Zusammenfassung:
Für ihren ermüdlichen Einsatz und für ihre Tapferkeit soll Allrounder Betsy Scott den Sarek-Stern verliehen bekommen. Doch während der feierlichen Zeremonie kommt es zu einem Zwischenfall. Unerwartet taucht das junge Einhorn Benevidea auf, das auf Grund eines Missverständnisses vom Chefleibwächter der Präsidentin sofort mit einem Rosanium versetztem Lasso angegriffen udn schwerverletzt wird. Während dieses Tumultes verschwinden Commander Date und Allrounder Betsy Scott auf unerklärliche Weise, als er versucht sie zu beschützen.....
Kategorien: Fanfiction, Fanfiction > Star Trek
Charaktere: Keine
Genres: Keine
Herausforderung: Keine
Serie: Keine
Kapitel: 39
Fertiggestellt: Ja
Wörter: 150820
Aufgerufen: 353651
Veröffentlicht: 18.09.16
Aktualisiert: 20.02.17
1. Kapitel 1: Wegweisende Vorbereitungen von Visitor
2. Kapitel 2: Das schlechte Gewissen nagt von Visitor
3. Kapitel 3: Abhilfe von Visitor
4. Kapitel 4: „Eine schwere Geburt“ von Visitor
5. Kapitel 5: Zweischneidige Verleihung von Visitor
6. Kapitel 6: Heldenhaftter Saron von Visitor
7. Kapitel 7: Neue Probleme von Visitor
8. Kapitel 8: Vertrauensansätze von Visitor
9. Kapitel 9: Notlügen von Visitor
10. Kapitel 10: Vor dem „Scherbenhaufen“ von Visitor
11. Kapitel 11: Stacheln im Fleisch von Visitor
12. Kapitel 12: Eine Wahnsinnstat von Visitor
13. Kapitel 13: Verwunderliche Ergebnisse von Visitor
14. Kapitel 14: Befreiungsversuche von Visitor
15. Kapitel 15: Überraschende Wendungen von Visitor
16. Kapitel 16: Hochzeitsvorbereitungen mit Magengrummeln von Visitor
17. Kapitel 17: Ein Gordischer Knoten platzt von Visitor
18. Kapitel 18: Endlich Kontakt! von Visitor
19. Kapitel 19: Ein entscheidender Tipp von Visitor
20. Kapitel 20: Vorbereitungen zum Attentat von Visitor
21. Kapitel 21: Unverhoffte Rettung von Visitor
22. Kapitel 22: Die Operation von Visitor
23. Kapitel 23: Heuchlerische Hochzeit von Visitor
24. Kapitel 24: Die Maske fällt von Visitor
25. Kapitel 25: Neue Gefahren von Visitor
26. Kapitel 26: Tödliche Konspiration von Visitor
27. Kapitel 27: Ein manipulativer Akt von Visitor
28. Kapitel 28: Vorbereitungen zum Weltuntergang von Visitor
29. Kapitel 29: Überraschende Verbündete von Visitor
30. Kapitel 30: Entscheidende Schritte von Visitor
31. Kapitel 31: Waffe Wahrheit von Visitor
32. Kapitel 32: Ein Wiedersehen, das Wege weist von Visitor
33. Kapitel 33: In aufschlussreicher Gefangenschaft von Visitor
34. Kapitel 34: Die Hetze trägt Früchte von Visitor
35. Kapitel 35: Ouvertüre zum doppelten Spiel von Visitor
36. Kapitel 36: Semvoks „Paukenschlag“ von Visitor
37. Kapitel 37: Unvermutete Schützenhilfe von Visitor
38. Kapitel 38: Kampf der Königinnen von Visitor
39. Kapitel 39: Aufregende Rückkehr von Visitor
Kapitel 1: Wegweisende Vorbereitungen
von Visitor
Ruhig glitt die Raumjacht der Präsidentin der Föderation im zeitlosen Schwarz des Alls dahin. Da ihr Büro fast schalldicht abgeschirmt war, bekam Nugura vom Wummern des Warpantriebs kaum etwas mit. Das war auch sehr gut so, denn sie war sehr in ihre Arbeit vertieft. Sie hatte ja schließlich eine Zeremonie vorzubereiten. Es war lange her gewesen, seit sie einmal jemandem den Sarek-Stern verliehen hatte. So lange, dass Nugura sich kaum noch an die Worte ihrer eigenen Rede erinnern konnte und Saron, ihren immer fleißigen Sekretär, gebeten hatte, ihr den notwendigen Text aus der Datenbank der Sternenflotte herauszusuchen. Das hatte Saron auch getan. So saß sie nun also vor ihrem Bildschirm und prägte sich das Zeremoniell ein.
