Weg den Bajoraner aber zu den Turbolifts. Mit einem von ihnen begab er sich auf die Etage, auf der Tamin und seine Familie ihr Zimmer hatten. Dorthin war er nun unterwegs und betätigte bald die dortige Sprechanlage, die von Professor Tamin selbst beantwortet wurde. „Bitte entschuldigen Sie die Störung.“, sagte der Kellner. „Aber unten wartet jemand, die gern mit Ihrer Tochter reden würde.“ „Mit meiner Tochter?“, fragte Tamin. „Wer ist denn das? N’Cara hat mir berichtet, dass sie eine neue Freundin gefunden hat. Aber die Beiden sind doch erst heute Nachmittag wieder verabredet.“ „Es ist keine Jugendliche.“, sagte der Bajoraner. „Es ist eine … Ach bitte, Mr. Tamin, lassen Sie mich ein. Ich will das alles nicht hier auf dem Flur besprechen.“

Die Tür glitt zur Seite und Ginallas Angestellter betrat das Zimmer. Hier warteten bereits der Lithianer und seine Tochter auf ihn. „Also.“, sagte die Jugendliche forsch. „Wer will was von mir?“ „Unten wartet eine Agentin des Geheimdienstes der Sternenflotte.“, sagte der Bajoraner. „Sie wollte entweder mit meiner Chefin, oder mit dir reden.“ „Na schön.“, meinte N’Cara und streckte ihm bereitwillig ihre Hand hin. Sie schien wohl schon zu ahnen, worum es ging. Schließlich hatte ihr Jasmin ja alles erzählt, was sie gesehen hatte. „Gehen wir, Mister!“

„Augenblick.“, mischte sich Tamin ein. „Warum interessiert sich der Geheimdienst der Sternenflotte für meine Tochter?!“ „Das hat sie nicht gesagt.“, antwortete der Kellner. „Aber sie hat mich inständig gebeten, entweder dich, oder Ginalla aufzutreiben. Meine Chefin ist nicht da und so bin ich auf dich gekommen, N’Cara.“ „Keine Sorge, Daddy.“, beschwichtigte N’Cara ihren Vater. „Wird schon schiefgehen.“ Dann folgte sie dem Bajoraner in den Lift.

Unten im Gastraum angekommen wurde N’Cara sofort der demetanischen Frau ansichtig, die jetzt von ihrem Barhocker aufgestanden war und sich ihr langsam näherte. „Hi.“, lächelte Sedrin. „Du musst N’Cara Tamin sein. Um Ginalla zu sein bist du nämlich noch etwas jung. Ich bin Agent Sedrin Taleris-Huxley und würde gern mit dir über etwas sprechen, zu dem wahrscheinlich nur du oder Ginalla mir Auskunft geben könnten, wenn sie denn hier wäre. Deine Aussage wäre mir sehr wichtig, weißt du?“ Die kleine Lithianerin, die sehr schnell Vertrauen zu Sedrin gefasst hatte, nickte. „Fein.“, lächelte die demetanische Agentin. Dann nahm sie N’Caras Hand und sagte: „Gehen wir ein Stück spazieren.“

Sie verließen die Kneipe und bogen auf einen Waldweg ein, der sie ebenfalls hinunter zum See führte. N’Cara griff die Hand der Agentin fester, je näher sie dem See kamen. Plötzlich blieb Sedrin stehen und fragte: „Gibt es da etwas, das du mir sagen musst, N’Cara?“ „Ja, Agent Huxley.“, sagte das Mädchen. „Meine Freundin Jas’ und ich haben einen Mord gesehen, der hier im See stattgefunden hat. Also, eigentlich hat sie alles gesehen, aber sie hat es mir erzählt. Das war voll unheimlich!“ Sie schmiegte sich ängstlich an die Erwachsene, die sie gewähren ließ. „Ist ja gut.“, sagte Sedrin tröstend. „Komm. Setzen wir uns.“ Damit führte sie N’Cara zu einem Baumstumpf. Hier setzten sich beide. Dann sagte Sedrin, um das Mädchen auf ein anderes Thema zu lenken: „Ich bin übrigens Agent Sedrin. Ich bin Demetanerin, wie du sicher schon gemerkt hast. Ich bin zwar mit einem Terraner verheiratet, ziehe es aber trotzdem vor, in demetanischer Anredeweise angesprochen zu werden.“ „Entschuldigung, Agent Sedrin.“, sagte N’Cara. „Schon gut.“, nickte Sedrin und zückte ein Pad. „Aber ich bin auch nicht hier, um mit dir allein über dem Mord zu reden. Ohne deine Freundin macht das ja auch keinen Sinn, weil sie ja alles gesehen hat und nicht du. Aber ich würde gern mit dir über Ginalla reden. Sie hat nämlich schon mit uns geredet und meinte, ihr würdet euch kennen. Stimmt das?“ „Ja.“, strahlte N’Cara, die sehr erleichtert über den Umstand war, jetzt wieder auf ein anderes unverfänglicheres Thema gelenkt worden zu sein. Sedrin hatte mit Absicht so gefragt, weil sie einer Zeugin ja schließlich keine Worte in den Mund legen durfte. Dass sie schon Informationen hatte, durfte sie jetzt nicht durchblicken lassen. Das hatte sie schon ganz am Anfang ihrer Ausbildung gelernt. „Soll ich erzählen, wie Ginalla und ich uns kennen gelernt haben?“, fragte die junge Lithianerin. „Oh ja.“, sagte Sedrin. „Das würde mich sehr interessieren. Aber zu einer richtigen Vernehmung gehört erst mal, dass ich deine Personalien aufnehme. Also: Wie heißt du? Wo wohnst du? Wo und wann bist du geboren?“

N’Cara setzte sich aufrecht hin, holte tief Luft und begann dann damit, die ihr gerade von Sedrin gestellten Fragen komplett auf Demetanisch zu beantworten. „Ich bin beeindruckt!“, sagte Sedrin. „Ich habe Demetanisch als Leistungskurs in der Schule.“, sagte N’Cara. „Daher weht der Wind also.“, lächelte die Demetanerin. „Aber jetzt sollten wir doch auf Englisch weitermachen. Sonst kommt es am Ende noch zu Missverständnissen und ich denke, damit wäre niemandem geholfen.“ „Geht klar.“, sagte die Jugendliche.

Sedrin drehte sich mit dem Pad in N’Caras Richtung. Dann fragte sie: „Also: Wie war das genau mit dir und Ginalla? Wie habt ihr euch kennen gelernt?“ „Das war in Sytanias Gefängnis.“, begann N’Cara. „Ich hatte Shimar auf einer Mission begleitet. Na ja. Sagen wir mal lieber, ich war ausgekniffen, um ihn begleiten zu können. Der war nämlich bei uns zu Hause, als die Sache mit Miray war.“ „Ich erinnere mich.“, sagte Sedrin. „Da sind wir in Sytanias Gefangenschaft geraten und Ginalla hat uns geholfen, da wieder rauszukommen. Das war so cool! Aber erst hat Shimar sie geläutert, weil er raus gefunden hatte, dass sie nicht kriminell ist, sondern nur was falsch verstanden hatte. Ginalla hatte in ihrer Kindheit ein Trauma erlitten. Das hat er ihr telepathisch weggemacht! So was kann der ganz fabelhaft, Agent!“, sagte N’Cara. „Kann ich mir vorstellen.“, sagte Sedrin, die auch schon einiges über Shimar und seine Fähigkeiten gehört hatte. Außerdem wusste sie jetzt, was sie wissen wollte. Das Mädchen hatte Ginallas Aussage ja schließlich gerade unabhängig bestätigt. Sedrin wusste jetzt, dass ihre Aussage wahr sein musste, wenn die Leumundszeugin doch alles bestätigt hatte. Wenn sich jetzt auch noch die Aussage über den Mord bestätigen ließ, war alles in trockenen Tüchern.

Sedrin hatte bemerkt, dass sich N’Cara ans Aufstehen gemacht hatte und etwas aus ihrer Tasche zog. Bei dem Etwas handelte es sich um ein Handsprechgerät für Jugendliche, das in etwa den Stellenwert eines heutigen Handys für N’Caras Altersklasse hatte. Dieses hatte gerade ein Signal von sich gegeben, das seiner Besitzerin unmissverständlich klar machte, dass eine Nachricht eingegangen war. „Cary, wo bist du? Jas’.“, las N’Cara halblaut vor. Dann sagte sie zu Sedrin: „Oh, ich habe gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist, Agent. Ich muss zu meiner Verabredung. Sind wir hier fertig?“ „Wir ja.“, sagte Sedrin. „Aber ich gehe davon aus, dass das gerade deine Freundin war, die den Mord gesehen hat. Bitte schreib ihr, dass ich dich begleiten werde. Dann ist sie gleich vorgewarnt.“ „Na gut.“, sagte N’Cara und setzte sich wieder auf den Baumstumpf, um dort in Ruhe die Antwort auf die SITCH-Mail zu tippen.

Wenig später gab es ein erneutes Signal und N’Cara sah, dass Jasmin durchaus mit der Sache einverstanden war. „Sie sagt, das ist OK.“, sagte sie zu Sedrin, die sie nach Eingang der Nachricht erwartungsvoll ansah. „Dann lass uns gehen.“, sagte die Agentin und stand auf. Dann folgte sie dem Mädchen, das sie zurück zur Kneipe führte. Hier wartete bereits Jasmin auf die Beiden. „Wo bist du gewesen, Cary?“, fragte sie ungeduldig. „Und wer ist die fremde Frau?“ „Ich bin Agent Sedrin.“, stellte sich die Demetanerin vor und hielt auch Jasmin ihren Dienstausweis unter die Nase. „Du bist dann also Jas’.“ „Jasmin Manning.“, ergänzte Jasmin. „Sie will alles über den Mord wissen, Jas’.“, flüsterte N’Cara ihrer Freundin zu. Jasmin wurde blass. Zu beängstigend waren die Erinnerungen für sie. „Nun.“, sagte Sedrin. „Ich denke, dass wir drei zunächst mal eine Luftveränderung brauchen.“

Sie schritt voran in Richtung Wald und die Mädchen folgten ihr Hand in Hand. Jasmin hatte aufgrund der Dinge, die sie gesehen hatte, jetzt doch große Angst bekommen und befürchtete, dass die Fremde ihr eventuell kein Wort glauben würde.

Auf einer Lichtung mit einer grünen Wiese, die von mehreren so genannten Scheinfruchtbüschen gesäumt wurde, blieb Sedrin stehen und setzte sich ins Gras. „Na kommt schon her.“, animierte sie Jasmin und N’Cara, es ihr gleich zu tun. „Setzt euch hier rechts und links neben mich. Ich beiße schon nicht. Das kann Cary bestätigen, Jas’.“ „Na gut.“, sagte Jasmin zögerlich und setzte sich an Sedrins rechte Seite, wonach dann auch N’Cara den Platz auf der anderen Seite einnahm. „OK.“, sagte Sedrin. „Wenn ich dich jetzt vernehme, Jasmin, dann muss ich zunächst mal ein paar ganz harmlose Dinge wissen. Also: Du heißt Jasmin Manning. Das habe ich ja schon herausgefunden. Wo wohnst du und wo und wann bist du geboren?“ Artig beantwortete Jasmin die Fragen. Sie hoffte, das eigentliche Thema so weit wie möglich herauszögern zu können, aber dazu sollte es nicht kommen, denn Sedrin fragte dann sofort weiter: „Was hast du genau in der Nacht gesehen, als der Mord passierte?“ „Ich habe Professor Radcliffe gesehen.“, sagte Jasmin. „Ich habe ein Tablett zu ihm rauf gebracht und da habe ich gesehen, wie er mit einem Gefäß hantiert hat. Als ich ihn darauf angesprochen habe, ist er barsch geworden und total nervös. Ich habe ihn weiter beobachtet und gesehen, wie er ins Zimmer von Betsy gegangen ist. Dann habe ich Korelem getroffen und der hat mich mit zu sich genommen. Dann ist was ganz Merkwürdiges passiert. Korelem hatte einen Kontaktkelch. Den hat er mir gezeigt und dann hat er zu mir gesagt, ich soll mir alles merken, was ich von jetzt an sehe. Ich bin auf seine Anweisung hin zum Fenster gegangen und habe hinausgesehen. Ich konnte nicht anders. Das war ganz komisch. Ich konnte mich nicht wegbewegen. Da habe ich gesehen, wie Betsy in den See gegangen ist. Korelem hat versucht, sie zu retten, aber das ging nicht. Der See hat plötzlich eine Unterströmung entwickelt. Das habe ich an den Wasserpflanzen gesehen. Betsy hat geschlafen, als sie in den See gegangen ist. Das geht doch nicht. Man wacht doch normalerweise auf, wenn man ertrinkt, oder?“ „Du bist sehr klug, Jasmin.“, sagte Sedrin. „Ich denke, nicht jeder hätte an der Bewegung von Wasserpflanzen eine Unterströmung erkannt und nicht jeder hätte einwandfrei ein Schlafwandeln diagnostiziert. Aber einige offene Fragen habe ich noch. Kannst du mir Radcliffes Gefäß und den Kontaktkelch von Korelem näher beschreiben?“ „Das Gefäß war bauchig.“, beschrieb Jasmin. „Und es hatte einen länglichen Hals mit einer Tülle. Oben war ein Korken und am Rand des Halses waren Drudenfüße. Der Kelch sah aus wie ein großes Weinglas. Auf ihm waren zwei Löwen mit Flügeln eingraviert. Wo gibt es denn so was, Agent? Wo gibt es denn Löwen mit Flügeln?“ „Im Dunklen Imperium gibt es das, Jasmin.“, klärte Sedrin die Jugendliche auf. „Aber das ist nicht schlimm. Das heißt nur, dass Korelem für Logar arbeitet. Der ist ja unser Freund, wie du sicher aus der Schule weißt. Aber das Gefäß mit den Drudenfüßen kommt von Sytania. Du konntest dich deshalb nicht bewegen, weil Logar durch Korelem und den Kelch einen entsprechenden Bann über dich verhängt hat. Ähnlich ging es wohl auch Betsy, die von Sytania hypnotisiert worden ist, um ins Wasser zu gehen. Normalerweise würde sie das nicht tun, weil sie keine Selbstmordkandidatin ist. Ich denke also, Radcliffe hat mit einer Droge, die er von ihr hatte, nachgeholfen.“ „Aber geht denn das?“, fragte Jasmin irritiert. „Ich meine, wenn jemand in einer Zaubershow hypnotisiert wird, dann würde er doch auch nichts machen, das ihn gefährden würde.“

Sedrin gab einen abfälligen Laut von sich. Die Agentin kannte den Unterschied zwischen Hypnose in einer Zaubershow und dem, was Mächtige damit anrichten konnten, sehr gut. Nur den Mädchen musste sie ihn jetzt irgendwie verdeutlichen.

Wie gerufen war plötzlich am Rand der Lichtung der kleine Tamin aufgetaucht. Er war in Begleitung seines Vaters und sie hatten ein ferngesteuertes Spielzeugraumschiff dabei. Sedrin ging ihnen entgegen und fragte Mr. Tamin: „Darf ich mir das Spielzeug Ihres Sohnes mal ausleihen? Ich müsste Ihrer Tochter und deren Freundin da mal was zeigen.“ „Von mir aus.“, sagte der Historiker und sah seinen kleinen Sohn an, der darauf sagte: „Wenn du es nicht kaputt machst, Tante.“ „Das verspreche ich dir.“, sagte die Agentin und hob sogar die Hand zum Schwur. „Hoch und heilig! Du kannst ja auch mitgehen, wenn du möchtest und dich davon selbst überzeugen.“ „Au ja.“, sagte der Kleine. „Das mache ich.“ Dann folgten er und sein Vater neugierig der Agentin, die sie zu den Mädchen zurückführte. „Was wollen Sie mit dem Spielzeug von meinem Bruder, Agent?“, fragte N’Cara. „Das werde ich dir jetzt gleich zeigen.“, sagte Sedrin. „Nimm bitte die Fernsteuerung. Ich ernenne dieses Schiffchen jetzt spontan zu Betsy und dich zu ihrer Vernunft. Ich bin eine Hypnotiseurin aus einer Zaubershow. Tamin, würdest du deiner großen Schwester bitte zeigen, wie man das Schiff startet?“ Der kleine Junge nickte und unterwies seine große Schwester im Benutzen der Fernsteuerung. „Lass das Schiff jetzt eine Weile um uns kreisen.“, sagte Sedrin. N’Cara nickte und führte ihre Anweisung aus. Dann sagte die Agentin plötzlich: „Und jetzt lässt du es steigen, bis es außer Reichweite gerät!“ „Nein!“, sagte N’Cara fest. „Wenn das passiert, wird es abstürzen und dann ist es kaputt!“ Sie ließ es landen.

Sedrin sah mild lächelnd über die Szenerie hinweg. „Was glaubst du, wäre passiert, wenn ich die Fernsteuerung selbst in der Hand gehabt hätte, N’Cara.“, fragte sie. „Dann hätten Sie alles mit dem Schiff machen können, was sie gewollt hätten. Aber ich war im Weg.“ „Genau.“, lobte Sedrin. „Was war also mein einziges Werkzeug?“ „Ihre Stimme.“, sagte die kleine Lithianerin. „Sie hatten ja keine direkte Verbindung … Ah!“ „Jetzt geht dir ein Licht auf, was?“, fragte Sedrin lächelnd. „Sytania hatte nämlich diese Verbindung zu Betsy und deshalb ging das, wie du schon richtig erkannt hast. Nur mit ihrer Stimme hätte sie das nicht geschafft. Aber als Mächtige hat sie ja ganz andere Möglichkeiten.“ „Aber wenn sie so mächtig ist.“, meinte Jasmin ängstlich. „Warum konnten wir sie trotzdem immer wieder besiegen?“ „Weil sie auf den äußeren Schein hereinfällt.“, sagte Sedrin. „Ich will es euch mal zeigen.“

Sie ging zu einem der Scheinfruchtbüsche herüber und griff einfach wahllos nach einer der wie Früchte aussehenden Kapseln, die zerbrach und einen Dorn freigab, der sie in die Hand stach. „Verdammt!“, fluchte sie. „Das nächste Mal bin ich klüger.“ Tatsächlich nahm sie einen kleinen Ast auf und klopfte damit auf eine weitere Kapsel, bevor sie diese berührte. So gelang es ihr tatsächlich, die Früchte von den Dornkapseln zu trennen. Mit dieser Beute kehrte Sedrin dann zur Familie zurück.

„Und was ist, wenn uns Sytania irgendwann nicht mehr unterschätzt?“, fragte Jasmin, die durchaus verstanden hatte, was die Demonstration veranschaulichen sollte. „Dann möge uns Mutter Schicksal beistehen.“, sagte Sedrin, bemerkte aber sofort, wie sehr sie die Mädchen erschreckt hatte. „Hört mal, Mädchen.“, entschuldigte sie sich. „Das wird nie passieren, denn dann müsste sie ja einsichtsfähig sein und das ist sie nicht. Ihr könnt mir glauben. Ich kenne sie lange genug.“ N’Cara und Jasmin machten erleichterte Gesichter.

Sedrin packte ihr Pad ein, das sie für Jasmins Vernehmung noch einmal herausgeholt hatte. Dann sagte sie: „Noch mal vielen Dank, Jasmin und N’Cara. Eure Aussage hat mir sehr geholfen. Morgen fliege ich nach Terra zurück. Falls euch noch was einfällt, findet ihr mich in der Kneipe. Dort habe ich für heute Nacht ein Zimmer.“ Dann ging sie und auch Tamins Familie und Jasmin machten sich auf. „Bitte warten Sie noch einen Moment, Agent.“, sagte Jasmin noch im Gehen. Sedrin drehte sich ihr ein letztes Mal zu. „Meine Chefin wollte zu den Genesianern! Ich habe Angst, Agent! Was ist, wenn sie einen Krieg auslöst?!“ „Das wird nicht passieren!“, versicherte Sedrin. „Zumindest nicht bei Shashana. Die kenne ich nämlich persönlich.“ „Ich glaube Ihnen.“, sagte Jasmin erleichtert und schloss dann zu den anderen auf.

Kapitel 48: Rebellische Vorbereitungen

von Visitor

 

Lomādo und ich hatten unser Frühstück beendet. „Wo werden wir den Rest der Widerstandszelle treffen, Lomādo?“, fragte ich. „Das werden Sie gleich sehen.“, sagte er und tat dabei sehr geheimnisvoll. Dann wechselte er den Platz und kam sehr dicht zu mir. „Was wird das, wenn’s fertig ist?“, fragte ich etwas flapsig. Ich hatte inzwischen sehr großes Vertrauen zu ihm gewonnen. „Nehmen Sie meine Hand!“, forderte er mich auf. Ich nickte und tat es. „Ich werde jetzt bis drei zählen.“, erklärte er. „Dann wünschen wir uns beide nichts mehr, als nach Omarior zu kommen.“ „OK.“, nickte ich. „Haben Sie nicht noch eine Frage?“, fragte er, dem wohl etwas seltsam vorkam, dass ich nicht gefragt hatte, etwas, das ich sonst bei all diesen Sachen sehr oft getan hatte. „Was sollte ich denn Ihrer Meinung nach fragen?“, fragte ich. „Wollen Sie denn gar nicht wissen, was Omarior ist?“, fragte er zurück. „Oh, ich kann mir schon denken, was Omarior ist.“, sagte ich. „Der Begriff scheint sich aus den Begriffen Omarionnebel und Bajor zusammenzusetzen. Im Omarionnebel befindet sich die Heimatwelt der Formwandler und Neris kommt von Bajor. Ich schließe also, dass Omarior eine kleine romantische Welt ist, die sich Neris und Odo, nachdem sie sich nach ihrem Tod hier wiedersahen, nach ihren gemeinsamen Vorstellungen geschaffen haben. Ich bin ausgebildete Kommunikationsoffizierin. Mein feines Gehör und mein sprachliches Talent verraten mir so einiges.“ „Na dann wollen wir doch gleich mal sehen, ob Sie Ihr sprachliches Talent auf die richtige Fährte gelenkt hat.“, sagte er und seine Finger umschlossen meine Hand, deren Finger vorher die Seine umschlossen hatten. Dann zählte er: „Eins, zwei, drei!“ Dann dachten wir beide: Nach Omarior!

Eine Sekunde später fanden wir uns im Freien wieder. Wir schienen auf einer anderen Welt zu sein. Jedenfalls roch die Luft komplett anders. Sie roch nach allerlei exotischen Pflanzen, deren Duft ich zuletzt auf Bajor bei einem Oberflächenurlaub wahrgenommen hatte. In der Ferne nahmen meine Ohren das Tosen eines Wasserfalls wahr. Unter meinen Füßen spürte ich Blätter. Wir mussten uns also auf einem Waldweg befinden. Aber ich spürte auch Lomādos Hand noch immer in meiner, was mich sehr beruhigte und mich lächeln ließ. In Shinells Unterricht hatte das mit dem Wünschen nie geklappt, aber bei ihm ging es auf Anhieb. Vielleicht deshalb, weil ich bei meinem neuen aldanischen Freund nicht das Gefühl hatte, meinen Weg ins Gefängnis zu ebnen, wenn ich mich darauf einließ. „Wünschen lernen ohne Angst.“, lächelte ich in Anlehnung an eine Aufschrift auf einem Schild über einer Schwimmschule in meinem Heimatjahrhundert, in der ich als Kind das Schwimmen erlernt hatte. Auch dort hatte man zunächst eine vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen und mich dann langsam herangeführt. „Sie sollten ein Konkurrenzunternehmen zu Shinells aufmachen.“ „Danke für den Vorschlag.“, sagte Lomādo. „Ich werde drüber nachdenken.“ Ich grinste.

Er nahm die übliche Führhaltung ein und ich legte meine linke Hand wieder in seine rechte Armbeuge. So gingen wir den Waldweg entlang. Inzwischen war ich mir sicher, dass wir uns in einem tiefen dunklen Wald befanden. „Wohin gehen wir?“, fragte ich. „Zu Neris und Odo.“, erwiderte er, als sei es das Natürlichste der Welt. Dann blieben wir vor einem großen Tor stehen. Er ließ mich los und führte meine linke Hand an die Verstrebungen. „Machen Sie sich selbst ein Bild!“, forderte er mich auf. Ich folgte seiner Anweisung, indem ich am Tor entlang ging. Es war kalt, denn es war aus Metall. Seine Verschnörkelungen und auch die Art, in der die Pfeiler gebaut waren, zwischen denen es angebracht war, erinnerten mich an Landhäuser. Langsam begann ich, mir über einiges klar zu werden. Vielleicht war dieses Haus jenem nachempfunden, das Neris auch in ihrem Leben vor dem Tod beinahe einmal mit Chief O’Brien besucht hätte, wenn nicht …

Lomādo hatte sich zu mir, die ich mich jetzt auf der anderen Seite der Toreinfahrt befand, gesellt. „Sind Sie jetzt schlauer?“, fragte er grinsend. Ich nickte langsam und zögerlich. „Was irritiert Sie?“, fragte er. „Mich wundert.“, sagte ich. „Dass Neris’ Hund nicht anschlägt.“, sagte ich. „Glauben Sie mir.“, sagte Lomādo. „Dieser Hund hat garantiert keinen Grund, wegen uns anzuschlagen. Für ihn sind wir nämlich lange nicht so fremd, wie Sie vielleicht glauben.“ Das war wohl wieder so ein geheimer Hinweis, damit ich was zum Rätseln hatte. Was wollten die mir bloß alle sagen? Nur bei einer Sache war ich mir zwischenzeitlich verdammt sicher! Ich war sicher, dass sie die Krise, in der Shinells Personal plötzlich gebunden war, herbeigeführt hatten, damit Lomādo ungestört mit mir Kontakt aufnehmen konnte. Da steckte bestimmt die Widerstandszelle dahinter. Dieser Gedanke ließ mich verschmitzt lächeln.

Vom Inneren des großen Hofes her hörte ich plötzlich weibliche Schritte, die sich dem Tor näherten. Dann drückte die Frau wohl auf einen Knopf und es öffnete sich. „Da seid ihr ja.“, sagte ihre etwas schrill wirkende Stimme einladend. Diese Stimme war mir sehr gut bekannt, denn als Kadettin hatte ich sie gehört, wenn wir Aufzeichnungen von Deep Space Nine im Unterricht durchgenommen hatten. Da ich sowieso ein gutes Gedächtnis für Stimmen hatte, war das wohl auch kein Wunder. Sie war mir ja schon bei unserer Begegnung im Park aufgefallen. „Neris?“, fragte ich ungläubig staunend. „Wer sonst?“, lächelte sie und nahm mich Lomādo ab, um mich selbst auf das Grundstück und ins Haus zu führen. Auch hier erinnerte alles an ein Landhaus.

Sie setzte mich auf der großen breiten Couch ab. „Wo ist Ihr Hund, Neris?“, fragte ich. „Der kommt gleich.“, grinste sie. „Außerdem erwarten wir noch Kimara.“ „Wer ist Kimara?“, fragte ich. „Erinnern Sie sich noch, dass ich Ihnen jemanden vorstellen wollte?“, fragte Lomādo, der sich inzwischen rechts neben mich gesetzt hatte. Ich nickte. Jene gewisse Kimara musste also die Frau sein, die mir Lomādo vorstellen wollte.

Ich vernahm das Signal einer Sprechanlage und dann männliche Schritte, die offenbar aus einem anderen Zimmer heraus das Haus verließen. Wenig später kehrten sie zurück, aber sie wurden von weiblichen Schritten begleitet. Beide nahmen jetzt Kurs auf das Wohnzimmer. „Neris, Lomādo?“, fragte ich verwirrt. „Wir sind noch hier.“, sagte Neris und Lomādo fügte bei: „Ja, wir sind beide hier!“ Dabei betonte er das Wir besonders, was für mich schon wieder ein Rätsel darstellte.

Die beiden Personen, die jetzt das Wohnzimmer betraten, kannte ich nicht wirklich. Es handelte sich um eine schwarzhaarige hoch gewachsene ältere Romulanerin, wie Lomādos Augen erkannten und einen Mann mittleren Alters, der eine glatt anliegende hellbraune bis blonde Haarpracht hatte, schlank war und ca. 180 cm maß. Er trug einen roten Anzug und dazu braune Schuhe. Die Kleidung der Frau war fast feierlich schwarz. Beide setzten sich jetzt auf zwei Sessel, die rechts und links neben der Couch standen. Dann gab mir die Frau langsam und vorsichtig ihre Hand. „Gestatten.“, sagte ihre etwas tiefe auf ein höheres Alter hindeutende Stimme. „Professor Kimara Toreth.“ „Allrounder Betsy Scott.“, erwiderte ich. „Ihr Name ist mir bekannt, Professor Toreth. Ich kenne ihn aus den Medien. Sie sind die Wissenschaftlerin, die Meilenstein entwickelt hat. Was tun Sie hier?“ „Ich denke, dass das alles, wie wir mit der Situation umgegangen sind, nicht richtig war.“, antwortete Toreth. „Und ich bezweifele, dass mein Lebensende richtig war. Das machte mich zu einer Patientin für Shinell. Alle, die an der Richtigkeit ihres Lebensendes zweifeln, kommen zunächst zu ihr. So habe ich auch Lomādo kennen gelernt und … Ach, es ist viel wichtiger, dass Sie alle Informationen über Meilenstein bekommen, um sie den Lebenden geben zu können, Betsy. Es war nicht richtig! Nein, es war nicht richtig. So eine denkwürdige Inspiration wie die Sache mit dem Strohhalm. das war doch Schicksal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Meilenstein nicht gebaut werden sollte. Egal was geschehen ist. Nach 800 Jahren sollte man doch über alles hinweg sein, oder?“ „Mord verjährt nicht, Kimara!“, sagte jetzt der Mann mahnend, dessen Stimme ich als die von Sicherheitschef Odo identifizierte. „Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, dass sie, selbst wenn sie zurück kommt, keine Informationen aus dem Totenreich mitnehmen kann. Zumindest kein Wissen.“ „Nein.“, sagte Neris. „Aber sie kann eine Verhaltensweise mitnehmen, die die richtigen Personen auf die richtigen Spuren lenken könnte. Es ist bekannt, dass Leute nach so genannten Nahtoderfahrungen ihr Leben komplett umgekrempelt haben.“ „Einverstanden.“, sagte ich. „Und welche Verhaltensweise sollen wir Ihnen eingeben?“, fragte Kimara. „Sie sprachen von einer Strohhalmsache.“, sagte ich, die ich mir denken konnte, worauf sie damit hinaus gewollt hatte. Vor dem großen Zerwürfnis hatte man ja in den Medien lang und breit erklärt, wie es zum Durchbruch bezüglich Meilenstein gekommen war. „Wie wäre es, wenn Sie mir eingeben, dass ich alles, was ich trinke, zukünftig nur noch mit dem Strohhalm trinken kann. Insbesondere dann, wenn Techniker Montgomery Scott, Techniker Jenna McKnight, Techniker George Jannings, oder Techniker Cenda Nia in der Nähe sind.“ „Sie trauen diesen Ingenieuren zu, den Wink zu verstehen?“, fragte Lomādo. Ich nickte aufgeregt. „Also dann!“, sagte Neris. „Machen wir es so!“ „Aber wer soll das tun?“, fragte Odo. „Am besten geeignet wäre Kimara.“, sagte Neris. „Schließlich ist Meilenstein eine romulanische Erfindung gewesen und sie weiß am meisten darüber.“ „Meine telepathischen Fähigkeiten sind rudimentär.“, sagte die Professorin. „Wie bei allen Romulanern.“ „Ich kann Ihnen helfen, die Verbindung zu Betsys Geist herzustellen.“, sagte Lomādo. „Wir tun es am besten gleich. Ich will nämlich pünktlich zum Abendessen zurück sein, bevor Shinell und ihre Leute Verdacht schöpfen. Betsy, bitte nehmen Sie meine rechte Hand mit Ihrer linken. Kimara, Sie nehmen meine linke Hand mit Ihrer rechten und geben Betsy die linke in ihre rechte. Sehr schön. Jetzt ist der Kreis geschlossen. Möchte eine von Ihnen, dass ich vorher Bescheid gebe?“ „Bis drei zählen wäre gut.“, sagte ich, die ich jetzt doch leichte Beklommenheit verspürte. „Das hat ja bisher gut geklappt.“ „Also gut.“, sagte Lomādo. „Kimara, sobald ich Sie mit Betsy verbunden habe, fangen Sie an, ihr in Gedanken zu sagen, was Sie ihr sagen wollen. Erinnern Sie sich noch an die Namen, die sie erwähnt hat? Die Exaktheit ist das A und O bei einem hypnotischen Befehl!“ „Techniker Cenda Nia, Techniker Montgomery Scott, Techniker Jenna McKnight, Techniker George Jannings.“, wiederholte die Romulanerin in lockerer willkürlicher Reihenfolge. „Im Auswendiglernen von Daten sind wir Romulaner nämlich recht gut.“ „OK.“, sagte Lomādo und begann damit, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. „Wenn Sie zu starke Angst verspüren sollten, Betsy.“, erinnerte er mich. „Ziehen Sie einfach Ihre Hände aus den Unseren.“ „Wird schon gehen.“, sagte ich lächelnd und versuchte Zuversicht zu versprühen. „Also dann.“, sagte Lomādo, holte tief Luft und zählte dann langsam ruhig und leise: „Eins, zwei, drei.“

Ich verspürte ein Gefühl, das ich nur von den Momenten kannte, in denen Shimar eine telepathische Verbindung zu mir aufbaute. Dann hörte ich Kimaras Stimme in meinem Geist: Sie werden den Lebenden die entscheidende Information über Meilenstein geben. Sie werden alles, was Sie ab heute trinken, nur noch mit dem Strohhalm trinken. Besonders dann, wenn Techniker Montgomery Scott, Techniker Jenna McKnight, Techniker George Jannings, oder Techniker Cenda Nia in der Nähe sind, aber auch sonst. Dieser Zwang wird erst dann aufgehoben, wenn eine von den genannten Personen erkannt hat, dass man einen Eindämmungsstrahl benötigt, um das Rosannium zu bändigen und in die richtigen Bahnen zu lenken, als würde es durch einen Strohhalm geführt.

Das seltsame Gefühl verging und ich fühlte mich, als wäre ich aus einem Traum erwacht. „Ganz tapfer.“, lobte Lomādo. „Ich weiß, dass das ohne Shimars Vorarbeit sicher nicht möglich gewesen wäre.“ „Bevor wir frohlocken.“, sagte Odo, der wohl seine Skepsis allem und jedem gegenüber immer noch nicht abgelegt hatte. Aber das war wohl typisch für seine Art. Trotz des Großen Vergessens hatte er wohl immer noch nicht vergessen, dass er ein Formwandler war und auch seinen Charakter hatte es nicht beeinflusst. Das Große Vergessen bezog sich wohl nur auf Wissen über das Vorleben, aber wohl nicht auf Verhaltensweisen. Jedenfalls ging er jetzt zu einem Replikator und ließ ihn ein Glas Milch ausspucken. Dieses stellte er vor mir ab. Ich nahm es hoch und wollte es ansetzen, aber meine Lippen pressten sich gegen meinen Willen aufeinander und mein Mund wurde zu einem schmalen Strich. Erst dann, als mir Neris einen Strohhalm in die Hand gab, änderte sich dies. „Na fein!“, sagte sie. „Das hat ja schon einmal prima funktioniert. Jetzt müssen wir Sie ja nur noch zurück in Ihren Körper kriegen, Betsy. Aber darüber muss ich mit Odo unter vier Augen reden. Kommst du?!“ Der Formwandler stand auf und folgte ihr, die ihm einen unmissverständlichen Blick zugeworfen hatte, aus dem Zimmer. Lomādo, Kimara und ich blieben allein zurück.

Neris und Odo hatten sich in eines der Schlafzimmer begeben. Hier setzte sich die Bajoranerin jetzt auf das bunt geblümte Bett und sah ihren Freund erwartungsvoll an. „Willst du dich nicht zu mir setzen?“, fragte sie schon fast etwas schnippisch. „Nein, Neris!“, antwortete Odo fest. „Ich will lieber stehen, weil ich dir etwas sagen muss. Was immer du auch von mir verlangst, ich werde es nicht tun. Die Quellenwesen haben eindeutige Regeln für unser Verhalten aufgestellt und die werde ich nicht brechen! Du weißt, dass uns sonst die Strafe der Wiedergeburt droht!“ „Zur Hölle mit den Quellenwesen, Odo!“, sagte die forsche Neris. „So eine hohe Strafe kann das nicht sein zu leben. Schau dir Betsy an. Sie mag das Leben sogar so sehr, dass sie unbedingt dort hin zurück will!“ „Sie will dort hin zurück, weil sie eine Pflicht zu erfüllen hat.“, argumentierte Odo. „Sehr richtig.“, entgegnete die streitbare Bajoranerin. „Und das haben wir vielleicht auch. Ich denke, die Propheten werden nicht zulassen wollen, dass Sytania ihren guten Namen für sich benutzt, aber sie wissen nicht, wie sie es anstellen sollen, dieses Problem zu lösen!“ „Du zweifelst an deinen eigenen Göttern?“, fragte Odo irritiert. „In diesem Fall ja!“, sagte der ehemalige Major des bajoranischen Militärs. „Ich denke, sie kommen aus irgendeinem Grund damit nicht allein klar und benötigen dieses Mal die Hilfe von uns Sterblichen. Sytania wird ihnen da ein ganz schönes Ei ins Nest gelegt haben.“ „Aber wenn sie unsere Hilfe bräuchten.“, sagte Odo. „Warum geben sie es dann nicht einfach zu?“ „Weil sie dann sicher in ihrer Liga das Gesicht verlieren würden.“, sagte Neris. „Aber jetzt zu dem, worum ich dich bitten möchte. Kannst du dich in einen interdimensionalen Energiewirbel verwandeln?“ „Das habe ich noch nie versucht.“, sagte Odo. „Und ich werde es auch nie versuchen. Wenn die Quellenwesen es herausbekommen, dann werden sie uns strafen und wer weiß, als was wir dann wiedergeboren werden.“

Ich war nicht umhin gekommen zu lauschen. Die Wände in diesem alten Haus waren keineswegs schalldicht und so hatte ich alles hören können, was sie gesprochen hatten. Vor allem Neris war ja nicht gerade leise gewesen. „Oh, nein!“, sagte ich traurig. „Das darf ich nicht zulassen!“ „Das hatten wir doch schon, Betsy.“, sagte Lomādo. „Sie verstehen nicht.“, sagte ich. „Ich darf nicht zulassen, dass Odo und Neris meinetwegen bestraft werden.“ „Ups!“, machte Kimara. „Den entsicherten Phaser, mit dem Sie uns hier alle zwingen, diese oder jene Handlung nach Ihrem Willen zu begehen, muss ich wohl ganz übersehen haben. Oder sehen Sie ihn, Lomādo?“ „Zynismus hilft uns hier nicht, Kimara!“, sagte Lomādo scharf und sah streng in ihre Richtung. „Ich weiß, was sie hat und das kann man auch anders klären.“

Er zog mich von der Couch und führte mich stark zitterndes Etwas in die Küche. Hier setzten wir uns wieder an einen Tisch. „Jetzt erklären Sie mir doch noch einmal, warum Sie das nicht zulassen können, Betsy.“, sagte er ruhig und fast väterlich. „Weil ich Sternenflottenoffizierin bin und als eine solche nicht zulassen darf, dass sich andere für mich in eine für sie schlechte Situation begeben. Ich darf nicht mein Wohl über das große Ganze stellen.“ „Na also.“, sagte Lomādo. „Da haben wir ja den Knackpunkt. Aber beantworten Sie mir doch mal eine Frage. Können Sie, als Sternenflottenoffizierin, zulassen, dass Sytania das gesamte dimensionale Gefüge versklavt?“ Ich schüttelte den Kopf. „Dann können Sie doch unsere Hilfe ruhig annehmen.“ „Aber Odo und Neris könnten …“, setzte ich an, aber er unterbrach mich: „Sie werden mir jetzt noch eine Frage beantworten! Welchem Beruf sind Odo und Neris zu ihren Lebzeiten nachgegangen?“ „Sie waren zwar keine Sternenflottenoffiziere, aber beide waren sehr pflichbewusst, als die beiden, Kira als Major des bajoranischen Militärs und Odo als Sicherheitschef auf Deep Space Nine jeweils ihren Dienst versahen.“, sagte ich. „Genau wie Sie.“, sagte Lomādo. „Also kennen sie doch die Risiken und werden bereit sein, sie einzugehen.“, sagte mein neuer aldanischer Freund. „Da muss ich wohl zustimmen.“, sagte ich. „Na bitte.“, sagte er. „Und jetzt hören Sie auf, sich unsere Köpfe zu zerbrechen. Wenn wir entschieden haben, Ihnen zu helfen, dann ist das allein unser Bier und unser Risiko. Sie trifft daran keine Schuld.“ „Sie werden Recht haben, Lomādo.“, sagte ich. „Ist jetzt alles wieder in Ordnung?“, fragte er. „Ich denke schon.“, sagte ich. „Ich denke, wir können zu Kimara zurückgehen. Warum haben Sie sie eigentlich so abgebügelt und warum hat sie nichts dagegen gesagt?“ „Ich bin vorrübergehend Neris’ rechte Hand, was die Führung der Widerstandszelle angeht.“, gestand er. „Ach so.“, sagte ich. „Und ich dachte, Odo wäre …“ „Der ist viel zu treu, was Vorschriften angeht.“, lachte Lomādo.

Wir gingen ins Wohnzimmer zurück. Hier erwartete uns bereits Kimara, die sich sofort bei mir entschuldigte. „Schwamm drüber.“, sagte ich. „Was machen unsere beiden Streithähne?“ „Oh, ich denke, das können Sie für uns doch wohl am besten erlauschen.“, sagte Lomādo und führte mich zurück auf meinen Platz, von wo aus ich meinen Lauschangriff sofort fortsetzte.

Immer noch saß Neris da und Odo stand vor ihr. „Warum willst du es nicht einmal versuchen, verdammt?!“, schimpfte Neris. „Es übersteigt wohl deine Fähigkeiten, was?“ „Versuch bitte nicht, mich bei meiner Formwandlerehre zu packen.“, sagte Odo. „Das Argument zieht nicht.“ „Ach nein?“, fragte Neris. „Aber vielleicht zieht das: Findest du es gerecht, dass Sytania den guten Namen der Propheten so in den Dreck ziehen kann und sie benutzt für ihre eigenen Eroberungspläne?“ „Nein.“, versuchte der Formwandler, sie zu beruhigen. „Aber wenn die Quellenwesen nun mal nicht wollen, dass …“

Unvermittelt musste ich meinen Kopf von der Wand drehen. Ich hatte, während ich sie belauschte, über etwas nachgedacht. Was war, wenn die Quellenwesen, die ja laut unseren Theoretikern mit den Propheten verwandt waren, das Problem nicht allein lösen konnten, weil sie es gar nicht verstanden. Immerhin lag sein Schlüssel in der Vergangenheit und das Konzept der Zeit war etwas, das für sie unverständlich war. Aber das konnten sie nicht zugeben. Zumindest nicht in ihrer Liga mächtiger Wesen. Diese Argumente trug ich nun auch Lomādo und Kimara vor. „Wenn sie Recht hat.“, stammelte die Romulanerin, die ich damit wohl sehr beeindruckt hatte. „Oh, sie wird Recht haben.“, sagte Lomādo. „Ansonsten wäre von denen ja schon längst eine Reaktion erfolgt. Aber ich denke, wir sollten ihre Argumente jetzt mal unseren beiden Streithähnen präsentieren.“

Wieder zog er mich auf die Beine und wir gingen gemeinsam hinüber zu Odo und Neris. Aber auch Kimara begleitete uns dieses Mal. Vor der Tür des Schlafzimmers gab mir Lomādo einen Stoß. „Sie gehen und sagen es ihnen.“, sagte er. „Wir helfen, wenn es notwendig sein sollte.“ dann bildeten er und Kimara hinter meinem Rücken eine Front. Langsam schritt ich auf die Tür zu und klopfte. „Was gibt es?!“, fragte Neris’ aufgeregte Stimme von drinnen. „Ich bin es. Betsy.“, sagte ich. „Ich muss Ihnen etwas sagen.“

Die Tür wurde von drinnen geöffnet und Neris zog mich am Arm hinein. Dann verfrachtete sie mich neben sich auf das Bett und fragte: „Was gibt es?“ „Ich weiß, warum sich die Quellenwesen und die Propheten nicht rühren.“, sagte ich. „Der Schlüssel für unser Problem liegt in der Vergangenheit. Das ist ein Konzept, das sie nicht verstehen. Wie soll man eine Lösung finden, wenn man das Problem noch nicht einmal versteht?“ „Genau das habe ich doch auch gesagt.“, sagte Neris. „Ihr meint also beide tatsächlich.“, sagte Odo. Neris und ich nickten gleichzeitig. „Also gut.“, sagte der Formwandler. „Es ist ja wirklich nicht gerecht, was Sytania da tut und ihr habt schon Recht. Sie darf nicht gewinnen! Gebt mir aber bitte etwas Zeit zum Üben. Ich will ja nicht, dass Betsy etwas passiert.“ „Und ich werde in die Dimension der Lebenden schauen und nach ihrem Körper suchen.“, sagte Lomādo. „Sagen wir, wir treffen uns in drei Tagen wieder hier?“ „OK.“, sagte Neris.

Ich drehte mich um und um. Lomādo, dem mein Verhalten aufgefallen war, fragte: „Was ist? Sie scheinen mir nach etwas zu suchen, Betsy.“ „Ja.“, sagte ich. „Ich suche immer noch nach Ihrem großen weichen Hund, Neris.“ „Wie weich war er denn?“, antwortete Odo statt ihrer. „Etwa so weich?!“

Lomādo zog mich ein Stück zurück und dann hörte ich ein Geräusch, als würde Wasser fließen. Dann stand laut fiepend und mit dem Schwanz wedelnd plötzlich Softi vor mir, der mir sein weiches Fell zum Streicheln anbot. „Ach du meine Güte!“, rief ich aus. „Dann waren Sie der Hund, Odo? Ich kann mir schon denken, warum Sie das gemacht haben. Sie wollten mir den Zugang zu sich erleichtern. Aber wenn Sie der Hund waren, dann mussten Sie sich von Ihrer Freundin aber ganz schön herumkommandieren lassen.“

Er verwandelte sich zurück und sagte dann: „Was tut man nicht alles für die Tarnung?“ „Verstehe.“, sagte ich. „Unsere Begegnung fand ja in einem Park statt und eine Spaziergängerin mit Hund fällt da nicht so auf.“ „Genau.“, sagte Odo. „Aber ich überlege ernsthaft, öfter als Hund aufzutreten. Diese geschärften Sinne! Faszinierend!“ „Du hast jetzt erst mal ein ganz anderes Ziel.“, erinnerte ihn Neris. „Ich weiß.“, sagte der Formwandler.

Lomādo nahm mich bei der Hand. „Wir werden euch jetzt besser nicht länger zur Last fallen.“, sagte er. „Betsy, ich zähle bis drei und dann wünschen wir uns beide in Shinells Therapiezentrum zurück.“ „Darf ich das dieses Mal übernehmen, Lomādo?“, fragte ich. „Wenn Sie sich trauen?“, freute er sich. „Ja, ich traue mich.“, sagte ich. „Also dann.“, sagte er und nahm eine abwartende Haltung ein. Darauf hin begann ich, mich zu konzentrieren und zählte: „Eins, zwei, drei.“ Danach dachte ich nur: In Shinells Therapiezentrum in meine Wohnung!

Augenblicklich fanden wir uns genau dort wieder. „Großartig!“, lobte Lomādo. „Das hätte ich nicht gedacht.“ „Anscheinend bin ich immer für eine Überraschung gut.“, lächelte ich. „Oder haben Sie nachgeholfen?“ „Ich habe gar nichts gemacht.“, sagte er. „Das waren Sie ganz allein. Aber jetzt sollten wir in den großen Aufenthaltsraum zu den anderen gehen. Lassen Sie sich aber nichts anmerken.“ „Wenn Sie das auch nicht tun.“, lächelte ich. Dann nahm ich seine Hand und wir gingen.

Sedrin und D/4 hatten sich erneut auf dem Rückflug getroffen. Dazu, sich über SITCH auszutauschen, waren sie nicht gekommen, aber jetzt saßen sie erneut in dem Abteil des Shuttles zusammen. Außer ihnen war aber kein weiterer Passagier anwesend, ein Umstand, den Sedrin langsam als etwas merkwürdig empfand. „Hier sind wir nun wieder.“, sagte die Agentin, um zwischen sich und der Sonde ein Gespräch in Gang zu bringen. „Allein.“, fügte die Xylianerin bei. „Aber vor dem, was ich weiß, ist das vielleicht kein Wunder.“ „Was wissen Sie denn?“, fragte Sedrin. „Ich weiß, dass König Logar eine Erziehungsmaßnahme für seine Tochter vorbereitet, die ihre Wirkung verliert, wenn nicht alles so läuft, wie es laufen soll. Korelem sagt, dass Sytania zuerst uns alle besiegen muss, um besiegt werden zu können. Er hat mich gebeten, die Daten von meinen Leuten durchsimulieren zu lassen, aber bisher haben wir noch keine Ergebnisse. Es fehlen einfach noch zu viele Daten. Aber ich soll weiter beobachten.“ „Korelem.“, wiederholte Sedrin. „Das ist interessant. Er scheint unsere gemeinsame Schnittstelle zu sein. Sobald er wieder aus der Klinik entlassen ist, werde ich auch ihn vernehmen. Meine Zeuginnen haben nämlich auch etwas mit ihm zu tun gehabt und ich weiß eines ganz sicher. Wenn Logar im Spiel ist, sollten wir ihm vertrauen. Seine Majestät ist nämlich sehr wählerisch, wenn es darum geht, Informationen zu verteilen.“ „Das ist korrekt.“, bestätigte die Sonde. „Wir werden sicher auf der Erde noch mehr Gelegenheit haben, uns auszutauschen.“ Sedrin nickte. „Das glaube ich auch.“, sagte sie. „Zumal wir noch einen Trumpf im Ärmel haben. Ginalla ist nämlich auf dem Weg nach Genesia Prime. Wenn ich Shashana richtig einschätze, wird Sytania lange nicht gewonnen haben, auch wenn sie das glaubt.“ „Würden Sie Ihre Daten über die oberste Prätora mit mir teilen?“, fragte die Xylianerin. „Sicher.“, sagte Sedrin. „Bitte konfigurieren Sie Ihre Systeme für eine verbale Übertragung.“ Dann erzählte sie ihr alles, was sie über Shashana wusste.

Kapitel 49: Dolchstoß für die Wahrheit

von Visitor

 

Im Parlament der Föderation hatten sich die Politiker zur Abstimmung über das weitere Vorgehen versammelt. Es sollte die Frage diskutiert werden, wie man am besten mit den neuen Wahrheiten umgehen sollte. Nicht nur den Bürgern gegenüber, nein, vor allem interessierte Nugura die Haltung ihrer Kollegen gegenüber den Romulanern, bei denen sie selbst sich sehr gern offiziell entschuldigt hätte. Da die Föderation aber keine präsidiale, sondern eine parlamentarische Demokratie war, würde sie das nicht allein entscheiden können und schon lange nicht das letzte Wort haben. Es würde getan werden müssen, was die Mehrheit wünschte. Sie konnte nur versuchen, so viele ihrer Kollegen wie möglich auf ihre Seite zu ziehen. Aber dies sollte sich als schwieriger herausstellen, als sie dachte. Der Einzige, der dies wohl bereits ahnte, war Sekretär Saron, der zum Protokollführen in der Sitzung von Nugura eingeteilt worden war. Er war immer schon sehr stark politisch interessiert gewesen und hatte genau beobachtet, was sich im Umfeld seiner Chefin zugetragen hatte. Dort hatte es einen Oppositionspolitiker gegeben, der offensichtlich nur auf eine Gelegenheit wartete, es Nugura, gegen die er und seine Partei die letzte Wahl haushoch verloren hatten, heimzuzahlen. Er und seine Partei waren niemals Opfer des Wäschers gewesen, da Sytania und er damals fanden, es würde nicht notwendig werden. Ihre Persönlichkeiten waren also von Anfang an intakt gewesen und so hatten sie jede Schwäche der Präsidentin notiert und würden nicht zögern, dies in der Abstimmung irgendwie einzusetzen. Dessen war sich der kluge Sekretär sicher und flüsterte es dann auch Nugura zu, bevor diese auf die Bühne ging, um ihre Rede zu halten. „Bitte achten Sie auf Minister Goshewin und seine Gruppierung, Sea Federana.“, bat er inständig. „Machen Sie sich keine Sorgen, Saron.“, entgegnete Nugura. „Den werde ich schon in seine Schranken argumentieren. Gehen Sie jetzt auf ihren Platz und schauen Sie gut zu!“ Saron nickte widerwillig, tat aber dann doch, wessen sie ihn gerade angewiesen hatte.

Nugura betrat die Bühne und stellte sich vor das Mikrofon. Dann begann sie, nachdem sich alle gesetzt hatten: „Ladies und Gentlemen, Sie alle kennen die für uns doch sehr bestürzenden Daten, die von den Xylianern aus den Überresten von Deep Space Nine zutage gefördert worden sind. Sie alle wissen, dass wir damals gefehlt haben, was unsere eigenen moralischen Grundsätze angeht. Diese Fakten sollten wir, so ist zumindest meine Meinung, nicht länger leugnen. Nein, wir dürfen sie nicht länger leugnen! Wir dürfen nicht zulassen, dass wir noch einmal so schändlich moralisch versagen! Sicherlich wird das die toten Romulaner nicht zurückbringen, aber es kann einen Beitrag zur Versöhnung leisten, wenn wir uns zur Ehrlichkeit, zur absoluten Ehrlichkeit, verpflichten, wie wir es uns auch auf die Fahne geschrieben haben. Die Romulaner werfen uns zu Recht vor, die Wahrheit lange vertuscht zu haben. Aber das dürfen wir nicht länger dulden. Mit mir wird es in jedem Fall hier keine Lügen mehr geben! Es wird auch keine weitere Erschleichung von Bündnissen geben! Wie die Romulaner damit umgehen, wird sich zeigen müssen. Ich bin bereit, ihr Urteil anzunehmen, wie immer es auch lauten mag. Wir müssen uns endlich unserer historischen Verantwortung stellen, Ladies und Gentlemen. Wer diese Meinung teilt, stimmt bitte mit ja, denn auch ich sage ja! Ja zur Verantwortung und ja zur Ehrlichkeit! Vielen Dank für Ihr offenes Ohr und Ihre Stimme, Ladies und Gentlemen!“ Der Beifall für ihre Rede war sehr verhalten.

Nun betrat jemand von hinten aus den letzten Reihen die Bühne. Der Hinterbänkler trug einen schwarzen Anzug, schwarze Schuhe und war ca. 1,80 m groß. Er hatte kurze blonde Haare. Es war Minister Goshewin. Jener Minister, vor dem Saron seine Chefin schon gewarnt hatte. „Madam President, verehrte Kollegen.“, begann der Minister mit seiner tiefen leicht schnarrenden Stimme. „Ich kann mich den Worten meiner Vorrednerin leider überhaupt nicht anschließen. Sie sprachen von historischer Verantwortung, Madam President. Diese Verantwortung kann ich nicht sehen. Schließlich kann man für Gedanken und Pläne in dieser unserer Demokratie nicht verhaftet oder gar an den Pranger gestellt werden. Es mag zwar sein, dass einer von unseren Offizieren Mordgelüste gegen die romulanischen Gesandten gehegt hat, um sich ein Bündnis zu erschleichen, aber wie Sie wissen, sind seine Pläne aufgedeckt worden und somit nie zur Ausführung durch ihn gekommen. So ist zumindest meine Interpretation der xylianischen Daten. Wer kann jemandem verdenken, dass er aus Verzweiflung Dinge plant und denkt, die moralisch nicht einwandfrei sind? Sie alle wissen doch, Ladies und Gentlemen, dass wir alle nicht perfekt sind. Sicherlich sagen unsere moralischen Grundsätze etwas anderes, aber ich offeriere Ihnen und uns, verehrte Kollegen, auch einen Ausweg. Diesen Ausweg finden Sie auch in den Daten der Xylianer. Es gibt doch diesen Schneider, wie hieß er doch gleich, ach ja. Mr. Garak. Er war ein Bürger ohne politisches Amt und es würde uns nichts ausmachen, wenn wir ihm auch die Planung zuschieben würden. Das politische Ansehen der Föderation würde wegen der Irrungen und Wirrungen eines einfachen Mannes nicht leiden. Denken Sie auch an unseren guten Ruf, Ladies und Gentlemen, wenn Sie gleich zu den Abstimmungsgeräten greifen, denn zu viel Ehrlichkeit ist auch nicht gut. Damit stellen wir uns vielleicht selbst ein Armutszeugnis aus, wenn es beispielsweise um die Aufnahme zukünftiger Mitglieder geht. Wer will schon in eine Föderation eintreten, in deren Militär ein kaltblütiger Mörder gedient hat? Wenn wir aber einen einfachen Schneider für uns über die Klinge springen lassen, dann lässt uns das doch viel besser da stehen. Die Wahrheit kann eine sehr zerstörerische Kraft sein, Ladies und Gentlemen. Deshalb stimmen Sie bitte mit nein, denn ich sage nein! Ich sage nein zum Vorschlag meiner Vorrednerin, uns dem Urteil der Romulaner und der Geschichte auszuliefern! Ich schreibe meine Geschichte lieber selbst, verehrte Kolleginnen und Kollegen und auch alle Mitglieder geschlechtsneutraler und vielgeschlechtlicher Spezies!“ Damit hatte er einen Pluspunkt bei all jenen gesammelt, die sonst in den allgemein gültigen englischen Formulierungen für Anreden übergangen worden waren. Tosender Beifall brandete auf. Saron hatte eifrig mitstenographiert und auch ihm war jener psychologische Kniff aufgefallen. Dagegen kommt meine Chefin nicht an., dachte er. Sie sind verloren, Madam President. Aber Sie sind es nicht nur, Sie haben auch verloren.

Der Sekretär beobachtete mit blassem Gesicht, wie alle zu den Abstimmungsgeräten griffen. Dann sah er nur noch auf den Bildschirm, auf dem sich mit jeder abgegebenen Stimme die Balken veränderten. Aber lange konnte er das nicht mit ansehen, denn das Debakel für Nugura war in seinen Augen längst vorprogrammiert. Wenn er nicht hinsehen gemusst hätte, um anschließend das richtige Ergebnis ins Protokoll eintragen zu können, dann hätte er seine Augen am liebsten abgewandt. So zwang er sich aber, alles bis zum Ende mit anzusehen. Die wenigen Sekunden, bis alle abgestimmt hatten, kamen ihm wie eine Ewigkeit vor. Dann las der Computer das Ergebnis: „Auf die Antwort ja entfielen 2 % der Stimmen. Auf die Antwort nein entfielen 98 % der Stimmen. Es gab 0 Enthaltungen.“ „Wenigstens haben sich alle beteiligt.“, flüsterte Saron und schrieb mit zitternder Hand die Zahlen ins Protokoll. Dann trat Nugura noch einmal vor das Mikrofon und sagte mit ernstem Ton: „Ich danke allen für die zahlreiche Beteiligung. Die Sitzung ist hiermit beendet.“ Alle verließen ihre Plätze.

Saron witschte zwischen den Journalisten und den aus dem Raum strömenden Politikern hindurch in Richtung seiner Chefin. Er wusste, sie würde jetzt jeden Beistand benötigen, den sie bekommen konnte. Endlich hatte er sie erreicht und zog sie mit sich in einen Nebenraum. Vor der Presse hatte sich Nugura nichts anmerken lassen, aber jetzt spürte Saron sehr wohl, wie zittrig und aufgeregt sie war. Er setzte sie in einen Sessel und replizierte ihr am nahen Replikator einen Kaffee, aber er sah auch, dass ihre Hände viel zu sehr zitterten, um ihr zu ermöglichen, die Tasse zu halten. Also würde er ihr das Getränk wohl einflößen müssen. Vorsichtig näherte er sich mit der Tasse ihren Lippen. „Ich habe Sie gewarnt, Madam President.“, sagte er. „Ja, das haben Sie, Saron. Mein guter und schlauer Saron. Wo wäre ich nur ohne Sie?“, gab Nugura stammelnd zurück. „Dann hätten Sie einen Kollegen von mir mitgenommen, Sea Federana.“, sagte der Sekretär bescheiden. „Ihre Kollegen haben lange nicht Ihre Qualität.“, sagte Nugura. „Sie schmeicheln mir.“, sagte Saron. „Ich sage nur die Wahrheit.“, sagte die Präsidentin der Föderation. „Aber damit scheinen ja die Meisten starke Probleme zu haben. Wissen Sie, was das bedeuten wird? Krieg wird es bedeuten! Die Romulaner werden nicht verstehen, warum wir uns nicht entschuldigen dürfen und sie werden das als feige und verbrecherisch auslegen. Das wird die ohnehin angespannte Beziehung noch mehr belasten! Ich persönlich kann sie sehr gut verstehen. Oh, Saron, ich kann das Schreiben an den Senat nicht formulieren. Mir fehlt einfach der Mut dazu.“ „Mit Ihrer Erlaubnis.“, bot der Sekretär an. „Würde ich das gern in Ihrem Namen selbst übernehmen. Ich werde schon passende Formulierungen finden, die auch in das politische Denken der Romulaner passen. Bitte legen Sie das Problem vertrauensvoll in meine Hände.“ „Also gut, Saron.“, erlaubte Nugura. Dann machten auch sie und ihr Sekretär sich auf in Richtung ihrer Büroräume.

Dirshan hatte den Kontaktkelch mit Sytanias zukünftigen Bräutigamen zu ihr gebracht und die Königstochter hatte den beiden Palgeistern ihre Absicht telepathisch kundgetan, was sie veranlasst hatte, allem zuzustimmen. „Nun denn.“, sagte Sytania zu Cirnach, die sich, wie im Moment meistens, wieder in ihrer Nähe befand. „Jetzt benötige ich nur noch zwei Dinge, um endlich heiraten zu können. Eine Priesterin und einen deiner Leute, der in dieser besonderen Art von Hochzeitsnacht meinen Ehemännern und mir bei der Erschaffung des Geistwesens hilft.“ „In beiden Fällen vermag ich Euch gut zu dienen, denke ich, Milady.“, sagte die Vendar und winkte nach hinten.

Aus dem fahlen Licht einer Öllampe trat eine weitere Vendar. Sie war groß, schlank, hatte graues Fell und trug das Gewand einer Priesterin. „Das ist Delnach.“, sagte Cirnach. „Sie ist meine Cousine und nebenbei eine sehr gute Freundin. Sie wird keine unnötigen Fragen stellen, denn sie ist Euch, wie ich auch, sehr zugetan.“ „Tritt vor mich hin, Delnach!“, befahl Sytania. Die Vendar folgte ihrem Befehl und sank vor ihrer Gebieterin auf die Knie. „Steh auf!“, sagte die Mächtige. Auch dieser Aufforderung kam Delnach nach. „Sage mir.“, sagte Sytania. „Wie viele Erfahrungen hast du mit Trauungen?“ „Ich habe schon viele Riten von Shamun Rê ausgeführt.“, sagte Delnach. „Wirst du also keine unnötigen Fragen stellen, wenn ich es nicht will?“, fragte die Prinzessin. „Natürlich nicht, Hoheit.“, sagte die Vendar. „Dann ist ja alles gesagt.“, sagte Sytania. „Wenn du also Zeit hast, dann wirst du uns jetzt sofort trauen. Aber du wirst dich auf die Frage aller Fragen beschränken. Kein unnützer Pomp, kein unnützes Geplapper. Komm nur mit mir.“

Sie stieg von ihrem Thron herab und führte die Vendar zu dem Tisch, an dem sie auch sonst ihre Audienzen abhielt. Hier setzte sie sich auf den einen Stuhl und hieß die Priesterin, sich auf den zweiten zu setzen. Dann befahl sie Cirnach, den Kontaktkelch herzubringen. Dirshan hatte sie schon vorher gebeten zu gehen.

Die Vendar stellte den Kelch in der Mitte des Tisches ab. „Nun gib mir deine linke Hand, Delnach.“, sagte Sytania. „Wenn du das getan hast, lege deine Rechte auf den Fuß des Kelches, wie ich es mit meiner Linken getan habe.“ „Wie Ihr wünscht, Hoheit.“, sagte die Vendar und führte Sytanias Anweisungen aus. „Ich werde nun die telepathische Verbindung zwischen uns herstellen.“, sagte sie zur Erklärung. Dann spürten sowohl Delnach, als auch sie selbst die Verbindung mit den beiden Palgeistern. Du brauchst die Frage aller Fragen nur zu denken, Delnach., klärte Sytania die Priesterin in Gedanken auf. Wünscht Ihr oder einer Eurer Bräutigame wirklich keine Vorrede?, versicherte sich die Priesterin. Nein, Delnach., entgegnete Sytania. Bleibe einfach nur bei der Frage aller Fragen. Also gut., meinte die Vendar und begann: Wollt Ihr, Lady Sytania, diese beiden Palgeister ehelichen? So antwortet bitte mit ja, ich will! Ja, ich will!, entgegnete Sytania voller Inbrunst und Gier. Wollt Ihr., wandte sich Delnach jetzt auch an die beiden Palgeister. Lady Sytania ehelichen, so antwortet bitte auch ihr mit ja, wir wollen! Ja, wir wollen., kam es auch von den Palgeistern wie aus einem Geiste telepathisch zurück. So erkläre ich euch zu Männern und Frau., beendete Delnach die Zeremonie.

„Es ist also vollbracht, Delnach.“, sagte Sytania. „Das ist es, Milady.“, antwortete die Vendar. „Jetzt seid Ihr eine verheiratete Frau.“ „Sehr gut!“, sagte die Prinzessin. „Dann will ich, dass es alle wissen. In meinem gesamten Reich soll frohlockt und gefeiert werden. Selbst der ärmste Bauer soll an diesem Fest teilhaben. Mann soll mir ja nicht nachsagen können, ich sei nicht großzügig. Lasst alle zu mir ins Schloss kommen und mit uns dieses fröhliche Ereignis feiern, die es wollen. Ich werde keinen abweisen. Und auf die Nacht danach freue ich mich am allermeisten.“

Sytania ließ ihren Blick durch den gesamten Thronsaal schweifen. Das tat sie immer, wenn sie einen Triumph errungen hatte. Dabei fiel ihr auf, dass Cirnach etwas hinter ihrem Rücken versteckte. „Was hast du da, Cirnach?!“, fragte sie ihre Dienerin mit strengem Blick. „Du solltest wissen, dass etwas vor deiner Prinzessin zu verstecken, eine Strafe nach sich ziehen kann!“ „Auch dann, wenn ich es gar nicht verstecken wollte, Herrin?“, fragte die Vendar und grinste. „Was meinst du damit?“, fragte Sytania. „Ich meine damit, dass es sich bei dem, was ich hier verstecke, um ein Hochzeitsgeschenk für Euch und Eure Ehemänner handelt.“, antwortete Cirnach und zog eine kleine Sonde hinter ihrem Rücken hervor. „Nun, es ist der Tag meiner Hochzeit.“, sagte Sytania. „Also lass es mich sehen!“ „Wie Milady wünschen.“, sagte Cirnach ruhig und betätigte ein Feld auf dem Touchscreen der Sonde, worauf diese begann, eine Datei abzuspielen. Der Inhalt dieser Datei war die Parlamentssitzung, die Cirnach durch die Sonde hatte ausspionieren lassen. „Was interessieren mich die politischen Sorgen der Sterblichen?“, fragte Sytania abfällig. „Oh, ich bin sicher, das Ende wird Euch sehr interessieren, Hoheit.“, sagte Cirnach.

Die Sonde hatte bald das Ende der Datei erreicht. Sie hatte mit dem Ergebnis der Abstimmung geendet. „Was sagt Ihr nun, Milady?“, fragte Cirnach. „Du hattest Recht.“, sagte Sytania. „Und wenn es keine Entschuldigung bei den Romulanern gibt, wird es auch kein neues Bündnis geben und so auch keine Chance, dass sie, selbst wenn sie eine andere Möglichkeit als Meilenstein finden würden, sie diese miteinander teilen würden. Oh, Cirnach, wie gut du sie doch kennst. Nun sind sie zerstrittener denn je. Das kann uns nur zum Vorteil sein. Aber heute wollen wir erst einmal feiern.“

„Ich habe noch etwas für Euch.“, sagte Cirnach und zog einen Beutel hinter ihrem Rücken hervor. „Ihr werdet ja die Hilfe von einem unserer Leute benötigen.“, erklärte sie. „Dirshan und ich haben alle antreten lassen und dann mussten sie sich mit ihren Testkristallen testen, wie aufnahmebereit ihre Sifas sind.“ Sie schüttete den Inhalt des Beutels vor Sytania auf dem Tisch aus. „Wie gut du doch mitdenkst.“, stellte die Prinzessin fest.

Sie begann damit, alle Kristalle zu inspizieren. Auf jedem von ihnen befand sich das Symbol, das seinen Besitzer oder seine Besitzerin auswies. Einer aber stach ihr besonders ins Auge, denn er war pechschwarz. Das war ein Zeichen, dass sein Besitzer in der Blüte seines Sifa-Zyklus stand. Sytania wusste sehr wohl, wem dieser Kristall gehörte. Das war schon das zweite Mal, dass sie heute an diesen Mann erinnert wurde. Das Ende der Abstimmung hatte sie zuerst an die Wette mit Cirnach erinnert. Sie hatte versprochen, ihren Mann wieder in sein Amt einzusetzen, sobald sie wusste, dass die Abstimmung genau so ausgegangen war. Cirnach hatte es zwar nicht auf das Prozent genau getroffen, aber sie hatte schon vorausgesehen, dass es eine Mehrheit für nein zu der Entschuldigung bei den Romulanern geben würde. Sytania wusste, dass sie es sich nicht leisten konnte, sich nicht an die Wette zu halten, denn es gab zu viele Zeugen. Zeugen von der Spezies, von der sie im Moment sehr abhängig war, um ihren Plan durchführen zu können. Würde sie das nicht tun, musste sie eventuell eine zweite Rebellion befürchten und das konnte sie, so kurz vor dem Ziel und in dieser empfindlichen Phase ihres Plans, gar nicht gebrauchen. „Schicke mir deinen Mann!“, befahl sie an Cirnach gerichtet. „Auch er wird heute einen Grund zum Feiern haben. Ich werde ihn wieder in sein Amt als Truppenführer einsetzen. Dirshan wird zwar nicht sehr erfreut darüber sein, aber was scheren mich die Sorgen eines Novizen?“ „Wie Ihr wünscht, Hoheit.“, sagte Cirnach und ging grinsend. Sie hatte erreicht, was sie erreichen wollte.

Maron, Zirell und Joran hatten sich die Bilder von Jorans Aufklärungsmission angesehen. „Es steht für mich einwandfrei fest, dass Sytania den Ritus von Shamun Rê ausführen will.“, sagte der Vendar zur Erklärung. „Das stellt niemand in Abrede, Joran.“, sagte die Kommandantin. „Aber was will sie danach? Ich bin nicht so naiv zu glauben, sie habe sich verliebt und wolle aus rein romantischen Beweggründen in den Hafen der Ehe einlaufen. Da steckt ein Zweck dahinter und wenn ich das richtig verstanden habe, will sie ein Geistwesen schaffen, das ihre und die Macht zweier Palgeister vereint. Dann könnte sie, gemeinsam mit diesem Wesen, viel mächtiger werden, als Logar, Dill oder alle anderen Mächtigen, die wir kennen. Von uns ganz zu schweigen.“ „Ich denke, sie wird Romulus angreifen wollen.“, sagte Maron. „Warum Romulus?“, fragte Zirell. „Wie kommst du darauf? Wenn ich Sytanias bisheriges Handeln zugrunde lege, komme ich zu einem ganz anderen Ergebnis. Ich denke eher, dass sie die Föderation angreifen wird.“ „Das glaube ich nicht.“, argumentierte der erste Offizier. „Die Föderation hat viel zu viele telepathische Verbündete auf ihrer Seite. Sytania geht immer lieber den bequemen Weg. Das weißt du ja.“ „Das weiß ich.“, sagte Zirell. „Aber was soll sie mit Romulus wollen? Ich dachte immer, die Föderation sei ihr erklärtes Ziel.“ „Ihr erklärtes Ziel ist es, einen Brückenkopf in meiner Heimatdimension zu bekommen.“, erklärte Maron. „Dabei dürfte es ihr egal sein, vor allem, wenn sie so eine Macht hat, wo sich der befindet. Für sie ist das Universum eine Dimension. Sie macht keinen Unterschied zwischen Föderation oder anderen. Sie denkt in dimensionären Maßstäben und nicht in einzelnen Gebieten. Romulus ist sehr verwundbar, jetzt, wo es Meilenstein nicht mehr gibt. Da man das Rosannium nicht mehr kontrolliert einsetzen kann, würde sich die Strahlung in der gesamten Atmosphäre verteilen, wenn man es täte und das werden die Romulaner nicht riskieren, weil sie selbst rudimentär telepathisch sind. Es könnte also auch ihnen schaden und das wissen sie und Sytania weiß das auch. Romulus bietet also einen sehr guten Standort für einen Brückenkopf!“

Zirell sah den Vendar an, der seinen beiden Vorgesetzten die ganze Zeit geduldig zugehört hatte. Sie war sicher, er würde sich beide Argumentationen zu Gemüte führen und dann unabhängig von Position und Rang desjenigen nach eigenem besten strategischem Wissen entscheiden. Joran hatte Sytania 90 Jahre lang gedient und kannte ihre Taktik daher wohl am besten. Seiner Expertise würden sich beide anschließen und beide würden sie auch so an die Zusammenkunft weitergeben. Tatsächlich schien Joran sorgfältig nachzudenken. Jedenfalls sagte Zirell das seine kraus in Falten gezogene Stirn, auf der sich sein Fell deshalb leicht aufgestellt hatte. Telepathisch nach seinen Gedanken zu forschen, würde sie nicht versuchen. Nicht nur deshalb, weil ein Telepath niemals freiwillig Kontakt zu einem Vendar aufnehmen würde, weil er laut einer Legende befürchten müsste, sofort ausgesaugt zu werden, nein, es war auch einfach nicht ihre Art, ungefragt in den Geist eines fremden Wesens einzudringen. „Ich überlege noch.“, vertröstete Joran die Beiden, denn beide Strategien kamen ihm zunächst passend vor. Aber das, was im nächsten Moment geschehen sollte, würde seine Meinung stark beeinflussen.

Die Bilder gerieten plötzlich in den Hintergrund und der Avatar des Stationsrechners zeigte sich allen dreien über die Neurokoppler. Ihr Gesicht zeigte einen alarmierten Ausdruck. „Was gibt es, IDUSA?“, fragte Zirell. „Ich habe den Kommunikationsoffizier von Basis 282 Alpha für Sie.“, sagte der Rechner. „Er hat den Kai von Bajor in der Leitung. Er möchte unbedingt mit Agent Maron reden. Die Mediziner haben das OK gegeben. Sie sagen, er bräche sonst noch zusammen. Die Vision, die er empfangen hat, muss ihn sehr mitgenommen haben.“ „Sag ihm, er soll den Kai mit dir verbinden und dann verbindest du mit mir!“, befahl Maron. „Wie Sie wünschen.“, sagte der Avatar. „Sollen alle anderen auch in die Verbindung integriert werden?“ „Unbedingt!“, bejahte Maron.

Gesicht und Statur des Avatars wichen bald der eines völlig blassen und aufgelösten Bajoraners, der von Tränen überströmte Augen hatte. „Agent Maron?“, fragte er. „Genau.“, bestätigte der Demetaner die eigene Identität. Dann sagte er tröstend: „Wir kennen uns, Eminenz. Ich habe Sie schon einmal vernommen.“ „Ach ja.“, erinnerte sich der geistliche Führer der Bajoraner. „Die Sache mit Nihilla. Aber das hier ist viel schlimmer. viel, viel schlimmer! Wer ist dort bei Ihnen, Agent?“ „Das sind Commander Zirell und Joran.“, sagte Maron. „Zirell ist meine Vorgesetzte und Joran ist ein Experte für Sytanias Handeln. ER ist der Vendar, der die Rebellion …“ „Ich weiß.“, fiel ihm der Kai ins Wort. „Dann ist ja alles in Ordnung. Lassen Sie uns also beginnen, Agent.“ „Nur, wenn Sie wirklich aussagefähig sind, Eminenz.“, sagte Maron. „Das geht schon.“, tröstete der Bajoraner. „Sie geben mir Medizin, wenn es zu schlimm wird.“ „Na dann!“, sagte der erste Offizier und holte entschlossen ein Pad aus der Tasche. Dieses schloss er an einen der Datenports an. Dann befahl er dem Rechner: „IDUSA, die Datei von der vorherigen Vernehmung des Kai von Bajor öffnen!“ Bereitwillig kam der Rechner seinem Befehl nach. „Hat sich an Ihren Personalien etwas geändert, Eminenz?“, fragte Maron aus Routine. „Nein, Agent.“, negierte der Kai. „Also gut.“, sagte Maron und befahl IDUSA, die Personalien in die neue Datei einzufügen. Dann begann Maron mit der Befragung: „Bitte schildern Sie mir Ihre Vision so genau Sie können, Eminenz.“ „Ich sah die Feuerhöhlen.“, begann der Bajoraner und Maron notierte sich die Stichworte. „Außerdem sah ich einen Jungen, der mich etwas an Jorans Spezies erinnert. Er trug aber die Kleidung eines Truppenführers und nicht die eines Novizen. Ich sah einen tanzenden Kelch mit Drudenfüßen und dann sah ich reihenweise Armeen fallen, die von einem kindlichen Krieger und Vendar hinweggefegt wurden. Sie hatten ihnen nichts entgegen zu setzen! Es war schrecklich, Agent! Schrecklich! Selbst die Propheten haben geklagt. Sie haben diesen Zustand beweint und waren selbst total hilflos. Sie haben sich die Hände vor die Augen gehalten und immer wieder haben sie das bajoranische Wort für warum geschrieen! Oh, Agent, wer soll uns noch helfen, wenn noch nicht einmal mehr die Propheten es vermögen?!“

Hilflos sah Maron Zirell an. Er wusste nicht, wie er dem Kai auseinandersetzen sollte, was er gerade dachte. Wenn man die Propheten nicht als Götter, sondern rein wissenschaftlich als Wesen betrachtete, die von der Zeit unabhängig waren und somit das Konzept aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht verstehen konnten, dann war es ganz einfach, aber wie sollte er einem heiligen Mann erklären, dass auch Götter von Zeit zu Zeit der Hilfe durch Sterbliche bedurften? „Lenk ihn ab.“, flüsterte Zirell ihm zu, die auf diese Frage wohl auch keine Antwort wusste. „Stell ihm eine andere Frage, die ihn zwingt, sich auf etwas anderes zu konzentrieren.“ „Danke.“, sagte Maron und wandte sich wieder an den Kai: „Eminenz, wie sah der Planet aus, der von dem kindlichen Krieger und seinen Soldaten zuerst angegriffen wurde?“ „Das ist sehr schwer für mich zu beschreiben.“, erwiderte der heilige Mann. „Dann machen wir das anders.“, sagte Maron. „Ich sehe, auch Sie tragen einen Neurokoppler. Können Sie sich das Bild noch einmal vorstellen, das Sie in der Vision gesehen haben? Die IDUSAs werden es dann mit Bildern aus der Datenbank vergleichen.“ „Das Nutzen dieser Art von Technologie ist neu für mich.“, sagte der Kai. „Aber ich will es versuchen.“ Damit begann er, sich auf das Bild aus der Vision zu konzentrieren.

Wenig später rückte IDUSA ihr eigenes Bild kurz in den Vordergrund. „Wir haben ein Ergebnis!“, sagte sie fast schon feierlich. „Meine Kollegin, die IDUSA-Einheit von 282 Alpha und ich sind der einhelligen Meinung, dass es sich bei dem Planeten um Romulus handelt.“ Sie machte wieder Platz für das Bild des Kai.

Maron setzte einen triumphierenden Blick auf. „Ich habe es dir doch gesagt, Zirell!“, freute er sich, der endlich einmal das Gefühl hatte, Sytanias Strategie erahnt zu haben. Sonst hatte er mit so etwas immer seine Schwierigkeiten gehabt und war daher auch als Pannemann verschrien gewesen. „Eine Vision ist nicht immer eindeutig, Maron.“, versuchte Zirell, ihre Position zu bekräftigen. „Sie kann vieles bedeuten. Du weißt, dass gerade die Propheten nicht immer eindeutig sind, weil sie mit unseren Denkstrukturen wohl Schwierigkeiten haben, wie manche Wissenschaftler vermuten.“ „Ich bitte dich, Zirell!“, sagte Maron. „Wir haben sogar eine Bestätigung durch die Computer! Eindeutiger geht es doch wohl nicht! Eminenz, das war sehr gut.“ „Danke, Agent.“, sagte der Bajoraner und die Verbindung wurde beendet.

Zirell und Maron sahen Joran an. Der Vendar hatte sich immer noch nicht entschließen können. Er wusste, dass dieses Mal seine Expertise noch wichtiger sein konnte, als jemals zuvor. Andererseits hasste er es wie die Pest, immer in solchen Fällen das Zünglein an der Waage zu sein. „Jetzt sag endlich was!“, drängte ihn Zirell. „So schwer kann das doch nicht mehr sein, jetzt, wo du alle Fakten kennst.“ „Jetzt, da ich alle Fakten kenne, Anführerin Zirell.“, sagte Joran. „Bin ich eher geneigt, Maron El Demeta zuzustimmen, als dir.“ Er warf der Tindaranerin einen verschämten Blick zu. „Ist nicht schlimm, Joran.“, sagte sie. „Wenn es wahr ist, dann müssen wir uns wohl überlegen, wie wir den Romulanern Schutz bieten können. Wir müssten sie wohl mit Hilfe unserer Fähigkeiten beschützen, aber wenn sie unseren Schutz nicht wollen, dann geht das nicht.“ „Aber die Schiffe können doch …“, sagte Maron. „Du weißt, dass, wenn nur die Hälfte von dem wahr ist, was der Kai gesagt hat, Technologie da bei Weitem nicht ausreicht!“, sagte Zirell. „Und die Romulaner wissen sehr wohl, dass wir eigentlich die Freunde der Föderation sind. Ach, jetzt habe ich meine eigene Position zerstört. Ich meine, wenn Sytania das auch weiß und das tut sie bestimmt, dann wäre Romulus fürwahr ein lohnendes Ziel. Du hattest wohl von Anfang an Recht, Maron. So eine strategische Meisterleistung hätte ich dir nicht zugetraut.“ „Ich mir selbst auch nicht.“, sagte Maron. „Aber das funktioniert seltsamerweise immer nur dann ziemlich gut, wenn ich vorher mit Techniker McKnight geredet habe. Vielleicht färbt ja dann immer etwas von ihrer Intelligenz temporär auf mich ab.“ „Dann solltest du dich jeden Morgen vor der Arbeit einmal mit meiner Telshanach treffen, Maron El Demeta.“, scherzte Joran. „Ich hätte sicher nichts dagegen.“ „Da bin ich aber froh.“, sagte Maron erleichtert. „Sonst hätte ich das erste Treffen sicher nicht überlebt, wenn du dazugekommen wärst.“

Zirell räusperte sich. „Jungs, wir sollten zum Wesentlichen zurückkommen. Die Frage war doch: Wie helfen wir den Romulanern?“ „Ich denke, die politische Seite sollte die Zusammenkunft übernehmen, Zirell.“, sagte Maron. „Also gut.“, sagte die ältere Tindaranerin. „Ich werde mich am besten gleich mal mit Darell verbinden lassen und schauen, was für Chancen sie dafür sieht.“ Sie gab IDUSA die entsprechenden Befehle.

Mein Trauerzug hatte den Friedhof von Little Federation erreicht. Hier stellte man meinen Sarg, ein schlichtes Modell aus repliziertem Eichenholz, auf die Plattform eines mobilen Transporters, welcher der Friedhofsverwaltung gehörte. Dann versammelte man sich um die Stelle, die mein Grab werden sollte. Da der Sarg später hineingebeamt werden würde, stand der Grabstein, ein metallener Würfel mit Display, auch bereits an Ort und Stelle. Diese Würfel waren alle mit dem Netzwerk der Friedhofsverwaltung verbunden und konnten durch deren Rechner mit den Daten des Toten versorgt werden, zu dem das Grab dereinst gehören würde.

Am Rand dieser gesamten Szenerie hielt sich auch Radcliffe auf. Er war immer noch auf der Suche nach einem Agenten, dem gegenüber er sein Gewissen erleichtern konnte. Er war gleichzeitig erstaunt, aber auch erschrocken, bald endlich jemanden mit dem entsprechenden Rangabzeichen auf der Uniform zu sehen. Erschrocken war er, weil es sich bei der Person um Mikel handelte, von dessen gutem Verhältnis zu mir er durchaus wusste. Aber es war ihm auch andererseits egal. Er musste einfach jetzt den Mut finden, es ihm zu sagen. Also ging er auf Mikel zu und sprach ihn an: „Agent, ich würde mich Ihnen gern stellen. Heute ist Ihr Glückstag, denn Ihnen ist soeben der Wäscher vom Mars ins Netz gegangen.“

Stocksteif stand Mikel da. Er war über das Geständnis dieses Mannes, dessen Stimme er nicht einordnen konnte, sehr überrascht. „Sagen Sie das bitte noch einmal, Mr. …“, sagte der Agent mit einer Menge ungläubigen Staunens in der Stimme. „Nathaniel Radcliffe.“, stellte sich der Professor vor. „Ja, es stimmt, Agent. Ich bin der Wäscher vom Mars!“ Immer noch fiel es Mikel sehr schwer zu glauben, was er soeben gehört hatte, aber er erinnerte sich, dass er sehr wohl gelernt hatte, ein Geständnis zu verifizieren. Aber das würde er nicht hier in der Öffentlichkeit tun. „Bitte begleiten Sie mich!“, forderte er den potenziellen Wäscher auf. Nathaniel bejahte und folgte ihm.

Auch Scotty und Shimar waren an meiner zukünftigen Grabstätte angekommen. Plötzlich gab der junge Telepath einen Laut von sich, der Scotty signalisierte, dass es seinem Freund wohl nicht sehr gut ging. Aber es war nichts, das ihn an Trauer, sondern eher an Schaudern erinnerte. „Was is’?“, flapste er. „Die sind ja alle wie willenlose Zombies.“, stellte Shimar fest und zeigte auf die Offiziellen, die wohl vom Hauptquartier der Sternenflotte gekommen waren. „Das konntest du dir doch denken.“, sagte der Ingenieur. „Das waren Sytania und ihr sauberer Wäscher. Wenn ich den in die Finger kriege …!“ „Selbstjustiz ist keine Lösung, Scotty.“, flüsterte Shimar. „Ach und ich würde so gern.“, erwiderte der Schotte. „Auch um dir einiges zu erleichtern. Für dich is’ das sicher doch auch kein Spaß, dieses fiese Zombiegefühl.“ „Und du denkst, wenn du den Wäscher umbringst, ist das vorbei?!“, fragte Shimar provokativ. „Oh nein! Dagegen muss ich mich schon selbst verschließen.“ Er sah kurz angestrengt auf einen Punkt, während er sein Telepathiezentrum vor diesem Eindruck abschottete. „Schaffst du’s?“, fragte Scotty Anteil nehmend. „Geht schon.“, sagte Shimar. Dann fiel ihm auf, dass Scotty meinen Sarg nicht aus den Augen gelassen hatte. „Wieso schaust du dauernd dahin?“, fragte er. „Ich weiß es nich’.“, flapste Scotty. „Ich kann nich’ anders. Irgendwas zwingt mich dazu. Kannst du mal nachsehen, was da bei mir los is’?“ „Ich versuche es.“, sagte Shimar, der durchaus die Vermutung hatte, dass seine Fähigkeiten unter der Trauer, die er verspürte, leiden könnten und er vielleicht kein Ergebnis zustande bekommen könnte. „Was kann ich machen, um es dir zu erleichtern?“, fragte Scotty. „Gar nichts.“, sagte Shimar und begann damit, zu seinem Freund geistigen Kontakt aufzunehmen, was dieser ohne Widerstand geschehen ließ. „Das kann doch nicht sein.“, flüsterte er. „Was kann nich’ sein?“, sagte Scotty. „Was siehst du denn?“ „Ich sehe Logar.“, sagte der Tindaraner. „Er war in deinem Kopf und hat dort eine Botschaft hinterlassen. Du sollst irgendwas sehen.“ „Aber was soll ich sehen?“, fragte Scotty. „Ich kann die Botschaft nicht lesen.“, sagte Shimar. „Ach was.“, flapste Scotty, dem es ganz und gar nicht gefiel, von einem Mächtigen als Marionette benutzt zu werden, auch wenn es ein Freund und Verbündeter war. „Du versuchst es ja gar nich’ richtig. Streng dich mal ’n bisschen an, Junge.“ „Du weißt, dass Logar viel stärkere Fähigkeiten hat, als jeder Tindaraner.“, sagte Shimar und ließ von Scottys Geist ab. „Wenn der König des Dunklen Imperiums nicht will, dass ich die Botschaft entziffere, dann kann ich es auch nicht. Du wirst es wohl bis zum Ende durchstehen müssen, was immer auch passiert.“ „Na gut.“, sagte Scotty. „Aber wenn ich anfange zu sabbern und wirres Zeug zu reden, übernimmst du die Verantwortung.“ „Es ist Logar!“, verdeutlichte Shimar. „Und nicht Sytania! Und nun komm! Ich glaube, sie wollen anfangen.“ Wortlos schlappte Scotty hinter seinem Kumpel her in Richtung meines Grabes.

Inzwischen hatte Radcliffe Mikel alles erzählt. Der Agent konnte ihm nicht wirklich glauben, hatte aber auch längst bemerkt, dass er, wenn überhaupt, eher ein Fall für die Krankenstation, als für die Sicherheitszelle war. „Oh, ich bin so wütend auf Sytania, Agent.“, sagte Nathaniel am Ende seines Geständnisses mit von Tränen erstickter Stimme. „Und ich bin auch genau so wütend auf mich! Wie konnte ich mich nur auf sie einlassen?!“ „Das gehört zu ihrer Vorgehensweise.“, sagte Mikel. „Sie sucht sich immer verzweifelte Opfer, die leicht zu manipulieren sind. Ihre Krankheit kam ihr da ganz recht. Aber trotzdem weiß ich nicht, ob ich Ihnen glauben soll, Nathaniel. Es klingt doch alles sehr unwahrscheinlich.“

„Du solltest ihm glauben!“ Eine Frauenstimme aus dem Hintergrund hatte sich eingemischt. Mikel hatte Sedrin erkannt. Sie musste sofort nach ihrer Ankunft hierher gekommen sein. Er wusste, dass sie im Fall Wäscher vom Mars die leitende Ermittlerin gewesen war, was dafür sorgte, dass er sich sofort aufmerksam in ihre Richtung drehte. Tatsächlich kam sie bald auf ihn zu und sprach ihm ihren kollegialen Glückwunsch aus. „Wo passiert denn sowas?“, fragte sie. „Da ermittle ich wochenlang ohne Ergebnis und du kommst von deinem Schiff gebeamt und verhaftest gleich den, der die gesamte Föderation in Angst und Schrecken versetzt hat. Aber wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was ich mitgekriegt habe, dann ist er tatsächlich der Wäscher vom Mars. Aber er gehört wohl nicht ins Gefängnis, sondern eher in medizinische Hände. Aber wir müssen damit rechnen, dass Sytania noch immer nach ihm suchen könnte. Euer Schiff ist mobil, im Gegensatz zu einem Krankenhaus. Das dürfte ihr die Suche sehr erschweren. Loridana kennt sich doch sicher auch mit psychischen Erkrankungen aus.“ „Du hast Recht, Sedrin.“, sagte Mikel und veranlasste, dass Radcliffe auf die Granger gebeamt wurde. Dann gesellten sich auch Sedrin und er wieder zu der Trauergemeinde.

Ginalla und Kamurus hatten eine gute Position erreicht, um zu beamen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war. Über eine kleine Sonde, die das Schiff auf Befehl seiner Pilotin extra repliziert hatte und die wie ein Vogel aussah, also gut ins natürliche Bild passte und deshalb nicht auffiel, hatte er Kontakt zu der Trauergemeinde gehalten. Jetzt hörten Kamurus und Ginalla auch jedes Wort der Grabrede, die Kissara gerade begonnen hatte. „Liebe Freunde, Angehörige und Kameraden.“, begann sie. „Wir sind heute hier zusammengekommen, um Allrounder Betsy Scott aus unserer Mitte zu verabschieden. Sie wurde plötzlich aus dem Leben gerissen. Das ist sicher etwas, das keinem zu wünschen ist. Aber wir sollten sie immer als die in Erinnerung behalten, die wir kannten. Sie war nicht nur aufgrund ihrer Ausbildung, sondern auch aufgrund ihres Charakters eine fähige und loyale Offizierin, der man gern vertraut hat und die dieses Vertrauen in keiner Weise …“

Ginalla konnte nicht mehr hinhören. „Blah, blah, blah.“, sagte sie und gähnte. “Dass die bei Grabreden immer so dick auftragen müssen. Bist du so weit, Kamurus?“ „Auf deinen Befehl, Ginalla.“, sagte das Schiff. „Na gut.“, sagte die Celsianerin. „Dann jetzt!“ Der Avatar nickte und Kamurus nahm per Transporter den Austausch vor. „So.“, sagte die Celsianerin. „Und jetzt ab nach Genesia Prime! Aber bleib ja unterhalb der Sensoren. Ich habe keinen Bock auf Scherereien an der Grenze!“ „Du kennst mich doch.“, grinste der Avatar. „Dann kannst du auch gleich damit anfangen, unseren kleinen Angriff auf den Grabstein …“, meinte Ginalla. „Oh, da bin ich längst drin, Ginalla.“, sagte Kamurus und ließ seinen Avatar ein gelangweiltes Gesicht machen. „Na dann herzlichen Glühwein!“, flapste Ginalla. „Aber wir warten, bis es auf der Erde Mitternacht is’. Dann diktiere ich dir die erste Botschaft.“ „OK.“, sagte das Schiff, verließ das Sonnensystem und ging so bald wie möglich auf Kurs nach Genesia Prime und auf Warp.

Jenes Geschehen war Scotty, der die Augen ja nicht von meinem Sarg wenden konnte, nicht verborgen geblieben. Er hatte jene schimmernde Säule gesehen, die bei jedem Transport entsteht. Er hatte sogar meine Silhouette erkannt. Sofort sprang er auf und rannte zu der Konsole, an der ein Angestellter der Friedhofsverwaltung stand, der gerade meinen Sarg ins Grab beamen wollte. Auch die Hymne der Föderation, die immer bei solchen Anlässen gespielt wurde, lief bereits über einen portablen Rechner, den er ebenfalls mitgebracht hatte. „Halt stopp!“, rief Scotty. „Macht die Musik aus und stoppt den ganzen Zirkus hier! Jemand hat den Körper meiner Frau weggebeamt und ihn durch was anderes ersetzt! Ich habe zwei Transporte gesehen!“

Sedrin hatte Cupernica gewunken, die sich sofort auf den Weg zu Scotty machte. „Das kann nicht sein, Techniker.“, sagte die Androidin ruhig, nachdem sie den Sarg gescannt hatte. „Es handelt sich noch immer um die Leiche Ihrer Frau, die sich in diesem Sarg befindet. Aber ich kann mir denken, dass die Trauer um den Allrounder Sie halluzinieren lässt. Bitte halten Sie still. Ich werde Ihnen eine Spritze geben und dann wird alles wieder gut.“ „Ich will keine Spritze, verdammt!“, schrie Scotty. „Ich bin Ingenieur! Ich erkenne einen Transport, wenn ich ihn sehe! In dem Sarg is’ sicher ’n Täuschgerät, das Ihre Sensoren in die Irre führt! Verdammt, warum glaubt mir denn keiner! Finger weg!“ Er hatte eine Hand gespürt, die etwas an seiner Kleidung befestigt hatte. Dann hatte eine Stimme etwas in einer ihm zunächst fremden Sprache gezischt. Weder die Sprache, noch die Stimme hatte Scotty in seiner Aufregung erkennen können, obwohl er beides eigentlich sehr gut kannte.

Er fand sich wenige Sekunden darauf in einem Sitz wieder. Die Polsterung und auch die Gerüche seiner Umgebung waren ihm bekannt. Dann kam eine elektronische Stimme aus einem Lautsprecher: „Techniker Scott.“ Er wandte sich um, um irgendwo ein Mikrofon zum Antworten zu finden. Die Stimme, die ihn angesprochen hatte, hatte er nämlich mittlerweile erkannt. „Unter der Steuerkonsole in einem Fach ist ein Neurokoppler.“, sagte die Stimme. „Bitte nehmen Sie ihn und schließen Sie ihn an den Datenport an, den ich Ihnen ausleuchte. Dann können wir viel besser kommunizieren.“

Scotty tastete herum. Er war noch immer sehr nervös, aber der Zwang, ständig auf meinen Sarg zu schauen, war vergangen. Er dachte sich, dass er wohl genau das hatte sehen sollen, was er gesehen hatte. Aber woher hatte IDUSA gewusst, dass sie ihn holen sollte? Er konnte sich das nur so erklären, dass das Gerät, das ihm angeheftet wurde, Shimars Sprechgerät war und dass er ihr wohl noch einige Befehle auf Tindaranisch gegeben hatte, was seinen Verbleib anging.

Endlich hatte er den Koppler gefunden und angeschlossen, was IDUSA sofort seine Tabelle laden ließ. Als Scotty des Avatars ansichtig wurde, konnte er nicht umhin, sich vorzustellen, sie fest zu umarmen. Da die ganze Spannung im selben Moment von ihm abfiel, schluchzte er nur: „Du liebes kleines Schiff du! Hast mich vor der Irrenanstalt gerettet!“ Dann riss er sich betont stark zusammen und sagte nur: „Entschuldige.“ „Ist schon gut.“, sagte IDUSA. „Ihre Reaktionen sind verständlich. Schließlich haben Sie gerade Ihre Frau beerdigt und dann kommt jemand und entführt ihren Körper. Übrigens, ich kann denjenigen identifizieren. Offensichtlich handelt es sich um Ginalla!“ „Ginalla?!“, fragte Scotty irritiert. „Wie kommst du denn darauf?“ „Ich habe die Antriebssignatur von Kamurus erkannt.“, erklärte das Schiff. „Offensichtlich will sie aber, dass wir auf ihre Spur kommen. Sie hat sich nämlich nicht die Mühe gemacht, eine falsche Spur zu legen, oder ihre Spuren gar zu verwischen.“ „Dann los!“, sagte Scotty. „Ich weiß, ich habe dir gar nichts zu befehlen, weil ich nicht dein Stammpilot bin. Aber dann hol Shimar und lass uns hinterher fliegen.“ „Ich fürchte, das wird nicht gehen.“, sagte IDUSA. „Wenn ich ihren Kurs richtig extrapoliere, will sie nach Genesia Prime und da wären weder Sie, Techniker Scott, noch Shimar in der Lage, etwas auszurichten. Schauen Sie mal an sich herunter. Dann werden Sie schon sehen, was ich meine.“ „Hast ja Recht, IDUSA.“, sagte Scotty. „Dafür habe ich eindeutig das falsche Geschlecht. Einfluss nehmen könnte ich wohl nich’. Also gut. Wir müssen ihr wohl vertrauen und sie ziehen lassen. Aber warum wollte Logar dann, dass ich den Transport sehe?“ „Ich habe leider nicht genug Daten über die Vorgehensweise des imperianischen Königs, um Ihnen diese Frage beantworten zu können.“, sagte IDUSA. „Aber ich gehe davon aus, dass Sie einige Leute aufmerksam machen sollten. Vielleicht ist Ihnen das ja bei den Richtigen gelungen. Ich soll, wie mir Shimar befohlen hat, auf Sie aufpassen, also, Sie sicher verwahren, bis sich die Aufregung da unten etwas gelegt hat. Dann soll ich ihn holen und wir bringen Sie nach Celsius zurück, bevor auch wir wieder in die Heimat fliegen.“ „Ach so.“, sagte Scotty. „Na dann warten wir mal ab.“

Scottys Aktion hatte alle auf der Erde, die zu meinem Trauerzug gehört hatten, in helle Aufregung versetzt. Tatsächlich hatte Kissara die Zeremonie stoppen lassen, um Agent Sedrin und Agent Mikel, die als einzige Geheimdienstler anwesend waren, eine Gelegenheit zu geben, in der Sache zu ermitteln. Beide näherten sich jetzt meinem Sarg mit einem Erfasser und scannten ihn. Dann, als sie ihre Scanns beendet hatten, kehrten sie zu Kissara zurück, die sofort forderte: „Bericht!“ „Es scheint tatsächlich auf den ersten Blick so zu sein.“, begann Mikel. „Dass sich in dem Sarg tatsächlich die Leiche von Allrounder Betsy Scott befindet.“ „Scheint so zu sein?“, fragte Kissara etwas irritiert. „Was meinen Sie damit, Agent?“ „Er meint.“, sagte Sedrin. „Dass wir schon zu viel gesehen haben, um das einfach so zu glauben. Es gibt ja immer noch die Aussage von Techniker Scott, dem ich durchaus zutraue, einen Transport erkennen zu können. Ganz außer Acht lassen können wir sie nicht. Bisher haben wir keine schlüssigen Beweise. Sowohl das eine, als auch das andere könnten stimmen. Sie wissen, Commander, dass technische Geräte, genau wie die Sensoren von Androiden auch, getäuscht werden können, wenn man es richtig anstellt.“ „Sie meinen, Agent Sedrin.“, sagte Kissara. „Möglich ist alles?“ „Genau.“, sagte Sedrin. „Wenn jemand einen Plan verfolgt, in dem er oder sie den Körper des Allrounders entführt, dann sollten wir herausfinden, was dieser Plan ist und ihn nicht stören. Wir machen mit der Beerdigung weiter, als wäre nichts geschehen und als hätten wir nichts gemerkt. Dann werden wir hoffentlich bald mehr wissen. Ich habe da so eine merkwürdige Ahnung.“ Mikel nickte zustimmend. „Also gut, Agents.“, sagte Kissara. „Klingt, als wollten Sie beide sich demnächst hier gemeinsam auf die Lauer legen.“ Wieder nickten die beiden Spionageoffiziere. Sedrin grinste sogar dabei. „Na schön.“, sagte Kissara und befahl dem Computer, mit dem Abspielen der Hymne fortzufahren. Derweil wurde mein Sarg ins Grab gebeamt und ein Ehrenspalier, an dem auch Shimar teilnahm, feuerte einige Salutschüsse mit dem Phaser in die Luft. Dabei musste sich Shimar sehr bemühen, ein unschuldiges Gesicht zu machen, denn von der Aktion mit Scotty durfte ja niemand wissen und er durfte ja auch nicht den geringsten Verdacht erregen, etwas darüber zu wissen.

Kapitel 50: Die „schwarze“ Hochzeit

von Visitor

 

In Sytanias Palast war man inzwischen kräftig dabei, die Hochzeit der hohen Herrin mit ihren beiden körperlosen Ehemännern zu feiern. Sytanias Jäger hatten einige kapitale Hirsche und anderes Wild in den Wäldern extra zu diesem Anlass geschossen. Dazu gab es allerlei Beilagen aus Feld und Flur. Auch ihr Versprechen gegenüber den einfachen Imperianern hatte Sytania gehalten, ein Wesenszug, für den sie normalerweise nicht gerade bekannt war, aber heute war wohl alles anders. So feierte man gemeinsam im großen Rittersaal ihres Schlosses, der ganz schön voll geworden war.

Cirnach hatte sich mit ihrem Mann an einen Tisch gesetzt, der etwas abseits stand. Die beiden Vendar waren froh darüber, dass die Spielleute gerade einen zünftigen schnellen Tanz angestimmt hatten, zu dem die meisten Gäste begonnen hatten, laut und fröhlich in die Hände zu klatschen. So würde nicht gehört werden, was sie zu besprechen hatten. Telzan war nämlich gerade eröffnet worden, dass er sein Amt wieder hatte und das kam ihm, angesichts der Tatsache, dass Sytania es vor gar nicht so langer Zeit Dirshan anvertraut hatte, etwas seltsam vor. „Warum habe ich so plötzlich mein Amt wieder, Cirnach?“, fragte der Vendar seine bis über beide Ohren grinsende Ehefrau. „Nun.“, sagte diese mit sehr geheimnisvollem Ton in der Stimme. „Sagen wir mal so, ich war sehr überzeugend.“ „Würde mir meine kluge und schöne Cirnach verraten, wie sie das genau angestellt hat?“, wollte Telzan wissen. „Ich dachte immer, unsere Herrin sei nicht so leicht zu manipulieren, weil sie selbst eine Meisterin der Manipulation sei.“ „Ich habe ihr nur eine Wette vorgeschlagen.“, sagte Cirnach. Dann schwieg sie erneut, um seine Neugier weiter anzufachen. Sie wandte sich sogar wieder ihrem Mal und ihrem Met zu. Telzan, dessen Essgeschirr ebenfalls noch gut gefüllt war, rührte das Seine aber nicht an. Zu aufgeregt war er. „Du solltest essen, mein Ehemann.“, sagte Cirnach. „Wenn du heute Nacht unserer Herrin und ihren Männern bei der Schöpfung ihres Nachkommen helfen sollst, sollte dein Magen gut gefüllt sein, damit deine Konzentration nicht durch etwaiges Magenknurren gestört werden könnte. Außerdem benötigt dein Gehirn die Nahrung sowieso. Wenn dein Stoffwechsel nicht ausreichend arbeiten kann, bist du viel zu schnell am Ende und erschöpft. Dann kannst du den Zustand der Fütterung nicht erreichen und wenn das länger anhält, besteht die Gefahr, dass du Sytanias Schöpfung verlierst. Das möchtest du doch wohl nicht, oder? Ich darf dich erinnern, dass du auch dann wieder bei ihr in Ungnade fallen könntest.“ „Ob ich esse.“, erwiderte Telzan. „Das liegt ganz bei dir, meine kluge und schöne Cirnach. Bitte berichte mir doch weiter von deiner Idee mit der Wette. Du musst doch schon sehr sicher gewesen sein, sie zu gewinnen, wenn du mein Amt in die Waagschale geworfen hast.“ „Nun, eigentlich war das Sytanias Vorschlag.“, sagte Cirnach und grinste. „Ich habe gesagt, dass ich mein Leben verwetten würde darauf, dass die Föderation sich gegen eine Entschuldigung bei den Romulanern entscheidet. Dann wollte sie, um einen gleichwertigen Wetteinsatz zu haben, dir dein Amt wieder geben müssen, wenn ich Recht hätte. Anderenfalls wärst du jetzt immer noch ein einfacher Soldat und ich wäre tot. Aber ich wusste, dass es dazu nicht kommen würde. Dafür haben wir die Föderation viel zu lange beobachtet.“ Sie lachte dreckig auf. „Außerdem kenne ich deinen Sifa-Zyklus und so war mir längst klar, dass, wenn ich es richtig anstellte, vielleicht beides genau so günstig zusammenfällt, wie es zusammengefallen ist.“ „Ich verstehe.“, sagte Telzan. „Ich hätte nicht so schnell aufgeben sollen, meine kluge und intrigante kleine Frau. Wenn ich gewusst hätte, was du noch aus dem Ärmel zaubern kannst, dann hätte ich mich sicher nicht so schnell mit meinem Schicksal abgefunden.“ „Oh, du wärst schon wieder in dein Amt gekommen.“, sagte Cirnach. „Spätestens dann, wenn Dirshan schändlich in einer Schlacht versagt hätte. Der Kriegskunst ist er nämlich lange nicht so mächtig wie du. Ich denke, wenn er einen Kampf, den er gegen die Föderation oder andere Feinde geführt hätte, verloren hätte, dann hätte ihn Sytania nicht viel anders behandelt, als dich. Er kann ja gar nicht dein strategisches Wissen haben. Ein Novize! Ich bitte dich! Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, wann Sytania ihn abgesägt hätte! Er war ja nur ein Werkzeug, um dir eine Lektion zu erteilen. Ich weiß, er war sehr stolz darauf, die Vendar anführen zu dürfen. Aber das war der Stolz eines kleinen Jungen, der wohl meinte, das alles sei ein Spiel. Es wurde höchste Zeit, dass ihn jemand in die Realität zurückholte, wenn du mich fragst. Lange hätte ich mir das auch nicht mehr mit angesehen. Der Kleine ist herumgelaufen wie ein aufgeblasener Gockel! Guck mal. Ungefähr so.“ Sie stand auf und machte in übertriebener Art und Weise stolzierende Bewegungen nach. Telzan musste lachen. Er konnte nur noch schnell sein Trinkhorn in den Ständer stellen, bevor es aus ihm herausplatzte. „Oh, nein, Cirnach!“, prustete er. „Da kann ich ja froh sein, dass ich jetzt wieder dort bin, wohin ich gehöre. Der Kleine hätte Sytanias Vendar ja noch zur Lachnummer aller Dimensionen gemacht. Das hätte ich nicht zugelassen.“ „Sicher nicht.“, sagte Cirnach. „Aber dazu wird es ja auch nicht kommen. Jetzt ist ja alles wieder beim Alten.“

Ihr Blick war auf seinen Teller gefallen. Mit Freuden hatte sie gesehen, dass er ihn geleert hatte. Offensichtlich hatte ihre Geschichte ihm Appetit gemacht. „So ist es recht.“, sagte sie und klatschte in die Hände. „Ich würde wegen dieses freudigen Anlasses gern mit dir tanzen.“ „Na, dann komm.“, sagte Telzan und führte sie auf die Tanzfläche.

Dirshan hatte alles beobachtet. Genau hatte er gesehen, wie sich sein Ausbilder und dessen Frau über ihn lustig gemacht hatten und er hatte auch genau gehört, wie sie über ihn dachten. Er war schwer enttäuscht über diese Tatsachen. Er hatte gedacht, Sytania hätte ihm das Amt des Truppenführers gegeben, weil sie ihm vertraut hätte. Zu erfahren, dass er nur ein Lückenbüßer war, kränkte ihn zutiefst. Traurig, aber auch wütend verließ er den Festsaal. Aber er sann auf Rache! Er hoffte sehr, irgendwann würde der Zeitpunkt kommen, an dem er sich, wie auch immer, an Sytania würde rächen können. Er war sicher, seine Rache würde so fürchterlich sein, dass die Prinzessin lange nichts mehr zu lachen haben würde.

Nichts zu lachen hatte zu jenem Zeitpunkt auch Sekretär Saron, der an diesem Morgen wieder in sein Büro gekommen war. Die gesamte Nacht hatte er über einer Formulierung für eine SITCH-Mail an die Romulaner gebrütet. Erst im Morgengrauen war ihm die richtige Idee gekommen. Deshalb war er jetzt auch hoffnungslos übernächtigt. Seine Freundin hatte zwar versucht, ihn ins Bett zu holen, aber er hatte nicht aufgeben wollen und tatsächlich die gesamte Nacht an seinem heimatlichen Schreibtisch verbracht.

Jetzt hatte er sein Pad mit den privaten Notizen hervorgeholt. Er wollte sich gerade zum Rechner wenden, als ein Signal von ebendiesem auch dessen Verlangen nach seiner Aufmerksamkeit ausdrückte. „Ja, Computer.“, sagte Saron. „Es ist eine SITCH-Mail eingegangen.“, sagte der Rechner. „Absender vorlesen!“, befahl Saron. „Der Senat von Romulus.“, kam es nüchtern und sachlich vom Rechner zurück. „Nachricht öffnen und auf dem Bildschirm zeigen!“, befahl Saron. Der Computer gab ein kurzes Signal von sich und führte den Befehl des Sekretärs aus.

Saron überflog die Mail kurz. Aber bereits beim Lesen der ersten Sätze wurde ihm klar, dass es sich hier um keinen Glückwunsch handelte. Im Gegenteil! Die Föderation wurde als Räuberbande und Syndikat von Verbrechern bezeichnet, die sogar noch schlimmer als die Banden vom Orion seien. Von Deckung einer ruchlosen Tat durch Nuguras Parlament war die Rede und noch von anderen schändlichen Dingen, von denen Saron sich wünschte, sie niemals gelesen zu haben.

Er leitete die Mail an Nuguras Adresse weiter. Am liebsten hätte er das nicht getan, aber es war nun einmal seine Arbeit und seiner Chefin etwas so Wichtiges zu verheimlichen, oder die Mail gar verschwinden zu lassen, durfte er sich auch nicht erlauben. So eine Aktion hätte nämlich, wenn man sie ihm hätte nachweisen können, durchaus zu seiner Kündigung geführt. Er fragte sich nur, wie die Präsidentin damit umgehen würde. Seine Bemühungen, in ihrem Namen die Wogen zu glätten, konnte er jetzt getrost vergessen, denn sie würden nichts mehr bringen. Niedergeschlagen löschte er die Notizen in seinem Pad und steckte es wieder in seine Aktentasche. Sie würde ihn ansprechen. Nugura würde ihn auf die Situation ansprechen, das ahnte er. Er hoffte sehr, dann die passende Antwort parat zu haben, die sie einerseits informieren, sie aber andererseits nicht zu stark erschüttern würde.

Saron beschloss, sich mit der täglichen Arbeit abzulenken und all das zu tun, was sonst noch zu seinem Aufgabenbereich gehörte. Dazu gehörte unter anderem auch, die aktuellen Zeitungen zu durchforsten und die Präsidentin über die aktuellen Pressestimmen zu den gestrigen Ereignissen zu informieren. Dadurch wurde ihm aber auch eine bohrende Frage beantwortet. Er fragte sich nämlich, warum die Romulaner so schnell reagieren konnten. Die ganze Sitzung war nämlich auch über die öffentlichen Medien übertragen worden und nicht codierte SITCH-Wellen machten nun mal keinen Halt vor der romulanischen Grenze. Theoretisch waren sie also auch in der Lage, Föderationsfernsehen zu schauen. Saron war überzeugt, dass einige das bestimmt getan und den Politikern die Informationen zugespielt hatten. Vielleicht ja sogar die Senatoren selbst, denn sie hatten ja auch ein Interesse am Ausgang der Abstimmung.

Saron ließ den Computer die Titelseiten sämtlicher gängigen Tageszeitungen der Föderation öffnen, um sich die Überschriften anzusehen. Was er dort zu sehen bekam, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. In der Manier der Regenbogenpresse titelten selbst seriöse Magazine: „Der Mörder war dieses Mal der Schneider!“, oder: „Riesenschlappe für Nugura! Wird sich das Lügenparlament je seiner Verantwortung stellen?!“ Er war sehr traurig über das, was er hier zu lesen bekommen hatte.

„Saron?“ Eine Stimme hatte ihn angesprochen. Langsam hob der traurig und verschämt in Richtung Boden schauende Sekretär den Kopf und erkannte seine Chefin, die das Büro betreten hatte. „Was haben Sie?“, fragte sie. Saron deutete nur stumm auf den Bildschirm. Hier konnte jetzt auch Nugura lesen, was ihn so traurig gemacht hatte, zumindest 50 % davon. „Aber Saron.“, sagte Nugura. „Sie wissen doch, wie die Presse mit so was umgeht. Das Ergebnis der Abstimmung war für sie nun einmal ein gefundenes Fressen. Sie werden sich doch von solchen aufgeblasenen Schlagzeilen nicht ins Bockshorn jagen lassen, mein Lieber. Sie werden sehen, wenn die Mail an den Senat erst mal raus ist, dann …“ „Diese Mail wird es nicht geben, Madam President.“, stieß Saron hervor. „Was soll das heißen?!“, fragte Nugura etwas entrüstet, die mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet hatte. „Ist Ihnen nichts eingefallen? Na ja. Sie haben ja auch noch den ganzen Tag Zeit.“ „Darum geht es nicht.“, sagte Saron. „Bitte schauen Sie in Ihr SITCH-Mail-Postfach.“ „Also gut.“, sagte Nugura und ging in ihr Büro an ihren eigenen Rechner. Hier sah sie jetzt auch den Grund, aus dem Saron die Formulierung der Mail für zwecklos erachtet hatte. Nach dem Lesen der Mail vom Senat kam sie zu ihrem Sekretär zurück. „Das erklärt natürlich einiges, Mr. Saron.“, sagte sie. „Die Frage wird sein, wie wir jetzt mit der Situation umgehen.“ Sie verließ wieder sein Büro in Richtung ihres eigenen.

Saron lehnte sich in seinem Stuhl zurück, um für eine kleine Weile nachzudenken. Offensichtlich hatte die Erfahrung, die er gemacht hatte, auch die anderen Parlamentarier wieder erstarken lassen, denn Nugura hatte nach dem positiven Ausgang des Experiments, das sie und ihr Sekretär durchgeführt hatten, alles auch an ihre Kollegen weitergegeben. Sonst hätte es ja die gesamte Abstimmung nicht geben können und es wäre auch sonst zu keiner politischen Entscheidung gekommen. Sicher war es gut, dass sie alle ihr Selbstvertrauen wieder gefunden hatten. Aber andererseits hatte sich Saron auch nichts mehr gewünscht, als dass sie alle Nugura zugestimmt hätten, was ja durchaus erreichbar gewesen wäre, wenn alle noch die gleichen Duckmäuser gewesen wären, die sie vor der Wiedervereinigung mit ihren negativen Egos waren. Aber andererseits wäre das auch nicht gut gewesen, wenn man bedachte, welche Verantwortung sie hatten. Die Tragweite ihrer Entscheidung hätten sie dann wohl auch nicht begreifen können, denn wachen Verstandes waren sie nicht mehr. Er kam zu dem Schluss, dass doch alles so gut war, wie es sich jetzt darstellte. Auch dann, wenn der Umgang mit der Wahrheit jetzt wohl wieder darin bestand, das Ganze vielleicht noch weitere 800 Jahre unter dem Deckmäntelchen der Verschleierung zu lassen. Vielleicht würden die Politiker dann ja reifer sein und weniger besorgt um ihren persönlichen Ruf.

Der Computer machte Sarons Sinnieren ein jähes Ende. Er gab ein Signal von sich und machte ihn auch verbal auf den Eingang eines SITCH-Gespräches aufmerksam. Nicht schon wieder eines!, dachte Saron und drehte sich widerwillig zum Mikrofon: „Hier ist das Büro von Präsidentin Nugura. Sie sprechen mit Sekretär Saron.“, meldete er sich und war etwas überrascht, in zwei froschartige Glupschaugen zu blicken, die ihn vom Bildschirm her ansahen. Aber außer den Augen fiel Saron jetzt auch die Statur des Wesens auf, dessen Gestalt langsam sichtbar wurde. Am Rufzeichen, das in der rechten oberen Ecke des Schirms zu sehen war, konnte der kundige Sekretär ablesen, dass der Ruf aus der tindaranischen Dimension kommen musste, aber es war eindeutig kein Tindaraner, der dort zu sehen war. „Mein Name ist Lenn.“, stellte sich der Froschartige mit seiner leicht quakenden Stimme vor. Dann zeigte er rechts neben sich, wo ein anderes Wesen an seiner Seite stand und sagte: „Das ist meine Gefährtin Dianora. Wir würden die Präsidentin der Föderation gern zu einer Partie Quisar einladen. Wir übernehmen die Spielleitung, spielen also nicht wirklich mit. Gegen uns wird sie also nicht antreten müssen, sondern, wie es aussieht, gegen den großen Nagus der Ferengi. Der hat nämlich schon zugesagt. Der Preis ist … Bitte, Dianora, zeig ihn uns!“

Die Froschartige nahm einen Gegenstand von einem Tisch, der hinter den Beiden aufgebaut war und hielt ihn in die Kamera des Sprechgerätes. Saron erkannte jenen Kegel genau, den Nitprin in ihrer Aussage gegenüber Maron beschrieben hatte. Da die Tindaraner und die Föderation Verbündete waren, hatte Maron Nugura auch diese Daten zukommen lassen. Dem Sekretär schauderte! Er wusste genau, was dieser Kegel angerichtet hatte. Wenn so ein mächtiges Ding in die Hände eines Mannes geriet, der es ungeachtet moralischer Grundsätze an jeden verkaufen würde, der nur genug Latinum böte, dann hätte das Universum eindeutig ein Problem! Allein, um dies zu verhindern, musste sie sich einfach auf das Spiel einlassen! Er würde sie sofort informieren! „Bitte bleiben Sie einen Moment in der Leitung, Mr. Lenn.“, sagte Saron freundlich und stellte dann die interne Verbindung zu Nuguras Sprechanlagenterminal her. In kurzen Stichworten erklärte er seiner Chefin, was soeben geschehen war, denn er wollte Mr. Lenn auch nicht unnötig lange warten lassen. Wenn er riskierte, dass es ihm zu lange dauerte, konnte er die Verbindung unter Umständen beenden und sich jemand anderen suchen und wer wusste schon, wie es eventuell um dessen Moral bestellt war. „Gut nachgedacht, Mr. Saron.“, lobte Nugura. „Stellen Sie Mr. Lenn an mich durch! Er soll mir das Spiel mal erklären. Mich wundert allerdings, dass er sich an uns wendet, wo doch die Tindaraner für seine Spezies anscheinend viel näher sind. Na ja. Über all das kann ich ja persönlich mit ihm sprechen. Verbinden Sie schon!“ Saron nickte und ging aus der Leitung. Erleichterung machte sich in ihm breit. Er hatte eigentlich befürchtet, dass Nugura darauf überhaupt nicht eingehen würde. Aber das Gegenteil war Gott sei Dank der Fall. Vielleicht dachte sie, dass, wenn das Spiel zu deren Kultur gehörte, sie, als Präsidentin einer Macht, die sich die Akzeptanz anderer Kulturen auf ihre Fahnen geschrieben hatte, hier nicht verneinen durfte.

Nugura hatte ihr freundlichstes Lächeln aufgesetzt, als auch sie des Gesichtes des Froschartigen ansichtig wurde. „Ich bin Nugura, Präsidentin der Föderation der vereinten Planeten.“, stellte sie sich vor. „Guten Morgen, Mr. Lenn.“ „Guten Morgen, Präsidentin Nugura.“, sagte der Vagaside. „Ich nehme an, Ihr eifriger Sekretär hat Sie bereits über alles informiert.“ „Mr. Saron hat mir in der Tat einen kurzen Abriss gegeben.“, sagte Nugura. „Und ich bin durchaus gewillt, die Herausforderung anzunehmen! Aber dann muss ich noch viel mehr wissen über Ihr Spiel, um mich, wie hoffentlich mein Gegner auch, an dessen Regeln halten zu können. Es liegt nämlich keineswegs in meiner Absicht, Ihre oder seine Kultur mit Füßen zu treten.“ „Die Regeln werden Ihnen in schriftlicher Form zugestellt, jetzt, wo Sie Ihre Bereitschaft bekundet haben.“, sagte Lenn. „Nur so viel. Es wird darauf ankommen, den anderen zu überbluffen. Das bedeutet, Sie und Ihr Gegner müssen abwechselnd ansagen, was sie bereit wären, für den Kegel zu geben. Der Gewinner, oder auch die Gewinnerin, bekommt den Kegel. Ist Ihnen ein Angebot zu risikoreich, um es zu unterbreiten, können Sie jederzeit aussteigen. Dann riskieren Sie aber, dass Ihr Gegner den Preis bekommt. Es darf kein gleich klingendes oder gar in der Sache gleich lautendes Angebot zwei mal abgegeben werden. Das Ganze wird über eine Konferenzschaltung stattfinden. Wie wäre es mit heute zwölf Uhr Mittags Ihrer Zeit?“ „Ich bin einverstanden!“, lächelte Nugura selbstbewusst. „Na dann, bis später.“, sagte Lenn und beendete die Verbindung.

Die Präsidentin gab das Rufzeichen von Sarons Terminal in ihr eigenes ein. Dann sagte sie: „Mr. Saron, es wird wohl bald eine SITCH-Mail von dem fremden Rufzeichen eingehen. Sie enthält die Regeln für Quisar. Geben Sie mir sofort Bescheid, wenn sie da ist und leiten Sie diese dann sofort an mich weiter! In der Zwischenzeit verbinden Sie mich mit der Regierung der Tindaraner!“ „Die Mail ist schon da, Madam President.“, sagte Saron. „Um so besser.“, antwortete Nugura. „Dann mal immer her damit! Sagen Sie alle Termine für heute ab! Ich muss mich schließlich gut vorbereiten!“ „Ja, Madam President.“, sagte Saron, gab Nugura ihre Verbindung und leitete die gerade eingegangene SITCH-Mail an Nuguras Unterrufzeichen weiter. Dann rief er ihren Terminkalender auf, um den letzten Teil ihrer Anweisungen auszuführen.

Maron und Nitprin waren beim Frühstück. Immer noch schien die kleine Breen sehr von der Situation um sich und den Kegel gefangen. So sehr, dass sich ihre schulischen Leistungen in letzter Zeit sehr verschlechtert hatten. „Dein Lehrer sagt, du hättest sehr nachgelassen, Jinya.“, sagte der Demetaner. „Erklär mir doch bitte mal, was der Grund dafür ist.“ „Es ist, weil wir noch immer keine Nachricht von den Vagasiden haben.“, sagte Nitprin. „Was ist, wenn die nie kommt, weil alles schon längst über die Bühne ist und die Ferengi das Ding haben. Wozu soll ich dann noch lernen, wenn sowieso bald die Welt untergeht, weil sie es …“ „Das wird nicht passieren, Jinya!“, sagte der erste Offizier mit sehr viel Zuversicht in der Stimme. „Es wird sicher einen Grund geben, warum …“

Das Signal der Türsprechanlage hatte ihn unterbrochen. „Entschuldige mich.“, sagte er. „Wenn ich wieder da bin, reden wir weiter.“

Er stand auf und ging zur Tür, wo ihn eine ziemlich aufgeregte Zirell erwartete. „Was ist passiert?“, wendete er sich an seine Vorgesetzte, während er die stark vor Aufregung zitternde Tindaranerin ins Wohnzimmer führte. „So habe ich dich ja noch nie gesehen.“ „Die Vagasiden!“, stieß Zirell hervor. „Sie haben sich nicht an uns gewendet, sondern an die Föderation! Ich denke, weil wir ihre Einladungen zu oft abgelehnt haben. Wir dürfen, als Verbündete der Föderation, mithören und Tipps geben. Eingreifen dürfen wir aber nicht. Ich bete zu allen Göttern, dass Nugura das durchsteht. Ihr Herausforderer ist niemand Geringeres, als der große Nagus und du kannst dir ja wohl vorstellen, was passieren könnte, wenn …“ „Warte mal, Zirell.“, sagte Maron. „Hat sie denn die Herausforderung angenommen?“ „Würde ich sonst hier so vor dir stehen?!“, fragte Zirell unwirsch zurück. Der erste Offizier schüttelte mit einem beschwichtigenden Blick in ihre Richtung den Kopf. „Siehst du!“, sagte die tindaranische Kommandantin. „Dann sollten wir keine Zeit verlieren und uns mal die Regeln für Quisar zu Gemüte führen.“, sagte der Demetaner. „IDUSA soll die Daten in deinen Bereitschaftsraum überspielen und dort sehen wir dann die Regeln mal nach Tricks und Kniffen durch, wie wir Nugura helfen können, ohne die kulturellen Regeln der Vagasiden zu verletzen. Wann soll es losgehen?“ „Heute Mittag um zwölf.“, sagte Zirell. „Also, das sind noch vier Stunden.“, stellte Maron fest, nachdem er auf die Zeitanzeige seines Sprechgerätes geschaut hatte. „Das dürften wir schaffen! Komm!“ Er zog Zirell mit sich aus dem Raum. Keiner von beiden ahnte aber, dass noch jemand, die alles mitbekommen hatte, genau das gleiche Ziel verfolgte, wohl in der Absicht, sich von ihrer vermeintlichen Schuld rein zu waschen.

Sytania hatte sich nach der Hochzeitsfeier in ihre Gemächer zurückgezogen und sich dann durch einen Diener den Kontaktkelch bringen lassen, in dem sich immer noch ihre körperlosen Ehemänner befanden. Dann hatte sie nach Telzan geschickt. Da die Uhren im Dunklen Imperium etwas anders gingen, hatte sie genügend Zeit gehabt. Notfalls hätte sie diese auch angehalten, um in Ruhe ihren Abkömmling erschaffen zu können, wenn sie nicht die Einmischung Dills hätte befürchten müssen. Aber das war ja alles nicht nötig.

Jetzt jedenfalls saß sie auf einem Sessel in ihrem Schlafgemach an einem Tisch, auf dem der Kontaktkelch stand. Während sie auf Telzan wartete, dachte sie über einiges nach. Dass viele Parlamentarier der Föderation wieder die Alten waren, hatte sie durchaus registriert, es war für sie aber nicht so schlimm, so lange sie die breite Basis und die Antisternenflotte behielt. Das Antiuniversum würde jetzt, da es kaum noch Politiker gab, wohl von der bösen T’Mir beherrscht werden, aber das war ohnehin ganz nach ihrem Geschmack. Früher oder später würde sie die Antivulkanierin sogar zur Königin ernennen, wenn sie somit die Kaiserin aller Dimensionen wäre.

„Herrin?“ Eine fragende männliche Stimme hatte sie aus ihren Gedanken geholt. Sie wendete den Kopf und sah in das Gesicht Telzans. „Ach, du bist es, Telzan.“, sagte sie. „Setz dich her!“ Sie deutete auf den Stuhl neben dem Ihren. Folgsam führte der Vendar ihren Befehl aus. Dann fragte er: „Wie soll die Erschaffung des Geistwesens nun genau vor sich gehen, Milady?“ „Folgendermaßen, Telzan.“, sagte Sytania. „Ich werde meinen Körper verlassen und zu meinen Männern in den Kontaktkelch gehen. Dort werden wir unsere Energien vereinen und das Phänomen, das dabei entsteht, wirst du abschöpfen, indem du zu einem Zeitpunkt, den ich dir telepathisch nennen werde, beide Hände auf den Fuß des Kelches legst. Dann tust du das Gleiche, als würdest du ein unschuldiges Opfer aussaugen wollen.“ „Aber was ist, wenn ich Euch oder einen Eurer Männer dabei verletze?“, fragte Telzan, dem die ganze Sache doch nicht so ganz geheuer war. „Ich meine, für Eure Männer ist das eine Premiere und Ihr, Ihr habt so etwas ja sicher auch noch nie getan, ganz zu schweigen von mir.“ „Mach dir darüber keine Sorgen.“, beschwichtigte Sytania. „Ich werde schon darauf achten, dass uns dabei nichts geschieht. Vertrau mir!“ Unsere Gemahlin hat Recht., stimmte auch einer der beiden Palgeister telepathisch zu. Nur Mut, Vendar!, motivierte ihn der andere in gleicher Weise. Wir sind sicher, dass du die nötige Vorsicht walten lassen wirst und wenn dir deine Herrin noch hilft, was soll dann schon passieren? „Du willst doch auch nicht bei deinen Leuten und vor mir als Feigling da stehen, oder?“, fügte Sytania verbal hinzu. „Nein, Milady!“, sagte Telzan entschlossen. „Also dann!“, sagte die Prinzessin und legte sich auf ihr Bett. Dann schloss sie die Augen und begann damit, sich vorzustellen, ihren Körper zu verlassen und durch den Raum in den Kelch zu schweben. Ein schwarzer Blitz kündete bald davon, dass sie dieses Ziel auch erreicht hatte.

Was sich im Kelch selbst tat, wusste Telzan nicht, aber er konnte es sich denken. Tatsächlich waren die beiden Palgeister und Sytania bald zusammengetroffen. Jetzt spüren wir dich endlich leibhaftig, geliebte Braut., heuchelte einer der Beiden, die ja aufgrund ihrer Bosheit gar nicht wissen konnten, was Liebe war. Auf diesen Augenblick haben wir uns beide schon unendlich gefreut!, meinte der andere. Auch ich habe mich schon sehr darauf gefreut!, stimmte Sytania zu. Aber nun lasst uns zur Vollstreckung schreiten! Und wie genau hast du dir das vorgestellt?, meinte wieder der erste Palgeist. Nun., meinte Sytania. Ich dachte mir das so. Ich zähle bis drei und dann schleudert jeder von uns ein Energiephänomen in die Mitte des Kelches. Dort werden sie sich vereinen und Telzan wird sie abschöpfen. Einverstanden., stimmten die Palgeister gemeinsam zu und begannen damit, sich, wie Sytania auch, auf ihr Vorhaben zu konzentrieren. Seid ihr bereit?!, fragte die Königstochter telepathisch. Die Palgeister bejahten. Na dann! Eins, zwei, drei!

Telzan sah drei gleichzeitig erscheinende schwarze Blitze, die von dem Kontaktkelch aufstiegen. Nun wird es wohl bald so weit sein., dachte der Vendar, der unter sehr starkem Lampenfieber litt, sich dies aber nicht anmerken lassen wollte. Viel Zeit, darüber nachzudenken, hatte er aber ohnehin nicht, denn im selben Augenblick hörte er Sytanias Stimme in seinem Geist: Jetzt, Telzan! Jetzt!

Er legte seine Hände entschlossen auf den Fuß des Kelches. Dann stellte er sich die Leere vor, die in seiner Sifa herrschte. Alsbald floss die Energie der vereinten Phänomene dort hinein. Immer wieder spürte er nach, ob er nicht aus Versehen etwas Energie von Sytania oder ihren Ehemännern erwischt hatte, die dort nichts zu suchen hatte, aber das war nicht der Fall.

Wenig später war Sytania in ihren Körper zurückgekehrt. Sie stand vom Bett auf und ging zu Telzan hinüber. „Lass vom Kelch ab!“, befahl sie. Der Vendar folgte ihrem Befehl. Dann sagte Sytania: „Lass dir gratulieren, Telzan. Es hat offensichtlich sehr gut funktioniert. Du trägst jetzt unsere Schöpfung!“ „Habt Dank, Herrin.“, sagte der völlig erschöpfte Vendar. „Aber was soll nun mit Euren Ehemännern geschehen? Ich meine, sie können sicher in einer Dimension der Körperlichkeit, wie es das Dunkle Imperium nun einmal ist, nicht überleben ohne ein Gefäß.“ „Nun, es werden sich bei Zeiten schon zwei arme Tröpfe finden lassen, in deren Körper wir sie pflanzen können.“, sagte Sytania. „Meine Diener sollen Ausschau nach zwei einfältigen Bauerntölpeln halten, die so dumm sind, dass sie keine Fragen stellen werden, wenn wir ihnen versprechen, dass sie sich bald die Macht mit mir teilen können.“ „Der Haken daran ist nur, dass sie dann nicht mehr die Kontrolle haben werden!“, grinste Telzan. „Aber das müssen wir ihnen ja nicht sagen.“ „Du sprichst die Wahrheit.“, sagte Sytania. „Das müssen wir ihnen wirklich nicht sagen. Aber alles zu seiner Zeit. Ich will erst erfahren, ob sie auch in der Qualität sind, in der ich sie vermute.“ „Dann werdet Ihr abwarten müssen, bis …“, begann Telzan und hielt sich den Kopf. „Was ist dir?“, fragte Sytania alarmiert. „Ich weiß es nicht.“, sagte Telzan. „Bitte, Milady. Schickt nach meiner Frau. Sie ist heilkundig.“ „Wie du willst.“, sagte Sytania, die wohl durchaus das Leben ihrer Schöpfung in Gefahr sah. Dann wandte sie sich an eine ihrer Kammerzofen: „Scher dich zu Cirnach!“ Die Angesprochene nickte und raste davon.

Wenig später kam sie mit der Vendar im Schlepptau zurück, die einen Erfasser in der rechten Hand trug, mit dem sie ihren Mann eilig scannte. Dann lächelte sie: „Es ist nichts Schlimmes. Du musst nur so schnell wie möglich mit dem Fütterungsritual beginnen. Aber sei gewarnt. Ich schätze, dass sich Sytanias Schöpfung sehr schnell entwickeln wird. Wenn wir nicht schon einen Körper hätten, dann müssten wir binnen drei Tagen einen finden!“ „Das sind ja vortreffliche Nachrichten, Cirnach.“, sagte Sytania und auch Telzan war sehr erleichtert. „Bitte erlaubt uns, uns jetzt zurückzuziehen.“, bat Cirnach und nahm Telzan bei der Hand. „Sicherlich.“, sagte Sytania. Dann verließen die beiden Vendar ihre Räume.

 

Kapitel 51: Die kindliche Heldin

von Visitor

 

Nitprin und IDUSA waren allein. Die kleine Breen hatte nach einer Möglichkeit gesucht, wie man Nugura helfen könnte, das Spiel für sich zu entscheiden, ohne die Regeln zu verletzen. Wenn IDUSA den interdimensionalen Transporter einsetzen und den Kegel einfach fort beamen würde, das wäre sicher nicht gut. Sie würden eine andere Möglichkeit finden müssen. Vielleicht würde es gehen, wenn sie genau betrachten würde, wer Nuguras Gegner war. Vielleicht gab es ja auch bei ihm eine Schwachstelle, die man ausnutzen könnte. Vielleicht sogar in einer Weise, die auch mit den Regeln des Spiels im Einklang war. „IDUSA.“, sagte Nitprin. „Stelle die Regeln von Quisar den Stärken und Schwächen eines monetären Wirtschaftssystems in zwei Fenstern gegenüber!“ „Du willst doch wohl keine kriminellen Handlungen begehen, junge Dame!“, erwiderte IDUSA und ihr Avatar hob mahnend den Zeigefinger der rechten Hand. „Keineswegs.“, lächelte Nitprin. „Ich werde mich an alle kulturellen Regeln halten wie ein erwachsener Sternenflottenoffizier. Falls dir irgendwas an dem nicht gefällt, was ich tue, kannst du den Bildschirm ja immer noch löschen. OK?“ „OK.“, erwiderte der Avatar und tat, was die 13-Jährige ihr aufgetragen hatte.

Es war nach zwölf und das Spiel war in vollem Gange. 281 Alpha war in die Konferenzschaltung zwischen dem großen Nagus, Nugura und den Vagasiden eingebunden worden. Allerdings hatten sie nur die Rechte eines Sekundanten. Sie konnten Nugura Tipps geben und den Vagasiden gegebenenfalls einen Regelverstoß des Ferengi melden, wenn diese ihn nicht selbst sehen würden. Auf der Seite des großen Nagus taten dies zwei seiner Lakaien, die auch das Recht auf Meldung bezüglich eines Regelverstoßes der Präsidentin hatten. Die Vagasiden konnten alle Mails mitlesen und alle Gespräche mithören, wussten also über alles Bescheid. Das mussten sie ja schließlich auch in ihrer Funktion als Spielleiter. Dianora hatte beiden gegenüber noch einmal die wichtigsten Regeln zusammengefasst und dann hatte Lenn den Kegel auf den Tisch gestellt mit den Worten: „Quisar! Das Spiel ist eröffnet!“ Um den Beginn war vorher gelost worden und der große Nagus hatte früher auf das ausgesendete Signal reagiert, was ihm erlaubte, zu beginnen.

Zunächst wurde sich mit Kleinigkeiten aus privaten Sammlungen überboten. Dann geschah lange Zeit nichts. „Wer ist jetzt dran, Zirell?“, fragte Maron, für den alles so schnell gegangen war, dass er den Verlauf des Spiels nicht mehr wirklich hatte verfolgen können. „Nugura.“, flüsterte Zirell. „Aber anscheinend sind ihr die Optionen ausgegangen.“ „Aber sie darf nicht aussteigen.“, sagte Maron. „Wenn sie das tut, dann …“ „Ich weiß, was dann passiert!“, sagte Zirell unwirsch. „Aber das weiß sie auch und wird das nicht zulassen und wenn das Spiel die ganze Nacht dauern sollte.“ „Dein Wort in Mutter Schicksals Ohr.“, sagte Maron.

In dieser Hinsicht war Nitprin bereits einen Schritt weiter. Sie hatte sich genau mit den Regeln des Spiels und mit den Stärken und Schwächen eines monetären Wirtschaftssystems beschäftigt. Dabei hatte sie ihr Augenmerk besonders auf dessen Schwächen gelegt und war auch bald fündig geworden. „Das ist es!“, strahlte sie und stellte sich vor, auf einen bestimmten Absatz auf dem virtuellen Schirm zu zeigen. „IDUSA, gib mir das in groß und stell es in den Vordergrund.“ „Das ist das Kapitel über Inflation.“, stellte IDUSA fest. „So weit dürfen wir nicht gehen!“ „Das will ich doch auch nicht wirklich.“, sagte Nitprin. „Ich will doch nur bezwecken, dass der Nagus kalte Füße bekommt und aussteigt.“ „Du willst ihn also dazu bringen, Angst zu bekommen, ein Angebot abzugeben, das ihn in die Situation bringen könnte …“ „Genau.“, sagte Nitprin. „Ich weiß auch schon wie, aber dazu musst du mich in die Kommandozentrale beamen, damit es schneller geht. Bitte, vertrau mir, Rechnerchen.“ „Vertrauen kann ich leider nicht empfinden.“, sagte IDUSA. „Aber die Daten, die ich über dich habe, zeigen mir, dass du keine kriminelle Vergangenheit hast. Also helfe ich dir. Halt dich bitte bereit!“ Damit erfasste sie Nitprin und beamte sie in die Kommandozentrale.

Maron und Zirell waren sehr überrascht, in das Gesicht des Teenagers zu sehen. „Was machst du denn hier, Jinya?!“, fragte der erste Offizier erstaunt. „Ich dachte, du wärst in deinem Zimmer und würdest dich mit der Schule beschäftigen.“ „Mach ich ja gleich wieder.“, sagte Nitprin aufgeregt. „Nur habe ich vorher eine Idee, wie man das Spiel zu unseren Gunsten herumreißen könnte. Bitte, Maron, lass mich Nugura den Tipp übermitteln.“

Maron rückte zur Seite. Irgendetwas sagte ihm, dass es richtig war, ihr das Feld zu überlassen. „Was machst du da?!“, empörte sich Zirell. „Du kannst doch so eine wichtige Sache keinem Kind überlassen!“ „Kann ich doch, wie du siehst.“, sagte der erste Offizier und half Nitprin noch, das SITCH-Mail-Programm richtig zu bedienen. Dann schrieb sie: „Präsidentin, bitte bieten Sie den gesamten Staatshaushalt der Föderation! Nennen Sie keine Summen. Benutzen Sie bitte genau meine Worte! Gezeichnet: Nitprin.“

In den bangen und spannenden Sekunden, die darauf hin vergingen, schaute Zirell Maron immer sorgenvoller an. „Ob sie den Tipp annimmt, bleibt ja immer noch Nugura selbst überlassen.“, sagte Maron. Dann hörten alle Nugura sagen: „Ich würde den gesamten Staatshaushalt der Föderation bieten!“ Der Nagus wurde blass. Um kein gleich klingendes Angebot abzugeben, durfte er nicht das gleiche sagen, durfte sich aber auch nicht unterhalb ihres Gebotes bewegen. Er hätte schon mehr als den gesamten Staatshaushalt bieten müssen, aber das getraute sich seine Ferengiseele nicht, denn dann hätte er sich verschulden oder mehr Latinum replizieren müssen, als in der Wirtschaft zur Zeit im Umlauf war. Das hätte unweigerlich zu einer starken Inflation geführt und die zu seiner Absetzung, beides Punkte, die ein Ferengi fürchtete wie der Teufel das Weihwasser. Er verließ den Spieltisch, indem er signalisierte, die Verbindung beenden zu wollen und erklärte dann stammelnd und zitternd: „Ich steige aus!“

„Quisar!“, sagte Lenn. „Das Spiel ist beendet und die Siegerin ist Nugura! Präsidentin, der Kegel wird Ihnen per Frachtsonde zukommen.“ „Sehr liebenswürdig.“, sagte Nugura diplomatisch. „Aber jetzt, da er mir gehört, würde ich ihn gern zu meinen Verbündeten, den Tindaranern, schicken, damit er dort genauer erforscht werden kann. Dort hat man die richtige Ausrüstung dafür.“ „Also gut.“, sagte Lenn. „Dann schicken wir ihn gleich dorthin.“ Die Verbindung wurde beendet.

„Das war großartig, Jinya!“, sagte Maron. „Warum haben wir das nicht gesehen?“, fragte Zirell. „Ich denke, wir waren viel zu sehr damit beschäftigt, mit Nugura zu fiebern.“, sagte Maron zur Ehrenrettung der Erwachsenen. Dann wendete er sich noch einmal an sein Pflegekind: „Jinya, dein Pflegevati ist …“ „Dein Pflegevati und sein Commander sind stolz auf dich!“, unterbrach ihn Zirell. „So viel Zeit muss sein!“ „Oh, sicher.“, sagte Maron beschwichtigend. „Ich denke, jetzt fühlst du dich nicht mehr schuldig, Nitprin, was?“, sagte Zirell. Die kleine Breen schüttelte erleichtert den Kopf. „Ich gehe auch sofort wieder zur Schule.“, versprach sie. „Das kann warten bis morgen, Jinya.“, sagte Maron. „Ich rede mit Ishan. Er wird dich sicher für heute krank schreiben, wenn er erfährt, was für eine Heldentat du gerade begangen hast. Wir sollten das erst mal feiern.“ „OK.“, sagte Nitprin.

Radcliffe war auf der Granger in die Behandlung von Scientist Loridana überstellt worden. Die Ärztin hatte die Rezeptur für das Medikament, das ihm von Telzan mitgegeben worden war, in den Replikator auf der Krankenstation eingegeben, damit es ihm weiterhin zur Verfügung stand, bis eine andere Lösung gefunden sein würde. Obwohl sie Radcliffe von Kopf bis Fuß untersucht hatte, konnte sie keine neurologische Ursache für seine Erkrankung feststellen, was seine Behandlung noch erschweren sollte. Sie konnte nichts weiter tun, als ihn ruhig zu stellen, wenn so ein Anfall nahte und er sich erneut für Captain Sisko hielt. Diese Aussichten fand Nathaniel sehr deprimierend. Aber er war auch traurig über die Tatsache, gerade auf das Schiff getroffen zu sein, auf dem die Person stationiert war, die er in Sytanias Namen umgebracht hatte. „Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, Scientist Loridana.“, sagte er. „Sie sollten nicht so viel darüber nachdenken.“, sagte die Medizinerin. „Jeder weitere Stress erhöht das Risiko eines Anfalls.“ „Ich weiß.“, sagte der Professor und zog sich ernüchtert die Decke über den Kopf.

Die Tür der Krankenstation öffnete sich leise und jemand betrat den Raum. Dann forderte eine Radcliffe sehr gut bekannte Stimme: „Bericht, Loridana!“ „Meine Untersuchungen haben keine organischen Schädigungen gezeigt.“, sagte die Zeonide. „Ich fürchte, dass ich ihm nicht wirklich helfen kann.“ „Bedeutet das, sein Problem ist rein geistiger Natur?“, fragte Kissara. „Genau das, Ma’am.“, sagte Loridana. „Dann bleiben uns nur zwei Optionen!“, entschied die Kommandantin. „Wir können ihn entweder nach Aldania Prime, oder nach Tindara bringen. Ich denke, dort wird man ihm am besten helfen können, wenn überhaupt.“ „Wenn Sie Wert auf meine fachliche Meinung legen, um Ihre Entscheidung zu treffen.“, sagte die Medizinerin. „Würde ich in diesem Fall Tindara vorziehen. Die Tindaraner haben meines Wissens eine Geistestechnik, die Reise in die Seele heißt. Damit sollen sie schon sehr viel erreicht haben. Ich denke, in seinem Fall wird uns das vielleicht helfen. Wenn wir Professor Radciffe nach Tindara bringen, können wir seine Rekonvaleszenz viel leichter mitverfolgen, als wenn wir ihn zwecks Behandlung in die Aldanische Allianz bringen würden. Die aldanische Medizin ist extrem effizient, aber dafür sind die Aldaner im Gegensatz zu den Tindaranern auch sehr verschwiegen, wenn es darum geht, etwas über seinen Heilungsprozess zu erfahren und wir müssen ja wegen der laufenden Ermittlungen möglichst permanent auf dem Laufendem sein um den Fall erfolgreich abschließen zu können. Und deshalb ist es viel besser, wenn wir Professor Radcliffe nach Tindara bringen und nicht in die Aldanische Alllianz.“ „Sie meinen.“, sagte Kissara, um sich zu vergewissern. „Weil er sich für Sisko hält und Sie denken, dass dies ein Teil seiner Seele ist, der …“ „Genau.“, sagte der Scientist. „Meine Theorie ist, aber bitte sagen Sie es keinem weiter, Commander, dass er nur Heilung finden kann, wenn sich sein jetziges Ich mit dem von Sisko, also seinem vergangenen Ich, versöhnt.“ Sie sah ihre Vorgesetzte verschämt an. „Ich verstehe nicht, warum Ihnen das eine solche Scham bereitet, Loridana.“, sagte Kissara. „In meinen Augen ist das doch eine ganz passable Theorie.“ „Wenn Sie meinen.“, sagte die Ärztin erleichtert, die wohl mit einer ganz anderen Reaktion ihrer Vorgesetzten gerechnet hatte. „Das bedeutet, ich werde Ribanna Kurs in Richtung tindaranische Dimension setzen lassen, sobald Agent Mikel wieder an Bord ist. Er wollte ja gemeinsam mit Agent Sedrin wegen der Sache auf Allrounder Betsy Scotts Beerdigung ermitteln.“, sagte Kissara. „Sie haben mir sehr bei meiner Entscheidung geholfen, Scientist! Stellen Sie Ihr Licht nicht immer so unter den Scheffel! So und nun möchte ich den Patienten sehen!“ „Sofort, Commander.“, sagte Loridana und winkte ihrem Assistenten, der Kissara in Radcliffes Krankenzimmer führte.

Radcliffe erschrak, als er im Türrahmen gerade der Person ansichtig wurde, mit der er so einen großen Schmerz verband. Dabei bezog sich seine Empfindung nicht nur auf den körperlichen Schmerz, den sie ihm mit ihren Krallen zugefügt hatte, sondern auch auf die Tatsache, dass er ihr jemanden weggenommen hatte, die sehr große Achtung bei ihr genoss. Er fühlte sich sogar so schuldig, dass er ihr nicht den Kopf zuwenden konnte. Je näher sie seinem Bett kam, desto weiter wandte er den Kopf von ihr ab. „Sind Sie gekommen, um mich zu tadeln, Commander?“, fragte Radcliffe. „Keineswegs.“, sagte Kissara ruhig und setzte sich auf das Fußende des Biobettes, auf dem er lag. „Ich bin gekommen, um Sie über das weitere Vorgehen in Ihrer Sache zu informieren. Mein erster Offizier hat hier noch was zu erledigen. Sobald er wieder da ist, werden wir Sie nach Tindara bringen. Da wird man sich um Sie kümmern und …“

Radcliffe fuhr herum. „Hat Ihr erster Offizier Sie bereits über seine Ermittlungsergebnisse informiert, Commander?!“, fragte er verzweifelt. „Wissen Sie schon, was ich für ein Teufel in Menschengestalt bin?! Wissen Sie, wen ich getötet habe?! Wen ich in Sytanias Namen getötet habe?! Wissen Sie das?! Wissen Sie, dass ich derjenige bin, der Allrounder Betsy Scott auf dem Gewissen hat?! Ist Ihnen bekannt, dass ich unzählige Leben auf dem Gewissen habe?!“

Kissara hörte ihm zwar zu, aber das Gift und die Galle, die er ihr entgegenspuckte, schienen an ihr abzuprallen. Statt sich angewidert fortzudrehen, wie es sich Radcliffe erhofft hatte, sah sie ihm geradewegs in die Augen. „Wissen Sie, dass ich gewissermaßen der Schöpfer der Antisternenflotte und des Antiuniversums bin?!“, fragte Radcliffe weiter. Sie blieb aber beharrlich sitzen, was ihn immer mehr in Wut versetzte, da er nicht verstand, wie sie trotz der Tatsachen noch immer so ruhig bleiben konnte.

„Na schön.“, sagte Kissara schließlich. „Sie wollen, dass ich Sie verurteile? Dann werde ich mein Urteil jetzt verkünden! Meiner Meinung nach sind Sie es durchaus wert, dass man ihnen hilft. Sytania hat Ihre Erkrankung schamlos ausgenutzt. Deshalb haben Sie die Dinge getan, die Sie getan haben. Deshalb werde ich auch nicht eher von diesem Platz weichen, bis Sie erkennen, dass nicht Sie die treibende Kraft waren und dass es durchaus Potential gibt, Ihnen zu helfen. Ich bin Thundarianerin. Wir sind so beharrlich wie terranische Katzen beim Mäusefang. Sie werden schon sehr starke Geschütze auffahren müssen, um mich umzustimmen!“ „Ich fürchte, diese Maus werden Sie trotzdem nicht fangen, Commander!“, sagte Radcliffe. „Ich habe Ihre Hilfe nämlich nicht verdient, da ich der Teufel in Menschengestalt bin! Die Einzige, die mich wahrscheinlich heilen könnte, wenn sie denn wollte, ist Sytania! Aber ich habe in ihren Augen schändlich versagt und deswegen hat auch sie mich im Stich gelassen.“ „Sie sind also der Teufel.“, sagte Kissara. „Interessant. Aber selbst der Teufel ist laut der christlichen Mythologie auf der Erde nichts weiter, als ein gefallener Engel! Gut und böse stecken in jedem Wesen, Mr. Radcliffe. Da bilden Sie oder ich sicher keine Ausnahme! Und um Sie zu heilen, benötigen wir Sytania sicher nicht! Wir werden einen eigenen Weg finden, Sie zu heilen! Einen besseren! Einen, bei dem Sie nicht wieder in Abhängigkeit geraten werden!“

Nathaniel begann zu zittern und dann zu weinen. Dann legte er sich wieder zurück in die Kissen. Vorher hatte er mehr oder minder gesessen. Kissara zog ein Taschentuch aus ihrer Uniformtasche und wischte ihm persönlich damit die Tränen ab. „Warum sind Sie immer noch so gut zu mir?“, fragte Radcliffe, der ihr Verhalten immer noch nicht verstand. „Ich kann nicht aus meiner Haut.“, sagte Kissara. „Ich bin Sternenflottenoffizierin. Wir sehen das Gute in jeder Lebensform. Vielleicht mit Ausnahme von Sytania.“ Sie lächelte. „Ich wusste gar nicht, dass überhaupt noch etwas Gutes in mir steckt.“, sagte Nathaniel. „Das muss es aber.“, sagte Kissara. „Sonst wären Sie sicher nicht in dem Zustand, in dem Sie jetzt sind. Also, noch einmal. Wenn Agent Mikel zurück ist, bringen wir Sie nach Tindara. Dort wird man Ihre Abhängigkeit von Sytania ein für alle Mal zerstören und Sie wieder zu einem freien Mann machen. Dessen bin ich mir sicher!“ „Und meine Erkrankung?“, fragte Radcliffe verzweifelt. „Die geht ja mit allem einher.“, sagte Kissara. „Ich bin überzeugt, die wird dann auch wie von Zauberhand verschwunden sein!“

Radcliffe sah, dass sich ihre Nackenhaare aufgestellt hatten, was bei Katzenartigen ein Zeichen für die Bereitschaft zum Kampf war. Jene Beule in ihrem Uniformkragen erleichterte ihn jetzt doch sehr, denn er hatte sich mit der überraschenden Tatsache schließlich doch abgefunden, dass er um ihre Hilfe nicht herumkommen würde. „Sie scheinen ja wirklich bereit zu sein, für mich zu kämpfen, Commander.“, sagte Radcliffe. „Jemand muss das ja schließlich tun.“, begründete Kissara. „Wenn Sie selbst sich bereits aufgegeben haben.“ „Danke.“, entgegnete Radcliffe erschöpft. „Aber wie weit würden Sie für mich gehen?“ „Ich würde mich sogar dem Urbösen stellen, wenn es sein müsste!“, sagte Kissara kampfeslustig.

Sie wandte sich zur Tür. „Müssen Sie wirklich schon gehen?!“, sagte Radcliffe. „Ja, das muss ich leider.“, erwiderte Kissara. „Ich habe noch ein paar Verpflichtungen. Aber ich werde Sie jederzeit wieder besuchen, wenn ich kann. So schlimm, wie Sie behaupten, sind Sie nämlich lange nicht. Sie waren ein Opfer, Nathaniel. Ein Opfer Ihrer Krankheit und ein Opfer Sytanias. Aber das wird sich alles ändern! Vertrauen Sie mir!“ Bei ihrem letzten Satz hatte sie geschnurrt. Sie schnurrte auch noch, als sie die Krankenstation verließ.

Radcliffe konnte nicht anders, als seine Augen zu schließen. Er war wohl von der ganzen Selbstanklage, die er vorgebracht hatte, sehr erschöpft. Auf der Stelle war er eingeschlafen, denn sie musste ihm eine große Sicherheit vermittelt haben.

Ginalla und Kamurus hatten das terranische Sonnensystem verlassen und waren jetzt im freien Weltraum. „Es ist kurz vor Mitternacht auf der Erde.“, sagte der Avatar. „Wir sollten so langsam mal loslegen, findest du nicht?“ „Na gut.“, sagte Ginalla. „Dann nimm mal Kontakt auf.“ „Das habe ich schon.“, sagte Kamurus und zeigte ihr das Eingabefeld. „Also gut.“, grinste die junge Celsianerin. „Dann schreib mal: Ein kleines Vögelchen hat mir geflötet, dass Sytania hat Allrounder Betsy getötet.“ „War das alles?“, fragte das Schiff. „Natürlich war das alles.“, sagte Ginalla. „Mehr passt ja wohl fürs Erste nich’. Mal sehen, ob jemand anbeißt. Falls nich’, legen wir noch mal nach.“ „Wie du willst.“, sagte Kamurus und übertrug die Daten.

In jene Ermittlungsarbeiten, von denen Kissara gegenüber Radcliffe gesprochen hatte, waren Mikel und Sedrin in dieser Nacht bereits sehr vertieft. Die Agenten hatten sich am Tor des Friedhofs von Little Federation getroffen und waren dann gemeinsam zu meinem Grab gegangen, um sich dort hinter einem nahen Gebüsch zu verstecken. „Jeder von uns sollte jetzt das tun, was er oder sie am besten kann.“, flüsterte Sedrin ihrem vorübergehenden Partner zu. „Das bedeutet, du hältst die Ohren offen und ich die Augen.“ „OK.“, stimmte Mikel zu und begann zu lauschen.

Eine Weile lang hatten sie nun schon regungslos in ihrem Versteck gesessen, ohne dass sich etwas getan hatte. Mikel rieb sich immer wieder die Beine, denn diese drohten bei der gebückten Haltung, die er eingenommen hatte, einzuschlafen.

Plötzlich hielt er inne und machte ein angespanntes Gesicht. „Was hörst du?!“, fragte Sedrin, die sich ein solches Verhalten des blinden Mannes durchaus erklären konnte. „Ich höre Schritte.“, flüsterte Mikel. „Es sind immer gleiche Abstände dazwischen, als kämen die Schritte von einer künstlichen Lebensform.“ „Ein Androide?“, wollte Sedrin wissen. „Nein.“, sagte Mikel. „Es scheinen weibliche Schritte zu sein. Aber ich schließe auch aus, dass sich Cupernica hier des Nachts herumtreiben sollte.“ „Also, da kommt eine künstliche Frau, die aber keine Androidin ist.“, fasste Sedrin Mikels Beobachtungen zusammen. „So könnte man es ausdrücken.“, sagte Mikel. „Aber mir fällt da tatsächlich eine Bürgerin von Little Federation ein, auf die das alles als Einzige zutrifft.“ „Du sprichst von D/4!“, sagte Sedrin. „Ganz recht.“, erwiderte Mikel. „Ich wüsste zwar nicht, was sie hier wollen würde, denn künstliche Lebensformen können ja keine Trauer empfinden, aber …“ „Sie versucht sich an unsere Gepflogenheiten anzupassen.“, unterbrach ihn Sedrin leise. „Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass sie hierher kommt. Bleib hier. Ich werde sie ansprechen.“

Sie verließ das Versteck und ging in die Richtung, aus der Mikel die Schritte gehört hatte. Er hatte zuvor heimlich in diese gezeigt. Tatsächlich wurde sie bald der Xylianerin ansichtig, die neben meinem Grab stand und den Stein beobachtete. „D/4?“, sprach die Agentin sie an und tat dabei, als sei sie überrascht, sie zu sehen. „Korrekt.“, sagte die Sonde und drehte sich in Sedrins Richtung. „Was tun Sie hier?“, sagte die Demetanerin. „Regenerieren Sie sich nicht eigentlich um diese Zeit?“ „Ich habe ein Protokoll ausgeführt, das es mir erlaubt, meine Regeneration um einige Stunden zu verschieben.“, sagte die Sonde. „Tchey und ich haben unsere freie Woche und mit meiner freien Zeit kann ich ja bekanntlich anstellen, was mir beliebt. Wenn ich also beschließe, um kurz vor Mitternacht auf den Friedhof zu gehen, um dort dem toten Allrounder meine Ehre zu erweisen, ist dies meine Angelegenheit!“ „Natürlich.“, beschwichtigte Sedrin. „Dies ist ein freier Planet.“

Die Agentin sah, dass die Sonde einen Blumenstrauß hinter ihrem Rücken hervorholte. Diesen legte sie langsam und bedächtig auf dem Grab ab. Dabei streifte Sedrins Blick den Grabstein, auf dem sich im selben Moment meine Geburts- und Sterbedaten in einen netten Zweizeiler verwandelten, der da lautete: „Ein kleines Vögelchen hat mir geflötet, dass Sytania hat Allrounder Betsy getötet!“

Erschrocken warf die Agentin den Kopf herum. An ihren medizinischen Werten konnte D/4 sehr wohl ablesen, dass sie in Stress geraten war. „Was ist?“, fragte die Sonde. „Habe ich die rituellen Handlungen des Trauerns nicht korrekt ausgeführt?“ „Doch.“, sagte Sedrin. „Ihre Ausführungen waren korrekt. Aber es geht mir um etwas anderes. Schauen Sie mal.“ Sie deutete atemlos auf den Grabstein. „Diese Inschrift ist ungewöhnlich.“, stellte die Sonde fest. „Das ist sie in der Tat.“, bestätigte die demetanische Spionageoffizierin. „Und das, was ich vermute, wäre sicher nicht möglich, wenn es sich hier nicht um einen elektronischen Grabstein handeln würde. Ich glaube, da will uns jemand was sagen. Gehen Sie und holen Sie Mikel. Er sitzt dort drüben im Versteck. Ich beobachte weiter!“ D/4 nickte und drehte sich in die Richtung, in die Sedrin soeben gezeigt hatte. Dabei sah sie, dass sich Mikel bereits dem Ort des Geschehens zu nähern schien. Der Sonde war nämlich als Erstes der leichte aus Karbonfasern bestehende Taststock aufgefallen, den Mikel benutzte. „Primitiv, aber effizient.“, stellte sie fest. „Aber jetzt benötigen Sie diesen Gegenstand nicht mehr, Agent. Ich werde Ihnen assistieren.“ „Na gut.“, sagte Mikel und hakte sich bei ihr unter. Dann gingen beide zu Sedrin zurück. „Was ist denn passiert, Sedrin.“, fragte Mikel. „Du wirst es nicht glauben.“, sagte die Agentin. „Aber jemand muss sich in das Netzwerk der Friedhofsverwaltung gehackt haben und verbreitet nun kleine Botschaften über die Grabsteine. D/4, bitte sehen Sie nach, ob noch andere Steine betroffen sind!“ Die Xylianerin nickte und folgte der Anweisung der demetanischen Agentin. „Was für Botschaften.“, fragte Mikel. „Hör zu!“, sagte Sedrin und wandte ihre Augen wieder dem Stein zu, aber die Botschaft war verschwunden und durch eine andere ersetzt worden: Ihr wolltet’s nich’ glauben, drum flieg’ ich sogleich zu Prätora Shashana mit ihrer Leich’.“ „Das ist jetzt schon die zweite Botschaft.“, sagte Sedrin. „Wie lautete denn die Erste?“, fragte Mikel. „Kriegst du sie noch zusammen?“ „Ein kleines Vögelchen hat mir geflötet, dass Sytania hat Allrounder Betsy getötet.“, sagte Sedrin. „Wenn es jetzt schon wieder eine Botschaft gibt.“, vermutete Mikel. „Dann wird die Person noch immer Online sein. Warum und wie sonst hätte sie in so kurzer Zeit eine Zweite verfassen können?“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Sedrin.

D/4 war zu den Agenten zurückgekehrt. „Es scheinen keine weiteren Grabsteine betroffen zu sein.“, sagte sie. „Also geht es der Hackerin tatsächlich nur um Betsy.“, sagte Sedrin. Mikel und die Sonde sahen sie verwirrt an. „Hast du etwa einen Verdacht?“, fragte Mikel schließlich. „Ja, den habe ich!“, sagte Sedrin fest. „Das passt alles zusammen. Ich denke, es handelt sich bei der Hackerin um Ginalla, die uns sagen will, dass sie nicht untätig herumsitzen wird und uns die Tatsache, dass wir ihr nicht geglaubt haben, sehr übel nimmt. Jasmin, meine Zeugin auf Celsius, hat sowas gesagt. Außerdem passt ihr Vorgehen. Ginalla hat schon einmal durch einen Hackerangriff auf das tindaranische Militär auf sich aufmerksam gemacht. Ich denke, wir sollten sie daran erkennen und ich denke auch, wir sollten Kontakt zu ihr aufnehmen.“ „Aber wie soll das gehen?“, fragte Mikel. „Wir werden wohl jemanden von der Friedhofsverwaltung aus dem Bett klingeln müssen.“, sagte Sedrin. „Am Besten einen von den Netzwerktechnikern.“

Kaum hatte sie ausgesprochen, näherte sich bereits ein schwarzer Jeep dem Rand des Friedhofs. Er wurde auf dem Parkplatz für Mitarbeiter abgestellt und dann entstieg ihm ein hoch gewachsener Terraner mit leicht grauem Haar. Er hatte einen Koffer bei sich und näherte sich jetzt auch dem Ort des Geschehens. Als er dem Grüppchen ansichtig wurde, das sich um den Grabstein versammelt hatte, machte er ein erleichtertes Gesicht. „Ach, der Geheimdienst ist ja schon da.“, sagte er. „Dann muss ich ihn ja nicht mehr rufen. Ich bin übrigens James Carney. Ich bin Netzwerktechniker der Friedhofsverwaltung. Unser Großrechner hat mich informiert, dass die Sicherheit dieses Grabsteins kompromittiert worden ist.“ „Angenehm, Mr. Carney.“, sagte Sedrin. „Ich bin Agent Sedrin, das ist Agent Mikel und das D/4.“

Carney sah auf das Display des Grabsteins. „Das ist ja wirklich ungewöhnlich.“, meinte er dann. „Das finden wir ja auch.“, sagte Sedrin. „Aber ich habe eine ungewöhnliche Bitte, Mr. Carney. Wir würden gern mit der Hackerin in Kontakt treten, solange sie noch Online ist. Wäre das von irgendwo möglich?“

Verwundert schüttelte Carney den Kopf. Er konnte gar nicht einordnen, was die Agentin gerade an ihn herangetragen hatte. „Sie wollen denjenigen also gar nicht verfolgen?“, fragte er. „Richtig.“, sagte Sedrin. „Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt nicht mehr so viele Fragen stellen würden. Ich sage Ihnen nur so viel. Es ist aus taktischen Gründen sehr wichtig, dass ihr kein Haar gekrümmt wird. Wir werden auch keine Fangsoftware benutzen, Mr. Carney. Allenfalls eine, mit der man herausfinden kann, ob sich das Rufzeichen, von dem die Botschaften kommen, bewegt. Bitte, vertrauen Sie mir einfach, ja?“ „Also gut.“, sagte Carney. „Dann kommen Sie mal mit.“ Er nahm seinen Koffer auf und ging ihnen voran in Richtung des Verwaltungsgebäudes.

Bei dem Gebäude handelte es sich um ein rotes kleines Haus in Backsteinoptik, das sie wenig später betraten. Dann gingen sie in ein kleines Büro, in dem ein Terminal auf einem grauen Schreibtisch stand. Hier setzte sich Carney auf einen weißen Bürostuhl und bot seinen Gästen an, auf der Couch im Hintergrund Platz zu nehmen. Dann sagte er: „Wollen mal sehen.“, drehte sich dem Bildschirm zu und gab seinen Sicherheitscode ein. Wenig später wurde er vom Rechner positiv identifiziert: „Guten Abend, Mr. Carney.“ „Computer.“, begann Carney. „Zeig mir den Netzwerkbericht der vergangenen 24 Stunden von Grabstein Nummer 22351!“ „Jetzt dürfte es gleich spannend werden.“, flüsterte Sedrin Mikel zu.

Carney hatte sich den Bericht bald durchgelesen. „Ich werde das mal für Sie zusammenfassen, Agents.“, wendete er sich mit seiner etwas rauen Stimme an Mikel und Sedrin. „Das wäre sehr nett.“, sagte die Agentin. „Dann muss ich mich nicht mit all den technischen Fachausdrücken herumschlagen.“ „Also.“, sagte Carney und stellte den Cursor auf eine bestimmte Zeile im Bericht. „Es gab tatsächlich einen unautorisierten Zugriff von einem externen Rufzeichen. Aber dieser Hacker scheint ein blutiger Anfänger zu sein, wenn Sie mich fragen. Jedenfalls hat er oder sie wohl noch nie was von Software gehört, um Rufzeichen zu maskieren, oder die Spuren sonst irgendwie zu verwischen.“ „Wir gehen eher davon aus, dass sie das mit Absicht macht, Mr. Carney.“, sagte Mikel. „Wer ist sie?“, fragte Carney verwundert. „Sagen Sie mir bitte nicht, Sie kennen die Person.“ „Zumindest haben wir einen Verdacht.“, sagte Sedrin. „Und den werden wir jetzt verifizieren. Bei der Gelegenheit kann ich ja auch gleich mal meine poetischen Talente auf die Probe stellen. James, Sie werden jetzt dieses Rufzeichen in das Adressfeld einer SITCH-Mail-Nachricht eintragen und dann werde ich Ihnen etwas diktieren.“ Sie stand von ihrem Platz auf und näherte sich Carneys Stuhl. „Ich verstehe nicht ganz, Agent.“, sagte der leicht nervöse Techniker. „Das werden Sie schon noch.“, sagte Sedrin. „Bitte, vertrauen Sie mir einfach.“ „Das fällt mir äußerst schwer, Agent.“, sagte Carney. „Aber ich will es versuchen.“ Zum Beweis führte er aus, worum sie ihn gebeten hatte. „Na geht doch.“, sagte Sedrin. Dann diktierte sie: „Ach bitte, Ginalla, verrate uns gleich, warum du entführtest die unschuld’ge Leich’.“ Zur Sicherheit buchstabierte sie Ginallas Namen. „OK.“, sagte sie dann. „Und jetzt abschicken!“ Auch das tat James. „Mal sehen, was jetzt passiert.“, sagte Sedrin. „James, können Sie es so einrichten, dass wir mitlesen können, was sich am Grabstein tut?“ „Sie meinen, falls Ihre Freundin nicht direkt auf die Mail antwortet?“, fragte Carney. „Sicher kann ich das. Den Grabstein habe ich im anderen Fenster.“ „Dann beobachten Sie gut.“, sagte Sedrin.

Kamurus hatte festgestellt, dass man wohl auf Ginallas und seine kleinen Botschaften reagiert haben musste. „Ginalla, es hat wohl endlich jemand angebissen.“, sagte er. „Na dann zeig mal her.“, sagte die junge Celsianerin und grinste triumphierend. Dann las sie sich Sedrins Vers durch. „Die Antwort können sie haben.“, sagte Ginalla. „Wir antworten aber direkt auf die Mail.“ „Also gut.“, sagte Kamurus und rückte das entsprechende Programm in den Vordergrund. „Also gut.“, sagte Ginalla. „Dann schreib: Mir Hilfe zu suchen, wenn ihr versteht, habe ich dies schändlich’ Ding gedreht.“

„Es tut sich etwas, Agent!“, meldete Carney. „Zeigen Sie mal her.“, sagte Sedrin. Dann las sie sich Ginallas Antwort durch. „Sie hat ja Recht.“, sagte sie dann betroffen. „Wir haben ihr ja am Anfang wirklich nicht geglaubt.“ „Wir sollten fragen, ob sie Hilfe von uns benötigt.“, schlug Mikel vor. „Immerhin ist sie nur Zivilistin und …“ „Also gut.“, sagte Sedrin. „Bereit, James?“ „Sicher.“, sagte Carney. „Aber was zur Hölle ist hier eigentlich los?“ „Darüber dürfen wir mit Ihnen nicht reden.“, sagte Sedrin. „Und wenn wir hier fertig sind, erwarte ich, dass Sie die ganze Episode hier schnellstens als bösen Traum abhaken und vergessen! Sie dürfen zu niemandem darüber reden! Zu niemandem! Haben Sie verstanden?!“ „Wie Sie meinen, Agent.“, sagte Carney. Dann signalisierte er Schreibbereitschaft. „Bin drüber untröstlich und bitte ach, dürften dir folgen die Freunde nach?“, diktierte Sedrin.

Wenig später erfolgte die Antwort: „Zu dieser Offerte sage ich nein, denn dies muss ich wohl leider tun allein.“ „Verständliche Reaktion, wenn du mich fragst.“, sagte Mikel. „Dein Partner hat sie ja wirklich wie Dreck behandelt.“ „Oh ja.“, sagte Sedrin. „Aber das ist schon längst geklärt.“

Carney hatte das Fenster gewechselt. „Laut unserer Software.“, sagte er. „Bewegt sich das Rufzeichen tatsächlich. Sogar mit Warpgeschwindigkeit.“ „Dann stimmt es.“, sagte Sedrin.

„Was mich noch interessieren würde.“, sagte Mikel. „Wenn Betsys Körper entführt worden ist, wer liegt dann in dem Sarg?“ „Ich habe eine Theorie.“, sagte Sedrin. „Komm mit. D/4, Mr. Carney, Sie auch!“

Im Laufschritt ging es zum Grab zurück. Dann sagte Sedrin zu der Sonde: „Ist Ihr interner Transporter in der Lage, die angebliche Leiche aus dem Sarg an die Oberfläche zu beamen?“ Die Xylianerin nickte. „Dann tun Sie es!“, befahl die Agentin. „Sie wollen das Grab sozusagen öffnen?“, fragte Carney und wurde kreidebleich. „Wenn es der Wahrheitsfindung dient.“, sagte Sedrin.

D/4 hatte inzwischen ihre Anweisung ausgeführt und die angebliche Leiche lag jetzt vor ihnen. Sedrin schnappte sich Mikels Hand und zog ihn näher heran. Dann sagte sie: „Beuge dich runter und fasse sie an!“ „Was?“, fragte Mikel irritiert. „Deine Hände sind die Sensibelsten von uns allen.“, erklärte Sedrin. „Wir anderen verlassen uns viel zu sehr auf unsere Augen, oder auf Erfasser. Nicht zu fassen, wie technologiegläubig wir geworden sind!“

Widerwillig und mit spitzen Fingern führte der blinde Mann schließlich doch aus, worum seine Kollegin ihn gerade gebeten hatte. Dann sagte er: „Das ist Kunststoff. Das ist kein natürliches Gewebe. Das ist eine Puppe. Das ist nicht Betsy.“ „Eine Puppe voller Täuschtechnik, was?“, fragte Sedrin und stellte ihren mitgebrachten ballistischen Erfasser um, der ihr das auch bald bestätigte. „Das heißt, Techniker Scott hatte Recht.“ „Das heißt es wohl.“, sagte Mikel. „Lasst uns dann hier für heute Schluss machen. D/4, beamen Sie die Puppe bitte erst mal zurück. Danke übrigens, Mr. Carney, für Ihre Bezeugung des Ganzen.“ „Gern geschehen.“, sagte James. „Aber Sie sagen nichts zu Ihren Kollegen, oder zu sonst jemandem.“, schärfte ihm Sedrin noch einmal ein. „Diese Nacht hat es nie gegeben, klar?!“ „Welche Nacht?“, fragte Carney. „Ich wusste, wir verstehen uns.“, sagte Sedrin. Dann beamte die Sonde die Puppe zurück und alle gingen ihrer Wege. Welchen Plan Mikel im Stillen schon wieder angesichts der neuen Fakten gefasst hatte, ahnten weder Sedrin noch die Sonde.

Kapitel 52: Auf der Suche

von Visitor

 

IDUSA hatte Shimar an Bord geholt und dann war sie mit Scotty und ihm in Richtung des freien Weltraums gestartet. Den terranischen Ingenieur hatte aber eines nicht ruhen lassen. Wohin wollte Ginalla mit meinem Körper?

Wie aufgeregt Scotty war, konnte auch Shimar nicht entgehen, auch dann nicht, wenn er seine telepathischen Fähigkeiten gar nicht benutzte, denn Scotty rutschte unruhig auf seinem Sitz hin und her und tat auch sonst allerlei Dinge, die auf starke Nervosität hinwiesen. „Würdest du vielleicht die Güte haben und mir erzählen, was du für ein Problem hast?!“, fragte der junge Tindaraner, der angesichts des Verhaltens seines Freundes vor Mitleid bald nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand. Es war für Shimar traurig mit anzusehen, welch bedauernswertes Bild Scotty hier abgab. „Es is’ Ginalla.“, sagte der Schotte. „Nich’, dass ich ihr misstrauen würde, aber ich misstraue den Genesianern. Was is’, wenn die irgendwas mit ihr machen, dass …“

Shimar gab einen Laut von sich, der darauf hindeutete, dass er von Scottys Einlassung ziemlich genervt war. „Was stellst du dir denn vor?!“, fragte er. „Was denkst du denn, was die Genesianer für Monster sind? Mach dir doch bitte noch einmal klar, warum sie mit euch ab und zu Krieg führen. Sie empfinden euch als ehrenvolle Gegner. Also sind sie auch selbst ehrenvoll. Sie werden schon Betsys Körper nicht entweihen oder so was. Ginalla bringt sie auch nur dort hin, weil sie eine Reaktion von der Föderation provozieren will. Jemand muss ihr gewaltig auf den nicht vorhandenen Schlips getreten sein, wenn du mich fragst. Ich weiß nicht, ob ich nicht an ihrer Stelle ähnlich reagiert hätte.“ „Kann IDUSA Ginallas Schiff aufspüren?“, fragte Scotty. „Das kann ich leider nicht.“, sagte das Schiff, das beide Reaktionstabellen geladen hatte. „Sie ist bereits außerhalb meiner Sensorenreichweite.“ „Kannst du nich’?“, wandte sich Scotty an Shimar. „Ich meine, Genesia Prime liegt immerhin im Universum. Vielleicht …“ „Ich kann es auf jeden Fall versuchen.“, sagte Shimar. Dann befahl er in Richtung seines Schiffes: „Übernimm das Steuer!“ „Wie Sie wünschen.“, gab IDUSA zurück und änderte die Darstellung vor seinem geistigen Auge, was auf die Ausführung seines Befehls hindeutete.

Shimar visualisierte sich selbst, wie er durch das Universum in Richtung genesianische Grenze schwebte. Dabei hatte er auch ständig alles im Blick, das sich unter ihm befand. Seine Suche galt nämlich auch Kamurus. Aber außer einer Nebelwand, die ihm den mentalen Blick versperrte, konnte er leider nichts wahrnehmen, so sehr er es auch versuchte. „Tut mir leid, Scotty.“, sagte er schließlich abgekämpft. „Ich kann sie nicht finden.“ „Woran liegt denn das?“, fragte Scotty. „Mischt sich Logar etwa schon wieder ein?“ „Nein.“, sagte Shimar. „Ich denke eher, dass mir die eigenen Gefühle im Weg sind.“ „Diese Theorie kann ich bestätigen.“, sagte IDUSA. „Es ist allgemein in der Wissenschaft bekannt, dass Telepathen eventuell durch die eigenen Emotionen an der Nutzung ihrer Fähigkeiten gehindert werden können. Wenn aber die äußeren Bedingungen dieser Situation angepasst werden, kann es sein, dass dieses Manko kompensiert werden kann.“ „Wovon zur Hölle redest du?“, fragte Scotty. „Wenn sich Shimar und Sie in einer Umgebung befinden würden, in der Betsys geistige Prägung sehr stark vorhanden wäre, dann könnte sie somit als Verstärkung dienen. Wenn Shimar Sie, Techniker Scott, dann noch in die Verbindung integriert und Sie das Gleiche wollen wie er, dann müsste es eigentlich funktionieren. Zumindest gehen davon Wissenschaftler aus, deren Abhandlungen darüber mir in meiner Datenbank zur Verfügung stehen. Wollen Sie beide die Texte lesen?“ „Oh, bitte, verschone uns.“, sagte Scotty und Shimar nickte nur bestätigend. „Ich hasse medizinisches Fachchinesisch!“ „Also gut.“, sagte IDUSA. „Aber ich wüsste schon gern, wie ich damit umgehen soll. Soll ich umkehren?“ „Das wäre wohl das Beste.“, sagte Shimar. „Wie Sie wünschen.“, sagte IDUSA und wendete. Das Schiff kannte einen solchen Ort sehr wohl, an dem meine geistige Prägung stark genug sein würde. Sie wusste, dass sie die Beiden nur in meinem Haus absetzen musste. Auch Shimar und Scotty war dies klar, aber sie wussten nicht, ob nicht der Staat schon seine Finger darauf hatte und ob die ihnen bekannten Codes für die Tür überhaupt noch gelten würden. Aber das wäre kein Problem, solange sie IDUSA hätten, die sie einfach dort hinein beamen könnte.

Sytania hatte in ihre Zukunft gesehen. Was sie dort sah, verhagelte ihr aber anständig die Laune, zumal sie in den Ereignissen der Gegenwart, die sie ebenfalls beobachtet hatte, auch nichts Positives für sich sah. „Diese verdammte kleine celsianische Kröte!“, sagte sie wütend. „Mit ihrer kleinen Provokation ist ihr ein Streich gelungen, den ich ihr nicht zugetraut hätte! Wenn sie Betsys Körper zu den Genesianern bringt und dort passiert, was passieren wird, wenn ich nicht eingreife, dann kann ich meinen gesamten Plan vergessen! Ich muss mich dringend mit Telzan beraten!“ Sie winkte einem ihrer Leibwächter: „Hol mir Telzan!“

Jener Vendar, von dem gerade die Rede war, beschäftigte sich zu dieser Zeit mit dem Fütterungsritual. Es war schon das zweite Mal an diesem Tag. Aber da er wusste, was auf ihn zukommen würde, hatte er schon mit so etwas gerechnet. Das Wesen in seiner Sifa hatte auch bereits angefangen, mit ihm zu kommunizieren. Die Beiden hatten sich, wenn er den Zustand der Fütterung erreicht hatte, immer sehr gut unterhalten können über das, was nach dem Wechsel des Wesens in seinen neuen Körper passieren würde. Auch wollte das Wesen sehr viel über seinen neuen Körper wissen und das gerade heute. „Wie sieht der Körper aus, den ihr für mich ausgesucht habt?“, fragte es.

Telzan stellte sich Malcolms Gesicht und Statur vor. „Ich hoffe, er ist dir genehm.“, sagte er. „Ich weiß, es ist der Körper eines Kindes, aber …“ „Ob er mir genehm ist, Vendar?!“, lachte das Wesen und ließ ihn noch einmal seine gesamte Bosheit spüren. „Mach dir keine Sorgen, Vendar. Er ist mir sogar sehr genehm. Im Körper eines unschuldigen Kindes wird niemand so einen bösen Geist vermuten, wie ich es bin! Das wird mir alle Türen öffnen. Dieser Körper war eine sehr gute Wahl, Vendar. Sag das deiner Frau, meiner Mutter, meinen Vätern und auch jedem, der sonst noch an der Wahl beteiligt war! Ich werde dem Kleinen noch ein Telepathiezentrum verpassen und dann sollt ihr mal alle sehen, wie schnell ich das Höllenreich meiner Mutter und meiner Väter über die Dimensionen bringe! Ihr solltet allerdings alle Vorbereitungen treffen, die notwendig sind. Es werden nur noch wenige Minuten sein, Vendar, die wir zusammen verbringen. Nur noch wenige Minuten. Mich interessiert nur, wie ihr diesem Kind verkaufen wollt, mir seinen Körper zur Verfügung zu stellen.“ „Sei ohne Sorge.“, sagte Telzan. „Da wird meiner klugen und hübschen Cirnach schon etwas einfallen. Der Kleine hat uns fast an Elternstatt akzeptiert. Er vertraut uns, so naiv wie er ist. Ich bin überzeugt, sie wird einen Weg finden. Meine Frau kann gut mit Kindern.“ Er lachte böse auf.

Der Wächter war auf Cirnach getroffen, die ihren Mann bei der Ausführung des Fütterungsrituals mit einem Erfasser überwacht hatte. Jetzt sahen beide, wie er es beendete und die Augen aufschlug. Cirnach konnte einen sehr zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht erkennen. „Da bist du ja wieder, mein Ehemann.“, sagte sie stolz. „Ich sehe, es scheint dir heute alles leicht von der Hand gegangen zu sein.“ Sie blätterte in den Daten ihres Erfassers. „Das ist richtig, meine außerordentlich kluge Ehefrau.“, sagte Telzan. „Die Energien des Wesens und die Meinen vertragen sich so gut, dass mir das Fütterungsritual leicht wie nie von der Hand geht. Ich bin nur etwas traurig gestimmt, weil wir uns schon bald voneinander verabschieden müssen. Das Wesen sagt, es dauert nur noch wenige Minuten, bis es so weit ist.“ „Das kann mein Erfasser nur bestätigen.“, sagte Cirnach. „Bei dieser schnellen Entwicklung hatte ich erst Sorge, deine Sifa könnte vielleicht Schaden nehmen, aber auch das ist nicht der Fall.“ „Oh, ich denke, darauf hat Sytania schon geachtet.“, sagte Telzan. „Wo wir gerade von ihr sprechen.“, meinte Cirnach. „Sie erwartet dich im Thronsaal. Sie muss dringend mit dir reden.“ „Dann sollte ich gleich zu ihr gehen.“, sagte Telzan. „Ich denke, wenn sie mich so dringend sprechen will, dann wird sie nicht in der besten Stimmung sein. Ich aber habe Nachrichten für sie, die sie garantiert aufheitern werden!“ Er stand von seinem Sitzkissen auf.

„Du solltest den Kleinen mitbringen.“, fügte er noch in Cirnachs Richtung hinzu. „Keine Sorge.“, sagte Cirnach. „Darum kümmere ich mich schon.“ Dann gingen beide in verschiedene Richtungen davon.

Cirnachs Weg führte sie nur ein paar Zimmer weiter. Hier war Malcolm damit beschäftigt, mit den vielen neuen Spielsachen zu spielen, die sie und ihr Mann ihm besorgt hatten. Fälschlicherweise hatte sie ihm berichtet, dass sowohl sein Vater, als auch seine Mutter, tot seien und dass sie und ihr Mann jetzt auf ihn aufpassen würden. Auch hatte sie alles getan, um sein Vertrauen zu gewinnen. Jetzt setzte sie sich neben den kleinen Jungen auf den Teppich. „Hallo, Tante Cirnach!“, lächelte ihr Malcolm nichts ahnend entgegen. „Ich grüße dich, Malcolm El Taria.“, sagte die Vendar mit betont freundlicher Stimme. „Sag mal.“, fuhr sie listig fort. „Willst du ein mächtiger Zauberer werden, so wie die Märchenprinzessin, in deren Schloss wir leben?“ „Kann ich dann auch meine Mummy und meinen Daddy wieder ins Leben zaubern?“, fragte Malcolm. „Oh ja, das kannst du.“, log Cirnach, der seine Frage sehr gelegen kam. „Dann will ich es!“, strahlte Malcolm, der sich nichts sehnlicher wünschte, als seine angeblich toten Eltern wiederzusehen. „Was muss ich dazu machen, Tante Cirnach?“ „Du musst nur mit mir gehen.“, sagte die Vendar und nahm ihn bei der Hand. „Wir gehen zur Märchenprinzessin. Dort treffen wir auf den Onkel Telzan. Es kann sein, dass es ihm nicht gut geht, wenn wir ihn sehen, aber du kannst ihm dann helfen, indem du einfach seine Hände nimmst. Dadurch zauberst du ihn sozusagen gesund. Zur Belohnung wirst du dann ein ganz großer Zauberer werden.“ „Oh ja, das will ich!“, sagte Malcolm und folgte ihr. Das arme Kind konnte ja mit seinen gerade einmal sechs Jahren nicht ahnen, was wirklich auf ihn zukommen würde.

Telzan hatte Sytanias Thronsaal betreten und war dort auf seine sehr deprimiert dreinschauende Herrin getroffen. „Was hat Euch so die Stimmung verhagelt, Milady.“, fragte der Vendar und grinste sie an. „Du wagst es, in meiner Gegenwart zu lächeln?!“, gab Sytania zurück. „Ja, das wage ich, Hoheit.“, erwiderte Telzan. „Ich habe nämlich sehr gute Nachrichten für Euch, Milady. Bitte hört mir zu. Ich bin überzeugt, dass es Euch danach auch viel besser gehen wird.“ „Dann will ich deinen Vorschlag mal ausprobieren.“, sagte Sytania, die sich nicht vorstellen konnte, mit was für Nachrichten ihr Untergebener sie hätte aufheitern können.

Er stellte sich direkt vor ihren Thron. Dabei drehte er sich so, dass er jede Regung ihres Gesichtes wahrnehmen konnte. Dann begann er: „Es geht in erster Linie um das Wesen, Prinzessin. Cirnach hat mit ihrem Erfasser festgestellt, dass es sich zwar sehr schnell, aber auch sehr gut entwickelt. Es hat sogar schon mit mir kommuniziert und es ist mit der Wahl des Körpers, die wir getroffen haben, sehr einverstanden. Es sagt, wenn es im Körper eines unschuldigen Kindes daherkommt, wird niemand das Böse in ihm vermuten, das es in Wahrheit ist. Das könnte doch zu Eurem Vorteil sein. Genesianer, Klingonen und auch die Föderation werden zunächst glauben, dass man mit einem Kind ja leicht fertig werden kann, auch wenn dieses eine Armee von Vendar anführt. Aber da werden sie sich eindeutig irren und Ihr hättet schneller einen Brückenkopf im Universum, als Ihr Brückenkopf sagen könnt.“ „Das sind ja wirklich sehr gute Nachrichten.“, meinte Sytania. „Was bin ich doch für eine engstirnige Närrin gewesen?! Ich habe mich immer nur auf das Gebiet der Föderation versteift, um mir dort einen Brückenkopf aufzubauen. Aber die anderen Gebiete habe ich nie in Betracht gezogen. Favorisieren würde ich schon fast das der Klingonen. Sie würden es ja bestimmt als sehr unehrenhaft bezeichnen, auf ein unschuldiges Kind zu schießen, nicht wahr?!“ Sie lachte gemein und hexenartig. „Ganz recht, Hoheit.“, sagte Telzan. „Und ähnlich würden sich auch die Genesianer …“

Er hielt sich den Kopf und machte ein angespanntes Gesicht. „Ist es so weit, Telzan?!“, fragte Sytania wie ein Kind, das es nicht erwarten kann, sein erstes Geschenk am Weihnachtsabend auszupacken. Telzan nickte nur und sagte: „Ich brauche das Kind.“ Der schon lange praktizierende Vendar konnte die Signale seines Körpers und insbesondere die seiner Sifa sehr sicher deuten und wusste, dass das Organ bereits dabei war, die Schleimhaut, in der sich das Energiewesen gehalten hatte, abzubauen. Würde es jetzt nicht in seinen Körper übertreten können, würde sich seine Energie verflüchtigen. Es gab zwar Techniken und und Konzentrationsübungen , mit denen Telzan dies über einen bestimmten Zeitraum herauszögern konnte, aber auch das half nicht ewig.

Cirnach und Malcolm hatten den Raum jetzt ebenfalls durch die schwere Tür betreten. Der Junge grinste, als er Sytania ansichtig wurde. „Hallo, Märchenprinzessin!“, sagte er. Sytania, die mit seiner Äußerung zunächst nicht viel anfangen konnte, sah zuerst ihn und dann Cirnach irritiert an. Dann zischte die Vendar ihr zu: „Bitte, spielt mit, Herrin. Es gehört alles zu meinem Plan.“ „Also gut.“, flüsterte Sytania zurück und stieg sogar von ihrem Thron herab, um Malcolm zu begrüßen, der ihr verschüchtert die Hand gab. „Sei gegrüßt, Malcolm.“, sagte die Königstochter. „Ihr auch, Märchenprinzessin.“, sagte der Junge, der von Telzan und Cirnach die richtige Anredeweise für Sytania gelernt hatte. „Die Tante Cirnach hat gesagt, Ihr könnt mich zu einem großen Zauberer machen, aber dann muss ich erst mal dem Onkel Telzan helfen. Stimmt das?“, fragte Malcolm unbedarft und ungewiss der Dinge, die ihn erwarten würden. „Ja, das stimmt.“, sagte Sytania. „Stimmt es auch, dass ich dann meine Mummy und meinen Daddy wieder zurückzaubern kann?“ „Ja, auch das ist wahr, kleiner Malcolm.“, bestätigte Sytania. „Wo ist denn der Onkel Telzan?“, fragte Malcolm. „Komm mit!“, sagte die Prinzessin und schritt ihm voran in den hinteren Teil des Thronsaals, in dem Telzan am Audienztisch Platz genommen hatte. Seine Kopfschmerzen, die immer stärker wurden, hatten ihn gezwungen, sich zu setzen.

Malcolm verzog traurig und mitleidig das Gesicht. „Oh, armer Onkel Telzan.“, sagte er. „Geht es dir nich’ gut? Die Tante Cirnach hat gesagt, dass nur ich dir helfen kann. Ich muss einfach nur deine Hände nehmen. Stimmt das?“ „Ja, mein Kleiner.“, sagte der Vendar listig. „Das ist die Wahrheit.“ „Dann gib sie mir bitte.“, sagte Malcolm und streckte seine Hände nach Telzans aus. Dieser griff sie und dann wurde es dem kleinen Jungen schwarz vor Augen.

Mit schnellen Schritten war Cirnach ebenfalls zum Ort des Geschehens geeilt und hatte ihren Mann mit dem Erfasser gescannt. Mit Genugtuung hatte sie festgestellt, dass der Übertritt des Wesens wohl komplikationslos ablaufen würde. „So ist es richtig, Telzan.“, flüsterte sie ihrem Mann zu. „Lass los. Lass es übertreten.“

Wenige Sekunden später schlug Malcolm wieder die Augen auf. Aber das zu Anfang fröhlich lächelnde Gesicht des Jungen hatte sich in eines mit einem fiesen Grinsen verwandelt. „Sei gegrüßt, Mutter!“, ließ das Wesen Malcolms Stimme in Richtung Sytania sagen. Dann ging er zu dem Tisch, auf dem der Kontaktkelch stand. Es gab einen schwarzen Blitz und er legte seine Hände auf den Fuß des Kelches, um den Palgeistern telepathisch zu übermitteln: Und auch ihr, meine Väter! Danach kehrte er zu Sytania zurück und drehte sich vor ihr langsam um und um. „Auch ich grüße dich, meine Schöpfung.“, sagte die Prinzessin und besah ihn sich von oben bis unten. „Ich muss sagen, dein neuer Körper passt sehr gut zu dir. Ich nehme an, du hast ihm auch schon ein Telepathiezentrum gegeben?!“ „Natürlich habe ich das!“, sagte das Wesen. „Ich bin bereit, die Aufgaben, die Ihr für mich habt, zu erfüllen.“ „Oh, das wirst du noch früh genug.“, sagte Sytania. „Aber vorher sollten wir noch etwas Grundlegendes klären. Du bist der Einzige, der mich nicht mit Hoheit oder Milady ansprechen muss. Schließlich bist du so etwas wie mein Sohn. Nenn mich doch einfach Mutter und sag du zu mir.“ „Wie du wünschst, Mutter.“, sagte das Wesen. „Und du kannst mich … Em … Ich sollte doch den Namen eines großen Eroberers tragen, findest du nicht?“ „Aber natürlich.“, grinste Sytania. „Dann nennen wir dich doch einfach mal Augustus. Ja, ich finde, dass das sehr gut passt. Schließlich markiert der August in der Zeitrechnung der Terraner das Ende des Sommers, also einer sehr schönen Zeit. Auch du wirst das Ende einer schönen Zeit herbeiführen. Du wirst die Freiheit der Bewohner des Universums beenden. Also für sie auch eine sehr schöne Zeit. Wenn du mit ihnen fertig bist, werden sie alle meine Sklaven sein, wie sie dort sind. Egal, ob Klingone, Cardassianer, oder Föderationsbürger. Sie sind dann alle vor mir gleich. Ein Zustand, von dem die Föderation seit Jahrhunderten träumt. Gleiches Recht für alle.“ „Ja.“, sagte das Wesen mit bissigem Unterton. „Nämlich gar keins!“ Es ließ Malcolms Stimme gemein auflachen. „Du hast es erfasst!“, rief Sytania begeistert aus und klatschte in die Hände. „Ganz die Mama! Nicht wahr, Telzan und Cirnach?“ Die Vendar nickten zustimmend.