Aber auch Sarons Job war damit nicht getan. Er war ebenfalls in seine Arbeit in seinem Büro vertieft, das nur durch eine Verbindungstür von dem seiner Vorgesetzten getrennt war. Hier sortierte er Akten und tat Dinge, die ein Sekretär ebenso tut. Der Demetaner hatte seinen Schreibtisch immer sehr gut aufgeräumt. Deshalb ging ihm die Arbeit auch sehr flüssig und schnell von der Hand. Nebenbei fand Saron sogar noch Zeit, die Vorgänge des Abbremsens zu zählen, die Allrounder Lars Janson, der schwedische Pilot der Space Force One, in bestimmtem zeitlichen Rhythmus initiierte, der sich verkürzte, je näher sie der Erde kamen. Janson hatte Saron einmal gesagt, dass es gesünder für alle Beteiligten sei, wenn er das Schiff langsam auf Impuls herunterbremste und es nicht erst dann tat, wenn man das Sonnensystem der Erde bereits erreicht hätte. So würde ja schließlich nicht alles durcheinanderfliegen. Dass dies ein alter Pilotenwitz war, hatte selbst der Sekretär verstanden, was Janson sehr erstaunt hatte. Aber auch Saron war klar, dass die Stabilisatoren im 30. Jahrhundert durchaus in der Lage waren, schnelle Bremsmanöver zu kompensieren. Aber diese Einstellung der Umweltkontrollen wirkte ja hauptsächlich nach innen. Der Druck auf die äußere Hülle blieb. Saron konnte die Bremsmanöver selbstverständlich nur durch das obligatorische Surren wahrnehmen, welches er auch nur sehr leise hörte, aber er hörte es. So wusste er, dass sie die Erde bald erreicht haben würden.
Saron wandte sich dem Bildschirm zu, auf dem er eine offene SITCH-Mail hatte, die gerade von seiner Vorgesetzten gekommen war. In dieser fand er nicht nur die Aufforderung zur Replikation des Sarek-Sterns, sondern auch einen Code, den eigentlich nur die Präsidentin besaß und der sie allein zum Replizieren von Orden und Medaillen berechtigte. Da Nugura aber wusste, dass Saron damit kein Schindluder treiben würde, hatte sie diesen ausnahmsweise einmal an ihn weitergegeben. Sie war ja ohnehin noch viel zu sehr mit dem Üben der eigenen Rede und ihres Teils der Zeremonie beschäftigt.
Der Demetaner stellte sich so hin, dass er den Bildschirm seines Rechners und den Replikator gleichermaßen im Blick hatte. Dann suchte er aus dem Menü für Medaillen und Orden den Sarek-Stern am Bande heraus, gab Nuguras Code auf Aufforderung des Replikators ein und wartete auf das Ergebnis, das er gleich darauf sehr genau betrachtete.
Im Auswurffach des Gerätes lag bald darauf ein rotes samtenes Kissen, welches eine Vertiefung in der Mitte aufwies. In dieser lag ein silberner flacher runder Taler von etwa 20 cm Größe und ca. einem Zentimeter Höhe. An dessen Rand, der mit allerlei Symbolen verziert war, die im wesentlichen Planeten und Sonnensysteme zeigten, befand sich eine Öse mit einem goldenen geflochtenen Band, das lang genug war, um es als Halskette zu benutzen. Mittels eines Federverschlusses konnte es auf die gewünschte Länge eingestellt werden. Die Vorderseite des Talers zierte das Bildnis von Botschafter Sarek, der mit ausgestreckten Armen und neutralem Gesichtsausdruck quasi im Schwarz des Alls stand und auf jeder seiner ausgestreckten Hände einen Planeten balancierte. Beide Planeten hielt er so, dass sie beide genug Licht von der im Hintergrund abgebildeten Sonne abbekamen. Auf der Rückseite des Talers stand: „Verliehen für besondere diplomatische Leistungen an Allrounder Betsy Scott am 22.05.3040.“ Dies hatte Saron gewusst, da es auch als Teil des Auftrags in der Mail stand und auf Anfrage des Gerätes eingegeben. Nuguras Sekretär war ja schließlich über die Vorgänge an seinem Arbeitsplatz informiert gewesen.
Erneut hatte Saron den Sarek-Stern umgedreht und sich seine Vorderseite betrachtet. Persönlich fand er das Bild sehr pathetisch und fragte sich, was wohl den Künstler dazu bewogen hatte, ein solches Bild zu benutzen, als er den Stern entworfen hatte. Wie hatte man sich damals nur für einen derart theatralischen Entwurf entscheiden können?! Dem vulkanischen Namensgeber des Sterns hätte er sicher nicht gefallen! Sicher hätte Sarek darauf hingewiesen, dass dieses Bildnis völlig unlogisch sei, da ja auch Vulkanier nicht frei im All ohne Sauerstoffgerät und Raumanzug überleben könnten. Aber an ihm war hier nichts dergleichen zu sehen. Er trug nur einen normalen in neutralem Schwarz gehaltenen Anzug. Schließlich kam Saron mit sich überein, dass ja die Kunst auch immer Geschmackssache war und ja oft auch im Auge des Betrachters lag und über Geschmack und Kunst konnte man ja bekanntermaßen vortrefflich streiten.
Saron nahm das Kissen auf und ging damit am ausgestreckten Arm zur Zwischentür, als wollte er es seiner Vorgesetzten wie eine Art Beute aus einem Kampf präsentieren. Dann betätigte er aber dennoch die Sprechanlage: „Präsidentin, ich habe den Sarek-Stern repliziert, wie Sie es mir aufgetragen haben.“ „Sehr gut, Mr. Saron.“, kam es abgeklärt zurück. „Bitte kommen Sie herein und legen Sie ihn auf meinen Schreibtisch. Dann muss ich ohnehin noch etwas mit Ihnen besprechen.“ „Ja, Präsidentin.“, erwiderte Saron und beendete die Verbindung.