Augustus ging um den Tisch herum und setzte sich auf den zweiten Stuhl, der sich gegenüber von Sytanias befand. „Ich finde, Mutter, dass wir die Einzelheiten unseres Plans besprechen sollten.“ „Nun gut.“, sagte Sytania, der durchaus klar war, dass ihre Schöpfung es wohl kaum noch erwarten konnte, seine Aufgabe zu erfüllen. „Ich hatte mir das so gedacht.“, sagte die Königstochter. „Du wirst auf Telzans Schiff mitfliegen, wenn ihr in die Schlacht zieht.“ „Nein, das halte ich nicht für gut, Mutter.“, unterbrach Augustus sie. „Ich hätte viel lieber ein eigenes Schiff. So wäre ich flexibler und könnte leichter auf Situationen reagieren.“ „Hast du denn das Wissen, um ein Veshel zu fliegen?“, fragte Sytania. „Ja, das habe ich, Mutter.“, sagte Augustus. „Der kleine Narr, dem mein Körper gehörte, wollte es ja unbedingt lernen und jetzt wird er sehen, was er davon hat. Er ist ja noch immer hier, aber er hat, wie du siehst, ja nicht mehr die Kontrolle. All das Wissen, das er in den sechs Jahren seines Lebens angesammelt hat, ist jetzt mein! Außerdem kann ich mir ja, wenn ich etwas nicht weiß, einfach nur wünschen, es zu wissen. Jetzt, wo ich so mächtig bin, ist das ja kein Problem.“ „Da hast du allerdings Recht, Augustus.“, sagte Sytania. „Ich sehe, du kannst schon gut mit deinen Fähigkeiten umgehen. Also gut. Du sollst dein eigenes Schiff bekommen! Telzan, sage deinen Technikern, sie sollen das beste Schiff für Augustus vorbereiten, das ihr habt! Na geh schon!“ „Zu Befehl, Hoheit!“, sagte der Vendar zackig und verließ den Raum. Auch Cirnach wollte ihm folgen, aber Sytania hielt sie zurück: „Du bleibst! Jemand von euch sollte hier weiter unserer strategischen Besprechung lauschen, damit du deinen Mann später informieren kannst und ich nicht alles zwei mal erzählen muss. Setz dich zu uns!“

Es gab einen schwarzen Blitz und ein weiterer Stuhl stand vor dem Tisch, auf dem Cirnach Platz nahm. „So.“, sagte Sytania. „Wo waren wir?!“ „Wenn ich behilflich sein darf, Milady.“, diente sich Cirnach an. „Ihr hattet gerade mit Eurem Sohn besprochen, dass er ein eigenes Schiff haben kann.“ „Ach ja.“, sagte Sytania. „Dann hätten wir das ja schon einmal geklärt. Dann können wir uns ja nun in aller Ruhe dem eigentlichen Problem widmen, eurem Angriffsziel. Ich würde sagen, ihr fallt zuerst ins Gebiet der Föderation ein. Dort könnt ihr mir sicher einen passablen Brückenkopf errichten.“ „Tut mir leid, Mutter.“, sagte Augustus selbstbewusst. „Ich habe da nämlich eine andere Idee. Ich finde, wir sollten zuerst Romulus angreifen. Dort sind unsere Chancen viel höher, einen Sieg zu erringen. Auch wenn die gute Sternenflotte im Augenblick selbst nicht viel ausrichten kann, so hat sie doch viele potente Telepathen auf ihrer Seite, die mir, wenn sie sich zusammenschließen würden, schon sehr gefährlich werden könnten. Romulus ist ein viel sichereres Ziel. Die Romulaner sind nur rudimentäre Telepathen. Die haben mir nichts entgegenzusetzen. Aber sie werden, da sie selbst ja auch leichte telepathische Fähigkeiten besitzen, es nicht wagen, Rosannium einzusetzen, denn in dem unbändigen Zustand, in dem es jetzt ist, strahlt es ja überall hin und könnte auch ihnen gefährlich werden. Es dürfte uns doch gleich sein, in welchem Gebiet des Universums wir einen Brückenkopf haben. Mit meiner Hilfe wirst du sie alle sehr leicht besiegen und dann sind wir Herrscher über das Universum, das auch viele Pforten in andere Dimensionen besitzt. Man denke nur einmal an das Bermudadreieck auf Terra.“

Sytania ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Dann sagte sie mit einem gemeinen Grinsen auf den Lippen: „Wie Recht du hast! Ich kurzsichtige Närrin habe mich doch viel zu sehr auf die Föderation versteift. Aber wenn wir mit Romulus anfangen würden, dann kämen wir sozusagen durch die Hintertür. Das dürfte auch die Föderation und ihre Verbündeten überraschen und demoralisieren. Wenn die Romulaner Meilenstein noch hätten, dann wäre die Situation ja ganz anders, aber das ist ja nicht mehr der Fall und politisch isoliert von der Föderation, die ihnen mit Hilfe ihrer starken Verbündeten zur Hilfe kommen könnte, sind sie auch! Oh, Augustus, was du doch schon für ein großes taktisches Denken beweist! Ich werde deinen Vorschlag annehmen! So und nun geh hin und schau dir das Schiff an, das für dich bereitgestellt wird. Lasse mich wissen, ob du damit zufrieden bist. Cirnach, führe ihn hin!“ „Wie Ihr wünscht, Milady.“, sagte die Vendar und drehte sich Augustus zu: „Bitte folgt mir, junger Lord.“ Das Wesen ließ Malcolm nicken. Dann sagte es noch einmal in Sytanias Richtung gewandt: „Ich werde dich sicher nicht enttäuschen, Mutter.“ Dann stellte es sich die geistige Prägung der Palgeister vor und übermittelte ihnen Telepathisch: Und auch euch nicht, meine Väter! Dann verließ er mit Cirnach den Thronsaal.

Sytania ging zu dem Tisch hinüber, auf dem der Kontaktkelch stand, denn sie hatte das Gefühl, Ihre Ehemänner wollten ihr etwas sagen. Damit lag sie auch gar nicht so falsch, denn kaum hatte sie ihre Hände auf den Fuß gelegt, nahm bereits einer Kontakt zu ihr auf und meinte: Du siehst, Gemahlin, wie klug unser Sohn geworden ist. Das sehe ich.“, gab Sytania zu. Dieses strategische Denken hat er eindeutig von euch geerbt. Da sind wir ganz deiner Meinung., stimmten die Palgeister zu.

Mikel stand an der Straße vor dem Haus von D/4. Er hatte geplant, die Sonde in seine Pläne mit einzubeziehen, denn unter Umständen konnte es notwendig werden, dass sie von jemandem geschützt werden mussten. Das System hätte sicher die notwendigen Mittel dazu. Mikel würde warten, bis die Sonde, wie immer um diese Uhrzeit, mit ihrem Fahrzeug aus der Ausfahrt kam. Dann würde er, wie es sonst eigentlich nicht seine Art war, einfach auf die Straße gehen und sie sozusagen abfangen. Dass der Leitwürfel, der hätte verhindern können, dass es zu einem Unfall käme, außer Betrieb war, wusste Mikel aus der Tageszeitung, in der so etwas von den Behörden immer bekannt gegeben wurde. Normalerweise hätte er nur drei Meter weiter gehen müssen und dem nächsten Würfel sagen können, dass er die Straße überqueren wollte, aber gerade das wollte er nicht. Er wollte vielmehr darauf warten, dass D/4 auf ihn aufmerksam wurde. Dass sie ihn nicht überfahren würde, dachte sich Mikel, denn ihre Reflexe waren viel besser, als die jedes biologischen Wesens, das er kannte.

Zur Ausführung seines Plans sollte es aber gar nicht kommen, denn der blinde Mann wurde plötzlich durch ein Geräusch aufgeschreckt. Jemand benutzte genau so einen Taststab, wie auch er ihn hatte. Da ich tot war und er niemanden sonst kannte, der dies tun würde, kam nur einer in Frage, sein böses Ich! Kampfbereit drehte sich Mikel in die Richtung, aus der er das Geräusch gehört hatte. Er wusste, wenn sein böses Ich hierher käme, dann sicher nicht, um gemütlich mit ihm zu plaudern! „Ich bin hier!“, rief er ihm entschlossen entgegen. „Komm her, wenn du dich traust! Lass uns die Sache wie zwei richtige Kerle austragen!“

Eine Weile lang geschah nichts. Die Spannung in der Luft konnte man förmlich mit Händen greifen. Es war still. ganz still. Dann spürte Mikel plötzlich einen starken Griff um seine Schultern und seinen Hals und wie jemand versuchte, ihn zu Boden zu reißen. Er reagierte, indem er sich die kleinen Finger seines Gegners schnappte und sie nach geradeaus bog. Über den Schmerz überrascht ließ sein böses Ich zunächst von ihm ab. „Na, damit hast du nicht gerechnet, was?!“, stieß der positive Mikel hervor. „Oh, doch!“, erfolgte die Antwort seines bösen Ich. „Zumindest weiß ich jetzt, wem wir zu verdanken haben, dass wir euch nicht schon längst vollständig vernichten konnten! Du wirst den anderen sicher geholfen haben. Aber aufgehoben ist ja nicht aufgeschoben!“ Es erfolgte ein neuer Angriff. Mikel aber war vorbereitet. Er ahnte bereits, dass sich die Angriffe seines Gegners wohl auf seinen Hals konzentrieren würden, denn er wusste, dass dessen erklärtes Ziel war, ihn zu töten! Schnell wie eine Katze war er mit seinen Ellbogen an denen des negativen Mikel und wischte sie auseinander. Dies verhinderte, dass dessen Hände seinen Hals überhaupt erreichen konnten. „Du kämpfst mit viel Geschick!“, musste der böse Mikel zugeben. „Aber viel wird dir das nicht nützen! Du bist schwächer, als ich es bin!“ „Wovon träumst du nachts, he?!“, entgegnete der gute Mikel selbstbewusst.

Auf dem Weg zu ihrer Garage hatte D/4 aus dem Augenwinkel den Ringkampf der beiden Männer beobachtet. Sofort drehte sie sich dem Geschehen zu, konnte aber nicht wirklich ausmachen, welcher von beiden Kämpfern wer war. Da sich die Beiden inzwischen in ein auch für sie undurchsichtiges Knäuel von Leibern verwandelt hatten, wusste sie nicht, wem sie gegebenenfalls helfen sollte. Durch diesen Umstand war es für sie auch unmöglich geworden, ihre Biozeichen zu trennen. Sie beschloss Online zu gehen und im System nachzufragen, ob sich über eine solche Situation Daten finden ließen, die ihr bei ihrer Entscheidung behilflich sein konnten. Tatsächlich meldete sich dann auch bald A/1 bei ihr, der die einzige Sonde war, die auf alles und alle Zugriff nehmen konnte: „D/4, es sind leider keine Daten über das von dir beobachtete Phänomen im System vorhanden. Somit gibt es auch keine Verhaltensregeln. Du musst allein entscheiden. Operiere nach deinem eigenen Gutdünken, aber lass uns an deiner Mission teilhaben. Schalte deine Systeme für uns frei, damit wir hören und sehen können, was du hörst, siehst, denkst und tust.“ „Verstanden.“, gab die Sonde über die Verbindung zurück. Sie blieb Online und führte alles aus, was ihr A/1 aufgetragen hatte. Vielleicht würde eine andere Sonde, wenn sie ihren Gedankengängen lauschte, ihr assistieren können.

Mikel und Mikel kämpften immer noch miteinander. Jetzt aber waren sie damit beschäftigt, sich gegenseitig mit Fußtritten zu traktieren. Ihre Taststäbe hatten beide verloren. D/4 hob sie auf und nahm sie in Verwahrung, denn sie dachte sich, dass sich beide unter Umständen bei der richtigen Anwendung damit doch stark verletzen könnten. Da beide eine Ausbildung im Nahkampf hatten, hielt sie das durchaus für wahrscheinlich. Die Nahkampfausbildung der Sternenflotte hatte schließlich Elemente aus allen Kulturen in sich aufgenommen. Auch Elemente aus Stockkämpfen. Wenn der böse Mikel den Guten verletzen würde, wäre das sicher nicht gut. Sie sah, dass beide gleich stark waren. Der Kampf konnte also noch ewig dauern, wenn ihr nichts einfiel, um ihn zu beenden. Aber wie sollte ihr das gelingen? Ihre einzige Option war die Logik. Wenn Ablehnung zur Trennung geführt hatte, dann würde Akzeptanz vielleicht wieder zur Vereinigung der beiden Mikels führen. „Agent Mikel!“, rief sie dem guten Mikel zu. „Akzeptieren Sie ihn! Sie müssen Ihr böses Ich wieder als einen Teil von sich akzeptieren! Das ist die einzige Möglichkeit! Glauben Sie mir!“

Es war dem guten Mikel gelungen, sich für einen Moment aus dem Schwitzkasten seines Gegners zu lösen. Dann holte er tief Luft, um die Gelegenheit zu nutzen, auszuführen, was sie ihm soeben gesagt hatte. „Ich akzeptiere dich!“, sagte Mikel. „Ich akzeptiere dich aus vollem Herzen, mein böses Ich!“ Dann wurden beide ohnmächtig.

Die Sonde beobachtete, wie alsbald der böse Mikel immer durchsichtiger und durchsichtiger wurde. Dann fiel er buchstäblich in den guten Mikel hinein. Es sah von ihrer Warte aus, als würde er eingesaugt werden. Auch die beiden Taststäbe verschmolzen miteinander, so dass nur noch einer übrig blieb. Sie beobachtete dies genau und übermittelte alle Daten ans System. Dann stand nur noch ein Mikel vor ihr, der sich in ihre Richtung drehte und im Begriff war, sich ihr zu nähern. „Verbleiben Sie an Ihrer Position!“, sagte D/4 und schritt ihrerseits auf Mikel zu. Dann übergab sie ihm seinen Taststab. „Danke, D/4.“, sagte der schweißnasse und noch immer vor Anstrengung zitternde Mikel. Sie ging zunächst über sein Dankeschön hinweg und nahm ihn in einen medizinisch korrekten Griff, um ihn zu stützen. Dann führte sie ihn zu einer Bank in ihrem Garten. „Sie dürften Verwirrung und Irritation empfinden.“, sagte die Sonde. „Ich werde Sie examinieren.“ „OK.“, sagte Mikel erschöpft. „Aber es geht mir eigentlich gut. Nur ein wenig Ohrensausen und etwas Schwindel.“

D/4 begann mit ihrer Untersuchung. Dann sagte sie: „Ihre Einschätzung ist korrekt. Sie scheinen sich wieder bester Gesundheit zu erfreuen.“ „Vielen Dank.“, sagte Mikel. „Aber ich muss Sie über einen Plan informieren, den ich gefasst habe. Wir sollten aber auch der Granger übermitteln, was hier gerade passiert ist. Haben Sie zufällig ein Sprechgerät?“ Die Sonde, die durchaus wusste, dass seine Frage rein rhetorischer Natur war, erwiderte nur: „Folgen Sie mir bitte in mein Haus.“ Mikel nickte und ließ sich bereitwillig von ihr mitnehmen.

Ribanna war überrascht, Mikels Stimme aus einem Sprechgerät zu vernehmen, dessen Rufzeichen ihr völlig unbekannt war. „Wo sind Sie, Sir?“, fragte der junge indianische Allrounder vom Stamm der Apachen erstaunt. „Geht es Ihnen gut?“ Ihr musste sein verschwitztes Äußeres aufgefallen sein. „Ja, es geht mir gut, Allrounder.“, sagte Mikel zuversichtlich und gleichzeitig im Bestreben, sie, die seiner Ansicht nach mit der Situation sehr überfordert war, zu beruhigen. „Ich habe nur gerade mit meinem bösen Ich einen kleinen Ringkampf gehabt. Aber D/4 hier, deren Sprechgerät ich auch gerade benutze, hat mir ermöglicht, ihn zu besiegen. Kommen Sie, Ribanna, wir machen das jetzt zusammen. Denken Sie an ihr böses Ich und akzeptieren Sie sie. Sie müssen es laut aussprechen. Wenn wir das getan haben, dann verbinden Sie mich mit Commander Kissara. Ich werde auch ihr sagen müssen, was wir herausgefunden haben. Aber ich möchte, dass Sie der lebende Beweis für sie sind. Also los!“

Sie dachte zaghaft über das nach, was ihr Vorgesetzter ihr soeben berichtet hatte. Aber sie konnte sich schlussendlich doch nicht entschließen, seinem Befehl zu folgen. „Ich traue mich nicht, Sir.“, sagte sie mit ängstlicher Betonung in der Stimme. „Was ist, wenn nicht ich, sondern sie die Oberhand behält? Was ist, wenn …“

Mikel, der ihre Einwände durchaus verstehen konnte, drehte sich D/4 zu. „Ist es möglich, die Eindrücke, die Sie bei meiner Vereinigung mit meinem bösen Ich gewonnen haben, an das Sprechgerät der Granger zu übertragen?“ „Selbstverständlich ist das möglich, Agent.“, antwortete die Sonde und zog ihr Antennenset aus ihrer Tasche hervor, das sie an ihr Sprechgerät anschloss und es mit ihrem internen Sprechgerät rief. Somit war zwischen ihr und dem Sprechgerät ihres Hauses eine Datenverbindung entstanden, über die sie dann die von Agent Mikel genannten Daten an die Granger überspielte. Dann sagte Mikel: „Ribanna, da ist ein Datenpaket, das Sie sich ansehen sollten. Vielleicht kann Ihre Angst somit zerstreut werden.“ „Ich werde es mir ansehen, Agent.“, erwiderte die junge Indianerin und beendete zunächst die Verbindung. Sie würde das Rufzeichen erneut rufen, wenn sie sich entschlossen hätte.

Mikel hatte sich abwartend in dem Sessel, den ihm die Sonde hingeschoben hatte, zurückgelehnt. „War das Ihr Plan, über den Sie so dringend mit mir reden wollten?“, erkundigte sich die Xylianerin. „Nein, D/4.“, sagte Mikel. „Das war er nicht. Das, über das ich mit Ihnen reden muss, ist etwas komplizierter. Aber ich denke, wir werden Zeit haben. Ribanna ist keine Freundin schneller Entschlüsse, wenn es darum geht, Risiken einzugehen und das hier, was ich von ihr will, ist fürwahr nicht ganz risikolos. Sie wägt vorher genau ab, was die Konsequenzen sein würden. Eine Eigenschaft, die ich ihr sehr zugute halte. Dadurch fällt man zumindest nicht so oft auf die Nase, wie ich es schon getan habe. Aber der Nervenkitzel und dessen Verlockungen sind manchmal einfach zu mächtig.“ „Möchten Sie mir etwas gestehen, Agent?“, fragte die Sonde ruhig, die sein Gesicht die gesamte Zeit über unter Beobachtung hatte. Die kleine Hautfalte über seiner Oberlippe, die sich verräterisch kraus gezogen hatte, war ihr nicht entgangen. „Ja, das muss ich wohl.“, sagte Mikel. „Mir war bekannt, dass der Leitwürfel vor Ihrem Haus außer Betrieb ist. Aber gerade diesen wollte ich benutzen, um die Straße zu überqueren und zwar in genau dem Moment, in dem Sie aus der Auffahrt gefahren wären. Dadurch hätte ich auf mich aufmerksam machen wollen und zwar so, dass es kein anderer durchschaut hätte. Ihre Sensoren sind besser als biologische Augen. Ihre Reflexe sind …“

Sie stand von ihrem Platz auf und packte Mikel im Nacken, was ihr ermöglichte, seinen gesamten Oberkörper in ihre Richtung zu drehen. Somit war er gezwungen, sie anzusehen, wenn er denn gekonnt hätte. Dann schrie sie ihn an: „Auch ich kann auf unberechenbare Situationen nicht immer sofort reagieren! Mein Fahrzeug hätte Sie trotzdem schwer verletzen können! Obwohl Sie mir gerade gesagt haben, dass dies ein geheimer Weg war, meine Assistenz anzufordern, war Ihr Verhalten töricht! Seien Sie froh, dass Ihr böses Ich Ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat!“ Sie ließ ihn los, um ihm eine Gelegenheit zum Antworten zu geben. „Es tut mir leid.“, sagte Mikel geknickt. „Ihre Entschuldigung ist akzeptiert.“, sagte die Sonde ruhig. „Aber ich nehme an, das war nicht das Einzige, das Sie planen, Agent, nicht wahr?“ „Sie haben Recht.“, meinte der Agent und rückte näher zu ihr. „In Wahrheit plane ich, Betsy zurück ins Leben zu holen.“

Die Sonde sah ihn fasziniert an. „Was meinen Sie damit?“, fragte sie. „Bitte definieren Sie genauer.“ „Das können Sie haben.“, sagte Mikel. „Ich meine damit, dass ich meinen Körper verlassen werde und ihr ins Reich der Toten folgen werde, um sie dann zu uns zurückzuführen.“ „Müsste dazu nicht ihre Silberschnur intakt sein?“, erkundigte sich die Sonde skeptisch. „Warum denn?!“, sagte der terranische Agent. „Wir haben doch meine.“

D/4 setzte einen skeptischen Blick auf, vermied es aber, Mikel darüber zu informieren. Sie dachte sich, dass sein Plan in dieser Art scheitern würde, wollte ihn aber diese Erfahrung selbst machen lassen. Sie ahnte, dass es ohnehin zwecklos sein würde, zu versuchen, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Dazu hatte sie viel zu lange mit Bioeinheiten und speziell mit dieser Einheit, zusammengelebt. Deshalb sagte sie: „Verstanden. Mein Zweck bei Ihrer Mission ist mir bekannt. Sie wollen sicher, dass ich Sie körperlich überwache.“ „Das ist korrekt, um mal Ihren Wortlaut zu benutzen.“, sagte Mikel. „Aber Ihr Zweck bei meiner Mission dürfte noch ein anderer sein. Könnte das System für unseren Schutz garantieren? Ich meine, Sytania oder die böse Sternenflotte würden uns das sicher nicht so einfach machen lassen und hier auf der Erde ist es mir zu gefährlich. Hier sind zu viele Zivilisten im Weg, die prima Geiseln oder Druckmittel für Sytania abgeben würden.“ „Ihre Sorge ist verständlich.“, sagte die Sonde. „Ich werde mit A/1 darüber sprechen. Aber um in den Systemraum zu kommen, benötigen wir auch eine Person mit einem Schiff, die mutig genug ist, sich auf Ihren Plan einzulassen.“ „So jemanden habe ich mir schon ausgeguckt.“, sagte Mikel. „Und ich bin überzeugt, dass sie mitmachen wird. Sie ist keine Person, die das Abenteuer scheut. Nein, sie sucht es noch viel eher. Da steht sie Tom Paris in nichts nach.“ „Eine weibliche Person, die das Abenteuer sucht, ein eigenes Schiff besitzt und Tom Paris in Sachen Mut und fliegerischem Können in nichts nachsteht.“, fasste D/4 Mikels Beschreibung zusammen. „Mir fällt da nur eine Person ein, auf die diese von Ihnen definierten Parameter zutreffen. Sie heißt Tchey Neran-Jelquist, nicht wahr?“ Mikel nickte. „Ich bin sicher, wir werden sie überzeugen können.“, sagte die Sonde. „Wir haben unsere freie Woche und dabei fällt ihr, nach eigenen Angaben, ohnehin immer die Decke auf den Kopf. Gegen so ein bisschen Nervenkitzel hätte sie sicher nichts einzuwenden.“

Das Sprechgerät machte ihrer Unterhaltung ein jähes Ende. Am anderen Ende der Verbindung war Ribanna. „Sir.“, sagte sie an Mikel gewandt. „Ich denke, ich traue mich jetzt doch. Aber bitte sagen Sie mir, dass Sie die ganze Zeit bei mir sind.“ „Wenn Sie gesagt haben, dass Sie sie akzeptieren.“, sagte Mikel. „Dann lassen Sie sofort den Sendeknopf los. Dann habe ich Gelegenheit, verbal Ihre Hand zu halten. Ich werde die ganze Zeit mit Ihnen reden, auch wenn Sie mich vielleicht nicht hören können, weil Sie ohnmächtig sind. Aber es ist die Geste, die zählt.“ „Also gut.“, sagte Ribanna. „Dann tue ich es jetzt. Also: Ich akzeptiere dich, mein böses Ich! Ich akzeptiere dich aus vollem Herzen und aus freiem Willen!“

An Ribannas Bild auf dem Schirm konnte D/4 sehen, dass es ihr nicht gut ging, denn ihr Gesicht wurde sehr blass. Dann ließ sie den Sendeknopf los, wie Mikel es ihr geraten hatte. Gleichzeitig machte eine Störung eine weitere Kommunikation zwischen dem Rufzeichen der Sonde und dem der Granger unmöglich, denn das Energiephänomen, das sich dem Schiff näherte, war daran schuld. Bei dem Phänomen handelte es sich um die böse Ribanna, die jetzt von ihrem guten Ich angezogen und dann in sie hinein gezogen wurde. „Das mit dem verbalen Halten ihrer Hand kann ich wohl vergessen.“, stellte Mikel fest. „Das ist korrekt.“, analysierte D/4, die sich den Sendebericht ihres Sprechgerätes geben lassen hatte.

Wenige Sekunden danach erwachte Ribanna an ihrem Platz. Jemand mit einem Erfasser hatte sich über sie gebeugt. Sofort erkannte sie das katzenartige Gesicht ihres Commanders. Sie wollte sich aufrichten, um zu salutieren, aber Kissara hielt sie mit einer ihrer weichen pfotenartigen Hände zurück. „Langsam, Ribanna.“, schnurrte sie. „Was Sie gerade durchgemacht haben, ist ganz schön kräftezehrend, wenn ich diesen Bildern hier glauben kann und das kann ich wohl. Computer lügen nicht. Aber diese Bilder sind sehr aufschlussreich und ich denke, ich weiß jetzt, wie wir das Antiuniversum vernichten können und uns alle wieder herstellen können.“

Sie ging zu ihrem Platz. Dann sagte sie: „Computer, die bei Zeitindex 2035,1910.1450 entstandenen Bilder als Hintergrund einer SITCH-Mail formatieren und auf allen Frequenzen mit der von mir diktierten Nachricht an alle Rufzeichen in Reichweite senden!“ „Befehl wird ausgeführt.“, sagte der Schiffsrechner. „Bitte diktieren Sie Ihre Nachricht.“ „Ich bin Commander Kissara von der USS Granger.“, begann diese. „Was Sie hier sehen, Ladies und Gentlemen, ist der einzige Weg, Ihre Persönlichkeit wieder herzustellen. Sie alle müssen Ihre bösen Seiten genau so wie Ihre guten Seiten akzeptieren! Gut und böse brauchen einander! Sonst können sie nicht existieren. Wer also nicht will, dass Sytania mit ihrem Plan durchkommt, uns alle vollständig zu vernichten, folgt bitte meinem Aufruf! Diktat Ende, Computer.“ „Ihre Nachricht wird gesendet.“, sagte der Rechner. Kissara warf dem Schirm einen zufriedenen Blick zu.

Ribanna hatte sich mittlerweile wieder so weit erholt, dass sie Kissaras Befehlen an den Rechner lauschen konnte. Als ausgebildete Kommunikationsoffizierin wusste sie genau um deren Konsequenzen. „Sie haben ihm befohlen, Ihre Nachricht auf allen Frequenzen und an alle Rufzeichen in Reichweite zu schicken.“, sagte sie. „Das schließt doch auch Unterhaltungsmedien mit ein.“ „Natürlich tut es das, Ribanna.“, sagte Kissara abfällig. „Aber ich finde, die Unterbrechung der Lieblingsseifenoper ist ein akzeptabler Preis für die Wiederherstellung der eigenen Persönlichkeit, nicht wahr?“ Die SITCH-Offizierin und Raumschiffpilotin nickte. „Na sehen Sie.“, meinte Kissara. „Und wenn Sie das schaffen, dann geben Sie mir jetzt bitte Agent Mikel unter dem fremden Rufzeichen.“ „Aye, Commander.“, sagte Ribanna pflichtbewusst und führte ihren Befehl aus.

Mikel war überrascht, so schnell wieder etwas von Ribanna zu hören. „Der Commander möchte Sie sprechen, Sir.“, sagte sie. „Dann immer her mit ihr, Ribanna.“, sagte Mikel lächelnd. „Übrigens, wissen Sie eigentlich, dass Sie das mit der Wiedervereinigung ganz allein hingekriegt haben?“ „Das weiß ich jetzt auch, Sir.“, sagte Ribanna mit etwas Stolz auf die eigene Leistung und den eigenen Mut in der Stimme. „Es war Ihnen ja technisch nicht möglich, mir zu helfen.“ „Das stimmt.“, sagte Mikel. „Und das dachte ich mir auch schon. Aber wenn ich es Ihnen gesagt hätte, hätten Sie sich nicht getraut, wie ich Sie kenne.“ „Sie können meine Persönlichkeit sehr gut einschätzen, Agent.“, sagte der junge Allrounder und ging aus der Leitung, um Kissara und Mikel ein Gespräch zu ermöglichen. „Da haben Sie aber eine interessante Entdeckung gemacht, Mikel!“, lobte die Kommandantin ihren ersten Offizier. „Danke für die Blumen, Kissara.“, sagte Mikel. „Aber ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken. Eigentlich gebührt der Dank D/4! Sie hat mich erst darauf aufmerksam gemacht, dass es nur so geht.“ „Oh, Sytania wird diese neue Entwicklung gar nicht gefallen, Agent.“, sagte Kissara und grinste so sehr, dass die Eckzähne ihres Raubtiergebisses zum Vorschein kamen. „Da kann ich nur zustimmen, Kissara.“, grinste auch Mikel. „Aber es kommt noch viel besser.“

Er machte eine dramatische Pause, in die sie einhakte: „Was soll das denn noch toppen, Mikel?!“ „Ich kann Betsy zurückholen, Kissara!“, sagte Mikel fest. „Aber dazu müssen Sie mir noch einmal freie Hand lassen. Bitte, Kissara, vertrauen Sie mir!“ „Das tue ich.“, sagte die thundarianische Kommandantin. „Deshalb haben Sie auch für diese Mission freie Hand!“ Sie beendete das Gespräch, ohne Mikel weitere Fragen zu stellen. Dieser hängte das Mikrofon ein und wandte sich dann an die Sonde: „Bringen Sie mich jetzt bitte zu Tchey.“ „Sicher.“, erwiderte D/4 und beide gingen aus dem Haus in die Garage zum Fahrzeug der Sonde, um dann zum Grundstück der gerade genannten Person zu fahren.

Kapitel 53: Ein Etappensieg

von Visitor

 

Cirnach hatte Sytania in ihrem Thronsaal gefunden und sofort ihren Mann verständigt. Gemeinsam hatte man die krampfende Königstochter von ihrem Thron auf den Boden gehoben, da die beiden Vendar befürchteten, dass sie sich in ihrer geschwächten Situation bei einem Sturz aus großer Höhe vielleicht doch etwas hätte tun können. Das, was auch immer gerade mit ihr geschah, musste so sehr an ihren geistigen Fähigkeiten nagen, dass sie sehr schwach waren. „Was ist nur mit ihr passiert, Cirnach?“, fragte Telzan seine Ehefrau. „Hast du irgendetwas gesehen?“ „Es tut mir leid.“, erwiderte Cirnach. „Gesehen habe ich leider nichts. Ich habe sie auch gerade so gefunden. Ich dachte, du würdest mir das vielleicht beantworten können.“ „Gleich kann ich das sicher auch!“, sagte Telzan zuversichtlich und zog einen Erfasser. Dann bat er sie: „Bitte geh ein Stück an die Seite.“

Cirnach folgte seiner Aufforderung. Dann sah sie zu, wie sich ihr Mann genau vor Sytania stellte und sie mit seinem Erfasser zu scannen begann. „Es sieht aus, als sei sie das Opfer einer massiven Energieverlagerung geworden.“, sagte der Vendar. „Eine Energieverlagerung?“, fragte Cirnach. „Das tritt doch nur dann auf, wenn jemand einen Bann bricht, den sie verhängt hat. Aber was könnte so massiv …“ „Denk nach, Cirnach!“, fiel ihr Telzan ins Wort. „Es gibt einen Bann, der sehr groß ist und den sie über sehr viele Leute verhängt hat. Wenn der gebrochen wird, dann …“ „Das Antiuniversum!“, fiel es Cirnach wie Schuppen von den Augen. „Aber wer sollte in der Lage sein …“ „Hast du dein Sprechgerät dabei?“, fragte Telzan. Seine Frau nickte. „Dann nimm es und lass es die Frequenzen der Föderation absuchen. Ich habe da so einen Verdacht.“ Wieder nickte Cirnach und führte aus, worum ihr Mann sie gerade gebeten hatte. Nun hörte auch sie die Nachricht, die vom Sprechgerät der Granger in regelmäßigen Abständen von 10 Minuten gesendet wurde. „Kissara!“, sagte sie mit hasserfülltem Blick. „Wenn ich die in die Finger kriege!“ „Um Kissara können wir uns später kümmern.“, beruhigte sie Telzan und erinnerte sie auch gleichzeitig an die Pflicht gegenüber Sytania. „Jetzt müssen wir erst mal einen Weg finden, unserer Herrin zu helfen.“ „Sie wird die Energieverlagerung nicht überleben, wenn ihre Fähigkeiten nicht gedrosselt werden.“, sagte Cirnach. „Das weiß ich auch.“, sagte Telzan. „Und es gibt nur einen Weg, das zu tun.“

Er zog seinen Phaser, steckte die Fokussionslinse mit Rosannium auf und begann auf die Stirn seiner Gebieterin zu zielen. „Was tust du denn da, Telzan?!“, fragte Cirnach erschrocken. „Ich muss das tun, Cirnach.“, sagte Telzan mit sehr viel Konzentration in der Stimme, denn er war gerade dabei, die passende Dosis Rosannium zu berechnen. Dazu hatte er die Daten seines Erfassers zugrunde gelegt. „Wenn ich es nicht tue, wird sie sterben! Und jetzt stör mich nicht länger. Wenn ich einen Rechenfehler mache, wird das Ergebnis das Gleiche sein!“ „Also gut.“, sagte Cirnach. „Ich vertraue dir.“

Die Zeit, bis er endlich feuerte, schien für Cirnach sehr langsam zu vergehen. Was eigentlich nur wenige Minuten dauerte, waren für sie fast Stunden. Endlich hörte sie jenes erlösende Geräusch. Dann schlug Sytania die Augen auf. „Was ist geschehen, Telzan?!“, fragte die imperianische Prinzessin mit geschwächter Stimme. „Commander Kissara hat Euren Bann über das Universum der Föderation gebrochen, Milady, wie es aussieht.“, informierte Telzan sie ohne Umschweife. „Woher weißt du das?“, fragte Sytania.

Telzan sah Cirnach auffordernd an. Die Vendar holte erneut ihr Sprechgerät aus der Tasche und hielt es Sytania vor die Augen. „Es dauert noch etwa 20 Sekunden.“, erklärte die Vendar. „Dann werdet Ihr hören und sehen, was wir meinen.“ „Da bin ich aber gespannt.“, sagte Sytania und wartete ab.

Tatsächlich dauerte es nicht lange und Kissaras Nachricht wurde erneut gesendet. „Diese verdammte kleine miese thundarianische Kröte!“, rief Sytania aus. „Ich werde sie höchst persönlich vernichten!“

Sie versuchte, ihre Fähigkeiten einzusetzen, aber da Telzan mit Rosannium auf sie geschossen hatte, kam sie damit nicht sehr weit. „Was ist das?!“, fragte sie mit großer Empörung in der Stimme. „Es tut mir leid, Herrin.“, sagte Telzan. „Aber ich musste mit Rosannium auf Euch schießen, um Euch das Leben zu retten. Wir werden uns bei Zeiten um Kissara kümmern. Aber jetzt solltet Ihr erst einmal wieder zu Kräften kommen. Ich habe außerdem gute Nachrichten für Euch. Mir wurde gemeldet, dass Augustus und unsere Leute bereits ins Universum der Romulaner eingefallen sind. Die Schiffe sind auf dem Weg nach Romulus. Dort wird ihnen keiner etwas entgegenzusetzen haben. Ich denke, sie werden den Planeten leicht nehmen.“ „Aber was ist mit den Klingonen?“, wollte Sytania wissen. „Die werden den Romulanern nicht helfen!“, versicherte Telzan. „Erst einmal sind sie mit den Romulanern verfeindet und zum Zweiten wird ihnen ihre Ehre verbieten, auf ein Kind zu schießen. Das bedeutet, selbst wenn sie den Romulanern helfen wollen würden, weil sie aus irgendeinem Grund doch kapieren, dass Ihr Eure Finger im Spiel habt, werden sie spätestens dann Halt machen, wenn sie Augustus’ unschuldiges Gesicht auf dem Schirm sehen.“ „Das ist die beste Nachricht seit langem.“, sagte Sytania und gab einen erleichterten Seufzer von sich. „Ich hatte schon gedacht, es sei alles verloren, jetzt, wo das Antiuniversum auseinander fällt.“ „Oh, es wird nicht ganz auseinander fallen, Hoheit.“, mischte sich Cirnach ins Gespräch. „Antivulkan wird Euch bleiben. Das bedeutet, sollte Augustus etwas passieren, hat er dort immer noch einen Zufluchtsort und Ihr eine Operationsbasis mit Reserve.“ „Wieso sollte mir Antivulkan bleiben?“, fragte Sytania. „Weil sich garantiert kein Vulkanier seine emotionale Seite zurückwünschen wird.“, grinste die Vendar dreckig zurück. „Für sie muss das doch der größte Traum sein, wie es jetzt ist.“ „Du hast Recht.“, lachte Sytania. „Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Oh, ihr zwei versteht es wahrlich, Eure Herrin aufzuheitern!“

Sie stand auf, aber im gleichen Moment drohte sie auch schon wieder hinzufallen, so dass Telzan sie auffangen und stützen musste. „Ihr solltet in Euer Gemach gehen, Hoheit.“, schlug der Vendar vor. „Eine Mütze voll Schlaf sollte Euch helfen, Euch von der Rosannium-Dosis zu erholen, die ich gezwungen war, Euch zu verpassen. Dann werdet Ihr auch Eure Fähigkeiten zurückerlangen.“ „Wohlan denn.“, sagte Sytania und ließ sich von Telzan und Cirnach bereitwillig in ihre Gemächer führen.

Es war früher Vormittag, als D/4 und Mikel sich von der Rückseite dem Grundstück der Neran-Jelquists näherten. Die Sonde parkte das Fahrzeug auf dem Grünstreifen und hieß den blinden Agenten dann, ihr zu folgen. Sie hatte Tchey längst erspäht, die mit der Fernsteuerung des bekannten Spielzeugraumschiffes in der Hand an einem Freigehege stand, in dem sich Yara befand. Das Tierheim von Little Federation hatte der Vermittlung der demetanischen Wollkatze an die Neran-Jelquists dann schlussendlich doch zugestimmt, was sicher auch der Einmischung von Mr. Tymoron zu verdanken war.

Tchey ließ das Schiffchen über dem Gehege fliegen und schleifen drehen. Die Dose mit dem Futterbrocken für Yara hing darunter. Sie hatte einige kleine Hindernisse im Gehege aufgebaut, über die Yara springen oder klettern musste, um hinter der Beute bleiben zu können. „Ja! Feine Maus!“, motivierte Tchey sie und ließ das Schiff sinken. „Aber in den schlauen Dateien von Mr. Tymoron steht auch, dass man auch mal das Kätzchen gewinnen lassen soll!“

Sie wartete grinsend ab, bis Yara mit der Pfote eventuell in Reichweite der Dose kommen konnte und stellte dann den Schub vollständig auf null. Das hatte zur Folge, dass das Schiffchen beinahe senkrecht wie ein Stein vom Himmel fiel. Yara aber machte keine Anstalten, nach der Beute zu schlagen, obwohl Tchey sie ihr so offensichtlich anbot.

Jene Situation war auch Mikels feinen Ohren nicht verborgen geblieben. Der Agent hatte das plötzliche Aussetzen des Antriebs des Schiffchens auch mitbekommen und konnte sich sehr wohl denken, was passieren würde, wenn Tchey es nicht sofort abfing. Das Abschmieren des Schiffchens könnte sehr stark an ihrer Fliegerehre kratzen. Er fragte sich, ob Yara das eventuell ahnte und ihr neues Frauchen mal so richtig vorführen wollte, aber diesen Gedanken verwarf er sofort wieder. Yara war ein Tier! Ein Wesen, dem man so eine geistige Leistung im Allgemeinen nicht zutraute. Er beschloss aber dann trotzdem doch, Tchey, die das Geschehen anscheinend noch nicht wirklich erfasst hatte, aufmerksam zu machen. Dazu löste er sich vom Arm der Sonde, die ihn bis dahin geführt hatte und ging schnellen Schrittes auf Tchey zu. Dabei rief er immer wieder: „Abfangen, Tchey! Mach schon! Starte sie endlich durch, sonst stürzt sie gleich ab! Du willst dir doch wohl nicht ernsthaft nachsagen lassen, dass so eine Spitzenpilotin wie du es noch nicht mal fertig bringt, ein Spielzeugraumschiff zu steuern! Fang sie ab, verdammt! Fang sie endlich ab!“

Erst jetzt schien Tchey zu registrieren, was in ihrer unmittelbaren Umgebung geschah. Erst jetzt sah sie, wie nah das Schiff dem Boden bereits war. Sofort schob sie den Regler für den Schub nach Vorn und zog den Joystick für die Höhe in ihre Richtung. Dabei zischte sie: „Komm schon!“

Der Antrieb des Schiffchens heulte auf und es stieg steil nach oben, um gleich darauf von Tchey in einer großen ruhigen Steuerbewegung am Trudeln gehindert zu werden. Jetzt lag es wieder gerade wie ein Brett in der Luft. Sie ließ es wenden und zu sich fliegen. Über einen Spezialknopf, den Lasse extra in die Fernsteuerung eingebaut hatte, klinkte sie die Dose aus und ließ sie vor sich hinfallen. Dann landete sie auch das Schiffchen sanft vor sich auf dem Rasen, um es aufzunehmen und es samt Dose und Fernsteuerung in einer mitgebrachten Tasche zu verstauen. Mit bedientem Gesicht drehte sie sich dann Yara zu und zischte: „Du hast die Datei auch gelesen, he?!“ Dann grinste sie die immer noch erwartungsvoll vor ihr sitzende Yara lieb an. Sie wusste, dass das Tier ja nichts für ihren Fehler konnte.

Yara schmiegte sich an den Zaun. Tchey wusste, dass dies ihre Art war, um Verzeihung zu bitten, denn anscheinend dachte sie, etwas falsch gemacht zu haben. Deshalb streckte sie ihr die Hand durch das Gitter entgegen und kraulte sie. Dann sagte sie ganz ruhig und mit freundlicher leiser Stimme, wie es ihr und Lasse von Tymoron beigebracht worden war: „Ist gut, Yara. Alles fein. Ich muss mich nur mal um unseren Besuch kümmern.“ Yara schnurrte, wandte sich ab und ging zu ihrem Schlafplatz.

Tchey drehte sich vom Gehege fort und der Sonde und dem Terraner zu, die sich bereits stark genähert hatten. „Tut mir leid.“, grinste sie. „Ich musste vorher noch die Situation für Yara auflösen.“ „Schon klar.“, grinste Mikel. „Sonst ist sie ja nachher total verwirrt und weiß gar nicht mehr, was richtig oder falsch ist.“ „Das sagt Tymoron auch.“, bestätigte Tchey. „Von dem gäbe es ’nen Haufen Ärger, wenn wir uns nicht an seine Anweisungen halten würden und für Yara wäre das auch überhaupt nicht gut! Die wäre nämlich die Leidtragende. Aber was führt dich und sie denn her, Mikel, he? Ich nehme ja nicht an, dass du mit mir über alte Zeiten auf der Akademie plaudern willst, wenn du sie dabei hast.“ Sie deutete zum wiederholten Mal auf D/4. „Du hast Recht, Tchey.“, sagte Mikel. „Es geht nicht nur um alte Zeiten, aber ein bisschen schon.“ „Na, jetzt kenne ich mich gar nicht mehr aus.“, flapste die Reptiloide. „Wie kann man denn nur ein bisschen über alte Zeiten plaudern wollen und gleichzeitig auch nich’?“

D/4, die während der gesamten Zeit im Hintergrund gewartet hatte, machte einen Schritt auf die sich miteinander unterhaltenden Personen zu. Dann ging sie an Mikel vorbei und stellte sich direkt vor Tchey. Danach sagte sie in einem sehr konspirativen Ton zu ihr: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir das Ganze an weniger exponierter Stelle besprechen könnten, Tchey!“ „Na schön.“, sagte Tchey und winkte ihnen, ihr ins Haus zu folgen.

Sie führte ihren Besuch ins Wohnzimmer, das mit hellen freundlichen Möbeln eingerichtet war. Hier stand in der Nähe der Tür ein 2-sitziges rotes Sofa an der rechten Wand. Rechts daneben im 90-Grad-Winkel ein ebenfalls roter Sessel und auf dem Platz davor ein grüner Tisch mit Fliesen darauf, deren Mitte ein buntes Mosaik zierte. Die Wandkonsole mit dem Sprechgerät und dem Hausrechner, sowie dem Replikator , befand sich auf der anderen Seite neben dem Sofa.

Sie nahm Mikel persönlich bei der Hand, um ihn auf das rote zweisitzige Sofa zu setzen. D/4 platzierte sich auf dem Sessel daneben. Tchey setzte sich neben Mikel, aber so, dass sie jederzeit das Sprechgerät, das auf der Konsole an der Wand befestigt war, erreichen konnte. Sie schien zu ahnen, dass es noch notwendig werden würde.

„Na, schießt mal los!“, forderte sie Mikel und D/4 auf, nachdem sie sich und dem Agenten noch einen Kaffee repliziert hatte und damit an ihren Platz zurückgekehrt war. „Ist Ihr Ehemann präsent?“, erkundigte sich die Sonde, ob die Luft auch wirklich rein war. „Hey, was ist das denn?!“, wunderte sich Tchey. „Sie hatten doch während unserer Zeit auf der Scientiffica vor Lasse auch keine Geheimnisse.“ „Die Situation hat sich geändert.“, erklärte die Sonde und sah sie mit einem Blick an, der so viel sagte wie: „Das muss reichen!“ „Nein, er ist nicht hier.“, seufzte Tchey, die überhaupt nicht verstand, warum sie so ein Aufhebens um die ganze Situation machte. „Er ist mit ein paar Kumpels bei einem seiner neuen Hobbies. Aber jetzt würde ich sagen, dass ihr endlich mal auspackt. Es sind schon Leute an Geheimnissen erstickt, wisst ihr?“ Sie grinste. „OK.“, sagte Mikel. „Du weißt, dass Betsy tot ist.“ „Das weiß ganz Little Federation.“, bestätigte Tchey. „Sogar Time weiß es. Er ist von seiner Mission gerade an dem Tag zurückgekommen, als Betsy beerdigt wurde.“ „Was würdest du sagen, wenn ich sie zurückholen könnte?“, fragte der Agent. „Wie willst du denn das anstellen?!“, fragte Tchey und lachte verächtlich. „Ihnen dürfte bekannt sein, dass der Agent über das Talent verfügt, seinen Körper zu verlassen.“, ergänzte D/4. „Auch sein sonstiges Wissen über derart metaphysische Dinge ist mannigfaltig. Ich rechne seiner Mission durchaus Chancen auf Erfolg aus. Auch A/1 tut dies, nachdem ich ihn mit allen relevanten Daten versorgt habe. Eine Variable in dem Ganzen sind aber Sie.“ „Ich?“, fragte Tchey. „Was zur Hölle habe ich damit zu tun?!“ „Das System ist bereit, uns während der Mission des Agent im Systemraum zu verstecken und zu schützen. Aber um dorthin zu gelangen, benötigen wir ein Schiff. Die Sternenflotte wird uns nicht helfen, denn sie haben den Tod des Allrounders akzeptiert, obwohl seine Ursache offenkundig durch Sytania gesetzt wurde.“, führte die Sonde aus. „Ach so.“, sagte Tchey. „Und ihr meint, Sharie und ich könnten …“ „Ihre Interpretation ist korrekt.“, sagte D/4, die offenkundig das Heft in diesem Gespräch übernommen hatte. „Oder fühlen Sie sich diesem Abenteuer etwa nicht gewachsen?“ Das Abenteuer hatte sie mit Absicht sehr stark betont, denn dadurch konnte sie dafür sorgen, dass Tchey ganz schön in Zugzwang geriet. Wenn sie, die abenteuerlustige Tchey, zu einem Abenteuer nein gesagt hätte, hätte dies ganz schön an ihrem Ruf gekratzt. Das konnte und wollte sie sich sicher weder leisten, noch es zulassen. Also sagte Tchey: „OK! Ich muss nur noch was vorbereiten.“

Sie drehte sich der Tastatur des Sprechgerätes zu, in das sie Sharies Rufzeichen eingab. Dabei vergaß sie aber, über das interdimensionale Relais zu gehen. Um so überraschter war sie, als trotzdem eine sofortige Reaktion ihres Schiffes erfolgte, bevor sie ihren Irrtum korrigieren konnte. „Du bist schon hier, Sharie?!“, fragte sie erstaunt. „Ja, ich bin schon hier, Tchey.“, kam eine selbstbewusste Antwort von dem selbstständig denkenden Schiff zurück. „Und ich bin näher als du denkst.“

Alle wurden von Sharies Transporter erfasst und fanden sich gleich darauf in ihrem Cockpit wieder. Sofort setzte Tchey den dort auf der Steuerkonsole liegenden Neurokoppler auf. Sharie lud ihre Tabelle und zeigte ihr die Steuerkonsole. „Ich habe auch für deinen Freund Mikel einen Koppler repliziert.“, wendete sich das Schiff an ihre Pilotin. „Bitte hilf Mikel, ihn aufzusetzen und anzuschließen. D/4 darf von mir aus ihr Antennenset benutzen. Auch damit kann ich umgehen. Ich nehme an, wir haben es eilig! Und jetzt hilf bitte deinen Freunden und dann sage mir, wohin wir fliegen, Tchey!“ „Setz Kurs in Richtung Systemraum, aber behalte erst mal die Steuerkontrolle!“, sagte Tchey. „Und dann erklärst du uns am besten gleich allen, warum du schon hier bist.“ „OK.“, sagte Sharie und tat vertrauensvoll, was ihr ihre Pilotin soeben aufgetragen hatte. Dann half Tchey Mikel noch mit seinem Neurokoppler und instruierte auch D/4, wo sie ihr Antennenset anschließen konnte. Sharie verließ inzwischen das terranische Sonnensystem in Richtung Systemraum und ging, sobald sie den freien Raum erreicht hatte, sofort auf Warp.

Sytania hatte dass Geschehen um Tchey, Mikel, D/4 und Sharie mit Argusaugen beobachtet. Sie hatte sich schon denken können, dass Mikel sich weigern würde, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie diese hinterlassen hatte. Sie wusste aber auch genau, dass, würde ich wieder in meinen Körper zurückkehren, ihre Pläne sicher in Gefahr wären. Sicher war ihr bekannt, dass Tote kein Wissen aus der Welt mitnehmen konnten, in der ich jetzt war, aber ihre seherischen Fähigkeiten sagten ihr, dass ich wohl auf Leute getroffen sein könnte, die mir ermöglichen könnten, dieses Hindernis irgendwie zu umgehen. Sie kannte mich zu gut, um zu glauben, dass jetzt alles nach ihren Plänen laufen würde, nur weil ich tot war. Jetzt, wo sich auch noch Mikel, D/4 und Tchey einmischten, musste sie mit allem rechnen.

„Ich habe nur noch eine Option!“, sagte sie zu Telzan, mit dem sie ihre weiteren Pläne besprach. „Ich muss Allrounder Betsy Scott vor Mikel erreichen und sie töten!“ „Aber sie ist doch schon tot, Herrin.“, beschwichtigte der Vendar. „Aus der Sicht der Lebenden vielleicht, mein lieber Telzan.“, sagte Sytania. „Aber ihre Seele ist im Reich der Toten noch sehr lebendig. Sie darf nicht mit ihrem Körper wiedervereint werden! Wenn das geschieht, können wir all unsere Pläne vergessen! Du kannst mir glauben! Ich habe in die Zukunft gesehen.“ „Aber wäre es dann nicht viel leichter, wir würden uns um ihren Körper kümmern und Ginalla aufhalten?“, fragte Telzan. „Nein, nein, nein!“, widersprach die Königstochter. „Das wäre viel zu offensichtlich und dieses verdammte Schiff hat eine große Rosannium-Waffe im Bauch, wie du weißt. Er würde sie sicher einsetzen, ohne zu zögern, um seine Pilotin, seine Passagierin und nicht zuletzt sich selbst vor meinem Einfluss zu schützen. Nein! Ginalla werde ich ziehen lassen. Sie soll sich nur noch eine Weile in falscher Sicherheit wiegen. Sie wird zwar ziemlich dumm aus der Wäsche schauen, wenn ihr Plan dann doch nicht klappt, aber dafür werde ich höchst persönlich sorgen. Wie war das noch? Wenn etwas wirklich gut werden soll, dann macht man es am besten selbst!“ „Und wie genau habt Ihr vor, Betsy zu töten, also dafür zu sorgen, dass ihr Geist sich auflöst?“, fragte Telzan. „Indem ich es mir einfach wünsche!“, sagte Sytania und sah ihn an, als hätte er ihr gerade die wohl dümmste Frage gestellt, die man stellen kann. „Als Mächtige bin ich auf diesem Schlachtfeld sozusagen daheim wie keine andere. Aber dazu muss ich sie erst mal finden, was aber auch keine große Sache sein dürfte. Ich werde einfach einige ihrer neuen toten Freunde bedrohen! Die werden mir schon sagen, wo sie ist, wenn ich ihnen in Aussicht stelle, dass sonst ihre Existenz auf der Stelle enden wird!“ Sie lachte hexenartig auf. „Cirnach und du, ihr werdet alle Vorbereitungen treffen, die notwendig sind, damit mein Körper mich nicht so bald zurückhaben will!“, ordnete sie dann an. „Wie Ihr wünscht, Milady.“, sagte der Vendar und verließ den Thronsaal. Er und seine Frau würden in Sytanias Gemächern tatsächlich alles vorbereiten, um ihre medizinische Situation überwachen und gegebenenfalls eingreifen zu können. Telzan wusste, dass er sich in dieser Hinsicht auf Cirnach verlassen konnte, die so etwas ja schon einmal mit Sytania durchgenommen hatte. Er würde sie aufsuchen und dann würden die Vorbereitungen unter ihrer Anleitung stattfinden.

Scotty und Shimar hatten mit IDUSA wieder die Umlaufbahn der Erde erreicht. „Da wären wir also.“, sagte das Schiff. „Darf ich wissen, wie Sie und Techniker Scott sich das weitere Vorgehen erdacht haben, Shimar?“ „Sicher darfst du das.“, sagte der junge Tindaraner und stellte sich aufrecht hin. „Du wirst hier die Umlaufbahn halten und Scotty und mich in Betsys Haus beamen, wenn dort die Luft rein ist. Ich habe nämlich keine Lust, auf irgendwelche Amtspersonen zu treffen, die mir oder ihm unangenehme Fragen stellen könnten.“ „Wie kommen Sie darauf, dass es dort solche Amtspersonen geben könnte?“, fragte IDUSA. „Du weißt, dass Betsy keine Zeit mehr hatte, ihr Testament zu machen.“, erklärte Shimar. „Das bedeutet, die gesetzliche Erbfolge tritt ein. Da Betsy hier im 30. Jahrhundert keine Angehörigen außer Scotty hat, wird ihr Nachlass erst mal beschlagnahmt werden, denke ich. Zumal ihr Tod kein natürlicher war.“ „Ich denke, da haben Sie Unrecht.“, sagte IDUSA. „Mir ist leider nicht bekannt, wie es die Sternenflotte handhabt, aber jeder Angehörige des tindaranischen Militärs muss ein Testament bei seinem befehlshabenden Offizier hinterlegen, falls ihm etwas passiert.“

Shimar sah Scotty an. „Bei uns dürfte das ähnlich sein.“, vermutete der Ingenieur, der es auch nicht genau wusste, weil er über diesen Fall lange nicht mehr nachgedacht hatte. Seit er für ein ziviles Unternehmen arbeitete, waren solche Gedanken ja ohnehin unnötig. „Ich meine, schließlich sind wir Verbündete und das ja auch, weil wir ähnliche Gesetze haben, nich’ wahr?“ „Aber nicht jedes Detail muss absolut gleich sein, Scotty.“, sagte Shimar. „Das ließe sich doch ganz leicht herausbekommen, Gentlemen.“, bot IDUSA eine Lösung an. „Der befehlshabende Offizier des Allrounders war meines Wissens Commander Kissara. Wie wäre es, wenn ich Sie mit der Granger verbinde?“ „Das ist ein sehr guter Vorschlag, IDUSA.“, sagte Shimar. „Also gut.“, sagte das Schiff und stellte die Sprechverbindung her.

Kissara war nicht sehr überrascht, in die Gesichter der Männer zu sehen. Eigentlich hatte sie selbst nämlich auch gerade vorgehabt, Shimar zu kontaktieren, denn er schuldete ihr ja noch eine Erklärung. „Zwei Seelen, ein Gedanke, mein Freund.“, lächelte die Thundarianerin. „Ich wollte auch gerade mit dir reden.“ „Worum geht es denn bei Ihnen, Commander?“, fragte Shimar höflich, der ihr, ganz Kavalier, den Vortritt lassen wollte. „Du hattest angeboten, mir zu erklären, warum wir kampfunfähig wurden, als wir auf die böse Granger geschossen haben.“, erinnerte ihn Kissara. „Zumindest hast du dich ähnlich ausgedrückt.“ „Tja, wenn ich da so sicher wäre.“, sagte Shimar. „Scotty und ich gehen aber davon aus, dass das passiert ist, weil eine direkte interdimensionale Verbindung zwischen den beiden Grangers bestand. Wenn ein anderes Schiff geschossen hätte, wäre sicher nichts passiert, aber …“

Er ließ den Sendeknopf los. Diese Gelegenheit nutzte Kissara, um gleich einzuhaken: „Du meinst also, jedes andere Schiff hätte schießen dürfen, aber nicht die Granger auf die Granger.“ Shimar drückte kurz den Sendeknopf und nickte, um ihn dann sofort wieder loszulassen. „Interessant.“, sagte mein Commander. „Damit erklärt sich auch, warum unsere bösen Egos uns unbedingt zum ersten Angriff provozieren wollten. Sie wussten genau, dass sie uns vernichten konnten, ohne selbst einen einzigen Schuss abgeben zu müssen, indem sie uns dazu bringen, unsere Waffen abzufeuern, weil wir ja genau wissen, wie skrupellos sie sind und dass wir deshalb wohl lieber zuerst feuern würden, nur um unser eigenes nacktes Leben zu retten und genau das haben wir ja auch getan. Nicht zu glauben, wie blauäugig ich gewesen bin, diesen Befehl zu erteilen!“ „Bitte gehen Sie nicht so hart mit sich ins Gericht, Commander.“, beschwichtigte Shimar. „Sie waren in einer Ausnahmesituation, auf die Sie mit Sicherheit kein Training der Welt vorbereiten hätte können. Außerdem waren wir ja da.“ „Ja, ihr wart da.“, bestätigte Kissara. „Und ich bin heilfroh, dass ihr da wart! Zirell hatte von Anfang an Recht. Es war zwar etwas hinterhältig, was ihr da gemacht habt, aber angesichts der Situation war es bestimmt angebracht. Wir dürfen ja schließlich nicht vergessen, wer Urheberin des Ganzen hier ist und, wenn man sich gegen sie wehren muss, dann darf man nicht auf einen ehrenvollen Kampf hoffen.“ „Ganz Ihrer Meinung, Commander.“, grinste Shimar. „Aber jetzt hat auch Techniker Scott noch eine Frage an Sie.“

Scotty räusperte sich und nahm Haltung an. Dann fragte er: „Commander, haben Sie vielleicht ein Testament meiner Frau?“ „Nein, Techniker, das habe ich nicht.“, sagte Kissara. „Aber alle Testamente von uns sind im Hauptquartier der Sternenflotte hinterlegt. Aber ich denke auch, angesichts der Umstände dürfte es noch etwas dauern, bis es zur Eröffnung von Allrounder Betsys kommt.“ „Danke, Commander.“, sagte Scotty und gab Shimar ein Zeichen, auf das dieser IDUSA die Verbindung beenden ließ. „Warum bist du auf einmal so kurz angebunden?“, fragte Shimar irritiert. „Weil sie uns gerade genau die Antwort geliefert hat, die wir brauchen.“, antwortete Scotty. „Sie hat gesagt, dass noch etwas Zeit sei, aber sicher nicht viel. Wenn wir unseren Plan also durchziehen wollen, dann am besten so schnell wie möglich.“ „OK.“, sagte Shimar. „IDUSA, lokalisiere Betsys Haus und sag mir, ob sich darin jemand befindet.“ „Das Haus ist leer, Shimar.“, sagte das Schiff, nachdem sie es genau gescannt hatte. „Na dann beam’ uns mal gleich ins Wohnzimmer.“, sagte Scotty und setzte seinen Neurokoppler ab. Shimar tat es ihm gleich und dann wurden sie vom Transporter des Schiffes erfasst und an die gewünschte Stelle gebracht.

Kapitel 54: Ein kühnes Unterfangen

von Visitor

 

Kissara saß nachdenklich auf ihrem Platz auf der Brücke. Ribanna, die das mitbekommen hatte, wendete sich an sie: „Worüber denken Sie nach, Commander, wenn ich fragen darf?“ „Oh, das dürfen Sie, Allrounder.“, schmeichelte Kissaras Stimme. „Ich frage mich, warum Techniker Scott gegenüber mir so kurz angebunden war. Ich bin sicher, er und Shimar haben etwas vor! Aber das werde ich besser weiterhin mit Agent Mikel besprechen. Er ist ausgebildeter Geheimagent und weiß mit Sicherheit viel besser als ich, wenn Gefahr im Verzug ist. Rufen Sie ihn!“ „Aye, Commander.“, erwiderte Ribanna und gab das Rufzeichen von Mikels Handsprechgerät in das Sprechgerät der Granger ein. Die Meldung, die sie aber daraufhin bekam, machte deutlich, dass es entweder aus war, oder sich außerhalb der Reichweite befinden musste. Da Ribanna Mikel aber gut genug kannte, um zu wissen, dass der erste Offizier nicht ohne triftigen Grund sein Sprechgerät ausschalten würde, sagte sie: „Commander, das Sprechgerät des Agent scheint sich außerhalb unserer Reichweite zu befinden. Oder wir sind außerhalb der Seinen. Sie wissen, dass Handsprechgeräte nur eine begrenzte Reichweite haben.“ „Das ist mir bekannt, Ribanna.“, sagte Kissara. „Dann müssen wir ihn eben mit den Sensoren so lange suchen, bis wir ihn finden. Schauen Sie nach, ob er noch auf der Erde ist.“

Ribanna nickte und suchte über das Menü Mikels Biozeichen heraus, das sie als Suchmuster mit dem Scannprogramm der Sensoren verknüpfte. „Im Nahbereich, also auf der Erde, scheint er auch nicht zu sein, Commander.“, meldete sie dann. „Aber die Langstreckensensoren registrieren sein Biozeichen an Bord eines kleinen Schiffes, das mit hohem Warp in Richtung Systemraum fliegt.“ „Auf den Hauptschirm, Ribanna!“, befahl Kissara.

Die Angesprochene nickte und führte ihren Befehl aus. Jetzt sahen alle Sharies Bild. „So ein Schiff habe ich schon einmal gesehen.“, äußerte Kang, der sich in dieser ganzen Zeit noch gar nicht am Gespräch beteiligt hatte. „Ich denke, wir alle haben so ein Schiff schon einmal gesehen, Warrior.“, sagte Kissara. „Es handelt sich um ein selbstständig denkendes Raumschiff aus der fremden Dimension, die von einer ganzen Rasse solcher Schiffe bewohnt wird.“

„Das bestätigt auch der Computer.“, sagte Ribanna, nachdem sie die Spezifikationen des Schiffchens in die Datenbank eingegeben hatte. „Er kann es sogar identifizieren. Es ist Sharie!“ „Allrounder Tchey Nerans Schiff?“, fragte Kissara erstaunt, die sich auf die momentane Entwicklung noch keinen wirklichen Reim machen konnte. Aber auch sie wusste, genau wie alle anderen, wer Sharie war. Sie war in der Sternenflotte sehr berühmt geworden, weil sie bei diversen Gelegenheiten mit und ohne Tchey sehr hilfreich gewesen war.

„Bei allem Respekt, Commander.“, bemerkte Kang. „Ich frage mich, warum Sie so erstaunt sind. Sie waren es doch selbst, die Mikel freie Hand für seine Mission gegeben hat, ohne genauer nachzufragen.“ „Das stimmt wohl, Mr. Kang.“, gab Kissara zu, der jetzt langsam etwas mulmig wurde. „Aber so frei? … Na ja. Rufen Sie Sharie, Ribanna!“ „Sofort, Commander.“, erwiderte die junge Indianerin und gab Sharies Rufzeichen in das Sprechgerät des Schiffes ein.

Wenig später hörten alle Sharies elektronische Stimme: „Was gibt es, Commander Kissara?“ „Hallo, Sharie.“, schmeichelte Kissara diplomatisch. „Lange nichts mehr von dir gehört. Wir haben gesehen, dass sich mein erster Offizier bei dir befindet. Würdest du ihn mir bitte geben?“ „Sicher.“, sagte Sharie und stellte die Verbindung her. „Ich versichere Ihnen, Kissara.“, sagte Mikel. „Es ist alles in bester Ordnung. Ich sagte Ihnen ja bereits, dass ich Betsy zurückholen werde und dazu benötige ich die Hilfe von Tchey und ihrem Schiff. Außerdem ist D/4 bei uns. Sie wird mich medizinisch überwachen, wenn ich meinen Körper verlasse. Außerdem wird das System uns vor eventuellen Angriffen durch Sytanias Vendar schützen. Sie sehen also, ich habe dieses Mal wirklich alles bedacht.“ „Das stelle ich nicht in Zweifel, Agent.“, beruhigte ihn Kissara. „Es geht viel eher um das, was eventuell nach Ihrer Mission geschehen könnte. Wir müssen Shimar und Techniker Scott im Auge behalten. Ich glaube, die haben was vor. Treffen Sie mich am besten vor Betsys Haus, wenn Sie zurück sind!“ „In Ordnung, Kissara.“, sagte Mikel und beendete die Verbindung.

Kissara hängte das Mikrofon ebenfalls ein und lehnte sich zufrieden in ihrem Sessel zurück. Sie wusste, dass sie sich auf Mikel in jeder Hinsicht verlassen konnte, auch wenn dies manchmal nicht den Anschein hatte. Aber in dieser Nacht würde sie sehr ruhig und gut schlafen können. Obwohl sie nicht genau wusste, was auf sie zukommen würde, war sie doch zuversichtlich, es gemeinsam mit dem Agenten doch noch herausbekommen zu können und dem unbestimmten Gefühl in ihrem Bauch bald konkreten Inhalt geben zu können.

Tchey war die Einzige, die durch Sharie von dem Gespräch zwischen Mikel und Kissara informiert worden war. D/4 war nämlich im hinteren Teil des Schiffes mit den Vorbereitungen für Mikels Reise ins Reich der Toten beschäftigt. Sie hatte Sharie allerlei Aufträge zur Replikation einiger medizinischer Geräte gegeben und das Schiff hatte diese ohne zu zögern ausgeführt. Jetzt lagen vor der Sonde auf der Bank eine Tropfkonsole, eine Atemmaske und Elektroden, die Mikel auf die Brust geheftet werden sollten, um seinen Herzschlag überwachen zu können. Auch gab es eine Einheit, die alles steuern sollte und die von D/4 so programmiert wurde, dass sie die Beatmung und Unterstützung der Herzfunktion übernahm, sobald Mikel seinen Körper verlassen hatte. Diese Dinge brachte die Sonde jetzt in Position.

„Ich habe noch eine Frage, D/4.“, ließ Sharie die Sonde über die Datenverbindung wissen. „Wenn Mikel seinen Körper verlässt, werde ich bestimmt sein Signal verlieren. Wie kann ich es wieder finden?“ „Ich denke, diese Frage werden wir an den Agent persönlich weitergeben müssen, Sharie.“, sagte die Sonde, die ihre Frage wohl aus Mangel an Daten auch nicht beantworten konnte. „Ich bin hier ohnehin fertig und beabsichtige, jetzt wieder nach vorn zu gehen. Wenn ich die Daten gesammelt habe, werde ich sie dir selbstverständlich zur Verfügung stellen.“ „Danke, D/4!“, sagte Sharie erleichtert, die ihre Aufgabe bei dieser Mission sehr ernst nahm und keine Lust hatte, einen Fehler zu machen.

Die Xylianerin durchschritt die Tür zwischen Achterkabine und Cockpit. Hier wurde sie auch schon von Tchey erwartet, die das Steuer übernommen hatte und sie jetzt Hilfe suchend ansah. Die Sonde hatte bemerkt, dass sie gestoppt hatten und dass Sharie die Schilde gehoben haben musste. „Was gibt es, Tchey?“, fragte sie in Richtung der Reptiloiden. „Sharie hat zwei Schiffe entdeckt, die sich in unsere Richtung bewegen.“, erklärte Tchey. „Sie haben uns gerufen und mich aufgefordert, das Schiff zu stoppen. Sie wollten uns in den Traktorstrahl nehmen, aber Sharie traut dem Braten nicht. Ich hatte gehofft, Sie könnten das vielleicht aufklären.“ „Sagen Sie Sharie, sie soll mir die Schiffe zeigen.“, sagte D/4 ruhig.

Tchey nickte und gab Sharie die entsprechenden Gedankenbefehle. Jetzt sah auch die Sonde über ihre Datenverbindung, um was für eine Art von Schiffen es sich handelte. „Das sind zwei xylianische Schlepper.“, beruhigte sie. „Ich bin sicher, sie wollen uns nur in unser Versteck transportieren. Aber wir können das gern verifizieren, wenn Sharie dann beruhigter ist. Sagen Sie ihr, sie soll uns so mit dem Führungsschiff verbinden, das sie gerufen hat, dass alle mithören können.“ „OK.“, sagte Tchey. „Aber Sie haben doch selbst eine Datenverbindung mit ihr. Warum sagen Sie es ihr nicht?“ „Weil ich befürchte, dass sie im Augenblick für meine Befehle wenig empfänglich sein wird, wenn sie allem, was von mir und meiner Spezies kommt, im Moment nicht traut.“ „Also gut.“, sagte Tchey und ließ Sharie die Verbindung vorbereiten. Dann hörten alle eine Stimme aus ihrem Bordlautsprecher: „Meine Kennung lautet: Systemeinheit B/19 19. Mitglied der B-Gruppe. Ich bin von A/1 autorisiert, Sie in Ihr Versteck zu bringen. Bitte deaktivieren Sie Ihren Antrieb und lassen Sie sich von uns in den Traktorstrahl nehmen. Der zweite Schlepper wird Ihr Schiff hinten stabilisieren, da es ein kurvenreicher Flug werden wird.“

Die Sonde machte ein erstauntes Gesicht. „Was haben Sie?!“, fragte Tchey verwundert. „Die Untergruppe B ist die persönliche Leibwache von A/1.“, erklärte die Xylianerin. „Wir sollten uns geehrt fühlen.“ „Na siehst du, Sharie.“, wendete sich Tchey an ihr Schiff. „Es ist alles in Butter. Wenn A/1 uns schon seine persönliche Leibwache schickt, dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Du kannst ihnen ruhig vertrauen. Es sind schließlich die Xylianer und nicht die Borg! Ich vertraue ihnen ja auch und wenn deine Pilotin jemandem vertraut, dann kannst du es auch!“ „Wenn du meinst, Tchey?“, antwortete Sharie zögerlich. „Ja, ich meine!“, sagte Tchey fest. „Also gut.“, sagte Sharie und senkte die Schilde.

Die beiden xylianischen Schlepper nahmen sie in den Traktorstrahl und zogen Sharie in Richtung Systemraum weiter. „Ich kann mir vorstellen, dass es für Ihr Schiff nicht gerade einfach ist, so fremdbestimmt zu sein, Tchey.“, sagte D/4, die den Versuch unternommen hatte, sich in Sharies Lage zu versetzen. „Ui, was für diplomatische Töne!“, staunte Tchey. „So etwas hätte ich von Ihnen nicht erwartet.“

Der kurvenreiche Flug, der von der fremden Sonde am SITCH angekündigt worden war, begann auch ziemlich bald. Glücklicherweise hatte Tchey von den Sonden die Erlaubnis bekommen, Sharie mit deren Manövrierdüsen zu stabilisieren. „Bitte pass gut auf mich auf, Tchey.“, bat Sharie inständig und ihr Avatar machte ein ängstliches Gesicht. „Mir scheint, diese beiden Schlepperpiloten sind nicht sehr geübt. Wenn du nicht wärst, würden mich diese beiden Schiffe sicher auseinanderreißen.“ „So schlimm, Sharie?“, fragte Mikel mitleidig. „Ich reiße mich ja noch zusammen.“, sagte das Schiff. „Was ich in Wahrheit befürchte, ist noch viel schlimmer!“ „Ich habe dich, Sharie!“, versicherte Tchey. „Aber du hast Recht, was die Beiden angeht. Das sind ja wahrscheinlich noch blutige Anfänger. Zumindest scheint es mir so. Ich könnte das bestimmt besser!“ „Angeberin.“, zischte Mikel.

Vor Sharies Bug tauchte eine Öffnung in einem ringförmigen Modul auf, dem sie sich genähert hatten. „Ich glaube, jetzt wird es kitzelig.“, sagte Tchey. „Gib mir die Sonde, Sharie!“ Der Schiffsavatar vor Tcheys geistigem Auge nickte und dann verband Sharie sie mit dem Kommandanten des xylianischen Führungsschiffes. „Nichts für ungut, B/19.“, sagte Tchey. „Aber ich würde gern mein Schiff selbst hinter Ihnen her fliegen. Irgendwie habe ich das Gefühl, damit besser dran zu sein. Ich kenne ihre Reaktionen und weis genau, wie sie sich wann verhält. Ich denke, in den engen Verhältnissen, auf die wir gleich treffen werden, ist dass allemal besser. Schließlich wollen wir ja nicht, dass hier noch jemand zu Schaden kommt, nicht wahr?“ „Ihr Vorschlag wurde angenommen.“, sagte die Sonde und beide Schiffe lösten den Traktorstrahl. Dann übermittelte das Führungsschiff den allgemein gültigen Code für bitte folgen per Positionslicht. „Dann folgen wir mal, Sharie.“, sagte Tchey. „Na komm!“ Sie gab ihr den Gedankenbefehl, auf einen halben Impuls zu gehen.

Mikel atmete erleichtert auf. „Du kannst ja richtig diplomatisch sein, Tchey, wenn du willst.“, sagte er. „Einen Moment lang hatte ich doch tatsächlich befürchtet, du sagst ihnen die Wahrheit über das, was du von ihren fliegerischen Talenten hältst.“ „Heute scheine ich eben einen guten Tag zu haben, Mikel.“, sagte Tchey. „Aber dann gibt es eben Tage, da kann ich versuchen, was ich will, aber es geht immer wieder schief mit der Diplomatie.“ „Ich erinnere mich.“, sagte D/4, die sich wohl gerade an die Situation im Jugendamt von Little Federation erinnert hatte. „Noch so ’n Spruch und Sie können aussteigen und den Rest laufen!“, scherzte Tchey. „Ohne mich.“, sagte die Sonde, die Tcheys Äußerung offensichtlich nicht als das verstanden hatte, was sie sein sollte. „Werden Sie hier nicht sehr weit kommen. Ich bin die Einzige, die Mikel vernünftig medizinisch überwachen kann und die über gewisse Autorisationen im System verfügt. Meine Präsenz ist unabdingbar!“ „Ladies!“, versuchte Mikel die Situation zu entschärfen, die seiner Meinung nach bereits sehr hoch gekocht war. „Es gibt doch wirklich keinen Grund zu streiten. Tchey hat lediglich einen Scherz gemacht, D/4 und Sie sollten sich vielleicht mit der Wahrheit etwas zurückhalten! Ich hatte angenommen, das hätten Sie während Ihres langen Zusammenlebens mit Bioeinheiten längst gelernt!“ „Bitte entschuldigen Sie, Agent.“, sagte D/4, bei der Mikels Standpauke offensichtlich Wirkung gezeigt hatte. „Auch von mir ein dickes Sorry, Mikel.“, sagte Tchey. „Ich glaube, die Situation ist einfach etwas angespannt.“ „Schwamm drüber.“, sagte Mikel, der durchaus erkannt hatte, dass er auf beide zu einem gewissen Grad angewiesen sein würde.

Sie flogen in eine Art Hangar ein und Tchey parkte Sharie zwischen zwei xylianischen Modulen, deren Systeme aktiv waren. Offensichtlich sollte ihre Strahlung Sharies Signatur verschleiern. Dann wurden sie noch einmal vom Führungsschiff gerufen: „Sie haben Ihre Position in Hangar 735 des Zentralrings erreicht. Bitte beginnen Sie nun mit Ihrer Mission. Wir werden für Ihren Schutz sorgen.“ „Sehr liebenswürdig.“, sagte Tchey und beendete die Verbindung, um gleich darauf Sharies Antrieb zu deaktivieren.

„Gehen wir also nach hinten, Mikel.“, forderte D/4 den Agenten auf. „Dort habe ich schon alles vorbereitet.“ „In Ordnung.“, sagte Mikel. „Aber nimm bitte den Neurokoppler mit, Mikel.“, sagte Sharie. „Sonst kann ich ja nicht aufzeichnen, was du erlebst und es den anderen auch nicht zeigen. Übrigens: Was muss ich machen, wenn ich dein Signal verliere?“ „Dann suchst du in 5-Hertz-Schritten von der Nulllinie des Neurobandes aufwärts.“, sagte Mikel. „Dann wirst du meine Silberschnur irgendwann finden. Darauf musst du dann meine Reaktionstabelle ummodulieren.“ „OK.“, sagte Sharie. Dann folgte Mikel D/4 in die Achterkabine.

Tchey und Sharie waren jetzt allein. „Warum hast du den Xylianern so misstraut, Sharie?“, wollte die Reptiloide wissen. „Weil ich es gar nicht mag, fremdbestimmt zu sein.“, erwiderte das Schiff. „Interessant.“, sagte Tchey. „Dabei wart ihr doch sehr fremdbestimmt, bevor wir euch gefunden und euch das Autopilotprogramm der Scientiffica überspielt haben, damit ihr euch selbst fliegen und euch vor der Eroberung durch …“ „Das ist wahr, Tchey.“, unterbrach Sharie. „Aber vielleicht ist gerade das der Grund, aus dem ich diese Selbstständigkeit nicht mehr missen möchte.“ „Kann sein.“, sagte Tchey platt. „Aber jetzt, da ich wählen kann.“, meinte Sharie. „Werde ich sehr große Unterschiede darin machen, wer mich fliegen darf und wer nicht. Du darfst auf jeden Fall und, wenn ich dir nicht getraut hätte, dann hätten wir einen anderen Weg finden müssen.“ „Dann hätte ich die Xylianer davon überzeugen müssen, dass wir allein hinter ihnen her fliegen dürfen.“, sagte Tchey. „Aber das hätte ich schon hingekriegt.“ „Oh, ja.“, sagte Sharie. „Deshalb vertraue ich dir ja auch so. Gerade weil du vieles hinkriegst, das noch nicht einmal Andra geschafft hätte. Ich weiß, man soll nicht schlecht über Tote reden, aber du bist nun einmal besser als Andra! Nicht nur in fliegerischer Hinsicht, auch sonst! Du bist besser als jeder andere Pilot, den ich bisher kennen gelernt habe und du weißt, dass ich schon durch viele Hände gegangen bin.“ „Oh, ja.“, sagte Tchey. „Ich kenne deine Odyssee. Aber wo wir gerade von Irrwegen reden. Warum warst du eigentlich schon da, als ich dich gerufen habe?“ „Das liegt an Lycira.“, sagte Sharie. „Lycira?!“, fragte Tchey. „Das ist doch Betsys Schiff. Was hast du mit ihr zu schaffen?“ „Sie ist in unserer Dimension und passt auf Kamurus’ und meine gemeinsame Tochter Kamura auf. Sie ist zu uns gekommen, weil sie eine Aussage machen musste und in Gefahr war. Sytanias Vendar hatten ihren Antrieb stark beschädigt und Kamurus hat Ginalla geholt, damit sie repariert wurde. Derweil hatte ich auf sie aufgepasst und dann hat sie mir berichtet, dass es uns beiden in einer alternierenden Realität, die aber jetzt leider nicht mehr existiert, sogar gelungen sein soll, einer Q die Augen zu öffnen und sie auf den rechten Weg zurückzuführen! Überleg mal, Tchey. Ich bekehre eine Q und das auch noch mit dir! Eine Sterbliche und ein zerbrechliches Raumschiff bekehren eine mächtige Q! Kannst du dir das vorstellen?! Ich konnte es auf jeden Fall nicht, aber ich dachte mir, wenn das möglich war, dann können wir zwei alles schaffen! Also auch das hier!“

Tchey gab einen Laut von sich, als hätte sie zu viel gegessen. „Warte mal, Sharie.“, sagte sie schließlich. „Das sind viel zu viele Informationen auf einmal. Ich war ja schon bedient von der Tatsache, dass du und Ginallas Schiff ein Kind habt. Aber die anderen Informationen schlagen dem Fass echt den Boden aus. Warum erinnere ich mich bloß nich’, wenn wir beide …“ „Ich sagte ja gerade.“, sagte Sharie. „Diese Realität existiert nicht mehr. Betsy war die Einzige, die sich noch erinnert hat und ihr ist wohl Lycira gegenüber ein Gedanke daran entfleucht.“ „UPS.“, machte Tchey. „Aber wer weiß, wozu es gut ist. Was machen übrigens D/4 und Mikel da hinten?“ „D/4 hat die Versorgung, an der Mikel hängt, gerade an meine Systeme angeschlossen.“, sagte Sharie. „Das bedeutet, es geht bald los.“ „Sehe ich genau so.“, sagte Tchey. „Ich werde dir und D/4 alles im Zuschauermodus zeigen.“, erklärte das Schiff. „Ist gut.“, sagte Tchey und lehnte sich zurück, nachdem sie noch einmal den Sitz ihres Neurokopplers überprüft hatte. Sie war sehr neugierig auf das, was sie zu sehen bekommen würde. Wann bekam man schon mal einen Einblick in das Reich der Toten?

„Achtung, Tchey.“, sagte Sharie nach einigen Sekunden. „Ich stelle die Verbindung schon einmal her.“ „Damit ich das jetzt gleich richtig verstehe, Sharie.“, sagte Tchey. „Ich bin gleich in Mikels Kopf?“ „So ungefähr.“, sagte Sharie. „Nur kann er dich nicht hören, wenn du ihn ansprechen solltest. Der Zuschauermodus, du verstehst?“ „Oh, ja.“, sagte Tchey. „Und es ist wohl auch besser so. Meine Gedanken würden ihn wohl nur stören und er muss sich sicher stark konzentrieren.“ „Genau.“, sagte Sharie.

Auch D/4 war mit der Überprüfung diverser Verbindungen beschäftigt. Sie hatte ihre Datenverbindung überprüft, nachdem sie von Sharie darüber informiert worden war, dass auch sie zusehen konnte. Jetzt war sie damit beschäftigt, den Sitz der Tropfkonsole an Mikels Arm zu überprüfen. Dann steckte sie eine Patrone mit Nährflüssigkeit auf und aktivierte die Konsole, die diese tropfenweise kontinuierlich in Mikels Arm beamte. Auch den Sitz der Elektroden und den von Mikels Neurokoppler kontrollierte sie noch einmal. „Es ist alles bereit, Agent.“, sagte sie. „Sie dürfen beginnen.“ „Vielen Dank für Ihre Erlaubnis.“, scherzte der erste Offizier der Granger und lehnte sich zurück. Dann begann er, sich selbst zu visualisieren, wie er aus seinem Körper austrat und von ihm weg schwebte.

D/4 ließ seine neuralen Werte nicht aus den Augen. Schließlich fragte sie: „Was kann ich tun, um zu assistieren?“ „Assistenz ist unnötig, D/4.“, sagte Mikel schon sehr weit weg. „Dann lassen Sie mich Ihnen bitte sagen, dass Sie das ganz bestimmt hinbekommen werden!“

Mikel holte tief Luft und sich selbst wieder aus der entspannten Haltung, die er angenommen hatte, heraus. „Warum tun Sie das, D/4?“, fragte er und setzte sich auf. „Ihren Körper zu verlassen.“, begann die Sonde. „Stelle ich mir als schwierig vor, weil er Widerstand leisten wird, da er Ihren Geist zum Überleben benötigt. Ich hörte, dass es Bioeinheiten oft bei schwierigen Dingen hilft, wenn sie durch positive Bestärkung motiviert werden.“ „Motivation ist ebenfalls unnötig, D/4.“, sagte Mikel. „Aber trotzdem danke für Ihre gute Absicht.“ „Gern geschehen.“, sagte die Sonde und drehte sich wieder dem Monitor der Überwachungseinheit zu. Da sie eine Datenverbindung mit Sharie hatte und ihr internes Sprechgerät daher belegt war, musste sie darauf zurückgreifen. Auch Mikel ließ sich wieder in die Kissen fallen und unternahm einen neuen Versuch, seinen Körper zu verlassen, der dieses Mal sogar erfolgreich war.

Dies hatte auch Tchey mitbekommen, die jetzt leider keine Bilder mehr über den Neurokoppler empfing. Aber dieser Zustand dauerte nicht lange an, denn Sharie hatte beherzigt, was ihr Mikel aufgetragen hatte. Wenige Sekunden später waren sie wieder live mit Mikel verbunden. „Klasse, Sharie!“, sagte Tchey und klatschte in die Hände. „Bild und Ton sind wieder da! Schauen wir mal, wohin Mikel uns führt!“

Im Reich der Toten spazierte Lorana nichts ahnend durch den Park, als sie einer schwarzhaarigen Frau ansichtig wurde. Die Frau trug eine Krone und ein wallendes Kleid. Sie sah wie eine Prinzessin aus. Die alte Zeonide, die sich keinen Reim auf sie machen konnte, ging ihr fröhlich entgegen. Sie ahnte ja nicht, mit wem sie es hier zu tun hatte. „Seid gegrüßt, Königliche Hoheit.“, sagte sie unbedarft, die sich nicht erklären konnte, warum diese in ihren Augen tote Prinzessin gerade auf sie zugekommen war. „Auch ich grüße dich.“, sagte Sytania listig. „Ich muss dringend mit einer guten Freundin von mir sprechen. Ihr Name ist Betsy. Kannst du mich zu ihr führen?“ „Wenn es weiter nichts ist?“, fragte Lorana, die immer noch nicht wusste, worauf sie sich da gerade eingelassen hatte. „Ich denke, sie wird mit den anderen im Aufenthaltsraum des Therapiezentrums sein. Bitte folgt mir.“

Sie nahm ihre Blumen auf und ging voran. Ging ja leichter, als ich zu träumen vermochte., dachte Sytania.

Lomādo und ich saßen tatsächlich im Aufenthaltsraum an einem Tisch und unterhielten uns. Ich hatte beschlossen, ihn jetzt endlich die Dinge zu fragen, die mir immer noch auf der Seele brannten. „Warum geben sich die Aldaner eigentlich immer noch mit uns ab, wo Sie uns doch um mehrere Schritte in der Evolution voraus sind?“, fragte ich. „Diese Frage werden Sie sich gleich selbst beantworten können.“, sagte er. „Sie sind eine hoch intelligente junge Frau! Ich denke nicht, dass Sie dabei wirklich meiner Hilfe bedürfen. Überlegen Sie mal selbst.“

Ich setzte mich ruhig hin und begann nachzudenken. Wenn er glaubte, dass ich selbst darauf kommen würde, konnte das durchaus sein. Schließlich war er schon einmal in meinem Geist gewesen und ich hielt es deshalb durchaus für möglich, dass er in der Lage war, zu erkennen, was ich konnte und was nicht. Aber in diesem Fall kam ich einfach nicht darauf, oder besser, traute mich nicht, auszusprechen, was ich gerade dachte. „Welchen Fehler macht denn Sytania?!“, versuchte er, mich auf die richtige Spur zu bringen. „Sie unterschätzt uns immer wieder.“, sagte ich. „Und warum unterschätzt sie uns?“, fragte Lomādo. „Weil sie hochmütig ist. Sie hält sich für so mächtig, dass sie nachlässig wird. Sie denkt, man kann ihr nichts anhaben, weil … Oh, mein Gott! Sie wollen nicht vergessen, wo sie herkommen, damit sie nicht wie Sytania den Bezug zur Realität verlieren.“, antwortete ich. „Na sehen Sie!“, lobte er und strich mir über den Kopf.

Lorana und Sytania betraten den Raum. Sofort zog mich Lomādo in eine andere Ecke und stellte sich schützend vor mich, aber Lorana sagte nur unwissend: „Wartet doch! Betsy, hier ist jemand, der dich sprechen möchte!“ „Hallo, Betsy!“, hörte ich eine schrille gemeine Stimme, deren Besitzerin sich jetzt an Lorana vorbei in meine Richtung drängte. „Halt, Sytania!“, rief Lomādo. „Wenn Ihr etwas von ihr wollt, dann müsst Ihr erst mal an mir vorbei!“ „Das ist Sytania?!“, fragte Lorana erschrocken, der erst jetzt klar wurde, was sie angerichtet hatte. „Oh, es tut mir leid!“, sagte sie und schlug verschämt die Hände vor das Gesicht. „Es tut mir so unendlich leid, Betsy!“ „Schon gut, Lorana.“, tröstete ich. „Sie sind Zivilistin und wussten es nicht besser. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Außerdem hätten Sie ihr nichts entgegenzusetzen gehabt. Sie hätte Ihnen etwas tun können, wenn Sie sich geweigert hätten. Es war schon richtig, was Sie getan haben.“

„Allrounder Betsy hat Recht!“, hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme. „Mikel?“, fragte ich in die Richtung, aus der ich sie gehört hatte. „Genau!“, kam es zurück. Dann kam Mikel um die Ecke. „Ach, Hallo, Sytania!“, sagte Mikel, ohne mich weiter zu beachten. „Was wollt denn Ihr im Reich der Toten, he!“ „Na was wohl?!“, gab die Prinzessin zurück, die durch Mikels Anwesenheit jetzt doch etwas alarmiert war. Sie wusste genau, wie gut sich der Agent mit der Materie, oder besser mit der Nicht-Materie hier auskannte und dass er durchaus in der Lage war, sie zu bekämpfen. Dazu kannte er sich mit metaphysischen Dingen zu gut aus und er war ja jetzt mit ihr auf gleicher Ebene, jetzt, wo beide nur aus geistiger Energie bestanden und es keinen Körper ohne Telepathiezentrum gab, der ihn begrenzt hätte. „Ich werde deine Freundin töten, Mikel! Ja, ich werde sie töten, indem ich mir einfach wünsche, dass sie aufhört zu existieren!“, verkündete Sytania ihre Absicht. „Mit einem Wunschkonzert kann ich auch dienen, Milady.“, sagte Mikel und im selben Moment fand sich Sytania in einem Käfig wieder. „Ich würde an Eurer Stelle nicht das Gitter berühren, Hoheit.“, sagte Mikel. „In die Stäbe ist Rosannium eingearbeitet!“ „Du, du, du Unhold!“, stammelte Sytania. „Lass mich sofort frei!“ „Ich glaube nicht, dass Ihr in der Position seid, Forderungen zu stellen.“, sagte der erste Offizier und spielte triumphierend vor ihr mit einem Schlüssel in seiner Hand, den er danach mir gab. Dann zischte er mir auf Deutsch zu: „Gibt es hier einen Schutzraum?“ Ich bejahte und er fuhr lauter auf Englisch fort: „Dann bringen Sie alle Zivilisten in den Schutzraum, Allrounder! Das ist ein Befehl! Um Sytania werde ich mich kümmern! Es könnte nur hier reichlich ungemütlich werden!“ „Aye, Agent!“, sagte ich schmissig und wandte mich den Leuten um mich herum zu: „Kommt mit! Keine Angst! Es wird alles wieder gut, wenn ihr mir jetzt folgt! Kommt, gehen wir!“ Alle reihten sich vertrauensvoll hinter mir ein. Der Großteil wusste ja mittlerweile, dass ich Sternenflottenoffizierin gewesen war. „Ich passe hinten auf, dass niemand verloren geht.“, bot Lomādo an. „Danke, Lomādo.“, akzeptierte ich. Dann gingen wir alle aus dem Raum.

Sytania und Mikel waren allein. „Na, wie findet Ihr die Tatsache, dass ich gerade der den Schlüssel gegeben habe, die Ihr vernichten wolltet?!“, fragte Mikel. „Damit willst du mich wohl demoralisieren!“, sagte die Prinzessin. „Aber das wird dir nicht gelingen. Irgendwann wirst du zurück müssen in deinen Körper und dann ist auch meine Gefangenschaft hier vorbei!“ „Ihr überseht etwas!“, sagte Mikel. „Das Gleiche gilt auch für Euch! Mal sehen, wer länger durchhält!“

Eine ganze Zeit lang hatte D/4 jetzt schon die Kurven auf dem Monitor beobachtet und festgestellt, dass Mikel großen Stress haben musste. Lange würde es nicht mehr dauern und er würde in seinen Körper zurückkehren müssen, ob er wollte, oder nicht. Ihre Maßnahmen, dies herauszuzögern, würden bald keine Wirkung mehr zeigen. Dies war aber auch eine Tatsache, die Sharie nicht entgangen war. „Wir müssen etwas tun, Tchey!“, sagte das Schiff fest. „Aber was?!“, fragte Tchey, die auch alles gesehen hatte. „Ich kann meinen Körper leider nicht verlassen, wie es Mikel kann, Sharie!“ „Wer sagt denn, dass du etwas tun sollst?!“, lachte Sharie. „Ich hatte dabei eher an mich gedacht. Ich sage nur so viel. Ich habe, wie jedes von uns selbstständig denkenden Schiffen auch, die gleichen manipulativen Fähigkeiten wie Alice und es wird Zeit, dass ich sie mal benutze, sonst rosten sie noch ein! Beobachte gut, Tchey, beobachte und lerne!“

Mikel hielt Sytania immer noch im Käfig in Schach. Er hatte sich nur zwischenzeitlich für mich und sich Sprechgeräte gewünscht. Langsam merkte er allerdings, wie seine Energie schwächer wurde. „Na, Nennsohn von Dill!“, spottete Sytania schadenfroh. „Müssen wir bald aufgeben, he?!“ „Wie es Euch geht, kann ich nicht beurteilen!“, sagte Mikel. „Aber ich beabsichtige, noch eine Weile durchzuhalten! Ich werde bis zum Letzten hierbleiben und Euch gefangen halten! Bis zum Letzten, versteht Ihr?!“ „Na, ich denke, das Letzte wird sehr bald sein, mein Bester!“, lachte die Königstochter.

Beide wurden plötzlich auf ein Stöhnen hinter sich aufmerksam. Dann schleppte sich ein Vendar in Sytanias Sichtweite. In seiner Brust steckte ein Dolch, auf dem Sytania sehr gut Logars Zeichen erkennen konnte. Darunter war das Symbol seiner Besitzerin zu sehen. Es war Iranachs Waffe. Die Wunde darum herum war klaffend und blutete stark. Vor Mikel und dem Käfig fiel er hin. „Telzan!“, sagte Sytania und Mikel konnte gut die Angst in ihrer Stimme wahrnehmen. „Was ist geschehen?!“ „Euer Vater!“, stieß Telzan mit schwindenden Sinnen hervor. „Er hat ausgenutzt, dass Ihr Euren Körper verlassen habt und ist in Euren Palast und Euer Gebiet eingefallen. Über dem Turm weht schon seine Fahne. Wir konnten nichts tun! Wir haben gekämpft, aber wir konnten nichts tun. Iranach persönlich hat mir ihren Dolch ins Herz gestoßen und mich getötet. Weil seine Spitze Rosannium enthält, wird sich meine geistige Energie gleich …“

Er gab einen Schrei von sich und löste sich vor ihren Augen auf. Geschockt sah Sytania zu. Dann schrie sie: „Nein!!! Nein!!!! Meine Pläne, mein Schloss, mein Gebiet, meine Kleinodien, alles in den Händen meines Vaters und mein treuester Vendar dahin gemordet?! Das darf nicht sein! Nein, das darf nicht sein! Bitte, Mikel, lass mich frei!“ „Oh.“, sagte Mikel. „Das sind ja ganz neue Töne. Versprecht Ihr auch, Betsy nichts zu tun, wenn ich Euch frei lasse?! „Alles, was du willst!“, sagte Sytania und begann sogar zu weinen. „Bitte lass mich zurück in meinen Körper! Bitte! Du weißt, was sonst …“ „Oh ja, ich weiß.“, sagte der erste Offizier der Granger. „Aber etwas werdet Ihr Euch noch gedulden müssen.“

Er nahm sein Sprechgerät aus der Tasche und gab mein Rufzeichen ein. Dann fragte er: „Ist alles bei euch in Ordnung?“ „Alles klar.“, gab ich zurück. „Dann kannst du ja mit den Zivilisten zurückkommen. Oder, nein. Besser wird es, glaube ich, sein, wenn du zuerst allein kommst und Lomādo sie dann nach einer Weile herführt. Du musst den Käfig aufschließen. Sytania hat sich ergeben und sie will in ihren Körper zurück. War echt gutes Timing von Logar, wenn du mich fragst.“ „Wovon redest du?“, fragte ich. „Das erkläre ich dir später.“, sagte Mikel und beendete die Verbindung, ohne eine Antwort von mir abzuwarten.

Da ich mein Sprechgerät auf Lautsprecher geschaltet hatte, hatte auch Lomādo alles mithören können. „Sind Sie sicher, dass sich Logar wirklich eingemischt hat?“, fragte er. „Wenn Mikel das sagt.“, sagte ich. „Warum fragen Sie?“ „Weil ich das hätte spüren müssen.“, erwiderte er. „Na ja.“, sagte ich. „Wir werden sehen. Bitte folgen Sie mir mit den Leuten in etwa zehn Minuten.“ Dann ging ich aus dem Schutzraum in Richtung Aufenthaltsraum.

Wie abgesprochen erwartete mich hier Mikel. „So, hier bin ich.“, sagte ich und zog hörbar den Schlüssel aus der Tasche. „Pst.“, machte Mikel. „Horch mal.“

Ich hielt den Atem an und lauschte. Die Urheberin des Schluchzens und Wimmerns, das an meine Ohren drang, vermochte ich im ersten Moment nicht wirklich zu erkennen. Dann aber fragte ich: „Ist das Sytania?“ „Oh ja.“, sagte Mikel. „Da kriegt man ja Mitleid!“, spottete ich. „Das kann ich mir bei dir gut vorstellen, du Sensibelchen.“, lächelte er. „Aber nun schließ auf! Sonst ist sie am Ende noch traumatisiert.“ „Oh, das wollen wir ja gar nicht.“, sagte ich, steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn langsam und genüsslich herum. „Ich danke dir!“, sagte Sytania und ich konnte gut hören, dass ihr dieser Satz nicht leicht über die Lippen gekommen war. Ich glaubte sogar, etwas Ekel in ihrer Stimme wahrgenommen zu haben. Dann verschwand sie in einem schwarzen Blitz. „Holla!“, rief ich aus. Die war ja ganz schön fertig! Was hast du mit ihr gemacht?!“ „Das frag mal besser Logar.“, sagte Mikel. „Der hat mir, wie es scheint, Schützenhilfe geleistet.“ „Cool von ihm.“, sagte ich schnell, die ich an diesen Umstand Dank Lomādos Äußerung nicht wirklich glauben konnte.

Mikel wünschte den Käfig fort. „Und nun zu uns beiden.“, sagte er. „Ich bin eigentlich gekommen, um dich zurückzuholen. Greif meine Silberschnur und …“ „Nein!“, sagte ich entschlossen. „Ich kann verstehen, wenn du dich nicht traust. Aber wir haben uns doch immer vertraut. Ich kenne mich damit aus.“, sagte er. „Komm schon! Es wird schon gut gehen.“

„Tun Sie es nicht!“ Die männliche Stimme, die mir dies zugerufen hatte, hatte ich als Lomādos Stimme identifiziert. Er musste mit den Zivilisten zurückgekehrt sein.

Ich überlegte eine Weile und entschied mich dann, es nicht zu tun. „Warum vertraust du mir nicht mehr, Betsy?“, fragte Mikel. „Ist er dir etwa näher als ich?“ „Das nicht.“, sagte ich auf englisch, näherte mich seinem rechten Ohr und flüsterte ihm dann auf Deutsch hinein: „Deine Silberschnur verbindet dich mit deinem Körper.“ Dabei betonte ich das Deine, das Dich und das Deinem besonders. „Wenn ich dir an ihr entlang folgen würde, würden wir beide dort landen und du würdest für den Rest deines Lebens an einer echt fiesen Persönlichkeitsstörung leiden, mein Lieber! schon mal drüber nachgedacht?!“ „Du hast Recht.“, gab Mikel schlussendlich zu.