Er legte den Zeigefinger seiner rechten Hand auf den Sensor und die Zwischentür glitt beiseite. Dann betrat er Nuguras Büro, in dem an Der Rückwand ein in brauner Holzoptik gehaltener Schreibtisch und in einer Ecke ein kleiner runder Konferenztisch stand. Vor dem Schreibtisch stand ein großer brauner Bürostuhl, auf dem Nugura saß. Der Konferenztisch in der Ecke war von vier kleinen hellen gepolsterten Sesseln umgeben. Diese Einrichtung entsprach allen Einrichtungen in Nuguras Büros sowohl auf der Regierungsbasis, als auch in ihrem Büro auf Elyrien und so auch der hier auf dem Schiff.
Vorsichtig näherte sich Saron. Dann hielt er Nugura das Kissen mit dem Sarek-Stern direkt unter die Nase. „Hier ist er, Präsidentin.“, sagte er und legte das Kissen mit dem Orden vor Nugura auf dem Schreibtisch neben der Konsole für den Rechner ab.
Die Präsidentin sah kurz von ihrem Schirm auf. Dann sagte sie: „Ah ja, Mr. Saron. Vielen Dank. Ich möchte Sie aber bitten, mir bei einer Sache behilflich zu sein. Ich würde die Zeremonie gern proben und Sie bitten, temporär die Rolle Allrounder Scotts zu übernehmen. Sie können den Text, den Sie sprechen müssten, gern ablesen.“ „Warum möchten Sie das, Sea Federana?“, fragte Saron. „Ich glaube kaum, dass Sie Lampenfieber haben müssen. Aber ich denke, wir haben ein viel größeres Problem. Ich kenne Scott ein wenig und glaube einschätzen zu können, wie sie auf Ihren Vorschlag, ihr den Sarek-Stern am Bande zu verleihen, reagieren wird. Ich befürchte, dass sie die Auszeichnung gar nicht annehmen wird, so bescheiden, wie sie sich immer gibt. Sie wird sagen, dass es ja gar nicht ihr Verdienst war, dass Cirnach und Telzan mit ihr, Shimar und Mr. Scott zusammengearbeitet haben. Ich kenne die Berichte und weiß daher, wie die Sache abgelaufen ist. Außerdem hat Scott sich meines Wissens gegenüber Agent Mikel selbst angezeigt, weil sie gegen die Oberste Direktive verstoßen hat.“ „Ihres Wissens also, Mr. Saron.“, sagte Nugura und kratzte sich übertrieben pathetisch am Kopf. „Und was hat der Agent Ihres Wissens mit der Situation gemacht?“ „Bedauerlicherweise, Präsidentin.“, gab Saron zu und machte ein beschwichtigendes Gesicht. „Habe ich darüber keine Informationen. Ich habe das ja auch nicht von ihm direkt erfahren. Es gibt nur eine Menge Gerüchte.
Nugura sah ihren Sekretär tadelnd an. „Sie wissen, was ich von Gerüchten halte, Mr. Saron. Man sollte sie nicht länger aufrechterhalten, wenn man sie entweder verifizieren, oder sie auch negieren kann! Vergessen Sie die Generalprobe! Ich werde das schon hinbekommen! Stattdessen werden Sie mich sofort mit Agent Mikel an Bord der Granger verbinden! Sofort, Mr. Saron! Haben Sie verstanden?! Was auch immer Scott getan hat, das musste sie tun. Sie hatte keine Wahl. Irgendwie musste sie Valora ja die Augen öffnen und das Band zwischen Sytania und ihr zerstören. Hätte sie das nicht getan, dann wären wir heute alle Sytanias Sklaven! Die Oberste Direktive stammt aus einer Zeit, in der mit Gegnern wie Sytania und ihrer Schliche nicht im Geringsten gerechnet wurde. Deshalb müssen wir sie …“
Saron war erschrocken zusammengefahren. „Wollen Sie mir damit etwa sagen, das Gesetz der Gesetze überhaupt sei nicht mehr aktuell, Sea Federana?“, stammelte er. „Zumindest bedarf es meiner Ansicht nach einer Novellierung.“, sagte Nugura. „Es müssen sicher noch einige neue Kommentare geschrieben werden, die den genauen Umgang mit ihr in einer solchen Situation regeln. Aber damit sollen sich die Juristen befassen. Das hier liegt noch nicht in unserem Zuständigkeitsbereich. Erst einmal muss eine Novelle ausgearbeitet werden und dann geht sie in erster Lesung durch das Parlament. Sollte dann noch etwas zu verbessern sein, gibt es eine zweite und eine dritte Lesung und so weiter, Mr. Saron. Aber da berichte ich Ihnen ja bestimmt nichts Neues. Als mein Sekretär kennen Sie sich ja sicher auch etwas mit Politik aus.“ „Sie haben vergessen, Präsidentin.“, begann Saron. „Dass Sie ja zuerst einmal einen Antrag auf Novellierung der Obersten Direktive stellen müssten.“ „Das habe ich nicht vergessen, mein lieber Saron.“, sagte Nugura. Ich wollte nur wissen, ob Sie auch aufpassen. Aber da Sie das ja offensichtlich getan haben, mache ich mir da keine weiteren Sorgen. So und nun gehen Sie bitte in Ihr Büro zurück und schalten mir meine Verbindung mit Agent Mikel!“ „Sofort, Sea Federana.“, sagte Saron und machte auf dem Absatz kehrt, um wieder sein Büro aufzusuchen und von dort aus Nuguras Wunsch nachzukommen. Er wusste, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb. Janson hatte die Jacht nämlich in der Zwischenzeit schon auf Impuls gebremst, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie sich bereits im irdischen Sonnensystem befinden mussten. Er wusste, die Granger würde auch bald dort eintreffen. Aber die Tatsache, dass Nugura mit Mikel sprechen wollte, war wohl auch etwas, das seine Berechtigung hatte, denn zwischen Kissara und Nugura war sicher auch noch etwas zu klären. Der Ort, an dem die Verleihung stattfinden sollte, war nämlich der Park vor dem Kapitol in Washington und hier hatte George Jones, der Präsident der Erde, schließlich das Hausrecht, auch wenn Nugura, als Präsidentin der gesamten Föderation, sicher noch über ihm stand. Aber Saron dachte, dann könnte seine Vorgesetzte gleich auch alles klären. Sicher würde er ihr auch noch eine Verbindung mit Jones schalten müssen. Aber jetzt rief er zunächst einmal das externe Kommunikationsprogramm der SITCH-Anlage der Jacht über seinen Rechner auf, um dann das Rufzeichen der Granger gefolgt von dem direkten Rufzeichen des Agenten einzugeben. Ihn selbst interessierte insgeheim auch sehr, wie Agent Mikel mit meiner Selbstanzeige umgegangen war, aber es stand ihm sicher nicht zu, den Agenten direkt danach zu fragen. Er würde später seine Vorgesetzte darauf ansprechen müssen in der Hoffnung, dass sie es ihm überhaupt verraten würde.
Kapitel 2: Das schlechte Gewissen nagt
von Visitor
Auch wir waren auf dem Weg zur Erde. Ich hatte Nachtschicht auf der Brücke gehabt und diese gemeinsam mit Mikel verbracht, der mir auf meine Selbstanzeige hin gesagt hatte, er wolle sich darum kümmern. Das hatte für mich bedeutet, dass er mich eigentlich, zumindest meiner Ansicht nach, in die Arrestzelle sperren müsste. Nichts dergleichen war aber passiert. Er hatte mir nur gesagt, er müsse noch mal für kleine Sternenflottenoffiziere und würde deshalb schon fünf Minuten vor Schichtende gehen. Er hatte mich gefragt, ob ich denn zurechtkäme, was ich verwundert bejaht hatte.
Ich hörte die Tür der Brücke, die sich langsam öffnete. Dann bewegten sich weibliche Schritte auf mich zu. „Commander?“, fragte ich. „Nein.“, gab eine helle Stimme zur Antwort. „Hier ist Ribanna. Ich löse dich ab, Betsy. Du weißt ja, dass wir nicht dazu gekommen sind, mich auf der Reservistenbasis abzusetzen. Commander Kissara hat aus der Not aber eine Tugend gemacht und bestimmt, dass ich dich, wenn es mein Gesundheitszustand zuließe, dann eben ablösen soll, wenn deine Schicht endet. Du weißt ja, dass mich dein Großvater und dein Freund in eine leichte Glaubenskrise gestürzt hatten, die jetzt aber wieder vorbei ist. Ich konnte mit Agent Mikel sehr gut darüber reden, weil er sich mit Geistern recht gut auskennt.“ Sie lächelte hörbar bei ihren letzten Worten. „Mit Agent Mikel reden.“, entgegnete ich. „Ja, das würde ich auch gern! Stell dir vor, Ribanna! Er wollte mich nicht verhaften! Er wollte mich einfach nicht verhaften! Kannst du dir das vorstellen?!“ „Warum sollte er dich denn verhaften?“, erkundigte sich die sichtlich irritierte Indianerin. „Welchen Verbrechens sollte man dich denn anklagen?“ „Des Verbrechens überhaupt, Ribanna.“, sagte ich. „Des schlimmsten Verbrechens, das eine Offizierin der Sternenflotte überhaupt begehen kann, wenn sie gegen das Gesetz der Gesetze verstößt! Er ist wohl nachlässig in seinen Ermittlungen geworden, weil wir Freunde sind. Aber das darf für ihn normalerweise keine Rolle spielen! Wenn er befangen ist, dann muss eben ein anderer Agent mich verhaften. Aber der Computer sagt, er hat zu keinem seiner Kollegen Kontakt aufgenommen, seit ich mich angezeigt hatte. So nachlässig kenne ich Mikel gar nicht! Was ist nur los mit ihm, Ribanna?! Was ist nur mit ihm los?!