Lomādo kam auf uns zu. „Sie wird schon einen Weg zurück finden, Agent!“, versicherte er. „Verlassen Sie sich nur auf uns.“ „Na gut.“, sagte Mikel und dann war er in einem weißen Blitz verschwunden. Er musste in seinen Körper zurückgekehrt sein.

In ihren Körper war auch Sytania zurückgekehrt, oder besser, sie war zurückgekehrt worden. Am Monitor der Überwachungseinheit hatte Telzan Kurven beobachtet, die ihm einfach nicht gefallen wollten. Daraufhin hatte er Cirnach verständigt, die diese Werte auch in Alarmbereitschaft versetzten. „Sie muss zurückkehren!“, stellte die Vendar fest. „Es gibt keinen anderen Weg! Sonst wird sie das hier nicht überleben!“ „Aber wie wollen wir sie dazu bringen, zurückzukehren?!“, fragte Telzan alarmiert. „Keiner von uns kann jetzt Kontakt mit ihr aufnehmen!“ „Lass das meine Sorge sein, Telzan!“, sagte Cirnach fest und griff beherzt nach der Maske, die Sytanias Atmung sicherte, um sie zu entfernen. Augenblicklich war die Prinzessin gezwungen, in ihren Körper zurückzukehren. Aber das kam ihr auch sehr gelegen. Sie hatte ja ohnehin zurückgewollt. Sie war nur sehr erstaunt, in die Gesichter beider Vendar zu schauen. „Telzan!“, rief sie erstaunt aus. „Du lebst! Aber wie kann das sein? Du hast mir doch eben noch gesagt, Iranach hätte dich im Auftrag meines Vaters getötet. Was ist mit der Eroberung meines Schlosses durch ihn? Du hattest gesagt, ihr musstet euch …“

„Sie redet wirr!“, zischte Telzan seiner Frau auf Vendarisch zu. „Wir sollten nachschauen, ob sie Fieber hat.“ „Mit wir meinst du wohl eher ich.“, gab Cirnach in gleicher Sprache zurück. „Du vergisst, dass ich diejenige von uns bin, die heilkundig ist.“ „Du elende Haarspalterin!“, rief Telzan aus, den die gesamte Situation sehr nervös machte. Dann aber ging er doch zur Seite und ließ zu, dass seine Frau Sytania mit dem Erfasser scannte.

Wenige Sekunden danach steckte Cirnach das Gerät wieder in ihre Tasche zurück und sagte: „Fieber hat sie keines, Telzan. Aber wir sollten sie vielleicht mal fragen, was sie gemeint hat.“ „In Ordnung.“, sagte der Vendar und wandte sich Sytania zu: „Wovon, bei allen höllischen Herscharen, habt Ihr gesprochen, Hoheit?! Ich meine, Eure Worte können einem ja richtig Angst machen!“

Sytania sah ihn verwirrt an. „Du müsstest es doch wissen.“, sagte sie. „Du müsstest doch wissen, dass mein Vater mein Schloss und mein Gebiet erobert hat!“, sagte sie. „Sicherlich befreit einer seiner Vendar gerade die Gefangenen in den Kristallminen.“ „Das bezweifele ich, Hoheit.“, grinste Telzan. „Eure Gefangenen sind noch immer genau da, wo meine Leute sie gelassen haben. Wie kommt Ihr nur auf so etwas und wer hat Euch eingeflüstert, dass ich tot sei?!“ „Du selbst hast es mir gesagt.“, sagte Sytania. „Du bist mir ins Reich der Toten gefolgt und hast mir gerade noch sagen können, dass mein Vater hier alles erobert hat, bevor sich deine geistige Energie aufgelöst hat, weil Iranach dir einen Dolch mit Rosannium ins Herz gerammt hat. Sag mir, Telzan, welche Fahne weht auf dem Wachturm am Tor?!“ „Die Fahne mit dem Drudenfuß.“, sagte der Vendar ruhig, der sich ihre seltsamen Anwandlungen noch immer nicht erklären konnte. „Beweise mir das!“, befahl Sytania. „Bring mich zu einem Fenster, von dem aus ich die Zinnen sehen kann.“ „Wie Ihr wünscht, Herrin.“, sagte Telzan und winkte seiner Frau. Dann nahmen beide Sytania in ihre Mitte und stützten sie zu einem nahen Fenster. Zwar hätte auch jeder von ihnen sie mühelos allein stützen können, von zwei Seiten fand es Telzan aber besser für sie, da sie so stabiler war. Sie war noch immer sehr geschwächt, denn solange ihr Körper ohne ihren mächtigen Geist war, der ihn schützte, war er genau so anfällig für Krankheit und Schwäche, wie der Körper eines jeden sterblichen Wesens.

Sie waren an dem Dachfenster angekommen, von dem aus Sytania Telzans Meinung nach eine sehr gute Sicht auf die Zinnen des kleinen Wachturms hatte, von dem die ganze Zeit die Rede war. „Seht hin, Milady!“, forderte er sie auf und deutete Richtung Scheibe. „Was seht Ihr? Also, ich für meinen Teil sehe immer noch das Wappen mit dem Drudenfuß.“ „Ich auch.“, sagte Sytania voller Erleichterung. „Und ich hatte schon Sorge, es könnte wirklich dazu gekommen sein. Ich hatte schon befürchtet, mein schlimmster Albtraum wäre wahr geworden!“

Sie sank halb ohnmächtig in Telzans Arme und der Vendar und seine Frau brachten sie schnell in ihr Bett zurück. „Ihr solltet Euch noch eine Weile ausruhen, Hoheit.“, schlug Cirnach vor. „Ihr scheint den Ausflug aus Eurem Körper noch immer nicht wirklich verkraftet zu haben.“ „Wie soll man das denn auch?!“, fragte Sytania. „Wenn man solche Nachrichten serviert bekommt. Aber wenn an dem Ganzen nichts dran ist, was ist dann dort drüben passiert?“ „Genau wissen wir das auch nicht, Hoheit.“, sagte Telzan. „Aber Ihr scheint einer List aufgesessen zu sein! Cirnach und ich denken, dass Ihr von irgendjemandem zurück in Euren Körper gescheucht worden seid, der genau weiß, wo man Euch packen kann.“ „Mikel!“, entfuhr es Sytania. „Er wird dafür verantwortlich sein. Oh, ich hätte mir nicht träumen lassen, dass mich dieser verdammte terranische Hund einmal so hintergehen kann! Aber das werde ich ihm heimzahlen und zwar bei nächster Gelegenheit!“

Bevor sie noch dazu kam, ihre Pläne weiter auszuführen, streckte sie ein Schwindelanfall nieder. „Ihr solltet Euch ausruhen!“, bekräftigte Cirnach noch einmal ihre medizinische Anordnung. „Eine weitere Reise aus Eurem Körper heraus würden weder er noch Euer Geist im Moment überleben, so geschwächt, wie Ihr seid.“ „Du hast ja Recht, Cirnach.“, sah Sytania ein, ein Wesenszug, der bei ihr höchst selten war. „Aber dieser Bastard soll sich vor dem Tag hüten, an dem ich wieder auf den Beinen bin!“ Sie schlief auf der Stelle ein.

D/4 hatte bemerkt, dass auch Mikel in seinen Körper zurückgekehrt war. Sofort entfernte sie die Verbindungen zwischen ihm und den medizinischen Geräten. „Sind Sie in Ordnung, Agent?“, fragte sie. „Wie fühlen Sie sich?“ „Noch ein wenig geschwächt, D/4.“, sagte der Terraner und versuchte sich aufzusetzen. Dies unterband die Sonde aber sofort mit gekonntem Griff. „Sie sollten noch eine Weile liegen bleiben.“, sagte sie nüchtern. „Ihr Kreislauf muss sich erst wieder an die neue Situation gewöhnen.“ „Ich fürchte, dazu haben wir keine Zeit.“, sagte Mikel und versuchte erneut aufzustehen. „Wir müssen Tchey und Sharie über die neue Situation im Dunklen Imperium informieren und Ihre Leute müssen auch wissen, dass Logar jetzt beide Hälften der Dimension beherrscht. Ich weiß, dass er weiß, dass es nicht so bleiben darf, weil auch dann das Gleichgewicht der Kräfte verschoben ist. Er wird es wahrscheinlich nur für eine Weile lang so lassen, bis seine Tochter ihre Lektion gelernt hat. Dann wird er ihr ihre Krone zurückgeben. Aber so lange …“ „Ich werde das System nicht über diese Daten informieren!“, unterbrach ihn die Sonde fest. „Warum nicht?“, fragte der erste Offizier der Granger irritiert. „Weil ich glaube, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen und ich werde keine falschen Daten in die Datenlager einspeisen!“, antwortete D/4. „Erst einmal sollten wir eine andere Theorie verifizieren, die ich zu diesem Thema aufgestellt habe.“ „Von mir aus.“, sagte Mikel. „Eigentlich ist mir sowieso alles egal. Ich fand es zwar sehr nett von Logar, mir unter die Arme zu greifen, aber meine eigentliche Mission hat ja nicht geklappt. Betsy ist immer noch im Reich der Toten. Ich bin also gescheitert!“ „Ihre Annahme ist fehlerhaft!“, sagte die Sonde mit einem tadelnden Unterton in der Stimme. „Wieso ist sie falsch?!“, fragte Mikel empört. „Wenn Sie eine Datenverbindung mit Sharie hatten, die über den Neurokoppler eine Verbindung zu mir unterhielt, dann müssten Sie doch wissen, dass …“ „Ich habe nicht gesagt, dass Ihre Annahme inkorrekt ist.“, verteidigte sich die Sonde. „Ich sagte, sie sei fehlerhaft. Das ist ein Unterschied!“ „Haarspalterin, xylianische!“, regte sich Mikel auf. „Müssen Sie immer jedes Wort auf die Goldwaage legen?“ „Ja, das muss ich in Ihrem Fall.“, sagte D/4.

Mikel hielt sich plötzlich die Hände vor das Gesicht. Im gleichen Moment sah D/4 im Auswurffach von Sharies Replikator eine Spucktüte, die sie Mikel eilig hinhielt. Dieser entließ den gesamten Inhalt seines Magens in die Tüte. „Ich sollte mich wohl wirklich nicht so aufregen.“, sagte er. „Das ist korrekt, Agent.“, sagte die Sonde, während sie die Tüte samt Inhalt über die Materierückgewinnung entsorgte. Dann setzte sie sich wieder zu Mikel, der sich wieder auf der Bank, auf der er gelegen hatte, lang ausgestreckt hatte und versuchte, sich wieder zu beruhigen. „So ist es viel besser.“, bestärkte ihn die Xylianerin. „Und jetzt werde ich Ihnen auch erklären, was ich vorhin meinte. Natürlich ist Ihre Mission gescheitert, wenn Sie betrachten, warum Sie eigentlich ins Reich der Toten aufgebrochen sind. Aber wenn man eine andere Situation zugrunde legt, waren Sie sogar sehr erfolgreich. Sie haben verhindert, dass Sytania das Reich der Toten erobert. Ich möchte mir nicht ausmalen, was sie dann für Möglichkeiten hätte. Schließlich gibt es dort Zugänge zu allen Dimensionen und das Reich selbst ist ein so genanntes Superuniversum. Überlegen Sie mal, was geschehen wäre, wenn Sie sich der Situation nicht so gut angepasst und Ihre Strategie nicht geändert hätten. Sie haben uns allen damit sicher einen großen Dienst erwiesen. Sie und Sharie!“

Mikel riss verwirrt die Augen auf und gab einen auf Unverständnis hindeutenden Laut von sich. „Wieso Sharie?!“, fragte er. „Logar war doch derjenige, welcher, D/4! Das müssen Sie doch auch gesehen haben!“ „Das ist korrekt, Agent.“, sagte die Sonde. „Dennoch glaube ich nicht ganz an das, was ich gesehen habe. Es gibt nämlich Fakten, die dem widersprechen.“

Der erste Offizier der Granger drehte sich zu ihr um und sah sie an. Dann sagte er: „Ich höre.“ „Die Zeit war zu knapp!“, erklärte die Sonde in wenigen Worten mit viel Überzeugung in der Stimme. „Welche Zeit?“, fragte Mikel. „Die Zeit, die vergangen ist, zwischen dem Zeitpunkt, als Sytania auftauchte und dem angeblichen Eingriff ihres Vaters. Ich gebe zu, Logar ist ein Mächtiger, für den Zeit eigentlich keine Rolle spielt, wohl aber für seine imperianischen Soldaten und seine Vendar, die Sterbliche sind. Sie können unmöglich binnen weniger Sekunden so einfach Sytanias Gebiet und Palast erobert haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass sie auch dort auf Widerstand gestoßen sein werden. Sytanias Truppen werden dies alles schließlich nicht kampflos einfach so aufgeben, nur weil Logar sie darum bittet.“ „Sicher nicht.“, lachte Mikel, der sich eine solche Situation gerade vorstellte. „Aber das war noch nicht alles.“, sagte D/4. „Auch Telzan wird genau aus diesen Gründen nicht so schnell bei ihr gewesen sein können. Ich bin überzeugt, unter normalen Umständen wird er, da er auch ein trainierter Kämpfer ist, Iranach nie so exponiert seine Brust geboten haben, dass sie den Dolch so gerade hätte einstechen können. Ich denke, dass Sie mir darin zustimmen werden, als ausgebildeter Kriminalist.“ „Faszinierend, auf welche Details Sie achten, D/4.“, sagte Mikel. „Aber Sie haben mit allem Recht, was Sie gesagt haben. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt es mir auch auf. Aber wie soll Sharie …“ „Ganz einfach.“, sagte die Sonde. „Sie haben über Ihre Silberschnur eine Verbindung zwischen Ihrem Gehirn und Ihrem Geist geschaffen, der sich außerhalb Ihres Körpers befand. Sharie benutzte diese Verbindung als Trägerwelle, um uns einen Einblick in Ihr Tun zu ermöglichen. Das bedeutet, all das, was Sie erlebten, wurde über ihre Systeme übertragen. Sie ist in der Lage, Simulationen zu erzeugen. Ihr Avatar ist ja auch nichts anderes. Außerdem haben all diese Schiffe die Fähigkeit, Schwachpunkte ihres Gegenüber zu erkennen und auszunutzen. Bei Paris waren es schöne Frauen, bei denen er schwach wurde und denen er aus der Hand fraß. Bei Sytania ist es ihre Angst, ihre Habe, ihre Macht und die Kontrolle über ihr Vorhaben zu verlieren und die Angst, dass Logar alles rückgängig machen könnte, was sie erreicht hat. Ich bin überzeugt, Sytania weiß ganz genau, dass sie gegen die kosmischen Gesetze verstoßen hat und dass ihr Vater das nicht gut heißen kann und wird. Davor hat sie, bitte verzeihen Sie, einen Heidenschiss!“ „D/4!!!“, sagte Mikel so laut, dass es sogar Tchey mitbekam, die sich noch immer in Sharies Cockpit befand. „Ich glaube, ich muss mal nach hinten, Sharie.“, sagte sie. „Tu, was du nicht lassen kannst.“, grinste sie der Avatar ihres Schiffes an. „Aber nimm deinen Neurokoppler mit und schließ ihn bitte hinten an. „Ich glaube, gleich wird etwas passieren, über das ihr alle sicher meine Meinung hören wollt.“ „Also, heute bist du rätselhafter als die Sphinx, Sharie.“, sagte Tchey, zog ihren Neurokoppler ab und stand vom Pilotensitz auf. Dann drehte sie sich der Zwischentür zwischen Cockpit und Achterkabine zu, die Sharie bereitwillig für sie öffnete.

„Tchey!“, erkannte D/4 ihre inzwischen langjährige Kollegin. „Ja, so heiß’ ich, das weiß ich!“, sagte die Angesprochene cool und setzte sich auf das Ende der Bank, auf der Mikel immer noch lag, um dann ihren Neurokoppler an einen der sich dorrt in der Nähe befindenden Ports anzuschließen. Dies veranlasste auch Sharie sofort, ihre Reaktionstabelle umzuladen.

Sie beugte sich über Mikel. Dann sah sie in sein blasses Gesicht. „Bist du OK?“, fragte Tchey salopp. „Wie man’s nimmt.“, sagte der Agent. „Betsy konnte ich nicht zurückholen, aber ich habe wohl verhindert, dass Sytania das Reich der Toten erobert, zumindest dann, wenn ich D/4 glauben kann. Dein Schiff soll mir dabei geholfen haben, aber ich erinnere mich nicht an Sharie, sondern nur an Logar! Kannst du mir das vielleicht erklären?!“ „Kann ich nicht.“, sagte Tchey. „Aber es würde zu dem passen, was Sharie gegenüber mir angedeutet …“

Eine Weile lang saß sie stocksteif da. Dann breitete sich ein Grinsen über ihr Gesicht, das ihren Mund so breit werden ließ, dass der Rest ihres echsenartigen Gesichtes zusammengeknautscht wurde. Dann sprang Tchey auf und gab einen ziemlich lang gezogenen freudigen extrem lauten Schrei von sich. Dann schlug sie sich auf die Schenkel und rief: „Ach du Schande! Das ist jetzt nicht wahr, oder?! Heute ist wohl wieder einer dieser verdammt geilen Tage, an denen Sachen ohne Apparat passieren! Man stelle sich das vor! Mein Schiff, meine kleine Sharie, die eigentlich viel zu lieb ist für das große böse Universum da draußen, scheucht Sytania mit einer List in ihren Körper zurück! Mann, dass hätte ich dir echt nicht zugetraut! Aber bist das eigentlich noch du?! Wer immer du bist, gib mir meine Sharie zurück!“ „Aber ich bin doch hier, Tchey.“, sagte Sharies Avatar mit einem unschuldigen Blick. „Ich habe wohl nur etwas mehr Selbstvertrauen gewonnen. D/4, du hattest Recht mit deiner Theorie. Alles, was ihr bezüglich Logar gesehen habt, waren Simulationen.“ „Das glaub’ ich jetzt nicht!“, äußerte Tchey völlig außer Atem. „Nein, das glaube ich jetzt nicht!“ „Tja.“, sagte Sharie. „Ich bin eben lange nicht mehr die Unschuld vom Lande, die ich wahr, bevor du mich gefunden hast.“

Mikel grinste und setzte sich auf. D/4 ließ ihn gewähren, denn sie konnte an seinen medizinischen Werten sehr gut sehen, dass es ihm inzwischen viel besser gehen musste. „Ich hoffe, Lasse und du, ihr habt im Schlafzimmer Lärmschutzfenster, Tchey!“, scherzte er. „Agent!“, ermahnte ihn die Sonde.

„Ich denke.“, sagte Tchey, die sich inzwischen wieder einigermaßen beruhigt hatte und nicht weiter auf Mikels Spaß eingegangen war. „Wir sollten die Gastfreundschaft Ihrer Leute nicht länger strapazieren, D/4. Bitte machen Sie ihnen deutlich, dass wir nach Hause wollen.“ „In Ordnung.“, sagte die Sonde und unterbrach ihre Datenverbindung zu Sharie, um mit ihren Leuten Kontakt aufzunehmen. Tchey ging wieder nach vorn und ließ sie mit ihrem Patienten allein. Die Xylianer führten Sharie noch aus dem Hangar und dann verabschiedete man sich am SITCH.

„Weißt du was, Tchey.“, sagte Sharie. „Die Xylianer haben meinen Hauptdatenkristall defragmentiert, was wohl mal bitter nötig war. Puh! Ich denke, du wirst das schon an meinen Reaktionen gemerkt haben. Ich denke, das war eine vertrauensbildende Maßnahme, die auch erfolgreich war. Sie sind gar nicht so übel, wenn man sie erst mal kennt.“ „Wow.“, machte Tchey. „Was für eine Einsicht, Sharie.“ Dann ließ sie das Schiff Kurs Richtung Erde setzen. Dort würde sie sich gemeinsam mit Mikel und D/4 von ihr absetzen lassen, um Sharie dann den Heimflug zu ermöglichen, damit auch Lycira zurückkehren konnte.

Kapitel 55: Ein überraschendes Ass im Ärmel

von Visitor

 

Nayale hatte sich unruhig auf ihrer Pritsche im Gefängnis von Sytania herumgewälzt. Sie hatte zwei Vendar über einen kindlichen Krieger reden hören. Während der Zeit, in der sie noch in Sytanias Gunst gestanden hatten, hatte Malcolm unbedingt die Sprache der Vendar lernen wollen, da sich zwischen Dirshan und ihm ein Verhältnis wie zwischen dem großen und dem kleinen Bruder entwickelt hatte. Malcolm hatte Dirshan sehr bewundert und ihm nachgeeifert. Um seine Sprache zu erlernen, hatte er seine Mutter gebeten, ihm dabei zu helfen und ihn abzuhören. Dadurch hatte auch Nayale sich ein beachtliches Vokabular angeeignet. Ob dies jetzt aber ein Segen oder ein Fluch werden sollte, würde sich noch herausstellen müssen. Jedenfalls reichten Nayales Kenntnisse wohl aus, um zu erkennen, dass hier etwas passiert war, das die junge Mutter in höchste Alarmbereitschaft versetzte.

Elaria waren Nayales Regungen nicht entgangen. Leise schlich die Genesianerin zu ihrer Zellengenossin hinüber. „Was hast du, mein zartes Pflänzchen?“, fragte sie und setzte sich so hin, dass Nayale fast keine Wahl hatte, als sich an ihre Schulter zu lehnen. „Ich habe zwei Wächter belauscht.“, sagte die Zeonide traurig. „Ich glaube, sie haben über meinen Sohn gesprochen.“

Elaria fuhr herum. Die Tatsache, dass ihre Zellengenossin offensichtlich in der Lage war, die Sprache ihrer Bewacher zu verstehen, würde ihr ihre Spionagetätigkeit für Shashana und Logar sehr erleichtern. „Du kannst Vendarisch?!“, fragte die Genesianerin mit leiser aber dennoch hoch erregter Stimme. „Ein wenig.“, flüsterte Nayale zurück, denn das Letzte, was sie wollte, war, dass die Vendar Wind davon bekamen, dass sie von ihr verstanden wurden. „Wir sollten nur ganz leise darüber reden.“, versuchte sie, Elarias Freude einzudämmen. „Sie dürfen ja schließlich nicht wissen, dass ich sie verstehen kann. Sonst wäre es das gewesen mit unserer Spionage.“ „Mein Reden.“, sagte die Genesianerin, die wohl auch ein bisschen stolz auf Nayale war. Diese zart besaitete Person hatte offensichtlich Talente, von denen die Kriegerin nicht im Geringsten geahnt hatte, dass es sie in Nayale gab. „Vielleicht sollte ich dich nicht mehr mein zartes, sondern mein kluges Pflänzchen nennen.“, sagte sie. „Vielleicht solltest du mich einfach Nayale nennen!“, sagte diese selbstbewusst. „Oh, welch Selbstvertrauen!“, lächelte Elaria. „Du trittst ja ganz anders auf, jetzt, wo du denkst, dass du gebraucht wirst.“ „Ich trete anders auf, weil ich mich gern an Sytania rächen möchte für das, was sie meinem armen Kind angetan hat!“, erklärte Nayale. „Du wirst das nicht verstehen. So viel Aufwand für einen Jungen. Wenn Malcolm ein Mädchen wäre, dann wäre das sicher etwas anderes, aber …“ „Hör zu, Nayale!“, sagte Elaria und betonte den Namen der jungen Zeoniden besonders stark. „Erzähl mir doch einfach, was du gehört hast. Ich werde dich nicht verurteilen! Ich weiß, du liebst deinen Sohn und ich weiß auch, dass wir alle am Ende sind, wenn Sytania mit ihrem Plan durchkommt! Dann kann es uns egal sein, ob Malcolm ein Junge oder ein Mädchen ist! Also rede!“ „Ich habe gehört.“, sagte die junge Zeonide und es zerriss ihr fast das Herz dabei. „Dass Sytania und zwei Palgeister ein Geistwesen erschaffen haben, das sie in den Körper von Malcolm gepflanzt haben. Jetzt zieht es durch die Dimensionen und verbreitet in Sytanias Namen Angst und Schrecken! Oh, Gott, mein Malcolm! Mein armer kleiner Malcolm! Er war immer so ein liebes Kind! Wenn er gelächelt hat, dann ging die Sonne auf, Elaria! Er war nie boshaft zu anderen und jetzt? Was ist jetzt aus ihm geworden?!“ Sie begann laut zu weinen. „Hey!“, sagte Elaria und schüttelte sie. „Hier wird nicht aufgegeben, klar?! Ich sage dir jetzt mal was. Dein kleiner süßer lieber Malcolm wird wieder der liebe Junge sein, der er auch sonst ist, wenn er erst mal von Sytanias Monster befreit ist. Das schwöre ich dir beim Grab von Prätora Shashana, wenn sie mal eins hat. Sein Charakter hat sich ja nicht verändert und ich bin sicher, man wird einen Weg finden, ihm zu helfen!“

Sie stand auf und ging in eine Ecke der Zelle, in der sie Lumpen gefunden hatte. Diese gehörten zur Standardausrüstung von Sytanias Gefängniszellen und konnten für allerlei Wischtätigkeiten genutzt werden. Mit einem der schmutzigen Lappen kehrte sie zurück und wischte Nayale die Tränen ab. „Bitte verzeih, dass ich dir kein weißes Spitzentaschentuch replizieren kann.“, sagte sie. „Ist schon gut.“, sagte Nayale und lachte sogar.

Die Kriegerin setzte sich erneut auf den Platz auf Nayales Pritsche und zog sie wieder an sich. „Ich glaube, es wird besser sein, wenn ich dich für eine Weile ablenke.“, sagte sie. „Dann musst du nicht so viel an deine und die Geschichte deines Sohnes denken. Wie wäre es, wenn ich dir zur Abwechslung einmal die Meine berichten würde.“ „Darauf bin ich gespannt.“, sagte Nayale. „Aber einen Teil kenne ich ja schon. Du hast gesagt, du seiest Logars Geschöpf. Aber wie ging das alles vor sich? Bist du vom Himmel gefallen und das direkt der obersten Prätora vor die Füße?“

Elaria brach in schallendes Gelächter aus. „Oh, nein, so war das nicht!“, sagte sie. „Und Shashana war auch nicht Logars Bettgespielin, wenn du das meinst. Aber bevor du hier noch in weitere abstruse Spekulationen abdriftest, sage ich lieber, wie es wirklich war. Also. Shashana ist von Logar besucht worden. Erst war sie wenig begeistert, aber der Herrscher hat sie schlussendlich doch überzeugen können, weil in seinem Gefolge eine junge Genesianerin war, die keiner vorher gesehen hatte. Wer, glaubst du wohl, ist das gewesen?“ „Du!“, sagte Nayale mit großer Sicherheit in der Stimme. „Genau!“, lobte Elaria. „Nicht nur Sytania kann Wesen erschaffen. Logar ist darin sicher genau so gut. Ich war sein Geschenk an Shashana und sein Beweis, dass er es ehrlich meinte. Du weißt ja sicher, dass die Genesianer an sich Männern nicht viel zutrauen, auch dann nicht, wenn sie Herrscher sind. Aber Logar hat Shashana einen Blick in die Zukunft werfen lassen. Von ihm hat sie außerdem einen Kontaktkelch. Damit kann sie zu mir und zu Logar Kontakt aufnehmen. Ich sollte dann in einem veralteten Schiff mit kleinen Fehlern Sytanias Vendar ins Netz gehen. Das hat auch prima geklappt! Logar hatte nämlich seine Tochter sehen lassen, dass er mich erschaffen hatte und so sollte es für sie aussehen, als könnte sie ihm leicht seinen Trumpf aus dem Ärmel ziehen. Sie hat ja nicht geahnt, dass sie sich damit selber ein riesiges Ei ins Nest legte und voll in seine Falle tappte, als ihre Vendar mich aufbrachten.“

Nayales Gesicht hellte sich auf. „Oh, Elaria!“, rief sie aus. „Dann haben wir ja alle doch noch eine Chance!“ „Was dachtest du denn?!“, fragte die Genesianerin. „Hast doch wohl nicht ernsthaft geglaubt, dass Logar seine Tochter damit durchkommen lässt, oder?“ Die junge Zeonide schüttelte den Kopf. „Na also.“, sagte Elaria. „Ich verrate dir nur so viel. Ihre Hoheit wird noch ihr blaues Wunder erleben und daran werden wir Genesianer nicht ganz unschuldig sein. Folglich liegt mir daran, dass du stillhältst, keinen Gedanken an Flucht verschwändest und mir alles zuträgst, was du verstehen kannst, verstehst du mich?“ „Ziemlich gut.“, sagte Nayale, die durch Elarias Geschichte wieder neue Hoffnung gefunden hatte. „Ich werde also weiter die brave nichts ahnende Gefangene spielen.“ Noch in ihren Armen schlief sie ein.

Ginalla und Kamurus hatten ohne Schwierigkeiten die Grenze zwischen der Föderation und dem genesianischen Gebiet überqueren können. Zwar hatten Bojen, die jedes Zivile Schiff riefen, das sich der Grenze näherte, sie eindringlich vor dem Übertritt gewarnt, Ginalla hatte ihrem Schiff aber befohlen, dies zu ignorieren. „Die Dinger machen ja auch nur ihren Job.“, hatte die junge Celsianerin geflapst.

Jetzt waren sie auf jeden Fall schon fast genau dort, wo sie sein wollten. „Wie wirst du jetzt eigentlich weiter vorgehen, Ginalla?!“, fragte das Schiff. „Na ja.“, sagte die Angesprochene. „Ich hatte mir gedacht, du wirst mich einfach mal mit der obersten Prätora verbinden und dann …“

Dazu, ihre Pläne weiter auszuführen, kam sie nicht, denn Kamurus’ Sensoren nahmen im selben Moment ein genesianisches Schiff wahr, das sich mit hohem Warp näherte. „Es scheint, wir bekommen Gesellschaft, Ginalla.“, meldete er nüchtern. „Dann is’ das eben so.“, sagte Ginalla cool. „Ruf das Schiff und dann verbinde mit mir. Du kennst das ja schon.“ „Oh, ja, ich kenne das ja schon.“, sagte Kamurus mit bissigem Unterton, denn er erinnerte sich noch sehr gut an das letzte Mal, als Ginalla mit den Genesianern verhandelt hatte. „Dieses Mal werde ich mich definitiv beherrschen.“, tröstete sie, die auch wusste, was ihr Schiff mit seiner Äußerung gemeint hatte. „Also gut.“, sagte Kamurus und leitete die notwendigen Schritte ein.

Von der Genesianerin erfolgte aber keine Antwort, sondern sie begann damit, ihre Waffen zu laden. Auch dies meldete Kamurus seiner Pilotin sofort. „Was soll das denn?!“, fragte Ginalla. „Hassen die mich denn immer noch?!“ „Diese Frage kann ich dir leider nicht beantworten.“, sagte Kamurus. „Dazu fehlen mir leider die Daten.“

Er machte plötzlich ein alarmiertes Gesicht. „Was is’?“, fragte Ginalla. „Ich empfange beunruhigende technische Werte von dem genesianischen Schiff!“, sagte Kamurus. „Technische Werte?“, fragte Ginalla zurück. Der Avatar nickte. „Zeig her!“, sagte Ginalla, die als Celsianerin ja durchaus etwas mit technischen Werten anfangen konnte.

Bald darauf sah sie einige Kurven und Zahlen auf dem virtuellen Schirm vor ihrem geistigen Auge. „Ach du Scheiße!“, rief sie aus. „Dieses Schiff hat einen Überlastfehler im Waffenpult! Wenn die feuern will, wird ihr die ganze Konsole um die Ohren fliegen! Los, Kamurus! Schalte auf Dauerruf! Wir müssen sie erreichen, bevor noch was Schlimmes passiert und sie einen unehrenhaften Tod erleidet! Mach schon!“ Kamurus Avatar nickte erneut und das Schiff nahm die notwendigen Schaltungen vor.

Quälend lange schien Ginalla die Zeit. Sie sah zwar, dass Kamurus sich redlich mühte, die Genesianerin zu erreichen, aber anscheinend ohne Erfolg. „Soll ich ihre Waffen mit einem Energieimpuls lahm legen?!“, fragte er schließlich verzweifelt. „Bist du verrückt?!“, herrschte Ginalla ihn an. „Ich habe gesagt, dass das Waffenpult einen Überlastfehler hat. Da ist schon genug Energie mit Hochspannung drin! Wenn du das machst, können wir sie in kleinen Stücken einsammeln und wieder zusammensetzen! Ich bezweifele nur, dass sie das überleben wird!“ „Tut mir leid, Ginalla.“, entschuldigte sich Kamurus für seine Torheit. „Schon gut.“, sagte Ginalla. „Ist schon echt Scheiße, wenn man keine Antwort kriegt und eigentlich nur helfen will. Wir könnten sie einfach in ihr Unglück rennen lassen, aber ich glaube, dann könnten wir unser Vorhaben knicken.“ „Ganz deiner Ansicht.“, sagte Kamurus, der immer noch damit beschäftigt war, die Genesianerin zu rufen.

„Zeig mir noch mal die Werte ihrer Systeme.“, sagte Ginalla. „Aber jetzt am besten alle und nicht nur das Waffensystem.“ „Wie du willst.“, sagte Kamurus. Dann bekam Ginalla erneut die Werte zu sehen. „Ihr Sprechgerät läuft.“, interpretierte sie diese. „Daran kann es also nicht liegen. Sie hat wohl schlicht und einfach keine Lust, mit uns zu reden.“ „Das glaube ich schon lange.“, sagte Kamurus. „Ich kann nämlich bestätigen, dass unser Ruf empfangen wurde.“ „Dabei würde ein einfaches Gespräch mit mir ihr Leben retten!“, sagte Ginalla mit einem abfälligen Unterton. „Wie vernagelt kann man eigentlich sein?!“

Kurz nach Ginallas Ausspruch schien sich an Bord des genesianischen Schiffes tatsächlich etwas zu tun, aber leider nicht das, was die Celsianerin gern gesehen hätte. „Ginalla, sie beginnt zu feuern!“, meldete Kamurus. „Die Überspannung wird gleich ihr Pult zur Explosion bringen!“, sagte Ginalla. „Hol sie raus da, Kamurus! Mach schon! Ich weiß, dass das wie eine Entführung aussieht, aber ich riskiere lieber eine Anklage wegen Entführung, als eine wegen unterlassener Hilfeleistung und für das Zulassen eines unehrenhaften Todes!“ „Na gut.“, sagte Kamurus und erfasste die genesianische Pilotin mit seinem Transporter.

Bruchteile von Sekunden, nachdem sie sich in seinem Cockpit neben Ginalla materialisiert hatte, explodierte bereits die Konsole. Dies zog eine Strahlungskaskade nach sich, die schlussendlich auch den Warpkern zum Bruch brachte. Das war das endgültige Todesurteil für das genesianische Schiff. Kamurus war es gerade noch gelungen, rechtzeitig auszuweichen.

„Klasse gemacht, Kumpel!“, lobte Ginalla und atmete erleichtert auf. „Danke, Ginalla.“, sagte Kamurus. „Jetzt solltest du aber mal versuchen, ihr zu erklären, warum du sie entführt hast.“ „Mit dem größten …“, setzte Ginalla an, aber im selben Moment hörte sie ein Geräusch hinter sich, das klang, als würde jemand einen Säbel oder so etwas ziehen. Dass die Genesianer auch gut im Umgang mit Stich- und Hiebwaffen waren, wusste die junge Celsianerin. Da standen sie den Klingonen in nichts nach. „Ginalla, Vorsicht, hinter dir!“, warnte Kamurus sie, was sie gleich zum Anlass nahm, um sich umzudrehen. „Nicht provozieren!“, ermahnte er sie noch einmal eindringlich. Er wusste, dass die Genesianerin ihn nicht hören konnte, weil er ja weder eine Reaktionstabelle von ihr erstellt hatte, noch hatte sie einen Neurokoppler auf. „Ich kann ihr immer noch die Waffe aus der Hand beamen!“ „Hey, lass das.“, zischte Ginalla. „’ne Genesianerin ohne Waffe is’ ’ne nackte Frau. Ich krieg’ das schon hin.“ „Hoffentlich.“, meinte Kamurus und sein Avatar machte ein sorgenvolles Gesicht. „Hör sofort auf zu unken, Mr. Knittergesicht.“, erwiderte Ginalla.

„Mit wem redest du die ganze Zeit, Celsianerin?!“, fragte eine heisere Stimme plötzlich in lupenreinem Englisch. „Hey, Moment mal.“, sagte Ginalla für ihre Verhältnisse sehr besonnen und ruhig. „Wo ich herkomme, sagt man erst mal hallo, oder etwa nich’?“

Die Genesianerin sah sie verdutzt an und ließ dann ihre Waffe fallen. Dann wandte sie sich Ginalla zu, die ein erleichtertes Gesicht machte. „Ich habe ja schon viel über euren Humor erfahren.“, sagte die Kriegerin. „Aber dass er richtig entwaffnend sein kann, wusste ich nicht. Übrigens, ich bin Nala Tochter von Armina, vom Clan der Kinash.“ „Angenehm, Nala.“, sagte Ginalla. „Ich bin Ginalla Tochter von … Em … Hab’ ich vergessen. Ganz im Ernst. Bin im Heim aufgewachsen. Aber soweit ich das erfahren konnte, kann mir meine Familie echt den Buckel runter rutschen. Heute brauch’ ich sie auch nich’ mehr.“

Nala warf ihr einen traurigen Blick zu. Dann sagte sie: „Warum hast du mein Schiff zerstört, Ginalla?“ „Oh, das war ich nich’.“, sagte Ginalla. „Das warst du wohl selbst, als du gefeuert hast. Dein Waffenpult hatte einen Überlastfehler.“ „Was ist ein Überlastfehler?“, fragte Nala. „Sagen wir mal so.“, erklärte die technisch versierte Ginalla. „Die Komponente, die regelt, wie viel Spannung das Waffenpult kriegen darf, die hat gepennt, verstehst du?“

Nala gab einen erleichterten Laut von sich und sagte plötzlich nur noch ganz feierlich: „Du bist es!“ „Ich bin was?!“, fragte die völlig irritierte Ginalla. „Du bist genau die, die wir erwartet haben.“, erklärte Nala. „Nur eine Celsianerin wie du hätte den Fehler entdecken können und nur du hättest mich vor einem ehrlosen Tod bewahrt.“ „Nu’ trag ma’ nich’ so dick auf!“, sagte Ginalla. „So ’n Fehler erkennt bei uns jedes Kleinkind. Aber mit dem Zweiten könntest du schon Recht haben. Ich weiß nämlich ’ne ganze Menge über euch. Aber heißt das, du hast selbst dein Schiff manipuliert, um …“ „Um dich zu prüfen.“, ergänzte Nala. „Und zwar im Auftrag der obersten Prätora selbst. Aber jetzt weiß ich ja, dass du tatsächlich die bist, die wir sehen. Im Zusammenhang mit Sytania sollten wir nur auf alles gefasst sein.“ „Das kann ich nur unterschreiben.“, lächelte Ginalla.

Nala sah sich im Cockpit um. „Wie steuerst du dein Schiff?“, fragte sie. „Damit.“, sagte Ginalla und zeigte auf ihren Neurokoppler. Dann befahl sie Kamurus, auch einen für Nala zu replizieren und half ihr, ihn anzuschließen. Dann erstellte das Schiff auch von ihr eine Tabelle. „Interessant.“, lächelte die Kriegerin, die Ginalla sich erst jetzt genauer ansah. Dabei fiel ihr auf, dass sie ca. 1,80 m groß, schlank und muskulös war. Über ihre Schultern fiel eine wallende schwarze Haarpracht. Der Brustpanzer, den sie trug, war reich mit allerlei Ornamenten und Figuren aus der Mythologie der Genesianer verziert. Um den Nacken trug sie den üblichen Perlenkragen, der nach einem komplizierten Muster über ihre Stellung im Clan und über ihre genaue Zugehörigkeit aufklärte. Ginalla war das Wurst. Sie konnte so etwas ja ohnehin nicht interpretieren.

„Bitte befiehl deinem Schiff, mich mit der obersten Prätora zu verbinden.“, sagte Nala. „Ich werde ihr mitteilen, dass du die Prüfung bestanden hast.“ „OK.“, sagte Ginalla und wandte sich in Kamurus’ Richtung: „Du hast sie gehört.“

Der Schiffsavatar nickte und wenig später sahen Ginalla und Nala in das Gesicht Shashanas. „Ich sehe, du hast unsere Prüfung bestanden, Ginalla.“, sagte sie. „Ich denke, dein Schiff kennt den Kurs nach Genesia Prime. Komm ruhig her! Du bist herzlich eingeladen. Ich muss ohnehin noch etwas mit dir besprechen und dir etwas zeigen.“ „Sehr liebensgewürzig.“, flapste Ginalla. „Was zeigen muss ich Euch auch, oberste Prätora.“ „Na dann können wir ja beide neugierig sein.“, sagte Shashana und beendete die Verbindung. „Na dann auf, Kamurus!“, sagte Ginalla. „So eine hochgestellte Persönlichkeit sollte man schließlich nicht warten lassen.“ „OK.“, nickte Kamurus und ging auf Warp.

Scotty und Shimar waren, wie gesagt, in meinem Haus im Wohnzimmer eingetroffen und hatten sich dort einander gegenüber auf zwei Sessel gesetzt. „Was passiert jetzt gleich eigentlich genau?“, erkundigte sich der Ingenieur. „Ich muss jetzt erst mal erspüren, ob noch etwas von Betsys geistiger Energie hier ist.“, sagte der tindaranische Patrouillenflieger und schaute konzentriert. „Wenn das der Fall ist, werde ich eine telepathische Verbindung zu dir aufbauen und dann musst du versuchen, dich völlig von dem Gefühl, das du hast, überwältigen zu lassen. Dadurch bist du dann so was wie mein Verstärker. Was immer auch passiert, vertrau mir bitte. Versuch bitte, weder die Dinge zu hinterfragen, noch dich dagegen zur Wehr zu setzen, auch wenn es dir noch so absurd vorkommt, was du fühlst.“ „Na OK.“, sagte Scotty zögerlich. „Bin ja sonst auch kein Hasenfuß.“

Plötzlich schreckte Shimar kurz auf, begann dann aber gleich, über beide Ohren zu grinsen. „Hast du was?“, fragte Scotty. „Oh, ja.“, sagte Shimar. „Pass auf. Es geht los!“ „Was kann ich machen, um es dir zu erleichtern?“, fragte Scotty. „Entspann dich am besten.“, sagte Shimar. „Nichts, gar nichts denken!“

Scotty sah plötzlich eine Art helles Licht und hörte eine fröhliche von hauptsächlich hohen Tönen getragene Musik. Außerdem spürte er eine weiche Decke um sich und roch den Duft von Rosen. Eine Stimme sang leise und hell zu der Musik. „Was bitte ist das, Shimar.“, fragte er. „Ist das etwa …“ „Ja, das ist Betsy.“, sagte Shimar. „Beziehungsweise ihre Präsenz.“ „So nehmt ihr Telepathen sie also wahr.“, sagte der Schotte. „Interessant.“ „Ja.“, sagte Shimar. „Zumindest die Telepathen, die sie mögen beziehungsweise lieben. Aber das ist nur ihr Überbleibsel, das sie hier hinterlassen hat. Gefunden haben wir sie deshalb noch nicht, aber weil ich nun einmal so ohne Weiteres nicht nach außerhalb der Dimension komme mit meinen Fähigkeiten, werden wir wohl erst mal nur ihren Körper suchen können.“ „Das weiß ich doch.“, sagte Scotty. „Und was jetzt?“ „Versuch dich völlig in dieser Wahrnehmung zu verlieren.“, sagte Shimar. „Und nicht hinterfragen oder zögern. Lass mich einfach nur machen. Vertrau mir! Ja, gut!“

Wie eine Woge schlug der sphärische Gesang über Scottys Kopf zusammen. Er war jetzt völlig mit seinem und Shimars Geist in dieser Wahrnehmung gefangen. Aber er fühlte sich nicht gefangen. Er fühlte nur eines und zwar, dass er zu schweben glaubte. Er sah Planeten und ganze Sternensysteme unter ihnen vorbei rasen und er wusste zwar genau, dass er an sich im Weltraum nicht überleben konnte, dachte sich aber, dass Shimar ihre Geister visualisiert haben und ihnen somit eine telepathische Suche ermöglicht haben musste.

Plötzlich schienen beide in irgendetwas hineingezogen zu werden. Scotty sah sich um und entdeckte, dass sie sich an Bord von Ginallas Schiff befinden mussten. Jetzt sah auch er meinen Körper in einem Stasecontainer liegen. Wir können sie sehen, Shimar!, dachte er. Wir können sie tatsächlich sehen! Ja, das können wir., gab Shimar zurück. Jetzt wissen wir zumindest, dass es ihr gut geht. Bei Ginalla ist sie in Sicherheit. Hoffentlich irrst du dich da nicht., meinte Scotty.

Die seltsame Wahrnehmung erlosch und sie wachten wieder auf. „Das war Wahnsinn, Kumpel!“, sagte Scotty. „Kann ich mir denken.“, sagte Shimar abgekämpft. „Aber jetzt brauche ich erst mal eine Pause, bevor wir es wieder versuchen können.“ „Du willst noch mal?!“, fragte Scotty. „Ja.“, sagte Shimar. „Ich denke, wir müssen rauskriegen, wo genau Ginalla und Kamurus jetzt sind.“ „Na gut.“, sagte Scotty. „Dann werde ich uns erst mal einen anständigen Kaffee replizieren. Du kannst mir ja sagen, wenn du wieder so weit bist.“ Shimar nickte.

Ich war in meine Wohnung zurückgekehrt und dachte dort über einiges nach, als ich von draußen Schritte und zwei bekannte Stimmen hörte. Die eine Stimme gehörte Lomādo und die andere Stimme Lorana. Beide näherten sich meinem Appartement. Eigentlich galten die Türen als schalldicht, aber meine Ohren waren ja auch um einiges besser als die von manch anderem. „Was meinen Sie, Lomādo?“, fragte die alte Zeonide. „Wird sie meine Entschuldigung annehmen?“ „Ich bin sicher, das wird sie.“, entgegnete mein neuer Freund. „Sie denkt ja, dass sie eine noch viel größere Schuld auf sich geladen hat.“

Die Sprechanlage kündigte den Wunsch der Beiden an, meine Wohnung zu betreten. „Kommen Sie ruhig rein.“, beantwortete ich den Ruf und ließ den Rechner die Tür entriegeln. Beide folgten meiner Aufforderung. Die Erste allerdings, die sich mir näherte, war Lorana, die ich hinter dem riesigen Blumenstrauß, den sie mir entgegenstreckte, zunächst nicht wirklich wahrnehmen konnte. „Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen.“, sagte sie. „Schließlich hätte ich Sie beinahe Sytania ausgeliefert.“ „Ich habe Ihnen doch schon gesagt, Lorana, dass Sie keine Schuld trifft.“, sagte ich. „Sie wussten es doch nicht besser. Ich habe eine viel größere Schuld auf mich geladen. Ich war es nämlich, die Ihren Schwiegersohn erst zu dem gemacht hat, was er …“

Erneut hatte die Sprechanlage mein Geständnis unterbrochen. Aber dieses Mal musste es jemand anders sein. Antworten Sie!, hörte ich Lomādos Stimme in meinem Geist. Es ist Shinell. Sie will Sie abholen, aber Sie können ruhig mit ihr gehen. Es ist alles in Ordnung. Sagen Sie, dass Sie gleich rauskommen werden. Verabschieden Sie uns und dann gehen Sie mit ihr! Es ist alles OK!

Verwirrt nahm ich das Mikrofon in die Hand. Was war hier eigentlich gerade passiert? Warum hatte er mich gerade gebeten, mit der Frau mitzugehen, die sonst eigentlich unsere Gegnerin war und die nichts von meinem Fluchtplan wissen durfte? Diese Fragen würden sich nur klären lassen, das wusste ich, wenn ich tun würde, was Lomādo mir gerade gesagt hatte. Ich vertraute ihm schließlich und wenn Logar ihn quasi zu meinem Beschützer auserkoren hatte, dann tat ich wohl auch sehr gut daran.

Ich drückte also den Sendeknopf und sagte: „Einen Moment, Shinell. Ich komme gleich raus.“ Dann verabschiedete ich Lorana und Lomādo scheinbar, als wäre nichts gewesen und ging aus der Tür. Hier erwartete mich bereits die Schwester meines Freundes. Sie schien etwas nervös, als sie mich aus dem Gebäude zog. Dann gingen wir ein kurzes Stück bis zu einer Wiese, auf der ein tindaranisches Schiff stand. „Deine IDUSA-Einheit?“, fragte ich. „Ja.“, sagte sie sehr nervös und gab dem Schiff einen verbalen Befehl auf Tindaranisch, der es veranlasste, die Luke zu öffnen. Dann zog sie mich mit sich ins Cockpit. „Setz dich hin!“, befahl sie und gab mir einen angeschlossenen Neurokoppler, nachdem sie ihren Eigenen auch angeschlossen und aufgesetzt hatte. Dann sagte sie: „Starten, IDUSA! Kurs Omarior!“ „Was ist hier los, Shinell?!“, fragte ich, die ich die Welt nicht mehr verstand. „Willst du das Widerstandsnest ausräuchern oder so was?!“ „Ach was!“, sagte sie. „Im Gegenteil. Ich glaube langsam auch, dass hier was nicht stimmt. Deine Theorie, Beinahe-Schwägerin, hat mich überzeugt.“ „Warte mal.“, sagte ich. „Soll das heißen, du riskierst deinen schönen Job, um …“ „Genau!“, sagte Shinell. „Die Quellenwesen mögen das anders sehen, aber du musst zurück! Sonst siegt Sytania und wir haben ja einen kleinen Einblick dessen bekommen können, was dann passiert. Die Quellenwesen sind mit der Situation völlig überfordert, geben das aber nicht zu. Es ist mir scheißegal, wenn ich bestraft werde! So was wie Sytanias Sieg darf nicht passieren! Deshalb helfe ich dir, auch wenn die das nicht kapieren, aber Blut ist nun mal dicker als Wasser und du gehörst ja quasi zur Familie.“ „Oh, welch Sinneswandel.“, sagte ich mit ironischem Unterton. „Oh ja.“, sagte sie. „Und da kannst du drauf!“

Wir machten einen Schlenker. Dann meldete sich der Avatar über die Neurokoppler: „Shinell, Betsy, wir haben Omarior erreicht.“ „OK.“, sagte Shinell. Dann setzte sie ihren Koppler ab und bedeutete mir, das Gleiche zu tun. Vorher hatte sie ihrem Schiff noch befohlen zu landen, was es auch ausführte.

Wir stiegen aus. Shinell nahm mich bei der Hand und führte mich auf eine große Waldlichtung. Dann ließ sie mich plötzlich los. Im gleichen Moment hörte ich eine bekannte Stimme, die etwas an ihre Adresse richtete: „Shinell, schick sie her!“ „War das Neris?!“, fragte ich mit ungläubigem Staunen. „Ja.“, sagte sie. „Du wirst das alles noch verstehen und jetzt geh bitte einfach geradeaus.“ Ich nickte und machte mich vertrauensvoll auf den Weg, obwohl mir noch nicht ganz klar war, was hier eigentlich vorging. Shinell ging auch wieder zu ihrem Schiff zurück. Warum sie es sich hergewünscht hatte, war mir klar. Sie musste ja Zeit haben, mir die Dinge etwas zu verdeutlichen und das ging am besten auf einem etwas längeren Flug.

„Hier bin ich.“, hörte ich die Stimme der Bajoranerin, die mich zu sich rief. „Kommen Sie einfach geradeaus weiter, Betsy.“ „Ich komme, Neris.“, tat ich meine Absicht kund. Dann hatte ich sie endlich erreicht. „Sind Sie allein?“, fragte ich. „Nun, eigentlich nicht.“, sagte sie und im gleichen Augenblick nahm ich etwas wahr, das sich wie ein Sturm anfühlte und drohte, mich in seine Richtung zu ziehen. Wie der Rüssel eines Tornados drohte es, mich einzusaugen. Sie aber zog nur lässig ihren Tricorder, den sie sich hergewünscht haben musste, was ich an den Geräuschen, die ich aus dem Geschichtsunterricht auf der Akademie kannte, sehr wohl erkennen konnte. „Sehr schön, Odo.“, lobte sie leise, aber für mich doch gut hörbar. „Was?!“, fragte ich irritiert. „Ist das etwa tatsächlich …?“ „Ja, das ist er!“, sagte sie energisch und griff meine Schultern. „Und ich weiß nicht, wie lange er das noch durchhält! Deshalb hinein mit Ihnen!“

Bevor ich noch reagieren konnte, hatte sie mir einen kräftigen Stoß verpasst, der mich in das Phänomen fallen ließ. Jetzt bekam ich ungefähr einen Eindruck davon, wie sich ein japanischer Zierkarpfen in einem Umsetzschlauch fühlen musste. Es drehte mich um und um und ich dachte nur: Hoffentlich ist dieser Albtraum bald vorbei!

Auch Shimar und Scotty hatten etwas davon mitbekommen, allerdings nur unfreiwillig, denn der junge Tindaraner hatte es wohl verabsäumt, rechtzeitig sein Telepathiezentrum wirklich fest genug vor den Eindrücken zu verschließen. Da das Phänomen offensichtlich interdimensionalen Ursprungs war und sein eines Ende in unser Universum steuerte, kriegte Shimar alles mit. Diese Erfahrung war für ihn aber so intensiv, dass er sie kaum aushalten konnte und sich immer mehr verkrampfte. „Was is’ los?!“, fragte Scotty hektisch. „Hier passiert gerade was!“, schrie Shimar atemlos. „Was Großes! Zu groß für mich! Oh, ihr Götter, helft mir!“

Plötzlich begannen Gegenstände durch die Luft zu fliegen. Das lag wohl daran, weil Shimars Telepathiezentrum an dem Phänomen hing und er es nicht mehr wirklich unter Kontrolle hatte, so sehr er auch kämpfte, um diesen Zustand zu ändern.

Scotty griff nach seinen Händen. „Nein!“, sagte Shimar und versuchte, sich wieder aus seinem Griff zu befreien, aber das gelang ihm nicht. „Regel Nummer eins!“, sagte Scotty energisch. „Wenn man eine Strömung nicht bekämpfen kann, dann muss man sich von ihr tragen lassen, um nicht zu ertrinken! Außerdem ist geteiltes Leid halbes Leid und jetzt sei mal nicht so geizig mit deinem Schmerz, oder was immer du auch fühlst. Gib mir gefälligst was davon ab!“

Beide fühlten und sahen jetzt, wie ich von dem Phänomen irgendwo hingetragen wurde. Aber das Ende schien sich immer langsamer zu bewegen. Das war auch Kamurus nicht entgangen, der mein Neuralmuster positiv identifiziert hatte. Ich muss meine Hülle polarisieren., dachte er. Sie muss das Ende anziehen. Außerdem muss ich meine Schilde so umpolen, dass sie Betsys Neuralfeld in mein Inneres leiten. Ich muss diesem Ding irgendwie helfen. Er entschloss sich und nahm die notwendigen Systemschaltungen vor.

Tatsächlich war es Kamurus bald gelungen, Odo auf diese Weise beim Transfer meines Geistes in meinen Körper zu unterstützen. Jedenfalls tat ich bald einen tiefen Atemzug und erwachte. Ich tastete herum und bemerkte, dass ich mich in einem Stasecontainer befinden musste, dessen Luke aber im selben Moment zur Seite glitt. Dann hörte ich eine elektronische Stimme sagen: „Es ist alles in Ordnung, Betsy. Bitte versuchen Sie, aus dem Container zu steigen. Ich werde Ihnen Kleidung und Nahrung replizieren. Sicher haben Sie Hunger und Durst und Ihnen dürfte kalt sein.“ „Da hast du nicht übertrieben, Kamurus.“, sagte ich, die ich ihn erkannt hatte und schaffte es tatsächlich, aus dem Container zu klettern. „Aber wir waren doch meines Wissens schon beim Du.“ „Also gut.“, sagte das Schiff. „Dann bleibe bitte immer an der Wand. Dann kommst du automatisch zu einem Sitz. Das Auswurffach meines Replikators ist jetzt genau vor dir. Ich würde sagen, du wechselst erst mal dieses Leichentuch gegen eine ansehnlichere schöne warme Uniform aus.“ „Danke, Kamurus.“, sagte ich. „Aber könntest du bitte deine Sensoren Offline halten, während ich mich umziehe? Ich sage dir dann schon Bescheid.“ „Also gut.“, sagte das Schiff, das mein Schamgefühl durchaus irgendwie nachvollziehen konnte.

„Es wäre ganz gut, wenn du Ginalla informieren könntest, sobald ich wieder salonfähig bin.“, sagte ich. „Wo ist sie überhaupt?“ „Bei der obersten Prätora.“, sagte Kamurus. „Aber ich kann dich hinbringen, wenn du dich wieder einigermaßen fühlen solltest.“ „Das werde ich entscheiden, wenn ich was zwischen den Zähnen hatte, Kamurus.“, sagte ich, während ich die von ihm frisch replizierte Uniform anlegte. „In Ordnung.“, sagte er. Dann replizierte er mir noch einen Teller meiner Lieblingsspeise, die ich gierig verschlang. Nur, als ich das von ihm ebenfalls replizierte Getränk zu mir nehmen wollte, bemerkte ich, dass ich weder meine Lippen zum Ansetzen des Glases öffnen, noch das Glas heben konnte. Meine Hände und mein Mund schienen sich gänzlich meiner Kontrolle zu entziehen, aber ich wusste auch bald spontan, was helfen würde. „Hast du zufällig einen Strohhalm, Kamurus?“, fragte ich. „Natürlich.“, erwiderte er betont ruhig, um auch mir, die ich leicht panisch geworden war, Ruhe zu vermitteln und replizierte mir einen. Dann sagte er nur: „Bleib ganz ruhig. Ich verständige Ginalla!“ Ich gab einen bestätigenden Laut von mir, während ich das Getränk zufrieden durch den Strohhalm zog.

Kapitel 56: Weitere positive Wendungen

von Visitor

 

Zum selben Zeitpunkt saß Ginalla mit der obersten Prätora an einem Tisch in der großen Halle unter der Kuppel zusammen. Shashanas Leibwächterin Meduse stand im Hintergrund und beobachtete, wie beide gemeinsam speisten. Shashana hatte das Fleisch einer der auf Genesia Prime beheimateten Raubkatzen auftragen lassen, die ihre Jägerinnen extra geschossen haben mussten. Dies mochte für uns sehr befremdlich wirken, aber für die Genesianer war das ganz normal. In ihrem Glauben enthielt das Fleisch dieser Tiere auch ihren Mut, der bei ihrem Verzehr auf die Kriegerinnen übergehen sollte. Über diesen Umstand war Ginalla informiert, was sie auch gut zuschlagen ließ. Kamurus hatte ihr einen Auszug aus seiner Datenbank vorgelegt, in dem dieses Thema behandelt wurde. Die junge Celsianerin wunderte sich aber, warum die Jägerinnen die Beute bereits geschossen hatten, als sie eingetroffen war. Sie konnte nicht umhin zu vermuten, dass Shashana von ihrer Ankunft bereits durch irgendeinen Umstand Kenntnis gehabt haben musste. Das würde auch die Prüfung erklären, der sie und Kamurus unterzogen worden waren.

Shashana schenkte nun beiden aus einer großen Karaffe von einer Flüssigkeit in zwei Trinkgefäße, die einer großen Schöpfkelle ähnelten, ein. Nur waren sie tiefer und ihr Stiel war nicht ganz so lang. „Das beste Veddach, das mein Replikator zaubern kann!“, sagte die oberste Prätora schon fast etwas stolz. „Na, dann prost!“, erwiderte Ginalla, setzte ihr Gefäß an und nahm einen tiefen Schluck des auf Quark und einem Gewürz, das drei mal so stark wie terranischer Knoblauch war, basierenden Inhalts. Dann stellte sie es ab und hüstelte: „Ui! Das is’ aber mal ’n guter Tropfen!“ „Ich mag Leute, die gute Speisen zu schätzen wissen.“, lächelte Shashana. „Oh, ich auch.“, sagte Ginalla, die irgendwie nicht recht wusste, wie sie auf diesen Satz ihres Gegenüber reagieren sollte. „Und das werde ich Euch jetzt beweisen, Shashana!“ Damit griff sie nach einer Keule des Tieres, die noch immer fest an seinem Rumpf saß, riss sie ab und biss herzhaft hinein. „Dein Verhalten ist einer Genesianerin würdig.“, sagte Shashana. „Aber das wusste ich schon, als mir deine Ankunft angekündigt wurde, Ginalla vom Planeten Celsius!“

Verdattert ließ Ginalla ihr Fleischstück wieder auf das grobe Brett sinken, das ihr als Teller diente. „Wie angekündigt?“, fragte sie irritiert und sicher grammatisch etwas ungelenk. „Wie könnt Ihr denn …?“ „Das wirst du gleich sehen.“, sagte Shashana, wischte ihre Hände grob in ihrer Kleidung ab und sagte dann nach hinten gewandt: „Meduse, bring meinen Kontaktkelch!“ Die Leibwächterin nickte und verließ die Halle.

Ginalla hatte längst ihr Essen vergessen. Viel zu interessant erschien ihr das, was wohl gleich auf sie zukommen würde. Tatsächlich erschien die Wächterin bald wieder mit einem typischen imperianischen Kontaktkelch in der Hand, den sie auf Shashanas Geheiß auf dem Tisch abstellte. Ginalla betrachtete ihn sich sehr genau. Es war ein weißer Kristallkelch, in den zwei geflügelte Löwen graviert waren. Darunter befand sich das Clanwappen der obersten Prätora. Beide Wappen wurden durch zwei sich zwischen ihnen befindende Hände miteinander verbunden, die einander hielten. Aber auf der anderen Seite von Shashanas Wappen sah Ginalla noch eines, das ebenfalls mit zwei Händen mit dem Ihren verbunden war. Sie hatte zwar nicht oft Nachrichten gehört, aber sie erkannte das Staatswappen der Klingonen sofort! Langsam begann sie sich zu fragen, in was sie dort hineingeraten war. Sie wurde immer aufgeregter, denn das, was sie vermutete, konnte ja eigentlich nicht sein! Shashana konnte unmöglich mit Logar und dem klingonischen Kanzler ein Bündnis eingegangen sein! Shashana und zwei Männer?! Das war doch eigentlich etwas, das aufgrund der genesianischen Religion, in der Männer doch als mindere Wesen galten, unmöglich war!

Die junge Celsianerin wurde kreidebleich. „Was ist dir?!“, fragte Shashana lächelnd. „Ich kann nich’ glauben dass ...“, stammelte Ginalla. „Ich meine, Ihr könnt nich’ … Das kann nich’ …“ „Willst du sehen, ob es kann?!“, fragte Shashana und sah ihr direkt in die Augen, aber das so intensiv, dass Ginalla glaubte, keine Wahl zu haben, als zu nicken. „Gute Entscheidung!“, lobte Shashana. „Ich wusste, dass du kein Feigling bist. Also, nun lege deine linke Hand auf den Kelch und gib mir deine rechte Hand.“ Ginalla nickte und führte aus, was Shashana ihr gerade gesagt hatte. Dann dachten sie und die Genesianerin auf deren Anweisung sehr intensiv an Logars Gesicht.

Alsbald fuhr ein weißer Blitz von der Decke der Halle herab und die beiden Frauen sahen tatsächlich das Bild des Herrschers vor sich. Ich weiß, dass dich die Umstände verwirren müssen, Ginalla., erklärte der König telepathisch. Aber du gehörst zu den Auserwählten, die helfen werden, meiner Tochter einen gehörigen Denkzettel zu verpassen! Sei guten Mutes und beame wieder auf dein Schiff! Dann fliegst du ins Gebiet der Föderation zurück. Dort hast du noch etwas zu erledigen. Sei guten Mutes, egal, was auch immer dir geschehen mag. Du wirst schon das Richtige tun, wie alle, die ich auserwählt habe. Auch Klark, Kanzler der Klingonen, gehört zu meinen Auserwählten, wie du siehst!

Die Verbindung war getrennt worden. Shashana musste ihre Hände vom Kelch und aus Ginallas Hand gezogen haben. „Ich wollte dich ja nicht überfordern.“, gab sie grinsend als Grund an. Ginalla konnte nichts erwidern. Das erste Mal in ihrem Leben war sie komplett sprachlos.

Ein Geräusch aus ihrer Tasche ließ sie plötzlich aufhorchen. Sofort suchte sie nach dessen Quelle. Es war ihr Sprechgerät. Da sie Kamurus’ Rufzeichen erkannt hatte, antwortete sie: „Was is’, Kumpel?“ Dabei gab sie sich große Mühe, nicht ganz so fertig zu klingen. „Du wirst es nicht glauben.“, sagte Kamurus. „Allrounder Betsy ist gerade von den Toten auferstanden.“ „Willst du mich verarschen?!“, fragte Ginalla und ihr fiel fast das Gerät aus der Hand, weil ihre Hände so stark zitterten. „Nein, das will ich nicht.“, sagte das Schiff ruhig. „Ich kann verbinden, wenn du willst.“

Noch bevor Ginalla reagieren konnte, hatte Kamurus an mich durchgestellt. „Hallo, Ginalla.“, sagte ich. „Ich kann mir vorstellen, dass Sie das nicht verstehen. Ich verstehe es ja selbst kaum. Aber ich scheine auch irgendeinen Schaden davongetragen zu haben. Wir sollten mich zur Sternenflotte bringen und untersuchen lassen.“ „Darauf können Sie einen lassen, Betsy!“, stieß Ginalla hervor. „Los, Kamurus, hol mich ab und dann nichts wie ab nach Hause. Ich hab’ auch noch ’ne Story, die mir garantiert keiner abnimmt!“

Sie beendete die Sprechverbindung und steckte das Gerät wieder ein. Dann wandte sie sich Shashana zu: „Danke für die Gastfreundschaft.“ „Gern geschehen.“, sagte die oberste Prätora. „Geh nur. Aber mach dich auf etwas gefasst, das noch geschehen wird.“ „Was kann das denn noch übertreffen?“, fragte Ginalla. „Warte ab.“, gab sich Shashana geheimnisvoll. „Na gut.“, sagte die Celsianerin und stand auf. Das war für ihr Schiff das Zeichen, seinen Transporter zu aktivieren.

Konsterniert sah sie nach dem Transport in mein Gesicht. „Oh, Backe!“, lautete ihr Kommentar. „Noch so ’n Ding, das uns keiner glauben wird! Los, Kamurus. Setz’ Kurs in Richtung Heimat! Wir müssen da unbedingt wen finden, der uns die Story abkauft! Shashana, Klark und Logar! Das glaubt uns zu Hause keiner!“ „Nun mal langsam, Ginalla.“, tröstete ich. „Ich bin ja auch noch da.“ „Sie?!“, sagte sie bedient. „Sie setzen dem Ganzen noch die Krone auf!“ „Soweit ich mich erinnere.“, korrigierte ich sie, die ich mich an alles, was ich vor meinem Tod erlebt hatte, noch sehr klar erinnern konnte, nachdem ich mein Gehirn ja wieder in Besitz genommen hatte. „Waren wir nach der Sache mit Miray bereits beim Du.“ „Auch OK.“, sagte Ginalla. Dann wendete sie sich an Kamurus: „Mach, dass wir nach Hause kommen!“ Der Avatar nickte und das Schiff verließ das genesianische Sonnensystem, um dann ziemlich bald auf Warp zu gehen. Ginalla und ich würden auf dem Flug noch genug Gelegenheit haben, uns auszutauschen. Dann würde ich wohl auch endlich erfahren, was sie mit ihrer Story gemeint hatte, die ihr angeblich niemand abkaufen würde. Die bloße Erwähnung der Namen des imperianischen Königs und des klingonischen Kanzlers im Zusammenhang mit Shashana hatten mich doch neugierig gemacht.

Geduldig hatte Neris gewartet, bis sich Odo zurückverwandelt hatte. Jetzt sah sie in das Gesicht ihres völlig abgekämpften Freundes. „Herzlichen Glückwunsch!“, sagte sie. „Danke, Liebes.“, sagte der Formwandler. „Für einen Moment hatte ich befürchtet, es nicht zu schaffen, aber dann war da dieses Schiff!“ „Das Schiff.“, echote die Bajoranerin. „Lomādo sagte so etwas. Er meinte, dass sie auf der anderen Seite erwartet würde. Er wollte ja in der Dimension der Lebenden nach ihrem Körper suchen. Er sagte, er sähe sie auf einem Schiff ohne Piloten.“ „Genau so war es.“, bestätigte Odo.

Sie half ihm auf und stellte sich hinter ihn, um ihn zu stützen. Dann sagte sie: „Lass uns gehen. Du solltest dich unbedingt ausruhen.“ Odo lächelte müde und folgte ihr, die ihn sanft in Richtung ihres gemeinsamen Hauses zurückführte.

Mikel und Kissara hatten sich, nachdem Mikel von Sharie abgesetzt worden war, vor meinem Haus in der Sisko Road getroffen. „Warum genau wollten Sie mich hier treffen, Kissara?“, fragte der erste Offizier. „Es geht um das Haus Ihrer Freundin, Agent.“, sagte die Kommandantin. „Ich habe ein unbestimmtes Bauchgefühl, dass hier noch etwas passieren wird, das großes Aufsehen erregt. Shimar und Scotty machten am SITCH eine eindeutige Andeutung.“ „Na dann sollten wir der Sache mal nachgehen!“, sagte Mikel entschlossen und klappte seinen Taststock aus, den er, auch im 30. Jahrhundert, immer bei sich führte. „Das ist nicht nötig, Mikel.“, sagte Kissara und stellte sich links versetzt vor ihn, so dass ihr Arm in Reichweite seiner linken Hand war. „Ich werde Sie führen. Wer weiß, auf was für unberechenbare Dinge wir dort treffen werden.“ „In Ordnung, Commander.“, sagte Mikel und hakte sich bei ihr ein. „So sind wir auch etwas schneller.“ Sie setzten sich in Bewegung.

Völlig entkräftet lagen Shimar und Scotty auf dem Boden meines Wohnzimmers. Die ganze Sache musste sie doch sehr mitgenommen haben. Rund um sie herum war Chaos. Dies spiegelte sich vor allem in umgestürzten Möbeln und zerbrochenem Geschirr wieder, das überall herumlag. „Hast du gesehen, was sie gemacht hat?“, fragte Scotty total überwältigt. „Oh ja, das habe ich.“, antwortete Shimar. „Sie ist von den Toten auferstanden.“

Er setzte sich auf und blickte starr in eine bestimmte Richtung. „Was is’ los?“, flapste Scotty. „Da ist was, das ich nicht einordnen kann.“, sagte Shimar. „Es ist etwas, das es gar nicht mehr geben dürfte, zumindest dann nicht, wenn man unseren Medizinern glauben kann.“ „Wovon zur Hölle redest du?“, fragte der Ingenieur. „Ich rede von der Schutzverbindung.“, sagte Shimar. „Sie dürfte doch normalerweise nicht da sein, aber sie ist da. Ich kann es mir nicht erklären.“ „Aber ich kann vielleicht.“, sagte Scotty grinsend. „Hör mal, Kumpel. Dieses Energieding, das ihr hinterlasst, wenn ihr mit jemandem eine Beziehung eingeht. Wo is’ das? Bleibt es in der Hirnrinde, oder wird es in die geistige Energie eingebettet.“ „Es bleibt in der Hirnrinde.“, erklärte Shimar. „Du meinst also …“ „Ja, ich meine!“, sagte Scotty fest. „Sobald Betsys Festplatte also wieder Saft hatte, ist auch das reaktiviert worden!“ „Wie redest du denn?!“, fragte Shimar mit vorwurfsvollem Blick in Richtung Scotty. Dann drohte er: „Ich werde ihr alles erzählen, wenn …!“ „Das kannst du ruhig.“, nahm Scotty ihm den Wind aus den Segeln. „Ich bin sicher, sie wird es verstehen. Sie kennt meine Sprechweise ja. Ich bin sicher, es wird ihr weniger ausmachen, als du jetzt denkst.“ „Na schön.“, sagte Shimar. „Lassen wir es drauf ankommen. Aber noch mal was ganz anderes: Ich habe mich ja noch gar nicht bei dir bedankt, weil du mir dadurch geholfen hast. Was du gemacht hast, hat mich wirklich sehr erleichtert. Woher wusstest du, dass es helfen würde? Ich meine, du bist doch kein Telepath.“ „Nein.“, sagte Scotty. „Aber ich bin Ingenieur für Raumschiffmaschinen! Wir Ingenieure verstehen was von Energieflüssen. Wir wissen, dass es besser für ein System ist, wenn es Überlast fährt, es über viele Sicherungen abzufedern. Das gilt zwar im Allgemeinen für elektrische Energie, aber geistige Energie ist ja im Prinzip nichts anderes, sagt zumindest Jenna.“ „Ich kenne Jenn’s Grundsatz.“, sagte Shimar und betete herunter: „Energie ist Energie, ist Energie, ist Energie.“ „Genau.“, sagte Scotty.

Von der Straße her waren Geräusche zu vernehmen. „Ich glaube, da kommt jemand.“, sagte Scotty. „Wir sollten mal aufräumen. Aber derjenige, der das wohl am schnellsten kann, bist du.“ „Ich gäb’ was drum.“, sagte Shimar. „Aber im Moment bin ich viel zu erschöpft. Du wirst wohl noch ein paar Minuten warten müssen.“

Tatsächlich hatten sich Mikel und Kissara laut diskutierend über die Hofeinfahrt meinem Haus genähert. „Erinnern Sie sich noch an den Code für die Eingangstür?“, fragte Kissara. „Ich meine, bei Ihrer engen Freundschaft gehe ich davon aus, dass der Allrounder ihn Ihnen verraten haben wird, damit Sie von Zeit zu Zeit, zum Beispiel, wenn sie bei ihrem Mann auf Celsius ist, mal die Topfpflanzen pflegen können oder so etwas.“ „Sie hat keine Topfpflanzen, Kissara.“, sagte Mikel. „Aber den Code weiß ich trotzdem. Ich hoffe nur, dass meine Kollegen das Haus noch nicht versiegelt haben.“ „Sie meinen, wegen diverser ungeklärter Umstände?!“, vergewisserte sich Kissara. „Genau.“, bestätigte der Geheimdienstler. „Na ja. Wir werden ja gleich sehen.“

Sie hatten den Vordereingang meines Hauses erreicht und Kissara führte Mikels Hand zum Terminal der Sprechanlage, wo auch der Code zur Öffnung der Tür eingegeben werden musste. Mikel tat dies und der Code wurde tatsächlich akzeptiert. Jedenfalls glitt die Tür bald vor ihnen zur Seite. „Na also.“, sagte Kissara. „Dann gehen wir mal rein.“, sagte Mikel und wollte einen Fuß über die Schwelle setzen. Kissara aber griff blitzartig nach seinem Arm und hielt ihn zurück: „Vorsicht, Agent!“ „Was ist los?“, fragte der blinde Mann verwirrt. „Sie wären beinahe über einen Teil eines Tisches gestolpert.“, erklärte Kissara. „Ich denke, es wird besser sein, wenn ich Sie weiterhin führe.“ „Wieso Teil eines Tisches?“, fragte Mikel. „Das weiß ich nicht.“, sagte Kissara. „Aber hier sieht es aus wie nach einem Bombenangriff!“

Mit ihrer freien Hand zog sie ihren Erfasser und hielt ihn geradeaus vor sich. Dann forderte sie Mikel auf: „Kommen Sie mit!“ Der Agent nickte und folgte ihr am Arm ins Wohnzimmer. Hier sah Kissara auch bald die Bescherung, die aus zwei völlig verschwitzten Männern und einer Menge zerstörter Gegenstände bestand. Ihr Erfasser verriet ihr aber auch, dass hier eine Menge telepathischer Energie im Spiel gewesen sein musste.

Scotty, der als Erster wohl wieder auf den Beinen war, erhob sich aus dem ganzen Trümmerhaufen und salutierte gewohnheitsgemäß, als er den beiden im Rang über ihm stehenden Offizieren ansichtig wurde. „Was ist hier passiert, Techniker?!“, fragte Kissara streng und Mikel grinste, weil er wohl als Einziger die kleine Spur eines ironischen Untertons hörte, die sie in ihre Frage gemischt hatte. „Es ist nicht das, wonach es aussieht, Commander.“, sagte Scotty und sah dabei peinlich berührt zu Boden. „Jedenfalls tragen Sie zwei wohl noch Ihre Kleidung.“, sagte Kissara. „Aber ich bin auf Ihre Erklärung wirklich gespannt.“

Scotty sah Shimar an. „Willst du es ihr erklären, oder soll ich?“, fragte er. „Mach du.“, sagte Shimar immer noch sehr fertig. „Ich brauche noch ’ne Minute.“ „Na dann, Mr. Scott!“, forderte Mikel den Techniker auf. „Das Ganze war ’n Unfall.“, begann Scotty auf seine alt bekannte flapsige Art. „Das behaupten sie alle.“, scherzte Kissara, um die Stimmung aufzulockern. „Ich denke, Sie sollten dort beginnen, wo im Allgemeinen alles anfängt, Techniker.“, sagte Mikel. „Also am Anfang!“ „Aye, Agent.“, sagte Scotty, räusperte sich und begann: „Es hat damit angefangen, dass wir Betsys Körper gesucht haben. Aber dann kam uns irgendein interdimensionales Phänomen dazwischen, von dem Shimar nicht wieder los kam. Sein Telepathiezentrum hing dran und er konnte die Verbindung nicht lösen. Ich habe ihm geholfen, das zu ertragen. Das Ding hat Betsys Geist in ihren Körper zurückgebracht und dabei ist Shimar wohl einiges außer Kontrolle geraten.“ „Eine abenteuerliche Story, Mr. Scott.“, sagte Kissara. „Können Sie das beweisen?“ „Ich denke, das dazu notwendige Gerät haben Sie, Commander.“, sagte mein Ehemann. „Ach ja.“, sagte Kissara und beugte sich über Shimar, um ihn mit dem Erfasser zu scannen. „Das sind ja sehr merkwürdige Werte.“, sagte sie. „So etwas habe ich noch nie gesehen. Aber es scheint tatsächlich, als wäre ihre neurale Energie in diesem Phänomen gewesen, mit dem du in Kontakt warst, Shimar.“ „Sage ich doch.“, sagte Scotty.

Kissara richtete sich wieder auf. „Ich glaube, wir wissen jetzt, was wir wissen wollten, oder haben Sie noch Fragen, Agent?“ „Nein, Ma’am.“, sagte Mikel. „Zumindest keine, die sich hier klären lassen. Aber ich finde, hier sollte mal jemand aufräumen!“ „Na gut.“, sagte Shimar und dann gab es einen weißen Blitz und alles war wieder heil und an Ort und Stelle. Nichts erinnerte mehr an das, was hier geschehen war. „Na geht doch.“, flüsterte Shimar zufrieden.

„Wir sollten alle wieder auf unsere Schiffe zurückkehren.“, schlug Kissara vor. „Ich bin überzeugt, wir müssen noch viel Forschungsarbeit leisten, was das hier angeht. Aber ich glaube auch, dass uns deine Leute, Shimar, einwenig dabei helfen müssen.“ „Ich denke, das werden sie gern tun, Commander.“, sagte der Tindaraner und stand endlich ebenfalls vom Boden auf. „Kann ich mitkommen?“, fragte Scotty. „Aber sicher, Techniker.“, sagte Kissara. „Sie gehören doch schließlich dazu. Wollen Sie mit uns, oder mit Shimar mitfliegen?“ „Ich denke, ich sollte bei Shimar bleiben.“, sagte der ältere Terraner. „Ich will Ihnen nicht zur Last fallen. Sie haben ja meines Wissens schon einen Patienten, um den Sie sich kümmern müssen.“ „Also gut.“, sagte Kissara. „Dann ab auf die Schiffe und auf nach Tindara!“

Sie zog ihr Sprechgerät, gab Techniker Jannings Bescheid und dann beamten Mikel und sie auf die Granger. Auch Shimar und Scotty ließen sich von IDUSA abholen. Danach flogen beide Schiffe nebeneinander in Richtung tindaranische Dimension davon.

Das Geschehen um Ginalla, Kamurus, Shashana und mich war von Sytania nicht unbeobachtet geblieben. Mit Hilfe ihrer seherischen Fähigkeiten hatte die Prinzessin durchaus wahrgenommen, dass sich die Schlinge um ihren Hals langsam enger zog. Da sie auch die Zukunft kannte, wusste sie genau, welche Konsequenzen es haben würde, wenn wir unser Ziel erreichen sollten. „Ich darf das nicht zulassen, Telzan!“, besprach sie die Situation mit ihrem obersten Vendar. „Ich darf nicht zulassen, dass sie ins Gebiet der Föderation gelangen und Allrounder Betsy dort genauer untersucht wird, oder jemand die Botschaft, die sie in sich trägt, womöglich noch entziffert! Nein, das darf nicht passieren!“ „Das wird auch nicht passieren, wenn Milady erlauben, dass meine Leute und ich dieses Schiff aufbringen, oder verhindern, dass es überhaupt irgendwo hinfliegen kann. Es wird beim Versuch, den interdimensionalen Antrieb zu benutzen, einen kleinen Unfall erleiden, wenn meine Truppe erst mal mit ihm fertig ist.“ „Was für ein Unfall wird das sein?!“, fragte Sytania neugierig.

Telzan grinste und holte einen kleinen Gegenstand hinter seinem Rücken hervor. „Das ist eine kleine aber gemeine Mine.“, sagte er. „Sie heftet sich an ein Ziel, das ihr vorher eingegeben wird und fügt diesem nur einen leichten aber effektiven Schaden zu. Ich dachte, sie auf den Interdimensionsantrieb des Schiffes zu programmieren und zwar so, dass sie nur eine Spule außer Gefecht setzt, indem sie einen Verteilerknoten zerstört. Dann ist das Schiff, wenn es versucht, in den interdimensionalen Modus zu gehen, halb hier und halb dort. Den Rest werden die Scherkräfte erledigen. Weder seine Pilotin, noch Betsy, geschweige denn es selbst, werden diesen Unfall überleben. Ich beabsichtige, dies ganz allein zu tun. Um so weniger Aufsehen errege ich. Ich werde mich mit meinem Veshel dem Schiff im toten Winkel seiner Sensoren nähern und dann …“ „Die Sache klingt sehr gut, Telzan.“, sagte Sytania. „Und das mit dem toten Winkel solltest du auch genau so machen, wenn du mich fragst. Nur solltest du vorher für ordentlich Rabatz sorgen, damit sie abgelenkt sind. Du solltest also ruhig einen Teil der hier verbliebenen Vendar mitnehmen.“ „Ihr habt Recht.“, überlegte der Vendar halblaut. „Also werde ich genau das tun, Milady.“ Er verließ zufrieden ihren Thronsaal, um dann in seine Garnison zu gehen, um alles mit seinen Leuten zu besprechen.

Ginalla, Kamurus und ich waren kurz vor der Grenze ins Gebiet der Föderation. Ich hatte ihr von meinem kleinen Problem berichtet und es ihr auch demonstriert. „Komische Nummer.“, sagte die Celsianerin und kratzte sich am Kopf. „Und du glaubst, das ist ein Hirnschaden?“ „Für möglich halte ich das durchaus, Ginalla.“, sagte ich. „Wir dürfen nicht vergessen, dass ich nicht gleich nach meinem Tod in Stase gelegt werden konnte, sondern …“ „Die paar Sekunden!“, lachte Ginalla. „Glaubst du wirklich, die spielen eine Rolle?“ „Jedenfalls können sie eine sehr große Rolle spielen, Ginalla.“, setzte ich zu einer Erklärung an, wurde aber gleich von Kamurus unterbrochen: „Ginalla, Betsy, ich empfange eine hohe Anzahl kleiner genesianischer Kriegsschiffe, die auf einem Schnittkurs zu uns sind.“ „Haben die ihre Waffen geladen, Kamurus?“, fragte Ginalla. „Ja.“, bestätigte das Schiff. „Aber die Energie reicht lediglich für einen einzigen Schuss.“

Ginalla sah mich an. „Verstehst du das?“, fragte sie, denn sie dachte wohl, dass ich, als ausgebildete Sternenflottenoffizierin, von so etwas mehr Ahnung haben musste, als eine einfache Zivilistin. „Ich habe eine Vermutung.“, sagte ich, die ich alles mitbekommen hatte, da ich auch einen Neurokoppler trug und Kamurus meine Tabelle geladen hatte. „Aber die müssen wir verifizieren. Kamurus, kannst du am Transpondersignal erkennen, welches das Führungsschiff ist?“ „Ja, das kann ich.“, sagte das Schiff. „Dann verbinde so, dass Ginalla und ich mit der Kriegerin reden können, die es fliegt.“, sagte ich. „In Ordnung.“, sagte das Schiff. Gleich darauf aber fügte er hinzu: „Zu rufen brauche ich sie nicht. Anscheinend will sie mit euch zweien von sich aus reden.“ „Dann stell durch.“, sagten Ginalla und ich gleichzeitig. Der Avatar nickte und führte unseren Befehl aus.

Vor Ginallas und meinem geistigen Auge erschien das Bild einer etwa 1,80 m messenden Kriegerin, die einen reich verzierten Brustpanzer und auch einen ebensolchen Bauchschutz trug. Auch die berühmten spitzen Nahkampfschuhe hatte sie an. dazu noch einen Helm, um ihren Kopf zu schützen. In ihrem Schulterhalfter steckte ein Phaser und an ihrem Gürtel ein typischer genesianischer Dolch. „Das is’ definitiv keine Friedenstaube.“, grinste Ginalla. „Die is’ bereit zum Kampf.“ „Aber anscheinend nicht gegen uns.“, sagte ich. „Sonst würde sie uns bestimmt nicht rufen. Kamurus, lass mal hören, was sie will!“ Wieder nickte der Avatar, dessen Bild jetzt in den Hintergrund geraten war und führte aus, worum ich ihn gerade gebeten hatte. „Ich bin Salmonea Tochter von Shandra vom Clan der Ginalla!“, stellte sich die Kriegerin stolz mit ihrer leicht tiefen Stimme vor. „Ich bin im Augenblick amtierende Führerin der Kriegerinnen deines Clans, werde die Führung aber sofort an dich abgeben, sobald wir dir Respekt gezollt haben und du ihn angenommen hast, Ginalla.“

Die Schiffe stellten sich plötzlich in einer Reihe auf und jedes gab einen Schuss mit dem Phaser ab, der aber ins Leere ging. „Was war das denn?!“, fragte Ginalla verwirrt. „Sollte das ’ne Art Salut sein?!“ „So ähnlich.“, erklärte ich. Dann wendete ich mich an Kamurus: „Waren deine Schilde oben?“ „Nein, waren sie nicht, Betsy.“, sagte das Schiff. „Uff!“, machte ich erleichtert. „Gott sei Dank!“ „Es gab ja auch keinen Anlass, sie zu heben.“, sagte Kamurus. „Sie waren alle viel zu weit weg, um mir schaden zu können.“ „Wieso is’ das gut, dass er die Schilde nicht gehoben hat?“, fragte Ginalla. „Wenn er das getan hätte, hätte das bedeutet, dass du ihren Respekt nicht annimmst.“, erklärte ich. „OK!“, sagte Ginalla langsam und für ihre Verhältnisse schon bedächtig. „Da kann ich ja froh sein, dass ich einen Allrounder der Sternenflotte neben mir sitzen habe, der sich mit so was auskennt. Ohne dich wäre ich jetzt bestimmt schon wieder im Fettnäpfchen gelandet. Aber was hat die gesagt? Von welchem Clan kommt sie und ihre Truppe?“ „Vom Clan der Ginalla.“, sagte ich, die ich mir als ausgebildete Kommunikationsoffizierin ja recht gut Daten und Namen merken können musste. „Oh, welche Ehre!“, sagte sie salopp. „Da hat doch ’ne Kriegerin irgendwann mal ihre Tochter nach mir benannt und die führt jetzt …“

Kamurus löschte Ginallas Tabelle und übernahm das Steuer. Jetzt war ich quasi, zumindest aus seiner Sicht, mit ihm allein. Ich sah, was sein Avatar für ein verzweifeltes Gesicht machte. „Sag mir bitte, dass sie nur so dumm tut, Betsy.“, sagte er. „Keine Sorge, Kamurus.“, tröstete ich das Schiff. „Ich werde es ihr schon schonend beibringen. Wir Sternenflottenoffiziere sind gut in Diplomatie.“ „Was hast du für Heimlichkeiten mit meinem Schiff?!“, fragte Ginalla. „Er kommt damit nicht klar, dass du offensichtlich nicht verstanden hast, dass du die Prätora des Clans der Ginalla bist, Ginalla. Ein genesianischer Clan trägt so lange den Namen seiner Prätora, bis er sich durch Heldentaten einen Namen gemacht hat.“, referierte ich. „Ach du Scheiße!“, rief Ginalla aus. „Ich und Führerin eines genesianischen Clans! Das kann ich nich’! Schon gar nich’ bei meiner Vergangenheit mit den Genesianern. Bitte sag mir, was ich jetzt eigentlich machen muss. Ich mein’, die warten doch bestimmt auf ’ne gescheite Antwort.“ „Du musst Salmonea sagen, dass du dich für ihren Respekt bedankst und die Führung annimmst, Ginalla.“, soufflierte ich, ohne zu ahnen, was ich damit für mich selbst angerichtet hatte. „Na gut.“, sagte sie. „Kamurus, gib mir Salmonella!“ „Sie heißt Salmonea.!“, flüsterte ich peinlich berührt. „Auch ’n schöner Name.“, sagte Ginalla. Ich lehnte mich blass in meinem Sitz zurück und betete: „Oh, ihr Götter, bitte lasst sie nichts Falsches sagen!“

Kamurus hatte Ginalla bald tatsächlich mit Salmonea verbunden. „Ginalla, Prätora des Clans der Ginalla, dankt ihren Kriegerinnen.“, sagte die Celsianerin. „Aber ich glaub’, es wird erst mal besser sein, wenn ihr hier bleibt und mich ’n anderen Job erledigen lasst. Wenn ihr jetzt gleich mit ins Gebiet der Föderation kommt, könnte das falsch ankommen, ihr versteht?“ „Wir verstehen, Prätora.“, sagte Salmonea. „Aber eines müssen wir noch wissen. Ihr habt keine Kinder, also, wer von uns soll Eure Erbprätora werden?“ „Ich setze Betsy Tochter von … Ähm …“ Sie stieß mich in die Seite: „Wie zur Hölle heißt deine Mutter?“ „Renata.“, sagte ich, der durchaus bewusst war, dass ich ihren wahren Namen schon allein der Zeitlinie wegen verfremden hatte müssen. Das, was aber jetzt passierte, ahnte ich nicht im Geringsten. Sie holte tief Luft und setzte an, nachdem sie den Sendeknopf auf der virtuellen Konsole per Gedankenbefehl gedrückt hatte: „Ich setze Betsy Tochter von Renata als meine Erbprätora ein!“

Ich stieß sie an. „Das geht nicht, Ginalla!“, zischte ich. „Ich bin Sternenflottenoffizierin!“ „Na und?!“, sagte sie. „Nichts na und!“, erwiderte ich. „Die Föderation und die Genesianer sind eigentlich Feinde.“ „Aber soweit ich Shashana verstanden habe, frisst der Teufel in der Not Fliegen.“, flapste Ginalla. „Komm schon! Ich brauch’ dich. Ohne dich, die hier Bescheid weiß, geht das garantiert in die Binsen und ich hab’ echt keine Lust, durch den Tod abgesetzt zu werden, weil ich so ’ne miese Prätora bin. Shashana mag sie geschickt haben, aber wer weiß, was passiert, wenn ich mich daneben benehme.“ „Auch wieder wahr.“, sagte ich und nickte ihr zu. Mir war klar, dass sie ohne mich wohl nicht sehr weit kommen würde. Nur meinem Commander würde ich, wenn ich sie dereinst wiedersehen sollte, einiges erklären müssen.

Kapitel 57: Rettung in letzter Sekunde

von Visitor

 

Sytanias Vendar hatten ihre Position in der Nähe der genesianischen Grenze erreicht. Hier versteckten sie sich über den Polen einiger Planeten und warteten ab. Tatsächlich sahen sie bald Kamurus. „Na also.“, sagte Telzan zu sich. „Das hat ja gar nicht so lange gedauert.“ Dann programmierte er einen Sammelruf an seine gesamte Truppe und befahl: „Zum Angriff!“

Sofort flogen alle Schiffe von allen Seiten auf Kamurus zu und kreisten ihn ein. Einige postierten sich sogar über und unter ihm, um zu verhindern, dass er ihnen durch Steig- oder Sinkflug entkommen konnte. Dann bildeten sie ein schier undurchdringliches Netz aus feuernden Phasern, in dem Kamurus buchstäblich gefangen war. Im toten Winkel näherte sich jetzt Telzan persönlich mit seinem Schiff und setzte die Mine an ihrem Ziel ab. Dann flogen die Veshels wieder davon, aber leider hatte der Vendar auch Ginalla an Bord seines Schiffes gebeamt, und sie in einem Betäubungsfeld gefangen gesetzt. Das war nur möglich, weil er den Transporter exakt den Schildfrequenzen des selbstständig denkenden Schiffes angepasst hatte.

Kamurus hatte realisiert, dass die Vendar ihn überrumpelt hatten und dass er mit mir allein war. „Was tun wir jetzt, Betsy?“, fragte er verzweifelt. „Hätte ich doch nur die Schilde nicht gehoben. So habe ich ihm noch eine Brücke gebaut.“ „Wenn du das nicht gemacht hättest, Kamurus.“, sagte ich. „Dann hätten sie es noch leichter gehabt. Du hattest also buchstäblich die Wahl zwischen Pest und Cholera. Aber solange ich noch bei dir bin, werden sie uns trotzdem jagen. Wo ist die nächste Sternenflottenbasis?“ „Hier ganz in der Nähe.“, sagte Kamurus. „Es ist Basis 818. Die Vendar haben uns in Richtung Wirbel getrieben.“ „Commander Time.“, sagte ich. „Das ist sehr günstig. Hör zu! Ich halte es für strategisch geschickt, wenn wir uns trennen. Bring mich hin und beam’ mich auf die Station. Dann fliegst du nach Tindara und versuchst, dort für dich Hilfe zu bekommen. Ich glaube, Telzan hat was an deinem Rumpf befestigt, von dem vielleicht nur Techniker McKnight dich befreien kann. Die kennt sich mit Vendar-Technologie am besten aus.“ „Also gut.“, sagte Kamurus und setzte sich mehr schlecht als recht in Bewegung. Sein Impuls- und sein Warpantrieb waren schwer beschädigt worden und er hatte nur noch zwei Manöverdüsen zur Verfügung, von denen eine auch nur noch 50 % Leistung gab. „Bitte entschuldige den holperigen Flug.“, sagte er. „Schwamm drüber.“, sagte ich. „Du kannst ja nichts dafür.“ „Soll ich die Station rufen?“, bot er an. „Kein SITCH!“, zischte ich. „Damit verrätst du uns auch an die Vendar. Ich bin sicher, die scannen nach EM-Signaturen und ich bin auch sicher, sie sind noch hier! Telzan beobachtet gern sein Werk.“

Endlich hatten wir die Transporterreichweite erreicht. „OK.“, sagte ich, nahm meinen Neurokoppler ab und stand auf. „Wenn ich dich dort absetze, wirst du einen Eindringlingsalarm auslösen.“, sagte er. „Dann löse ich eben einen aus.“, sagte ich. „Je mehr Leute auf mich aufmerksam werden, desto besser! Und jetzt aktivieren und dann mach, dass du zu Jenna kommst! Ich komme schon klar!“ „Also gut.“, sagte Kamurus und beamte mich auf die Station. Dann flog er wieder ein Stück weg, um genug Platz zum Aufbau seines Interdimensionsfeldes zu haben. Er konfigurierte seinen interdimensionalen Antrieb zum Einflug in die tindaranische Dimension, ohne zu ahnen, dass er damit auch die Mine scharf stellte, die, sobald der Antrieb aktiviert wurde, tatsächlich den Verteilerknoten, an dem sie haftete, durch ihre eigene Detonation zerstörte. Halb außer Phase hing Kamurus nun zwischen den Dimensionen und kam weder vor noch zurück. Der Hüllendruck wurde unerträglich und er dachte, das nicht mehr lange durchhalten zu können. Den interdimensionalen Antrieb deaktivieren konnte er auch nicht, weil auch die notwendige Schaltung in Mitleidenschaft gezogen worden war. Einen Notruf abzusetzen war ihm wegen der Strahlung des beschädigten Antriebs und seiner örtlichen Situation auch unmöglich. Gleich breche ich mittendurch!, dachte er. Auf Wiedersehen, du schöne Welt!

Telzan hatte dieses Geschehen mit den interdimensionalen Sensoren seines Schiffes beobachtet, während er schon wieder auf dem Weg zurück ins Dunkle Imperium war. Er wollte Ginalla so schnell wie möglich bei seiner Herrin abliefern, bevor sie aufwachte. Das tat er auch bald, indem er sie Sytania in einem Stasecontainer präsentierte. Die Prinzessin geriet ganz aus dem Häuschen vor Freude. „Oh, Telzan!“, rief sie aus. „Was für ein Glückstag für mich!“ „Was gedenkt Ihr, mit ihr zu tun, Herrin?“, fragte der Vendar. „Nun, da habe ich mir schon etwas einfallen lassen.“, sagte Sytania und dann gab es einen schwarzen Blitz. „Wenn sie aufwacht.“, erklärte die Königstochter. „Wird sie nicht mehr sie selbst sein. Sie wird eine Duckmäuserin sein, wie sie im Buche steht. Aber das Pikante an der Situation ist, dass sie sich schwach erinnern wird, dass sie mal anders war. Nur den Zugang zu diesem Teil ihrer Persönlichkeit, den habe ich ihr vernebelt. Das ist sehr gut für das, was ich mit ihr vorhabe. Du und deine Leute, ihr bringt sie dem Ferengi, der auf meiner Seite des Dunklen Imperiums neuerdings ein Etablissement betreibt. Meine adeligen Freunde und ich haben nämlich ein neues Hobby. Es heißt: Nicht-Telepathen foltern! Wir nehmen Verbindung zu ihnen auf und jagen sie durch ihre schlimmsten und traumatischsten Erinnerungen, um unsere Macht zu demonstrieren. Je nach Dauer der Verbindung kann man damit ganz schön was verdienen und das weiß dieser Ferengi. Sie wird ein lohnendes Exemplar abgeben!“ „Wie Ihr wünscht, Gebieterin.“, sagte Telzan und ließ sich und den Container vom Mishar wieder auf sein Schiff beamen. Dann machte er sich auf den Weg. Was er aber nicht ahnte, war der Umstand, dass Dirshan ihn und Sytania die ganze Zeit aus einem Versteck hinter einer Säule beobachtet und seinen Zeitpunkt der Rache für gekommen erachtet hatte. Er würde alles, was gerade geschehen war, an die Tindaraner verraten! Zu diesem Zweck besprach er eine Sonde auf Vendarisch und schickte sie nach 281 Alpha. Joran würde das schon übersetzen können und die Tindaraner würden Ginalla sicher befreien. Das würde Sytanias Pläne empfindlich stören, was er ja auch damit erreichen wollte.