Der empörte Ausdruck in meinem Gesicht war ihr nicht verborgen geblieben. Dessen war ich sicher. Sie aber stellte sich nur ruhig neben mich und sagte dann: „Wenn dich das so stört, dann geh doch zu Mikel und rede mit ihm. Man kann sehr gut mit unserem Ersten Offizier reden. Glaub mir. Ich spreche da aus Erfahrung. Trösten kann er ganz fabelhaft.“ Ihre Stimme klang etwas ironisch. Sie schien mehr zu wissen als ich. „Ich brauche keinen Trost, sondern Gerechtigkeit!“, sagte ich laut und fest. „Jedenfalls werde ich den Orden von Nugura nicht annehmen! Wie sieht das denn aus, wenn Sie einer Hochkriminellen einen Orden verleiht und die ihn auch noch annimmt?! Nein! So eine bin ich nicht! Aber das mit dem Reden war eine gute Idee von dir, Ribanna. Ich werde Mikel noch einmal aufmerksam machen.“
Ich stand von meinem Sitz auf, nachdem ich mich ordnungsgemäß aus dem System abgemeldet hatte, damit sie sich anmelden konnte. Dann sagte ich noch: „Sie verhält sich ganz normal. Es gibt nichts, auf das du gezielt achten müsstest.“ „OK.“, sagte Ribanna und gab ihre Zugangsberechtigung ein.
Ich hingegen packte meinen Taststock aus und verließ die Brücke in Richtung des nächsten Turbolifts, der mich zum Wohn- und Freizeitdeck brachte. Hier suchte ich das nächste Computermikrofon im Flur auf und fragte hinein: „Computer, wo ist Agent Mikel?“ „Agent Mikel befindet sich in seinem Quartier.“, kam eine nüchterne Antwort zurück. „Danke.“, zischte ich und drehte mich in Richtung des Gangs, in dem Mikels und mein Quartier nebeneinander lagen.
An seiner Tür angekommen suchte ich mir sofort den Knopf für die Sprechanlage und betätigte diese. „Ja.“, meldete sich ein etwas genervt klingender Mikel. Mir war zwar klar, dass er nach einer Nachtschicht liebend gern sein Bett aufgesucht hätte, diese Sache verlangte aber dringend nach Klärung. Deshalb sagte ich auf Deutsch: „Mikel, hier ist Betsy. Ich muss mit dir reden! Es ist sehr dringend!“ „Na gut.“, sagte Mikel. Dann glitten die Türen vor mir auseinander, ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass ich herein kommen sollte.
Ich hatte sein Quartier betreten und das Nächste, das ich spürte, war seine Hand, die meine fasste und mich mit sich ins Wohnzimmer zog. Er musste im Flur auf mich gewartet haben. „Was ist denn noch?!“, fragte er genervt. „Sag bitte nicht, es ist wegen deiner Selbstanzeige. Ich habe gesagt, ich würde mich darum kümmern und das habe ich getan, indem ich sie fallengelassen habe. Es existiert nämlich gar keine Handhabe.“ „Keine Handhabe?!“, fragte ich empört. „Wieso keine Handhabe?!“ „Ich habe gegen die Oberste Direktive verstoßen, Mikel! Die Rotash haben durch mich eine schwere Glaubenskrise erfahren und das nur, weil ich …!“ „Genau!“, unterbrach er mich. „Weil du die Situation verändert hast, um Valora die Augen zu öffnen! Damit hast du uns alle gerettet! Du hast also in Nothilfe gehandelt! Es war völlig in Ordnung, was du getan hast! Wenn du das nicht getan hättest, dann wären Sytania und Valora heute immer noch verbündet, Sytania hätte Valora immer noch ausgenutzt und wir wären ihre Sklaven! Hätte dir das etwa besser gefallen, nur um einem Gesetzbuch Genüge zu tun?! Du weißt doch, dass Sytania längst versucht, unsere Gesetze gegen uns zu verwenden. Gut, die Oberste Direktive stammt aus einer Zeit, in der das noch kein Feind gewagt hatte, weil sie vielleicht auch nicht die Mittel dazu hatten, die Sytania, als eine Mächtige, aber durchaus hätte. Aber mit deiner mutigen Handlung hatte sie nicht gerechnet. Deshalb war sie überrascht und wir konnten sie auf dem falschen Fuß erwischen! Wie gesagt, es war richtig, Betsy! Es war richtig! Ich würde allenfalls jeden tadeln, der das in deiner Situation nicht genauso gemacht hätte! Außerdem standst du unter Invictus‘ Einfluss! Du warst also nicht schuldfähig!“ „Hör auf, diese Sache zu verharmlosen!“, schrie ich. „Wir reden schließlich nicht davon, dass ich einer alten Frau auf der Straße zur Hilfe gekommen bin, der gerade ihre Handtasche entwendet wurde! Wir sprechen von …!“ „Doch, Betsy!“, sagte Mikel ebenfalls sehr energisch. „Genau davon reden wir, wenn die alte Frau wir alle sind, es sich bei den Dieben um Sytania und Valora handelt und die Handtasche unser aller Freiheit ist. Noch einmal: Du hast nichts Unrechtes getan! Sicher müssen die Kommentare zur Auslegung der Obersten Direktive noch einmal überarbeitet werden und es muss eine Novelle geben, seit sich unsere Situation so verändert hat. Sonst schafft es Sytania irgendwann doch noch! Aber ich bin sicher, die Politiker werden ihre Lehren daraus ziehen. Du jedenfalls hast nichts Falsches getan! Deshalb gibt es für mich auch keinen Grund, dich in die Arrestzelle zu sperren und du brauchst auch kein schlechtes Gewissen zu haben. Du darfst den Sarek-Stern ruhig annehmen! Zwing Kissara und mich bitte nicht, es dir zu befehlen!“
Er hatte kaum ausgesprochen, da ertönte das Signal der Sprechanlage. Sofort drehte sich Mikel dem Computermikrofon zu: „Rufzeichen oder Speichernamen vorlesen, Computer!“ „Das Büro der Präsidentin der Föderation an Bord ihrer Raumjacht.“, kam es nüchtern zurück.
Mikel drehte sich wieder zu mir: „Wir reden später weiter, Betsy.“, sagte er. „Also gut.“, sagte ich etwas frustriert und ging, während Mikel sich das Gespräch durchstellen ließ. Ich würde es aber nicht dabei bewenden lassen. Auf gar keinen Fall! So leicht würde er mir nicht davonkommen. Ich beschloss, zunächst zu Shimar und Scotty zu gehen, die das Gästequartier bewohnten, solange sie an Bord unseres Schiffes waren. Vielleicht hatten meine beiden Männer ja mehr Verständnis für mich.
Der Agent hatte sich dem Mikrofon zugedreht. Er ahnte, dass ihn der Computer zunächst mit Saron verbinden würde. Deshalb sagte er auch: „Hier Agent Mikel. Ich höre, Mr. Saron.“ „Hallo, Agent.“, erwiderte der demetanische Sekretär Nuguras. „Ich verbinde Sie jetzt mit meiner Vorgesetzten. Bitte bleiben Sie in der Leitung.“ „Es ist sehr höflich von Ihnen, dass Sie mir bei der Bedienung dieser Sprechverbindung helfen wollen, Aber das ist für mich selbstverständlich, Saron.“, sagte Kissaras Erster Offizier diplomatisch. „In Ordnung, Agent.“, sagte Saron und schaltete die Verbindung.
Ein Klicken in seinem Ohrhörer hatte Mikel bald verraten, dass der Vorgang des Durchstellens erfolgreich gewesen war. Er setzte sich gerade hin und salutierte. Dann sagte er: „Madam President, hier ist Agent Mikel. Was verschafft mir die Ehre Ihres Rufes?“ „Ich muss mit Ihnen über die Situation um Allrounder Scott reden, Agent.“, sagte Nugura ruhig. „Mir ist da ein beunruhigendes Gerücht zu Ohren gekommen und Sie wissen ja, wie ich zu Gerüchten stehe.“ „Das weiß ich, Madam President.“, entgegnete Mikel. „Sie mögen sie überhaupt nicht!“ „Das ist korrekt, Agent.“, bestätigte das Staatsoberhaupt. „Deshalb würde ich gern von Ihnen erfahren, ob sie stimmen oder nicht.“ „Was sind denn das für Gerüchte, Madam President?“, fragte Mikel. „Ich werde mein Bestes tun, um Ihnen zu helfen, sie aus dem Weg zu räumen.“ „Das können Sie vielleicht tatsächlich.“, sagte Nugura. „Es geht das Gerücht um, der Allrounder wolle den Sarek-Stern gar nicht annehmen. Was sagen Sie dazu?“ „Bedauerlicherweise ist das kein Gerücht, Präsidentin.“, sagte Mikel. „Gestern hat sie sich selbst des Verstoßes gegen die Oberste Direktive angezeigt. Ich aber habe die Ermittlungen fallengelassen, weil dafür überhaupt kein Anlass besteht. Was sie getan hat, tat sie als Nothilfe. Wenn sie es nicht getan hätte, dann wären wir heute alle Teil von Sytanias neuem Reich und hätten garantiert keine sehr hohe Stellung dort.“ „Das lässt sich denken, Agent.“, antwortete Nugura. „Aber wie hat Scott denn Ihre Einlassung zum Thema Notwehr aufgenommen? Ich nehme an, Sie haben es ihr gesagt.“ „Es geht um Nothilfe und nicht um Notwehr.“, korrigierte Mikel. „Wo liegt der Unterschied, Agent?“, fragte Nugura. „Bitte erklären Sie es mir doch noch einmal.“ „Gern.“, sagte der ausgebildete Agent geduldig. „Wenn Betsy selbst die gewesen wäre, die von Valora veralbert werden und zum Glauben an sie verleitet werden sollte und sie sich beispielsweise mit einer Ladung Rosannium ihrer erwehrt hätte, dann wäre das Notwehr gewesen, da sie sich selbst verteidigt hätte. Bei der Nothilfe verteidigt man andere. Das hat sie getan, indem sie Valoras Status als Göttin in Zweifel zog gegenüber den Genesianern, sie enttarnte und an ihr Gerechtigkeitsempfinden appellierte. Damit hat sie zwar uns alle verteidigt, also auch sich selbst in gewissem Sinne, Aber eben nicht nur und ausschließlich sich selbst.“ „Ich verstehe, Agent.