Scotty, IDUSA und Shimar hatten das terranische Sonnensystem verlassen und waren kurz davor, im freien Weltraum auf Interdimensionalflug zu gehen. „Shimar, ich erkenne Kamurus in der interdimensionalen Schicht.“, meldete IDUSA ihrem Piloten plötzlich. „Aber er scheint in einer Notlage zu sein.“ Sie stellte Shimar und Scotty die Bilder auf die Neurokoppler. „Verdammt!“, sagte Scotty. „Der hat ’n Problem mit seinem Interdimensionsantrieb! Ich schätze mal, ’ne Spule is’ hin. Die Scherkräfte werden seine Hülle gleich erledigt haben, wenn wir nichts machen!“ „Das sehe ich auch.“, sagte Shimar. „Übergib mir die Steuerkontrolle, IDUSA!“ „Was hast du vor, Fliegerass?!“, fragte Scotty. „Wirst du gleich sehen.“, sagte Shimar konzentriert. „Du hältst dich besser fest. Es könnte etwas holperig werden.“

Er gab seinem Schiff den Gedankenbefehl, auf Interdimensionsflug zu schalten. Dann näherte sich IDUSA Kamurus so stark, dass sich ihre Hüllen an der Seite berührten, an der die ausgefallene Spule war. Sofort spürte Kamurus eine deutliche Entlastung. Er erkannte aber auch gleich, durch wen diese verursacht wurde. Sogleich rief er IDUSA. Jetzt, wo beide außer Phase waren, war das ja möglich. „Vielen Dank, meine Freundin.“, sagte er. „Oh, das hast du nur meinem kunstfliegerisch ausgebildeten Piloten zu verdanken.“, sagte IDUSA. „Allein hätte ich mir ein solches Manöver nicht zugetraut.“ „Dann gib mir bitte Shimar.“, sagte Kamurus. „Das soll ich sowieso tun.“, sagte IDUSA. „OK.“, meinte Kamurus und wartete das Weitergeben der Verbindung ab.

Shimar hatte sich Scotty zugewandt. „Lass dir bitte von IDUSA die technische Konsole zeigen und überwache ihren interdimensionalen Antrieb.“, sagte er. „Es könnte gleich für beide etwas kitzelig werden.“ „Na gut.“, sagte der Ingenieur, der sich immer noch nicht wirklich vorstellen konnte, was sein Freund plante.

Dann wandte sich Shimar über die Sprechverbindung wieder an Kamurus: „Hör zu, Kamurus. Wir werden gleich in die tindaranische Dimension einfliegen. IDUSA wird deinen beschädigten Antrieb unterstützen, indem sie ihr Feld durch deine Spule leitet. Leiten kann die ja noch. Du kannst sie nur im Moment nicht selbst mit Energie versorgen, aber den Grund dafür kriegt Jenn’ schon raus! Aber du musst mit deiner intakten Spule mithelfen. Das heißt, du musst dein Feld exakt in dem Moment auf die tindaranische Dimension konfigurieren, in dem IDUSA es auch tut. Eine Datenverbindung zwischen euch wäre sicher das probate Mittel, aber die Strahlung hier macht sie sicher zu instabil. Du musst mir also vertrauen.“ „Wenn ich nicht wüsste, dass du der reinste Überflieger beim Fliegen bist, würde ich das sicher nicht tun, Shimar.“, sagte Kamurus, der Shimar ja auch kannte und sich mit ihm seither duzte. „Aber da ich weiß, dass du das sicher hinkriegen wirst, mache ich mit. Also, was genau soll ich wann tun?“ „Wenn ich jetzt gleich bis drei gezählt habe.“, sagte Shimar. „Dann schaltest du sofort auf die Konfiguration für Tindara. IDUSA tut das im gleichen Moment.“ „OK.“, sagte Kamurus. „Bereit, wenn ihr es seid.“

„Scotty, was macht IDUSAs Antrieb?“, fragte Shimar an seinen Kumpel gewandt. „Schnurrt wie ’n Kätzchen, Junge.“, sagte Scotty. „Ich drück’ dir beide Daumen!“ „Danke.“, sagte Shimar. „Ich fürchte, das werde ich auch brauchen können.“

Er atmete tief durch und wendete sich dann über SITCH an Kamurus: „Aufgepasst, Kamurus! Eins, zwei, drei!“ Dann gab er IDUSA den Gedankenbefehl zum Eintritt in die tindaranische Dimension. Auch Kamurus konfigurierte die funktionsfähige Hälfte seines Antriebs entsprechend. So landeten sie bald tatsächlich genau dort, wo Shimar sie haben wollte, was er erleichtert zur Kenntnis nahm. „Das war ’ne absolute Spitzenleistung, Kumpel!“, sagte Scotty und umarmte Shimar fest. „Oh Mann! Du bist wohl der einzige Pilot, den ich kenne, der zwei Schiffe gleichzeitig fliegen kann und das nur mit ’ner mäßigen Sprechverbindung und ’ner Hüllenberührung!“ „Danke, Scotty.“, sagte Shimar abgekämpft. „Aber jetzt sollten wir machen, dass wir nach Hause kommen.“ „Ich fürchte, da gibt es ein kleines Problem.“, sagte IDUSA. „Kamurus’ Antrieb ist schwer beschädigt. Ich denke, wir werden ihn in Schlepp nehmen müssen. Ich habe es ihm schon erklärt. Er ist einverstanden.“ „Ich liebe es, wenn mein Schiff mitdenkt.“, sagte Shimar. „Aber könntest du übernehmen, IDUSA? Ich bin total fertig!“ „Sicher.“, sagte IDUSA freundlich, übernahm das Steuer und dann nahm sie Kamurus in den Traktorstrahl, um Kurs in Richtung 281 Alpha zu setzen.

Ich spazierte also nun auf der 818 durch die Korridore und versuchte auf mich aufmerksam zu machen. Ich hatte geplant, jeden anzusprechen, der mir begegnete, aber nach der ersten Pleite war ich gezwungen, meine Strategie zu ändern. Der Erste, der mir nämlich über den Weg gelaufen war, war Techniker Alexej Chechow gewesen, der bei meinem Anblick nur: „Mütterchen Russland!“, stammelte und in Zeitlupe aus den Latschen kippte. Um das gesundheitliche Risiko für meine Kameraden also so gering wie möglich zu halten, beschloss ich, den Kommunikationsraum aufzusuchen. Dort würden Sulla oder Sensora sitzen. Beide waren Androidinnen, liefen also nicht Gefahr, gleich in Ohnmacht zu fallen, wenn sie mich sähen. Es könnte allenfalls passieren, dass sie die Sicherheit, vornämlich Agent Yetron oder Agent Indira, rufen würden, aber das wäre ja auch gut.

Da ich davon ausging, dass der Computer meinen Stimmabdruck nicht mehr haben würde, denn ich galt ja für die gesamte Sternenflotte als tot, musste ich den Turbolift, den ich benutzte, um auf die richtige Ebene zu gelangen, wohl per Tastatur bedienen. Ich überlegte, ob ich mit Absicht einen Vorfall provozieren sollte, bei dem der Rechner gezwungen war, Techniker Cenda über die Kompromittierung der Sicherheit eines Turbolifts zu informieren, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Zwar hätte ich die Möglichkeit gehabt, denn der Rechner würde ja meine Stimme nicht erkennen und ich musste ja nur oft genug eine Eingabe versuchen, aber ich wollte ja auch nicht zu laut auftreten. Das war noch nie mein Stil gewesen. Tchey wäre da sicher anders vorgegangen und ihr traute ich das sogar zu.

Ich hatte mein Ziel erreicht und stand nun tatsächlich neben Sensora, die mich von oben bis unten ansah, als würde sie mich scannen. „Hi, Sensora!“, sagte ich und streckte ihr die rechte Hand hin, als sei es das Natürlichste der Welt. „Hör mir bitte zu.“, fuhr ich fort, ohne eine Reaktion von ihr abzuwarten. Dass wir uns duzten, weil wir den gleichen Rang hatten und dadurch quasi Kolleginnen waren, war auch ein Umstand, der ihr helfen sollte, mich wirklich zu erkennen. „Wenn du die Sicherheit rufen willst, weil du mich für einen fremden Eindringling hältst, dann tu es ruhig. Ich bitte dich sogar darum!“, sagte ich eindringlich.

Erst jetzt schien sie zu realisieren, was eigentlich gerade in ihrer unmittelbaren Umgebung geschehen war. Sie drehte sich wieder zu mir um, nachdem sie einen kurzen Blick auf das Display des Sprechgerätes geworfen hatte und sagte dann: „Betsy? Aber das kann doch nicht sein! Du bist doch tot!“ „Das war ich offensichtlich!“, platzte es aus mir heraus. „Es kommt mir alles vor wie ein böser Traum. Aber wenn das kein Traum war, dann habe ich offensichtlich meinen Tod überlebt!“ „Was?!“, fragte Sensora irritiert, für die meine Worte wohl keinen Sinn zu ergeben schienen.

Sie stand von ihrem Platz auf und nahm meine Hand, um mich zu einem nahen Sessel zu führen. Dann sagte sie: „Setz dich bitte erst mal hier hin. Ich glaube, ich sage Commander Time direkt Bescheid. Solche Sachen sind ja sein Spezialgebiet.“ „Tu das.“, sagte ich und atmete erst einmal erleichtert tief durch. „Aber sag ihm bitte, er soll auch Mr. Yetron mitbringen.“ „Das wird er sowieso tun, wenn ich ihm schildere, was ich hier gesehen habe.“, sagte sie. „Aber ich schätze, er wird auch eine der Medizinerinnen mitbringen.“ „OK.“, sagte ich. „Ich bin mit allem einverstanden, was euch hilft, mich positiv zu identifizieren.“ „Also gut.“, sagte Sensora. „Aber rühr dich nicht vom Fleck!“ „Was denkst du von mir?!“, fragte ich. „Ich will ja, dass man mir zuhört und mir hilft.“ „Also gut.“, sagte sie und gab, für mich gut hörbar, das Rufzeichen von Times Bereitschaftsraum in die Sprechanlage ein. Sie schaltete das Gerät sogar auf Lautsprecher, damit ich seine Antwort mitbekommen konnte. All ihre Verhaltensweisen waren zwar versteckte, für mich aber trotzdem eindeutige Signale. Sie musste überzeugt sein, dass ich die war, die ich behauptete zu sein.

„Time hier!“, schalte mir eine bekannte tiefe ruhige Stimme mit starkem amerikanischen Akzent entgegen, die mich leicht an die von Captain Kirk erinnerte, die aber dennoch einen gewissen Unterschied aufwies. Vielleicht war es auch nur seine Art, sich zu melden.

„Sir.“, erwiderte Sensora. „Hier bei mir ist jemand, die behauptet, Allrounder Betsy Scott zu sein.“ Sie ließ den Sendeknopf los. Eine Weile lang herrschte in der Verbindung eisiges Schweigen. Dann sagte Time, der gut hörbar nach Fassung rang: „Das ist unmöglich, Sensora. Sie muss irgendein fremdes Wesen sein. Halb Little Federation, ich inklusive, hat gesehen …!“

Es gab seltsame Geräusche und dann hörte ich die Stimme Agent Yetrons, der offensichtlich in ein Streitgespräch mit seinem Vorgesetzten verwickelt war und alles versuchte, um an das Mikrofon zu kommen. „Halb Little Federation.“, griff der demetanische erste Offizier einen Satzteil seines Vorgesetzten auf. „Inklusive Sie selbst, Sir, wird lediglich gesehen haben, dass ein Sarg von einer Transporterplattform aus in ein Grab gebeamt wurde. Ich bezweifele ernsthaft, dass Sie oder ein anderer Bürger der Stadt Kenntnis über dessen Inhalt erlangen konnten. Wie Sie mir selbst nach Ihrer Rückkehr berichteten, haben weder Sie noch jemand anderes den Deckel gehoben und hinein gesehen. Außerdem gibt es da noch eine höchst faszinierende Aussage ihres Ehemannes, Techniker Montgomery Scott. Die Tindaraner, gemeinsam mit Agent Sedrin und Agent Mikel, waren so freundlich, mir die Daten seiner Vernehmung zur Verfügung zu stellen.“ „Sie demetanischer Haarspalter!“, rief Time. „Manchmal sind Sie schlimmer, als es Mr. Spock je gewesen ist!“ „Ich nehme das als Kompliment.“, sagte der Demetaner ruhig. „Schließlich muss man als Kriminalist sehr exakt in seinen Ermittlungen sein.“

Es entstand eine weitere Pause, in die Sensora sich einschaltete: „Sirs, bei allem Respekt, es sollte Ihnen bewusst sein, dass Sie im Prinzip gerade in der Gegenwart einer beziehungsweise vielleicht sogar zweier Untergebener streiten.“ „Keine Sorge, Mrs. Sensora.“, beruhigte sie Yetron. „Ich gehe davon aus, dass Sie Ihre Position kennen und dass diese Diskussion keinesfalls irgendwelche Autoritäten kompromittieren wird. Schließlich haben wir alle ja die Vernunft und einen Verstand.“ „Da haben Sie Recht, Agent.“, sagte sie.

Time schien weder gemerkt zu haben, dass er den Sendeknopf erneut gedrückt hatte, noch dass er die ganze Zeit das Mikrofon so in den Raum gehalten hatte, dass Yetron sich ohne Mühe an dem Gespräch beteiligen konnte. „Also, manchmal sind Sie schlimmer als ein Vulkanier, Agent!“, sagte er und wurde dabei immer aufgeregter. „Sie wissen, dass mein Volk sowohl sehr rational, als auch sehr emotional und mitfühlend sein kann.“, klärte der Demetaner ihn auf. „Und heute haben Sie Ihren rationalen Tag, oder wie?“, fragte der inzwischen sehr konsternierte Time. „Genau.“, sagte Yetron. „Und ich bin froh, dass es so ist. So bin ich vielleicht in der Lage, die Illusion von der Wahrheit zu trennen.“ „Ja genau.“, sagte Time. „Illusion! Um so eine wird es hier gehen. Sytania wird uns ein Trugbild vor die Nase gesetzt haben.“ „Allrounder Sensora ist Androidin, Commander.“, sagte Yetron. „Telepathischen Einfluss auf sie auszuüben, dürfte unmöglich sein, genau so, wie dies im Hinblick auf den Computer unmöglich ist. Beide sind künstliche Intelligenzen. Ich darf Sie erinnern und da werden mir unsere Ärztinnen sicher zustimmen, dass es einer biologischen Grundlage bedarf, um …“ „Verdammt noch mal!“, unterbrach ihn Time. „Was ist, wenn sie irgendein bedauernswertes Wesen ist, das Sytania sich geschnappt und in eine Marionette verwandelt hat, die ihr gefällig ist, oder sogar eine ihrer Schöpfungen?!“ „Das halte ich für unwahrscheinlich.“, sagte der Demetaner. „Sytania weiß längst, dass wir inzwischen wissenschaftliche Methoden kennen, um dies herauszufinden. Sie würde sich damit nur ins eigene Fleisch schneiden und das wird sie nicht tun. Dafür ist ihr das eigene Fleisch viel zu kostbar, ob nun im tatsächlichen, oder im übertragenen Sinne. Das passt auch nicht zu ihrem Charakter. Sie will zwar an den bösen Dingen schuld sein, aber nicht als schuldig erkannt werden.“ „Und dass Betsy von den Toten auferstanden ist, erscheint Ihnen wahrscheinlicher?“, fragte Time. „Genau das!“, sagte Yetron mit Überzeugung. „Ich darf Sie an das Talent des Allrounders erinnern, mit Situationen umzugehen und Probleme zu lösen. Ihre Methoden mögen oft ungewöhnlich anmuten, aber …“ „Aber den Tod besiegen, Agent.“, sagte Time abfällig. „Ich bitte Sie!“ „Ich wäre bereit, Ihnen einen Kompromiss anzubieten, Commander.“, entgegnete der erste Offizier, der sich seiner sehr sicher war. „Wir lassen sie medizinisch alle möglichen Tests durchlaufen, die notwendig sind. Parallel dazu werde ich sie vernehmen. Falls diese Tests nichts ergeben, können wir ja immer noch einen ultimativen Test mit ihr machen. Sie wissen, Katzen mögen keine Telepathen und schon gar nicht mögen sie Sytania!“ „Und woher wollen Sie eine Katze nehmen, Agent?!“, fragte Time. „Ich denke, an diesem Punkt werden wir die Hilfe Ihres geschätzten Kollegen Data und seines Katers Caruso benötigen. Sie sollten ihn in jedem Fall schon einmal informieren, damit sich die Sache nicht unnötig in die Länge zieht.“, sagte Yetron.

Time überlegte und sagte dann: „Also gut, Agent. Gekauft! Sehen wir uns die Sache mal selbst an. Ich werde gleich mal mit Data reden und komme dann nach. Holen Sie Ketna und treffen Sie sich dann mit uns im Kommunikationsraum!“ Der Demetaner nickte. Dann ging er und Time wendete sich an Sensora: „Verbinden Sie mich sofort mit Commander Datas Rufzeichen auf der Erde!“ „Aye, Commander.“, sagte die Androidin und führte seinen Befehl aus.

Die Wartezeit schien Time sehr lang zu werden. Aber das lag wohl nur an dem Umstand, dass er immer noch sehr aufgeregt war. Was er seinem Freund und Kollegen gleich sagen würde, war ja schließlich nichts Alltägliches und der Androide würde ihm vielleicht nicht glauben. Es klang ja wirklich sehr phantastisch, was er da sagen würde und er begann damit, eine kleine Rede zu üben.

Viel Zeit dazu hatte er aber nicht, denn die Sprechanlage beendete abrupt seine Bemühungen. „Sir.“, sagte Sensora. „Ich habe Ihr Gespräch mit Commander Data für Sie.“

Ihre Worte versetzten Time einen Stich in die Magengrube. Warum musste sie ihn so schnell erreicht haben?! Warum konnte nicht irgendwas ihn so sehr aufgehalten haben, dass er nicht zum Sprechgerät gehen konnte, oder warum kreuzte nie ein Pulsar die Umlaufbahn der Erde, wenn man einen brauchte, um das Gespräch mit Data noch weiter zu verschieben. Genau spürte der Terraner jetzt, wie ihn der Mut verließ.

„Sir?“, fragte Sensoras leise ruhige Stimme aus dem Lautsprecher des Sprechgerätes. „Commander Data wartet in der Leitung.“ „Stellen Sie ihn durch, verdammt!“, sagte Time schließlich, nachdem er sich deutlich zusammengenommen hatte. „In Ordnung, Sir.“, sagte Sensora und ging aus der Leitung.

„Hallo, Peter.“, hörte Time die sehr nüchterne Stimme seines Kameraden aus dem Lautsprecher. „Hi, Data.“, sagte er und der Androide konnte an der Frequenz seiner Stimme durchaus hören, dass diese Begrüßung von der normalen Form abwich. „Ich erkenne.“, sagte Data. „Dass du sehr aufgeregt sein musst, Peter. Was ist der Grund dafür? In meinem langen Zusammenleben mit menschlichen Lebensformen habe ich gelernt, dass Freunde eigentlich über alles miteinander reden können sollten, ohne dass einer von beiden Angst haben muss oder gar einen Grund hat, aufgeregt zu sein.“ „Bist du endlich fertig?!“, fragte Time unwirsch. „Das bin ich.“, sagte Data. „Ich versuche ja nur, dein merkwürdiges Verhalten für mich irgendwie einzuordnen. Also, was ist der Grund, aus dem du mit mir reden möchtest?“ „Hat dein Kater Flugangst?“, fragte Time. „Eine sehr ungewöhnliche Frage.“, wunderte sich der Androide. „Aber mir ist nichts darüber bekannt, dass Caruso Flugangst haben sollte.“ „Um so besser.“, sagte Time. „Dann möchte ich dich bitten, so schnell wie möglich mit ihm hierher zu kommen. Wir benötigen seine Expertenmeinung.“ „Dein Ansinnen wird ja immer merkwürdiger, Peter.“, sagte Data. „Ich werde meine Frau hinzuziehen. Ich denke, jemand sollte beurteilen, ob du noch im Vollbesitz deiner geistigen Kräfte bist.“ „Du lässt Cupernica da raus, verstanden?!“, sagte Time wütend. „Ich werde dir jetzt nämlich erklären, was hier passiert ist. Wir haben eine Frau bei uns, die behauptet, Allrounder Betsy Scott zu sein. Wir brauchen Caruso, um einen Einfluss von Sytania auszuschließen!“ „Warum hast du das nicht gleich gesagt?“, fragte Data. „In diesem Fall werden er und ich dir natürlich gern behilflich sein. Ich werde sofort alles Notwendige in die Wege leiten. Erwarte uns bitte in etwa fünf Stunden.“ Er beendete die Verbindung.

Time war erleichtert. Seine schlimmste Befürchtung, Data würde ihm kein Wort glauben, war also am Ende doch nicht wahr geworden, obwohl es zuerst sehr danach ausgesehen hatte. Jetzt lag diese Hürde in jedem Fall erst mal hinter ihm und er konnte beruhigt zum Ort des Geschehens gehen, wo ihn Yetron und Ketna sicher schon gemeinsam mit Sensora und mir erwarten würden. Er stand also von seinem Stuhl auf und machte sich auf den Weg.

Zirell und Maron saßen in der Kommandozentrale der Basis 281 Alpha an ihren Arbeitsplätzen, als Joran Shimars Wunsch ankündigte, mit ihnen zu reden. „Stell durch, Joran!“, befahl Zirell. Dann wurden sie und ihr erster Offizier der Gesichter von Shimar und Scotty ansichtig. „Ich komme zurück, Zirell.“, sagte der tindaranische Patrouillenflieger. „Aber ich bin nicht allein. Wie du siehst, habe ich Techniker Scott bei mir und IDUSA hat Kamurus im Schlepp. Er muss dringend repariert werden. Eine vendarische Mine hat seinem Antrieb den Garaus gemacht. Wenn IDUSA und ich nicht gewesen wären, hätte er es noch nicht mal in unsere Dimension geschafft.“ „Ich werde Jenna und Shannon sofort Bescheid geben.“, sagte Zirell. „Hat Scotty versuchen wollen, Kamurus zu reparieren?“, erkundigte sich Maron. „Den Göttern sei Dank, hat er das nicht.“, sagte Shimar. „Ich denke, er kann sich auch denken, dass sich Jenn’ viel besser mit vendarischer Technologie auskennt. Wer weiß, was passiert, wenn man das falsche Modul entfernt?“ „Um so besser.“, sagte der erste Offizier erleichtert. „Kamurus möchte doch sicher eine Aussage machen.“, fügte er hinzu. „Das denke ich auch.“, sagte Shimar. „Die Vendar werden ja nicht ohne Grund versucht haben, zu verhindern, dass er uns erreicht. Ich bin sicher, da ist was passiert, von dem sie nicht wollen, dass es zu uns gelangt.“ „Aber da haben sie wohl die Rechnung ohne dich gemacht.“, sagte Zirell. „Oh ja.“, sagte Shimar. „Wir werden dann docken.“ Er beendete die Verbindung. „Joran.“, wendete sich Zirell an den Vendar an der Kommunikationskonsole. „Sag Jenna, es gibt Arbeit für sie!“ „Wie du wünschst, Anführerin.“, sagte Joran und gab das Rufzeichen des Maschinenraums in die Sprechanlage ein.

Shannon, die dort gerade allein war, hatte aber im Moment gar keine Augen für das Display, da sich diese gerade mit der Beobachtung eines anderen Objektes beschäftigten, das quasi aus dem Nichts vor ihr aufgetaucht war. Es handelte sich um jene Sonde, die von Dirshan besprochen worden war. Sie schwebte nun in der Luft des Maschinenraums. Von einer Sekunde auf die andere war sie dort aufgetaucht, ein Umstand, den sich O’Riley nicht erklären konnte. Jetzt flog sie auch noch zielgenau auf eine Diagnosekonsole zu und landete darauf. Langsam schlich Shannon näher und berührte die Sonde auf dem bekannten Touchscreen, aber nichts geschah. Sie beschloss, das Ganze den Brückenoffizieren, oder zumindest ihrer Vorgesetzten, zu melden.

Die Tür des Maschinenraums öffnete sich und wie gerufen betrat McKnight diesen. „Uff, Jenn’!“, sagte Shannon erleichtert. „Da sind Sie ja! Ich muss Ihnen dringend was zeigen.“ Die blonde Irin deutete auf die Sonde. Dann sagte sie: „Die is’ einfach hier aufgetaucht, Jenn’. Das müssen Sie sich mal vorstellen! Aus dem Nichts, als könnte sie durch Wände fliegen.“ „Vielleicht kann sie das.“, sagte McKnight und begann damit, den Antrieb der Sonde zu inspizieren. Dann sagte sie: „Oh ja. Das kann sie sogar ganz sicher.“ Shannon warf ihrer Vorgesetzten einen fragenden Blick zu. „Wenn ihr Absender beim Programmieren des Interdimensionsfluges unseren Maschinenraum direkt als Zielkoordinaten eingegeben hat, ist das sehr wohl möglich. Ach, Shannon, kümmern Sie sich doch bitte endlich um diese Sprechanlage!“, referierte Jenna.

Immer noch ziemlich geplättet aufgrund der Ereignisse um die Sonde ging Shannon zur Sprechanlage und antwortete: „O’Riley hier.“ „Shannon O’Riley.“, sagte Jorans Stimme am anderen Ende. „Shimar kommt zurück. Er hat Kamurus in IDUSAs Traktorstrahl. Der ist ziemlich mitgenommen. Jenna und du, ihr solltet euch um ihn kümmern.“ „Ginallas Schiff?“, fragte Shannon. „Was zur Hölle is’ ihm passiert?“ „Genau wissen wir das nicht.“, sagte der Vendar. „Wir wissen nur, dass er wohl Sytanias Vendar, also meinen ehemaligen Kameraden, zum Opfer gefallen ist. Aber warum ist noch völlig unbekannt. Ich bin sicher, er wird gegenüber Agent Maron auch noch eine Aussage machen müssen. Ich denke, Maron El Demeta wird auch mit mir darüber reden wollen. Ich kann mir schon einen Grund vorstellen, aus dem Telzan und seine Leute so etwas tun.“ „Dann komm mal gleich her, Grizzly.“, sagte Shannon. „Ich glaube, dich brauchen wir hier auch. Bei uns is’ ’ne Sonde aufgetaucht. Das Ding is’ wahrscheinlich vendarische Technologie.“ „Ich komme zu euch.“, sagte Joran und beendete das Gespräch.

„Ich werde mich um Kamurus kümmern!“, sagte Jenna. „Kümmern Sie sich mit Joran um die Sonde, wenn er da ist!“ „Wie Sie wollen, Jenna.“, sagte Shannon. „Aber was macht Sie so sicher, dass er die Sonde zum Laufen kriegt? Auf mich hat sie nicht reagiert.“ „Der Umstand macht mich so sicher, dass er ein Vendar ist.“, sagte Jenna und setzte ihren berühmten Blick auf, den sie immer dann aufsetzte, wenn sie sagen wollte, dass sie genau Bescheid wusste. „Oh, Mann.“, zischte Shannon. „Ob Samantha Carter auch immer so geguckt hat, wenn …“

Dazu, ihren Gedankengang weiter zu führen, kam sie nicht mehr, denn im gleichen Moment wurde sie von einer weichen vorsichtigen Hand auf die Schulter getippt. „Shannon O’Riley?“, fragte deren Besitzer, dessen Stimme sie auch gleich erkannte. „Bist du in der Lage, mit mir zu sprechen?“ „Oh, ja, Grizzly.“, sagte die blonde Irin schnell und drehte sich schlagartig nach ihm um. „Habe ich denn so abwesend auf dich gewirkt?“ „In der Tat.“, sagte der Vendar. Dann ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. „Du sagtest, ihr hättet eine Sonde … Ah, dort!“ Damit ging er zielstrebig auf die Diagnosekonsole zu. Als er die Sonde berührte, begann sie sogleich damit, Dirshans Nachricht abzuspielen. Gespannt lauschte Joran und machte darauf ein alarmiertes Gesicht. „Was is’ los, Grizzly?!“, fragte Shannon. „Ich muss sofort mit Agent Maron reden!“, sagte Joran und ging in Richtung Tür. „Sekunde mal.“, sagte Shannon. „Was is’ hier los und warum hast du sie … Ach ja. Ich habe wohl eindeutig die falsche DNS.“ Joran nickte und war dann sofort durch die Tür verschwunden.

Jenna hatte sich in Kamurus’ Cockpit begeben, den Neurokoppler aufgesetzt und sich dort die technische Konsole zeigen lassen. Die Tatsache, dass sich sein Avatar ihr vorher mit gebrochenen Beinen gezeigt hatte, hatte sie ebenfalls verstanden. „Dein Antrieb.“, sagte sie mitleidig. „Ich weiß. Aber ich werde mich jetzt um dich kümmern. Ich sehe, dass du Reste einer vendarischen Mine an deinem Rumpf hast. Die werde ich Agent Maron als Beweis bringen müssen.“ „Bitte tu das.“, bat Kamurus. „Wenn ich wieder in Ordnung bin, werde ich mich aufmachen, um Ginalla zu befreien! Sytanias Vendar haben sie und ich weiß nicht, was sie mit ihr machen werden!“ „Nun mal ganz ruhig.“, sagte Jenna. „Du unternimmst besser nichts ohne einen von uns. Joran kennt Sytanias Vendar am besten. Er kann dir sicher sehr gut helfen und wir sind ja auch noch da. Zirell wird dich auf jeden Fall nicht im Stich lassen. Sie wird dir sicher mit ihrer Entscheidung, die richtige Person mit dir zu schicken, gern helfen. Aber nun lass mich dich erst mal reparieren.“ „Also gut, Jenna.“, sagte Kamurus und entsicherte die Wartungsluken im Fußboden der Achterkabine.

Joran hatte dem ersten Offizier gegenüber inzwischen ausgesagt, was er vom Inhalt der Sonde verstanden hatte. „Das ist ja schrecklich!“, sagte Maron und schlug die Hände vor das Gesicht. „In der Tat.“, sagte Joran. „Zumal sich diese armen Leute gar nicht dagegen wehren können. Von Leuten wie diesem Ferengi werden sie auch misshandelt, wenn sie nicht zulassen, dass …“ „Und all das weiß dieser Junge so genau, der die Sonde besprochen hat?“, verifizierte Maron. Joran nickte nur. „Also gut.“, sagte der Demetaner. „Ich mag ihm nicht wirklich vertrauen, weil er ein zu Sytania gehörender Vendar ist, aber ich vertraue dir und deiner Übersetzung seiner Worte. Nur, wie können wir Ginalla befreien? Dazu brauchen wir wohl einen Telepathen.“ „Vielleicht könnte Shimar El Tindara.“, sagte Joran und grinste. „Wenn er mit Kamurus dorthin fliegt, dann …“ „Aber Sytanias Vendar werden ihn erkennen, wenn …“, sagte Maron. „Die vielleicht.“, grinste der Vendar listig. „Aber mit Sicherheit nicht der Ferengi, der …“ „Nicht schlecht!“, lobte Maron und pfiff durch die Zähne. „Ich sollte das Ganze vielleicht gleich mit Zirell und ihm besprechen.“ „Tu das.“, nickte Joran zufrieden.

Jenna hatte ihre Reparaturen beendet und war nun mit den Beweisen in der Hand auf dem Weg zu Zirells Bereitschaftsraum, den Maron kurzerhand zum Verhörzimmer umfunktioniert hatte. Nach ihrer Ankunft betätigte die Technikerin sofort die Sprechanlage. „Ja.“, antwortete Maron von drinnen. „McKnight hier.“, sagte Jenna. „Ich habe Kamurus’ Reparatur beendet und muss Ihnen etwas zeigen, Agent.“ „Also gut.“, sagte der erste Offizier. „Kommen Sie rein, Jenna.“

Die Chefingenieurin berührte mit dem rechten Zeigefinger die Sensorenmulde, worauf die Tür vor ihr zur Seite glitt. Dann betrat sie den Raum. Ohne weitere Umschweife legte sie Maron die Reste der Mine auf den Schreibtisch. „Was ist, oder besser war das, McKnight?“, fragte der Demetaner. „Das war eine vendarische Mine.“, sagte Jenna. „Sie war programmiert, keinen sehr großen Schaden anzurichten, denke ich. Aber der Schaden, den sie angerichtet hat, hätte unter den richtigen Umständen zu einem Auseinanderbrechen von Kamurus führen können und dann hätte sich das was gehabt mit seiner Aussage.“ „Da wollte wohl jemand eindeutig, dass es wie ein Unfall aussieht, Jenna.“, schlussfolgerte Maron. Die hoch intelligente Halbschottin nickte. „Die Einzelheiten werde ich ja sicher Ihrem schriftlichen Bericht entnehmen können.“, sagte Maron. Wieder nickte Jenna. Dann sagte sie: „Kamurus sagt, Sytanias Vendar hätten Ginalla entführt.“ „Das passt zum Inhalt der Sonde.“, sagte der Agent. „Gehen Sie bitte an Ihren Arbeitsplatz zurück, Techniker und sagen Sie Kamurus, er wird in Kürze Hilfe bekommen, mit der er seine Pilotin bestimmt zurückbekommt!“ „Soll Joran …?“, fragte Jenna. „Oh nein.“, meinte Maron. „Der Plan stammt zwar von ihm, aber zu seiner Ausführung bedarf es eines Telepathen. Shimar wird das erledigen.“ „In Ordnung.“, sagte Jenna erleichtert und drehte sich zum Gehen.

 

Kapitel 58: Eine unglaubliche Wahrheit

von Visitor

 

Mit einer Aussage war auch ich gerade beschäftigt. Ich hatte Mr. Yetron gegenüber meine ganze Erfahrung im Reich der Toten berichtet. Kein Detail hatte ich ausgelassen. Aber immer noch schien mir alles wie ein böser Traum. Dass so etwas nach so einer Erfahrung passieren konnte, wusste ich von Mikel, aber ich konnte und wollte nicht wahrhaben, dass es wohl wirklich passiert war. Dass der Agent oft den Datenkristall seines Pads gewechselt hatte, war ein weiteres Indiz dafür, dass ich wohl mehr erlebt haben musste, als ich zunächst geglaubt hatte.

Ich hatte kurz mit meiner Aussage innegehalten, um meine Stimme zu schonen. „Möchten Sie etwas trinken, Allrounder?“, fragte Yetron freundlich. „Eine Tasse Tee wäre gut, Sir.“, sagte ich. „Wenn es Ihnen keine Umstände macht.“ „Wenn es mir zu umständlich wäre, hätte ich wohl kaum gefragt, Betsy.“, sagte Yetron und wandte sich dem Replikator zu.

Wenig später kam er mit einer Tasse demetanischem Sommerfruchttee zurück und stellte sie vor mir ab. „Woher wissen Sie, dass ich den so gern trinke, Agent?“, fragte ich erstaunt. „Ich bitte Sie.“, sagte Yetron. „Sie waren oft genug auf unserem Schiff stationiert und ich hatte genug Gelegenheit, Sie währenddessen zu beobachten.“ „Und da haben Sie sich gleich einige meiner Gewohnheiten gemerkt.“, lächelte ich und versuchte, die Tasse normal an die Lippen zu setzen. Aber meine Hände griffen vorbei und mein Mund wurde ein schmaler zusammengepresster Strich gegen meinen Willen. Dieser Umstand schien auch Yetron zu erschrecken. „Wie lange haben Sie das schon?!“, fragte er alarmiert und zog seinen Erfasser. „Seit ich auf Ginallas Schiff aufgewacht bin.“, erwiderte ich. „Tun Sie das bitte noch einmal, während ich Sie scanne.“, bat er. „Ich verspreche auch, nicht zu lachen oder Sie sonst irgendwie zu demütigen.“ „Das weiß ich doch, dass Sie so etwas nie tun würden, Sir.“, sagte ich und streckte meine Hände erneut nach der Tasse aus. „Achtung, Agent!“, sagte ich. „Jetzt!“ Dann wiederholte sich das Schauspiel und Yetrons Erfasser summte auf.

Er ließ das Gerät das Bild speichern und stellte sich dann rechts neben mich. „Ich glaube, es wird besser sein, wenn sich Scientist Ketna das mal ansieht.“, sagte er und klopfte gut hörbar auf das Display. „Was haben Sie denn gesehen, Agent?!“, fragte ich beunruhigt. „Offensichtlich gibt es ein fremdes Energiemuster, das direkt in Ihre geistige Energie eingebettet ist. Ketnas Geräte sind sicher feiner und sie kann dies besser interpretieren als ich. Sicher ist aber, dass dieses Muster sehr aktiv ist, sobald Sie trinken wollen.“, erklärte er.

Ich gab einen verzweifelten Laut von mir und schlug die Hände vor das Gesicht, ein Umstand, der ihn offensichtlich dazu zwang, sich wieder neben mich zu setzen und mich zu trösten, indem er mir über den Kopf strich. „Es wird sicher alles wieder gut, Allrounder.“, sagte Yetron. „Nichts wird gut!“, schluchzte ich. „Oh, Gott! Was ist da meinetwegen nur passiert?! Ich weiß jetzt, dass das kein Traum war, Agent. Sie haben gerade den Beweis erbracht! Oh, nein! Wie viele Leute habe ich leiden lassen?!“

Er nahm sich das Pad vor und ließ den letzten Teil meiner Aussage noch einmal durchlaufen. Dann sagte er: „Meiner Ansicht nach, Allrounder, haben Sie niemanden leiden lassen. Alle, die Ihnen geholfen haben, taten dies doch freiwillig, oder? Jedenfalls haben Sie nichts darüber gesagt, dass die Leute von Ihnen dazu gezwungen wurden. Ich nehme ja nicht an, dass Sie mir etwas verschwiegen haben.“ „Das habe ich nicht, Sir!“, sagte ich fest. „Na also.“, erwiderte er. „Dann werden ja wohl alle freiwillig mitgemacht haben.“ „Am meisten leid tut es mir nur um Odo und Neris.“, sagte ich. „Sie haben seit ca. 800 Jahren im Paradies gelebt. Sie werden sich in ihrem neuen Leben sehr schwer tun, wenn sie mit der Wiedergeburt bestraft werden sollten.“ „Das mag ja sein.“, sagte Yetron. „Aber ich bin mir sicher, dass der Major und der Constable das Risiko kannten, als sie beschlossen, Ihnen zu helfen. Sie waren zwar keine Sternenflottenoffiziere, aber beide waren zu Lebzeiten sehr pflichbewusst, als Kira als Major des bajoranischen Militärs und Odo als Sicherheitschef auf Deep Space Nine jeweils ihren Dienst verrichteten. „Trotzdem wollte ich sie ungern in meine Flucht aus dem Paradies mit hineinziehen, Agent.“, sagte ich. „Ich weiß, dass jeder Sternenflottenoffizier, wenn er in Gefangenschaft gerät, alles tun muss, um flüchten zu können, aber …“ „Aber das bedeutet auch, dass Sie Hilfe ruhig annehmen dürfen, wenn sie Ihnen offeriert wird. Diese Klausel bedeutet auf gar keinen Fall, dass Sie Ihre Flucht ganz allein stemmen müssen, Atlanta.“, unterbrach er mich. Ich lächelte, denn der Grund für seine Anspielung war mir klar. Offensichtlich verglich er mich gerade mit dem Titanen Atlas aus der griechischen Mythologie, der in der Mitte der Welt stand und den Himmel auf den Schultern trug. „Außerdem kann es dort nicht so paradiesisch gewesen sein, wenn Sie dort unbedingt weg wollten.“ „Ich hatte eine Pflicht zu erfüllen, Sir!“, sagte ich. „Und genau diesen Gedanken hatten die anderen sicher auch.“, sagte der Agent. „Jedenfalls kann ich mir das gut vorstellen, nach all dem, was Sie hier gerade ausgesagt haben. Aber jetzt sollten wir erst mal zur Krankenstation gehen.“ „Also gut.“, nickte ich und ließ mir von ihm mit einem gerade frisch replizierten Taschentuch die Tränen aus den Augen wischen. Dann nahm er mich bei der Hand und wir machten uns gemeinsam auf den Weg.

Data hatte sich ein Shuttle gemietet und war damit zur Basis 818 geflogen. Bei ihm war Caruso, den er in einer Transportbox mitbrachte, als er Times Basis betrat. „Ach ne!“, flapste ihm Cenda entgegen, die ihm als Erste ansichtig wurde. „Commander Data! Welch’ seltener Besuch!“ „Ich bin auf Ansinnen von Commander Time hier.“, sagte Data. „Wissen Sie, wo ich ihn finden kann, Techniker?“ „Ach so.“, sagte Cenda. „Und was macht Ihr kleiner Miezekater hier?“ „Caruso soll helfen, Sytanias Einfluss zu verifizieren, oder ihn auszuschließen.“, sagte Data. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Time Bescheid geben würden.“ „Das mach’ ich doch glatt!“, sagte Cenda cool. „Schließlich soll auch der Kleine es möglichst schnell hinter sich haben, damit er aus der stickigen Box rauskommt, nich’ wahr, Caruso?!“ Sie steckte zwei Finger durch das Gitter und begann Caruso zu kraulen, der daraufhin ein lautes Schnurren anstimmte.

Data räusperte sich. „Schon gut, Sir.“, sagte Cenda und drehte sich von der Box weg zum Mikrofon des Computers. „Caruso sollte den Kopf frei haben, Techniker.“, begründete Data. „Es wäre sicher nicht sehr förderlich, wenn er jetzt zu sehr abgelenkt würde.“ „Oh, Entschuldigung!“, sagte Cenda mit ironischem Unterton. Dann wandte sie sich dem Rechner zu: „Computer, wo befindet sich Commander Time?“ „Commander Time befindet sich in der Kommandozentrale.“, kam es nüchtern zurück.

Die Chefingenieurin der Electronica wendete sich, nachdem sie diese Information bekommen hatte, in Richtung der Sprechanlage und gab das Rufzeichen der Kommandozentrale ein. Dann sagte sie, nachdem Time ihr geantwortet hatte: „Sir, Ihr Besuch is’ hier.“ „Bin unterwegs, Cenda.“, sagte Time und beendete die Verbindung.

„Er is’ gleich da, Mr. Data.“, sagte Cenda zu dem Androiden. „Kann sich nur noch um Minuten handeln.“ „In Ordnung.“, sagte Data. „Ich warte. Würden Sie schon mal mein Shuttle warten, damit sich mein Rückflug nicht unnötig verzögert? Ich frage hauptsächlich um Carusos Willen. Die unbekannten Situationen und Gerüche, sowie die fremden optischen und akustischen Reize, denen er hier ausgesetzt ist, könnten ihn ängstigen.“ „Oh, aber sicher.“, sagte Cenda, hing sich ihre Werkzeugtasche um und war sofort im Bauch des Shuttles verschwunden.

Die Tür zur Shuttlerampe öffnete sich erneut und Time betrat den Raum. „Hi, Data.“, sagte er ruhig. Dann bückte er sich zur Box hinunter und flüsterte Caruso zu: „Und auch dir ein herzliches Hallo, mein Kleiner.“ Dann gab er ein leises Miez und andere artverwandte Laute von sich, auf die der Kater ebenfalls mit lautem Schnurren reagierte. Er kannte Time und wusste, dass von ihm keine Gefahr ausging. Data und die Times waren schließlich auf der Erde Nachbarn und Caruso hatte sich auch des Öfteren auf ihrem Grundstück aufgehalten während seiner Touren durch die Stadt.

„Peter?“ Data hatte ihn angesprochen. „Oh, sorry, Data.“, sagte Time und drehte sich zu seinem Freund und Kollegen um. „Wie genau habt ihr euch den Test eigentlich vorgestellt?“, fragte Data. „Das sollten wir mal meinen ersten Offizier fragen.“, sagte Time salopp. „Das war nämlich seine Idee.“ „Ah.“, machte Data und nahm die Box mit Caruso auf. „Und wo können wir Mr. Yetron jetzt finden?“ „Soweit ich weiß.“, sagte Time. „Wollte er die Frau, die vielleicht Allrounder Betsy Scott ist, in meinem Bereitschaftsraum vernehmen. Jedenfalls sind sie dorthin gegangen, nachdem ich sie mit Ketna zusammen im Kommunikationsraum getroffen habe. Ich denke, sie werden noch dort sein. Aber vorsichtshalber können wir ja mal nachfragen.“

Er drehte sich zur Sprechanlage und gab das Rufzeichen des eigenen Bereitschaftsraums ein. Aber dort erhielt er keine Antwort. Dann drehte er sich zum Computermikrofon: „Computer, wo sind Mr. Yetron und seine Begleitung?“ „Mr. Yetron und seine Begleitung sind auf der Krankenstation.“, kam es zurück. „Um Himmels Willen!“, erschrak Time. „Es wird doch wohl hoffentlich nichts passiert sein!“ „Wenn du an Einflussnahme von Sytania denkst.“, sagte Data ruhig. „Dann kann ich das ausschließen. Ich sehe kein neurales Muster von ihr in unserer Nähe und Caruso hätte auch reagieren müssen. Seinen Werten nach ist er aber ganz ruhig. Er hatte noch nicht einmal Angst gezeigt, als ich ihn auf der Erde in seine Box verlud. Vielleicht ist Mr. Yetron einfach nur fertig mit der Vernehmung und lässt sie jetzt einfach nur von Ketna untersuchen.“ „Du wirst Recht haben.“, sagte Time und beruhigte sich langsam wieder. „Ich sollte vielleicht einfach Carusos Beispiel folgen und auch wieder ruhig werden.“ „Ich glaube, das solltest du wirklich.“, sagte der Androide. Dann schulterte er die Box, warf Time einen auffordernden Blick zu und dann gingen beide in Richtung Krankenstation davon.

Hier waren Ketna und Solthea bereits mit meiner Untersuchung beschäftigt. Die medizinische Assistentin hatte mir eine Blutprobe mit einem Hypor entnommen, die sie dann durch ihren Erfasser analysieren ließ. Dann zeigte sie das Ergebnis ihrer Vorgesetzten. „Sie hat also eindeutig eine Biochemie.“, stellte Ketna fest. „Entnehmen Sie noch eine Zellprobe und streichen Sie diese in einem Reagenzglas aus. Dann werden wir sie mit einer leichten Dosis Rosannium bestrahlen. Ich bin neugierig, was dann geschieht.“ Solthea nickte und führte die Anweisung ihrer Vorgesetzten aus. „Was denken Sie, damit zu erreichen, Ketna?“, fragte ich. „Nun.“, sagte die Ärztin und setzte sich zu mir auf das Biobett, auf dem ich lag. „Es könnte ja wirklich sein, dass Sie ein natürliches Wesen sind, das von Sytania in Allrounder Betsy Scott verwandelt worden ist. In diesem Fall hätten Sie eine Biochemie, da Sie ja keine reine Schöpfung von ihr wären. Wir müssen davon ausgehen, dass sie alles versuchen könnte, um unsere Testmethoden zu umgehen. Verstehen Sie?“ „Ziemlich gut.“, antwortete ich, der klar war, dass die Besatzung der Basis 818 schon immer nicht sehr gut bei der Regierung der Föderation da gestanden hatte. Man würde ihnen wohl ohne handfeste Fakten nie glauben, dass ich von den Toten auferstanden war. Aber auch im Hinblick auf Sytania hatte sie sicher Recht.

Solthea näherte sich mir erneut mit dem Hypor. „Es wird nicht wehtun!“, versicherte sie. „Ich weiß, Solthea.“, sagte ich. „Das hat es ja beim ersten Mal auch nicht. Ich weiß ja, dass die heutigen Hyporen einfach nur eine Probe per Transporter in ein Röhrchen beamen und beim Beamen habe ich noch nie Schmerzen gehabt.“ „Ich dachte nur.“, sagte die Orkanierin. „Weil ich Ihnen schon wieder ein paar Zellen stehlen muss.“ „Es ist schon gut, Solthea.“, sagte ich. „Wir müssen ja die Wahrheit herausfinden. Ich weiß, wer ich bin, aber die Regierung weiß es nicht. Ich gebe zu, das mit dem Auferstehen von den Toten klingt ja wirklich seltsam. Aber seit ich weiß, dass es mir offensichtlich so ergangen sein muss, muss ich selbst erst mal einordnen, was da mit mir passiert ist. Deshalb.“, ich entblößte meinen rechten Arm. „Nur zu!“

Sie entnahm die Probe und ging damit in Richtung Labor. Jetzt war ich mit Ketna wieder allein. „Haben Sie schon etwas über die seltsame Signatur herausfinden können, die ich im Kopf habe, Scientist?“, fragte ich. „Ja, das habe ich.“, antwortete sie. „Die Signatur selbst, Allrounder, ist romulanisch und ihre Trägersignatur ist sogar aldanisch. Woran erinnert Sie das?“ „Es gibt eine Trägersignatur?“, fragte ich irritiert. „Ja, die gibt es.“, antwortete sie. „Es sieht so aus, als wurde ihnen irgendein posthypnotischer Befehl von einem Romulaner mit Hilfe eines Aldaners eingepflanzt. Ich selbst kann mir keinen Reim darauf machen. Deshalb fragte ich Sie gerade, an was Sie sich erinnern können.“

Yetron, der die ganze Zeit im Hintergrund gewartet hatte, machte einen Schritt nach vorn und sagte: „Ihre Ergebnisse bestätigen einen Teil ihrer Aussage, die unser wieder auferstandener Allrounder gegenüber mir gemacht hat. Anscheinend ist sie Mr. Baldāri und Professor Toreth also tatsächlich begegnet.“ „Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, was dieser verdammte Befehl überhaupt bewirken soll!“, sagte ich etwas frustriert. „Ich habe echt langsam keine Lust mehr, alles durch den Strohhalm trinken zu müssen! Ich fühle mich schon wie ein Pflegefall!“ „Wir könnten die Signatur durch intensive Bestrahlung Ihres Gehirns mit Rosannium entfernen.“, schlug Ketna vor. „Nein!“, rief ich. „Um Himmels Willen! Ich stehe in einer Beziehung mit einem Tindaraner!“ „Oh, bitte, verzeihen Sie!“, sagte Ketna und schaute verschämt zu Boden. „Das hatte ich nicht bedacht. Damit würden wir natürlich auch Shimars Signatur vernichten und ihm sehr wehtun. Das wollte ich nicht. Dann dürfen wir das natürlich nicht tun.“

Solthea kam wieder aus dem Labor heraus. „Es ist alles bereit, Ma’am.“, sagte sie. „In Ordnung, Assistant.“, sagte Ketna. „Dann entschuldigen Sie mich bitte kurz. Mr. Yetron, Sie können alles dort auf dem Monitor verfolgen. Bitte schildern Sie doch unserer Patientin, was passieren wird.“

Der Demetaner nickte und sah ihr nach, wie sie aus der Tür ging. Dann drehte er sich dem Bildschirm zu. „Sie hat jetzt das Reagenzglas in der Hand.“, sagte Yetron zu mir. „Gerade hat sie es in einen anderen Behälter gestellt und ihn geschlossen.“ In diesem Moment hörte ich Ketnas Stimme: „Computer, den Beschuss mit Rosannium beginnen! Mit der niedrigsten Dosis beginnen, dann langsam in Fünferschritten steigern! Die Transformationsrate der Zellen akustisch alle 10 Sekunden melden!“ „Verstanden.“, kam es zurück. „Ihre Befehle werden ausgeführt.“

Wir warteten fast eine halbe Stunde ab, aber es tat sich nichts. Die Transformationsrate der Zellen blieb bei null. Mit diesem Ergebnis kam Ketna bald zu uns zurück. „Nun, es sieht ganz so aus, als sei zumindest ihr Körper der von Allrounder Betsy Scott.“, sagte sie. „Aber man könnte immer noch glauben, dass sie ein fremder Geist ist, der in Sytanias Namen handelt und der in ihren Körper eingepflanzt wurde. Immerhin wurde ihr Körper durch eine unbekannte Person entführt. Wir wissen, dass es unsere Freundin Ginalla war, aber die Regierung zum Beispiel, die könnten …“ „Ich verstehe schon.“, sagte ich. „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Aber wie wollen wir beweisen, dass auch mein Geist der Meine ist?“

In diesem Augenblick betraten Time und Data die Krankenstation. „Sie kommen wie gerufen, Commanders.“, sagte Ketna erleichtert und schaute in Times und Datas Gesichter. „Ich habe alle Tests mit ihr gemacht, die ich machen konnte. Laut allem, was ich herausfinden konnte, ist sie, zumindest physisch, Allrounder Betsy Scott. Sogar die merkwürdige Signatur, die gewisse Nervensignale blockiert, habe ich identifizieren können. Diese macht ihr wohl schwer zu schaffen, aber die einzige Behandlungsmethode, die wir kennen, dürfen wir nicht anwenden, weil die Patientin in einer Beziehung zu einem Tindaraner steht. Jetzt ist Caruso dran!“ „Die Tindaraner können vielleicht bei dem Problem auch helfen.“, sagte Time. „Wenn der Katzentest über die Bühne ist und sich herausstellt, dass sie tatsächlich die ist, für die wir sie halten, sollten wir sie nach Tindara bringen.“ „OK, Sir.“, sagte die Ärztin.

Data hatte sich an Yetron gewandt. „Ihr Vorgesetzter sagte, Sie hätten sehr konkrete Vorstellungen von dem Test mit Caruso.“, sagte er. „Würden Sie mir die bitte erläutern?“ „Sicher, Commander.“, sagte Yetron. „Dafür benötigen wir einen Raum, in dem sich ein Sitz- oder Liegemöbel befindet. Dann brauchen wir eine durch eine Verpackung von fremden Gerüchen oder anderen Ablenkungen abgeschirmte Uniform für den Allrounder, die sie sich dort überziehen wird. Wenn sie das getan hat, werden wir Caruso zu ihr beamen und über die Kamera der Sprechanlage genau beobachten, was passiert.“ „In Ordnung.“, sagte Data. „Wir nehmen am besten das zweite Krankenzimmer.“, schlug Ketna vor. Alle nickten zustimmend. „Ich werde Cenda einweihen.“, sagte Time. „Sie hat Dienst im Transporterraum.“ „Sie sollte auf alle Fälle aber die Transportererfassung aufrecht erhalten, bis wir Entwarnung geben.“, sagte Yetron. „Dann kann Caruso schneller wieder in seine sichere Box gelangen, falls er feststellt, dass sie nicht Betsy ist.“ „In Ordnung.“, sagte Time und ging. Auch auf der Krankenstation machte man sich nun daran, alle nötigen Vorbereitungen zu treffen.

Nach ihrer Rückkehr ins Dunkle Imperium hatten Telzan und seine Leute Sytania natürlich von ihrem Erfolg berichtet, aber die Königstochter hatte nur kurz gelächelt und dann wieder ziemlich böse dreingeschaut. Irgendwas musste ihr gewaltig die Stimmung verhagelt haben. „Darf ich wissen, was Euch bewegt, Herrin?“, fragte Telzan. „Ja, du darfst wissen, welche Kröte ich heute schon zu schlucken hatte, Telzan, weil meine schlechte Laune im Grunde deine Schuld ist!“, sagte Sytania mit sehr vorwurfsvollem Unterton in der Stimme. „Warum, wenn ich fragen darf, bin ich daran schuld, Milady?“, fragte Telzan verwundert. „Weil du mir Hoffnungen gemacht hast, die sich nicht erfüllt haben!“, erwiderte Sytania wütend.

Telzan dachte angestrengt nach. „Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wovon Ihr sprecht, Hoheit.“, sagte er. „Dann hör mir jetzt mal genau zu.“, sagte Sytania und man konnte gut hören, wie sehr sie sich zurücknahm. „Ich wollte gerade mit der bösen T’Mir absprechen, dass sie ihre Truppen für Augustus’ Armee in Reserve hält, da muss ich sehen, dass Antivulkan gar nicht mehr existiert! Anscheinend hast du dich gewaltig geirrt, was die Vulkanier angeht, mein Lieber!“

Telzan senkte den Kopf und sah beschwichtigend zu Boden. Dem Vendar war klar, dass er wohl eine Fehleinschätzung abgegeben hatte, aber er konnte sich nicht erklären warum. Sie zu fragen würde ihm vielleicht eine Antwort verschaffen, vielleicht würde es ihn aber auch den Kopf kosten, so wie er Sytanias Laune im Moment einschätzte. Aber er war noch nie als sehr feige bekannt gewesen. Deshalb richtete er sich auch bald wieder auf und fragte, während er ihr genau ins Gesicht sah: „Würden Hoheit mir erklären, wie so etwas sein kann und würdet Ihr mir verzeihen? Ich meine, anscheinend wusste ich es ja nicht besser.“ „Ja, du wusstest es anscheinend wirklich nicht besser.“, stellte Sytania fest. „Deshalb werde ich auch noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen und es dir erklären. Aber sehr einfach werde ich es dir nicht machen. Also frage ich dich: Was ist die Grundphilosophie der Vulkanier?“ „Das wohl vieler wiegt schwerer, als das eines Einzelnen, oder auch das weniger.“, rezitierte Telzan. „Richtig.“, sagte Sytania. „Und was bedeutet das in unserem Fall, he?!“ „Ihr meint.“, mutmaßte der Vendar fassungslos und schaute sie erneut verschämt an. „Dass es ihnen nicht so wichtig war, von ihren Gefühlen befreit zu sein, wie ich erst glaubte? Wenn ich recht drüber nachdenke, kann das sogar sein. Ich meine, wenn man diese Philosophie zugrunde legt, dann wird es ihnen als ein sehr geringer Preis erscheinen, wieder selbst ihre Gefühle bekämpfen zu müssen, wenn sie dadurch Euch die Möglichkeit nehmen, Angst und Schrecken über den Rest der Dimensionen zu bringen, oder euch auch nur darin behindern. Auch die Vulkanier wissen, was Euer Ziel ist und was das für Auswirkungen haben könnte, wenn Ihr es erreicht. Deshalb sind sie sicher auch gern Kissaras Aufruf gefolgt. Bitte verzeiht meine Fehleinschätzung.“

Sytania überlegte kurz und seufzte. Dann sagte sie: „Nun gut. Du bist mir ja immer ein treuer Diener gewesen. Aber trotzdem werde ich dich für deine Fehleinschätzung, die so wichtige Konsequenzen für mich hatte, strafen müssen. Bring mir den Kontaktkelch und sieh mit mir hinein!“ „Ja, Milady.“, sagte Telzan und führte aus, was sie ihm befohlen hatte. Er konnte sich zwar nicht denken, was der Kelch mit seiner Strafe zu tun haben sollte, glaubte aber, dass Sytania ihm dies früher oder später offenbaren würde. Sie zu fragen wagte er in dieser angespannten Situation nicht.

Er hatte den Kelch vor ihr abgestellt und beide hatten eine Hand darauf gelegt und sich die jeweils andere gegeben. Dann hatte sich Sytania die Umgebung der Basis 281 Alpha vorgestellt. Jetzt sah auch Telzan, was sie in ihrem Geist sah, nämlich, wie sich Kamurus und Shimar immer weiter von der Basis entfernten. „Dieser verdammte Tindaraner mit Ginallas Schiff!“, sagte Telzan missmutig. „Na, der wird was erleben!“

Er zog seine Hand aus der Ihren, nahm die andere vom Kelch und war im Begriff, von seinem Stuhl aufzustehen. Sytania aber hielt ihn zurück: „Nein, Telzan! Du wirst ihm kein Haar krümmen! Ich selbst werde mich um diese unsägliche Situation kümmern! Wenn etwas funktionieren soll, mache ich es lieber selbst, aber du solltest sehen, worum es geht und in dir sollte der Wunsch geweckt werden, es selbst zu tun. Ich weiß, wie übermächtig er werden kann. Deshalb habe ich dich damit bestraft, es nicht selbst tun zu dürfen, so sehr du es auch wollen magst. Du darfst mir aber gern zusehen. Ich werde ihn schon zur Räson bringen. Du kannst noch einiges von mir lernen. Setz dich wieder hin und gib mir deine Hand. Ich werde ihn allerdings in einem Moment aufhalten, in dem weder dieses Schiff, noch er, damit rechnen.“ „Also gut, Milady.“, sagte Telzan und tat, was sie ihm aufgetragen hatte.

Zirell und Maron hatten zur Kenntnis genommen, dass sich Shimar mehr als freiwillig zu seiner Mission gemeldet hatte. Ishan hatte ihm sogar eine tadellose Gesundheit seines telepathischen Zentrums bescheinigt, das ja wohl für die Ausführung seines Plans unerlässlich sein würde. Die Kommandantin kannte den Plan nicht genau, vertraute aber ihrem Untergebenen. „Hoffentlich kann er Ginalla wirklich befreien.“, sagte Zirell. „Ich frage mich, warum sie so wichtig für Sytania ist, dass sie gezwungen war, sie aus strategischen Gründen gefangen zu nehmen.“ „Das wissen wir alle nicht, Zirell.“, sagte Maron in tröstender Absicht. „Aber Sytania kann in die Zukunft sehen und das unbegrenzt. Was ist, wenn sie gesehen hat, dass der Clan der Ginalla ihr noch große Verluste zufügen wird, wenn seine Prätora weiter auf freiem Fuß bleibt.“ „Der Clan der wer?“, fragte Zirell verwundert. „Erinnerst du dich nicht mehr an Kamurus’ Aussage, die er gegenüber mir in der Zwischenzeit gemacht hat?“, fragte der erste Offizier verwundert. „Ach ja.“, sagte Zirell. „Dein Bericht von gestern. Das ist ja eine haarsträubende Geschichte, die dir Kamurus da aufgetischt hat. Ich meine, Shashana und Logar und dann auch noch Klark? Shashana und zwei Männer, die zusammenarbeiten? Klark, ein stolzer Klingone, der sich Hilfe sucht und sich noch dazu einem Mächtigen anvertraut, wo die Klingonen meines Wissens doch glauben, dass ein telepathischer Kampf ohne Ehre ausgeführt wird? Das kann ich ja fast nicht glauben, Maron. Was ist da los in deinem Heimatuniversum?!“ „Ich denke, Zirell.“, vermutete der erste Offizier, „Viel wichtiger als die Tatsache, dass du es nicht glaubst, ist die Tatsache, dass Sytania nicht daran glaubt! Ich denke, dass Klark, Shashana und Logar sehr gut ausnutzen können und werden, dass Sytania sich das auch nicht vorstellen können wird und sie die Prinzessin am Ende sogar überrumpeln können.“ „Ich höre wohl nicht recht!“, empörte sich Zirell. „Ich kann nicht glauben, was du da sagst, Maron. Du unterstellst einem Klingonen und einer Genesianerin, unehrenhafte Handlungen auszuführen! Gut, dass Logar seine Tochter telepathisch beobachtet, wissen wir ja alle. Aber hast du schon mal darüber nachgedacht, was für diplomatische Konsequenzen deine Theorien haben könnten, wenn sie an die falschen Ohren gelangen?!“

Bevor Maron noch reagieren konnte, mischte sich Joran von der Kommunikationskonsole her ein. „Ich glaube, dass du bald einen der Beteiligten selbst danach fragen können wirst, Anführerin Zirell.“, sagte er. „IDUSA sagt, wir werden von einem Rufzeichen gerufen, das sie nicht kennt. Es befindet sich aber laut Kennung in deinem Heimatuniversum, Maron El Demeta. Genauer auf dem Planeten Kronos.“ „Auf Kronos?“, fragte der erste Offizier erstaunt. „Welcher Klingone könnte etwas von uns wollen?“ „Das frag ihn am besten selbst.“, sagte Joran. „Ich werde verbinden, wenn du willst.“ „Also gut.“, nickte Maron und sah Zirell an. „Es ist dein Heimatuniversum.“, sagte die Tindaranerin und legte fast demonstrativ die Hände in den Schoß. „Aber es ist deine Station.“, sagte Maron. „Du bist die Kommandantin und ich nur dein Stellvertreter.“ „Ich glaube.“, mischte sich Joran in die Diskussion. „Wenn ihr noch länger wartet, könnte der Klingone die Geduld verlieren und einfach das Gespräch beenden, bevor es angefangen hat.“ „Also gut.“, sagte Zirell. „Verbinde alles auf die Hauptkonsole.“ Joran nickte und führte ihren Befehl aus.

Vor ihren geistigen Augen auf dem virtuellen Schirm der Hauptkonsole erschien das Gesicht eines hoch gewachsenen Klingonen, den Zirell auf etwa 2,00 m schätzte. Er trug förmliche Kleidung, schien also ein Diplomat oder ein Politiker zu sein. „Ich bin Klark Kanzler der Klingonen.“, sagte er ruhig mit seiner tiefen etwas donnernden Stimme. „Ich kann mir vorstellen, dass aufgrund gewisser Aussagen im Moment wohl bei Ihnen leichte Verwirrung herrschen dürfte. Aber ich bin ja jetzt hier, um diese zu zerstreuen. König Logar, Prätora Shashana und ich wissen genau, dass wir das Unerwartete tun müssen, um Sytania überraschen und somit besiegen zu können. Ich weiß, Commander, in Ihren Augen muss mein Verhalten sehr unklingonisch wirken. Aber ich halte es da eher mit Shashana. Sie sagt, bei den Genesianern darf derjenige, gegen den eine unehrenhafte Handlung begangen worden ist, sich auch auf gleiche Weise rächen, denn ein unehrenhafter Gegner verdient keinen ehrenhaften Kampf! Gegen das Universum der Föderation ist unserer Meinung nach Unehre begangen worden und zwar von niemand Geringerem als Sytania selbst! Schließlich wird sie das Wesen geschaffen haben, das sich des Körpers eines unschuldigen Kindes bemächtigt hat und jetzt alle dahin mordet, die nicht tun, was es will. Ich weiß, dass diesem Wesen mit unseren Waffen nur schwerlich beizukommen ist. Aber ihr Tindaraner, ihr könnt den mit Hilfe eurer geistigen Fähigkeiten beschützen, der euren Schutz wirklich wünscht. Das weiß ich. Außerdem weiß ein kluger Führer, wann es Zeit ist, seinen Stolz herunterzuschlucken und auch mal Hilfe anzunehmen. Jedenfalls wird das besser sein, als in einem aussichtslosen Kampf ehrlos zu fallen. Wir Klingonen bitten also offiziell um den Schutz der Beschützer für unser Universum! Sytania hat bereits einen Brückenkopf auf Romulus und wir werden nicht zulassen, dass sie einen Weiteren errichtet! Nicht auf Kronos und nicht auf Genesia Prime! Ihre Regierung weiß Bescheid, Commander. Die Föderation steht ja ohnehin unter Ihrem Schutz. Darell meinte nur, ich sollte auch Sie informieren, weil Sie mit Sicherheit ermitteln werden, was hier im Gange ist.“ Er beendete die Verbindung.

Zirell atmete tief durch und sah ihren ersten Offizier mit einer Mischung aus Entsetzen, Mitleid und ungläubigem Staunen an. Aber auch etwas Bewunderung schwang in ihrem Blick mit. „Das wird ihm nicht leicht gefallen sein.“, sagte sie. „Stimmt.“, sagte Maron. „Ich kenne die Klingonen auch nur als sehr stolzes Volk, das mit Sicherheit nicht gern unter irgendwelche Schutzmäntel kriecht. Aber wie Klark schon sagte. Ein kluger Führer weiß, wann es Zeit ist, sich Hilfe zu holen. Klark gehört zur besonneneren Fraktion. Er würde niemals unüberlegt handeln, wenn es um sein Volk geht. Das haben unsere Beobachter schon herausbekommen.“ „Außerdem.“, mischte sich Joran ein. „Kann es auch sehr mutig sein, den Schritt zu wagen, sich einzugestehen, Hilfe zu benötigen. Ich denke, gerade in den Augen eines Kriegers, der sonst eigentlich immer selbst alle Kämpfe bestritten hat.“ „Da sprichst du ein wahres Wort gelassen aus, Joran.“, stimmte ihm Zirell zu.

Shimar und Kamurus hatten das Universum der Föderation erreicht, von dem aus sie durch die Wirbel ins Dunkle Imperium fliegen wollten. Den Vorschlag des Schiffes, gleich per interdimensionalem Antrieb in die Dimension zu fliegen, hatte Shimar stringent abgelehnt. „Warum willst du nicht, dass wir gleich in die Dimension einfliegen?“, fragte das Schiff. „Jenna hat meinen interdimensionalen Antrieb doch wieder in Ordnung gebracht. Sie ist übrigens eine sehr gute Ingenieurin.“ „Da wird dir meine IDUSA wohl gern zustimmen.“, lächelte der Tindaraner. „Aber ich werde dir erklären, warum wir nicht den kürzesten Weg genommen haben. Wir haben das nicht getan, weil Sytania mit Sicherheit genau das von uns erwartet hat und vielleicht einige Fallen aufstellen wird, in die ich nun wirklich keine Lust habe, hineinzutappen. Oder möchtest du noch einmal einen Antriebsschaden riskieren?!“ „Das wohl nicht.“, sagte Kamurus und sein Avatar schaute bedient. „Du hast Recht. Aber hoffentlich denkt sich Sytania nicht, dass wir uns denken, dass sie erwartet, dass wir den kürzesten Weg nehmen und erwartet uns gerade hier mit einer Überraschung.“ „Sei’s wie es sei.“, sagte Shimar. „Zu irgendeiner Situation wird es schon kommen, aber ich denke, ich kriege uns schon aus beiden wieder raus!“ „Bei deinem fliegerischen Talent mache ich mir da auch keine Sorgen.“, sagte Kamurus.

Hinter sich im Auswurffach des Replikators hörte Shimar ein Geräusch. „Was machst du da, Kamurus?“, fragte er. „Du wirst im Dunklen Imperium gültiges Geld benötigen, wenn du Ginalla aus den Händen des Ferengi befreien willst.“, erwiderte Kamurus. „Ich habe dir eine beachtliche Menge repliziert.“

Shimar wandte den Kopf. Sein Blick fiel auf einen großen Sack, der das Auswurffach ganz ausfüllte. Durch den Sack, der wie ein Netz gearbeitet war, konnte man gut jeden einzelnen Goldtaler sehen. „Kleiner Appetithappen für unseren Ferengi.“, sagte er abfällig. „Ich nehme an, du wolltest, dass er sehen kann, was drin ist, damit er vor lauter Gier nicht mehr ganz zurechnungsfähig ist und mir alles gibt, was ich will, nur um an das Geld zu kommen.“ „Genau. Wohl bekomm’s.“, sagte Kamurus und imitierte ein Aufstoßen. „Du sagst es.“, sagte Shimar.

Er drehte sich noch einmal zum Sack um und schätzte dessen Gewicht. „Ich glaube, du wirst das Ding beamen müssen, wenn ich mir keinen Bandscheibenschaden holen soll.“, sagte er. „Das werde ich auch tun.“, sagte das Schiff. „Zuerst beame ich dich herunter und dann, wenn du gerade so richtig schön beim Verhandeln bist, kommt dein Geld.“ „Super Idee!“, lobte Shimar und strich mit seinem rechten Zeigefinger über die leeren Ports. „Ich wusste gar nicht, was du für ein brillanter Psychologe und Taktiker sein kannst.“ „Für Ginalla tue ich so manches.“, sagte Kamurus. „Ich weiß.“, sagte Shimar und grinste.

Der Tindaraner setzte sich wieder im Pilotensitz zurecht und sagte dann: „Lass uns das Thema wechseln. Hat Jenna dir die Daten von der Sonde überspielt?“ „Das hat sie.“, sagte Kamurus und nahm Zugriff auf das Genannte. „Was willst du genau wissen?“ „Wurden die genauen Koordinaten und der Name des Ferengi erwähnt?“, fragte Shimar. „Ja.“, sagte Kamurus. „Es ist unweit von Sytanias Schloss und der Name des Ferengi ist Gorg.“ „Wie war das?“, fragte Shimar und musste laut loslachen. „Gorg! Das klingt ja, als würde sich jemandem der Magen umdrehen!“ „Oder willst du ihn lieber Nagus nennen.“, scherzte Kamurus. „So lässt er sich nämlich von den armen bedauernswerten Männern und Frauen anreden, die sich in seiner Gefangenschaft befinden und ihm und kranken Telepathen, die ihre Macht an ihnen ausüben wollen, um sich groß zu fühlen, gefällig sein müssen.“ „Ist mir übel!“, sagte Shimar. „Wie ich so einen am liebsten nennen würde, sage ich jetzt lieber nicht laut, weil dann mit Sicherheit meine gute Kinderstube leiden würde. Aber mein Kleines hat für solche Leute einen ganz speziellen Ausdruck. Sie nennt so jemanden einen Gröfaz. Ich glaube, das bedeutet so viel wie größenwahnsinniger Fatzke!“ „Kommt wohl hin.“, sagte Kamurus. „Aber an deiner Stelle würde ich das vor ihm nicht erwähnen.“ „Für wie dumm hältst du mich?“, fragte Shimar ruhig. „Das bleibt schön unter uns. Sonst kann ich unsere Pläne ja gleich vergessen. Übrigens, für den Fall, dass mich jemand mit einem Erfasser scannt, während ich mit Mr. Gorg verhandle, muss ich in der Lage sein, so überzeugend zu lügen, dass das Gerät nicht ausschlägt. Simuliere dich mir bitte als Gorg und scanne mich, während ich dir meine Geschichte auftische.“ „Du willst also das Lügen üben?“, fragte Kamurus. „Genau.“, sagte Shimar. „Also gut.“, antwortete das Schiff. „Vor telepathischem Einfluss wirst du dich, als trainierter Telepath, ja selbst schützen können, aber um technische Geräte zu täuschen, müsstest du tatsächlich wohl noch ein bisschen üben.“ „Warum sonst hätte ich dir wohl diese Anweisung gegeben?“, fragte Shimar lächelnd. „Also dann.“, sagte Kamurus. „Aber ich glaube, wir sollten stoppen. Sonst sind wir bei den Wirbeln und du bist noch nicht so weit.“ „OK.“, sagte Shimar und gab dem Schiff den Gedankenbefehl zum Deaktivieren des Antriebs.

Kapitel 59: Carusos Urteil

von Visitor

 

Auf der Krankenstation der Basis 818 hatte man mich in das zweite Krankenzimmer geführt. Dann hatte Mr. Yetron, der dies übernommen hatte, den Raum verlassen und mich gebeten, erst einmal nichts zu tun als auf die Anweisungen per Sprechanlage zu warten, die dann auch bald von Commander Time kamen. „Vor Ihnen auf dem Biobett liegt eine in einer Plastiktüte geruchsdicht verpackte Uniform.“, sagte er. „Ziehen Sie sich bitte aus, und dann nehmen Sie die bitte aus der Verpackung und ziehen sie an. Ich werde die Verbindung beenden, damit ich Ihnen nichts wegschaue. Rufen Sie mich, wenn Sie so weit sind. Dann schalten Sie die Sprechanlage bitte auf Dauersenden und setzen sich auf das Biobett. Von mir aus können Sie sich auch hinlegen. Das bleibt ganz Ihnen überlassen.“ „In Ordnung, Sir.“, gab ich zurück. Dann wurde die Verbindung von seiner Seite her tatsächlich beendet. Hinter welchem Knopf sich das Rufzeichen verbarg, das ich bald brauchen würde, wusste ich, denn diese Dinge waren bei allen Sprechanlagen der Sternenflotte standardisiert.

Ich ging also zum Biobett und tastete nach der Uniform, die ich auch bald fand. Dann nahm ich sie aus der Verpackung, nachdem ich mich ausgezogen hatte und zog sie an, um danach zur Sprechanlage zurückzukehren. Dort drückte ich den passenden Knopf und sagte: „Ich wäre dann so weit, Commander.“ „OK.“, gab Time zurück. „Stellen Sie die Anlage ein, nehmen Sie das Mikrofon mit und gehen Sie wieder zum Biobett, Allrounder!“ „Aye, Sir.“, sagte ich und klang dabei wohl etwas verwundert, denn Time fragte zurück: „Was wundert Sie, Betsy?“ „Mich wundert.“, erwiderte ich, „Dass Sie mich mit meinem rechtmäßigen Rang angesprochen haben, obwohl noch gar nicht raus ist, dass ich wirklich Allrounder Betsy Scott bin.“ „Für mich und meine Leute sind Sie es!“, sagte er mit viel Sicherheit und Überzeugung in der Stimme. „Außerdem haben schon zwei von drei Tests Ihre Identität bestätigt. Das sind schon ungefähr 60 %. Was soll denn da noch passieren?“ „Bei allem Respekt.“, sagte ich. „Ich wäre im Hinblick auf Sytania an Ihrer Stelle da lieber vorsichtig.“ „Bravo!“, sagte Time. „Von Ihrer Wachsamkeit könnten sich viele unserer Kameraden sicher noch eine dicke Scheibe abschneiden. Aber ganz ehrlich: Ich glaube kaum, dass der Katzentest etwas anderes ergeben wird, als alle anderen Tests, die wir bisher gemacht haben. Lassen Sie uns jetzt doch einfach mal beginnen. Auch, damit Caruso endlich aus der stickigen Box rauskommt. Sie sind als sehr tierlieb bekannt. Das sollte doch auch in Ihrem Interesse liegen.“ „Also gut.“, sagte ich und nahm die nötige Einstellung auf Dauersenden an der Sprechanlage vor. Danach setzte ich mich mit dem Mikrofon wieder auf das Bett und harrte der Dinge, die da kommen würden.

Time wandte sich Yetron zu, der die ganze Zeit neben ihm gesessen hatte. „Wie lief die Vernehmung, Agent?“, fragte er. „Sie war ein schier übersprudelnder und sehr freigiebiger Quell an Informationen, Commander.“, antwortete der geheimdienstlich ausgebildete erste Offizier mit zufriedenem Grinsen. „Ich musste ihr teilweise sogar helfen, ihre Sätze in die richtigen Bahnen zu lenken. Es haben sich sage und schreibe 15 Datenkristalle voller Material angesammelt, das ich noch auswerten muss.“ „Ich bin auf Ihren schriftlichen Bericht gespannt, Mr. Yetron.“, sagte Time. „Das können Sie auch sein.“, sagte der Demetaner. „Ich weiß, dass ich normalerweise skeptisch sein sollte, wenn jemand so kooperativ gegenüber einem Agenten ist. Aber in ihrem Fall ist das wohl ein bisschen anders gelagert. Wie gesagt: Ich hatte das Gefühl, sie wollte mir am liebsten alles auf einmal sagen. Ich weiß, wir kennen den Allrounder an sich nicht so fahrig. Aber wenn man gerade von den Toten auferstanden ist, ist das vielleicht ganz normal. Ich kann das leider nicht beurteilen, denn ich habe eine solche Erfahrung nie gemacht. Der Einzige, dessen Erfahrungen in den Geschichtsbüchern zugrunde liegen, ist Mr. Spock. Aber er ist kein Vergleich, denn er war ein halber Vulkanier und sie ist eine vollständige Terranerin. Die Situation ist völlig anders gelagert.“ „Na ja.“, sagte Time und zog sein Handsprechgerät, in das er Cendas Rufzeichen eingab. „Wir werden ja gleich sehen, was Caruso dazu meint.“

„Cenda hier!“, meldete sich eine flapsige Stimme aus dem Lautsprecher von Times Sprechgerät. „Techniker.“, sagte Time. „Hier ist Commander Time. Wir sind so weit. Beamen Sie Caruso zu ihr, aber halten Sie die Transportererfassung aufrecht, bis wir Entwarnung geben.“ „Aye, Sir.“, sagte die Celsianerin schmissig und aktivierte den Transporter.

Von dem Vorgang an sich bekam ich naturgemäß nichts mit. Wohl aber von dem, was auf ihn folgte. Das war nämlich das Geräusch von Carusos Schelle, das mir ankündigte, dass er nicht gerade langsam auf dem Weg zu mir war. Dann hörte ich ein aufgeregtes: „Min-Mang!“ Danach wurde es schwer auf meinem Schoß. Die Gewichtszunahme ging zweifelsfrei auf das Konto des Katers, der auf meinen Schoß gesprungen war und sich jetzt laut schnurrend eine Position suchte. Dabei rieb sich sein Kopf immer wieder wahlweise an meiner rechten, oder an meiner linken Brust. „Hi, mein Süßer.“, flüsterte ich beruhigend und streckte meine Hände nach ihm aus. Dabei bemerkte ich, dass er hoch erhobenen Schwanzes auf meinen Beinen stand. Sein Atem und sein Puls gingen sehr schnell, was kein Wunder war, so sehr, wie er sich freute. Dass er positiven Stress haben musste, hörte ich auch an den seltsamen gurrenden Lauten, die er in sein Schnurren gemischt hatte. „So freust du dich, mich wiederzusehen, hm?“, fragte ich in sehr hoher Tonlage und mit leiser Stimme. „Was? Ui, du kannst ja gar nicht so doll schnurren, wie du dich freust. Gar nicht so doll schnurren kannst du ja. Ui!“

Data hatte die Situation mit Time, Ketna und Yetron gemeinsam beobachtet. „Ich kann mir vorstellen, dass er sich sehr freut, Betsy zu sehen.“, erklärte er. „Die gesamte Zeit über, seit ihrem Tod, hat er auf dem Friedhof verbracht. Cupernica und ich mussten ihn des Öfteren einsammeln. Von allein wäre er wohl nicht nach Hause gekommen.“ „Dann hängt er aber ganz schön an Betsy.“, sagte Ketna. „Das ist korrekt, Scientist.“, erwiderte der Androide.

Sie wurden durch Times Kommentar auf eine Änderung der Situation aufmerksam: „Kriech doch gleich in sie rein!“ Data drehte sich zum Monitor. „Was Sie hier sehen.“, referierte er. „Ist das normale Verhalten einer Katze, wenn sie jemanden mag und die Person lange nicht gesehen hat. Es besteht wohl offensichtlich kein Zweifel mehr. Es handelt sich sowohl physisch, als auch mental um Allrounder Betsy Scott, die wir hier vor uns sehen! Ich werde jetzt gehen, und Caruso holen.“ „Also gut.“, sagte Time.

Caruso hatte begonnen, seine Augen zu schließen, nachdem er sich laut schnurrend auf meinem Schoß zusammengerollt hatte. Er musste fast eingeschlafen sein, denn sonst ließ sich nicht erklären, warum er plötzlich hoch schreckte, als Data den Raum betrat. Ohne Umschweife kam der Androide auf mich zu und breitete seine Arme aus, um Caruso von meinem Schoß zu nehmen, eine Maßnahme, mit der dieser aber gar nicht einverstanden zu sein schien. Jedenfalls begann er damit, sich steif zu machen und hob seine rechte Vorderpfote in Datas Richtung, was für mich ein eindeutiges Zeichen war, dass er nun so gar keine Lust hatte, aus der Umgebung, in der er sich jetzt befand, entfernt zu werden. Auch sein Nackenfell sträubte sich und er begann, leise zu fauchen. Mich irritierte sehr, dass Data, der das ja eigentlich wissen musste, nicht darauf einzugehen schien. Deshalb beschloss ich, ihn zu warnen: „Bei allem Respekt, Commander, ich würde an Ihrer Stelle jetzt nicht …!“

Es war zu spät. Ich hörte ein kreischendes Miauen von Caruso und dann ein Geräusch, das mich an das Zerreißen von Plastik erinnerte. Gleichzeitig sagten mir meine Hände, dass Caruso seine Pfote ausgestreckt haben musste. Ich dachte mir schon, dass er Data gekratzt haben könnte. Aber das war sicher kein böswilliges Verhalten gewesen, sondern war, wenn man die Situation berücksichtigte, in der er war, sicher nur seinem Schreck zuzuschreiben. „Es tut mir leid für Sie, Commander.“, sagte ich tröstend. „Sind Sie beschädigt?“ „Sie haben keinen Grund, sich zu entschuldigen.“, sagte Data. „Sie versuchten ja noch, mich vor dieser Dummheit zu bewahren. Wenn ich auf Ihre Warnung eingegangen wäre, würden meine Systeme sicher jetzt nicht die leichte Beschädigung verzeichnen, die ich erlitten habe. Aber Techniker Cenda sollte Caruso vielleicht in seine Box beamen, damit er sich von dem Stress erholen kann. Auch wenn es positiver Stress war, hat ihn die Freude über das Wiedersehen mit Ihnen doch sehr angestrengt.“ „Cenda.“, stammelte ich. „Ja, das halte ich auch für eine gute Idee, auch im Hinblick auf Sie.“ „Ich benötige die Dienste des Technikers nicht, Allrounder.“, sagte Data. „Die Wesen, die mich damals fanden, haben mich auch mit einer sich selbst immer wieder erneuernden Population Naniten ausgestattet, die ich bereits angewiesen habe, den Schaden zu reparieren.“ „Wie spannend ist das denn?!“, fragte ich. „Sie erzählen mir hier tatsächlich, Sie haben ein Immunsystem, das Sie auch noch bewusst kontrollieren können?“ „Über den Grad der Faszination.“, sagte Data. „Die dieser Umstand auf Sie auszuüben scheint, kann ich Ihnen nicht viel sagen. Aber Ihren medizinischen Werten nach, die Sie zu dem Zeitpunkt aufwiesen, als ich Ihnen diesen Fakt präsentierte, schien er doch sehr hoch zu sein. Dass ich ein Immunsystem besitze, ist also eine korrekte Interpretation der von mir präsentierten Fakten Ihrerseits. Es gibt nicht viele, die dieses Geheimnis kennen. Sie sind eine der Ersten.“ „Oh, was für ein Privileg!“, staunte ich und lächelte. „Das andere war übrigens nur eine rhetorische Frage.“

Während unseres Gesprächs war mir völlig entgangen, dass Cenda Caruso fortgebeamt hatte. „Zu Ihrer Information.“, sagte Data, dem aufgefallen war, dass ich die ganze Zeit gedankenverloren die Luft gestreichelt hatte. „Caruso ist nicht mehr da.“ „Das habe ich jetzt auch gemerkt.“, sagte ich. „Der schläft sicher selig und süß. Hat er sich ja auch verdient. Was ist übrigens mit dem Ergebnis des Katzentests? Habe ich bestanden?“ „Haushoch mit Abstand und Auszeichnung.“, sagte Data. „Sie sind mit Sicherheit Allrounder Betsy Scott! Also, willkommen zurück im Leben, Allrounder!“ „Danke, Sir.“, sagte ich und gab ihm die Hand.

Time betrat den Raum. „Auch von mir das Gleiche.“, flapste er mit seinem schweren amerikanischen Akzent. „Vielen Dank, Sir.“, sagte ich. „Was wird jetzt eigentlich mit mir passieren? Ich meine, ich habe immer noch das Problem mit dem Strohhalm.“ „Wir bringen Sie nach Tindara.“, sagte Time. „Vielleicht können die Kameraden Ihres Freundes, oder vielleicht sogar er selbst, Ihnen helfen. Ketna ist mit ihrem Latein am Ende und zwar hoffnungslos!“ „Oh.“, witzelte ich. „Das ist aber nicht gut für eine Ärztin, wenn sie mit ihrem Latein am Ende ist.“ Time lachte. „Wann soll es denn losgehen, Sir?“, fragte ich. „Sobald Cenda das Schiff überprüft hat.“, sagte er. „Muss ich auf der Krankenstation reisen, oder bekomme ich das Gästequartier?“, fragte ich. „So krank sind Sie ja auch nicht.“, sagte Time. „Ketna sagt, Sie können ruhig im Gästequartier wohnen.“ „OK.“, sagte ich. „Dann bliebe ja nur noch zu klären, ob ich mich wieder umziehen soll, oder nicht.“ „Die Entscheidung, welche der beiden Uniformen Sie anbehalten, liegt ganz bei Ihnen.“, sagte Time. „Aber wie ich Cenda einschätze, haben wir nicht mehr viel Zeit.“ „Dann schmeiße ich meine Alte weg.“, sagte ich, nahm den Stapel Kleidung und beförderte ihn in die nächste Materierückgewinnung. „Na dann.“, sagte Time und bot mir seinen Arm an. „Gehen wir.“ Ich nickte und hakte mich unter. Dann machten wir uns gemeinsam auf den Weg zu den Andockrampen.

Shimar und Kamurus waren immer noch an der Position, an der sie gestoppt hatten. Das Schiff hatte den Ankerstrahl gesetzt und kreiste nun mit langsamem Impuls darum herum. Um schneller wieder starten zu können, hatte Shimar ihn dessen angewiesen. Jetzt war Kamurus aber hauptsächlich damit beschäftigt, die Biozeichen seines momentanen Piloten zu überwachen, während dieser ihm seine Legende erzählte, die er sich gemeinsam mit Agent Maron, der ihn als Geheimdienstler ja gut in so etwas unterweisen konnte, ausgedacht hatte.

„Herzlichen Glückwunsch!“, sagte Kamurus und simulierte sich Shimar wieder als er selbst. „Die letzten drei Versuche waren deine Besten.“ Er zeigte ihm die Statistik. „Danke, Kamurus.“, sagte der junge Tindaraner erleichtert. „Glaubst du, ich könnte vor einem vendarischen Erfasser oder einem der Ferengi bestehen?“ „Unbedingt!“, sagte der Avatar von Ginallas Schiff. „Du würdest sogar einen gestandenen Borg überzeugen!“ „Humor hast du ja auch gelernt!“, staunte Shimar. „Kunststück.“, sagte Kamurus ruhig. „Wenn man eine Celsianerin als Pilotin hat, bleibt das wohl nicht aus.“ „Richtig.“, sagte Shimar. „Und genau die werden wir jetzt befreien! Ich werde dich Kurs in Richtung der Wirbel setzen lassen und dann …“

Der Avatar vor Shimars geistigem Auge legte plötzlich den rechten Zeigefinger an den Mund. „Was ist?“, fragte Shimar. „Wir werden gerufen.“, sagte Kamurus. „Allerdings ist das Rufzeichen genesianisch. Die Kriegerin, die mit dir reden will, hat sich mir als Salmonea Tochter von Shandra vorgestellt.“ „Sie will mit mir reden?“, fragte Shimar und machte ein Gesicht, als verstünde er die Welt nicht mehr. „Du hast ihr schon erklärt, dass ich männlichen Geschlechts bin?“, fragte er dann. „Ja, das habe ich.“, sagte Kamurus. „Aber sie besteht trotzdem darauf.“ „Das ist höchst ungewöhnlich.“, sagte der tindaranische Patrouillenflieger verwundert. „Ist dir sonst noch was aufgefallen?“ „Es war auch merkwürdig.“, sagte das Schiff. „Dass mich Salmonea mit meinem Namen angesprochen hat, als wüsste sie, wer ich bin.“ „Wird dein Name nicht mit deinem Rufzeichen im Transpondersignal übermittelt?“, fragte Shimar. „Das nicht unbedingt.“, sagte Kamurus. „Jenna hatte mir geraten, ihn aus dem Signal zu streichen, damit nicht eventuell jemand uns erkennen kann, der es nicht soll. Du verstehst?“ „Sehr gut.“, sagte Shimar. „Die gute Jenn’! Sie denkt aber auch an alles. Aber jetzt sollten wir die Genesianerin nicht mehr warten lassen. Die Angehörigen von Kriegervölkern sind meines Wissens nicht gerade für ihre Geduld bekannt. Stell sie schon durch! Ich nehme ja nicht an, dass ich sie um Erlaubnis bitten muss, sprechen zu dürfen.“

Kamurus’ Avatar nickte und führte den Befehl aus. Bald sah Shimar in das gleiche Gesicht, das er auch schon bei der Besprechung seiner Mission mit Zirell und Maron auf dem virtuellen Schirm gesehen hatte. „Ich grüße dich, Tindaraner!“, sagte Salmonea und klang dabei schon fast etwas kalt und Furcht einflößend. „Ich bin Salmonea Tochter von Shandra vom Clan der Ginalla! Sag mir sofort, was du mit dem Schiff unserer Prätora zu schaffen hast! Warum fliegst du es?! Hast du es ihr etwa gestohlen?!“

Shimar war über ihre Frage zunächst sehr irritiert. Ihre kalten stechenden Augen, mit denen sie ihn angesehen hatte, hatten ihn völlig aus dem Konzept gebracht. „Wir sollten ihr vielleicht einfach die Wahrheit sagen.“, empfahl Kamurus. „Das wird wohl das Beste sein.“, sagte Shimar und setzte an: „Nein, Salmonea, ich habe es nicht gestohlen. Ich habe es gefunden und aus einer höchst misslichen Lage befreit. Sytanias Vendar hatten seinen Interdimensionsantrieb beschädigt und es hätte aus eigener Kraft niemals unsere Dimension erreichen können. Es wäre bei jedem weiteren Versuch zerstört worden, wenn mein Schiff und ich nicht gewesen wären. Es hat gegenüber unserem ersten Offizier eine Aussage gemacht, die Sytania sicher nicht gern hören würde und die ihre Vendar dadurch verhindern sollten. Sytania hat auch eure Prätora entführt. Kamurus und ich sind aufgebrochen, um Prätora Ginalla vom Clan der Ginalla aus ihren Händen zu befreien!“ „Was ist mit Betsy Tochter von Renata, die unsere Erbprätora ist?“, fragte Salmonea. „Sie ist in Sicherheit!“, sagte Shimar fest. „Ich bin einer ihrer zwei Gefährten. Vielleicht wisst ihr, was passiert, wenn ein Tindaraner zu einem anderen Wesen eine Beziehung aufbaut. Deshalb weiß ich es sehr genau!“

Die Gesichtszüge der Kriegerin wurden plötzlich immer weicher und dann lächelte sie sogar. „Richtige Antwort, Tindaraner.“, sagte sie. „Unsere Fragen waren eine Prüfung, die du mit Auszeichnung bestanden hast. Die oberste Prätora informierte uns über die Zukunft. Aber sie hat uns auch gesagt, dass wir sie auf keinen Fall ändern dürfen. Sie steht in direktem Kontakt mit König Logar. Seine Majestät hat ihr gesagt, dass, damit die Erziehungsmaßnahme gegen seine Tochter Sytania Wirkung zeigt, wir den Verlauf nicht wirklich verändern dürfen. Laut dem, was sie uns gesagt hat, müssen wir alle ungewöhnliche Wege gehen, um das hier zu überleben. Der Meinung ist übrigens auch Klark, mit dem wir auch zusammenarbeiten. Ich kann und werde dir nicht sagen, ob es dir gelingt, Prätora Ginalla zu befreien, denn das würde wieder eine Variable bilden, die alles ändern könnte. Aber sag ihr, wenn du sie sehen solltest, dass wir an der Grenze auf sie warten.“ Salmonea beendete die Verbindung.

Shimar machte ein bedientes Gesicht und gab einen Laut von sich, der ebenfalls darauf hinwies, dass ihn die gerade erlebte Situation sehr geplättet hatte. „Soll ich das Steuer übernehmen?“, fragte Kamurus. Von Shimar erfolgte keine Reaktion. Er war wohl immer noch damit beschäftigt, dass eine genesianische Kriegerin gerade freiwillig mit ihm, einem Mann, geredet und ihn sogar als gleichwertigen Partner in irgendeiner Art von Plan betrachtet hatte, wie sie es anscheinend auch widerspruchslos mit Logar und Klark getan hatte. „Erkläre mir bitte mal, was hier los ist, Kamurus!“, sagte er, ohne auf die Frage des Schiffes einzugehen. „Das kann ich leider nicht.“, sagte Kamurus. „Aber anscheinend ist sie eine sehr ungewöhnliche Kriegerin, die auch bereit ist, ungewöhnliche Wege zu beschreiten, um ihre Ziele zu erreichen. Das Gleiche sagen Beobachter aber auch über Shashana. Das ist wohl auch der Grund, aus dem sie sich überhaupt auf den Plan eingelassen hat. Wichtig ist aber auch, dass Sytania dadurch eventuell in die Defensive gedrängt werden kann. Wenn sie nicht damit rechnet, dass wir so sehr von unseren festgefahrenen Strukturen abweichen, dann …“ „Na, dann musste sie ja wohl den größten Satz von uns allen machen, als sie über ihren Schatten gesprungen ist.“, sagte Shimar. „Davon ist wohl auszugehen.“, sagte Kamurus. „Aber was ist nun? Soll ich?“ „Ob du was sollst.“, erkundigte sich Shimar. „Die Steuerkontrolle.“, erinnerte ihn Kamurus. „Ach ja.“, sagte Shimar. „Ist wohl besser. Ich werde an den gerade gehörten Tatsachen wohl noch eine Weile zu knabbern haben.“ „Na gut.“, sagte Kamurus und ließ das Bild der Steuerkonsole vor Shimars geistigem Auge in den Hintergrund rücken. „Bleibt es bei unserem Ziel?“, wollte er wissen. „Natürlich.“, sagte Shimar. „OK.“, sagte Kamurus und setzte sich mit Warp vier in Bewegung.

„Eines würde mich aber noch interessieren.“, sagte er. „Du hast anscheinend größere Schwierigkeiten mit der Tatsache, dass du mit ihr gesprochen hast, als mit dem Fakt, dass deine Freundin, die ja Offizierin der Sternenflotte ist, offensichtlich gerade zur Erbprätora eines genesianischen Clans avanciert ist.“ „Du meinst wegen der Obersten Direktive, der eigentlichen Feindschaft mit den Genesianern und so?“, fragte Shimar lakonisch. „Ich werde dir erklären, warum das für mich nicht so schwer verdaulich ist! Mit Betsy an ihrer Seite, die ja theoretisch als Erbprätora genau so viel zu sagen hat, wie sie selbst, wird sich die Anzahl von Fettnäpfchen, in die Ginalla treten kann, schlagartig auf null reduzieren! Das ist auf jeden Fall besser für alle Beteiligten, als wenn diese unbedarfte Zivilistin mit der Situation völlig alleingelassen ist. Betsys Wissen über die Genesianer wird da sehr hilfreich sein. Ich begrüße die Situation sogar, wie sie jetzt ist.“ „Verstehe.“, sagte Kamurus, der ja nun auch schon mehr als genug einschlägige Erfahrungen mit Ginallas Art gemacht hatte. „Wie sagt Betsys Volk doch so schön? Besser der Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach.“ „Korrekt!“, sagte Shimar fest.

Mittels ihrer seherischen Fähigkeiten hatte Sytania Kamurus und Shimar beobachtet und war zu dem Schluss gelangt, dass jetzt der beste Zeitpunkt für ihren Eingriff wäre. Dies teilte sie auch Telzan mit, der ihre Meinung durchaus teilte. „Wie wollt Ihr sie aufhalten, Herrin?“, fragte der Vendar und grinste dreckig. Er hatte durchaus das Gefühl, dass Sytania jetzt zu Ende bringen würde, was ihm nicht vergönnt war. „Ich werde ein Netz aus Energiesträngen weben, deren Modulation so geartet ist, dass sie sein Warpfeld durchschneidet.“, sagte Sytania und begann damit, sich auf ihr Vorhaben zu konzentrieren. „Mal sehen, wie dieses Schiff und dieser tindaranische Flieger damit umgehen werden.“ „Aber Kamurus kann seine Rosannium-Waffe einsetzen, wenn er spitz kriegt, dass Ihr daran schuld seid, Milady.“, sagte Telzan besorgt. „Nein, Telzan.“, sagte die Königstochter. „Das wird er nicht tun! Ich werde das Netz so einrichten, dass es auch seine Schildgeneratoren zerstört, wenn es mit ihnen in Berührung kommt.“ „Warum die Schildgeneratoren?“, wollte Telzan wissen. „Nun.“, erklärte Sytania schadenfroh. „Kamurus’ momentaner Pilot ist was?“ „Er ist Tindaraner.“, sagte Telzan. „Richtig!“, sagte Sytania und grinste gemein. „Und was sind die Tindaraner?“ „Sie sind Telepathen.“, sagte Telzan und begriff: „Ah, jetzt weiß ich, worauf Ihr hinaus wollt. Wenn seine Schildgeneratoren zerstört sind, wird Kamurus es nicht wagen, die Rosannium-Waffe einzusetzen, weil die Strahlung auch durch seine Hülle dringen und Shimar gefährden könnte, weil er ihn nicht abschirmen kann.“ „Genau.“, sagte Sytania. „Sehr gut erkannt. Aber jetzt stör mich bitte nicht länger. Ich will auf keinen Fall einen Fehler machen!“ „Wie Ihr wünscht, Herrin.“, sagte Telzan und begann zu schweigen.

Shimar hatte trotz der Tatsache, dass Kamurus das Steuer übernommen hatte, den Neurokoppler aufbehalten. Deshalb konnte das Schiff, das seinerseits seine Tabelle geladen gelassen hatte, jeden seiner Gedanken gut verfolgen. „Du hast es immer noch nicht verdaut, was?“, fragte er. „Nein, wenn ich ehrlich bin.“, gab Shimar zu. „Das ist ja auch kein einfacher Stoff. Ich frage mich nur, wie Betsys Commander mit der Situation umgehen wird.“ „Glaubst du, Kissara wird es je erfahren?“, fragte das Schiff. „Wenn es zu einer Zusammenarbeit kommen sollte.“, sagte der Tindaraner. „Dann wird sie es früher oder später erfahren müssen. Es sei denn …“

Kamurus’ Bug machte plötzlich eine Bewegung nach unten und er begann zu schlingern. Gleichzeitig sah sein Avatar Shimar mit vor Panik aufgerissenen Augen an. Hätte der tindaranische Patrouillenflieger es nicht besser gewusst, hätte er fast wirklich geglaubt, das Schiff hätte Angst. Aber da es sich bei ihm um ein Mitglied einer fremden Rasse und nicht um ein auf einer tindaranischen Werft gebautes Schiff handelte, dachte er sich, dass er diesen Gedanken doch nicht so weit von sich weisen durfte. „Hilf mir, Shimar!“, sagte Kamurus mit ängstlicher Stimme, dem es nicht möglich war, aus eigener Kraft seine Fluglage zu stabilisieren. „Hilf mir! Ich brauche dich!“

Shimar hatte bemerkt, dass die instabile Lage, in der sie jetzt waren, dafür zu sorgen drohte, dass Kamurus sich auf die Seite drehen würde, wenn er nicht eingriff. Etwas musste sein Warpfeld fast willkürlich an bestimmten Stellen durchstoßen haben. Das sagte dem geschulten Flieger allein sein Bauchgefühl. Die Instrumente benötigte er nicht, um es zu erkennen. Souverän befahl er: „E-Trimmung aus, Kamurus! Gib mir die Steuerkontrolle! Und jetzt hoch mit der Nase, mein Kleiner! Komm schon!“

Da die elektronische Trimmung ausgeschaltet war, konnte Shimar jetzt alle Spulen einzeln schalten, wenn er sich die entsprechenden Bewegungen der Joysticks vorstellte. So gelang es ihm auch, Kamurus wieder gerade wie ein Brett in den Weltraum zu legen. „Gut so.“, lobte er. „So gefällt mir das! Danke für dein Vertrauen. So und nun reduzieren wir ganz langsam deinen Schub. Dann schaltest du die E-Trimmung wieder ein und wir warten.“

Bald lag Kamurus mit ausgeschaltetem Antrieb im Raum. „Und was nun?“, fragte er. „So kommen wir ja nie ins Dunkle Imperium.“ „Nein.“, sagte Shimar. „Aber dieses Feld, das dein Warpfeld zerschnitten hat, muss ja irgendwo herkommen.“ „Es war ein Netz und kein Feld.“, korrigierte Kamurus und zeigte Shimar die Sensorenbilder. „Sein Ursprung scheint nicht in dieser Dimension zu liegen.“ „Oh, nein.“, sagte Shimar. „Das spüre ich auch. Der Einfluss von Sytania ist überdeutlich.“ „Ich darf die Rosannium-Waffe nicht benutzen.“, sagte das Schiff. „Meine Schildgeneratoren sind auch in Mitleidenschaft gezogen worden. Du würdest auch in Gefahr sein.“ „Dann werde ich Sytania wohl bekämpfen müssen.“, sagte Shimar. „Aber dieses Netz kann anscheinend nur zerstört werden, wenn man seinen Hauptstrang aufribbelt und dass an der Wurzel.“

Er begann damit, sich stark zu konzentrieren, aber Kamurus wiegelte ab: „Du vergisst, dass du deine Kräfte nicht interdimensional nutzen kannst. Wenn sich die Wurzel des Hauptstranges in einer anderen Dimension befindet, hast du keine Chance, ohne dass ich dir helfe. Meine Umweltkontrollen dürften in der Lage sein, jegliche Art von Atmosphäre und Strahlung zu generieren.“ „Du meinst, du kriegst sogar Savarid-Strahlung hin?“, fragte Shimar. „Zumindest kann ich es versuchen.“, sagte Kamurus. „Mit der richtigen Dosis im Hirn könntest du es vielleicht schaffen. Wenn ich anfange, die Strahlung in der Cockpitluft freizusetzen, musst du ein paar Mal tief Luft holen. Dann setzt sie sich auf die Schleimhäute deiner Lungen und gelangt von dort aus in dein Blut, das sie in dein Gehirn transportiert. Möchtest du mit Ishan darüber reden, bevor wir anfangen?“ „Dafür ist keine Zeit!“, sagte Shimar sehr bestimmt. „Fang an! Ich werde zwischendurch immer wieder versuchen, an die Wurzel des Hauptstranges zu kommen. Aber wenn ich sie sicher mit meiner mentalen Hand greifen kann, werde ich sie nicht etwa auf einmal zerreißen, weil mich das auch ziemlich viel Energie kosten würde. Nein! Weißt du, wie ein Biber auf Terra einen Baum fällt, damit er ihm nicht auf dem Kopf landet?“ „Nein.“, sagte Kamurus. „Dann schau zu und lerne!“, sagte Shimar. „Also gut.“, sagte das Schiff, stellte seine Umweltkontrollen ein und begann ebenfalls mit der Aufzeichnung. „Warte, bis die Atmosphäre gesättigt ist.“, empfahl er. „Ich sage dir Bescheid.“ „OK.“, sagte Shimar.

Die Electronica hatte abgedockt und war zu einer Stelle im Weltraum unterwegs, an der sie gut ihren interdimensionalen Antrieb, der ihr auf der Werft erst kürzlich eingebaut worden war, zünden konnte. Sensora hatte dafür auch noch einmal auf der Flugschule die Schulbank drücken müssen. Aber da sie Androidin war, fiel ihr so etwas ja nicht schwer. „Wir befinden uns gleich im freien Weltraum, Sir.“, meldete sie Time. „Sehr gut, Allrounder.“, sagte der Terraner. „Geben Sie als Ziel die tindaranische Dimension ein.“ „Aye, Commander.“, nickte Sensora.

Im gleichen Moment wurde sie auf ein fremdes Rufzeichen aufmerksam, dessen Besitzerin wohl unbedingt mit Time reden wollte. Hinter dem Rufzeichen verbarg sich Salmonea, deren Truppe auch die Bewegungen der Electronica beobachtet haben musste. „Offensichtlich werden wir von jenseits der genesianischen Grenze ebenfalls in Augenschein genommen.“, vermutete Yetron. „Allrounder Betsy erwähnte in ihrer Aussage Genesianerinnen.“ „Was haben die vor?“, fragte Time alarmiert, der den Bericht seines ersten Offiziers wohl noch nicht gelesen hatte. „Wollen die uns angreifen? Sensora, sagen Sie ihnen, dass wir eine Patientin nach Tindara bringen, also auf einer humanitären Mission sind.“ „Das können Sie ihnen selbst sagen, Sir.“, entgegnete die Androidin. „Sie verlangen ausdrücklich, mit Ihnen zu sprechen.“ „Komisch.“, wunderte sich der Amerikaner flapsig und sein demetanischer erster Offizier begann zu grinsen. „Aber verbinden Sie mal. Hören wir uns mal an, was sie zu sagen haben.“

Sensora nickte und führte aus, was ihr Vorgesetzter ihr soeben befohlen hatte. Dann sah Time in Salmoneas Gesicht, das ihn lieb angrinste. „Du magst jetzt glauben, dass wir euch angreifen wollen, Terraner.“, sagte sie. „Aber das wollen wir keineswegs. Wir würden schließlich nie ein Schiff angreifen, auf dem wir das Biozeichen unserer Erbprätora wahrnehmen. Wir warten hier nur auf unser Zeichen.“

Yetron grinste noch stärker und Time schaute bedient. „Sie meint doch nicht etwa …“, sagte Time fast stammelnd. „Doch, sie meint.“, sagte Yetron. „Na.“, sagte der terranische Commander. „Ich fürchte, da wird uns Allrounder Betsy Scott noch einiges erklären müssen.“ „Das wird sie.“, sagte Yetron. „Aber eigentlich hat sie das schon.“ „Ach ja.“, sagte Time. „Da ist ja noch der Wälzer von Bericht, den Sie mir auf den Schreibtisch gelegt haben. Den sollte ich vielleicht mal schleunigst zu Ende lesen. Sie haben die Brücke, Agent!“ Damit ging Time in Richtung seines Bereitschaftsraumes davon.

Shimar war es gelungen, durch bewusstes und tiefes Atmen tatsächlich eine Menge Savarid-Strahlung in sein Blut zu pumpen, die dann von dort in sein Gehirn gelangte. So weit stimmte also die Theorie. Kamurus hatte dies zufrieden beobachtet. Dem Schiff war aber auch aufgefallen, dass er immer noch seine telepathischen Fühler nach der Wurzel des Hauptstranges des Energienetzes ausgestreckt hatte. „Pass auf, dass du deine Energie nicht zu sehr verschwändest.“, warnte Kamurus. „Keine Angst.“, tröstete Shimar. „Ich weiß schon, was ich tue. Ich bin im Moment noch passiv gegenüber der Wurzel. Ich öffne mich ja lediglich den Eindrücken, was du sehen müsstest, wenn du die Daten, die du über den Neurokoppler bekommst, richtig interpretierst.“ „Stimmt.“, sagte Kamurus. „Entschuldige bitte. Aber derartige Interpretationen sind mir neu. Schließlich ist Ginalla Nicht-Telepathin.“ „Schon gut.“, sagte Shimar. „Ich verbuche es als Anfängerfehler und dann sind wir quitt.“

Er schaute plötzlich starr geradeaus. Dieses Verhalten sagte Kamurus, dass sich gerade etwas verändert haben musste. „Was ist los?“, fragte das Schiff zwar ruhig, aber machte auch keinen Hehl aus seiner Absicht, sich auf keinen Fall mit einer halbherzigen Antwort zufrieden zu geben. „Du, ich glaube, deine Strahlung fängt an zu wirken.“, sagte Shimar. „Ich fange an, die Wurzel zu sehen. Sie ist zwar immer noch durch einen leichten Schleier verhüllt, aber ich denke, der wird sich lichten, wenn wir so weitermachen, wie wir es bis jetzt getan haben.“ „Du willst mir damit sagen, dass es tatsächlich mit jedem Atemzug für dich leichter werden könnte?“, fragte das Schiff. Shimar nickte. „Mein Rezept scheint also zu stimmen.“, schloss Kamurus. „Oh ja, Kamurus.“, sagte Shimar. „Das tut es. Aber jetzt bitte ich dich, mir keine Fragen mehr zu stellen, damit ich dir nicht antworten muss und …“ „Schon klar.“, sagte das Schiff. „Nur eines noch: Wann beginnst du mit dieser Bibernummer?“ „Dafür muss die Verbindung zwischen mir und der Wurzel noch stabiler werden.“, sagte Shimar. „OK.“, sagte Kamurus. „Ich werde versuchen, den Anteil der Strahlung in der Cockpitluft noch etwas zu erhöhen. Vielleicht hast du es dann einfacher. Auch später, wenn du die Wurzel hast und an ihr arbeitest, werde ich nicht aufhören, Strahlung zu produzieren. Der Spiegel darf schließlich nicht sinken, wenn wir erfolgreich sein wollen.“ „Da hast du Recht.“, sagte Shimar.

Sytania hatte ein merkwürdiges Gefühl bekommen. Da sie noch immer mit ihrem Netz in Verbindung stand, um es den etwaigen Bewegungen des Schiffes schneller anpassen zu können, nahm sie sehr wohl wahr, was Shimar tat, konnte und wollte es aber irgendwie nicht glauben. Nur Telzan hatte an ihren Gesichtsregungen gesehen, dass da wohl etwas im Gange war. Er kannte seine Herrin gut genug, um dies zu erkennen. „Was ist Euch?“, fragte der Vendar. „Ich weiß es nicht genau.“, log Sytania, die eigentlich ganz genau wusste, dass sie wohl ziemlich in Bedrängnis war. „Jemand versucht offenbar … Ah! Was ist das?!“

Shimar hatte seine Verbindung zur Wurzel im gleichen Moment stabilisieren können, in dem Sytania den Schrei von sich gegeben hatte. „So, Kamurus.“, sagte er konzentriert. „Jetzt solltest du mit der Aufzeichnung beginnen, wenn du was über terranische Biber lernen willst.“ „Na gut.“, sagte das Schiff. „Mich würde ohnehin interessieren, wie du es anstellen willst. Ich meine, Sytania dürfte viel stärker sein als du allein. Wenn Zirell und Nidell dir noch helfen würden, dann könnte ich mir rein mathematisch vorstellen, dass ihr drei …“ „Ach, Kamurus.“, sagte Shimar. „Es ist nicht immer alles eine Frage der Kraft, sondern manchmal auch der Technik! Sytania muss das Netz aufrecht erhalten. Dazu benötigt sie viel Energie. Aber sie kann nicht gleichzeitig das tun und nach allen Stellen suchen, die ich bearbeite. Ich muss also nur schneller als sie sein.“

Über den Neurokoppler beobachtete das Schiff jetzt, wie Shimar seine Hand mit einer Art von Schere visualisierte, die aber nur sehr klein war. Damit begann er jetzt, sich schichtweise um den Hauptstrang herumzuarbeiten. Allerdings tat er das in einer rasenden Geschwindigkeit. Manchmal wechselte er auch willkürlich die Richtung.

Sytania, die dies durchaus mitbekommen hatte, gefiel das gar nicht. „Es ist dieser verdammte Tindaraner.“, sagte sie zu Telzan, der auch bemerkt hatte, dass sie wohl einige Probleme hatte und begonnen hatte, sie mit dem Erfasser zu scannen. „Das kann ich nur bestätigen, Milady.“, sagte der Vendar. „Aber warum kann er das? Ich dachte immer, die Tindaraner können nicht über ihre Dimension hinaus …“ „Da irrst du offensichtlich!“, stieß Sytania angestrengt hervor. „Im Allgemeinen können sie nicht über dimensionale Grenzen hinweg ihre Kräfte benutzen. Aber es gibt ausnahmen wie zum Beispiel Commander Zirell! Aber sie ist nicht bei ihm. Er ist völlig allein! Ich verstehe das nicht! Warum kann er …?!“

Telzan wendete sich ab und vertiefte sich in das Menü seines Erfassers, um ihn umzuprogrammieren. Eine Theorie, wie es dazu kommen konnte, hatte Sytanias treuer Diener bereits. Er wollte sie nur durch das Gerät bestätigt wissen, bevor er sie seiner Herrin unterbreitete. Tatsächlich sagte ihm das Gerät bald genau das, was er wissen wollte. „Seine Energie.“, setzte er an. „Enthält einen großen Teil von Savarid-Strahlung.“ „Wie kommt es dazu?“, fragte Sytania keuchend, die inzwischen durch den anstrengenden Kampf sehr außer Atem war. „Ich kann es nicht sagen.“, sagte Telzan. „Dazu müsste ich wissen, wo er sich befindet. Aber wenn Ihr versuchen würdet, das herauszufinden, dann müsstet Ihr einen Teil Eurer Konzentration vom Netz abziehen.“ „Richtig.“, sagte Sytania. „Aber das darf ich nicht! Wenn ich das täte, hätte er alle Chancen der Welt, es endgültig zu zerstören. Er hat den Hauptstrang schon erheblich ausgedünnt und wenn der reißt, dann … Oh, er ist einfach zu schnell!“

Telzan überlegte. Er musste es irgendwie hinbekommen, seiner Gebieterin wieder einen Vorteil zu verschaffen. Die Zeit würde beileibe nicht reichen, um Sonden nach Shimars Position suchen zu lassen. Das wusste der erfahrene Stratege. Aber wenn er seinen Erfasser so programmieren würde, dass dieser Sytanias Hirnwellen als Trägeramplitude benutzen würde, dann würde er auch ein Bild von dem Netz bekommen können. Dann müsste er das Gerät nur auf Shimars Wellen umstellen und hätte die Information vielleicht schnell genug, um dessen nächsten Schritt vorauszusehen. Eine Garantie war das zwar nicht, aber es würde ihnen immerhin ermöglichen, in Sachen Geschwindigkeit zu ihm aufschließen zu können. Er würde aber sofort handeln müssen, wenn es funktionieren sollte. Seiner Herrin eine Erklärung zu geben, würde zu lange dauern. Außerdem würden derart technische Details sie nur langweilen, wie er fand. Also stellte er das Gerät einfach ein und richtete es auf Sytania.

„Du scheinst es fast geschafft zu haben.“, sagte Kamurus in motivierender Absicht zu Shimar. „Der Strang ist schon erheblich dünner. Du hattest wohl Recht, was Sytania angeht. Die Aufgabe, es aufrecht halten zu müssen, macht sie viel schwerfälliger als dich. Du bist im Gegensatz zu ihr viel flexibler.“ „Ich weiß!“, sagte Shimar, den das Unterfangen inzwischen auch sehr mitgenommen hatte. So sehr, dass es bereits körperliche Reaktionen in Form von Schweißperlen gab, die ihm am ganzen Leib herunter rannen.

Plötzlich registrierte Kamurus eine Verlangsamung der Ausdünnung, obwohl Shimar seine Bemühungen nicht zurückgeschraubt hatte. Das konnte nur eines bedeuten. Sytania musste irgendeine Art von Hilfe haben. Aber auch er hatte eine Idee, wie er Shimar helfen würde. Seine Sensoren hatten ihm gesagt, dass das Netz bereits so schwach war, dass ein gezielter Energiestoß aus seinem Warpfeld ausreichen müsste, um es zu zerreißen. Dazu müsste er von jetzt auf gleich auf Maximum Warp schalten. Das war ihm durchaus möglich, aber die G-Kräfte, die dabei frei wurden, würden Shimar derart in den Sitz pressen, dass es für ihn lebensgefährlich werden könnte, wenn er nicht mit den Antischwerkraftkontrollen dagegen halten würde. Das müsste aber genau dann passieren und auch nur für den genau nötigen Zeitraum. Er hoffte sehr, dass seine Prozessoren schnell genug arbeiteten. Warnen durfte er Shimar nicht, denn über die Verbindung, die zwischen ihnen bestand, könnte auch Sytania etwas davon mitbekommen und dann wäre eventuell alles vergebens. Deshalb sagte er nur: „Nimm dich zurück. Tu, als wolltest du aufgeben. Jetzt brauche ich dein Vertrauen. Ich habe einen Plan. Bitte, Shimar, vertrau mir.“ Shimar überlegte kurz, nickte dann aber nur abgekämpft.

Auch Sytania hatte Wind davon bekommen, dass Shimar offensichtlich nicht mehr weiter versuchte, das Netz zu zerstören. „Er hat aufgegeben, Telzan.“, sagte sie zufrieden. „Endlich hat er gemerkt, dass er seine Meisterin gefunden … Ah! Nein!!!“ Sie schrie, krampfte und wäre wohl von ihrem Thron gefallen, wenn Telzan sie nicht in letzter Sekunde aufgefangen hätte. Er sah auch ohne Erfasser, dass sie ohnmächtig geworden war. „Was haben die Beiden nur gemacht?“, flüsterte er. „Dieser verdammte Tindaraner und das verdammte Schiff?! Ich muss Sytania in ihr Bett bringen und dann meine Frau holen.“ Damit lud er sich die Prinzessin auf die Schultern und ging mit ihr aus dem Saal.

Kamurus’ plötzlicher Warpsprung hatte Shimar sehr überrascht. „Was war das?“, fragte er. „Entschuldige.“, sagte das Schiff. „Aber ich konnte dich nicht warnen, weil Sytania unter Umständen alles hätte mitbekommen können. Du weißt, dass du einen Neurokoppler trägst und dass ihr eine telepathische Verbindung durch den Kampf miteinander hattet. Wenn ich dir Bescheid gegeben hätte, dann wäre alles umsonst gewesen. Sytania hätte reagieren können und ich hätte das Netz nicht zerreißen können, weil sie es vielleicht geflickt hätte. Danke für dein Vertrauen.“

Shimar ließ den Blick seines mentalen Auges über den virtuellen Schirm schweifen. Die Instrumente verrieten ihm genau, was Kamurus getan hatte. „Du hast einen Warpsprung gemacht.“, sagte er. „Aber warum lebe ich noch? Entschuldige die Frage, aber in so einer Situation hätte ich doch eigentlich so sehr in den Sitz gedrückt werden müssen, dass ich am Ende Mus gewesen wäre, wenn du nicht …“

Er überlegte und ein breites Grinsen breitete sich über sein Gesicht. „Hey.“, sagte er dann. „Du willst mir doch nicht etwa sagen, dass du mit den Umweltkontrollen …“ „Doch!“, sagte Kamurus fast stolz. „Genau das habe ich getan. Den weisen Erbauern sei Dank waren meine Prozessoren für dieses Unterfangen schnell genug und haben mich nicht im Stich gelassen.“ „Hat Ginalla dir so was beigebracht?!“, staunte Shimar. „Nein.“, sagte das Schiff. „Darauf bin ich selbst gekommen. Aber von Ginalla habe ich sicher auch viel gelernt. Das ist übrigens auch der Grund, aus dem wir uns überhaupt biologische Piloten suchen, wenn wir das richtige Alter erreicht haben. Wir wollen mit ihnen Erfahrungen austauschen und von ihnen lernen. Gut, viele mögen meinen, dass Ginalla kein adäquater Partner dafür wäre, aber ich sehe das anders! Aber wir zwei, Shimar, ich finde, wir sind auch ein starkes Team!“ „Da wirst du von mir bestimmt keinen Widerspruch hören.“, sagte der Tindaraner und gähnte. „Uff.“, meinte er. „Ich glaube, ich muss mal dringend schlafen.“ „Nicht nur das.“, sagte Kamurus. „Du solltest dich noch einer bestimmten Art von Stimulatorbehandlung unterziehen, die ich gerade für dich ausgearbeitet habe. Sie wird deinem Telepathiezentrum helfen, sich zu erholen. Nimm bitte den Neurokoppler mit und schließe ihn hinten an. Ich bringe uns inzwischen an unser Ziel.“ „OK.“, sagte Shimar. „Aber bevor du gehst.“, sagte das Schiff. „Habe ich noch etwas für dich, das du unbedingt essen solltest. Es hilft deinem Telepathiezentrum, Gifte, die bei der starken Belastung entstanden sind, auszuscheiden.“

Shimar wandte sich dem Auswurffach des Replikators zu. Hier fand er ein pilzähnliches Gewächs, das auf den ersten Blick nicht sehr appetitlich aussah, aber doch ziemlich verführerisch roch. „Das Original wächst auf Kinas drei.“, sagte Kamurus. Dort lebt auch der biologische Pilot meiner Schwiegermutter in Spee. Er findet allerdings, das Zeug schmeckt wie Knüppel auf den Kopf. Er ist auch telepathisch. Du musst den Pilz nicht weiter bearbeiten.“ „Na dann!“, sagte Shimar, nahm sich den Pilz und biss hinein. An seinem Gesichtsausdruck bemerkte Kamurus aber, dass es ihm sehr zu schmecken schien. „Der Typ sollte mal seine Geschmacksnerven untersuchen lassen.“, sagte Shimar mit vollen Backen. Dann schluckte er und fügte hinzu: „Der hat nämlich eindeutig ein Problem damit, wenn du mich fragst.“

Er verdrückte den Rest des Pilzes, leckte sich Finger und Mund ab und rülpste. „Entschuldige bitte.“, sagte er zu Kamurus. „Ich weiß.“, flapste Kamurus. „Das war reine Körperbeherrschung. Andere an deiner Stelle hätten bestimmt ge…“ „Kamurus!“, sagte Shimar überrascht und leicht peinlich berührt. „Schöne Grüße von Ginalla.“, erklärte das Schiff. „Dachte ich mir schon.“, sagte Shimar. „Aber jetzt finde ich, wir sollten Teil zwei meiner Behandlung in Angriff nehmen.“ „Also dann.“, stimmte Kamurus zu und beobachtete, wie Shimar den Neurokoppler abzog, um ihn dann in der Achterkabine, wo er sich auf eine Bank legte, wieder anzuschließen. Er leitete die Stimulatorbehandlung ein und setzte sich gleichzeitig wieder in Richtung Wirbel in Bewegung. Er würde Shimar schon wecken, wenn sie angekommen waren. Er war zuversichtlich, dass sein Telepathiezentrum bis dahin wieder funktionsfähig sein würde.

Kapitel 60: Befreiungsschläge

von Visitor

 

Die Granger und die Electronica waren fast gleichzeitig in der Dimension der Tindaraner angekommen. Daher war Kissara sehr überrascht, als ihr Ribanna diesen Umstand meldete. „Was macht er hier?“, wunderte sie sich halblaut. „Rufen Sie Times Schiff, Ribanna und verbinden Sie mit mir!“, ordnete Kissara dann fest an. Die junge Indianerin nickte und führte ihren Befehl aus. Dann sah Kissara in das über beide Ohren grinsende Gesicht Yetrons. „Guten Morgen, Agent.“, schmeichelte sie. „Ich nehme an, Commander Time ist gerade nicht abkömmlich.“ „Nein, Commander.“, entgegnete der Demetaner. „Das liegt an dem vielen Lesestoff, den ich ihm verpasst habe.“ „Was für eine Art von Lesestoff wird das wohl sein?“, erkundigte sich Kissara.

Yetron ließ eine gewisse Zeit zwischen ihrer Frage und seiner Antwort vergehen, als wollte er sie moralisch auf etwas vorbereiten. Dann setzte er voraus: „Ihr Bild auf dem Schirm sagt mir, dass Sie sitzen, Commander. Also wird es Ihnen hoffentlich nicht so viel ausmachen, wenn ich Ihnen sage, dass wir Allrounder Betsy Scott bei uns haben.“

Kissara musste schlucken und ihr fiel vor Schreck fast das Mikrofon aus der Hand. „Was haben Sie da gerade gesagt, Agent?“, fragte sie mit leichter Empörung in der Stimme. „Ich sagte, dass wir Allrounder Betsy Scott bei uns haben.“, wiederholte Yetron völlig unbeeindruckt von ihrer Gefühlslage. Dann fügte er sogar noch hinzu: „Sie bewohnt das Gästequartier.“ „Eine solche Geschmacklosigkeit hätte ich Ihnen nicht zugetraut, Agent!“, sagte Kissara. „Und Commander Time auch nicht. Was zur Hölle ist in Sie gefahren, dass Sie sogar die Frechheit besitzen, uns alle derart zu veralbern?! Von Ihnen, Mr. Yetron, bin ich solche Scherze ja gewohnt, wenn es darum geht, die Regierung zu verladen. Aber ich bin eine Freundin! Wie kommen Sie dazu, das Gleiche auch mit mir durchziehen zu wollen?! Aber selbst, wenn es wahr ist. Wer hat ihre Leiche ausgegraben?!“ „Niemand außer Ihnen hat hier eine Leiche erwähnt.“, sagte der Demetaner so ruhig, wie man es sonst allenfalls von Mr. Spock erwartet hätte. „Fragen Sie Ihren Kommunikationsoffizier. Sie wird Ihnen mit Sicherheit bestätigen, dass ich kein Wort über eine Leiche verloren habe.“ „Aber Betsy ist tot!“, sagte Kissara. „Da irren Sie sich schon wieder.“, sagte Yetron. „Sie ist nämlich quicklebendig! Und das werde ich Ihnen jetzt beweisen.“

Er wandte sich der genesianischen Waffenoffizierin zu, die ja im Moment nichts zu tun hatte: „Shorna, holen Sie unseren Gast auf die Brücke!“ „Aye, Agent.“, nickte diese, loggte sich aus ihrer Konsole aus und verließ ihren Arbeitsplatz.

Zeitgleich mit Shornas Verlassen der Brücke hatte Time diese wieder betreten. Mit leicht müdem Gesichtsausdruck setzte er sich neben seinen ersten Offizier und sagte: „Mein lieber Agent! Da haben Sie mir ja einen ganz schönen Wälzer hinterlassen. Hätten Sie die Aussage nicht etwas zusammenfassen können?“ „Wenn ich das gekonnt und gedurft hätte, Sir.“, erwiderte Yetron. „Dann hätte ich es sicher getan. Aber ich durfte, als korrekter Ermittler, die Aussage nicht kürzen, solange wir nicht wissen, was wichtig und was unwichtig ist. Jedes Detail könnte entscheidend sein.“ „Also gut, Sie Erbsenzähler.“, sagte Time. „Aber was ist hier eigentlich los? Ich sehe die Granger längsseits und Kissaras Gesicht auf dem Schirm.“

Unaufgefordert reichte Yetron Time das Mikrofon. „Die Verbindung ist noch aktiv.“, sagte er. „Also gut.“, sagte Time, drückte den Sendeknopf und sagte: „Kissara, hier ist Peter. Was tut ihr hier und was ist eigentlich los. Du siehst aus, als hätte dich gerade der Schlag getroffen.“ „Vielleicht hat er das auch.“, sagte Kissara. „Stell dir vor. Dein erster Offizier hat doch glatt behauptet, Allrounder Betsy Scott sei am Leben und bewohne euer Gästequartier!“

In diesem Moment öffnete sich die Tür der Brücke und Shorna und ich betraten sie. „Kissara.“, sagte Time. „Du musst jetzt ganz tapfer sein.“ Dann deutete er hinter sich, wo Shorna mich platziert hatte. „Danke, Warrior.“, sagte Yetron. „Kehren Sie auf Ihren Posten zurück!“ Shorna nickte und tat, was er ihr gesagt hatte.

Time stand auf und nahm mich, die ich geduldig hinter seinem Stuhl gewartet hatte, bei der Hand. „Na kommen Sie mal her!“, sagte er flapsig und führte mich einmal um den Sessel. Dann forderte er mich auf, mich zu setzen und gab mir das Mikrofon in die Hand. Durch Shorna war ich bereits informiert worden. Deshalb sagte ich: „Hallo, Commander.“ „Betsy?!“, kam es erstaunt zurück. „Aber wie kann das sein? Sie sind doch tot! Ich persönlich habe Ihre Grabrede gehalten.“ „Das weiß ich, Commander.“, sagte ich. „Und es war eine sehr schöne Rede, die Sie gehalten haben, so weit mir Lomādo geschildert hat. Aber …“

Time nahm mir freundlich, aber bestimmt das Mikrofon aus der Hand. Dann sagte er: „Langsam, Allrounder, langsam. Sie hat jetzt wahrscheinlich eine Menge zu verdauen.“ „Bei allem Respekt, Sir.“, sagte ich. „Fragen Sie mich mal.“

„Wir sollten das Ganze vielleicht in Anwesenheit von Commander Zirell besprechen.“, schlug Kissara vor. „Ihren Mediziner wollte ich ohnehin informieren, weil wir einen Patienten bei uns haben, der dringend von ihm behandelt werden muss. Loridana ist mit ihrem Latein am Ende. Aber vielleicht können die Tindaraner was machen. Vielleicht kriegen sie raus, warum er sich immer wieder anfallsartig für Captain Sisko hält.“ „Dann wird sich dein Patient wohl hinter meiner Patientin einreihen müssen.“, sagte Time. „Aber vielleicht auch genau umgekehrt. Käme sicher darauf an, wessen Behandlung laut dem Urteil des tindaranischen Arztes länger dauern würde.“ „Das werden wir ja sehen.“, sagte Kissara. „Aber ich denke, wir sollten auch einige taktische Dinge mit Zirell und Maron besprechen.“ „Der Meinung bin ich aber unbedingt auch.“, sagte Time. „Du weißt vielleicht, dass Sytania einen Brückenkopf auf Romulus hat. Das ist ein Umstand, der meiner Meinung nach dringend geändert werden muss!“ „Da wirst du von mir keinen Widerspruch hören.“, sagte Kissara. „Also dann.“, sagte Time. „Steuern wir die Station 281 Alpha an und rotten wir uns mal wieder zusammen.“ „Oh, natürlich.“, sagte Kissara. „Anscheinend müssen wir schon wieder die Kastanien aus dem Feuer holen.“

Shimar war auf seinem Platz auf der Bank in Kamurus’ Achterkabine erwacht. Er fühlte genau, dass es seinem Telepathiezentrum wieder sehr gut gehen musste. „Deine Behandlung solltest du vielleicht mal Ishan zeigen.“, flüsterte er in Kamurus’ Richtung. „Sie scheint auf jeden Fall Wunder zu wirken. Aber dafür sollte ich mich vielleicht auch mal revanchieren.“

Er setzte sich auf und wünschte sich, dass Kamurus’ Schildgeneratoren wieder heil wären. Gleich darauf gab es einen weißen Blitz. „Na läuft doch.“, sagte er zufrieden und stand ganz auf.

Kamurus’ Avatar zeigte sich ihm über den Neurokoppler. „Ich sehe, es geht dir besser.“, sagte seine tiefe warme Stimme. „Oh ja.“, sagte Shimar. „Das tut es. Deine Behandlung ist echt klasse! Meine Fähigkeiten sind wieder voll da.“ „Woher weißt du das so genau?“, fragte das Schiff. „Ich würde an deiner Stelle mal die Schildgeneratoren überprüfen!“, sagte Shimar mit sehr viel Stolz in der Stimme.

Der Avatar nickte und das Schiff folgte seiner Aufforderung. „Du hast nicht übertrieben.“, sagte er. „Sie funktionieren wieder. Ach übrigens: Wir sind bereits im Dunklen Imperium. Ich werde jetzt nach der Kneipe suchen und dann werde ich dich dort hin beamen.“ „In Ordnung.“, sagte Shimar. „Je eher Ginalla aus diesem Loch rauskommt, desto besser für sie.“

Er nahm den Neurokoppler ab, überprüfte, ob er sein Sprechgerät bei sich hatte und stellte sich dann abwartend mitten in den Raum. „Hast du nicht etwas vergessen?“, fragte Kamurus über den Bordlautsprecher. „Nein.“, gab Shimar zurück. „Nicht, dass ich wüsste.“ „Was ist mit deiner Uniform?“, fragte das Schiff. „Wäre es nicht besser für dich, in Zivil aufzutreten? Meiner Meinung nach solltest du dich dringend umziehen, um kein schlechtes Licht auf das tindaranische Militär zu werfen.“ „Wenn ich mich umziehe.“, sagte Shimar. „Dann stimmt Marons und meine Legende nicht mehr. Ich bin ein gewissenloser moralischer Abweichler, der keine Skrupel hat, was das angeht, was er tut. So einem ist auch völlig egal, ob das, was er tut, seine Uniform beschmutzt oder nicht. So was ist auch total nach dem Geschmack des Ferengi. Die lieben, zumindest laut Maron, gewissenlose moralische Abweichler, weil die sind wie sie selbst.“ „Ich verstehe.“, sagte Kamurus.

Er drehte sich plötzlich und schien in eine Umlaufbahn über einem bestimmten Punkt einzuschwenken. „Ich nehme an, du hast sie gefunden.“, vermutete Shimar. „Das ist richtig.“, sagte das Schiff. „Ich habe meine Suche an ihren Biozeichen orientiert. Es hätte ja sein können, dass dieser Ferengi sie weiter verkauft hätte oder so etwas. Dann wären die Daten des Jungen von der Sonde veraltet gewesen.“ „Sehr gut!“, lobte Shimar. „Sie ist aber immer noch bei dem Ferengi.“, erklärte Kamurus. „Also gut.“, sagte Shimar und überprüfte ein letztes Mal seine Ausrüstung. Dann sagte er: „Setz mich am besten einige Meter vor der Kneipe ab. Dann hegt auf jeden Fall niemand einen Verdacht. Wäre ja höchst verdächtig, wenn jemand mitbekäme, dass ich mich mitten im Gastraum materialisiere.“ „Da hast du Recht.“, sagte Kamurus. „Wenn du unten bist.“, fügte er noch hinzu. „Werde ich dich rufen und dann nimmst du die Verbindung so an, dass ich hören kann, was du tust und sagst.“ „OK.“, sagte Shimar. „Also dann.“, sagte das Schiff und aktivierte seinen Transporter.

Der Tindaraner fand sich vor der Kneipe auf einer der relativ unbefestigten Straßen des Dunklen Imperiums wieder. In der Ferne konnte er die Leuchtreklame der Bar ausmachen, die so gar nicht in das sonst sehr mittelalterlich anmutende Bild der Dimension passen wollte. „Na, Geschmack haben die Ferengi ja noch nie gehabt.“, sagte er leise und setzte sich in Richtung Tür in Bewegung. „Und schon gar kein Gespür für fremde Kulturen.“

Er durchquerte den Eingang, über dem er ein großes Schild mit der Aufschrift: „Beim Nagus!“, lesen konnte. Bei dem Gedanken an diesen Text stieß es ihm extrem sauer auf. Er durfte und wollte sich aber nichts anmerken lassen.

Shimar ging weiter und befand sich bald im Gastraum, in dem es einen langen Tresen gab, hinter dem ihn ein dicker Ferengi erwartete. Die Luft war schwer von Rauch und dem Geruch von Alkohol. Ein Rechner spielte drittklassige Musik ab. Lebst wohl gut hier von deinen Einnahmen, du Fettwanst!, dachte Shimar. Aber warte mal ab. Dir wird das Lachen schon noch vergehen, du elender Menschenhändler und Folterknecht! Am liebsten hätte Shimar wohl vor aller Augen ausgespuckt, aber das durfte er sich jetzt nicht erlauben, denn damit würde er seine Tarnung gefährden. Also ging er nur auf den Tresen zu und sprach den Wirt an: „Bist du hier zuständig?“

Der Ferengi drehte sich um. Erst jetzt sah er mit ungläubigem Staunen in das Gesicht des Tindaraners. „Was tut einer wie du denn hier?“, fragte er. „Na, was wohl.“, sagte Shimar und versuchte dabei, ziemlich abgebrüht zu klingen. „Ich will mein Vergnügen! Es macht mir viel Spaß, wenn ich mich gegenüber einem Nicht-Telepathen so richtig groß fühlen kann! Ich hörte, das ist genau das, was du anbietest. Wer weiß, vielleicht trinke ich ja sogar noch einen auf die Sache, wenn es mir gefallen hat. Oder auch zwei oder drei!“ Der Ferengi grinste dreckig. Dann sagte er: „Ich glaube, da könnte ich dir schon helfen. Aber wir müssen erst sicher gehen, dass du keine Absichten hast, die mich in Teufels Küche bringen könnten. Immerhin bist du Tindaraner und das auch noch einer vom Militär. Denen traue ich nicht. Wer weiß. Vielleicht hat dich ja auch dein Commander oder die Zusammenkunft geschickt, um mich hochzunehmen.“ „Wo denkst du hin?“, schauspielerte Shimar. „Ich komme aus ganz freien Stücken. Mein Commander weiß gar nicht, dass ich hier bin und ich wäre dir dankbar, wenn das auch so bliebe, du verstehst mich doch!“ „Das hängt ganz davon ab, ob du wirklich ehrliche Absichten hast.“, sagte der Ferengi.

Einer der anderen Umstehenden, oder besser der Umsitzenden, war auf das Gespräch zwischen Shimar und dem Ferengi aufmerksam geworden. Es handelte sich um einen imperianischen Lord, der dem Met schon ziemlich zugesprochen hatte und daher lallte: „Hör mal, Soldat. Wenn dein Commander das rauskriegt, was du hier in deiner Freizeit so machst, wird er dich strafex…, strafex …, ach, Scheißwort! Du weißt schon, was ich meine.“ Er versuchte aufzustehen, fiel aber gleich wieder der Länge nach hin. Shimar warf ihm nur einen verächtlichen Blick zu. „Ist mir scheißegal.“, sagte er. „Hauptsache, ich hatte meinen Spaß.“

Jetzt mischte sich auch der Ferengi wieder ein: „Irgendwie bin ich noch nicht wirklich überzeugt.“ „Ach nein?!“, fragte Shimar und drehte den Kopf dabei in Richtung Mikrofon seines Sprechgerätes, das er in der Tasche hatte. Kamurus, der diesen Wink durchaus verstanden hatte, beamte augenblicklich den Sack mit dem Geld hinunter und zwar genau auf den Tresen vor die Nase des Ferengi. Der bekam ganz große Stielaugen und wurde sehr aufgeregt. „Na, überzeugt dich das?“, fragte Shimar. „Oh, ja.“, sagte der Ferengi fast geifernd. „Das überzeugt mich.“

Er drehte sich um und betätigte eine Sprechanlage. Dann sah Shimar, wie sich hinter dem Tresen eine schwere Tür öffnete. Aus dieser kamen dann lauter verschüchterte und traumatisierte Männer und Frauen, die sich aber nichts anmerken ließen. Aber Shimar konnten sie nicht täuschen. Bald darauf sah er auch den Grund, warum sie trotz ihrer Situation gute Miene zum bösen Spiel machten. Hinter ihnen ging nämlich eine Vendar mit einem Erfasser und einem Gerät, das in der Lage war, bei jedem Fehlverhalten Elektrostöße auszusenden, die über ein Halsband direkt an den richtigen Adressaten gingen. „Stellt euch auf!“, befahl die Vendar unwirschen Tons. Angstvoll taten die Personen, was sie von ihnen verlangt hatte.

Shimar hatte jetzt auch Ginalla in der Menge entdeckt, aber der Ferengi zeigte auf eine Terranerin. „Sie hat eine Menge Erinnerungen, die dir sicher gefallen werden.“, sagte er und lachte sich ins Fäustchen. „Zu ihr eine Verbindung aufzubauen ist auch sehr leicht. Du wirst leichtes Spiel und viel Spaß mit ihr haben.“ „Leicht ist langweilig.“, sagte Shimar mit Schmähen in der Stimme. „Ich mag es eher, wenn ich mir den Zugang erkämpfen muss!“ Er zeigte auf Ginalla, die ganz hinten in der Reihe stand. „Ich will die da!“

Alle, die sein Ansinnen mitbekommen hatten, schauten ihn fast mitleidig an und der betrunkene Lord meinte nur: „Mit der wirst du kein Glück haben, Soldat. Du musst wissen, bei der habe ich es auch schon versucht. Aber die ist so verkrampft und ängstlich, dass es nicht mal möglich ist, zu ihr eine Verbindung zu kriegen.“ Woher weiß ich, dass das nicht teilweise an Euch liegt, Euer Besoffski!, dachte Shimar. Der ganze Met dürfte Euch den Saft aus dem Telepathiezentrum gelutscht haben. Alkohol tötet nun mal Gehirnzellen. Das ist Fakt.

Er wandte sich wieder Gorg zu: „Ich bleibe bei meiner Entscheidung!“ „Na gut.“, sagte der Ferengi, der aber irgendwie nicht wirklich einverstanden schien. „Aber nicht, dass du nachher dein Geld zurückverlangst, wenn es mit ihr nicht klappt. Diese Scherereien hatte ich nämlich schon oft genug mit ihr.“ „Ach ja.“, sagte Shimar. „Über das Thema haben wir ja noch gar nicht gesprochen.“

Der Tindaraner drehte sich dem Sack zu und begann damit, den Hanfstrick zu lösen, mit dem der Sack verschlossen war. „Sehr authentisch, Kamurus.“, flüsterte er in Richtung seines Sprechgerätes. „Sehr gut, wirklich.“ Dann griff er in den Sack und holte einige Hände voll Geld heraus, das er großzügig über den gesamten Tresen verteilte. Dabei nahm er absichtlich in Kauf, dass auch einige Münzen mit lautem Klirren auf dem Boden landeten. „Ich nehme an, ich darf ruhig großzügig streuen.“, sagte er. „Du und deine Angestellten, ihr fegt nachher bestimmt sehr gründlich.“ Mit diesem Verhalten hatte Shimar genau das erreicht, was er erreichen wollte. Jegliche Zweifel des Ferengi waren auf einmal wie weggeblasen, als er den Haufen Goldtaler sah. „Dafür kannst du sie so lange haben, wie du willst.“, stotterte der Ferengi, der angesichts des vielen Geldes schon nicht mehr ganz Herr seiner Sinne war. „Aber verlang es ja nicht zurück, wenn …“ „Wenn du davor solche Angst hast.“, fuhr Shimar Gorg über den Mund. „Dann biete ich dir hiermit einen kleinen Handel an. Wie wäre es, wenn wir folgendes vereinbaren: Deine Vendar schaut nach, wenn ich mit ihr zurückkomme, ob ich wirklich in ihrem Geist war. Wenn ich das geschafft habe, werde ich dich von diesem Übel befreien und sie mit mir nehmen. Dann musst du ihretwegen nie mehr Angst um deine Einnahmen haben. Ist das ein Deal?“ „Oh ja.“, sagte Gorg, der sich angesichts von Shimars Angebot sehr erleichtert fühlte. „Na dann.“, sagte Gorg und gab der Vendar ein Zeichen, das sie veranlasste, Ginalla in seine Richtung zu schieben. „Du hast es gehört!“, sagte sie. „Los, geh hin, Ginalla!“

Verschüchtert folgte Ginalla der Anweisung. Erst jetzt konnte sie wirklich sehen, wer da wohl was von ihr wollte. Sie kannte dieses Gesicht! Irgendwo her kannte sie es. Sie konnte sich nur noch keinen wirklichen Reim darauf machen, woher sie es kannte. Aber das war wohl wieder eine dieser verschütteten Erinnerungen, an die sie im Moment nicht herankam.

Shimar näherte sich ihr vorsichtig und fast zärtlich und nahm sie bei der Hand. „Es wird dir nichts passieren.“, flüsterte er ihr zu. „Wenn du mir vertraust, wird dir nichts passieren. Dann wirst du sogar bald frei sein.“ Dann sagte er in normaler Lautstärke: „Du heißt Ginalla, nicht? Ein Name, den ich bestimmt noch in freudiger Erinnerung haben werde.“ „Und wie heißt du, Soldat?“, fragte Ginalla und begann fast zu weinen, ein Verhalten, das Shimar sonst gar nicht von ihr kannte, aber angesichts dessen, was sie durchgemacht hatte, konnte er sich schon denken, dass sie sehr große Angst haben musste. „Das wirst du schon noch erkennen.“, sagte Shimar. „Ich wette mit dir, dass du mich kennst und ich wette mit dir, dass ich wieder die Ginalla aus dir machen kann, die du mal warst.“ „Freu dich da mal nicht zu früh, Soldat.“, erwiderte Ginalla und winkte ihm, ihr zu folgen.

Sie gingen eine schmale Stiege hinauf und kamen im ersten Stock der Bar in ein Zimmer, das mit einer Couch und einem Tisch nur spärlich eingerichtet war. Die grüne Couch stand in einem Halbkreis um den weißen Tisch. So war es theoretisch möglich, sich gegenüber zu sitzen. Das taten Ginalla und Shimar dann auch. „Möchtest du, dass ich deine Hände nehme?“, fragte der Tindaraner fürsorglich. „Warum interessiert dich, was ich möchte?“, fragte Ginalla irritiert. „Eigentlich hat doch eher mich zu interessieren, was du willst.“ „Hör mal.“, sagte Shimar. „Wenn das hier funktionieren soll, dann muss ich doch auch wissen, womit du dich wohl fühlst.“ „Hängt ganz davon ab, wie du funktionieren definierst, Soldat.“, sagte die Celsianerin. „Bei mir heißt funktionieren.“, sagte Shimar. „Dass wir beide etwas davon haben. Also muss ich ja auch wissen, wie ich dafür sorgen kann, dass du dich sicher fühlst.“ „Dann nimm meine Hände, Soldat.“, sagte sie und streckte ihm die Ihren zitternd entgegen. „OK.“, sagte Shimar und nahm sie vorsichtig auf. „Genau so vorsichtig bin ich übrigens auch, wenn ich eine telepathische Verbindung aufbaue.“, sagte er leise und tröstend. „Das musst du mir beweisen.“, sagte Ginalla skeptisch. „Das werde ich.“, sagte Shimar und nahm einen nicht sehr stabilen geistigen Kontakt zu ihr auf, der sofort enden würde, wenn sie sich nur ein bisschen sperren sollte. „Siehst du?“, fragte er. „Ich kratze erst mal nur ganz vorsichtig an der Oberfläche. Mit der Verbindung kann ich noch nicht viel machen.“

Ginalla gab plötzlich einen genießerischen Laut von sich. Irgendwie war ihr das Gefühl vertraut, ihn in ihrem Geist zu spüren. Aber sie wusste nicht, wo sie es hinstecken sollte. Sie wusste nur, dass sie es sehr mochte und wünschte sich sehr, es zu vertiefen. „Bitte mach die Verbindung stabiler, Soldat.“, bat sie. „Ich will dich in meinem Kopf spüren. Ich will, dass du mich aus diesem vernebelten Dasein befreist, das ich jetzt friste. Bitte bring mir meine Erinnerungen zurück!“ „Also gut.“, sagte Shimar und vertiefte die Verbindung.

Sie glitten in jenen traumähnlichen Zustand ab, den jene Geistestechnik, die Shimar jetzt benutzte, bei den Meisten auslöste. Dann sah sich Shimar vor einem riesigen Haufen Erde, der den Eingang zu einer Höhle versperrte. Auch nahm er das Fließen von Wasser wahr. Das Wasser schien sich in einem Bach zu befinden, der in der Höhle war und offensichtlich immer weiter anschwoll, je länger er die Situation beobachtete. Wenn der Fluss stark genug würde, das wusste Shimar, konnte es sein, dass er sich einen Weg durch die aufgeschüttete Erde bahnen konnte, aber das würde, soweit er es beurteilen konnte, wohl noch einige 100 Jahre dauern, wenn er nicht eingriff. Er beschloss, dem Fluss, zu dem der Bach mittlerweile geworden war, ein wenig zu helfen. Dazu legte er sich bäuchlings hin und begann, sich wie ein Maulwurf parallel zum Flusslauf durch die Erde zu graben. Er drehte seine Hände so, dass sie mit den Handflächen nach oben zeigten. Dann schob er sich vorwärts und warf mit den so entstandenen Schaufeln die Erde nach oben auf. Das, was von hinten nachrutschte, klopfte er mit den Beinen fest, während er sich abstieß. Dabei war er von sich selbst sehr überrascht. Von mir hatte er sich einmal beschreiben lassen, wie sich terranische Maulwürfe durch das Erdreich bewegten, aber er hätte nie gedacht, das selbst einmal so gut hinzubekommen. „Na also!“, stellte er leicht außer Atem fest. „Man kann auch von vergleichsweise primitiven Wesen sehr gut lernen, wenn man sie mit neutralem Blick beobachtet und manchmal können uns hoch technisierten Zweibeinern auch ihre Fähigkeiten sehr helfen.“

Er wurde auf ein Kinderweinen aufmerksam, das er von irgendwo her kannte. Es klang wie das Weinen der kleinen Ginalla, der er schon einmal geholfen hatte. Jetzt hatte er einen sehr guten Ansatzpunkt und konnte auch die gesamte Symbolik der Welt, die er jetzt vor sich sah, leichter entschlüsseln. Offensichtlich war die Erde der Nebel, den Sytania über Ginallas Geist gelegt hatte. Aber er wusste jetzt auch, was die kleine Ginalla in dieser Szenerie tat. Vielleicht war sie der Teil von Ginalla, der sich noch immer gegen ihre jetzige Situation zur Wehr setzte. Wenn es ihm gelang, sich mit ihr zu verbünden, könnte er vielleicht auch Sytanias Nebel vertreiben.

Er robbte weiter am Fluss entlang in Richtung des Inneren der Höhle. Erst jetzt fiel ihm auf, wie viel Unrat dieser mit sich geführt haben musste. Sehr markant war ein riesiger Ast, der mitten im Wasser lag. „Warte mal ab.“, sagte Shimar. „Vielleicht bist du ja noch zu gebrauchen.“

Er hielt inne und versuchte das Kinderweinen zu lokalisieren, dessen Urheberin er im hinteren Teil der Höhle bald tatsächlich entdeckte. Es war zwar so dunkel, dass er kaum die Hand vor Augen sehen konnte, aber dieses kleine Mädchen erkannte er auch so. „Hallo, kleine Ginalla.“, sagte er und setzte sich neben sie auf den Boden. Erst jetzt fiel ihm auf, dass eine Puppe auf ihrem Schoß saß, die keinen Kopf mehr hatte. Die Puppe trug das gleiche Kleid, das auch Ginalla bei ihrer ersten Begegnung getragen hatte. Um das Kind und die Puppe herum lagen Scherben. Offensichtlich hatte die Puppe einen Kopf aus Porzellan gehabt. Auch das Kind hatte die gleichen Sachen an, die Shimar auch bei seiner ersten Reise in Ginallas Seele bei ihr gesehen hatte. „Hallo, Onkel.“, weinte die kleine Ginalla. „Woher weißt du, wie ich heiß’?“ „Das habe ich mir einfach so gedacht.“, sagte Shimar. „Es war also richtig, oder?“ „Hm.“, machte das Mädchen. „Und wie heißt deine Puppe?“, wollte Shimar wissen. „Sie heißt auch Ginalla.“, sagte das Kind. „Aber sie ist schon eine große Dame, weißt du?“ Sie sah die Puppe an und begann erneut zu weinen: „Sie hatte so ein liebes Gesichtchen!“

Für Shimar begann auf einmal alles zusammenzupassen. Die Puppe war offensichtlich der Teil von Ginalla, der zerstört oder verschüttet worden war. Die kleine Ginalla war tatsächlich der Teil, der sich noch immer wehrte und die Erde musste Sytanias Nebel sein, da sie ja den Eingang zur Höhle versperrt hatte. Aber all diese Dinge würde der kindliche Teil von Ginalla ja noch nicht verstehen. Er musste weiter mit ihr auf der gleichen Ebene kommunizieren, wenn er ihre Hilfe wollte. Deshalb sagte er: „Wer hat dich und deine Puppe denn hier eingesperrt und ihr Gesicht kaputt gemacht, Ginalla?“ „Das war die böse Prinzessin.“, sagte die Kleine. „Sie hat mich hier eingesperrt und Ginallas Gesicht zerschlagen.“

Shimar sah sich erneut um. Ihm waren einige Dinge aufgefallen. Die Quelle des Flusses schienen ihre Augen zu sein. Je mehr sie weinte, desto tiefer wurde er nämlich. Aber auch die Erde schien für ihn ein Geheimnis zu bieten, das er noch herausbekommen musste. Deshalb nahm er einen Klumpen in die Hand, tauchte ihn ins Wasser und begann ihn zwischen den Fingern zu zerreiben. Dann sah er sich seine Hände und die Reste genau an. „Das ist ja Ton!“, stellte er fest. „Genau das, was ich jetzt gebrauchen kann.“

Er nahm einige der Porzellanscherben auf, die rings umher lagen. Dann strich er sie mit dem matschigen Ton ein und setzte sie vorsichtig der Puppe wieder in den Kopf. Dabei war er über sich selbst erstaunt, denn Puzzles waren sonst eigentlich noch nie seine Stärke gewesen. Dieses hier schien ihm aber sehr leicht von der Hand zu gehen. Er dachte sich, dass er die Situation wohl schon sehr gut zu Ginallas und seinem Vorteil geändert haben musste. Je mehr Erde er entnahm, um die Scherben festzukleben, desto stärker schrumpfte der Haufen, was ja eigentlich auch die logische Konsequenz war. Aber das ging in einer solchen Geschwindigkeit vor sich, dass er sich nur dachte, dass er offensichtlich gerade Sytanias Energie sehr erfolgreich in seine Eigene umwandelte. Er fragte sich nur, warum eine Reaktion von ihr ausblieb. Seine Theorie war allerdings, dass es vielleicht etwas mit Kamurus’ Überraschungsangriff zu tun haben konnte. Aber wenn sie sich nicht einmischte, um so besser.

Wenig später war auch die letzte Scherbe verbaut und Ginalla sah ihn strahlend an. „Du hast es geschafft, Onkel!“, quietschte sie. „Darf ich dich knuddeln?!“ „Klar doch.“, sagte Shimar. „Aber wir setzen Ginalla besser erst mal auf den Boden, damit ihr nichts passiert. Wir müssen sie sowieso nach draußen an die Sonne bringen, damit der Ton aushärten kann, weißt du? Vielleicht finde ich auch draußen was, das wir als Brennglas verwenden können, damit das auch für länger hält.“ „Aber wie sollen wir hier raus kommen?“, fragte die kleine Ginalla. „Ich kann nicht schwimmen.“

Shimar zerrte den Ast, der schon fast an einen dicken Baumstamm erinnerte, heran. Dann schob er ihn ins Wasser, zog seine Uniformjacke aus und verknotete sie so, dass sie tatsächlich entfernt an eine Tragetasche für Babies erinnerte. Die Tragegriffe, die zusammengeknoteten Ärmel, hängte er Klein-Ginalla um den Nacken und die Schultern. Dann setzte er die Puppe in die Tasche und führte das Kind zu dem Ast. „Setz dich drauf und halt dich gut fest.“, sagte er. „Ich schieb’ dich dann. Ich kann gut schwimmen. Das mit dem Knuddeln verschieben wir besser auf den Zeitpunkt, wenn wir draußen sind.“ „OK.“, sagte Klein-Ginalla.

Im gleichen Moment begann das Wasser, die Höhle und alles, was dazu gehörte, sich aufzulösen und sie standen im Freien. „Können wir jetzt knuddeln?“, fragte die kleine Ginalla den völlig verdatterten Shimar. „Na gut.“, sagte er. „Aber lass mich bitte vorher sicher gehen, dass wir nicht mehr von der bösen Prinzessin behelligt werden.“ „Das werden wir nich’.“, sagte das Kind, aber ihre Stimme wurde mit jedem Wort immer erwachsener. Schließlich fanden sich Shimar und Ginalla in dem Zimmer in der Kneipe des Ferengi wieder, aber der Gesichtsausdruck der Celsianerin hatte sich verändert. In ihr Gesicht war der selbe kesse Ausdruck zurückgekehrt, den Shimar von ihr kannte. „Du kannst dich beglückwünschen, Soldat.“, sagte sie. „Ich habe durchaus gehört, was du mit dem Nagus beredet hast. Ich gehöre jetzt ganz dir.“ „Nein, Ginalla.“, sagte Shimar. „Du gehörst nur dir selbst. Aber weißt du denn jetzt, wer ich bin?“ „Ich habe eine Theorie.“, sagte sie. „Aber die is’ noch nich’ bestätigt. Wenn du nach einer bestimmten Erinnerung zielgerichtet suchen kannst, dann weiß ich es glaube ich ganz sicher. Es wird etwas sein, das wir zusammen erlebt haben und das der helle Wahnsinn war. Wenn nur du es finden kannst, dann weiß ich, wer du bist, weil nur du wissen kannst, wovon ich rede.“ „Da fällt mir nur eins ein.“, sagte Shimar. „Dann wollen wir mal deine Theorie bestätigen, oder?!“, fragte er.

Ginalla gab zur Antwort nur einen spitzen Laut der Vorfreude von sich, als er erneut eine Verbindung zu ihr aufbaute. Jetzt sah sie sich, ihn und N’Cara und zwar zu dem Zeitpunkt, als sie Sytanias Felsengefängnis zu dritt zur Explosion gebracht hatten. Die positiven Gefühle, die sie dabei empfand, verstärkte Shimar bei ihr derart, dass sie nur noch schreien konnte: „Jetzt weiß ich, wer du bist! Ja, jetzt weiß ich es wer du bist, Shimar!“

Zufrieden ließ er von ihr ab. Sie drehte sich lächelnd um und begann, ein Lied aus dem 21. Jahrhundert zu rezitieren, das ich ihr einmal beigebracht hatte. „Wie kannst du in meine Augen sehen wie durch offene Türen?“, begann sie. „Die dich runter in meinen Kern führen, wo es so taub ist. Dort findest du eine Seele. Mein Geist schläft dort irgendwo gefangen, bis du ihn dort findest und ihn zurück nach Hause führst.“ „Eine meiner leichtesten Übungen.“, lächelte Shimar. „Aber es kommt noch besser, wenn du mitkommst. Dann zeige ich dir noch was.“ „Oh, Gott!“, sagte Ginalla, die sich wohl vor Freude kaum noch retten konnte. „Was kann denn da noch kommen, Shimar?!“ „Warte ab.“, grinste der Tindaraner.

Sie gingen nach unten in die Kneipe zurück. Hier wurden sie auch gleich Gorg und der Vendar ansichtig, die Ginalla und Shimar nur kurz mit dem Erfasser scannte und dem Ferengi dann zunickte. „Erinnerst du dich noch an unseren Deal?“, fragte Shimar. „Ich glaube nicht, dass du es vor Zeugen verantworten kannst, dich hier heraus zu lavieren. Denk doch mal an den Ruf deiner Kneipe und an deinen. Außerdem würdest du dann ja nichts mehr verdienen, wenn du …“ „Ja, ja.“, sagte der Ferengi, der wohl insgeheim froh war, Ginalla los zu sein. „Nimm sie, Tindaraner! Nimm sie und dann geht mir aus den Augen!“ „Also gut.“, sagte Shimar und winkte Ginalla, ihm zu folgen.

Wenige Schritte vor der Kneipe blieben sie stehen und Shimar zog sein Sprechgerät. Dann sagte er: „Kamurus, zwei zum Beamen und aktivieren!“ „Was hast du eben gesagt?“, wunderte sich Ginalla.

Im gleichen Moment fanden sie und Shimar sich auch schon in Kamurus’ Cockpit wieder. „Du bist wundervoll!!!!“, schrie Ginalla und umarmte Shimar so fest, dass er kaum noch Luft bekam. „Aber wie …“ „Das würde ich dir gern erklären.“, presste Shimar hervor. „Wenn du mich mal loslassen könntest. Wenn es geht bitte noch, bevor ich ohnmächtig werde!“ „Oh, klar.“, sagte Ginalla und lockerte ihren Griff. „Puh.“, seufzte Shimar.

„Welchen Kurs soll ich setzen?“, fragte Kamurus über den Bordlautsprecher. „Bring uns den gleichen Weg zurück, den wir hin genommen haben.“, entschied Shimar. „Du weißt ja, einige falsche Spuren haben noch nie geschadet. Außerdem haben Ginalla und ich dann mehr Zeit zum Reden.“ „Also gut.“, sagte das Schiff und setzte sich mit Warp vier in Bewegung.

 

Kapitel 61: Das Böse schlägt zurück

von Visitor

 

Telzan hatte Sytania die gesamte Zeit über, in der sie ohnmächtig in ihrem Gemach lag, zusammen mit Cirnach medizinisch überwacht. Der plötzliche Energiestoß, mit dem sie wohl nicht gerechnet hatte, musste für sie wie ein Tritt in die Magengegend gewirkt haben. Jetzt sahen die beiden Vendar mit Erleichterung, dass sie langsam wider zu sich kam. „Was ist geschehen, Telzan.“, wendete sich Sytania an ihren Vertrauten. „Ihr seid einem Energiestoß zum Opfer gefallen, Herrin, der Euer Telepathiezentrum total überfordert hat.“, erklärte der Vendar. „Cirnach hat Euch einen Trank aus Pilzen bereitet, deren Säfte gut für Telepathiezentren sind. Er mag zwar etwas bitter sein, aber das ist Medizin ja im Allgemeinen oft.“ „Dann gib her, das Gesöff!“, sagte Sytania leicht wütend, denn sie hatte das Gefühl, irgendwie ins Hintertreffen geraten zu sein. Da ihr Telepathiezentrum immer noch nicht recht funktionierte, konnte sie über die Situation, die ihr das Gefühl vermittelte, nichts Genaues sagen, aber sie dachte sich, wenn sie nicht bald wieder auf die Beine käme, würde es ihren Plänen an den Kragen gehen.

Cirnach reichte der Mächtigen stumm ein Trinkhorn, das mit einer gräulichen Brühe angefüllt war. Mit skeptischem Blick nahm Sytania den ersten Schluck. „Pfui Spinne!“, spuckte sie aus. „Das schmeckt ja fürchterlich, Cirnach! Konntest du für deine Herrin nicht etwas finden, das besser schmeckt, he?!“ „Nein, konnte ich leider nicht, Gebieterin!“, entgegnete die Vendar trotz Sytanias Standpauke sehr selbstbewusst. „Wenn ich das Getränk gesüßt hätte, hätte der Zucker eine chemische Reaktion in den Molekülen ausgelöst, die seine Wirkung aufgehoben hätte. In diesem Fall stimmt der Spruch, dass Medizin bitter sein muss, damit sie hilft!“ „Und ich dachte immer, das wäre nur bäuerlicher Aberglaube.“, sagte Sytania. „Aber gut. Wenn es denn so ist, dann muss ich wohl das Opfer bringen.“ „Haltet Euch doch die Nase zu.“, sagte Telzan konspirativ. „Dann ist auch Euer Geschmackssinn leicht betäubt.“ „Sie muss schon mit beiden Händen das Trinkhorn halten, Telzan.“, sagte Cirnach. „Sie hat dafür leider keine Hand mehr frei.“ „Dann erlaubt mir bitte, das für Euch zu tun, Milady.“, sagte Telzan. „Ich erlaube es dir.“, sagte Sytania. „Irgendwie muss ich das Zeug ja herunterbekommen.“ „Also dann!“, sagte Telzan und legte zwei Finger seiner rechten Hand an ihre Nase, um dann leicht ihre Nasenflügel zusammenzudrücken. Sytania setzte das Trinkhorn an, um seinen Inhalt in einem Sitz herunterzustürzen. „Es ist gut, Telzan.“, näselte sie ihm danach entgegen, was ihn dazu brachte, ihre Nase wieder loszulassen.

„Ihr solltet Euch noch eine Weile erholen, Milady.“, sagte Telzan. „Wenn Ihr das getan habt, werdet Ihr sicher eine Gelegenheit finden, Shimar und Ginalla samt ihrem Schiff, das Euch so schändlich verletzt hat, aufzuhalten.“ „Woher weißt du, dass meine Wut, die ich verspürt habe, den Beiden und ihrem Schiff gilt?“, fragte die Prinzessin. „Nun.“, antwortete Telzan. „Das kann ich mir denken. Ich habe berechnet, wie lange sie bis ins Dunkle Imperium gebraucht haben könnten und wie lange es wohl gedauert haben könnte, Ginalla zu befreien. Dann habe ich das mit der Zeit verglichen, die Ihr bewusstlos wart. Leider ist dabei herausgekommen, dass sie schon längst wieder auf dem Weg nach Hause sein könnten.“

Sytania fuhr herum. „Gib mir den Kontaktkelch!“, befahl sie. Telzan nickte und führte aus, wessen sie ihn gerade beauftragt hatte. Sie nahm den Kelch in beide Hände und sah hinein. „Das kann doch nicht wahr sein!“, sagte sie. „Du hast Recht mit deinen Berechnungen. Sie sind bereits wieder im Universum der Föderation. Dieser Tindaraner bildet sich wohl ein, eine falsche Spur legen zu können, indem er Ginallas Schiff nicht sofort den interdimensionalen Antrieb benutzen lässt. Aber auf der anderen Seite ist es auch sehr gut so, dass sie sind, wo sie jetzt sind.“

Es gab einen schwarzen Blitz. „Was habt Ihr getan?“, fragte Telzan. „Ich habe sie vor ein kleines moralisches Dilemma gestellt.“, antwortete die Königstochter. „Erinnerst du dich noch an das Wesen, das euch so schändlich hereingelegt hat?“ „Das tue ich!“, zischte Telzan. Er wusste nämlich noch sehr genau, um welches Wesen es sich handelte. Um jenes nämlich, das Kamurus vor ihm und seinen Leuten gerettet hatte und wegen dem er temporär seinen Job hatte an einen Novizen abgeben müssen! „Was habt Ihr mit dem Wesen gemacht?!“, wollte er wissen und wurde dabei ganz aufgeregt. „Ich habe ihm einen Tumor verpasst.“, sagte Sytania. „Und dann habe ich es in Kamurus’ Weg geschleudert. Jetzt müssen sie es sehen. Kamurus wird, so wie ich ihn einschätze, seinem Freund unbedingt helfen wollen, weil er denkt, dass er ihm vielleicht noch etwas schuldig ist. Er wird versuchen, Ginalla und Shimar davon zu überzeugen, dass sie ihm unbedingt helfen müssen. Wie ich die Beiden einschätze, werden sie nicht wollen, dass ein unschuldiges Wesen leidet, zumal dann nicht, wenn sie sehen, dass ich an seinem Leid die Schuld trage! Während sie also überlegen, was sie machen können, um dem armen unschuldigen Brotheas zu helfen, werde ich Zeit genug haben, noch mehr Dimensionen zu erobern. Nimm Kontakt mit Augustus und seiner Truppe auf! Sag ihnen, sie sollen von ihrer Basis auf Romulus aus auf Kronos vorstoßen. Von dort aus sollen sie sich dann um die Föderation kümmern!“ „Wie Ihr wünscht, Milady.“, sagte der Vendar und ging aus dem Zimmer. Cirnach folgte ihrem Mann. Beide gingen in die Garnison der Vendar zurück, um den Befehl ihrer Herrin von dort auszuführen.

Auch wir hatten zum selben Zeitpunkt einige strategische Gespräche geführt. In der Offiziersmesse der Station 281 Alpha saßen wir alle zusammen und ließen uns von Zirell über die Situation informieren. Nur die Mediziner waren nicht zugegen, denn sie hatten auf der Krankenstation ihre eigenen Dinge zu bereden. Es ging in erster Linie um Radcliffe und mich und wie man uns helfen könnte. Nathaniel war dort geblieben, weil er aufgrund seiner Krankheit ja etwas unberechenbarer war als ich. Mein Problem war harmlos und ich bedurfte, der ärztlichen einhelligen Meinung nach, keiner weiteren Aufsicht. Deshalb konnte ich mit an der Konferenz teilnehmen.

„Ich finde den Umstand sehr erleichternd, dass sich die Klingonen unter diesen Bedingungen bereiterklärt haben, den Schutz der Tindaraner anzunehmen.“, sagte Yetron, nachdem die tindaranische Kommandantin geendet hatte. „Ich auch, Agent.“, stimmte Time zu. „Dann kann Sytania dort zumindest keinen weiteren Brückenkopf errichten.“ „Und auf Genesia Prime auch nicht.“, sagte Jenna. „Wenn ich das richtig verstanden habe.“ „Das haben Sie richtig verstanden, McKnight.“, sagte Maron. „Aber was ist mit den Romulanern?“, fragte Time. „Von der Föderation werden die keine Hilfe annehmen, um Sytania wieder zu vertreiben. Dafür hat Sytania mit ihrer Aktion ja prima gesorgt. Das Gleiche gilt auch für ihre Verbündeten. Wenn der romulanische Senat rausbekommt, dass die Tindaraner erwägen, Hilfe zu leisten, werden sie das wahrscheinlich sogar als kriegerischen Akt werten, so schlecht, wie sie gerade auf die Föderation zu sprechen sind.“ „Warum sollten die Romulaner nicht mit der Hilfe der Tindaraner einverstanden sein?“, fragte Joran.

Ich hatte mich gemeldet. Da man mich als sehr sensible Person kannte, konnte man sich denken, dass mein Beitrag sicher Licht ins Dunkel bringen könnte. Deshalb sagte Time nur: „Na dann mal los, Allrounder!“, und schob mich in die Raummitte. „Ich denke.“, setzte ich an. „dass sich die Romulaner vielleicht bevormundet fühlen könnten, wenn die Tindaraner, als Verbündete der Föderation, einfach so eingreifen würden. Natürlich weiß ich, dass es weiser wäre, ihren Schutz anzunehmen, aber sie sind nun einmal Freunde einer Partei, die im Moment bei ihnen nicht gut da steht. Ihr Hass gegen die Föderation könnte all ihre Vernunft blockieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass sie zwar in gewisser Weise aussehen wie Vulkanier, aber doch das genaue Gegenteil sind.“ „Kapiert.“, meinte Scotty flapsig. „Die Vulkanier sind Friedensengel und die Romulaner doch eher Krieger.“ „Das sind die Klingonen auch, Techniker Scott.“, sagte Kissara. „Trotzdem sind sie so vernünftig und haben den Schutz der Tindaraner angenommen.“ „Gegen die Klingonen hat ja auch vor 800 Jahren kein Mordkomplott unter Federführung eines Föderationsoffiziers stattgefunden, das ebenso lange verschwiegen wurde.“, sagte Jenna. „Ich denke allerdings, wenn es so wäre, dann hätten auch sie, oder gerade sie, ganz anders reagiert.“ Sie warf Kang einen Seitenblick zu. „Techniker McKnight hat das Verhalten meines Volkes sehr gut interpretiert.“, urteilte der Klingone. „Wir wären sicher ganz anders mit der Föderation verfahren, wenn so ein unehrenhaftes Verbrechen gegen unsere Leute verübt worden wäre und auch noch jemandem anders in die Schuhe geschoben worden wäre.“

Zirell hatte wieder den Platz in der Raummitte eingenommen, nachdem mich Time zurückgeführt hatte. „Wir sollten uns zu diesem Thema vielleicht noch einmal den Eintrag von Commander Sisko zu Gemüte führen.“, sagte Zirell. „Da gibt es einiges, was mich stört. Es geht ja auch immer noch um die Frage, ob Nathaniel Radcliffe wirklich eine Reinkarnation von Sisko sein könnte.“

Ihre Worte hatten mich leichenblass werden und mich etwas unter dem Tisch suchen lassen. „Was hast du denn da, Darling?“, flüsterte Scotty mir fragend zu. Er hatte gesehen, dass ich während der gesamten Zeit ein Pad unter dem Tisch versteckt hatte. Eingangs unserer Konferenz hatte Zirell IDUSA den Eintrag schon einmal abspielen lassen und ich hatte für jedes: „Ich kann damit leben!“, einen Strich in einer Liste gemacht, die ich heimlich zu diesem Zweck angefertigt hatte. Auch Kissara war jetzt auf mein Verhalten aufmerksam geworden. „Wenn Sie uns Ihre Strichliste schon nicht allen zeigen wollen, Allrounder.“, bot sie an. „Dann zeigen Sie sie doch wenigstens mir.“ „Also gut.“, sagte ich verschämt, die ich zwar längst eine Theorie hatte, diese aber eigentlich niemandem sagen wollte, weil ich dann das Ansehen eines strahlenden Helden hätte beschädigen können. Dass dies schon längst geschehen war, wusste ich nicht. „Die Xylianer haben Sisko schon längst von seinem goldenen Sockel geholt, Betsy.“, sagte Zirell, um mich zu ermutigen, die, als Telepathin, wohl schon längst den Grund für meine Angst herausbekommen haben konnte. „Also gut.“, sagte ich und zog das Pad unter dem Tisch hervor. Wenn die Situation so aussah, konnten es ruhig alle lesen, wie ich mittlerweile auch fand. „Das ist ja eine beachtliche Anzahl von Strichen, Allrounder.“, sagte Time. „Meiner Meinung nach kann einer, der das so oft betonen muss, in Wahrheit nicht mit seiner Schuld leben. Ich kann mir jetzt denken, worauf Sie hinaus wollten. Als Sisko dann nach seinem Tod so vor seiner göttlichen Verwandtschaft stand, wird ihm bewusst geworden sein, was für eine schwere Sünde er auf seine Schultern geladen hat und, dass seine menschliche Seite ihn zu diesen unheiligen Handlungen getrieben hat, könnte auch für ihn so peinlich gewesen sein, dass er sie sogar vielleicht gebeten hat, für seine Sünden bestraft zu werden.“ „Könnte man das rauskriegen?“, fragte Kissara. „Mit einer Reise in die Seele vielleicht.“, sagte Zirell. „Aber das hat noch nie jemand von uns über das jetzige Leben hinaus bei jemandem versucht.“ „Würden Nidell oder du sich das bei Radcliffe trauen?“, fragte Time. „Ich meine, wir könnten alle sicher in der Simulationskammer zusehen. Tindaranische Technologie macht das ja möglich, wenn …“ „Unter medizinischer Überwachung sicher.“, sagte Zirell. „Ich werde klären, ob Nathaniel damit einverstanden ist.“

„Vorher sollten wir aber noch ein anderes Thema behandeln.“, sagte Maron. „Joran hat die Inschrift auf dem Kegel übersetzt. Sie lautet: Wem mich die Schöpferin zugedacht, dem gebe ich unbegrenzte Macht.“ „Das war ja schon fast ein Geständnis von Sytania.“, sagte Mikel. „Nicht nur fast.“, sagte Maron. „Aber dadurch wissen wir auch, dass der Kegel nur auf Radcliffe reagiert und für uns andere völlig ungefährlich ist.“, sagte Kissara. „Allerdings.“, sagte Time. „Nur, ich frage mich, was uns diese Information nützen soll.“ „Im Moment vielleicht noch nichts, Peter.“, tröstete Zirell. „Aber wer weiß, wozu sie noch gut ist. Dass Radcliffe, als er noch Sytanias Wäscher war, seine Kräfte nicht nutzen konnte, wenn er Schmerzen hatte, konnte ja auch erst zu einem späteren Zeitpunkt gegen ihn verwendet werden. Warten wir doch erst einmal etwas ab. Ich bin überzeugt, der richtige Moment kommt noch!“ „Wie du meinst.“, sagte Time.

Zirell drehte sich dem Replikator zu. „Ich denke.“, sagte sie. „Als eine gute Gastgeberin sollte ich erst mal einige Erfrischungen darreichen. Wir dürften alle eine Pause benötigen, sonst wird das heute nichts mehr.“ Damit replizierte sie uns allen erst mal einen schönen kühlen Eiskaffee und andere Getränke, die wir uns ausgesucht hatten. Auch an mein kleines Problem hatte sie gedacht.

Time hatte die gesamte Situation auch während der Pause nicht losgelassen. „Es wäre alles bedeutend leichter, wenn wir Meilenstein hätten.“, sagte er zu seinem ersten Offizier, mit dem Scotty, Time und ich an einem Tisch saßen. „Da stimme ich Ihnen zu, Sir.“, sagte der demetanische Agent. „Nur werden wir es nicht bekommen, weil die Romulaner es vernichtet haben. Gerüchten nach mussten auch alle getötet werden, oder sich selbst töten, die etwas über Meilenstein wussten. Dass dies nicht nur ein Gerücht war, wissen wir ja auch durch Allrounder Betsys Aussage, die ja Professor Toreth tatsächlich im Reich der Toten begegnet sein muss. Ihre medizinischen Werte bestätigen das sogar.“ „Und was nützt uns das?!“, fragte Time leicht frustriert. „Ich denke, es wird genau so sein, wie mit allen Nebeninformationen, die wir bisher bekommen haben. Wir müssen abwarten.“, antwortete Yetron. „Ihre Geduld möchte ich haben, Agent.“, sagte Time. „Können Sie mir nicht was davon abgeben?“ „Bedaure.“, sagte der Demetaner. „Ich bin gerade nicht in Stimmung.“ Time grinste. Er wusste, dass solche Scherze bei Yetron an der Tagesordnung waren.

Den Eiskaffee hatte man direkt vor mich gestellt, denn ich war diejenige gewesen, der Zirell ihn auch zugedacht hatte. Nun sahen Time, Yetron und Scotty zu, wie ich zuerst mit dem beiliegenden Strohhalm die Flüssigkeit austrank, um mich dann mit dem Löffel der Kugel Eis zu widmen, die aber inzwischen auch schon halb geschmolzen war und selbst einen stattlichen See aus Flüssigkeit bildete. Das hatte zur Folge, dass diese vom Löffel heruntertropfte und teilweise auf der Untertasse neben dem Becher landete. „Ich finde, Sie könnten Ihrer Frau ruhig mal helfen, Techniker Scott!“, sagte Time in einer leicht streng anmutenden Tonlage zu Scotty, der aber nichts erwidern konnte, weil Yetron vorher abgewiegelt hatte und in seinem berühmten Vortragsstil, der manchmal auch an die Redeweise von Mr. Spock erinnerte, begann: „Offensichtlich hat Techniker Scott keinen Grund, dem Allrounder behilflich zu sein, da sie es ihm sonst bestimmt gesagt hätte. Sie sucht in den seltensten Fällen einen Helden, der ihre Probleme für sie löst, sondern eher jemanden, der sie in deren Lösung mit einbezieht, oder ihr gar beibringt, sich selbst zu helfen. Sie sucht also eher nach einem Lehrer. Oftmals findet sie, wenn man sie lässt, sogar eigene Lösungen und wenn nicht, fragt sie. Ihre Behinderung scheint uns alle zu veranlassen, sie unter unsere Fittiche nehmen zu wollen, aber ich denke, das will sie nicht. Gerade ich muss mich, als Demetaner, sehr zusammenreißen, weil auch meine Helferinstinkte angesprochen werden. Ich habe aber gerade durch Allrounder Betsy Scott gelernt, diese im Zaum zu halten. Schauen Sie bitte, was sie mit dem Strohhalm tut. Fällt Ihnen auf, dass sie ihn sehr gezielt durch den Becher führt, um an exakt den Stellen die Flüssigkeit zu entfernen, an denen sie sich befindet?“

Noch jemand hatte die Situation gesehen. Jemand, die nur kurz einen Blick auf unseren Tisch geworfen hatte. Es war Jenna, die plötzlich ein sehr merkwürdig anmutendes Verhalten an den Tag legte. Sie sprang auf und fetzte – von Laufen kann hier eindeutig nicht mehr die Rede sein – in Richtung der Tür. Dabei rief sie nur immer wieder: „Strohhalm? Gezielt?! Aber natürlich! Cenda, George, Montgomery, kommt! Wir müssen einen Meilenstein bauen! Shannon, Sie auch! Aber Sie werden die Systeme der Station überwachen! Jemand muss sich ja auch darum kümmern! Los!“ Alle Ingenieure stürzten hinter ihr her.

„Kann mir mal jemand erklären, was hier gerade passiert ist?!“, fragte Kissara, die sich das merkwürdige Verhalten der Technikerin nicht erklären konnte. „Ach, das ist nichts, Kissara.“, sagte Zirell beruhigend. „Jenna hat nur mal wieder eine Idee.“ „Wird sie dann immer zu so einem Wirbelsturm, Zirell?“, fragte Time. „Oh ja.“, grinste die Tindaranerin. „Das wird sie.“

Die fünf waren im Maschinenraum der Basis angekommen und Jenna teilte die Arbeit ein. Shannon, die als Einzige ihren Platz schon kannte, hatte sich an eine Konsole gesetzt, um die Station zu überwachen. Der Rest stand noch immer um McKnight herum, die IDUSA per Neurokoppler eine Liste von Dingen eingab, die dann der Reihe nach aus ihrem Replikator kamen. Dann sagte sie: „Montgomery, George, ihr baut das Gestell für die Probenzylinder zusammen. Cenda, wir beide machen die Arbeit, die mehr Fingerspitzengefühl verlangt. Wir bauen den Ring aus Emittern, der die Wellen erzeugen soll, aus denen der Eindämmungsstrahl für das Rosannium besteht.“ „Warte mal, Jenna.“, sagte Jannings. „Warum lässt du uns nicht …?“ „Komm mit, Kollege!“, sagte Scotty und zog ihn zu einer anderen Konsole. „Das ist schon richtig so, wie sie uns eingeteilt hat. Die Frauen können halt eindeutig besser fummeln.“

„Jenn’!“ Jenna war auf den Zuruf ihrer Assistentin aufmerksam geworden. Sofort drehte sie sich der blonden Irin zu. „IDUSA sagt, Sie hätten einen Phaser mit einer rosannium-fähigen Linse repliziert. Haben Sie etwa vor, den hier im Maschinenraum abzufeuern?“ „Wie sonst sollten wir denn wohl die Funktionsfähigkeit testen, Shannon, he?“, fragte Jenna zwar freundlich, aber bestimmt. „Aber wenn Sie das tun.“, sagte Shannon. „Dann wird der Sicherheitsalarm die Führungsoffiziere herrufen. Soll ich IDUSA befehlen, ihn vorher abzuschalten?“ „Oh, nein, Assistant.“, sagte Jenna. „Der Alarm bleibt schön aktiv. Ich will ja, dass sie herkommen. Ich bin bereit, mit allen sich aus dieser Situation ergebenden Konsequenzen zu leben.“ „Na dann.“, sagte Shannon und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu, was auch alle anderen taten.

Time, Zirell und Kissara diskutierten die Situation immer noch. Der Einzige, der sich nicht darüber aufzuregen und für den Zirells Erklärung auszureichen schien, war Yetron, der sich die ganze Zeit über mir gewidmet hatte. Er hatte gesehen, dass ich meine Tasse plötzlich wieder wie selbstverständlich an den Mund gesetzt hatte, ohne einen Strohhalm zu benutzen, eine Tatsache, die noch nicht mal mir selbst wirklich aufgefallen war. „Tun Sie das bitte noch einmal, Betsy.“, flüsterte er mir zu. „Was soll ich noch einmal tun, Sir?“, fragte ich irritiert. „Trinken.“, sagte der Demetaner und schien in seiner Uniformtasche nach etwas zu suchen.

Endlich hatte er den gesuchten Gegenstand gefunden und hielt ihn in meine Richtung. An den Geräuschen erkannte ich, dass es sich um seinen Erfasser handeln musste. Damit scannte er mich jetzt und schien angesichts der Ergebnisse sehr beeindruckt. „Es ist verschwunden.“, sagte er. „Was ist verschwunden?“, fragte ich, die ich meine Tasse gerade wieder abgestellt hatte. „Das Muster.“, erwiderte er. „Das merkwürdige fremde Muster, das Ihre Nervensignale blockiert hat. Es ist eindeutig nicht mehr zu sehen. Offensichtlich hat der hypnotische Befehl, den man Ihnen gegeben hat, seine Daseinsberechtigung erfüllt.“ „Aber was war seine Daseinsberechtigung?“, fragte ich. „Und was hat Jenna da gesagt von wegen Meilenstein bauen. Woher sollte sie denn wissen, wie das geht? Sie hat doch die Informationen von den Romulanern genau so wenig wie wir und was zur Hölle hat das mit mir zu tun? Ich kenne mich jetzt langsam gar nicht mehr aus!“ „Das wird sich, denke ich, noch zeigen.“, tröstete Yetron. „Sicherlich wird …“

Ein Signal hatte ihn, Maron und Mikel von Berufswegen aufschrecken lassen. Auch Zirell, Kissara und Time waren aufmerksam geworden. Mikel und Maron drehten die Köpfe, denn alle drei Agenten kannten dieses Signal sehr gut. „Jemand muss hier auf der Station eine Waffe abgefeuert haben.“, sagte Mikel. „Das haben wir gleich.“, sagte Maron und drehte sich dem nächsten Simulator zu, über den sich IDUSA allen gezeigt hatte. „IDUSA.“, sagte der erste Offizier der Basis 281 Alpha. „Wo ist der Phaser abgefeuert worden?“ „Im Maschinenraum, Agent.“, sagte die Simulation nüchtern. „Gib mir sofort Techniker McKnight über die Sprechanlage!“, befahl der Demetaner. „Sicher, Agent.“, sagte der Avatar freundlich und der Rechner der Station führte seinen Befehl aus.

„McKnight hier, Sir.“, kam es wenig später aus dem Lautsprecher. „Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Jenna?!“, fragte Maron besorgt. „IDUSA hat Waffenfeuer an Ihrem Arbeitsplatz registriert.“ „Natürlich hat sie das.“, sagte Jenna, als sei es das Natürlichste der Welt. „Das war unser Versuchsphaser.“ „Ihr was?!“, fragte der erste Offizier blass und alle scharten sich wie auf ein geheimes Zeichen um ihn. Zirell fragte sogar empört: „Versuchsphaser?! Was zur Hölle treiben die da unten?!“ Was sie nicht wusste war, dass Maron das Mikrofon immer noch in der Hand und wohl aus Verwirrtheit weit in den Raum gehalten hatte, so dass Jenna auch ihre Frage hatte hören können. „Ich würde sagen.“, schlug die Ingenieurin vor. „Ihr kommt mal alle her und schaut euch an, was wir hier gebaut haben.“ „Das können Sie gern haben, McKnight.“, sagte Maron, hängte das Mikrofon ein und sah Zirell abwartend an. „Ihr habt es gehört!“, sagte die tindaranische Kommandantin, die inzwischen wohl auch mit ihrem Latein am Ende war. „Gehen wir!“ Damit schritt sie allen voran in Richtung des geheimen Kabinetts, in dem der in ihren Augen sehr merkwürdige Versuch stattgefunden hatte.

Jenna hatte zufrieden den Ausgang des Experimentes betrachtet. Sie hatte in Ermangelung echter telepathischer Energie die Zylinder mit replizierten elektrischen Energiemustern füllen lassen, die aber in der Frequenz voneinander abwichen. Dann hatte sie den Eindämmungsstrahl entsprechend konfiguriert. Auch dann, wenn die Zylinder genau nebeneinander standen, war immer nur der getroffen worden, auf dessen exakte Frequenz das Gerät eingestellt worden war. „Ich denke, wir haben es, Jenn’.“, urteilte Scotty. „Das können wir wohl mit ruhigem Gewissen behaupten, Scotty.“, erwiderte die hoch intelligente Halbschottin. „Und das ganz ohne die Hilfe der Romulaner.“ „Wohl aber mit Hilfe meiner Frau.“, sagte Scotty stolz. „Ich glaube, dass ihr Verhalten dich dazu inspiriert hat, nicht wahr?“ Jenna grinste.

„Schaut mal her!“, flapste plötzlich eine kesse helle Stimme durch das Halbdunkel des Maschinenraums, in dem nur das Arbeitslicht leuchtete. Jenna hatte IDUSA befohlen, die Beleuchtung auf diese Stärke zu drosseln, damit man den Effekt des Phaserschusses besser sehen konnte. Jetzt drehten sich alle in die Richtung, aus der man die Worte gehört hatte. Hier stand Shannon und hatte ein Tuch in der Hand, wie man es im Allgemeinen zum Verhüllen von Denkmälern verwendete. „Ich bin der Meinung.“, sagte die technische Assistentin. „Wir sollten Ihre Erfindung passend krönen.“ Damit breitete sie bereits das Tuch über die soeben selbstgebaute Version von Meilenstein. „Sehen Sie es als meinen bescheidenen Beitrag, Jenn’.“, grinste O’Riley. „Ich finde das gar nich’ so schlecht.“, sagte Scotty. „So können wir auch noch ein bisschen Effekthascherei betreiben, wenn die Führungsoffiziere gleich hier auflaufen.“

Unter Zirells Führung betrat bald der gesamte Trupp den Maschinenraum. „Würdest du mir bitte mal erklären, was hier los ist, Jenna?!“, fragte die Tindaranerin. „Oh, liebend gern, Zirell.“, sagte Jenna und gab Cenda ein Zeichen, die das Ende der Schnur, mit der das Tuch über dem Gerät entfernt werden konnte, in der Hand hielt. Die Celsianerin nickte und machte eine große ausladende Geste. Sie war gerade im Begriff, an der Schnur zu ziehen, als Maron ihr Handgelenk fasste und sie anwies: „Warten Sie, Techniker!“ Dann ging er einige Schritte zurück und betrachtete die Silhouette aus der Ferne. Er hatte jetzt ungefähr den gleichen Abstand zu ihr, den er auch auf Khitomer zu Meilenstein gehabt hatte.

Je länger der erste Offizier auf die unter dem Tuch verborgenen Teile des Gerätes sah, desto mehr entglitten ihm die Gesichtszüge. „Was hast du denn?!“, zischte Mikel seinem Kollegen zu, der genau neben ihm gestanden hatte. „Ich kann mich irren!“, stammelte Maron schließlich. „Aber genauso hat Meilenstein unter seinem Tuch auch ausgesehen. Woher in Mutter Schicksals Namen haben Sie die Informationen, McKnight?!“ „Sagen wir mal so, Sir.“, sagte Jenna. „Das Verhalten von Allrounder Betsy Scott hat mich dazu inspiriert.“

Sie ließ IDUSA einen leeren Zylinder replizieren, den sie dann Zirell gab. „Gib uns doch bitte eine Energieprobe von dir.“, sagte sie. „Na gut.“, sagte Zirell und ließ etwas von ihrer telepathischen Energie in den Zylinder fließen. Jenna replizierte noch zwei Zylinder mit künstlichen Mustern anderer Telepathen. Dann wurden alle drei Zylinder willkürlich auf der Vorrichtung verteilt. Dabei stand der mit Zirells Probe genau im Fadenkreuz des Phasers.

Jenna ging jetzt zur Bedienkonsole ihrer Erfindung und stellte etwas an der Software ein. Dann sagte sie: „Ich wette mit Ihnen allen, dass der Phaser Zirells Probe nichts tun wird!“ „Wie soll das möglich sein, McKnight?“, fragte Maron. „Der steht doch genau im Fokus!“ „Kommen Sie doch her, Sir.“, sagte Jenna. „Und versuchen Sie es, wenn Sie mir nicht glauben!“

Wortlos ging Maron an allen anderen vorbei, stellte sich hinter die Vorrichtung und betätigte die Feuertaste des Phasers. Dann ließ er sich von Shannon einen Erfasser reichen, mit dem er Zirells Probe scannte. „Sie ist tatsächlich intakt.“, staunte er. „Das liegt an dem Eindämmungsstrahl.“, erklärte Jenna. „Das habe ich auch gesehen.“, sagte der Agent. „Das bedeutet, es ist Ihnen tatsächlich gelungen, Meilenstein nachzubauen, Techniker. Herzlichen Glückwunsch!“ „Du solltest prüfen.“, sagte Zirell. „Ob das System in ein Schiff eingebaut werden kann. Vielleicht können wir den Romulanern … Ach, das geht ja nicht. Sie werden von uns ja keine Hilfe annehmen.“

Maron hatte mit Yetron einige Worte auf Demetanisch gewechselt und trat nun vor, um zu sagen: „Von uns nicht. Aber vielleicht vom Clan der Ginalla! Mit den Genesianern haben sie ja keinen Streit!“ „Die hätte ich ja fast vergessen.“, sagte Kissara. „Wo sind sie?“, fragte Zirell. „Wir haben sie jenseits der neutralen Zone hinter der genesianischen Grenze gesehen.“, sagte Time. „Sie warten dort wohl auf ein Zeichen.“ „Das dürfte ich ihnen sogar geben.“, sagte ich. „Schließlich bin ich ihre Erbprätora und solange Ginalla nicht hier ist …“ „In Ordnung.“, sagte Zirell. „Komm mit. Lass uns alles Notwendige in die Wege leiten, Betsy.“ „Erbprätora?“, fragte Kissara konsterniert. „Ich fürchte, Sie werden mir da noch einiges erklären müssen, Allrounder.“ „Das werde ich, Commander!“, versicherte ich. „Wenn Zeit ist, werde ich das. Aber jetzt …“ „Schon gut.“, nickte meine Vorgesetzte und winkte Zirell zu, die mich aus dem Raum zog. Auch alle anderen verließen wieder den Arbeitsplatz der Ingenieurinnen von 281 Alpha.

Ginalla, Shimar und Kamurus hatten inzwischen das Universum der Föderation erreicht. Der Tindaraner hatte dem Schiff die Steuerkontrolle übergeben, um ganz für die traumatisierte Celsianerin da sein zu können. Auch ohne seine telepathischen Fähigkeiten benutzen zu müssen wusste er, dass es ihr wohl nicht sehr gut ging, obwohl sie sich alle Mühe gab, dies nicht zu zeigen. „Hast du ’ne Ahnung, was die mit mir gemacht haben?!“, fragte sie. „Ich werde mir nicht anmaßen, ja zu sagen.“, sagte Shimar. „Die Wahrheit ist schließlich, dass ich es gar nicht weiß. Was ist denn an den Gerüchten dran, dass niemand mit dir …?“

Ginalla begann zu weinen und Shimar zog ihr rasch den Neurokoppler vom Kopf. Er wollte nicht, dass Kamurus auch nur einen weiteren ihrer Gedanken mitbekommen konnte. Das Schiff sollte sie als die tapfere Ginalla in Erinnerung behalten, als die er sie kannte. Bald darauf musste er aber schon den Protest des Avatars hinnehmen: „Warum hast du das getan, Shimar?!“ „Ich wollte nicht, dass du sie so siehst, Kamurus.“, erklärte der Tindaraner. „Das ist für mich nicht schlimm!“, erwiderte Kamurus selbstbewusst. „Ich bin ihr Schiff und habe doch wohl jedes Recht, meine Pilotin in diesem oder jenem Zustand zu sehen. Es wird mir dabei schon kein Zacken aus der Krone fallen! Außerdem ist es ja auch sowieso vorbei und ich bin auch ein sehr guter Tröster. Es wird sicher eine Möglichkeit geben, wie wir sie wieder aufrichten können und zwar zusammen. Wenn du sie nicht sofort den Koppler wieder aufsetzen lässt, werde ich mein Antriebsmodul für den Interdimensionsantrieb abstoßen und dann kommen wir wohl erst in 1000 Jahren in eure Dimension, wenn überhaupt. Dazu müssten wir ja erst mal eine interdimensionale Pforte finden.“

Das hatte gesessen! Shimar musste schlucken. Dann entschuldigte er sich: „Hey, tut mir leid, Kamurus. Ich fürchte, da sind wohl meine Beschützerinstinkte mit mir durchgegangen. Du hast natürlich Recht damit, dass ich kein Recht habe, mich in eure Beziehung einzumischen und zu bestimmen, was du von ihr sehen sollst und was nicht.“ „Einsicht ist der erste Weg zur Besserung.“, scherzte Kamurus. „Ich will dir noch mal verzeihen.“ „Danke.“, sagte Shimar. „Und damit du siehst, dass es mir damit ernst ist …“ Er setzte Ginalla den Neurokoppler wieder auf.

„Du hast es ja nur gut gemeint.“, schluchzte Ginalla. „Aber noch mal zu deiner Frage. Du, als Telepath, weißt sicher, dass ungelenke Versuche, eine geistige Verbindung aufzubauen, sehr große Verwirrung auslösen können. Manchmal hat es sogar tatsächlich körperlich wehgetan. Die Meisten, die zu mir kamen, waren dann schon voll wie 20 Klingonen nach ’ner Blutweinprobe.“ „Ich durfte mir ein Bild machen.“, stöhnte Shimar und schaute angewidert.

Erneut wurde sie von einem Weinkrampf geschüttelt. Er nahm ihren Oberkörper vorsichtig an seine Schulter und flüsterte: „Ist ja gut. Komm mal her, Ginalla. Komm mal her. Das ist ja jetzt alles vorbei.“ „Und an allem ist nur Sytania schuld!“, sagte Ginalla. „Genau.“, sagte Shimar. „Aber vielleicht finden wir ja eine Möglichkeit, es ihr noch mal so richtig zu geben! Denk mal an deinen Genesianerclan!“ „Ach.“, sagte Ginalla und ihr Gesicht hellte sich auf. „Die hätte ich ja schon wieder fast vergessen. Wäre ja echt peinlich, wenn die ihre Prätora so sehen würden.“

Kamurus leitete plötzlich eine Schubumkehr ein und verlangsamte. Dann kam er zu einem vollen Stopp. „Was ist los, Kamurus?“, fragte Shimar. „Warum hast du gestoppt?“ „Es gibt ein Hindernis, Shimar.“, sagte das Schiff und sein Avatar machte ein betroffenes Gesicht. „Zeig mal her.“, sagte Shimar. „OK.“, sagte Kamurus und zeigte beiden das Sensorenbild auf den Neurokopplern. „Was is’ denn das?“, flapste Ginalla, die inzwischen wohl ihren Humor wieder gefunden haben musste. „Das ist mein Freund Brotheas.“, sagte das Schiff. „Is das etwa das Wesen, das dich gerettet hatte?“, fragte die Celsianerin. „Ja, das ist er.“, sagte Kamurus. „Aber etwas hat sich verändert. Ich glaube, es geht ihm nicht gut.“ Er zeigte beiden einen Teil der Struktur des bioplasmischen Wesens, der vom Rest abwich. „Oh, nein.“, verstand Shimar traurig. „Auf organische Verhältnisse übertragen bedeutet das, er hat einen Tumor. Aber ich spüre genau, wer ihm den verpasst hat! Sytanias telepathischer Einfluss ist überdeutlich.“ „Kannst du nicht deine Kräfte benutzen, und den Tumor entfernen?“, fragte Kamurus. „Allein komme ich gegen Sytania nicht an.“, sagte Shimar. „Dann müssen wir uns wohl was einfallen lassen.“, sagte das Schiff. „Moment mal, Kumpel.“, mischte sich Ginalla ein. „Wer hat gesagt, dass wir hier überhaupt was machen?! Die alte Hexe hat das doch sicher nur mit deinem Retter gemacht, damit du Schuldgefühle kriegst und wir aufgehalten werden. Dafür haben wir aber keine Zeit! Oder willst du dich etwa von Sytania aufhalten lassen?!“ „Ich kann aber auch nicht zulassen, dass mein Freund stirbt.“, sagte Kamurus und sah sie flehend an. „Was Sytania mit ihm gemacht hat, ist sicher ihre Rache für meine Rettung. Er hat mich vor ihren Vendar bewahrt und ich schulde ihm was. Was wäre ich für ein Freund, wenn ich ihm jetzt, da er in Not ist, nicht helfen würde? Ginalla, bitte, lass dir was einfallen. Shimar, was sagst du denn dazu?“ „Zeig mir noch mal die Lage des Tumors.“, überlegte der Tindaraner. „Wie du willst.“, sagte Kamurus erleichtert und führte seinen Befehl aus.