“, sagte Nugura. „Aber was hat Ihr Gespräch mit Scott denn nun ergeben? Konnten Sie für einen Meinungsumschwung bei ihr sorgen? Wird sie den Sarek-Stern doch annehmen?“ „Ihre Äußerungen waren nicht ganz eindeutig, Präsidentin.“, sagte Mikel. „Sie hat zwar darauf bestanden, den Stern nicht verdient zu haben, aber ich konnte ja noch gar nicht wirklich versuchen, sie zu überzeugen.“ „Und warum konnten Sie das nicht?“, fragte Nugura. „Bei allem Respekt, weil Sie mir dazwischengefunkt haben, Madam President.“, sagte Mikel. „Oh, das tut mir leid, Mikel.“, lächelte die Oberbefehlshaberin der Sternenflotte. „Hätte ich das geahnt, dann hätte ich Sie zu einem späteren Zeitpunkt gerufen.“ „Schon vergeben.“, sagte Mikel und lächelte ebenfalls. „Aber Sie sollten es noch einmal versuchen, Agent. Ich habe bereits alles mit meinem irdischen Amtskollegen abgesprochen und es wäre doch sehr schade, wenn die ganze Vorbereitung umsonst gewesen wäre. Außerdem muss sie sich keine Sorgen um ihren Status machen. Scott meine ich. Ihre Handlung war gerechtfertigt. Ich habe ja alle Berichte zu dieser Mission auch gelesen. Inklusive der Berichte der Tindaraner und dem von Time und seiner Crew. Es gibt für mich keinen Grund, Scott als Kriminelle zu bezeichnen, auch wenn sie dies in ihrem eigenen Bericht noch einmal unterstreicht. Ich frage mich, was ihr wann passiert sein mag, dass sie so eine Angst vor dem Übertreten von Regeln und Gesetzen verspürt. Aber Sie kennen sie ja schon eine Weile länger. Vielleicht können Sie mir ja den entscheidenden Hinweis geben, Agent.“ „Bedaure.“, sagte Mikel und zuckte mit den Schultern. „Aber den Grund dafür kenne ich auch nicht. Mit deutscher Gründlichkeit allein kann das nichts zu tun haben, denn dann wäre ich ja auch betroffen. Aber ich kann es Ihnen beim besten Willen nicht sagen, Nugura.“ „Sei’s drum.“, sagte Nugura. „Gibt es jemanden unter Ihnen, dem Scott genauso sehr vertraut wie Ihnen?“ „Ich denke, dass Commander Kissara vielleicht einen Weg finden könnte, sie doch noch zu überzeugen.“, sagte Mikel. „Sie kann sehr gut schmeicheln und trösten. Für eine Thundarianerin ist das normal. Ihr Verhalten erinnert oft an das irdischer Katzen, wenn sie etwas erreichen wollen. Aber für Kissaras Rasse ist ein solches Vorgehen völlig normal.“ „Ach wie gut, dass die Granger eine thundarianische Kommandantin hat.“, seufzte Nugura und lehnte sich lächelnd in ihrem Stuhl zurück. „Bitten Sie doch Kissara darum, Ihnen bei der Überzeugung des Allrounders behilflich zu sein. Ich bin sicher, sie wird es gern tun.“ „Dessen bin ich mir auch sicher.“, sagte Mikel erleichtert. „Vielen Dank, Madam President.“ „Gern geschehen, Mikel.“, entgegnete die Präsidentin der Föderation. „Ich muss allerdings zugeben, dass ich nicht ganz uneigennützig gehandelt habe, als ich Ihnen den Vorschlag machte.“ „Verstehe.“, scherzte Kissaras Erster Offizier. „Sie wollen verhindern, dass die Kanapees verderben!“ „Ich wusste, wir verstehen uns.“, scherzte Nugura zurück und beendete die Verbindung.
Sogleich verfasste Mikel eine SITCH-Mail an Kissara, in der er ihr das Problem schilderte. Ihre sofortige Antwort, sie würde sich darum kümmern, erleichterte ihn sehr. Jetzt konnte er in aller Ruhe schlafen gehen.
Scotty hatte sich im Wohnzimmer des Gästequartiers auf dem Tisch ausgebreitet. Genauer hatte er dort eine Arbeit ausgebreitet, an der er jetzt schon einige Minuten saß. Auf dem Tisch verstreut lagen technische Einzelteile und Werkzeug. Davor saß ein konzentrierter Scotty, der mit ruhiger Hand gerade dabei war, alles in bestimmter Weise zusammenzufügen.