Der im Kunstflug ausgebildete Tindaraner studierte das Bild vor seinem geistigen Auge genau. Dann sagte er halblaut: „Das könnte gehen.“ „Was überlegst du?!“, fragte Ginalla mit leichter Empörung in der Stimme, denn sie konnte sich immer noch nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sie dem Wesen helfen würden. „Ich überlege, ihn auf konventionelle Weise zu operieren!“, sagte Shimar entschlossen. „Hat man dir ins Hirn geschissen?“, fragte Ginalla. „Wie soll das denn gehen?“ „Ganz einfach.“, sagte der tindaranische Patrouillenflieger. „Wir fliegen in seinen Hals, nachdem wir ihn narkotisiert haben und dann schneiden wir die Struktur mit dem Phaser heraus. Damit wir das Plasma nicht entzünden, muss der Phaser aber so genau feuern, dass nur die ungesunde Struktur getroffen und verbrannt wird. Schaffst du das, die Waffe so weit zu drosseln, Kamurus?“ „Das schaffe ich!“, sagte das Schiff erleichtert und nahm demonstrativ die notwendigen Einstellungen vor. „Sehr gut.“, lobte Shimar. „Das war ja schon mal die halbe Miete.“ „Aber was ist mit der anderen Hälfte?“, fragte Ginalla. „Ich meine, wie schickt man so ein Wesen schlafen und wie stillt man bei so einem Wesen eine Blutung? Außerdem müsste Kamurus eventuell in Winkel gestellt werden, die kein normaler Pilot fliegen kann. Jedenfalls schaffe ich das nich’. Dazu braucht es jemanden mit einer Kunstflugausbildung!“ „Sitzt neben dir!“, setzte sich Shimar durch. „Also steht unserem Manöver ja wohl von der Seite her nichts im Weg! Aber ich glaube, ich weiß, was dich stört, Ginalla. Aber zu dem Thema werde ich dir jetzt mal was erklären. Ich musste bei meinem Dienstantritt beim tindaranischen Militär schwören, Schaden durch Feindeshand von denen abzuhalten, die unter meinem Schutz stehen und unsere Feindin Sytania hat hier ja wohl eindeutig jemanden geschädigt, der ein Freund ist. Wir müssen ihr die deutliche Botschaft senden, dass wir das nicht hinnehmen werden! Den ganzen Rest kriegen wir sicher irgendwie hin. Ich wäre dir verdammt dankbar, wenn du mal deine technischen Talente einsetzen würdest, um uns bei der Lösung der Probleme zu helfen!“ „Wartet mal.“, sagte Kamurus. „Wegen der Narkose kann ich vielleicht was beitragen. Als ich in Brotheas war, hat er gesagt, dass er seine Speiseröhre nicht gespürt hat, als ich auf Warp ging. Ich denke, dass mein Warpfeld seine Schmerzsignale blockiert.“ „Wow!“, machte Ginalla. „Das könnte sogar gehen. Ich meine, dein Warpfeld schwingt nicht auf dem 21-cm-Band, weil du aus einer anderen Dimension kommst. Deine ganze Energie tut das nich’. Es sind zwar nur kleine Abweichungen, aber die könnten entscheidend sein! Zeig mir noch mal die internen Strukturen von deinem Freund und dann leg mal ein Strahlungsbild von einem detonierten Photonentorpedo darüber!“ „Was willst du damit bezwecken, Ginalla?“, fragte Shimar. „Ich setze gerade meine technischen Talente ein, um unsere Probleme zu lösen.“, sagte Ginalla.

In diesem Augenblick legte ihr Kamurus das verlangte Bild auf den Neurokoppler. „Wie geil is’ das denn?!“, freute sich Ginalla. „Das passt ja wie Arsch auf Eimer!“ „Du meinst.“, sagte Shimar. „Die Strahlung könnte wie ein Pflaster wirken?“ „Genau.“, sagte die Celsianerin. „Aber der Torpedo müsste in seiner Leistung auch gedrosselt werden. Ich meine, er dürfte nur eine sehr geringe Sprengwirkung haben.“ „Die habe ich schon berechnet.“, sagte Kamurus. „Und eine Reihe von Torpedos ist auch schon konfiguriert. Nur werde ich unmöglich die komplexen kunstfliegerischen Manöver ausführen können, die Shimar von mir verlangen wird und gleichzeitig die Waffen kontrollieren können. Mein Arbeitsspeicher reicht dafür nicht aus. Sicher soll ich auch noch Brotheas’ Körperfunktionen überwachen.“ „Dann gib mir die Waffenkontrolle.“, bot Ginalla an. „Also gut.“, sagte Kamurus und zeigte ihr die Waffenkonsole. „Kannst du Brotheas erklären, was wir vorhaben?“, fragte Shimar. „Ich könnte es telepathisch versuchen, aber nach seinen letzten Erfahrungen mit einer Telepathin dürfte er darauf nicht gut zu sprechen sein.“ „Ich werde einen dritten Neurokoppler replizieren.“, sagte Kamurus. „Ginalla, könntest du ihn bitte anschließen? Dann lade ich Brotheas’ Tabelle und rede mit ihm darüber. Den Koppler würde ich sowieso brauchen, weil ich ja sicher beurteilen muss, wie viel er noch merkt.“ „Genau.“, sagte Shimar. „Also dann.“, sagte Kamurus und replizierte den Koppler, den Ginalla auch gleich seiner Bestimmung zuführte.

Kapitel 62: Heikle Operationen

von Visitor

 

Zirell hatte mich in ein leeres Quartier geführt. Warum sie das tat, konnte ich mir nicht erklären, hoffte aber um so mehr auf eine Erklärung von ihr. Diese erfolgte auch sogleich. „Kamurus hat uns ein Datenpaket überspielt.“, erklärte die tindaranische Kommandantin. „Jenna hat gesagt, es enthielte ein Programm zur Replikation von genesianischer Kleidung. Ich denke, die sollte für Ginalla und dich sein. Wenn du deinen Clanuntergebenen entgegentrittst, musst du ja schließlich standesgemäß auftreten.“ „Es heißt Clanschwestern, Zirell!“, verbesserte ich. „Oh, tut mir leid.“, entschuldigte sie sich. „Aber ich fürchte, du wirst mir sowieso noch viel über die Genesianer erklären müssen. Warum hast du überhaupt ein so gutes Verständnis für sie? Ich dachte immer, die Genesianer seien die Feinde der Föderation und keine fremde Kultur, über die es wert sei …“ „Willst du mich testen?!“, fragte ich mit leichter Empörung in der Stimme und richtete mich vor ihr auf. „Na also.“, sagte Zirell. „Da ist sie ja, die Haltung einer genesianischen Kriegerin.“ „Darum ging es dir also die ganze Zeit.“, sagte ich. „Genau.“, gab sie zu. „Aber es gibt tatsächlich ein paar Dinge, die ich nicht verstehe.“ „Dann werde ich sie dir eben erklären.“, sagte ich und wandte mich dem Auswurffach des Replikators zu, vor dem mich Zirell geparkt hatte. Hier waren ein genesianischer Brustpanzer, ein ebensolcher Unterleibsschutz und die üblichen Schuhe zum Vorschein gekommen. Außerdem der Kampfhelm, der übliche Gurt mit dem traditionellen Dolch und das Schulterhalfter für den Phaser. Außerdem der Perlenkragen, der meine Zugehörigkeit und mein Amt zum und im Clan der Ginalla auch anderen offenbarte.

Zirell drehte sich um. „Darf ich bleiben, während du dich umziehst?“, fragte sie. „Sicher.“, sagte ich, während ich meine Sternenflottenuniform ablegte. „Du bist ja auch eine Frau und kannst mir somit nichts wegschauen. Außerdem beantworten sich deine Fragen doch dann mit Sicherheit viel besser.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Zirell und setzte sich auf einen Mauervorsprung. Dann sah sie mir zu, wie ich die genesianische Kleidung anlegte. Danach stolzierte ich vor ihr auf und ab. „Hübsch!“, kommentierte sie mein Aussehen. „Wenn du meine Meinung hören willst, das steht dir viel besser als deine Uniform. Es gibt dir so ein erhabenes Aussehen. Aber über Mode lässt sich ja bekanntlich gut streiten.“ „Das lass aber meinen Commander nicht hören.“, grinste ich. „Ich werde mich hüten.“, versprach sie.

Ihre Augen schienen nicht von dem um meinen Nacken gelegten Perlenkragen weichen zu wollen. „Welche Bedeutung haben die einzelnen Perlen genau?“, fragte Zirell interessiert. „Kannst du solche Kragen lesen? Ich meine, du bist wohl die einzige Sternenflottenoffizierin, die so viel von den Genesianern versteht, wie ich es noch nie gesehen habe. Du musst den Unterricht zum Thema verstehe deinen Feind ja regelrecht verschlungen und deinen armen Professor auf der Akademie extrem gelöchert haben.“ „Oh ja.“, sagte ich. „Aber auch meine Klassenkameraden meinten, dass ich eine sehr wissbegierige Kadettin war. Aber du machst die ganze Zeit einen Denkfehler, Zirell. Du redest immer von Feindschaft. Ich könnte mich jedes Mal schütteln, wenn ich auch unsere Politiker und das Oberkommando so reden höre. Die scheinen nicht zu kapieren, dass der einzige Grund, aus dem die Genesianer mit uns Krieg führen, der ist, dass sie uns als gleichwertige und ehrenvolle Gegner sehen, mit denen sich zu messen ihren toten Kriegerinnen den Zugang ins Gore verschafft. Für eine genesianische Kriegerin ist dies das höchste Ziel, das sie erreichen kann.“ „Eine reichlich lebensverneinende Einstellung, wenn du mich fragst.“, sagte Zirell. „Da ist so manche Religion auf der Erde aber auch nicht besser!“, verteidigte ich die genesianische Philosophie. „Da scheint es ja auch Fälle zu geben, in denen man die ganze Zeit darauf hinarbeitet, ins Paradies zu kommen, aber kein Interesse daran zu haben scheint, dieses ach so schlimme Jammertal Leben besser zu machen, weil man es ja eh irgendwann wieder verlässt!“

Sie gab einen Laut von sich, der mir sagte, dass ich sie damit ganz schön getroffen haben musste. „Na ja.“, meinte sie nur. „Den Göttern sei Dank, kann ja jeder heutzutage mit dem Glauben glücklich werden, den er oder sie für sich wählt. Aber wir haben auch keine Zeit zum Philosophieren. Ihr müsst schließlich noch einen genesianischen Clan hierher einladen, Erbprätora.“ „Das muss ich fürwahr, Tindaranerin.“, schauspielerte ich. „Aber du hattest doch auch noch eine Frage, Zirell.“

Ich nahm meinen Perlenkragen wieder ab und hielt ihn in ihre Richtung. Dabei zeigte ich auf die oberste und dickste Perle. „Du siehst.“, erklärte ich. „Dass die Perlen, aus denen das Grundmuster des Kragens besteht, alle klein sind. Nur einige heben sich in Größe und Farbe von den anderen ab. Ist die Perle, auf die ich gerade zeige, blutrot, Zirell?“ „Ja, das ist sie.“, antwortete die Tindaranerin. „Dann ist es Ginallas Perle.“, sagte ich. „Die darunter müsste etwas heller sein.“ Sie gab einen bestätigenden Laut von sich. „Dann ist es meine.“, gab ich eine weitere Erklärung ab. „Die Grundfarbe der Perlen, aus denen der Kragen an sich besteht, ist genau so wie deine Perle.“, sagte sie. „Aber ich verstehe nicht, warum die Perlen darunter alle in einer Reihe sind.“ „Sie symbolisieren all meine Schwestern.“, sagte ich. „Moment mal.“, meinte Zirell. „Du willst mir doch nicht wirklich sagen, dass die alle leibliche Schwestern sind und von dir und Ginalla schon mal gar nicht.“ „Natürlich nicht.“, stöhnte ich. „Wenn ich in diesem Zusammenhang von Schwestern rede, meine ich Clanschwestern. Wir gehören schließlich alle zum Clan der Ginalla. Lass IDUSA doch mal Ginallas Kragen replizieren. Dann zeige ich es dir noch einmal im Vergleich.“ „OK.“, sagte Zirell und ließ den Rechner den von mir vorgeschlagenen Befehl ausführen. „Warum ist die Perle der Prätora eines Clans eigentlich immer blutrot?“, wollte sie wissen. „Weil das Blut für die Genesianer eine heilige Flüssigkeit ist.“, antwortete ich. „Die Allerheiligste, um genau zu sein.“ „Aha.“, sagte Zirell. „Und dann wird sie auch sicher nicht einfach so vergossen.“ „Oh, nein!“, bestätigte ich fest. „Dafür muss es schon einen ebenso heiligen Grund geben.“ „Wie einen Krieg mit einem ehrenhaften Gegner.“, ergänzte Zirell. Ich nickte. „Aber wie kommen die damit klar, dass auf Sternenflottenschiffen auch Männer dienen dürfen?“, fragte Zirell. „Da gibt es Verhaltensprotokolle für uns.“, erklärte ich, die genau wusste, worauf Zirell hinaus wollte. „Und wenn man die Waffenkontrolle in den Maschinenraum transferieren muss, damit sie nicht durch die Hand eines Mannes unehrenhaft zu Tode kommen. Dass die Sternenflotte sich so strikt an die Buchstaben der eigenen Gesetze hält, andere Kulturen sogar im Kriegsfall zu respektieren, hat sie in den Augen der Genesianer ja erst zu einem ehrenvollen Gegner gemacht.“ „Verstehe.“, sagte Zirell. „Aber nun folgt mir bitte, Erbprätora.“

Sie führte mich zur Kommandozentrale. Hier ließ sie mich auf einem Stuhl ganz in ihrer Nähe Platz nehmen. Dann gab sie mir einen Neurokoppler. Ich setzte den Helm kurz ab und den Koppler dafür auf. Dann zeigte sich mir IDUSA. „Dank Kamurus’ Datei bin ich bereits informiert.“, sagte der Avatar der Basis. „Mit welchem Rufzeichen soll ich Sie verbinden, Allrounder?“ „Das siehst du gleich, IDUSA.“, sagte ich und gab per Gedankenbefehl das Rufzeichen von Salmoneas Schiff und auch die der anderen genesianischen Shuttles in eine Konferenzschaltung ein. „Ah, ja.“, sagte IDUSA. Dann stellte sie die Verbindung her, ohne weitere Fragen zu stellen. „Kriegerinnen des Clans der Ginalla.“, wendete ich mich auf Genesianisch an ebendiese. „Ich, Betsy Tochter von Renata Erbprätora des Clans der Ginalla, lade euch hiermit in die tindaranische Dimension ein, um gemeinsam mit den Tindaranern gegen Sytanias unehrenhaften Plan vorzugehen! Kommt zur Basis 281 Alpha und lasst uns dort gemeinsam beraten!“ „Wir folgen Eurer Einladung, Erbprätora!“, gab Salmonea fest zurück und auch alle anderen pflichteten bei. Zirell, die nicht wirklich verstanden hatte, was ich gesagt hatte, sah mich fragend an. „Du wirst wohl einige Parkplätze freimachen müssen.“, übersetzte ich flapsig.

„Haben die genesianischen Schiffe denn überhaupt interdimensionale Antriebe, Allrounder?“, wollte Maron wissen, der sich auf Zirells Zeichen hin zuerst gemeinsam mit Joran unter dem Pult verkrochen hatte und jetzt langsam und behäbig wieder hervorkam. „Sicher, Agent.“, sagte ich, als sei es das Natürlichste der Welt. Er seufzte. „Na, ganz so schlimm wird es schon nicht sein, Maron.“, tröstete Zirell. „Die Electronica legt in zehn Minuten schon mal ab. Die nehmen Ribanna auch mit zurück. Das macht schon mal ein großes Schiff weniger. Den Rest kriegen wir sicher auch noch irgendwie geregelt. IDUSA, um wie viele Schiffe handelt es sich?“ „60 genesianische Kampfshuttles, Commander.“, sagte der Rechner. „Oh.“, meinte Zirell. „Da werden wohl einige tatsächlich in zweiter Reihe parken müssen. Betsy, wem kann ich das zumuten und wem nicht? Ich glaube, dabei werde ich noch deine Hilfe brauchen.“ „Sicher, Zirell.“, lächelte ich.

Sie setzte sich ebenfalls und ich bekam den Eindruck, dass sie noch über etwas nachdachte. „Woher kommen eigentlich die ganzen Kriegerinnen, Betsy?“, fragte sie. „Aus Splitterclans vermute ich, Zirell.“, lautete meine Antwort. „Was zur Hölle sind Splitterclans?“, fragte die meinem Eindruck nach schon leicht mit der Situation überforderte Tindaranerin. „Das sind Reste von Clans, die immer dann entstehen, wenn zum Beispiel ein Clan durch den Tod seiner Prätora aufgelöst wird, weil es keine Nachfolgerin gibt.“, klärte ich sie auf. „Ach so.“, sagte sie. Dann nahmen wir die Koordination der Shuttles gemeinsam in Angriff.

Shimar Ginalla und Kamurus waren vor Brotheas in Position gegangen, nachdem das Schiff seinem Freund ihr Vorhaben erklärt und dieser sich damit einverstanden gezeigt hatte. „So, Ginalla.“, sagte der junge Tindaraner, nachdem er sich noch einmal die genaue Lage des Tumors hatte geben lassen. „Jetzt geht sie gleich los, die wilde Achterbahnfahrt. Am besten, du hältst dich gut fest und Kamurus aktiviert dein Sicherheitskraftfeld.“ „Und was is’ mit dir?“, flapste Ginalla. „Ich kann mich auch so halten.“, sagte Shimar. „Das habe ich ja schließlich gelernt.“ „Darf ich vielleicht mit den Umweltkontrollen …?“, schlug Kamurus vor. „Nein!“, sagte Shimar energisch. „Wenn du die Umweltbedingungen veränderst, fühle ich deine Bewegungen nicht mehr. Aber das ist extrem wichtig bei Kunstflugmanövern. Was ich sehe, reicht da bei Weitem nicht aus. Zumal dann nicht, wenn wir uns innerhalb eines Wesens bewegen, das wir mit einer falschen Steuerbewegung verletzen könnten.“ „Also gut.“, sagte Kamurus. „Aber da dies ein medizinischer Eingriff ist, möchte ich dich noch etwas fragen. Möchtest du eine Verbindung mit Ishan? Ich meine, er weiß sicher auch nicht viel über Operationen bei bioplasmischen Wesen, aber wenn ich ihm unsere Daten gebe, könnte er vielleicht im Hintergrund als Informationsquelle dienen und unser Tun gegebenenfalls absegnen.“ „Gute Idee.“, sagte Shimar. „Wenn er Zeit hat?“, „Das werden wir ja gleich sehen.“, sagte das Schiff und initiierte die Verbindung.

Tatsächlich hatte Ishan einige Minuten, denn Loridana und er hatten sich die Aufsicht über Professor Radcliffe geteilt und sie war dran gewesen. Nachdem der Androide die Daten studiert hatte, die ihm Kamurus überspielte, sagte er: „Das sieht von meiner Warte her sehr gut aus, was ihr da ausbaldowert habt. Ich denke auch, dass es gute Chancen hat, zu funktionieren. Ich biete mich hiermit sogar als euer Narkosearzt an. Ich will damit sagen, dass ich die Biozeichen unseres Freundes überwachen werde. Dann ist Kamurus damit schon mal entlastet und hat mehr Arbeitsspeicher zur Verfügung, um vielleicht schneller auf eure Befehle reagieren zu können. Das könnte vielleicht sogar entscheidend sein.“ „Also gut.“, sagte Shimar und auch Kamurus’ Avatar machte ein erleichtertes Gesicht. „Ich hoff’ nur.“, meinte Ginalla. „Dass wir die Verbindung auch noch halten können, wenn wir in Brotheas’ Innerem sind.“ „Ich halte das nicht für problematisch.“, tröstete Shimar. „Aber wenn du ganz sicher gehen willst, können wir ja eine Boje mit einem Verstärker absetzen, die das Signal übermittelt.“ „Wäre mir schon lieber.“, sagte die Celsianerin. „Na dann.“, sagte Shimar und wandte sich an das Schiff: „Du hast sie gehört.“ Der Avatar nickte und Kamurus setzte die Boje ab. Dann leitete er die Verbindung mit 281 Alpha darüber um.

„Ist jetzt alles bereit?“, fragte Ishan. „Ja.“, nickte Shimar. „Gut.“, sagte der Androide. „Dann speichere ich jetzt die Biozeichen eures Freundes, wie sie jetzt sind, als Basiswert.“ „Tu das.“, sagte Shimar. Dann fragte er in Kamurus’ Richtung: „Wirst du ausführen, was ich dir befehle, ohne es zu hinterfragen? In einigen Fällen könnte uns eine Erklärung vielleicht wertvolle Sekunden kosten. Ich werde vielleicht merkwürdige Manöver von dir verlangen, die du noch nie geflogen hast.“ „Schon gut, Shimar.“, sagte das Schiff. „Verlang von mir, was du willst. Ich vertraue dir, wenn man bei einer künstlichen Intelligenz wie mir überhaupt von Vertrauen reden kann. Aber ich weiß, dass du ein ausgebildeter Kunstflieger bist und daher sicher genau weißt, was du tust.“ „Danke, mein Freund.“, sagte Shimar. Dann befahl er gleichzeitig laut und in Gedanken, damit Ginalla es auch mitbekam: „E-Trimmung aus, Kamurus, und dann setz die vordere Impulsspule unter Energie, als wolltest du steigen!“ Ohne zu zögern führte Kamurus die Befehle aus, was zur Folge hatte, dass er bald nicht mehr gerade, sondern schräg im Weltraum stand. Die Position seines Hecks war aber so, dass es bereits in Brotheas’ aufgehaltenen Mund ragte. „Verschaff mir einen Rund-Um-Blick.“, befahl Shimar. Auch das tat Kamurus. „OK.“, stellte der Tindaraner fest. „Das passt. Jetzt Schubumkehr und danach den Winkel so lange weiter anspitzen, bis du auf deinem Heck stehst! Dann weiter rückwärts!“

Ginalla hatte durchaus mitbekommen, in was für einer Lage sie sich jetzt befanden. „Oh, Gott!“, meinte sie. „Bilde ich mir das ein? Oder liegen wir beide wirklich auf dem Rücken, Shimar?“ „Die erste Frage kann ich dir mit nein, die zweite mit ja beantworten.“, sagte Shimar, dem die Manöver im Gegensatz zu seiner celsianischen Freundin richtig Spaß zu bereiten schienen. „Das ist doch wohl die logische Folge, wenn dein Schiff auf seinem Heck steht. Kamurus, zeig mir mal die Position deiner Warpspulen in Relation zum Umfeld des Tumors!“ „Wie du wünschst.“, sagte der Avatar und sah Shimar erstaunt an. „Worüber staunst du?“, fragte dieser. „Ich staune.“, sagte Kamurus. „Weil ich nicht geglaubt hätte, dass ich so etwas überhaupt zuwege bringen kann.“ „Man lernt doch nie aus.“, grinste Shimar.

Er hatte sich die Positionierung der Warpspulen angesehen. „Das passt noch nicht ganz.“, stellte er fest. „Dein Warpfeld würde den Tumor und seine Umgebung nur halb abdecken. Ich muss dich drehen und dann versuchen wir einen neuen Anflug.“ „Wie willst du ihn denn in dieser engen Umgebung drehen?!“, fragte Ginalla, der es aufgrund ihrer Position im Sitz schon leicht übel wurde. „Zwischen dem Tumor und der Wand dessen, was ich als Speiseröhre erkennen würde, is’ doch kaum Platz! Wir passen da mal gerade so rein und du willst uns drehen?!“ „Hast du schon mal was von einer Heckschraube gehört?“, fragte Shimar. „Nein.“, sagte Ginalla. „Aber verschone mich bitte mit Details. Mir is’ schon schlecht!“

Kamurus replizierte eine Spucktüte und beamte sie direkt in ihre rechte Hand. „Sehr aufmerksam, Kumpel.“, stöhnte Ginalla und entließ ihren gesamten Mageninhalt hinein. Dann beförderte sie die Tüte in die Materierückgewinnung. Shimar warf ihr einen sorgenvollen Seitenblick zu. „Kriegst du das mit den Waffen trotzdem hin?“, wollte er wissen. „Das kann doch ’ne Ginalla nich’ erschüttern!“, sang sie, um seine Sorgen zu zerstreuen. „Na dann!“, meinte er und befahl Kamurus, seine rechte Impulsspule mit voller Energie zu versorgen. Dadurch drehte er sich tatsächlich wie ein Kreisel auf seinem Heck einmal um die eigene Achse. Dieses Manöver führten sie so lange durch, bis der Tumor vollständig zwischen Kamurus’ Warpspulen eingeschlossen war. „So, Kamurus!“, sagte Shimar. „Jetzt gib mal für eine Sekunde Energie auf alle Warpspulen!“ „Aber dann schießen wir doch …!“, meldete Ginalla Bedenken an. „Wir schießen gar nicht!“, korrigierte Shimar. „Eine Sekunde reicht noch nicht mal aus, um ein Warpfeld aufzubauen. Das wird allerhöchstens ein Warprülpser, aber nicht mehr. Aber es wird reichen, um den Tumor und sein Umfeld zu betäuben, hoffe ich. Wir werden nämlich im Gesunden schneiden müssen, wenn wir sicher gehen wollen, ihn richtig zu entfernen, nicht wahr, Ishan?“ „Du hast Recht.“, gab der Androide über die Verbindung zurück. „Und die Einzige, die gleich schießt, wirst du sein, Ginalla.“, sagte Shimar. „Sobald ich dir sage und solange ich dir sage, lässt du den Phaser Dauerfeuer abgeben! Kamurus, sobald sie das tut, feuerst du aus den Achterrampen die neu konfigurierten Torpedos ab!“ „OK.“, stimmten das Schiff und Ginalla zu. Dann setzte Kamurus für eine Sekunde seine Warpspulen unter Energie.

Auf 281 Alpha hatte sich Ishan die neuen Daten angesehen. „Faszinierend.“, stellte er fest. „Die Warpenergie von Kamurus scheint tatsächlich auf einem Frequenzband zu schwingen, das bestimmte Signale nicht mehr zum Gehirn des Wesens durchlässt. Trotzdem solltet ihr euch beeilen. Die Betäubung wird nur so lange anhalten, bis sich die Energie verflüchtigt hat.“ „Wir werden uns das zu Herzen nehmen, Ishan.“, sagte Shimar. „Was machen Brotheas’ Biozeichen?“ „Er ist noch immer ganz ruhig, soweit ich das beurteilen kann.“, sagte Ishan. „Also dann.“, sagte Shimar und befahl in Kamurus’ Richtung: „Langsam voraus! Ginalla, du fängst an zu schießen!“ Der Schiffsavatar und die Celsianerin nickten und taten das, was ihnen Shimar soeben gesagt hatte. Ginalla aber konnte immer noch nicht ganz einordnen, was um sie herum geschah. „Warum habe ich das Gefühl, dass wir steigen, wenn wir doch eigentlich vorwärts fliegen?“, fragte sie. „Weil Kamurus immer noch auf seinem Heck steht.“, erklärte Shimar. „Die Spule, die ihn sonst nach vorn drückt, befindet sich ja dort.“ „Stimmt ja auch.“, sagte die Celsianerin. „Da hätte ich auch drauf kommen müssen. Aber bei der ganzen Dreherei weiß ich ja schon nich’ mehr, wo mir der Kopf steht.“ „Das war ja noch gar nichts.“, sagte Shimar und ließ Kamurus auf die Seite kippen, um ihn dann an der Vorderseite des Tumors entlang schweben zu lassen. Danach stellte er ihn auf seinen Bug. So nahmen sie die andere Seite in Angriff.

Plötzlich erschien Ishans alarmiertes Gesicht auf dem virtuellen Schirm vor ihren geistigen Augen. „Hört sofort auf zu schneiden!“, sagte er. „Brotheas’ Stresslevel steigt an. Ich glaube, er merkt was und das nicht zu knapp.“ „Wie kann das sein?!“, fragte Shimar zurück. „Das Umfeld des Tumors ist noch gut mit Warpenergie gesättigt. Er dürfte eigentlich nichts spüren.“ „Das weiß ich nicht.“, sagte Ishan. „Tatsache aber ist, dass er laut den Daten, die ich hier empfange, wirklich etwas spürt.“

„Stell das Feuer ein, Ginalla!“, sagte Shimar leicht frustriert. „Und jetzt lasst uns mal gemeinsam überlegen, was wir falsch gemacht haben.“ „Wir waren doch fast fertig.“, stellte Kamurus fest. „Es fehlte doch nur noch der untere Teil des Tumors.“ „Das stimmt.“, sagte Shimar und zog nachdenklich die Stirn kraus. „Aber das können wir ihm jetzt so eben nicht zumuten. Wir müssen aber rauskriegen warum nicht!“ „Ich hätte ’ne Idee, Fliegerass.“, meinte Ginalla. „Dann raus damit!“, sagte Shimar. „Wenn der Tumor nur noch am seidenen Faden hängt.“, sagte sie. „Dann dürfte sein Gewicht ordentlich am Gewebe ziehen. Ich denke, das is’ das, was Brotheas merkt. Wenn wir den Tumor irgendwie abstützen würden, während wir den Rest schneiden, dürfte das schon helfen. Wir müssten ihn auf einer Art Kissen lagern, versteht ihr?“ „Aber klar doch!“, sagte Shimar. Dann befahl er Kamurus: „Die gleiche Strecke langsam zurück! Dann schiebst du deinen Bug unter den Tumor und hebst deine Schilde, die das Dach schützen. Du musst sie der Struktur des Tumors so anpassen, dass er quasi auf ihnen abgefedert wird.“ „Verstanden.“, sagte Kamurus und führte Shimars Befehle aus.

„Ishan.“, sagte Shimar wenig später. „Wir sind jetzt unter dem Tumor und stützen ihn ab. Was macht der Stresslevel?“ „Der ist wieder auf null gesunken.“, sagte der Androide mit zufriedenem Ausdruck in der Stimme. „Exzellente Arbeit von euch dreien. Versucht jetzt bitte vorsichtig, den Rest abzuschneiden. Aber vergesst auch hier die Blutstillung bitte nicht.“ „Für wie dumm hältst du uns?“, fragte Ginalla. „Ich wollte euch ja nur daran erinnert haben, dass ihr es hier mit einem empfindungsfähigen Wesen zu tun habt.“, sagte Ishan. „Wissen wir.“, sagte Shimar. Dann befahl er Kamurus: „Langsam voraus!“ Und in Ginallas Richtung: „Du schießt weiter!“ „Wird erledigt, Chef!“, flapste die Celsianerin lächelnd.

Auf diese Weise hatten sie tatsächlich bald den gesamten Tumor gelöst. „Das wär’s.“, sagte Shimar erleichtert. „Kamurus, befördere das unselige Ding in den Weltraum!“ „Wird gemacht, Shimar.“, sagte das Schiff, erfasste den Tumor mit dem Transporter und beamte ihn weit weg.

„Unser Patient scheint die Operation gut überstanden zu haben.“, meldete Ishan, nachdem er die Biozeichen des Wesens noch einmal studiert hatte. „Er wird sich zwar noch etwas schonen müssen, aber er wird überleben. Das habt ihr wirklich gut hinbekommen.“ „Ohne deine Hilfe hätten wir das sicher nicht geschafft.“, sagte Shimar. „Du warst der beste Narkosearzt, den man sich nur wünschen kann.“ „Das Kompliment gebe ich gern zurück.“, sagte Ishan bescheiden. „Du warst auch der beste leitende Chirurg, den sich Brotheas hätte wünschen können und Ginalla war wohl die talentierteste und ideenreichste OP-Schwester.“ „Und was ist mit mir?!“, fragte Kamurus und gab sich sehr große Mühe, seiner Stimme einen leichten Anflug von Eifersucht zu verleihen. „Du.“, sagten alle drei anderen wie aus einem Munde. „Du warst wohl das beste und einfallsreichste Operationsbesteck, was man sich wünschen kann!“ „Vielen Dank.“, sagte das Schiff. „Aber wir sollten uns nicht mehr länger als nötig hier aufhalten.“ „Ist schon OK.“, sagte Shimar und gab ihm den Befehl zum Steigflug, der sie wieder aus Brotheas’ Speiseröhre führte. Dann machten sie sich in Richtung 281 Alpha auf den Weg.

Zirells und meine Wege hatten sich wieder getrennt. Sie hatte ja noch etwas auf der Krankenstation zu tun, sofern sich Radcliffe damit einverstanden erklären würde und ich musste schließlich meinem Commander noch einiges gestehen. Sie wusste ja schon, dass ich durch einen Zufall Erbprätora eines genesianischen Clans geworden war und die Sache mit meiner Rolle in Radcliffes Verwandlung vom Niemand zum Wäscher vom Mars war ihr auch klar. Aber sie wusste ja noch nichts von dem Gedanken an die alternative Zeitlinie, der mir gegenüber Lycira rausgerutscht sein musste. Ansonsten ließ sich ja nicht erklären, warum Sharie Mikel so gut helfen hatte können. Der erste Offizier der Granger hatte nämlich während unserer Konferenz auch seinen Bericht abgegeben.

Ich ließ Commander Kissara also durch IDUSA lokalisieren, die mir sagte, dass sie auf unserem Schiff in ihrem Quartier zu finden sei, das noch immer an der tindaranischen Basis angedockt war. Dort ging ich nun also hin. Obwohl mir mein Herz bis zum Hals schlug, wollte ich ihr die Wahrheit sagen. Alles andere hätte sie sicher nicht von mir erwartet und es hätte sie auch schwer enttäuscht.

Vor ihrer Tür angekommen betätigte ich die Sprechanlage. „Wer ist dort?“, fragte ihre schmeichelnde Stimme. Sie musste wohl nicht auf das Display geschaut haben. „Hier ist Allrounder Betsy, Commander.“, sagte ich. „Ich muss Ihnen etwas gestehen. Darf ich reinkommen?“ „Herrje!“, rief sie aus. „Sie sind ja völlig durch den Wind! Kommen Sie erst mal rein und dann sagen Sie mir, was in Gottes Namen mit Ihnen los ist!“

Die Tür glitt zur Seite und ich betrat ängstlichen Gemütes ihr Quartier. Im selben Augenblick fasste mich aber auch schon eine ihrer weichen Hände, die mich an die Pfoten einer Katze erinnerten. So führte sie mich dann also in ihr Wohnzimmer auf die Couch. Sie selbst setzte sich neben mich. „Nun, Allrounder.“, schmeichelte sie. „Was haben Sie denn nun auf dem Herzen? Es kann doch nun wirklich nichts so schlimm sein, dass man es nicht mit einem einfachen Gespräch aus der Welt schaffen könnte.“ „Ich fürchte, da irren Sie sich dieses Mal, Commander.“, sagte ich. „Für das, was mir passiert ist, gehört mir normalerweise das Offizierspatent entzogen und Dill dürfte mich wieder in mein Jahrhundert zurückschicken und mir jede Erinnerung an meine Zeit hier nehmen, um mich zu bestrafen. Eine Pendlerin zwischen den Jahrhunderten zu sein, hätte ich sicher längst nicht mehr verdient.“ „Dann wollen wir doch mal abwarten, ob der Herrscher und Beschützer der Zeit wirklich so hart über Sie urteilt.“, sagte Kissara und hängte ihren grünäugigen Katzenblick an die Zeitanzeige ihres Sprechgerätes. „Wenn Sie von Dill nicht binnen einer Minute von hier entfernt werden, mache ich mir keine weiteren Sorgen.“ Sie ließ den Computer die Zeit stoppen.

Die Minute war quälend langsam vergangen und dann fragte sie: „Computer, befindet sich Allrounder Betsy Scott immer noch in meinem Quartier?“ „Affirmativ.“, kam es nüchtern zurück. „Merkwürdig.“, sagte sie langsam und bedächtig. „Mir scheint, dass Dill doch nicht so ein strenger Richter zu sein scheint. Aber was ist denn überhaupt passiert?“ „Ich habe mich eines schlimmen Verbrechens gegen die Oberste Temporale Direktive schuldig gemacht, Madam.“, sagte ich und begann fast zu weinen. Dann versuchte ich, mein Rangabzeichen von meiner Uniform zu entfernen. Da ich aber sehr nervös war, gelang es mir nicht, die Schließe zu öffnen. „Ach du meine Güte!“, lachte sie und ich hatte das Gefühl, dass sie mich nicht ganz ernst nahm. „Das muss ja ein ganz schlimmes Verbrechen sein! Sagen Sie bitte nicht, Sie hätten versucht, einem Dinosaurier den Warpantrieb zu erklären.“

Jetzt musste auch ich kurz lachen, denn die Bilder, die sich angesichts der von ihr beschriebenen Situation in meinem Kopf formten, waren wirklich sehr lustig. Schließlich hätte ich wohl eher als im Ganzen geschluckter Frühstückshappen für so ein Tier geendet, bevor ich überhaupt damit hätte anfangen können. Auf dem Weg zum Magen hätte ich wohl noch gerade mit meinem Vortrag beginnen können, bevor …

Ich riss mich aber sofort wieder zusammen und machte ein ernstes Gesicht. „Bei allen Göttern!“, sagte sie schließlich. „Was muss ich tun, um Sie dazu zu bringen, endlich mit der Sprache rauszurücken?!“ „Ich habe einen falschen Gedanken gegenüber Lycira fallen lassen!“, schrie ich schließlich und begann zu zittern.

Ihre Reaktion erstaunte mich, denn statt mich zu tadeln, zog sie mich plötzlich an sich und schnurrte: „Und jetzt erklären Sie mir noch mal alles ganz von Vorn. Aber schön langsam und ganz ruhig. Sie wissen doch, dass ich niemand bin, der vorschnell urteilt.“

Sie wartete, bis ich mich beruhigt hatte. Dann sagte ich: „Sie wissen, wie mein Schiff und ich kommunizieren. Dabei muss mir ein Gedanke an eine alternierende Realität rausgerutscht sein, in der Sharie, das ist Tcheys Schiff, einer Q, die von Sytania verblendet war, also Tolea, die Augen geöffnet hat. Lycira muss Sharie davon erzählt haben. Sonst hätte sie sicher nie den Mut gefasst, Mikel beim Kampf gegen Sytania im Reich der Toten zur Seite zu stehen. Sie hat verhindert, dass Sytania es erobert und meine geistige Energie vernichtet hat.“ „Und Sie finden schlimm, dass Sharie das getan hat?!“, fragte Kissara entrüstet. „Sie finden schlimm, dass Sharie das Reich der Toten vor einer Eroberung durch Sytania bewart hat? Sie haben Recht. Das wäre wirklich ein Verbrechen! Es wäre Hochverrat, wenn Sie das schlimm finden würden!“ „Bei allem Respekt, Commander!“, sagte ich empört. „Können oder wollen Sie mich nicht verstehen?! Natürlich finde ich es gut, dass Sytania das Reich der Toten nicht erobert hat. Ich mag mir gar nicht ausmalen, welche Möglichkeiten sie von dort aus als ohnehin schon Mächtige hätte. Aber wie es dazu gekommen ist, das …“ „Ja, wie es dazu gekommen ist, Betsy.“, sagte Kissara. „Machen wir mal ein bisschen temporale Mechanik. Was wäre Ihrer Ansicht nach denn geschehen, wenn Ihnen der Gedanke nicht rausgerutscht wäre?“ „Dann hätte Sharie vielleicht nie den Mut gefunden und dann … Oh, mein Gott!“, begriff ich. „Sehen Sie?“, fragte sie und schnurrte so heftig, dass die Vibrationen durch meinen ganzen Körper gingen. „Sie mögen es als Fehler betrachtet haben, dass Sie auf Radcliffes Bitte damals eingegangen sind. Aber das bedeutet nicht, dass Sie jetzt am laufenden Band nur noch Fehler machen. Niemand ist perfekt. Wir sind alle keine Maschinen, Allrounder. Und Götter sind wir schon gar nicht und selbst die haben, wenn Sie mich fragen, auch alle ihre kleinen Schwächen. Das zeigen ja die Mythologien diverser Völker zur Genüge auf.“ „Sie meinen also, es sei alles in Ordnung?“, vergewisserte ich mich. „Ganz genau.“, schnurrte sie. „Derjenige, der sich mal die Oberste Temporale Direktive überlegt hat, der hat mit Sicherheit nicht mit so einer Situation gerechnet.“ „Danke, Commander.“, sagte ich erleichtert. „Habe ich die Erlaubnis zu gehen?“ „Sicher.“, sagte sie.

Ich stand auf und bewegte mich in Richtung Tür. Dann drehte ich mich noch einmal um und fragte: „Und Sie sagen das nicht nur, weil Sie mich mögen?“ „Ich hätte bei jedem Ihrer Kameraden in der gleichen Situation genauso geurteilt!“, sagte sie. „Darauf können Sie sich verlassen!“ „OK.“, sagte ich und verließ ihr Quartier.

Sytania hatte durchaus mitbekommen, dass Shimar und seine Freunde Brotheas von dem Tumor, der eine weitere Ernährung für ihn unmöglich gemacht und somit seinen Tod verursacht hätte, befreit hatten. Auch Telzan hatte dies durch den Kontaktkelch gesehen. „Dieser verdammte Tindaraner!“, grollte er. „Halb so schlimm.“, tröstete Sytania. „Damit wollte er mir ja nur die Botschaft senden, dass das tindaranische Militär nicht so einfach hinnehmen wird, dass ich ein unschuldiges Wesen leiden lasse. Aber in unserer gegenwärtigen Situation ist das nichts weiter als ein Nebenbefund. Wer mir mehr Sorgen bereitet, das ist Zirell! Wenn sich Nathaniel mit ihrer Maßnahme einverstanden erklärt, werden sie beweisen können, was wirklich hinter der Theorie über die Wiedergeburt von Sisko steckt und was ich mit der Sache zu tun habe. Außerdem könnte es durchaus passieren, dass es ihr gelingt, ihn zu heilen und dann habe ich keine Möglichkeit mehr, Macht über ihn zu erlangen! Darum sollte ich mich kümmern und das werde ich auch tun. Wenn sie versucht, ihm zu helfen, wird sie ihr blaues Wunder erleben! Übrigens: Was machen eigentlich Augustus’ Eroberungen?“ „Die Vendar, die ihn begleiten, melden mir.“, sagte Telzan. „Dass es damit sehr gut vorangeht. Sie sind zwar von dem Plan abgerückt, Kronos zu erobern, aber es gibt ja auch noch genug andere schöne Fleckchen.“ „Oh, ja.“, sagte Sytania. „Die gibt es und es kann mir ja im Grunde völlig egal sein, wo sich diese befinden. Shashana hat mit einem Recht. Ich denke nicht in einzelnen Gebieten, sondern in ganzen Dimensionen. Da kann es mir wirklich egal sein, wo sich meine Soldaten gerade befinden. Mit der Macht, über die ich verfüge, kann ich sie ja blitzschnell von einem Ort zum anderen bringen.“ Sie lachte hexenartig auf.

Zirell hatte die Krankenstation von 281 Alpha erreicht und war dort auf Nathaniel getroffen, dem sie im Beisein der Mediziner erklärte, was sie mit ihm plante. „Du willst mich in meine Vergangenheit bringen?“, fragte der Professor leicht irritiert, aber in korrekter tindaranischer Anredeweise. „Nein.“, sagte Zirell. „Ich werde dich mit dem Teil deines Bewusstseins in Kontakt bringen, der einmal Commander Sisko war, wenn das gestimmt haben sollte. Vielleicht kann dein jetziges Ich ihm ja verzeihen. Wir gehen davon aus, dass er, als er den Propheten gegenüberstand, seine Sünde bereut hat, die er begangen hatte und von ihnen mit der Wiedergeburt bestraft werden wollte. Vielleicht befand er sich selbst als nicht wert, unter ihnen zu leben. So ein Verbrechen zu planen und es dann noch dazu jemandem anders in die Schuhe zu schieben, kann ja wohl kaum als gut gebilligt werden.“ „Nein.“, sagte Nathaniel. „Aber er hat aus Verzweiflung gehandelt. Zumindest kann ich mir das vorstellen. Dank Sytania kenne ich selbst ja das Gefühl der Verzweiflung gut genug. Ich denke tatsächlich, dass ich ihm verzeihen könnte. Aber wie machen wir das? Ich kann nicht licht träumen oder so etwas. Woher weiß ich, was ich sagen oder tun muss, wenn ich ihm begegne?“ „Ich werde da sein und dich erinnern!“, sagte Zirell zuversichtlich. „Dann bin ich einverstanden.“, sagte Radcliffe. „Nur möchte ich nicht, dass uns alle in der Simulationskammer zusehen. Dass die Mediziner uns beobachten müssen, ist mir klar, damit sie bei Komplikationen eingreifen können. Aber dem Rest gegenüber finde ich es doch recht beschämend, was unter Umständen dabei herauskommen könnte.“ „Also gut.“, sagte Zirell.

Sie winkte Ishan, der sofort mit einem Neurokoppler herbeieilte und ihn Nathaniel aufsetzte. Nidell setzte Zirell einen Zweiten auf. „Das ist nur, damit IDUSA das Ganze protokollieren und uns über eventuelle Schwierigkeiten sofort informieren kann.“, sagte der Arzt zur Erklärung. „Dann ist ja alles gut.“, sagte Nathaniel erleichtert. „Aber was ist mit dir, Zirell? Musst du meditieren, oder so etwas, um für die Reise in meine Seele bereit zu sein?“ „Nein.“, lächelte die ältere Tindaranerin. „Von meiner Seite aus könnten wir sofort beginnen. Fühlst du dich sicherer, wenn ich deine Hände nehme? Die meisten Nicht-Telepathen tun das.“ „Du bist wohl von der Sorte der rücksichtsvollen Telepathen.“, sagte Radcliffe. „Das kommt schon hin.“, sagte Zirell. „Denn ich finde, jemand, der eine Fähigkeit hat, sollte immer Rücksicht auf die nehmen, die diese Fähigkeit nicht haben! Man würde von Allrounder Betsy oder Agent Mikel ja auch nicht verlangen, ein Bild des terranischen Himmels bei schönem Wetter in korrekter Farbgebung aus der freien Hand zu zeichnen.“ „Da hast du sicher Recht.“, sagte Radcliffe. „Das würde man sicher nicht tun.“

Er setzte sich auf. „Dann nimm meine Hände, Zirell.“, sagte er und streckte ihr die Seinen hin. „In Ordnung.“, sagte die Tindaranerin und setzte sich rittlings auf das Fußende des Biobettes, auf dem Radcliffe lag. Dann nahm sie seine Hände und machte ein konzentriertes Gesicht. „Ich werde bis drei zählen, bevor ich beginne.“, sagte sie. „Ist das in Ordnung für dich?“ „Ja.“, sagte der Professor. „Aber wie kann ich es dir erleichtern?“ „Das musst du gar nicht.“, tröstete Zirell. „Ich komme schon zurecht. Aber wenn du es wirklich wissen willst, dann sage ich dir, dass es mir sehr helfen könnte, wenn du versuchst, einfach nur zu entspannen.“ „OK.“, nickte Radcliffe und schloss die Augen, was Zirell ihm gleich tat. Dann rief sie Ishan noch auf Tindaranisch zu: „Ich beginne!“ Der Androide nickte und nahm hinter einer Konsole Platz. Dann nahm er sein Haftmodul aus der Tasche seiner Uniform und schloss sich damit an die Konsole an. Über seine direkte Verbindung zu IDUSA war er jetzt auf jede Eventualität gefasst, vorausgesetzt, der Rechner würde sie selbst als alarmierend wahrnehmen und ihm dies mitteilen. Aber davon ging er aus, denn IDUSA hatte ja im Laufe ihrer Dienstzeit genug Daten über Sytania oder geistige Anomalien gesammelt. Nidell, die sich ebenfalls an der medizinischen Überwachung beteiligte, benutzte ihren Neurokoppler. Die junge Tindaranerin hätte dies zwar auch telepathisch tun können, aber ihr Vorgesetzter fand, dass ihre geistige Anwesenheit eventuell doch nur störend wirken könnte. Ishan wollte einfach kein Risiko eingehen.

Nathaniel und Zirell waren, nachdem sie wie versprochen gezählt hatte, in jenen traumähnlichen Zustand abgeglitten, der bei Reisen in die Seele normalerweise auch üblich war. Ihre Werte gaben weder IDUSA noch Ishan oder Nidell Anlass, Maßnahmen zu ergreifen. Wer warst du vorher, Nathaniel Radcliffe?, hörte Nathaniel Zirells telepathische Stimme in seinem Geist. Führe mich zu dem Wesen, das du vor diesem Leben warst. Zeig mir die Wahrheit! Zeig mir, was geschehen ist, bevor du Nathaniel Radcliffe wurdest!

Es gab einen weißen Blitz und sie fanden sich in einer Art Gewölbe wieder. Hier waren sie von Personen umringt, die Zirell zunächst zu kennen und auch zu erkennen glaubte. Da es ihr und Nathaniel alles sehr real erschien, war es ihnen, als würden sie jetzt auch wieder mündliche Gespräche führen. „Was machen meine Leute und unsere Freunde hier?“, fragte Zirell. „Das sind nicht unsere Freunde.“, sagte Nathaniel. „Dieses Gewölbe ist der Himmlische Tempel und das hier sind die Propheten. Sie zeigen sich immer gern als Personen, die uns bekannt sind.“ „Ich verstehe.“, sagte Zirell.

Nathaniel nahm die zunächst freihändig neben ihm stehende Tindaranerin bei der Hand: „Komm!“ Dann gingen sie weiter auf die Gestalten zu und sahen, dass sie in einem Kreis um jemanden herum standen. Derjenige, um den sie standen, war ein alter Mann von leicht fülliger Statur. Er war ein Farbiger und hatte eine Glatze. Er war ca. 180 cm groß, was aber, seinem Alter geschuldet, immer weiter nach unten korrigiert werden musste. Dass Terraner während des Prozesses des Alterns schrumpften, war Zirell bekannt. Auch das Gesicht des Mannes kannte sie aus den geschichtlichen Dateien und zur Genüge aus den neuesten Exemplaren, die ihnen die Xylianer gegeben hatten. Der Terraner stand etwas erhöht und für alle gut sichtbar. „Es scheint mir, als säßen die Propheten über ihn zu Gericht.“, sagte Zirell. „Ja, das ist richtig.“, sagte Nathaniel. „Ansonsten stünde er sicher nicht so auf dem Präsentierteller.“ „Aber warum hat er keinen Anwalt?“, fragte Zirell. „Das wollte er nicht.“, sagte Nathaniel. „Warum wollte er das nicht?“, fragte Zirell. „Führe mich weiter zurück, Nathaniel! Führe mich weiter in dein Leben, bevor du der wurdest, der du heute bist!“

„Diese Informationen muss ich dir leider vorenthalten, Zirell!“, hörten plötzlich beide eine Stimme, die aus einer Flammenwand zu kommen schien, die sich in diesem Moment zwischen sie und die Szenerie geschoben hatte. Zirell konnte Nathaniel gerade noch von den Flammen fortziehen. „Das war Sytania!“, stellte Radcliffe fest. „Und wir waren auf so einem guten Weg! Ich werde nicht zulassen, dass sie uns jetzt alles kaputt macht, Zirell! Nein, das werde ich nicht zulassen!“

Er versuchte, sich von ihr, die ihn noch immer bei der Hand hielt, loszureißen und wollte in die Flammen springen. Nur mit viel Mühe gelang es ihr, ihn zurückzuhalten. „Nathaniel, nein!“, redete sie ihm ins Gewissen. „Wenn du das tust, dann wirst du sterben! Wir werden einen anderen Weg finden müssen! Wir müssen etwas tun, mit dem Sytania nicht rechnet und vor allem dann, wenn sie nicht damit rechnet!“

Er riss sich erneut los und lief in Richtung der Feuerwand. „Ja, komm nur näher, Nathaniel.“, sagte Sytanias Stimme aus ebendieser. „Besser ist es allemal für mich, wenn du stirbst. Dann habe ich zwar auch keine Macht mehr über dich, aber es ist mir lieber so, weil ich ihnen dann auch einen moralischen Dämpfer verpassen kann! Dir nicht helfen zu können, das dürfte sie ganz schön demoralisieren!“

IDUSA hatte Ishan und Nidell die alarmierenden Werte gezeigt, die sie von Nathaniel und Zirell empfing. Auch hatte der Rechner das dritte Neuralmuster eindeutig als das von Sytania identifiziert. „Ihre Biozeichen sind kritisch!“, sagte Nidell zu Ishan. „Nicht mehr lange und beide werden den Herztod erleiden. Der Stress ist viel zu hoch!“ „Da stimme ich dir zu.“, sagte der Androide ruhig. Dann ordnete er an: „Zieh eine Spritze mit 20 mg Psylosininblocker auf und injiziere es Zirell! Sie muss die Verbindung abbrechen! Aber wir werden sie wohl kaum verbal erreichen.“

Die medizinische Assistentin nickte, nahm sich einen Hypor und die Patrone mit dem Telepathie unterdrückenden Medikament aus dem Giftschrank und führte aus, was ihr Ishan gerade befohlen hatte. „Sehr gut, Nidell.“, stellte Ishan fest. „Ihre Biozeichen normalisieren sich und die Verbindung ist auch getrennt.“

Zirell schlug als Erste die Augen wieder auf. „Was ist passiert, Ishan?“, fragte sie benommen. „Ihr müsst in Nathaniels Bewusstsein Besuch von Sytania erhalten haben.“, sagte der Arzt. „Zumindest hat IDUSA ihr Neuralmuster eindeutig identifiziert.“ „Nicht nur IDUSA.“, sagte die Tindaranerin und setzte sich auf. Ishan hatte IDUSA angewiesen, sie nach der Trennung der Verbindung auf ein zweites Biobett zu beamen.

Gegenüber kam nun auch Nathaniel zu Bewusstsein. „Kümmere dich um ihn!“, beorderte Ishan seine Assistentin. Nidell nickte und ging hinüber. „Es tut mir leid.“, waren die ersten Worte, die der verzweifelte Radcliffe an die über ihn gebeugte Nidell richtete. „Es war nicht deine Schuld.“, sagte Nidell ruhig und tröstend und strich ihm über das Gesicht. „Bleib bitte erst mal liegen und dann werden wir eine andere Möglichkeit finden. Eine, mit der Sytania bestimmt nicht rechnet.“ Sie zog seine Decke zurecht und flüsterte ihm noch zu: „Es wird alles wieder gut.“, bevor sie ihm beim Einschlafen zusah.

Ishan hatte sich um Zirell gekümmert. „Dank unserem schnellen Eingreifen.“, sagte er. „Wirst du bald wieder auf den Beinen sein. Ich gebe dir jetzt noch eine Medizin und dann bitte ich dich, noch ungefähr 20 Minuten hier zu bleiben. Dann dürftest du über die Folgen hinweg sein.“ „In Ordnung.“, sagte Zirell. Dann drehte sie sich um und ließ sich von Ishan bereitwillig die notwendige Spritze geben.

Kapitel 63: Neue Probleme tun sich auf

von Visitor

 

Kamurus und seine Crew näherten sich jetzt schon der Basis 281 Alpha. „Oh, Mann!“, stellte Ginalla begeistert fest. „Du kannst vielleicht mit einem Raumschiff umgehen, Shimar! Wenn man dir so dabei zusieht, wird es einem nich’ nur wegen der Dreherei schwindelig!“ „Und du kannst super mit dem Schießeisen!“, sagte Shimar in der Absicht, das Kompliment zurückzugeben. Dabei hatte er auch einen Spruch aus einem der alten terranischen Western entlehnt, die ihm N’Cara in schöner Regelmäßigkeit an sein dienstliches Rufzeichen überspielte. „Kunststück.“, lächelte die Celsianerin. „Wenn man ein Schiff unter dem Hintern hat, das seine Waffen vorher so gut einstellt.“ „Danke, Ginalla.“, sagte Kamurus. „Aber noch mal eine andere Frage: Wieso magst du eigentlich den Pilz so gern, Shimar, den ich dir gegeben habe. Ich meine, im Gegensatz zu dem biologischen Piloten meiner Schwiegermutter in Spee und den Vendar bist du wirklich der Einzige, der …“ „Was machen die denn mit dem Pilz, Kumpel?“, mischte sich Ginalla in die Forschungen ihres Schiffes ein. „Meines Wissens bereiten sie aus dem Pilz einen Sud, den sie dann trinken.“, antwortete das Schiff. „Und genau das ist ihr Fehler, Kamurus.“, belehrte ihn Shimar. „Zu mir hast du gesagt, dass ich den Pilz nicht weiter bearbeiten soll. Also habe ich auch das Fruchtfleisch mitgegessen. Das war schön süß und hat den bitteren Geschmack sicher übertüncht.“ „Das sollte ich meiner Schwiegermutter vielleicht ausrichten, damit sie es ihrem Piloten weitergeben kann.“, sagte Kamurus. „Wie die Vendar an die Information kommen und ob überhaupt, ist mir einerlei.“ „Mach das.“, sagte Shimar. „Du hättest noch so ’n Ding verdrücken können, was?“, grinste ihn Ginalla an. „Eigentlich ja.“, gab der Tindaraner zu. „Aber zu viel Medizin kann die Wirkung auch leicht ins Gegenteil verkehren.“

Kamurus räusperte sich plötzlich und zeigte beiden ein Bild, das ihn wohl sehr irritieren musste. „Shimar, Ginalla, ich fürchte, wir haben ein Parkplatzproblem.“, sagte er. „Das sehe ich genau so.“, pflichtete ihm der junge Tindaraner bei und zählte die Schiffe grob durch. „Das müssen an die 60 genesianische Kampfshuttles sein.“ „Ich denk’, Betsy wird sie hergerufen haben.“, sagte Ginalla. „Aber warum? Was zur Hölle is’ hier passiert?“ „Das kann ich dir auch nicht sagen.“, sagte Shimar und gab Kamurus den Gedankenbefehl, seinen Antrieb zu deaktivieren. „Warten wir hier erst mal und sprechen mit jemandem, der vielleicht einen besseren Überblick über die Situation haben könnte. Sieh zu, ob du Zirell oder Maron erreichst, Kamurus!“ „OK, Shimar.“, sagte das Schiff und initiierte die verlangte Verbindung.

Tatsächlich wurde der Ruf bald von Maron beantwortet, der in Zirells Abwesenheit die Geschäfte auf 281 Alpha in seiner Eigenschaft als erster Offizier führte. „Kannst du mir sagen, was hier passiert ist, Maron?“, fragte Shimar seinen Vorgesetzten in leicht irritierter Stimmlage. „Das kann ich.“, erwiderte der Demetaner. „Aber wie ich sehe, warst du auch nicht untätig. Anscheinend ist es dir sogar tatsächlich gelungen, Ginalla aus den Fängen Sytanias zu befreien.“ „Nicht nur das.“, sagte Shimar. „Wir drei, Ginalla, Kamurus und ich, haben sogar einem unschuldigen Wesen das Leben gerettet, an dem sich Sytania rächen wollte, weil es Kamurus geholfen hatte.“ „Oh!“, lobte Maron. „Gleich zwei Dämpfer für Sytania! Ihr seid ja wirklich richtige Profis! Aber das kann ich ja sicher auch alles später deinem schriftlichen Bericht entnehmen. Ich sollte euch jetzt erst mal aufklären über das, was hier war, während ihr nicht da wart. Das Beste vorweg: Wir haben jetzt Meilenstein!“

Shimar entglitten die Gesichtszüge. Dann stammelte er: „Was? Du willst mich veralbern, oder? Ich meine, die Romulaner wissen ganz genau, dass wir Freunde der Föderation sind. In der gegenwärtigen politischen Lage würde der Senat nie …“

Maron ging per Schaltung dazwischen und unterbrach: „Es ist ja lobenswert, dass du so ein guter Beobachter der Politik bist, Shimar. Aber mit den Romulanern hat das beileibe nichts zu tun. Die haben keine Verdienste an der Methode, wie wir an Meilenstein gekommen sind. Das war wohl eher deine Freundin. Deine Freundin zusammen mit unserem technischen Genie, Techniker Jenna McKnight.“ „Betsy und Jenn’?“, fragte Shimar. „Wie geht das denn?“ „Du weißt ja, dass Betsy nur mit einem Strohhalm trinken konnte, seit sie aus dem Reich der Toten zurück war. Aber das ist jetzt vorbei. Nachdem Jenna davon zu dem entscheidenden Detail inspiriert worden ist, das es möglich machte, Meilenstein zu bauen, war das auch wieder gelöst. Medizinische Untersuchungen, denen sich deine Freundin dann unterzogen hat, haben ergeben, dass das Muster, das für die Nervenblockade verantwortlich war, jetzt auch wieder verschwunden ist. Zusammen mit ihrer Aussage über ihre Begegnung mit Professor Kimara Toreth macht das alles einen Sinn. Die Genesianerinnen hat sie hergeholt, weil wir meinen, dass sie bei der Befreiung von Romulus von Sytania sehr hilfreich sein können. Von uns würden die Romulaner keine Hilfe wollen und schon erst recht nicht von der Föderation. Aber mit dem Clan der Ginalla, oder mit den Genesianern überhaupt, haben sie meines Wissens keine Probleme. Die dürfen Sytania von romulanischem Grund und Boden vertreiben und sie in ihre Dimension zurückschicken, wo sie meiner Meinung nach auch schleunigst wieder hingehört! Jenna prüft gerade, ob sich unsere Version von Meilenstein in ein genesianisches Shuttle bauen lässt.“ „Na, das erklärt ja einiges.“, sagte Shimar. „Ist für Kamurus noch ’ne Schleuse frei? Ich denke, nach der Art, wie wir ihn beanspruchen mussten, hat er sich eine Wartung rätlich verdient.“ „Das musst du, oder besser Ginalla, die Genesianerinnen fragen.“, sagte Maron. „Aber ich bin sicher, für das Schiff ihrer Prätora wird eine der Kriegerinnen sicher gern ihren Platz räumen. Betsy kann euch im Moment nicht wirklich helfen, weil sie wohl gerade auf der Granger ist.“ Die Verbindung wurde jäh beendet.

Ginalla nahm eine selbstbewusste Haltung ein und befahl ihrem Schiff: „Gib mir Salmonella!“ „Du meinst Salmonea, nicht wahr?“, vergewisserte sich Kamurus. „Von mir aus auch die.“, sagte Ginalla gewohnt flapsig. „Jedenfalls die, die von Shashanas Gnaden die Geschäfte beim Clan der Ginalla führt, wenn Betsy oder ich nich’ da sind.“ „Das ist Salmonea.“, sagte Kamurus. „Na, dann gib sie her.“, sagte Ginalla. „Nenn sie bloß nicht Salmonella!“, zischte ihr Shimar zu. „Wenn dir so ’n Lapsus passiert, während du mit ihr redest, kann das ganz schön schiefgehen. Ich kann mir keine Entschuldigung überlegen, wenn du so was machst und sei es auch nur aus Humor. Mich werden sie nicht anhören, oder gar ernst nehmen. Ich bin bloß ein Mann. Und Kamurus gilt in ihren Augen als Gegenstand. Betsy ist auch nicht da, um dich rauszuhauen. Also überlege dir, was du sagst.“ „Ich bin doch nich’ blöd!“, flapste Ginalla und holte tief Luft, um dann in Richtung des Bordmikrofons, über das auch der SITCH funktionierte, deutlich zu sagen: „Ich grüße dich, Salmonea! Wie du siehst, bin ich wieder da. So und nun mach mal ’n Platz für das Schiff deiner Prätora frei und dann erzähl mir, was hier inzwischen passiert is’!“ „Es ist ihm also tatsächlich gelungen, Euch zu befreien, Prätora!“, erwiderte die Genesianerin überglücklich. „Er hat Euch tatsächlich befreit. Wie geht es Euch?!“ „Es geht schon.“, sagte Ginalla. „Ich denke, eine weitere Runde mit Sytania stehe ich schon durch. Zumal wir jetzt ja auch Meilenstein haben. Aber was is’ jetzt mit dem Parkplatz. Hast du nich’ gehört, was dir deine Prätora soeben befohlen hat?“ „Mach nicht immer so einen auf dicke Hose!“, zischte Shimar ihr zu. „Die wissen schon, wer du bist. So was hat meines Wissens eine genesianische Prätora nicht nötig.“ „Natürlich sollt Ihr einen Platz an der Station für Euer Schiff erhalten.“, sagte Salmonea und löste sich selbst aus dem Ring von Schiffen, die an der Station angedockt hatten. „Ich werde Euch meinen abtreten.“ Sie ließ ihr Schiff mit den Positionslichtern den Code für bitte folgen in den Weltraum leuchten. „Dann folgen wir mal, Kamurus.“, sagte Shimar. „Na komm!“ Er lenkte das Schiff zu der von Salmonea freigegebenen Schleuse.

Der Grund, aus dem Maron die Verbindung so schnell beenden musste, wurde von der Sprechanlage geliefert. Am anderen Ende der Verbindung war Jenna, die, was der erste Offizier gut im Display sehen konnte, ein sehr niedergeschlagenes Gesicht machte. „Was gibt es denn so Schlimmes, McKnight?“, fragte Maron. „Das würde ich Ihnen gern sagen, wenn ich bei Ihnen bin, Sir.“, sagte Jenna mit leicht traurigem Unterton. „Na, dann kommen Sie am besten rein, Jenna.“, sagte der Agent und befahl dem Rechner, die Tür zu entriegeln.

Die hoch intelligente Halbschottin betrat die Kommandozentrale und stellte sich neben den Stuhl ihres Vorgesetzten, der sie gleich zu einem weiteren Platz wies: „Setzen Sie sich doch, Techniker.“ Jenna kam dieser Aufforderung nach. An ihrer Haltung und den demonstrativ in den Schoß gelegten Händen aber konnte Maron sehen, dass das Problem, über das sie ihn informieren wollte, wohl sehr groß sein musste. So groß, dass es sogar sie überforderte.

Es vergingen weitere Minuten, bevor Maron das Gespräch begann. „Worum geht es denn nun, Jenna?“, wollte er wissen. „Es geht um Meilenstein, Sir.“, sagte die Ingenieurin. Er wartete erneut ab, um ihr Gelegenheit zu geben, das Problem weiter auszuführen, aber nichts geschah. „Was genau ist denn das Problem, Jenna?“, fragte der Demetaner verständig. „So kenne ich Sie ja gar nicht. Sie lassen sich doch sonst nicht alles aus der Nase ziehen. Was ist mit Meilenstein?“ „Sie waren doch dabei, Agent.“, sagte Jenna schließlich. „Als mir Zirell befohlen hat, zu überprüfen, ob es sich in ein Shuttle einbauen lässt.“ „Sicher war ich das.“, sagte Maron. „Wir alle waren dabei, Jenna. Aber was ist denn nun eigentlich das Problem?“ „Das Problem ist, Sir.“, führte Jenna aus. „Dass alle meine Tests ergeben haben, dass es nicht möglich ist, unsere Version von Meilenstein in ein genesianisches Kampfshuttle zu bauen. Die Systeme sind einfach nicht kompatibel.“ „Was ist mit den IDUSAs, McKnight?“, fragte Maron. „Meilenstein hat einen viel zu hohen Energiebedarf für die Shuttles, Sir.“, sagte Jenna. „Sobald es aktiv wäre, würde es dem Rechner sämtlichen Saft nehmen. Das würde zu dessen Absturz führen und dann …“ „Den Rest kann ich mir denken, Jenna.“, sagte Maron. „Wie hoch wäre denn der Bedarf und was für ein System könnte ihn decken? Bitte keine Zahlen, Techniker. Mir ist schon schwindelig.“ „Keine Angst, Agent.“, tröstete McKnight. „Ich werde es Ihnen schon so verdeutlichen, dass es für Sie auch plastisch ist. Also: Meilenstein benötigt, um stabil funktionieren zu können und um zu gewährleisten, dass auch die anderen Systeme stabil bleiben, den Energiebedarf einer kleinen Raumstation oder eines großen Raumschiffes. Das einzig kompatible Schiff in unserer Nähe ist die Granger. Zumindest laut meinen Simulationen.“ „Die Granger.“, überlegte der erste Offizier. „Hm, das wird nicht so einfach gehen. Sie ist ein Sternenflottenschiff und gehört somit der Föderation. Ich halte für möglich, dass Commander Kissara zwar unter den momentanen Voraussetzungen damit einverstanden sein könnte, ihr Transpondersignal temporär umzuschreiben und auch einige andere Umbauten vornehmen zu lassen und die Konsequenzen zu tragen, falls das Oberkommando ihr später daraus einen Strick drehen sollte, aber es gibt noch ein Problem bei der Granger, das sicher nicht so leicht zu lösen ist. Sie wissen, dass auf dem Schiff auch Männer dienen, eine Tatsache, die den Genesianerinnen nicht gefallen wird.“ „Sie sehen also auch die gleichen Probleme wie ich, Agent.“, stellte Jenna erleichtert fest, die ihrem Vorgesetzten diese geistige Leistung wohl insgeheim nicht zugetraut hatte. „Oh ja, McKnight.“, sagte er. „Die Probleme sehe ich auch. Es ist sogar so, dass wir, wenn wir den Gerüchten von den geheimdienstlichen Horchposten in der Nähe von Romulus Glauben schenken können, nur sehr wenig Zeit haben, das Problem Sytania für die Romulaner zu lösen.“

Er setzte seinen Neurokoppler auf und gab IDUSA einige Gedankenbefehle. Dann bedeutete er auch Jenna, ihren Koppler zu benutzen. Vor den geistigen Augen der Beiden stellte sich jetzt eine Grafik dar, die Truppenbewegungen anzeigte. „Ist der schwarze Kreis auf der Sternenkarte Romulus?“, fragte Jenna, die aus ebendiesem immer mehr kleine schwarze Punkte kommen sah, die sich gefährlich nah in Richtung Föderationsgebiet bewegten. Ein Punkt, der allen immer voranschritt, war um einiges größer. „Warum stellt IDUSA den Führer der Truppen so dar, Sir?“, fragte Jenna, die gesehen hatte, dass Maron ihre erste Frage bereits abgenickt hatte. „Weil dies jenes bedauernswerte Kind ist, in dass Sytania ihr Monster gepflanzt hat.“, sagte der Demetaner. „Die Vermutung hatte ich schon, Agent.“, sagte Jenna. „Aber ich wollte es nicht so laut aussprechen.“ „Es ist ja auch zu ungeheuerlich, was da passiert ist, Techniker.“, sagte Maron. „Also haben wir keine Zeit, noch eventuell tindaranische Soldatinnen zu holen und sie gegebenenfalls auf den Plätzen der Männer auf der Granger zu schulen.“, sagte Jenna. „Sehr gut erkannt, McKnight.“, sagte Maron. „Die Zeit gibt uns die strategische Situation leider nicht.“

Er ließ IDUSA den Bildschirm wieder löschen. Dann lehnte er sich seufzend in seinem Stuhl zurück und sah sie flehend an. „Und es gibt von Ihrer Seite her wirklich keine Lösung technischer Art, Jenna?“, fragte er. „Ich meine, sonst sind Sie doch um so etwas auch nicht verlegen. Was ist mit irgendwelchen Zwischenschaltungen, Puffersystemen oder …“ „Bei allem Respekt.“, sagte Jenna. „Darüber zu reden ist müßig, Agent. Ich habe all diese Dinge bereits in meine Experimente einfließen lassen. Leider ohne Erfolg. Die Anlage ist und bleibt nun einmal sehr energieintensiv.“ „Wie haben die Romulaner das denn vorher bei ihrer Version von Meilenstein gelöst?“, fragte Maron. „Ich glaube, das stand außer Frage.“, sagte Jenna. „Das Problem ist sicher deshalb nie aufgetaucht, weil ihr Meilenstein von Anfang an als Großanlage geplant war, die auch von einer Großanlage mit Energie versorgt werden sollte. Die Romulaner konnten ja nichts von unserer momentanen politischen Situation ahnen.“ „Natürlich nicht.“, sagte Maron und klang dabei leicht verärgert. „Tja, dann wird es wohl keine Lösung geben, McKnight.“, sagte er. „Wenn noch nicht mal Sie eine finden können. Aber wie kommt denn das? Ich hatte immer gedacht, die Physik sei ein Instrument, auf dem Sie meisterhaft spielen können, Techniker.“ „Welch’ blumige Worte.“, seufzte Jenna. „Aber auch mein Genie muss sich irgendwann der Physik beugen, Agent.“ „Das bedeutet, Sie geben auf.“, verdeutlichte Maron. „Das bedeutet es wohl.“, sagte Jenna. „Das kenne ich von Ihnen gar nicht.“, sagte Maron. „Aber wenn selbst Sie das tun, dann wird es wohl keine Lösung geben und alles war umsonst.“ Sie nickte niedergeschlagen.

IDUSA zeigte sich beiden über die Neurokoppler. „Agent, Techniker.“, meldete sie. „Shimar, Ginalla und Kamurus sind zurück. Shimar und Ginalla bitten um eine Wartung des Schiffes. Sie sagen, sie hätten den armen Kamurus ziemlich beanspruchen müssen. Außerdem bittet Shimar darum, dass eine Konferenz einberufen wird, auf der das weitere Vorgehen besprochen werden kann.“ „Sag ihnen, die Wartung können sie haben, IDUSA.“, sagte Maron. „Mit der Konferenz sieht es wohl schlecht aus. Jenna hat keine Lösung für die Probleme, die bei Meilenstein auftreten und …“ „Shimar und Ginalla bitten mich.“, unterbrach ihn IDUSA. „Sie sofort mit Ihnen zu verbinden, Agent. Es ist sehr dringend.“ „Dann tu das.“, sagte Maron. „Aber ich werde den Beiden auch nichts anderes sagen.“ „Das werden Sie sicher.“, sagte der Avatar und dann wich ihr Bild denen von Shimar und Ginalla auf dem virtuellen Schirm. „Shimar, Jenna wird sich um Ginallas Schiff kümmern.“, sagte Maron. „Bitte sag ihr das. Aber wenn das passiert ist, wird sie ihrer Wege fliegen müssen. Es gibt massive Energieprobleme bei Meilenstein, die Jenna nicht lösen kann und wenn sie diese Probleme nicht in den Griff kriegt, wer dann?“ „Ich sitz’ genau neben ihm.“, flapste Ginalla. „Und ich geb’ nich’ so schnell auf! Ich finde, wir sollten da zunächst alle mal drüber reden. Die Genesianerinnen finden es sicher auch nich’ OK, den langen Weg in die tindaranische Dimension ganz umsonst gemacht zu haben!“ „Das spielt keine Rolle!“, entschied Maron. „Meine Entscheidung steht! Sobald Kamurus gewartet ist, fliegt jeder wieder seiner Wege!“

„Das kann doch nich’!“, regte sich Ginalla auf. „Der kann doch nich’ so einfach … Also, am liebsten würde ich den …!“ „Lass mich mal.“, flüsterte ihr Shimar zu und legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. Der smarte Pilot hatte nämlich durchaus noch ein Hintertürchen gesehen, durch das sie schlüpfen konnten. Er räusperte sich, drückte das Kreuz durch und stemmte die Hände in die Hüften, bevor er sagte: „Deine Entscheidung vielleicht! Aber ich darf dich erinnern, dass Zirell ja noch immer anwesend ist. Sie ist immer noch auf der Station und sie hat bei Kommandostreitigkeiten immer noch das letzte Wort, wenn du dich an die Statuten des tindaranischen Militärs erinnern würdest! Kamurus wird diese Verbindung jetzt abbrechen und dann wird er IDUSA sagen, dass sie uns direkt mit ihr verbinden soll, wo immer sie auch ist. Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber ich bin nicht bereit, Sytania auch nur einen Parsec des Universums der Föderation oder auch anderer Bewohner derselben Dimension zu überlassen. Deshalb fechte ich hiermit deinen Befehl an. Kamurus, tu, was ich gerade gesagt habe!“

Geplättet sah Maron zu, wie die Verbindung beendet wurde. Er musste das, was gerade passiert war, erst mal sacken lassen. Gerade von Shimar hatte er so etwas nicht erwartet. Aber er war nicht der Einzige gewesen, der überrascht war. Ginalla war es auch, allerdings sehr positiv. „Oh, Mann!“, sagte die Celsianerin erfreut und umarmte ihn fest. „Wenn ich nich’ genau wüsste, dass deine Sternenflottenschönheit mir dafür bei nächster Gelegenheit den Schädel einschlagen würde, dann würde ich dich jetzt knutschen! Du musst unbedingt versuchen, diese Konferenz zu kriegen. Ich habe nämlich ’ne Idee! Aber über die muss ich auch noch mal mit Betsy reden. Die weiß nämlich viel besser über genesianische Gesetze Bescheid. Ohne sie wäre ich aufgeschmissen.“ „Ich tue, was ich kann, Ginalla.“, sagte Shimar. „Oh, ja.“, sagte die junge Celsianerin. „Das glaube ich dir ungesehen.“

Kamurus zeigte sich ihnen wieder über die Neurokoppler. „Eure Verbindung mit Zirell.“, sagte er. „Aber seid bitte gewarnt. Sie ist auf der Krankenstation.“ „Danke, Kamurus.“, sagte Shimar. „Ich werde das Ganze mit ihr auf Tindaranisch besprechen.“, flüsterte er Ginalla zu. „Macht nichts.“, sagte sie. „Du kriegst das schon hin. Ich vertraue dir.“

Zirell schien bei bester Gesundheit zu sein, als ihr IDUSA Shimars Ruf durchstellte. Vergnügt mit den Beinen wippend saß sie auf dem Biobett und hörte sich an, was ihr Untergebener ihr zu sagen hatte. Dann aber stand sie plötzlich auf und wandte sich an den androiden Arzt: „Lass mich hier sofort raus, bevor mein erster Offizier die ganze Sache gegen die Wand fährt!“ Ishan ließ seinen Blick kurz über sie schweifen und sagte dann: „Wie du willst. Ich kann und muss hier sowieso nichts mehr für dich tun. Von meiner Warte aus bist du gesundgeschrieben.“ „Vielen Dank.“, sagte die tindaranische Kommandantin erleichtert. Dann nahm sie das Gespräch, das sie vorher durch IDUSA in die Warteschleife legen lassen hatte, wieder auf und sagte in ihrer Muttersprache zu Shimar: „OK. Du bekommst deine Konferenz. Jenna ist schließlich nicht die Einzige, die gute Ideen hat. Ginalla mag zwar nur eine Zivilistin sein und bei vielen von uns eher den Schutzinstinkt wecken, aber ich traue ihr durchaus gute Vorschläge zu. Vor allem dann, wenn sie sich noch mit Betsy abspricht. Das hat bestimmt was mit den Genesianerinnen zu tun.“ „Davon gehe ich auch aus.“, gab Shimar ebenfalls auf Tindaranisch zurück. „Aber was machst du mit Maron?“ „Dem werde ich jetzt gleich erst mal gehörig die Ohren lang ziehen und ihn dann daran aufhängen!“, antwortete Zirell und beendete die Verbindung.

Shimar drehte sich zufrieden grinsend Ginalla zu. „Was is’ nun?“, flapste die Celsianerin. „Ich habe es geschafft!“, sagte Shimar. „Wir kriegen unsere Konferenz und dann kannst du deine Idee sicher vortragen. Zirell ist über Marons frühe Aufgabe echt geladen. Sie hat sich zwar nichts anmerken lassen, aber ich kenne sie mittlerweile sehr gut.“ „Kein Wunder.“, sagte Ginalla. „Du arbeitest ja schon lange unter ihrem Kommando.“

Kamurus zeigte sich beiden erneut über die Neurokoppler. „Soweit ich mich erinnere.“, sagte er. „Wolltest du doch mit Betsy reden, Ginalla.“ „Das stimmt.“, sagte die Angesprochene. „Sie befindet sich auf der Granger in ihrem Quartier. Zumindest habe ich ihre Biozeichen dort lokalisiert. Aber sie ist nicht allein. Salmonea ist bei ihr.“, sagte Kamurus. „Kannst du mich bitte bei deiner Freundin telepathisch ankündigen?“, bat Ginalla Shimar. „Sicher kann ich das.“, sagte dieser und konzentrierte sich auf mein Gesicht vor seinem geistigen Auge. Dann dachte er: Kleines, Ginalla möchte dringend mit dir reden. Es kann sein, dass Kamurus sie gleich direkt in dein Quartier beamt. Also erschreck’ dich bitte nicht. Keine Sorge, Srinadar., dachte ich, denn ich wusste, er würde die Verbindung noch eine Weile aufrecht erhalten, um mir eine Gelegenheit zum Antworten zu geben. Ich werde auf sie warten. „Sie wartet auf dich.“, sagte Shimar zu Ginalla, die ihn fragend angesehen hatte. „OK.“, sagte Ginalla. „Dann beam’ mich mal hin, Kamurus.“ „Hältst du es wirklich für so eine gute Idee, da einfach so reinzuplatzen, Ginalla?“, fragte das immer höfliche und vorsichtige Schiff. „Du hast Recht.“, überlegte Ginalla. „Das wäre vielleicht nicht die ganz so feine englische Art. Dann setz’ mich vor der Tür ab. Alles andere mache ich dann per Sprechanlage.“ „Das klingt schon besser.“, sagte Kamurus und erfasste sie mit dem Transporter, um sie dann wenig später genau vor meiner Tür abzusetzen.

Zirell hatte wutentbrannt die Kommandozentrale betreten und war auf einen völlig ahnungslosen Maron getroffen, der so etwas von ihr nicht erwartet hatte. „Wie kommst du dazu, so einfach vor Sytania einzuknicken!“, schrie sie ihn an. „Das bin ich doch gar nicht, Zirell.“, entgegnete Maron noch immer sehr ruhig, aber jetzt schon langsam mit einer leichten Ahnung, was auf ihn zukommen könnte. „Das bist du nicht?!“, fragte Zirell mit sehr viel Empörung in der Stimme. „Das bist du nicht?! Da hat sich das, was ich gerade von Shimar hören musste, aber ganz anders angehört! Er sagt, du hättest alle Lösungen, die es noch geben könnte, in den Wind geschlagen, ohne sie dir überhaupt erst anzuhören!“ „Zirell.“, versuchte der Demetaner zu argumentieren. „Ich denke nicht, dass es noch eine Lösung für uns gibt. Jenna sagt, es gibt keine und wenn …“ „Jenna?!“, sagte Zirell. „Ist denn Jenna etwa das einzige Mitglied unserer Crew, he?!“ „Nein, das ist sie nicht.“, sagte Maron im verzweifelten Versuch, sich zu rechtfertigen. „Aber sie ist das Genialste und wenn sie …“ „Trotzdem muss sich ein guter Kommandant alle Vorschläge anhören, wenn er selbst keine Idee hat!“, sagte Zirell. „Schon allein, um sich nicht später nachsagen lassen zu müssen, er hätte etwas übersehen! Die Terraner haben ein Sprichwort. Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn und das beziehe ich dieses Mal nicht auf Agent Mikel oder Allrounder Betsy! Ginalla hat irgendeinen Plan, der wohl was mit den Genesianerinnen zu tun hat. Genaues weiß ich nicht, aber vielleicht ist es ja die Lösung, nach der wir alle verzweifelt suchen. Wir sollten ihr auf jeden Fall eine Chance geben, auch wenn sie eine ehemalige Kriminelle und nur eine Zivilistin ist. Aber vielleicht sagt sie uns ja gerade das, mit dem niemand rechnet! Möchtest du dir etwa nachsagen lassen, eventuell dafür verantwortlich zu sein, dass Sytania ihre Pläne weiterverfolgen und uns alle versklaven konnte, nur weil sich mein erster Offizier zu fein war, den Vorschlag einer Zivilistin wenigstens anzuhören?! Soll das etwa über dich später in den Geschichtsbüchern stehen?! Aber wir haben ja zumindest das Glück, dass ich wieder gesund bin und deinen Fehler wieder ausbügeln kann! IDUSA, schicke eine SITCH-Mail an die Granger, die Genesianer und an Ginallas Schiff. Ich lade alle Besatzungen zu einer Konferenz ein!“ „Sofort, Commander.“, gab der Rechner zurück und führte ihren Befehl aus.

Maron war angesichts ihrer Standpauke sehr kleinlaut geworden. Er wusste genau, dass sie mit allem Recht hatte, was sie gesagt hatte. Damit, nur Jenna anzuhören, hatte er alle anderen gehörig vor den Kopf gestoßen und das war eine Haltung, die Sytania in die Karten spielte. Auch seine Ressentiments gegenüber Ginalla hätte er beiseite schieben müssen, wenn er ein ernsthaftes Interesse an einer Lösung gehabt hätte. Dass es für sie jetzt so aussah, als habe er alles und jedes Sytania auf dem Silbertablett serviert, war also kein Wunder.

„Zirell, ich habe einen Fehler gemacht.“, gab Maron schließlich wenig später kleinlaut zu. „Einen sehr schlimmen Fehler sogar. Aber du weißt ja auch, wie ungeschickt ich manchmal in bestimmten Situationen bin und deshalb bin ich froh, nicht der Kommandant, sondern nur der erste Offizier hier zu sein.“ „Na, Einsicht ist bekanntlich der erste Weg zur Besserung.“, sagte Zirell und beruhigte sich langsam wieder. Dann befahl sie IDUSA, sie in wichtigen Situationen über ihr Sprechgerät zu rufen, nahm Maron bei der Hand und ging schon mal mit ihm in Richtung Konferenzraum vor.

Vor mir auf dem Tisch in meinem Quartier stand eine große Schüssel mit Veddach. Mir gegenüber saß Salmonea, die mich über etwas informieren musste, wie sie mir selbst am SITCH gesagt hatte. Daraufhin hatte ich sie eingeladen. „Worum geht es denn jetzt, Salmonea?“, fragte ich verständig. „Ich muss Euch über die neuesten politischen Entwicklungen im genesianischen Reich informieren, Erbprätora.“, sagte die genesianische Kriegerin. „Shashana will unseren Glauben grundlegend reformieren, was den Umgang mit Männern angeht. Ihre Interpretation der genesianischen Schöpfungsgeschichte besagt natürlich weiterhin, dass sie ein Fehler der Schöpfung waren, aber sie können ja schließlich nichts dafür, dass sie sind, wie sie sind. Sie für den Fehler ihrer Schöpferin zu bestrafen, sei, laut Shashana, grundfalsch. Sie sagt, wir Frauen müssen sie vielmehr anleiten und an die Hand nehmen, statt sie zu züchtigen und klein zu halten.“ „Interessanter Ansatz.“, sagte ich und nahm einen Schluck Veddach aus meinem Trinkgefäß. „Und was glaubst du, Salmonea?“, fragte ich dann. „Ich glaube das Gleiche.“, sagte sie. „Ich bin auch eine Anhängerin des neuen Glaubens. Wir alle sind Shashanistinnen.“ „Interessante Information.“, sagte ich. „Unter Umständen kann das noch sehr hilfreich sein.“ „Davon gehe ich auch aus, Erbprätora.“, sagte sie. „Anscheinend habt Ihr das gleiche Bauchgefühl wie ich. Aber ich muss Euch über noch eine Tatsache informieren. Wir haben eine Spionin in Sytanias Gefängnis. Sie wiederum hat eine Helferin unter den Gefangenen, die etwas Vendarisch versteht. Sie beide sind in der Lage, uns genauestens über Sytanias Pläne zu informieren, ohne dass Logar sich einmischen muss. Unsere Helferin ist zwar seine Schöpfung, aber das macht nichts. Shashana steht mit ihr in Kontakt über einen Kontaktkelch, den sie von Logar hat.“

Die Sprechanlage beendete unsere Unterhaltung. „Hier ist Betsy.“, antwortete ich. „Hi, Betsy, hier is’ Ginalla.“, flapste es mir entgegen. „Ich muss ganz dringend mal mit dir quatschen. Geht das?“ „Sicher.“, sagte ich. „Komm rein.“ „Ich werde dann gehen, Erbprätora.“, sagte Salmonea. „Es steht mir schließlich nicht zu, die Gespräche der Prätora mit der Erbprätora zu belauschen.“ „Tu das.“, sagte ich und zeigte in Richtung der Tür, die sich langsam öffnete. Salmonea nickte und verließ mein Quartier, welches von Ginalla im gleichen Augenblick in Gegenrichtung betreten wurde.

Sie kam auf mich zu und setzte sich auf den gleichen Platz, den vorher Salmonea inne gehabt hatte. „Was ist los, Ginalla.“, fragte ich, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war. „Wir haben ein Problem.“, sagte die Celsianerin. „Meilenstein ist wohl nicht kompatibel mit den Systemen der Shuttles. Das einzige Schiff, das in der Lage wäre, es richtig mit Energie zu versorgen, wäre die Granger. Aber die is’ ’n Sternenflottenschiff und auf ihr sind auch Männer. Transpondersignale können umgeschrieben und Schiffe umgebaut werden. Das weiß ich. Aber das Männerproblem …“ „Ich glaube, da habe ich gerade die richtige Information zur richtigen Zeit bekommen.“, sagte ich. „Im Moment finden im genesianischen Glauben wohl massive Umwälzungen statt, soweit mir Salmonea erklärt hat. Shashana will den Glauben, was den Umgang mit Männern angeht, grundlegend reformieren. Sie sagt, dass die Männer ja nichts dafür könnten, dass sie ein Fehler der Schöpfung und deshalb minder intelligent wären. Deshalb benötigten sie Anleitung statt Strafe.“ „Und was bringt uns das?!“, fragte Ginalla etwas empört. „Ich bin nich’ so gut in Politik, Miss Sternenflotte! Du musst mir wohl noch ein bisschen mehr helfen.“ „Das bedeutet.“, sagte ich. „Dass die Genesianerinnen, die an Shashanas neue Interpretation glauben, ihr Denken im Hinblick auf Männer sehr gelockert haben. Es könnte sein, dass sie, wenn genug Frauen in der Nähe sind, die sie anleiten können, vielleicht sogar das Risiko eingehen, sie neben sich arbeiten zu lassen.“ „Wie stehen unsere Kriegerinnen dazu?“, fragte Ginalla. „Laut Salmonea sind das allesamt Shashanistinnen.“, sagte ich. „Dann könnte mein Plan ja sogar klappen.“, sagte Ginalla. „Kamurus hat mich über eine Mail informiert, laut der wir alle von Zirell zu einer Konferenz eingeladen seien. Da kann ich ja gleich mal sagen, was ich mir überlegt habe.“ „Oh ja.“, sagte ich. „Ich denke, Zirell bittet sogar inständig darum.“ „Dann sollten wir keine Zeit verlieren.“, sagte Ginalla und nahm mich bei der Hand. „Komm mit, Erbprätora. Jetzt wirst du gleich Zeugin von meinem Talent, eckige Stifte in runde Löcher zu stecken.“ „Darauf bin ich gespannt.“, sagte ich und folgte ihr grinsend, obwohl ich ein reichlich zwiespältiges Verhältnis zu ihren diplomatischen Fähigkeiten hatte, was ich mir aber gegenüber ihr nicht anmerken lassen wollte.

Der Konferenzraum der Basis 281 Alpha war brechendvoll, als wir ihn betraten, denn auch unsere Kriegerinnen waren alle anwesend. Sofort bildeten sie eine Gasse und ließen Ginalla und mich passieren. Nun standen wir fast ganz vorn neben Zirell, die gerade alle auf den neuesten Stand der Dinge brachte. Dabei informierte sie uns auch über den fehlgeschlagenen Versuch, Radcliffe zu heilen und dann gab sie das Wort weiter an Jenna, die alle über das Problem mit Meilenstein informierte. „Na, das sind ja keine sehr schönen Aussichten.“, sagte Mikel. „Da haben Sie wohl Recht, Agent.“, äußerte Jannings. „Ne, ne.“, sagte Ginalla flapsig. „So schlecht sind die nun auch wieder nich’. Lasst mich mal.“

Sie schnappte meinen Arm und zog mich einen Schritt nach vorn. „Was genau hast du vor?!“, flüsterte ich ihr zu, die ich genau wusste, dass die Sache mangels diplomatischer Kenntnisse auf ihrer Seite auch leicht hätte in die Hose gehen können. „Warte ab.“, sagte sie. „Jetzt kommt ein kleiner politischer Zaubertrick.“ Ich erstarrte. Ich wollte am liebsten jetzt schon im Boden versinken, denn einen politischen Zaubertrick hatte ich gerade von ihr, zu der nach eigenen Angaben Politik ja nun so gar nicht passen wollte, am wenigsten erwartet. Dann aber tat sie etwas, das uns alle überraschte. Sie stellte sich aufrecht hin, holte tief Luft und sagte laut und deutlich und gar nicht so flapsig, wie wir es von ihr gewohnt waren: „Kriegerinnen des Clans der Ginalla, hört her! Da es einer der beiden Gefährten unserer Erbprätora war, dem es gelang, mich aus Sytanias Händen zu befreien, verfüge ich, Ginalla, als Prätora des Clans der Ginalla, dass Mann und Frau in meinem Clan ab heute zukünftig gleiche Rechte und Pflichten haben werden. Des Weiteren wird das Schiff, auf dem meine Erbprätora und die Ihren dienen, ohne Vorbehalte in den Clan der Ginalla integriert und seine Besatzung, ob Frau oder Mann, willkommengeheißen, wenn sie einverstanden ist!“ Ich nickte ihre Rede ab.

Wenig später ging ein Raunen durch die Menge und Zirell, Maron und auch der Rest der Besatzung der Basis 281 Alpha schaute Ginalla ungläubig an. Auch einige von uns konnten nicht glauben, was wir da gehört hatten. Zirell suchte sogar Kissara auf, um ihr ins Ohr zu flüstern: „Hättest du das gedacht? Hättest du ihr das zugetraut?“ „Das hätte ich sicher nicht.“, flüsterte Kissara zurück und ihre Schnurrhaare kitzelten Zirell am rechten Ohr. „Aber anscheinend ist sie wirklich nicht so dumm, wie wir alle es von ihr immer geglaubt haben.“

Ginalla richtete sich erneut vor allen auf und erhob ihre Stimme: „Was glotzt ihr mich alle an wie ’ne Herde Kühe, wenn’s donnert?!“, fragte sie. „Damit, Geschichten zu erzählen, um meine Situation passend zu machen, habe ich früher meinen Lebensunterhalt verdient! Der Unterschied zu früher is’ nur, dass ich heute die Wahrheit sage!“ „Das mag wohl hinkommen, Ginalla.“, sagte Maron. „Trotzdem hätten dir wohl einige das nicht zugetraut.“ „Das Problem wäre also gelöst.“, sagte Kissara. „Mr. Jannings, schreiben Sie das Transpondersignal der Granger um und helfen Sie Techniker McKnight dann, Meilenstein einzubauen. Gemeinsam mit dem Clan der Ginalla werden wir Sytania gehörig einheizen und Professor Radcliffes Sohn befreien! Aber machen Sie es so, dass man durch einen einfachen Befehl unser Signal leicht wieder hervorzaubern kann. Die Romulaner sind verzweifelt, denke ich. Sie sind ein stolzes Volk und unter Sytanias Knute zu stehen, wird ihnen gar nicht gefallen. Daher möchte ich, dass sie, falls es die diplomatische Situation zulässt, früher oder später Gelegenheit bekommen, zu erfahren, wer ihnen wirklich geholfen hat. Jetzt, wo sie selbst das Gefühl der Verzweiflung kennen, wird es ihnen vielleicht leichter fallen, Siskos Tun damals nachzuvollziehen. Ich erwarte keine Verzeihung. Aber vielleicht etwas Verständnis. Deshalb möchte ich sie, sollten die Signale für uns günstig stehen, auch nicht mehr belügen.“ Alle erklärten sich einverstanden und die Ingenieure verabschiedeten sich, um gemeinsam an die Arbeit zu gehen. Auch Scotty half seinen Kollegen.

Shimar hatte sich durch die Menge nach vorn geschlichen. Dann hob er die Hand. „Was gibt es, Shimar?“, fragte Zirell. „Ich glaube, ich könnte helfen, was Radcliffe angeht.“, sagte mein Freund. „Aber wir müssten etwas finden, das Sytanias Energie enthält. Darin, sie für mich umzumünzen und sie zu meinem Vorteil zu nutzen, habe ich nämlich gerade so schön Übung.“ „Wovon redest du?“, fragte Zirell. „Ich glaube, ich weiß, wovon er spricht.“, sagte Kissara. „Agent Maron, befindet sich der Kegel noch in der Asservatenkammer der Station?“ „Natürlich, Commander.“, sagte Maron. „Dann bringen Sie ihn bitte auf die Krankenstation. Dort werden dann Shimar und Radcliffe ihre Hände während der Behandlung auf ihn legen. Dann wird ihnen bewusst sein, dass er da ist und vielleicht kann Shimar seine Energie wie einen Schild vor Sytanias Flammenwand benutzen. Ich meine, wenn Sytanias Feuer glaubt, es sei sie, die hindurch will, dann müsste es ja eigentlich zurückweichen.“ „Aber bedenke bitte, was das erste Mal passiert ist, als Radcliffe den Kegel berührt hat.“, sagte Zirell. „Er ist ja dieses Mal nicht allein.“, tröstete Kissara. „Nein, das ist er nicht!“, pflichtete ihr Shimar fest bei. „Ich denke, ich kriege das schon unter Kontrolle. Es wäre ja für uns beide nicht überraschend.“ „Außerdem.“, mischte sich Ishan ein. „Bin ich auch noch da und kann im Notfall, genau wie bei dir, Zirell, mit Medikamenten eingreifen.“ „Also gut.“, erklärte sich Zirell schließlich doch einverstanden. Dann löste sie die Konferenz auf.

„Ich gehe dann mal den Kegel holen.“, sagte Maron. „Und Shimar und ich gehen auf die Krankenstation zu unserem Patienten.“, sagte Ishan und winkte dem jungen Tindaraner, der ihm bereitwillig folgte.

Kapitel 64: Radcliffes Heilung

von Visitor

 

Nidell war auf der Krankenstation gerade dabei, Radcliffe die neuesten Befunde zu erklären, die sie mit Hilfe von Erfasserbildern gemeinsam mit Ishan erhoben hatte. Seine Anfälle hatten sich zwar vermindert, seit er das Medikament der Vendar nahm, sie waren aber immer noch nicht ganz verschwunden. Was früher vielleicht alle 30 Minuten geschah, war auf einen Zeitraum von 24 Stunden ausgedehnt worden. Es war auch möglich geworden, das Kommen so eines Anfalles vorauszusehen, denn die hoch empfindlichen Sensoren der IDUSA-Einheit hatten jedes Mal vorher ein gewisses Ungleichgewicht in den Potentialen seiner Nervenenergien festgestellt. Dies hatte Nidell Radcliffe jetzt auf einer Grafik verdeutlicht. „Und was nützt uns das, Nidell?“, fragte Radcliffe resignierend. „Wir können jetzt genau den Zeitpunkt bestimmen, an dem du einen Anfall bekommst, Nathaniel.“, erklärte die junge Tindaranerin. „Das bedeutet, wir können ihn eventuell dann sogar verhindern, wenn wir dir genau in diesem Moment eine Dosis der Medizin verabreichen. Das bedeutet allerdings, dass du Zeit deines Lebens eine Tropfkonsole tragen müsstest. Ishan und ich würden gern die Gabe der Medizin für 24 Stunden aussetzen, um einen Anfall zu provozieren. Dann wird die Tropfkonsole, die wir zu diesem Zweck extra programmieren, dir sofort das Medikament geben, wenn sie die Verschiebung der Potentiale registriert.“ „Also doch noch ein Anfall.“, sagte Nathaniel mit wenig Begeisterung in der Stimme. „Wer weiß.“, versuchte Nidell, ihm Mut zu machen. „Vielleicht ist das ja dein Allerletzter.“ „Aber dann für den Preis, dass ich bis an mein Lebensende mit einer Tropfkonsole am Arm rumlaufe, die mich als Geisteskranken brandmarkt.“, sagte der ziemlich frustrierte Professor. „Es gibt auch die Möglichkeit, die Konsole zu implantieren.“, sagte Nidell. „Dann sieht sie keiner und das Nachfüllen ist trotzdem sehr leicht. Seit der Transporter auch in der Medizin Einzug gehalten hat, gibt es da ja auch keine Schwierigkeiten mehr.“ „Dann würde ich diese Methode bevorzugen.“, sagte Radcliffe. „Gut.“, meinte Nidell. „Dann werde ich das mit meinem Vorgesetzten besprechen.“

Wie auf Stichwort betraten Shimar und Ishan die Krankenstation. „Da bist du ja, Ishan.“, lächelte Nidell dem Androiden entgegen. „Aber warum hast du Shimar mitgebracht?“ „Weil er versuchen will, Nathaniel zu heilen.“, sagte Ishan gewohnt sachlich und ruhig. „Nach der gleichen Methode, nach der auch Zirell vorgegangen ist?“, fragte Nidell. „Ja, in etwa nach der gleichen Art.“, sagte Ishan. „Was könnte er denn anders machen?!“, fragte Nathaniel, der sich nach dem letzten Fehlschlag nur noch schwerlich auf die tindaranische Methode einlassen konnte. „Wie will er denn verhindern, dass sich Sytania erneut einmischt?!“

Ishan gab Shimar ein Zeichen, auf das dieser sich in Richtung von Nathaniels Krankenbett bewegte. „Ich werde etwas benutzen, das Sytania ursprünglich als ihr eigenes Werkzeug gebraucht hat!“, sagte Shimar. „Erinnerst du dich noch an den Kegel, Nathaniel?“ „Oh ja.“, sagte der Professor. „An den erinnere ich mich noch sehr gut! Er hat mir ja das alles eingebrockt. Durch den Kegel bin ich ja erst zu dem geworden, der ich wahr, bevor mir meine Frau die Augen über Sytania geöffnet hat! Oh, meine arme Nayale! In was für eine Situation habe ich sie nur gebracht? Und alles nur, weil ich nicht ganz richtig im Kopf bin!“ Er versuchte, sich gegen den Kopf zu schlagen, was Ishan allerdings mit einer schnellen Bewegung seiner Hand verhinderte.

„Wenn du dich auf meinen Versuch einlässt.“, sagte Shimar. „Dann können wir das vielleicht alles wieder reparieren. Ich habe langsam wirklich viel Übung darin, Sytanias Energie gegen sie zu benutzen. Vielleicht können wir die Energie des Kegels nutzen, um ihre Flammenwand zu überwinden. Zirell hat uns alles erzählt.“ „Und du denkst wirklich, dass es funktionieren könnte?“, fragte Nathaniel. „Ja, das denke ich!“, sagte Shimar fest.

„Wenn du es schon nicht für dich versuchen willst, dann wenigstens für deine Frau und dein Kind.“, sagte Nidell in der Absicht, ihn doch noch zu einem Ja zu bewegen. „Gerade wird Meilenstein in die Granger eingebaut und die Genesianerinnen werden zusammen mit Kissara deinen Sohn befreien. Wenn Sytania dann erst mal verloren hat, wird sie auch gezwungen sein, deine Frau freizugeben.“ „Euren Optimismus möchte ich haben!“, sagte Nathaniel mürrisch. „Es wird gut gehen!“, sagte Ishan. „Da habe ich überhaupt keinen Zweifel. Sytania wird nicht damit rechnen, dass so viele Leute bereit sind, über ihren Schatten zu springen, um sie zu besiegen.“ „Ich kann dir nur helfen, wenn du wirklich einverstanden bist.“, sagte Shimar. „Deine Frau riskiert jeden Tag ihr Leben in Sytanias Gefängnis, um die Genesianerinnen mit neuen Informationen zu versorgen.“, sagte Nidell. „Wenn die Vendar rauskriegen, dass Nayale sie versteht, könnte das ihren Tod bedeuten. Bedenke, was sie einsetzt und du, was machst du? Du liegst hier auf unserer Krankenstation und lässt dich hängen, weil du in Selbstmitleid badest!“ Ishan warf seiner Assistentin einen tadelnden Blick zu. „Entschuldigung.“, sagte sie. „Ich hatte wohl vergessen, dass du ein kranker Mann bist. Als medizinische Assistentin sollte ich mich nicht so verhalten. Dazu weiß ich zu viel.“ „Ich denke, wir sind alle ein wenig verzweifelt und frustriert.“, sagte Nathaniel. „Aber anscheinend bin ich der Einzige, der das mittels seines Einverständnisses beenden kann. Also gut, Shimar. Lass es uns versuchen!“ „Das nenne ich doch mal ein Wort!“, sagte der junge Tindaraner und setzte einen konzentrierten Blick auf. Dann ging er zum Fußende von Nathaniels Bett und setzte sich in gleicher Weise wie Zirell darauf, um dem Professor gegenüber zu sitzen und seine Hände gemeinsam mit ihm auf den Kegel legen zu können. Nidell und Ishan nahmen hinter den Konsolen Platz.

„Ich werde bis drei zählen.“, sagte Shimar. „OK.“, sagte Nathaniel. Dann legten die Männer ihre Hände auf den Kegel, den Maron inzwischen herbeigeschafft hatte. „Keine Angst.“, flüsterte Shimar. „Die habe ich nicht.“, sagte Nathaniel. „Jetzt erst recht nicht mehr. Ich will es Sytania ein für alle Mal zeigen!“ „Das spüre ich.“, sagte Shimar. „Anscheinend hat Nidells Standpauke ja doch was gebracht. Also dann: Eins, zwei, drei!“

Sie glitten in jenen traumähnlichen Zustand ab. Aber Shimar orientierte sich dieses Mal an Zirells geistiger Prägung, die trotz der Spritze immer noch in Teilen in Nathaniels Geist vorhanden war. So fanden sich Nathaniel und er bald genau dort wieder, wo Zirell die Behandlung hatte abbrechen müssen. „Da ist auch wieder die Feuerwand!“, sagte Nathaniel voller Furcht. „Die können wir erst mal außer Acht lassen.“, sagte Shimar. „Mich würde erst mal interessieren, ob die Propheten Sisko wirklich verurteilt haben. Lass uns erst einmal eine Weile in diesem Teil deiner Erinnerung verweilen.“

Sie gingen näher an den Kreis aus Propheten heran. Jetzt bekamen sie tatsächlich mit, wie Sisko zu ihnen sprach. Seine Stimme klang sehr verzweifelt und sehr reumütig. Er fiel vor ihnen sogar auf die Knie. „Bitte!“, sagte er. „Ich habe schwere Schuld auf mich geladen. Ihr dürft und könnt nicht zulassen, dass ich eure Reinheit mit meiner Tat beschmutze. Ich bin es nicht wert, unter euch zu leben! Noch nicht! Erst werde ich für meine Sünde bezahlen müssen! Aus Verzweiflung habe ich gegen viele rechtliche und auch moralische Gesetze verstoßen, was ein heiliges Wesen nicht tun sollte. Bitte, lasst mich in meine menschliche Existenz zurückkehren, damit ich für meine Sünde zahlen und mich von ihr reinigen kann. Wenn mein Verbrechen schon unter menschlichen Gesichtspunkten schwer wiegt, wie werdet ihr es dann erst recht ansehen!“ „Wir werden über den Vorschlag des Sisko entscheiden.“, sagte einer der Propheten, eine Frau, die wie Siskos Mutter aussah. „Ich beginne mich zu erinnern.“, sagte Radcliffe. „Diese Entscheidung hat 800 Jahre gedauert.“ „Ich denke, das kommt daher, weil die Propheten mit dem linearen Konzept aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nichts anfangen können.“, vermutete Shimar. „Darüber zu entscheiden, muss für sie sehr schwer gewesen sein.“ Nathaniel nickte. „Was ist mit dir in diesen 800 Jahren geschehen?“, fragte Shimar. „Ich war in einer Art Wartekammer.“, sagte Nathaniel. „Da habe ich immer und immer wieder den Mordplan durchdacht. Ich konnte mich nicht dagegen wehren.“ „Kein Wunder, dass du dann übergeschnappt bist!“, sagte der Tindaraner mit einem tröstenden Blick. „Aber ich denke, die Propheten haben es dich deshalb immer und immer wieder sehen lassen, um es selbst irgendwie zu verstehen. Aber die Verzweiflung, die dich dazu getrieben hat, ist eine ganz normale menschliche Emotion. Du bist eben nicht nur ein Prophet, sondern zur Hälfte auch ein Mensch. Ich glaube, ich weiß jetzt, was hinter der Feuerwand auf uns wartet. Ich denke, dort wirst du Gelegenheit bekommen, deinem früheren Ich zu verzeihen, was Sytania natürlich gern verhindern würde, da sie dann keine Möglichkeit mehr hätte, wieder Macht über dich zu erlangen. Sie hofft wohl immer noch, dass du irgendwann wieder angekrochen kommst.“ „Aber wie sollen wir die Feuerwand überwinden?“, fragte Nathaniel. „Wir nehmen den Kegel und halten ihn vor uns.“, sagte Shimar. „Er dürfte wie ein Schild wirken und uns vor den Flammen beschützen, weil er ja Sytanias Energie enthält. Aber wir müssen schnell sein, bevor die Wand merkt, was wirklich los ist.“ „Also gut.“, sagte Nathaniel. Dann fassten er und Shimar jeweils ein Ende des Kegels und mein Freund zählte: „Eins, zwei, drei!“ Dann rannten sie auf die Feuerwand zu, die tatsächlich vor ihnen zurückwich. „Es hat funktioniert.“, sagte Nathaniel atemlos. „Ja, das hat es.“, nickte Shimar.

Erneut fanden sie sich in einem Gewölbe wieder, das dem Ersten sehr ähnelte. Nur hatte sich die Position der Propheten sehr verändert. Sie schienen jetzt hilflos um einen Tisch herumzustehen, der eine dreieckige Form hatte. An einem Ende des Tisches saß ein Mann, den Shimar aufgrund seiner Kenntnisse der Geschichte als den Benjamin Sisko mittleren Alters identifizieren konnte. Er war ein Farbiger, hatte kurzes im Militärschnitt geschnittenes schwarzes Haar und war etwa 180 cm groß. Ihm gegenüber befand sich ein freier Stuhl. „Ich nehme an, das ist dein früheres Ich.“, sagte Shimar zu Nathaniel. „Oh ja!“, sagte dieser und sah den Mann wütend an. „Er hat mir das eingebrockt! Durch ihn bin ich heute krank! Er muss der Teil von mir sein, der dieses schändliche Verbrechen geplant hat!“ „Dann solltest du ihm vielleicht mal sagen, wie du dich damit fühlst.“, sagte Shimar. „Wenn ihr euch aussprecht, lassen sich vielleicht auch einige Probleme lösen.“ „Also gut.“, sagte Nathaniel. „Aber ich würde sagen, du bleibst in unserer Nähe, damit ich mich nicht vergesse!“ „Natürlich.“, sagte Shimar und setzte sich auf den Stuhl in der Mitte, während Nathaniel auf dem Platz nahm, der sich gegenüber von Siskos befand.

Die Propheten hatten jenes Schauspiel beobachtet. Fasziniert hatten sie jeder der Bewegungen der Männer zugesehen. „Der Shimar wird uns helfen.“, tuschelten sie untereinander. „Er ist ein Sterblicher. Er versteht das Konzept der Zeit.“

Mit immer noch ziemlich wütender Miene sah Radcliffe Sisko über den Tisch hinweg an. „Warum hast du das getan?!“, fragte er. „Warum hast du einen Mord geplant und ihn dann auch noch jemandem anders in die Schuhe schieben wollen?! Damit hast du alles verraten, an das du glaubst! Ich dachte immer, ein Sternenflottenoffizier tut so etwas nicht und ein halber Prophet sollte so eine unheilige Idee schon gar nicht haben! Wie unmoralisch! Wie überaus unmoralisch von dir! Wegen deiner Sünde bin ich krank geworden und Sytania konnte Macht über mich erlangen! Was bist, oder besser was warst du nur für ein Mensch?! Durch deine Sünde ist mein Sohn heute ihr Werkzeug und meine Frau ihre Gefangene! Pfui! Ich könnte ausspucken!“

Sisko sah Shimar angesichts der Schimpftiraden seines Gegenüber traurig an. „Also gut.“, sagte der Tindaraner und wünschte sich ein Pad herbei, auf dem die Verlustlisten des Krieges zu sehen waren, die Sisko zu seiner Verzweiflungstat getrieben hatten. „Ich war verzweifelt!“, schluchzte Sisko. „Ich war genau so verzweifelt, wie du es jetzt bist. Freunde, Familie, Kameraden, die durch einen Feind zu Tode kommen, gegen den man nichts ausrichten kann. Erkennst du nicht, dass wir beide in einer ähnlichen Situation sind?! Ich wegen der Formwandler und du wegen dieser Sytania, wer immer das auch ist!“ „Wie man’s nimmt.“, sagte Nathaniel. „Meiner Meinung nach hatte die Föderation es nicht anders verdient. Schließlich hat sie die Gründer zuerst mit einer Krankheit infiziert!“ „Das wusste ich ja zu dem Zeitpunkt noch nicht.“, sagte Sisko. „Aber es war ja auch nur eine verbrecherische Splittergruppe des Geheimdienstes, die nicht viel Sinn für Moral und Anstand hatte! Es ist sicher leicht, 800 Jahre später über jemanden zu urteilen, der ja zu dem Zeitpunkt noch gar nicht über das nötige Wissen verfügte, um die Sache wirklich objektiv beurteilen zu können!“

Siskos letzter Satz hatte Nathaniel zum Nachdenken bewegt. Sein wütender Blick war plötzlich ganz mild geworden. „Du hast eigentlich Recht, Benjamin.“, sagte er. „Es tut mir leid, dass ich dich so angegangen habe. Wir beide haben eine Gemeinsamkeit. Wir beide sind an unserer Situation verzweifelt, ja sogar irgendwie daran zerbrochen und haben beide Dinge getan, die wohl nicht ganz moralisch einwandfrei waren. Wen kümmert es da, ob eine Splittergruppe … Ich glaube, ich kann dir sogar verzeihen. Zumindest kann ich verstehen, dass uns die Verzweiflung manchmal zu Dingen verleitet, die nicht ganz koscher sind. Ich habe es ja selbst erlebt.“ „Auch ich verzeihe dir deinen Wutausbruch, Nathaniel.“, sagte Benjamin.

„Ich wäre dafür, das halten wir gleich mal schriftlich fest.“, sagte Shimar und ließ das Pad mit der Liste zu einem Leeren werden. Dann sah er Nathaniel an, der zu diktieren begann: „Ich, Nathaniel Radcliffe, verzeihe dir, Benjamin Sisko, meinem früheren Ich, den Mordplan gegen die romulanischen Gesandten, weil ich weiß, dass du nur aus Verzweiflung gehandelt hast. Dieses Gefühl kenne ich heute selbst sehr gut. Ich weiß, das macht nichts ungeschehen, aber ich denke, dass es uns zumindest hilft, einander nicht mehr als Feinde in der eigenen Seele zu begegnen.“

Shimar schrieb zu Ende und sah dann Sisko an. Dieser diktierte: „Ich, Benjamin Sisko, verzeihe Nathaniel Radcliffe, meinem jetzigen Ich, seinen Wutausbruch wegen meiner Handlungen. Ich weiß, dass auch er nur aus Verzweiflung gehandelt hat. Aus Verzweiflung über die Taten, die ich begangen habe. Dies bereue ich zutiefst. Auch ich bin bereit, ihm nicht länger als Feind, sondern als Freund in der eigenen Seele zu begegnen.“

Shimar legte das Pad in die Mitte und beide unterschrieben per Daumenabdruck. Dann löste sich die Szenerie plötzlich um sie herum auf und sie erwachten. Sofort wies Ishan IDUSA an, Shimar auf ein zweites Biobett zu beamen.

Nathaniel fühlte, dass ihm eine riesige Last von den Schultern genommen worden war. „Oh, Shimar.“, sagte er mit einem erleichterten Lächeln. „Du hast es geschafft. Du hast es tatsächlich geschafft. Ich fühle mich, als sei ich von einer zentnerschweren Last befreit! Danke!“ „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Ishan. „Weder IDUSA noch ich können die Verschiebungen in deinem nervlichen Potential, die vorher da gewesen sind, jetzt noch orten.“

Shimar, der gerade noch von Nidell nebenan untersucht worden war, setzte sich auf. „Das habe ich doch gern gemacht.“, sagte er. „Das Wichtigste ist jetzt doch, dass Sytania jetzt keine Macht mehr über dich erlangen kann, weil du jetzt geheilt bist.“ „Ich hoffe.“, sagte Nathaniel mit schadenfroher Miene. „Das stürzt sie in die gleiche Verzweiflung, die auch ich gespürt habe.“

„Das werden wir, denke ich, noch früh genug erfahren.“, mischte sich Ishan ein. „Jedenfalls werde ich euch zwei noch eine Nacht hier behalten, um euch beobachten zu können und notfalls einzugreifen, falls es irgendwelche Komplikationen im Nachgang gibt. Aber ihr werdet selbstverständlich über alles auf dem Laufenden gehalten.“ „Danke, Ishan.“, sagten Shimar und Nathaniel gleichzeitig, bevor sie einschliefen.

Kapitel 65: Telzans Irrtum und seine Konsequenzen

von Visitor

 

Wütend und gleichzeitig sehr niedergeschlagen saß Sytania auf ihrem Thron. Sie hatte durchaus bemerkt, dass ihr jede Möglichkeit genommen worden war, je wieder Einfluss auf Nathaniel ausüben zu können. „Dieser verdammte Tindaraner!“, schrie sie und warf ein paar Gläser, die ihr eine Dienerin eilig gebracht hatte, gegen die Wand ihres Palastes. „Mit Verlaub, Milady!“, wandte sich Telzan an seine Herrin. „Das ist mein Spruch.“ „Das kann ja auch deiner bleiben!“, empörte sich Sytania. „Nur habe ich selbst gerade festgestellt, dass er es immer wieder meisterhaft versteht, mich zu besiegen, wenn ich nicht damit rechne und auf eine Art, mit der ich nicht rechne. Ich hätte ihm das wirklich nicht zugetraut! Nein, das hätte ich ihm wirklich nicht zugetraut!“ „Aber so schlimm ist das doch auch gar nicht.“, lenkte Telzan ab. „Immerhin habt Ihr ja noch Augustus, der mir gerade sehr gute Nachrichten zukommen lassen hat. Heute morgen haben seine Truppen und er einige in der Nähe des Gebietes der Föderation liegende Planeten eingenommen. Ihr seht, sie kommen der Föderation immer näher.“ „Das mag ja sein.“, sagte Sytania. „Aber Radcliffes Heilung wird mit Sicherheit noch nicht alles sein, was diese verdammten Tindaraner und ihre Verbündeten aus dem Hut zaubern werden. Ich hörte von Gerüchten über einen geheimnisvollen genesianischen Clan und über die Tatsache, dass sich die Genesianer angeblich mit ihnen, den Klingonen und sogar mit meinem Vater verbündet haben sollen. Leider konnte ich diese Gerüchte nicht durch meine seherischen Fähigkeiten bestätigen. Wenn ich es versuche, ist es, als baue sich eine Wand aus Nebel vor mir auf. Ich habe meinen Vater in Verdacht, dafür verantwortlich zu sein.“

Telzan wendete sich ab, denn er wollte verhindern, dass Sytania sah, wie nah er davor war, laut loszulachen. Aber die Tatsache, dass er grinste, entging ihr nicht. „Du wagst es, deiner Herrin ins Gesicht zu grinsen, obwohl sie dir gerade Dinge berichtet, die nicht gut für uns sind?!“, schrie ihm Sytania hocherregt zu. „Bitte vergebt mir, Hoheit.“, sagte Telzan und kämpfte erneut mit einem Lachanfall. „Aber diese Gerüchte sind wahrscheinlich nichts weiter, als nur Gerüchte. Ihr solltet bei Weitem nicht alles glauben, was sich bäuerliche Waschweiber so an Dorfbrunnen erzählen, um gegenseitig ihre Angst zu vertreiben. Die Genesianerinnen und Euer Vater, oder die Genesianerinnen und die Klingonen! Wer das glaubt, der glaubt auch alles. Die Genesianerinnen würden niemals mit den Klingonen oder mit Eurem Vater zusammenarbeiten! Das kann ich Euch versichern!“ „Was macht dich da so sicher, Telzan?“, fragte die Prinzessin. „Die Tatsache macht mich so sicher.“, sagte Telzan. „Dass die Genesianerinnen von Frauen angeführt werden und Männer als niedere Wesen betrachten. Die Klingonen aber werden von einem Mann geführt und im Hohen Rat sitzen, soweit es mir bekannt ist, bis heute auch nur Männer. Euer Vater ist auch einer. Das bedeutet, Shashana wird sich lieber selbst beide Beine und beide Arme abhacken, bevor sie mit einem oder mehreren Männern zusammenarbeitet, geschweige denn, sie auf gleicher Ebene mit sich Entscheidungen treffen lässt! Nein, Milady. Euer Hoheit können sicher sein. Diese Art von Zusammenarbeit wird es nicht geben. Wie gesagt. Es wird nur ein Konstrukt bäuerlicher Fantasien sein, um die Angst loszuwerden.“ „Aber selbst, wenn es diese Zusammenarbeit nicht gibt.“, sagte Sytania. „Was ist mit diesem Clan? Angeblich soll er von einer Celsianerin geführt werden.“ „Von einer Celsianerin!“, lachte Telzan. „Vergebt mir, Prinzessin, aber wie sollte das denn möglich sein? Die Celsianer sind Bürger der Föderation. Die und die Genesianer sind verfeindet! Wie also sollte eine Celsianerin in den Genuss kommen, einen genesianischen Clan anzuführen? Nein, Milady. Auch diesen Clan wird es nicht geben.“

Sytania lehnte sich erleichtert zurück. „Und ich hatte mir schon Sorgen gemacht.“, sagte sie. „Aber du hast mich überzeugt. Die Genesianer würden niemals so weit über ihren Schatten springen und die Sache mit der Celsianerin kann ja auch nicht sein. Du hast schon Recht. Dann sind ja die Verluste, die ich erlitten habe, doch nicht so groß, wie ich am Anfang geglaubt habe. Aus meinem Griff werden sich die Romulaner also nicht so schnell befreien können. Meine neuen Herrschaftsgebiete werde ich also behalten. Was ist da schon ein einziger Mann, den man mir weggenommen hat und den ich jetzt nicht mehr als meine Marionette benutzen kann. Du hast Recht. Es ist alles wahrlich nicht so schlimm, wie ich zu Anfang geglaubt habe. Dann wird es wohl auch jenes geheimnisvolle Schiff nicht geben, was sich angeblich bei den Genesianerinnen befinden soll.“ „Wenn es diesen Clan nicht gibt, dann wird es auch das Schiff nicht geben, Hoheit!“, versicherte Telzan. „Aber erzählt mir doch über dieses Schiff, das Euch solche Angst macht.“ „Du wagst es, zu behaupten, dass mir etwas Angst macht?!“, empörte sich Sytania. „Ja, Hoheit.“, sagte der Vendar. „Das behaupte ich, weil Ihr Euch die ganze Zeit so verhaltet.“ „Ich bin wohl noch etwas durch den Wind.“, sagte Sytania. „Vielleicht hat mich die Tatsache, dass dieser Shimar Radcliffe geheilt hat, doch mehr mitgenommen, als ich zunächst gedacht hatte.“ „Das wird es dann wohl sein, Milady.“, beschwichtigte Telzan, der sehr genau wusste, was die Konsequenzen sein konnten, wenn er weiterhin behauptet hätte, sie hätte Angst gehabt. „Aber wenn du unbedingt willst, werde ich dir von dem Schiff erzählen.“, sagte Sytania. „Es ist angeblich ein großes Schiff, das ein fremdes Transpondersignal trägt. Das Signal ist das des Clans, der von jener geheimnisvollen Celsianerin geführt wird. Es sollen sich aber auch Männer auf diesem Schiff befinden und es soll eine Waffe an Bord haben, die meinem armen kleinen Augustus das Lebenslicht ausblasen können soll, ohne den zu töten, dessen Körper er jetzt besitzt! Stell dir das vor, Telzan! Stell dir das vor! Welche liebende Mutter würde nicht in Angst verfallen, wenn ihr kleiner Sohn demnächst vielleicht getötet wird?!“ „Es wird dieses Schiff nicht geben, Hoheit!“, sagte Telzan langsam und deutlich im Bestreben, ihre Furcht zu zerstreuen. „Das, was Ihr gerade gesagt habt, enthält so viele Fehler, dass es gar nicht stimmen kann. So etwas wird es bei den Genesianern niemals geben! Bitte, vertraut mir!“

Sie überlegte eine Weile und dann wurde ihr Gesicht, das sich zuvor ängstlich verzogen hatte, wieder gleichmäßig und neutral. „Oh, Telzan.“, sagte Sytania. „Mein guter Telzan. Du schaffst es immer wieder, mich auf den Boden der Realität zurückzuholen. Wenn du dir so sicher bist, dann will ich es auch sein. Schließlich kennst du das Universum gut genug. Ich will mich also nicht länger sorgen. Schicke nach meiner Zofe. Sie soll mein Bett bereiten. Ich habe, seit ich mir solche Sorgen um Augustus mache, schon zwei Nächte lang nicht mehr geschlafen. Ich werde mich zur Ruhe legen.“ „Tut das nur, Hoheit.“, sagte Telzan und verließ ihren Thronsaal. Wie falsch er mit seinen Theorien lag, ahnte der Vendar nicht.

Wir hatten abgedockt und ich flog die Granger im hinteren Drittel der Formation in Richtung Romulus. Allen voran flog natürlich Ginalla mit Kamurus, aber Kissara und sie hatten alles genau so abgesprochen. Der Plan war, die Vendar, die Augustus begleiteten, von den Genesianerinnen in einen Kampf verwickeln zu lassen. Dann würden wir uns aus dem toten Winkel heraus der Garnison von Sytanias Truppen nähern und Meilenstein gegen das Geistwesen benutzen und somit Malcolm befreien.

„Ich hoffe nur, dass ich überhaupt in der Lage sein werde zu schießen.“, äußerte Kang. „Warum sollten Sie das nicht sein?“, fragte Mikel irritiert. „Das können Sie als Blinder, der noch dazu nie einen Visor getragen hat, vielleicht nicht verstehen, Sir.“, erklärte der Stratege. „Aber ich befürchte, dass ich zum Gefangenen meiner Augen werden könnte und vielleicht nicht auf ein unbewaffnetes Kind schießen werde.“ „Unbewaffnet, Mr. Kang?!“, empörte sich Mikel. „Dieses ach so harmlose Kind ist schlimmer als alles, was wir bisher kennen gelernt haben! Halten Sie sich das gefälligst vor Augen, Warrior! Das ist ein Befehl!“ „Aye, Sir!“, sagte der Klingone und bemühte sich, dabei sehr selbstbewusst zu klingen. Aber meinen aufmerksamen Ohren war nicht entgangen, dass er damit wohl arge Schwierigkeiten haben musste. Ich hoffte nur, dass auch Mikel und Kissara das mitbekamen.

Wenige Minuten nach diesem Gespräch meldete mir der Computer, dass wir in Sensorenreichweite von Romulus waren. „Auf den Schirm, Allrounder!“, befahl Kissara und ich ließ den Rechner ihren Befehl ausführen. „Der Planet hat sich aber sehr verändert.“, stellte Kissara fest. „Alles, was ich hier sehe, ähnelt sehr stark dem dunklen Imperium.“ Sie ließ ihren scharfen Katzenblick noch einmal über den Schirm schweifen. „Lassen Sie Ihr Hilfsmittel den Abschnitt D-20 vergrößern.“, sagte sie zu mir, was ich auch gleich so weitergab. Worüber sie genau gestolpert war, wusste ich nicht. Aber ich und auch alle anderen sollten es bald erfahren. „Das sieht ja aus wie ein Tempel.“, sagte Kissara und Kang nickte bestätigend. „Und die überlebensgroße Statue vor dem Tempel ähnelt sehr Sytania. Sie lässt sich doch nicht etwa von den Romulanern als Göttin anbeten!“ „Wenn.“, mischte sich Mikel ein. „Dann tun sie das bestimmt nur, weil Augustus sie drangsaliert. Die Informationen von der Sonde, die sich ja nicht nur auf den Aufenthaltsort von Ginalla bezogen, waren ja eindeutig. Aber so etwas traue ich Sytania durchaus zu.“ „Bis sie über ihr riesiges Ego stolpert.“, sagte ich. „Da sprechen Sie ein wahres Wort gelassen aus, Allrounder.“, sagte Kissara. „Aber ich nehme Ihre Äußerung dann mal gleich als Signal loszuschlagen. Signalisieren Sie Ginalla, sie soll mit den Genesianerinnen die Vendar hervorlocken. Mal sehen, was Augustus dazu meint!“ Ich nickte und führte ihren Befehl aus.

Kamurus hatte meinen Ruf empfangen und Ginalla sofort Meldung gemacht. „Dann wollen wir die Vendar mal aufscheuchen!“, sagte die Celsianerin. „Starte einen Sammelruf an alle Mitglieder unseres Clans. Die Granger brauchst du nicht auszunehmen. Ich will, dass Kissara mitbekommt, was wir tun.“ „OK, Ginalla.“, sagte das Schiff. Dann sah seine Pilotin bald alle Gesichter der Genesianerinnen vor ihrem geistigen Auge. „Meine Kriegerinnen.“, wendete sich Ginalla an ebendiese. „Heute ist der Tag, an dem wir uns alle ein für alle Mal von Sytania befreien und ihr einen anständigen Arschtritt verpassen werden. Verteilt euch und versucht, mit euren Schiffen so viele Sensorenechos wie möglich zu produzieren. Ich will, dass die Vendar auf jeden Fall merken, dass wir da sind.“ Von allen Seiten wurde der Empfang bestätigt und sie wies Kamurus an, die Verbindung wieder zu beenden. Dann verteilten sich die genesianischen Schiffe.

Augustus befand sich in der Kommandozentrale. Hier war er aber nicht allein. Jarnach, eine Vendar höheren Alters, die sehr kriegserfahren war, war bei ihm. Sie hatte schon reichlich graues und ziemlich lichtes Fell und für eine Frau ihres Volkes mit 2,30 m eine überdurchschnittliche Körpergröße. Wäre sie ein Mann, wäre das sicher normal gewesen. „Gebieter, da draußen befinden sich eine Menge genesianischer Schiffe.“, meldete Jarnach. „Was tun sie?“, fragte Augustus. „Im Moment umschwirren sie uns wie Schmeißfliegen.“, sagte die Vendar. „Ich schätze, sie wollen uns rauslocken.“ „Wie ist ihre Bewaffnung, Jarnach?“, fragte Augustus. „Seht selbst.“, sagte die Vendar und stellte von ihrer Arbeitskonsole aus die Bilder an die durch, vor der Augustus saß. „Wie lachhaft.“, lästerte er. „Stöcke und Steine brechen mir nicht die Beine. Die glauben doch nicht etwa ernsthaft, dass sie mit Photonentorpedos und Phasern etwas gegen mich ausrichten können.“ „Wenn ich meine Meinung kundtun darf.“, sagte Jarnach und sah Augustus unterwürfig an. „Sage, was du zu sagen hast, Jarnach!“, befahl er. „Ich denke, sie wollen einen Nervenkrieg gegen uns führen. Sie wollen anscheinend erreichen, dass wir uns zeigen. Aber diesen Gefallen sollten wir ihnen nicht tun. Ihr mögt unverwundbar sein, Gebieter. Aber das gilt beileibe nicht für uns.“ „Dann sag aber deinen Leuten, sie sollen trotzdem die Füße still halten!“, befahl Augustus. „Wollen doch mal sehen, wer den längeren Atem hat.“ „Ja, Herr.“, sagte Jarnach und verfasste eine entsprechende SITCH-Mail auf Vendarisch, die sie an alle Rufzeichen ihrer Truppe schickte.

Quälende Minuten waren vergangen, in denen wir uns gegenseitig belauert hatten. Die Vendar schienen nicht auf uns zu reagieren und die Genesianerinnen dachten gar nicht daran, ihre Taktik, die Station zu umschwirren, aufzugeben. „Ich denke, das kann noch Stunden oder gar Tage so gehen, Ginalla.“, sagte Kamurus. „Na und?!“, fragte Ginalla. „Hast du ein Problem damit?“ „Nein, Ginalla.“, sagte das Schiff. „Ich nicht, aber ich befürchte, dass bei einigen deiner Kriegerinnen die Nervosität Einzug gehalten hat. Ich habe sie gescannt und ihre medizinischen Werte geben mir Anlass zur Sorge.“ „Gib mir die, von denen du redest.“, sagte Ginalla. „Ich werde sie schon motivieren.“ „Dann müsste ich dich mit fast allen verbinden.“, sagte das Schiff. „Außer Salmonea scheinen alle unbedingt so schnell wie möglich Kleinholz aus der Station machen zu wollen. Wenn die Götter nicht bald ein Wunder geschehen lassen, wird unser Plan in die Hose gehen, fürchte ich. Solange die Vendar nicht abgelenkt sind, ist Augustus auch nicht ungeschützt und die Granger kann nicht …“

Ginalla hatte plötzlich zu grinsen begonnen. „Was findest du an unserer Situation so lustig?“, fragte Kamurus. „Gar nichts.“, sagte die Celsianerin. „Aber deine Äußerung über die Götter hat mich auf eine Idee gebracht. Nimm wieder Kurs auf das Zentrum von Romulus. Wenn wir das Götzenbild von Sytania ein wenig verunstalten, dann gibt es sicher für die Vendar kein Halten mehr!“ „Das glaube ich auch.“, sagte Kamurus und führte aus, was sie ihm gerade gesagt hatte. „Aber sollte uns nicht mindestens eins der anderen Schiffe begleiten?“ „Oh, nein.“, sagte Ginalla. „Solche Aktionen mache ich lieber nur mit dir allein. Also los jetzt!“

Bei uns war Ginallas Aktion auch angekommen. „Ginallas Schiff hat sich aus der Formation gelöst und fliegt wieder in Richtung Tempel.“, meldete ich. „Was hat sie vor?“, fragte Kissara. „Rufen Sie sie, Betsy und verbinden Sie mit mir!“ „Sofort, Commander.“, erwiderte ich und gab Kamurus’ Rufzeichen ins Sprechgerät ein. „Was gibt es denn, Commander Kissara?“, fragte Ginalla. „Was haben Sie vor, Ginalla?“, fragte Kissara. „Ach du meine Güte!“, rief Ginalla aus. „Duzen Sie mich doch bitte, Commander. So alt, wie ich aussehe, bin ich ja wohl noch nich’. Außerdem sind wir doch jetzt in gewisser Weise eine Familie. Aber weil heute Sonntag is’, gibt es jetzt einen kleinen Tipp von mir. Ich werde ein bisschen an Sytanias Ego kratzen.“ Sie beendete die Verbindung.

„Betsy.“, wendete sich Kissara an mich. „Sie kennen sie etwas länger. Was könnte sie meinen?“ „Ich weiß es nicht, Commander.“, war meine Antwort, die ich gezwungen war, ihr zu geben, weil mir auch nicht ganz klar war, was sie meinen konnte. Wir alle würden wohl abwarten müssen.

Kamurus befand sich jetzt genau über der Statue von Sytania. Zwar war er in einigen Kilometern Höhe außerhalb der Atmosphäre, aber ansonsten stimmte die Position. „Kannst du deinen Phaser so einstellen, dass er Sytania die Krone vom Kopf holt, Kumpel?“, fragte die Celsianerin grinsend. „Ich könnte sogar einen einzelnen Edelstein treffen, Ginalla.“, sagte Kamurus. „Das is’ nich’ nötig.“, sagte Ginalla. „Außerdem halte ich das für Angeberei.“ „Du scheinst zu vergessen.“, sagte Kamurus. „Dass ich meinen Phaser neulich sogar als chirurgisches Instrument benutzt habe. Aber wenn du willst, dann kümmere ich mich erst mal um die Krone. Stillhalten wird Sytanias Ebenbild ja wohl.“ Ginalla musste grinsen. Dann sah sie, wie Kamurus tatsächlich der Statue die Krone vom Kopf schoss, ohne sie oder den Kopf der Figur auch nur im Geringsten zu beschädigen. Mit lautem Krach segelte das Symbol von Sytanias Herrschaft auf die Straße. Erst hier zerbrach es durch den Aufprall. „Große Klasse, Wilhelm Tell!“, lobte Ginalla. „Ich hoffe, das haben auch ein paar Romulaner gesehen! Damit lässt sich ihnen vielleicht beweisen, dass ihre Göttin nich’ ganz so göttlich is’, wie sie es ihnen weiß machen will.“ „Und ich hoffe, dass vor allem die Vendar es gesehen haben.“, sagte Kamurus.

Kissara hatte jenes Spektakel auch gesehen und genau beschrieben, damit auch Mikel und ich wussten, was da unten gerade geschehen war. „Ich glaube, unsere Freundin baut gerade Sytanias Statue etwas um.“, lästerte der erste Offizier. „Schaden kann es nicht.“, lästerte ich zurück. „Ich war schon immer der Meinung, Sytania wirke mit ihrer Krone viel zu protzig.“ „Achtung!“, sagte Kang. „Gleich fallen noch Zepter und Reichsapfel!“ „Oh, Mann.“, sagte Mikel. „Sytanias Größenwahn kennt wohl gar keine Grenzen. Wenn mich mein historisches Wissen nicht völlig im Stich lässt, hat sie sich als göttliche Kaiserin darstellen lassen. So was gab es zuletzt im alten Rom.“ Ich, die ich historisch einigermaßen bewandert war, zischte ihm auf Deutsch zu: „Wo du Recht hast, hast du Recht.“

Jarnach und ihre Leute hatten jene Aktion auch beobachtet. „Bitte, lasst mich mit meinen Leuten ausfliegen und ihrem Treiben ein für alle Mal ein Ende bereiten!“, bat sie nervös. „Warum auf einmal der Meinungsumschwung, Jarnach?“, fragte Augustus. „Was zu viel ist, das ist einfach zu viel, Herr!“, sagte die Vendar. „Schließlich hat sie gerade Eure göttliche Mutter beleidigt!“ „Genau das will sie erreichen.“, sagte Augustus. „Siehst du das nicht? Ach nein. Das kannst du ja nicht. Du hast ja, im Gegensatz zu mir, keine aktiven telepathischen Fähigkeiten. Aber für mich sind ihre Gedanken ein offenes Buch. Sag deinen Leuten gefälligst, sie sollen sich nicht provozieren lassen!“ „Ich werde es ausrichten, Gebieter.“, sagte Jarnach, die aber selbst einen schweren inneren Kampf ausfocht. Am liebsten wäre sie persönlich gestartet, um Ginalla abzuschießen, aber ihr Gebieter hatte ihr befohlen, still zu halten.

Ginalla und Kamurus waren immer noch in ihrer Position über der Statue. „Was weißt du über die medizinischen Werte von Vendar?“, fragte die Celsianerin. „Ob sie nervös sind, kann ich wohl erkennen.“, sagte Kamurus. „Und das sind sie, soweit ich das beurteilen kann. Sie sind kurz davor, sich zu zeigen, aber eine Kleinigkeit an Provokation fehlt wohl noch.“ „Und die werden wir ihnen jetzt geben.“, sagte Ginalla. „Sytania is’ doch auch sehr eitel und mag es nich’, wenn ihrer Schönheit Abbruch getan wird. Dass dies ein schlimmes Verbrechen wäre, wissen auch die Vendar.“ „Soll ich ihr einen unpassenden Scheitel ziehen?“, fragte Kamurus. „Ne.“, flapste Ginalla. „Das machen wir anders. Los, verpass ihr ’ne anständige Hasenscharte und dann deformierst du noch ihre dicke Nase. Ich war schon immer der Meinung, die könnte mal ’ne Korrektur vertragen.“ „Wie du willst.“, sagte das Schiff und stellte das Zielgerät ein. Dann übergab er ihr die Waffenkontrolle. „Wenn du willst, dann kannst du selbst feuern.“, sagte Kamurus. „Wie lieb von dir.“, sagte Ginalla und gab den Gedankenbefehl zum Abfeuern des Phasers. Danach lehnte sie sich mit genießerischem Blick zurück und leckte sich die Lippen. „Oh, Kamurus.“, sagte sie langsam und fast lasziv. „Das war ein besseres Gefühl, als …“

Weiter kam sie nicht, denn ihr Schiff hatte sich plötzlich blitzschnell drehen müssen, um einer Welle von Vendar auszuweichen, die gerade von der Station gestartet war. Aber im gleichen Moment waren auch die Genesianerinnen zur Stelle, die sich den Vendar stellten und sie, wie von Anfang an beabsichtigt, in schwere Kämpfe verwickelten. Auch Jarnach war unter den Vendar. Die Befehle von Augustus hatte sie völlig ignoriert, weil sie so wütend war.

„Ginalla hat es geschafft, Commander.“, meldete Kang. „Die Vendar sind abgelenkt und Augustus ist in der Kommandozentrale allein.“ „Na dann los!“, sagte Kissara. „Betsy, bringen Sie uns rein! Kang, Schilde hoch!“ „Aye, Madam.“, sagte ich und setzte das Schiff langsam in Bewegung, während Kang die Schilde hob.

Augustus war auf der mit vendarischen Systemen ausgestatteten Raumstation allein. Er hatte zwar gesehen, was auf ihn zu kam, konnte es aber bisher nicht wirklich einordnen. Das seltsame fremde Schiff, das sich näherte, konnte der Mishar auch nicht identifizieren. Er wusste nur, dass es wohl zum Clan der Ginalla gehörte wie alle anderen Schiffe auch. „Mishar, verbinde mich mit dem Commander dieses Schiffes!“, befahl er dem Computer. Dieser führte seinen Befehl aus und bald sah er Kissaras Gesicht auf dem Schirm. „Wenn du glaubst, mich verwunden oder gar besiegen oder töten zu können, Thundarianerin.“, sagte Augustus. „Dann werde ich dich leider enttäuschen müssen. Ich bin unsterblich und unverwundbar!“ „Das werden wir ja noch sehen, ob du das wirklich bist!“, grollte Kissara. „Gib das unschuldige Kind, dessen Körper du besetzt hältst, frei. Dann lasse ich vielleicht noch einmal mit mir reden.“ „Ich glaube kaum, dass du in der Position bist, hier Forderungen zu stellen, Sterbliche!“, drohte Augustus. „Na schön!“, sagte Kissara. „Du hast es nicht anders gewollt, du Scheusal!“

Sie gab Kang einen Wink, der sofort Meilenstein auf die neuralen Frequenzen des Geistwesens konfigurierte. „Ziel erfasst!“, meldete der Klingone. „Na dann, Feuer, Mr. Kang!“, befahl Kissara.

Mikel und ich lauschten angespannt, denn wir hofften, das bekannte Geräusch des abgefeuerten Phasers bald zu hören, aber nichts dergleichen geschah. Kangs Hand musste sich noch nicht einmal in der Nähe des Knopfes befunden haben, denn Kissara sagte nur: „Ich sagte Feuer, Warrior! Die Hände in den Schoß legen können Sie noch früh genug!“ „Mit Verlaub und bei allem Respekt, Commander.“, sagte Kang niedergeschlagen. „Ich kann nicht. Ich sehe dieses kleine so unschuldig blickende und zerbrechlich wirkende Kind, auf das zu schießen mir doch reichlich ehrlos erscheint.“ „Verdammt noch mal, Kang!“, sagte Kissara. „Sehen Sie doch mal über die körperliche Hülle hinaus. Dieses Kind wird Ihnen verdammt dankbar sein, wenn Sie es von dem befreit haben, der im Moment die Kontrolle über es hat.“

Ich schätze, da wirst du bei deinem Strategen auf Granit beißen., hörte Kissara plötzlich Sytanias Stimme in ihrem Geist. Aber auch wir anderen hörten sie. Sein Ehrgefühl steht ihm im Weg. Aber das sollte auch für dich und deinesgleichen gelten. Ich dachte immer, die Sternenflotte achtet Leben! Tja, jetzt seid ihr wohl in den Hintern gekniffen. Dein Klingone scheint Techniker McKnights Erfindung nicht wirklich zu trauen. „Mit einem habt Ihr vielleicht Recht, Hoheit!“, sagte Kissara laut. „Die Sternenflotte achtet Leben, aber nicht dann, wenn es eine Eurer abscheulichen Schöpfungen ist und wenn diese einen gefangen hält, der unter unserem Schutz steht. Der kleine Malcolm ist schließlich ein Bürger der Föderation, der von der Sternenflotte beschützt werden sollte. Verdammt, Kang, schießen Sie endlich! Wir können uns doch von Sytania hier nicht so vorführen lassen!“

Ich hatte uns noch etwas näher an die Station herangebracht, was laut Computer durchaus möglich war. Dann zischte ich Mikel auf Deutsch zu: „Tu was! Ich glaube, wir zwei sind die Einzigen, die das sehen, was andere nicht sehen.“ „Ich habe verstanden.“, sagte Mikel ebenfalls auf Deutsch, um dann auf Englisch fortzufahren: „Ich werde Ihnen jetzt helfen, Mr. Kang. Computer, die Waffenkontrolle auf meine Station transferieren, die Zielerfassung korrigieren und Feuer! Dann die Waffenkontrolle zurückgeben!“ „Befehl wird ausgeführt.“, sagte der Computer und dann hörten wir endlich das erlösende Geräusch.

Am SITCH hörte man nur noch einen letzten Schrei, den Augustus Malcolms Stimme noch entlockt hatte, bevor sein Muster sich auflöste. Dann fragte ein verängstigtes Kinderstimmchen: „Wo bin ich? Bitte, helft mir!“ „Genau das werden wir jetzt tun.“, sagte Kissara und betätigte die Sprechanlage: „Mr. Jannings, beamen Sie den armen kleinen Jungen an Bord!“ „Aye, Commander.“, gab der Ingenieur zurück. „Ich sollte zum Transporterraum gehen, und ihn empfangen.“, sagte ich. „Mit mir ist er vertraut.“ „Oh, ja.“, sagte Kissara. „Das sollten Sie tun und zwar gleich nachdem Sie den Genesianerinnen und Ginalla Bescheid gegeben haben. Schicken Sie den Clan der Ginalla am besten zur 281 Alpha zurück. Dann wird Mikel Ihren Posten übernehmen.“ „In Ordnung.“, sagte ich.

„Von den Vendar haben wir nichts mehr zu befürchten.“, meldete Kang, der sich inzwischen wieder gefasst hatte. „Die Meisten haben per Positionslicht signalisiert, dass sie sich ergeben, oder sie haben sich umgebracht. Ohne ihren großen Gebieter sind sie wohl sehr hilflos. Ich sehe sogar ein paar Fluchtkapseln. Ich denke, einige werden auch ihr Heil in der Flucht gesucht haben. Sie haben wohl Gerüchte über den Umgang mit Gefangenen bei den Genesianern gehört, die sehr schlimm für sie sind.“ „Wenn der Kopf erst mal abgeschnitten ist, kann die Schlange nicht mehr leben.“, sagte Mikel lapidar. „Oh, ja.“, sagte Kissara. „Und derjenige, der die Schere in der Hand hielt, mit der das getan wurde, waren Sie, Agent. Sehr gut reagiert!“ „Ja.“, sagte Mikel. „Weil der Allrounder und ich nicht gezwungen sind, dem ersten optischen Eindruck zu folgen. Was anderes wäre es wohl, wenn wir einen Visor trügen, aber das dürfen wir ja auch nicht, weil wir Pendler zwischen den Jahrhunderten sind und die Implantate sicher unangenehme Fragen aufwerfen würden. Mit Kopfschmuck wären die sicher nicht beantwortet.“ „Oh, was habe ich doch mit Ihnen beiden für ein unverschämtes Glück.“, schnurrte Kissara zufrieden.

Sytania hatte den Tod ihrer Schöpfung durchaus mitbekommen und tobte vor Wut. „Mikel!“, schrie sie. „Mikel und Betsy! Die Beiden machen mir immer wieder all meine Pläne kaputt. Aber das ist nicht das einzige Problem, das ich jetzt habe. Telzan, warum glaubst du, hat sich Augustus überhaupt töten lassen?“ „Weil sie Rosannium und Meilenstein hatten.“, sagte der Vendar betont ruhig, denn er wollte und musste erreichen, dass sie sich wieder beruhigte. „Nein!“, schrie Sytania außer sich. „Der Grund sind meine beiden Nieten von Ehemännern, die schlechte Energie geliefert haben!“, meinte Sytania, die, wie es ihre Art war, mal wieder die Schuld bei anderen suchte. „Wer weiß? Vielleicht waren sie bei der Zeugung nicht ganz bei der Sache oder so. Aber dafür werde ich sie jetzt bestrafen, indem ich sie in ihr armseliges Dasein in den bajoranischen Feuerhöhlen zurückführe!“ Es gab zwei schwarze Blitze. „Ihr vergesst.“, begann Telzan, dass auch Ihr einen Teil …“ Er vermied es dann doch weiter zu sprechen. „Gut, dass du dich noch bremsen konntest.“, sagte Sytania. „Sonst wärst du der Nächste gewesen, der eine Strafe erhalten hätte!“

Plötzlich gab es einen weißen Blitz. Dann stand Logar vor ihnen. „Aber du hast die größte Strafe von allen erhalten, Tochter!“, sagte er fest. „All deine Pläne sind zunichte. Auch deine Gefangenen sind frei. Zur Stunde befinden sich die Zeonide und meine Schöpfung Elaria bereits auf der Station der Tindaraner.“ „Erwähne die Tindaraner nicht noch einmal!“, schrie Sytania zutiefst enttäuscht ihrem Vater entgegen. „Ich weiß, dass ich verloren habe. Das musst du mir nicht noch unter die Nase reiben, Vater. Aber du bist daran ja nicht ganz unschuldig, nicht wahr?“ „Ich habe aber nur eingegriffen, soweit ich das musste, Tochter.“, sagte Logar. „Die Sterblichen haben dich mal wieder fast allein besiegt. Mein Eingriff ist fast nicht erwähnenswert. Aber etwas tun musste ich. Du hättest das Gleichgewicht der Kräfte um ein Haar so stark verschoben, dass die Konsequenzen …“ „Verschone mich mit dem Gedanken an Konsequenzen!“, sagte Sytania. „Ich weiß.“, sagte Logar. „Darüber denkst du ja sowieso nicht gern nach.“ Er verschwand in einem weißen Blitz und ließ Sytania mit ihrer Schmach allein.

Elaria und Nayale hatten sich tatsächlich auf der tindaranischen Station wieder gefunden. „Hast du uns hierher gebracht?“, fragte die Zeonide. „Nein.“, entgegnete die Genesianerin. „Das war mein Schöpfer. Er hat mir nur gesagt, dass er es tun würde, damit ich es dir sagen konnte.“ „Ach das meintest du, als du sagtest, ich soll näher kommen und dass wir einen Ausflug machen würden.“, begriff Nayale.

Sie bogen um eine Ecke und wurden eines Schattens ansichtig, der Nayale einen ziemlichen Schrecken einjagte. „Ein Vendar!“, rief sie angsterfüllt aus. „Um Himmels Willen!“ „Du musst dich nicht vor mir fürchten, Nayale Radcliffe.“, sagte Joran tröstend, der sich mit Maron das Aufspüren der vermeintlichen Eindringlinge geteilt hatte, nachdem IDUSA den Alarm ausgelöst hatte. „Wie du an meiner Uniform sehen kannst, arbeite ich für Zirell El Tindara.“

Nayales Gesicht, das zunächst sehr stark verängstigte Züge angenommen hatte, entspannte sich gut sichtbar. „Ich dachte schon.“, sagte sie. „Dann musst du Joran sein. Weißt du, deine Volksgenossen, die für Sytania arbeiten, haben mir eine ziemliche Angst vor euch eingejagt.“ „Das tut mir leid.“, sagte Joran und strich ihr über den Kopf. „Würdet ihr zwei mir jetzt bitte zur Kommandozentrale folgen?“, fragte er höflich. Nayale und Elaria nickten und folgten ihm.

Zirell und Shimar, die dort ihren Dienst versahen, waren etwas erstaunt, als Joran mit den beiden Frauen die Kommandozentrale betrat. „Wer sind die Beiden, Joran?“, fragte die tindaranische Kommandantin. „Ich bin Elaria.“, stellte sich zuerst die forsche Genesianerin vor. „Das ist Nayale. Sie ist die Ehefrau von Professor Radcliffe. Ich denke, der wird froh sein, sie zu sehen.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Zirell. „Er wird sich wahrscheinlich im Gästequartier befinden, nachdem du, Shimar, und er ja längst von Ishan entlassen worden seid. Joran, führe Nayale bitte dort hin. Elaria, ich möchte dich bitten, eine Weile bei mir zu bleiben. Ich denke, wir sollten noch etwas besprechen, was deine Rolle in dem Ganzen hier angeht. Ach, die Granger und Ginalla sollten auch informiert werden. IDUSA, verbinde mich mit Ginalla und Kissara!“ Alle inklusive des Avatars der Station nickten Zirells befehle ab und führten sie aus.

Ich war, wie ich es mit Kissara abgesprochen hatte, nach Erledigung meines Dienstes zum Transporterraum gegangen, um Malcolm dort abzuholen. Freudestrahlend kam er mir entgegen und quietschte: „Tante Betsy! Alle haben gesagt, du wärst tot!“ Er schlang seine Arme um mich. „Wie du siehst, bin ich das nicht, Malcolm.“, sagte ich. Ich vermied es mit Absicht, näher auf die Geschehnisse einzugehen, denn ich befürchtete, dass dies seinen kindlichen Verstand bei Weitem überfordern würde.

„Der Kleine scheint ziemliche Angst zu haben, Allrounder.“, mischte sich Jannings von der Transporterkonsole aus ein. „Das kann ich mir denken, Techniker.“, sagte ich. „Wenn ich ein 6-jähriges Kind wäre und durchgemacht hätte, was er durchmachen musste, dann hätte ich die sicher auch.“ „Ja, Tante Betsy.“, sagte Malcolm. „Angst hatte ich. Aber jetzt habe ich keine mehr, weil der Onkel George mich von der fremden Station geholt hat. Dann hat er mir gesagt, dass du sicher gleich kommen würdest und da bist du ja. Jetzt, wo du da bist, habe ich sowieso keine Angst mehr.“ „Vorbildlich, Techniker!“, lobte ich in Jannings’ Richtung. „Danke, Madam.“, gab er zurück. „Aber ich glaube, das war reiner Zufall. Sonst bin ich im Trösten von Kindern nicht sehr gut.“ „Oh, das glaube ich nicht, Mr. Jannings.“, sagte ich. „Wir haben schließlich alle irgendwo unsere verborgenen Talente.“

Ich nahm Malcolm bei der Hand und führte ihn, der sich vertrauensvoll an mich schmiegte, in Richtung eines Turbolifts. „Wohin gehen wir, Tante Betsy?“, fragte er. „Wir gehen zur Tante Loridana.“, sagte ich. „Die wird dich untersuchen und mal gucken, ob das Monster, das in dir war, noch was da gelassen hat. Wenn ja, dann macht sie es weg und du bist wieder der gleiche kleine liebe Malcolm, der du sowieso immer schon warst.“ „So was hat der Onkel George auch schon zu mir gesagt.“, sagte Malcolm. „Na dann ist ja alles gut.“, sagte ich.

Wir stiegen in den Lift und ich gab als Fahrziel die Krankenstation an. „Kann ich dich noch was fragen, Tante Betsy?“, fragte Malcolm. „Sicher.“, sagte ich. „Die Tante Tchey und ich.“, begann er und ich war froh, dass er über ein unverfängliches Thema reden würde. Wenn Tchey im Spiel war, dann konnte es ja nur so etwas sein. Mit mir über was auch immer zu reden, würde ihn sicher von dem ablenken, was er erlebt hatte und das war sehr gut für seine kleine Seele. „Wir sind mit dem Shuttle, das so tut, als sei es Rescue One, zum Mars geflogen. Als wir zurück wollten, hat es so ausgesehen, als würden wir gegen den Planeten stoßen, aber ich habe nichts gemerkt.“ „Das machen die Leute so, die Computer von Schiffen bauen.“, sagte ich. „Weil sie nicht wollen, dass es ihren Computern zu heiß wird. Dann gehen die nämlich kaputt und dann sind die Leute ganz traurig.“, erklärte ich kindgerecht. „Wenn du einen Sandkuchen backst, willst du ja auch nicht, dass ihn jemand kaputt macht. Wenn sich das Schiff an der Atmosphäre reibt, wird es dem Computer nämlich ganz heiß. Deshalb lassen sie es aussehen, als würde man gegen den Planeten stoßen, damit man weiter weg fliegt. Reib mal ganz doll deine Hände an deiner Kleidung. Dann wirst du sehen, wie warm das wird.“

„Ui!“, machte Malcolm, nachdem er es ausprobiert hatte. „Du hast Recht, Tante Betsy!“ Ich lächelte und wir gingen weiter. Warum Tchey ihm das nicht von Anfang an auch so erklärt hatte, war mir längst klar. Sie hatte es wohl vermieden, weil sie, nach eigenen Angaben, nicht so gut im Erklären war und das wohl eher als meine Baustelle empfand.

Plötzlich fasste der Junge meine Hand fester. „Was ist los, Malcolm?“, fragte ich. „Kann die Tante Loridana wirklich alles wieder weg machen, was das Monster bei mir gemacht hat?“, fragte er. „Aber sicher doch.“, tröstete ich. „Es war nämlich ganz schlimm, als es in mir war. Es hat ganz böse Sachen mit meinem Körper gemacht und ich konnte nichts machen.“, sagte Malcolm und begann zu weinen. „Hast du mich denn trotzdem noch lieb, Tante Betsy?!“, fragte er verzweifelt. „Aber klar doch.“, sagte ich lächelnd und nahm ihn fest in den Arm. „Ich weiß ja, dass es das Monster war, das diese schlimmen Sachen gemacht hat und nicht du. Ich weiß, dass du ein ganz Lieber bist!“ Ich drückte ihm einen dicken Kuss auf die rechte Wange. „Wirst du bei mir bleiben, wenn die Tante Loridana mich untersucht?“, fragte Malcolm. „Sicher.“, versicherte ich. Dann betraten wir gemeinsam die Krankenstation.

Kapitel 66: Eine dicke Überraschung

von Visitor

 

Joran hatte Nayale vor dem Gästequartier abgesetzt. „Könntest du mich bitte ankündigen?“, fragte die Zeonide. „Deine Stimme und dein Gesicht dürften meinem Mann vertraut sein.“ „Deine Stimme und dein Gesicht wird er um so mehr kennen, Nayale Radcliffe.“, entgegnete der Vendar. „Das schon.“, sagte sie. „Aber er wird wissen, dass ich eigentlich in Sytanias Gefängnis sein müsste. Ich will ja nur vermeiden, dass er das Ganze für eine Falle hält. Dir vertraut er.“ „Also gut.“, sagte Joran, der ihre Argumentation durchaus nachvollziehen konnte. Dann nahm er das Mikrofon in die Hand und drückte die Sendetaste. „Wer ist dort.“, sagte Radcliffes Stimme von drinnen. „Hier ist Joran, Nathaniel Ed Nayale.“, sagte Joran, der dies wohl mit Absicht so formuliert hatte. „Das ist ja eine ganz neue Formulierung.“, sagte Radcliffe überrascht. „Ich weiß, unter den Vendar ist sie durchaus gebräuchlich, wenn man betonen will, dass jemand mit jemandem anders verheiratet ist. Sonst nennst du mich ja entweder Nathaniel Radcliffe, oder Nathaniel El Taria. Aber warum tust du das? Warum fügst du mir einen solchen seelischen Schmerz zu, indem du mich daran erinnerst, was ich meiner Familie damit angetan habe, dass ich auf Sytania hereingefallen bin?!“ „Du wirst gleich keinen seelischen Schmerz mehr empfinden, Nathaniel Ed Nayale!“, versicherte Joran. „Weil ich nämlich die Person bei mir habe, die deinen Schmerz lindern wird.“

Er gab Nayale einen Wink, die daraufhin sofort in die Reichweite der Kamera der Türsprechanlage trat. „Ist das auch wirklich keine Falle?!“, fragte Nathaniel ungläubig. „Nein, Nathaniel Ed Nayale.“, sagte Joran. „Ich würde spüren, wenn hier ein Mächtiger seine Finger im Spiel hätte und bei Sytania wäre ich sofort sicher! Das kannst du mir glauben. Ich hatte ihr 90 Jahre treu gedient und weiß daher, wie sich ihre Prägung anfühlt. Ich würde wissen, wenn sie hiermit was zu tun hätte und dann würde ich dafür sorgen, dass sie dir auf keinen Fall wieder schaden kann! Es ist also tatsächlich deine Frau, die hier neben mir steht. Ich kann es sogar riskieren, sie zu dir herein zu lassen, ohne selbst mitzugehen.“

Es dauerte einige Sekunden und dann öffnete sich doch die Tür. Im Rahmen stand ein überglücklicher aber gleichzeitig erstaunter Nathaniel, der seine Frau sofort in die Arme schloss und mit sich in den Raum zog. Joran beobachtete dies noch eine Weile lächelnd, bevor er sich abwandte, um wieder in Richtung Turbolift zu verschwinden. Er wusste genau, wann es Zeit war, sich diskret zurückzuziehen. Außerdem war es Zeit, bald Shimar bei der Schicht in der Kommandozentrale am SITCH abzulösen.

Nathaniel war mit seiner Frau ins Wohnzimmer gegangen und hatte sich dort mit ihr auf das Sofa gesetzt. Immer noch hielt er sie fest im Arm. „Meine Nayale!“, stammelte er. „Meine arme liebe Nayale. Wie konnte ich nur zulassen, dass uns so etwas Schlimmes passiert?“ „Du bist krank, Nathaniel.“, sagte die junge Zeonide verständig. „Das bin ich jetzt, den Tindaranern sei Dank, nicht mehr, Nayale.“, sagte Radcliffe. „Sie haben mich geheilt! Zirell und Shimar haben mich mit dem Teil meines Ich, der früher einmal Benjamin Sisko war, sozusagen wieder versöhnt.“ „Das ist wohl etwas zu hoch für mich.“, sagte Nayale. „Aber wichtig ist nur, dass du dich wohl jetzt nicht mehr für Sisko hältst, oder?“ „Das tue ich nicht mehr, Nayale.“, sagte Radcliffe. „Das tue ich definitiv nicht mehr! Aber wie bist du freigekommen?“ „Ich glaube, das verdanken wir Logar.“, sagte Nayale. „Ich habe mir die Zelle in Sytanias Gefängnis mit einer Genesianerin geteilt, die seine Schöpfung war. Sie heißt Elaria. Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte ich schon längst aufgegeben. Sie will mit Zirell noch einiges besprechen. Vielleicht weiß sie Dinge, die noch wichtig sind. Aber Sytania scheint endgültig verloren zu haben. Elaria sagt, Logar hätte ihr ordentlich die Leviten gelesen!“ „Ich hoffe nur, dass es der Besatzung der Granger auch gelingt, unseren Sohn zu befreien.“, sagte Nathaniel. „Wenn ich dem glauben darf, was hier erzählt wird, dann ist unser armer kleiner Malcolm das Gefäß für eine abscheuliche Schöpfung von Sytania und zwei Palgeistern.“

Nayale fuhr zusammen. „Wann haben die Tindaraner dir das gesagt?“, fragte sie. „Sie haben mir gar nichts gesagt.“, sagte Radcliffe. „Es sind bisher nur Gerüchte. Sie wollten wohl nicht, dass ich mich in meinem Zustand, der ja bis gestern noch andauerte, zu sehr sorge. Selbst wenn es die Wahrheit wäre, dann könnten Zirell, Nidell oder Shimar sicher dafür sorgen, dass ich es für ein Gerücht halte. Mit ihren telepathischen Fähigkeiten wären sie sicher in der Lage dazu und ich würde es mir auch ohne Gegenwehr gefallen lassen, solange ich dadurch gesund bleiben würde.“ „Und gesund bist du jetzt tatsächlich?“, versicherte sich Nayale, die noch nicht so recht an die neuesten Entwicklungen glauben konnte. „Ja, das bin ich!“, sagte Nathaniel mit viel Überzeugung in der Stimme. „Genau so, wie du endlich frei bist, meine arme liebe Nayale! Es tut mir leid! Es tut mir so unendlich leid! Ich hoffe nur, dass du noch die Größe besitzt, mich trotzdem noch immer zu lieben. Trotz der schändlichen Dinge, die ich euch angetan habe, Malcolm und dir!“ „Das warst nicht du, Nathaniel.“, verstand Nayale und nahm ihn ihrerseits fest in den Arm. „Das war deine Krankheit! Deine Krankheit, die Sytania schamlos ausgenutzt hat! Aber von der bist du ja jetzt geheilt und dann können, nein, dann müssen wir sogar von vorn anfangen. Ich schätze, dass wir alle drei in Therapie gehen müssen, aber die Tindaraner und die Sternenflotte leiten sicher alles in die Wege. Ich weiß, dass wir mit Sicherheit keinem zivilen Therapeuten anvertrauen können, was wir erlebt haben. Aber ich bin bereit, diesen Weg mit dir und unserem Kind zu gehen, Nathaniel Radcliffe! Schließlich haben wir uns einmal geschworen, in guten wie in schlechten Tagen zusammenzustehen!“ „Oh, meine liebe starke Nayale!“, rief Radcliffe aus, drückte sie fest an sich und küsste sie.

Zirell und Elaria hatten sich in den Bereitschaftsraum der Tindaranerin zurückgezogen. Hier würden sie nun das besprechen, was Zirell schon angedeutet hatte. „Ich lege besser gleich die Karten auf den Tisch, Zirell.“, sagte die Genesianerin. „Dass ich ein Geschöpf von Logar bin, wird dir, als trainierter Telepathin, wohl nicht verborgen geblieben sein. Aber das ist nicht das Einzige. Ich habe auch noch eine Information für die Besatzung der Granger.“

Sie holte ein Pad aus ihrer Kleidung hervor und gab es Zirell. „In diesem Pad befindet sich eine geschützte Datei.“, sagte sie. „Das Passwort ist Nayale. Sie kann aber nur auf dem Rechner der Granger abgespielt werden. du wirst sie der Granger leider ungesehen übermitteln müssen. Aber ich hoffe, du vertraust mir.“ „Das tue ich, Elaria.“, sagte Zirell und befahl in Richtung des Rechners: „IDUSA, den Inhalt des an Port vier angeschlossenen Pads als Anlage an eine von mir verfasste SITCH-Mail hängen und an das Rufzeichen der USS Granger übermitteln!“ „Sofort, Commander.“, gab der Rechner zurück.

Nachdem Zirell die Mail verfasst und darin auch das Passwort erwähnt hatte, sah sie Elaria fragend an. „Was wird eigentlich mit dir geschehen, wenn das hier alles vorbei ist, Elaria?“, fragte sie. „Dann wird mein Schöpfer mein Leben beenden, sofern es keine andere Lösung gibt.“, sagte die Kriegerin ruhig. „Das wusste ich von Anbeginn.“ „Eigentlich schade.“, sagte Zirell. „Ich hatte in dir schon eine echte Freundin gewonnen. Aber Logar wird schon wissen, was er tut.“ Elaria nickte bestätigend.

„Bis zur Rückkehr der Granger.“, sagte sie. „Werde ich mich hier noch etwas verlustieren, wenn du nichts dagegen hast.“ „Warum sollte ich etwas dagegen haben?“, fragte Zirell. „Du bist schließlich Gast auf meiner Station und keine Gefangene. Tu, was du willst.“ „Sehr großzügig.“, sagte die genesianische Kriegerin. Dann verließen die Frauen wieder den Bereitschaftsraum und Zirell ging zum Dienst, während sich Elaria auf den Weg zu den Simulationskammern machte.

Auf der Brücke der Granger hatten Mikel, Kang und Kissara die Mail von Zirell gelesen. „Die Anlage ist eine ausführbare Datei, soweit mir Mr. Jannings neulich erklärt hat.“, glänzte der erste Offizier, der meinen Posten temporär übernommen hatte, mit seinem neu erworbenen Wissen. „Warum sollten die Tindaraner uns ein Programm schicken?“, fragte Kang. „Das kann ich Ihnen nicht beantworten, Warrior.“, sagte Kissara. „Aber wir sollten ihnen vertrauen. Lassen Sie das Programm laufen, Agent!“ „Sollte nicht lieber Techniker Jannings zunächst über die Datei gucken?“, fragte Mikel. „Ich meine, das könnte in jedem Fall sicherer sein. Er kann Routinen und Befehle in Maschinensprache interpretieren. Elektra wäre darin sogar noch besser, weil sie Androidin ist. Aber ich denke …“ „Mikel.“, lächelte Kissara. „So kenne ich Sie ja gar nicht. Sonst sind Sie doch immer derjenige, der gern experimentiert. Ich glaube, das Sicherheitsbedürfnis Ihrer Freundin scheint langsam auf Sie abzufärben.“ „Mag sein, Kissara.“, sagte der Agent. „Aber es geht mir auch um die Sicherheit unseres kleinen Passagiers. Den dürfen wir nicht vergessen. Ich möchte zuerst sicher gehen, dass dieses Programm Malcolm nicht plötzlich auf ein getarntes Veshel beamt oder so. Wer weiß, zu welchen Mitteln Sytania ihre Vendar greifen lässt.“ „Dazu müssten die zuerst mal Zirells SITCH-Mail-Konto geknackt haben, Agent.“, tröstete die Thundarianerin. „Und ich traue IDUSA zu, dass sie jeden Versuch bereits mit empfindlichen Strafen abwehren würde. Schließlich handelt es sich um eines, das dem tindaranischen Militär gehört. Man kann über Neurokoppler sicher einiges erreichen. Fragen Sie mal Loridana. Das würden sie nicht wagen. Glauben Sie mir!“

Mikel ließ ihre Worte eine Weile auf sich wirken und sagte dann schließlich doch, nachdem er sich geräuspert hatte: „Also gut. Computer, die an die letzte eingegangene SITCH-Mail angehängte Datei ausführen!“ „Befehl wird ausgeführt.“, kam es zurück. „Passwort ist erforderlich.“ „Versuchen Sie Nayale.“, sagte Kissara und buchstabierte, denn sie war sich nicht sicher, ob Mikels und mein Hilfsmittel den Namen von Radcliffes Ehefrau so ausgesprochen hatte, dass Mikel seine Schreibweise hätte herleiten können. „Schauen wir mal, wohin uns Mrs. Radcliffe sozusagen führen wird.“, sagte Mikel, tippte das Passwort ein und bestätigte es.

Im nächsten Augenblick nahm der Computer Zugriff auf das Sprechgerät und setzte selbstständig einen Ruf an ein unbekanntes Rufzeichen ab, nachdem er es auf eine klingonische Frequenz zur Datenübertragung eingestellt hatte. Auf diesen Ruf hin erschien eine kleine Sonde an Steuerbord, die ihrerseits wieder einen Ruf absetzte, der Koordinaten enthielt. Dann zerstörte sie sich. Jetzt nahm der Computer Zugriff auf den Autopiloten und blockierte das Steuer. Die Granger flog nun automatisch zu den Koordinaten, wo sie auf eine weitere Sonde traf, die das Tun der ersten Sonde wiederholte. So ging es kreuz und quer durch den Weltraum. „Wir hätten wohl doch eher Mr. Jannings beauftragen sollen, Commander.“, sagte Kang, der sich auf den chaotischen Kurs, den sie flogen, keinen Reim machen konnte. „Sagen Sie jetzt bitte nicht, Sie hätten Angst, Mr. Kang.“, sagte Kissara in der Absicht, ihn einwenig zu foppen. „Ein Klingone fürchtet sich vor nichts, Commander!“, versicherte Kang. Oh, nein., dachte Mikel. Der macht sich nur gleich in die Hose!

Es dauerte nicht lange und das Schiff schwenkte selbstständig in eine Umlaufbahn um einen Planeten in einem Sonnensystem ein, das zweifelsfrei im klingonischen Raum lag. „Bekommen wir Sensorenbilder von dem Planeten?“, fragte Kissara.

Mikel gab die Frage gleich an den Computer weiter, bevor er bestätigte: „Ja, Ma’am.“ „Dann auf den Schirm damit, Agent.“, sagte Kissara. Mikel nickte und führte ihren Befehl aus.

Alle sahen jetzt einen Raumschifffriedhof. „Warum sollte uns ein Programm der Tindaraner zu einem klingonischen Raumschiffriedhof führen?“, fragte Mikel, dem sein Hilfsmittel die Bilder auch interpretiert hatte. „Das weiß ich auch noch nicht, Agent.“, sagte Kissara. „Können wir SITCHen oder reagiert das Steuer?“ „Negativ.“, sagte Mikel, nachdem er es ausprobiert hatte. „Das Programm ist offensichtlich noch nicht beendet.

Eines der Bilder der schrottreifen klingonischen Schiffe veränderte sich plötzlich. Es verwandelte sich vor aller Augen in ein romulanisches Schiff, das völlig intakt zu sein schien. „Offensichtlich sind wir nicht die Einzigen, die eine Maske tragen.“, sagte Kissara. „Aber dass so etwas Unwahrscheinliches eingetreten ist.“, staunte Kang. „Ich meine, Seit wann würde mein Volk hier Romulaner verstecken? Ich meine, das hätte sicher niemand für möglich gehalten.“ „Am wichtigsten ist.“, sagte Mikel. „Dass es Sytania am allerwenigsten für möglich hält in ihrem schwarzweißen Denken. Ich denke, genau dieser Fakt sollte hier ausgenutzt werden.“ „Ich halte mittlerweile alles für möglich.“, sagte Kissara. „Wenn man bedenkt, wer sich aus welchen Gründen jetzt schon mit wem verbündet hat, nur um Sytania ein Bein zu stellen.“ „Ich denke, alle wissen, dass sie niemals gewinnen darf.“, sagte Kang. „Da dürften dann Feindschaften untereinander vielleicht egal werden.“ „Könnte sein.“, vermutete Mikel.

Der Computer begann plötzlich mit dem Abspielen von Videomaterial. Auf dem Schirm war ein Romulaner in der Kleidung eines Senators zu sehen. Er war ca. 1,70 m groß, leicht füllig, hatte blaue Augen und lächelte alle aus seinem etwas bärtigen Gesicht, das von einer roten Haarpracht auf dem Kopf und im Bart geziert wurde, freundlich an. Dann sagte seine tiefe ruhige warme freundliche Stimme: „Darf ich mich vorstellen? Ich bin Senator Romanus Velar. Wenn Sie dies hören und sehen, haben Sie Ihr Ziel bereits fast erreicht. Bitte entschuldigen Sie den Flug über Umwege, den Kontrollverlust über Ihr Schiff und die vielen Relais. Aber man weiß ja nie, wer einem folgt. Wir erwarten Ihr Außenteam.“

Die Aufzeichnung brach ab und auch das Programm wurde beendet. „Dieser Teil des Plans ist sicher einem romulanischen Gehirn entsprungen.“, sagte Mikel. „Paranoia gehört schließlich zu ihrer Art zu leben, wie mir mal jemand gesagt hat. Das bedeutet, sie dürften Asse darin sein, Verfolger abzuschütteln.“ „Na, na, Agent.“, sagte Kissara. „Wir wollen doch hier keine Vorurteile dreschen, nicht wahr? Aber wir sollten einer so freundlichen Einladung folgen, finde ich. Agent, Sie werden sich mit Technical Assistant Elektra zusammen zu den Koordinaten begeben, an denen sich das romulanische Schiff befindet! Sie ist Androidin und falls Sytania irgendwas bezüglich Trugbildern versuchen sollte, kann sie Ihnen dann am besten helfen, weil sie ja nicht in der Lage ist, telepathische Suggestionen zu empfangen. Ich werde mich auf die Krankenstation begeben und mal schauen, was unser kleiner Passagier und Allrounder Betsy machen. Warrior, Sie haben die Brücke!“ Damit stand sie von ihrem Sessel auf und verließ den Kommandostand. Auch Mikel tat es ihr gleich.

Ich war immer noch mit Malcolm auf der Krankenstation. Der Kleine hatte sich nur unter der Bedingung untersuchen lassen, dass ich bei ihm blieb.

„Wie es aussieht.“, wendete sich Loridana an mich, nachdem sie ihre Untersuchung beendet hatte. „Hat Sytanias Schöpfung alle Beweise vernichtet, bevor er starb. Es gibt keinen Hinweis mehr darauf, dass der Kleine je unverwundbar war, oder ein Telepathiezentrum hatte.“ „Was meint Tante Loridana, Tante Betsy?“, fragte Malcolm. „Sie meint.“, sagte ich. „Dass du wieder der kleine liebe Malcolm bist. Da ist kein Stück Monster mehr in dir. Sie muss dich also nicht operieren.“ „Dann ist ja alles gut.“, sagte Malcolm und drehte sich auf dem Biobett, auf dem er lag, zufrieden um. Dann schlief er ein.

„Er wird Nächte lang nicht geschlafen haben.“, sagte Loridana leise zu mir. „Wer weiß, zu was dieses Geistwesen ihn gezwungen hat.“ Ich nickte bestätigend.

Kissara betrat die Krankenstation. Bevor sie noch etwas sagen konnte, legte Loridana bereits gut sichtbar den Finger an ihre Lippen: „Mein Patient schläft, Commander.“ „Schon gut, Scientist.“, sagte Kissara. „Geht es ihm gut? Hat er irgendwelche Schäden zurückbehalten?“ „Soweit ich das sagen kann, kann ich das verneinen, was jedenfalls seinen körperlichen Zustand angeht. Aber mit seiner Seele dürfte es anders aussehen. Ich würde ihn und seine gesamte Familie gern an die Kollegen auf Sternenbasis 235 überweisen. Dort ist man spezialisiert auf Kriegsopfer und Traumata. Ich hoffe, Ihnen ist auch klar, dass die Radcliffes das, was sie erlebt haben, keinem zivilen Therapeuten anvertrauen dürfen.“ „Oh ja, Loridana.“, sagte Kissara. „Das ist mir klar. Aber es wird noch etwas dauern, bis wir die Familie wieder vereinen können.“ „Warum das?“, fragte die Ärztin. „Weil wir erst mal ein kleines Rätsel lösen müssen, das uns unsere Verbündeten gestellt haben.“, antwortete die Kommandantin.

Dann wendete sie sich an mich: „Sie haben etwas verpasst, Allrounder. Aber das kann Ihnen auch Mikel mal in Ruhe erzählen, wenn er wieder da ist. Das würde jetzt zu weit führen.“ „Ich bin neugierig, Commander.“, sagte ich. „Das können Sie auch sein.“, sagte Kissara. „Kommen Sie zur Brücke, sobald Sie hier entbehrlich sind!“ „Aye, Commander.“, nickte ich.

Kissara drehte sich kurz Malcolm zu. Dann sagte sie: „Unfassbar, dass Sytania diesen armen kleinen Fratz so benutzt hat!“ „Das ist ja gerade das Gemeine an ihr, Madam.“, sagte ich.

Malcolm musste sie irgendwie bemerkt haben. Jedenfalls schlug er plötzlich die Augen auf und sagte nur: „Oh, hallo, Tante Miezekatze!“ Loridana musste lachen und ich konnte nur noch: „Nein, wie süß!“, quietschen. Dann entschuldigten wir uns aber gleich wieder bei ihr. „Na, wenn Sie glauben, Ihre Reaktionen wären eine Respektlosigkeit mir gegenüber.“, sagte Kissara. „Dann sind Sie aber auf dem Holzweg. Sie haben doch nur auf dieses kleine niedliche Spätzchen da reagiert, das es nicht besser weiß.“

Sie setzte sich zu Malcolm auf das Biobett. Dann strich sie ihm mit ihrer weichen rechten Hand über den Kopf. Dabei schmeichelte sie: „Hallo, Malcolm. Ich bin die Tante Kissara. Du bist jetzt auf meinem Schiff und hier bist du sicher. Du musst jetzt keine Angst mehr haben. Es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.“ „Nich’ so schlimm, Tante Kissara.“, sagte Malcolm. Dann fragte er: „Kannst du schnurren?“ „Hm, ich weiß nicht.“, sagte Kissara und schaute dabei naseweis. „Aber soll ich es denn mal versuchen?“ „Au ja!“, quietschte Malcolm und setzte sich auf. „Also dann aufgepasst!“, sagte Kissara. Dann holte sie tief Luft und legte dermaßen los, dass das gesamte Biobett vibrierte. „Ui!“, machte Malcolm und kicherte. „Das macht Spaß! Das kitzelt!“

Kissara beendete ihre Schnurreinlage wieder. Dann sagte sie zu mir: „Wir sollten jetzt wirklich gehen, Allrounder. Der Kleine ist hier bei Loridana und Learosh doch wirklich gut aufgehoben.“ „Also gut.“, sagte ich und stand von der Bettkante, auf der auch ich gesessen hatte, auf. „Müsst ihr denn wirklich schon gehen, Tante Betsy und Tante Kissara?“, fragte Malcolm und machte ein trauriges Gesicht. „Leider müssen wir zur Arbeit.“, sagte ich. „Aber die Tante Loridana und der Onkel Learosh passen auch gut auf dich auf. Wenn wir mit der Arbeit fertig sind, kommen wir auch noch mal wieder. Das verspreche ich!“ „OK.“, sagte Malcolm. „Aber ich möchte dich noch mal knuddeln, Tante Betsy!“ „Na, dann komm mal her.“, sagte ich, drehte mich wieder zu ihm und nahm ihn fest in den Arm. Dann verabschiedeten wir uns und gingen zur Brücke.

„Der arme Junge hat ja ein total erhöhtes Liebesbedürfnis.“, stellte Kissara fest, als wir den Turbolift in Richtung Brücke betraten. „Das ist ganz logisch.“, sagte ich. „Er kann ja noch nicht verstehen, was mit ihm passiert ist. Es kann sogar sein, dass er glaubt, die bösen Dinge, die ihn das Monster, wie er es nennt, tun lassen hat, selbst getan zu haben. Für ihn muss es sich angefühlt haben, als würde er schlecht träumen. Kleine Kinder, die schlecht träumen, haben oft ein erhöhtes Liebesbedürfnis. Wir werden ihm immer wieder sagen müssen, dass er ein ganz lieber kleiner Junge ist. Ich denke, Loridana wird Ihnen das bestätigen.“ „Oh, ja.“, sagte Kissara. „Das denke ich auch. Sie scheinen sehr sichere und gute Instinkte zu haben, was Kinder angeht, Allrounder.“ „Mit Verlaub, Commander.“, sagte ich. „Das sind sicher alles nur Glückstreffer. Gegen Loridana oder einen ausgebildeten Psychologen kann ich sicher nicht anstinken mit meiner Küchenpsychologie.“ „Oh, da bin ich aber anderer Meinung.“, sagte Kissara. „Der Kleine ist in einer Situation, die ihn sehr ängstigt und an wen wendet er sich? An Sie! Sie scheinen einfach für ihn ein sicherer Anker zu sein. Das brauchen Sie gar nicht zu leugnen. Das ist weder Zufall, noch Glück, sondern einfach Ihre einfühlsame Art.“

Ich bemerkte, dass ich hier wohl nichts ausrichten konnte, also wechselte ich das Thema: „Was ist denn eigentlich passiert?“ „Nun.“, sagte Kissara. „Es sieht wohl so aus, dass wir von einem tindaranischen Programm zu einem klingonischen Raumschiffriedhof geführt worden sind, auf dem sich mindestens ein Romulaner auf einem versteckten romulanischen Schiff befindet.“, sagte Kissara. „Bitte noch einmal von vorn, Commander.“, bat ich. „Es war so.“, sagte Kissara. „Wir haben von Zirell eine SITCH-Mail erhalten, an die ein Programm angehängt war, das die Kontrolle über das Schiff übernommen und uns dann hier her geführt hat. Mikel und Elektra kümmern sich darum.“ „Ach du meine Güte!“, sagte ich grinsend. „Aber wir haben ja schon viel erlebt, das es eigentlich nicht geben dürfte. Wer hätte zum Beispiel daran geglaubt, dass sich die Klingonen mit den Genesianern und die mit Logar verbünden würden, nur um Sytania zu stoppen.“ „Und die Sache mit Ihrem Aldaner?“, fragte Kissara. „Wer hätte gedacht, dass sich Mr. Baldāri so um Sie kümmert und durch seine Art Ihnen ermöglicht, ihm so sehr zu vertrauen, dass Sie sich auf den Widerstand einlassen, der Sie zurückgebracht hat? Er hat sich ja eher wie ein Terraner, beziehungsweise ja schon fast wie ein Demetaner verhalten.“ „Er sagte mir, dass er ein sehr untypischer Aldaner sei. Außerdem hatte er schon sehr lange unter Bürgern der Föderation gelebt. Vielleicht ist auch etwas von unserem Verhalten auf ihn abgefärbt.“, sagte ich. „Ich denke, Logar wird das gewusst haben, als er, nachdem er vorher Narājas Einverständnis dafür geholt hat, sein seelisches Echo aussuchte, um mir zu helfen. Sie dürfen nicht vergessen, dass der König des Dunklen Imperiums ein Mächtiger ist, der jederzeit die Möglichkeit hat, alles und jedes zu sehen, das er will und das in jeder Dimension, die er will. Sei es nun die Zukunft, die Gegenwart, oder die Vergangenheit. Ich denke, er wusste genau, welche Knöpfe er drücken musste, um sein Ziel zu erreichen.“ „Das klingt plausibel.“, sagte sie. Dann betraten wir gemeinsam die Brücke und nahmen unsere Plätze ein.

Techniker Jannings hatte Elektra und Mikel bei den Koordinaten abgesetzt, die aus dem Programm hervorgegangen waren. Jetzt standen der blinde Terraner und die Androidin vor dem Schiff, das sich bei näherem Hinsehen Elektras tatsächlich als ein romulanisches Passagierschiff entpuppte, das nur durch ein kompliziertes Zusammenspiel aus Holographie und Täuschsendern aus der Ferne für ein schrottreifes klingonisches Kriegsschiff gehalten werden konnte. An ebendiesem Schiff öffnete sich jetzt eine Schleuse und betraten die Raumschiff. Dann schloss sich die Luke wieder hinter den Beiden. „Es scheint hier alles sehr luxuriös eingerichtet zu sein, Sir.“, erklärte Elektra und führte ihn rückwärts auf einen Sessel zu, auf dem er dann mit sanftem Druck von ihr abgesetzt wurde. „Urteilen Sie selbst.“ „Sie haben Recht, Elektra.“, sagte Mikel, nachdem er um sich getastet und die feinen Stoffe gespürt hatte. „Das hier ist bestimmt kein Schiff für arme Leute.“

Eine weitere Tür öffnete sich und aus einem Korridor kam jemand auf sie zu. „Ich grüße Sie.“, sagte der Mann, den Mikel anhand seiner Stimme als den Senator vom Video identifizieren konnte. „Ich grüße auch Sie, Senator Velar.“, sagte der Agent. „Sie haben mich also erkannt.“, sagte der Romulaner und setzte sich neben Mikel auf einen weiteren Sessel. Dann deutete er auf den freien Platz auf Mikels anderer Seite. „Ihr Technical Assistant darf sich auch ruhig setzen.“, sagte er. „Sagen Sie ihr das.“ „Sie haben ihn gehört.“, sagte Mikel in Elektras Richtung gewandt. Sie nickte und setzte sich.

„Wir scheinen ja nun beide voneinander zu wissen, wer wir sind, Agent.“, sagte Velar. „Also keine Heimlichkeiten mehr. Der gesamte Senat von Romulus ist hier. In der Vergangenheit hätte sicher niemand gedacht, dass uns die Klingonen mal helfen würden und dass wir diese Hilfe sogar annehmen würden. Aber man wirft schnell alte Feindschaften über Bord, wenn man einem viel schlimmeren gemeinsamen Feind gegenübersteht. So einen haben wir in Sytania, die aus dem stolzen romulanischen Volk nichts als Sklaven für ihre Kristallminen machen wollte. Aber als wir das erkannten, war es schon zu spät. Einige unserer Generäle erwogen sogar Rosannium einzusetzen, obwohl wir auch rudimentär telepathisch sind. Es hätte uns auch geschadet. Ohne Meilenstein wäre es viel zu gefährlich gewesen.“ „Das stimmt, Senator.“, sagte Mikel. „Aber ich finde es auch sehr klug, dass die Klingonen ein Schiff für Ihre Unterbringung gewählt haben. Auf einem Schiff sind Sie mobil und können schneller weggebracht werden, falls Ihnen Sytanias Vendar auf die Schliche gekommen wären.“ „Ganz genau, Agent.“, sagte Velar.

Er stand auf und ging zu einem nahen Replikator. Hier replizierte er für Mikel ein Glas Cola und für sich einen terranischen Kaffee. „Angesichts dessen, was wir zu besprechen haben.“, sagte er. „Sollten wir besser keine alkoholischen Getränke zu uns nehmen.“ „Was haben wir denn so Wichtiges zu besprechen, Senator?“, fragte Mikel. „Wir sollten besprechen, wie Sie Ihrer Präsidentin am besten unsere Bitte um Verzeihung und unsere Anfrage nach einem neuen Bündnis überbringen können. Wir wissen heute, da wir auch das Gefühl der Verzweiflung durch die Eroberung von Romulus durch Sytania sehr gut kennen gelernt haben, wie sich das damals für Sisko angefühlt haben muss. Sie wissen gar nicht, wie kurz wir davor standen, Rosannium einzusetzen und damit unseren eigenen Planeten zu verseuchen, nur um Sytania loszuwerden! Ähnlich muss sich Sisko auch gefühlt haben, als er den Mord an unseren Gesandten plante. Aber wie bei uns kam es auch nicht zur Ausführung der Verzweiflungstat durch die planende Kraft. Dass ein moralisch verirrter Cardassianer es war, der den Mord ausgeführt hat, spielt nur noch eine Nebenrolle, finden wir mittlerweile. Von einem Cardassianer war unserer Meinung nach auch nichts anderes zu erwarten. Die kennen nun mal keine Moral und keinen Anstand. Alles skrupellose Verbrecher, wenn Sie mich persönlich fragen. Aber mit den Cardassianern haben wir ja auch kein Bündnis. Wie gesagt, wir würden aber gern das Bündnis mit Ihnen erneuern, wenn Nugura nichts dagegen hat. Mich würde nur noch eines interessieren. Wie kommen zwei Offiziere der Sternenflotte an Bord eines genesianischen Schiffes?“ „Nun.“, sagte Mikel. „Wo wir schon einmal dabei sind, die Karten auf den Tisch zu legen, Senator: Unser Schiff ist kein Genesianisches. Gibt es hier irgendwo eine Möglichkeit, auf Transponderdaten zuzugreifen?“

Velar nickte und betätigte eine in einem Schrank versteckte Sprechanlage, die auch einen Bildschirm hatte. Am anderen Ende der Verbindung war ein Besatzungsmitglied des Schiffes, das von ihm angewiesen wurde: „Lassen Sie die einschlägigen Transponderfrequenzen nach einem Signal der Sternenflotte absuchen!“ Dann wendete er sich an Mikel: „Bitte sehr, Agent. Es ist alles für Ihren großen Auftritt vorbereitet.“ „Danke, Senator.“, sagte Mikel. Dann wandte er sich an Elektra: „Technical Assistant, ich nehme an, dass Ihr Vorgesetzter Ihnen den Befehl verraten hat, mit dem sein Programm zu aktivieren ist.“ „Das stimmt, Sir.“, sagte die Androidin. „Er lautet: demaskieren!“ „Wie denkbar einfach.“, sagte Mikel, zog sein Sprechgerät und gab das Rufzeichen der Granger ein. Dann sagte er: „Computer, hier spricht Agent Mikel. Demaskieren!“

Im selben Augenblick flackerte auch auf dem Bildschirm vor Velar die Transponderkennung der Granger auf. „Unfassbar!“, sagte der romulanische Senator und klang dabei gleichzeitig überrascht und erfreut. „Die Granger! Sie haben uns nie aufgegeben! Trotz dem wir die Föderation so vor den Kopf gestoßen haben, haben Sie uns nie aufgegeben! So etwas nenne ich wahre Größe! Sagen Sie das ruhig Ihrem Commander Kissara! Sagen Sie ihr, ich bewundere sie sehr dafür!“ „Sie weiß eben genau.“, sagte Mikel. „Dass Sytania nie gewinnen darf! Genau wie all unsere Verbündeten es auch wissen.“ „Da mögen Sie Recht haben, Agent.“, sagte der Romulaner und er und der erste Offizier der Granger stießen darauf an. „Wir werden Ihr Gesuch an Nugura weitergeben.“, versicherte Mikel dann.

In diesem Moment wurde er auf das Signal seines Sprechgerätes aufmerksam. Sofort zog er es aus der Tasche und antwortete: „Was gibt es, Kissara?“ „Wir müssen Sie holen, Mikel!“, sagte die Thundarianerin hektisch. „Es hat sich etwas auf 281 Alpha ereignet, das nur Allrounder Betsy und Ginalla gemeinsam in ihrer Funktion als Erbprätora und Prätora des Clans der Ginalla lösen können. Zirell sagt, es ist sehr dringend!“ „Sagen Sie Techniker Jannings, wir sind bereit!“, sagte Mikel. „OK.“, sagte Kissara. Dann verabschiedeten sich Elektra und Mikel noch höflich von Velar, bevor sie auf die Granger gebeamt wurden, die bald darauf auf schnellstem Weg das Sonnensystem verließ.

Auf 281 Alpha waren Zirell und Maron in Verhandlungen mit Logar vertieft, der sich mittels eines Phänomens bei ihnen gemeldet hatte. Auch fast alle anderen waren anwesend. Es ging um Elaria. „Es muss doch einen Weg geben, dass sie am Leben bleiben kann, Majestät!“, insistierte Zirell. „Ich bedaure.“, sagte Logar. „Aber es gibt keinen. Darüber war aber Elaria von Anfang an informiert.“

Alle wurden plötzlich einer schimmernden Säule ansichtig, die immer fester in ihrer Substanz wurde. Schließlich erkannte man mich, die von der Granger sofort an Bord der Basis gebeamt worden war. „Wir sind so schnell gekommen, wie wir konnten.“, sagte ich. „Was ist hier los?!“ „Logar will seine Schöpfung töten, nur weil er sie nicht mehr braucht!“, sagte Zirell. „In meinen Augen ist er deshalb nicht viel besser als Sytania!“

Ich drehte mich zum nächsten Mikrofon: „IDUSA, schaff Ginalla her!“ „Was will sie?“, fragte Maron Shimar, der sich auch, wie alle anderen, im Konferenzraum aufhielt. „Ich weiß es nicht.“, sagte er. „Aber ich denke, sie hat eine Idee und ich denke auch, wir sollten sie machen lassen, bevor die Sache hier noch eskaliert.“

Im gleichen Moment hatte IDUSA Ginalla, die auf ihrem Schiff verblieben war, zu uns gebeamt. „Was soll der Auflauf?“, fragte die Celsianerin gewohnt flapsig. „Hör mir zu!“, sagte ich. „Wir müssen abdanken, wegen der ganzen Schwierigkeiten. Ich bin Sternenflottenoffizierin und du bist auch Bürgerin der Föderation. Wir können keinen genesianischen Clan führen. Aber ich weiß schon jemanden, den wir einsetzen können. Gib du dein Amt Elaria, ich gebe meins Salmonea. Elaria ist ein Geschöpf von Logar. Geschöpfe von Mächtigen , wie Dill, Sytania, oder Logar, können sich nicht auf natürlichem Wege fortpflanzen, aber sie hätte dann ja eine Erbprätora, die das könnte. Außerdem haben wir Sytanias Dämon bezwungen, was bedeutet, dass der Clan der Ginalla jetzt nicht mehr zwingend so heißen muss. Das wäre schließlich eine Heldentat, nach der er benannt werden könnte.“

Ginalla nickte und stellte sich in die Mitte der ganzen Versammlung. Dann sagte sie: „Hört mal alle her! Ich, Ginalla, Prätora des Clans der Ginalla und meine Erbprätora, Betsy Tochter von Renata, danken hiermit aus persönlichen Gründen ab. Ich werde mein Amt an Elaria, sie das Ihre an Salmonea Tochter von Shandra übergeben.“ Damit nahmen wir beide unsere Perlenkrägen ab und legten sie vor die von uns genannten Personen hin, die sie ohne zu zögern aufnahmen. Selbst Logar staunte. „Dies ist eine Möglichkeit, die ich fürwahr nicht in Betracht gezogen habe.“, sagte der imperianische Herrscher, bevor sich sein Phänomen und damit auch er selbst wieder zurückzog. „Und du kommst jetzt erst mal auf der Stelle her und lässt dich knutschen!“, sagte Shimar zu mir. „Du kleine Superdiplomatin du!“ Er drückte mir einen nassen Kuss auf den Mund, was alle sehen konnten, ein Umstand, der mir aber total egal war. „Na, da haben wir ja wirklich einen Grund zum Feiern.“, sagte Zirell erleichtert. „Den hätten wir sowieso.“, sagte Maron. „Radcliffes haben mir gesagt, dass sie gern vor dir ihr Eheversprechen erneuern würden, Zirell. Außerdem haben sie ja jetzt auch ihr geliebtes Kind wieder.“ „Na dann.“, sagte die Tindaranerin. „Leiten wir alles dazu Notwendige in die Wege.“

Wenige Tage darauf erfuhr ich, dass die Radcliffes sehr erfolgreich eine gemeinsame Therapie begonnen hatten. Der Clan der Ginalla hieß jetzt, nachdem er durch Shashana tatsächlich nach seiner ersten Heldentat benannt wurde, Clan der Dämonenbezwinger. Auch politisch war die Eiszeit zwischen Romulus und der Föderation endlich wieder beendet. Ironischerweise war es die Verzweiflung gewesen, aus der ein neues ehrliches und festes Bündnis erwachsen war. Das zeigte uns, so fand ich zumindest, dass es auch in der ausweglosesten Situation immer irgendwo einen kleinen Hoffnungsschimmer geben kann. Manchmal muss man eben nur etwas länger danach suchen.

ENDE

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