Da er seine Augen auf seine Arbeit gerichtet hatte, bemerkte er Shimar nicht, der langsam durch die Tür gekommen und an ihn herangetreten war. „Darf ich erfahren, was du da ausbrütest?“, fragte der junge Tindaraner, der mit dem, was er dort vor sich sah, nun so gar nichts anfangen konnte. „Das darfst du.“, sagte Scotty und sah kurz von seiner Arbeit auf. „Das wird ’n Geschenk für Betsy, das ich ihr überreichen werde, wenn der ganze Zinnober um ihre Ordensverleihung vorbei is’. Das is’ sozusagen meine Gratulation, oder sollte ich besser sagen, die unsere. Du wirst den Neurokoppler nämlich für mich testen. Als Tindaraner bist du ja Experte in so was. Schließlich kann und will ich meinem Darling ja keinen Murks andrehen.“ „Ich glaube kaum, dass du Murks machen wirst.“, sagte Shimar. „Schließlich bist du Seine Majestät Montgomery der Erste, König der Bastler und Vernichter der Fehlerquellen. Du kannst …“
Er fuhr zusammen und gab einen Laut von sich, der Scotty zum Zuhören mahnte. „Was is’?“, fragte der ältere Terraner. „Es ziehen Gewitterwolken auf.“, sagte der junge Telepath. „Aber das geht doch im Weltraum gar nich‘.“, scherzte Scotty. „Du weißt genau, was ich meine.“, zischte Shimar etwas unwirsch. „Betsy ist auf dem Weg hierher und sie ist sehr verstimmt. Wenn ich den genauen Grund wissen wollte, dann müsste ich in ihren Geist eindringen und das tue ich nicht ohne ihre Zustimmung. Schnell weg mit den Sachen, Scotty, bevor sie noch misstrauisch wird!“ „OK.“, sagte mein Mann, raffte in Windeseile alles zusammen und dann deponierten Shimar und er es unter dem Tisch.
Draußen vor der Tür hatte ich, wie es sich für eine gut erzogene Besucherin gehört, zunächst die Sprechanlage betätigt. Es war Shimar, dessen Stimme ich daraufhin aus dem Gerät vernahm: „Hallo, Kleines!“ „Woher weißt du, dass ich es bin?“, fragte ich erstaunt. „Deine schlechte Laune würde sogar ein Nicht-Telepath wahrnehmen können.“, flapste er. „Oh tut mir leid.“, entschuldigte ich mich und riss mich zusammen. „Ist schon gut, Kleines.“, tröstete mein Freund. „Es ist nur gerade etwas unordentlich bei uns. Ich schlage vor, du wartest an der Tür und ich hole dich ab.“ „Vorschlag angenommen.“, frotzelte ich und beendete die Verbindung. Dann stellte ich mich neben den Türpfosten und wartete auf ihn, der sich bald von innen näherte und die Tür mittels seines rechten Zeigefingers auf dem Sensor öffnete. Dann nahm er meine Hand und zog mich mit sich in den Flur, worauf sich die Tür wieder hinter uns schloss.
„Wie habe ich mir das mit der Unordnung denn vorzustellen in eurer Junggesellenbude, he?“, flapste ich. „Du hast wohl total vergessen, dass ich das eh nicht sehe, Srinadar, was?“ „Darum geht es gar nicht.“, widersprach Shimar. „Du könntest einen Unfall erleiden und ich würde dann meines Lebens nicht mehr froh. Dein Mann Scotty übrigens auch nicht.“ „Uff!“, stöhnte ich. „So schlimm?“
Wir hatten das Wohnzimmer betreten. „Scotty, ich habe Besuch mitgebracht.“, sagte Shimar an Scotty gewandt, der immer noch auf seinem Platz saß. „Hi, Darling!“, begrüßte mich mein Ehemann erfreut. „Setz dich doch.“
Ich nickte und Shimar führte mich zu einem Stuhl, der zwischen dem seinen und dem von Scotty stand. Beim Hinsetzen stieß mein rechter Fuß gegen etwas. „Was habt ihr denn da unter dem Tisch?“, fragte ich. „Ach, nur irgendwelches Gerümpel!“, sagte Scotty. „Genau.“, bestätigte Shimar. „Ich habe dir ja schon gesagt, dass wir dringend mal aufräumen müssen. Eigentlich sind wir gar nicht bereit für Damenbesuch.“ „Na dann kann ich ja wieder gehen.“, flapste ich und machte eine übertriebene Geste, als wollte ich beleidigt aufstehen. „Du machst dich, Darling.“, lobte Scotty. „Du wirst langsam richtig gut im Witzereißen.“ „Danke, Scotty.“, sagte ich und lächelte ihm zu.
Mein Mann zog mich plötzlich an sich. „Na komm mal her, Darling. Was ist denn der Grund für deine miese Stimmung?“ „Stellt euch vor.“, sagte ich. „Nugura will mir den Sarek-Stern verleihen. Dabei habe ich den gar nicht verdient. Ich habe gegen das Gesetz der Gesetze verstoßen, um mein Ziel zu erreichen. Da sind meine Verdienste doch wohl nebensächlich.“ „Du meinst wegen der Sache mit den Genesianern.“, sagte Scotty. „Aber das musstest du tun, Darling. Irgendwer musste Valora doch wieder auf den rechten Weg zurückbringen und das warst nun mal du. Invictus hat dir eben am meisten vertraut. Das hätte er sicher nich’, wenn du einen bösen kriminellen Charakter hättest. Außerdem is’ die Fassung der Obersten Direktive, die wir im Moment noch benutzen, meiner Ansicht nach so alt, dass sie schon Staub ansetzt und das nich’ zu knapp.“ Er hustete übertrieben. „Scotty hat Recht.“, sagte Shimar. „Da muss dringend was gemacht werden, sonst schafft es Sytania tatsächlich irgendwann noch einmal, eure Gesetze komplett gegen euch zu benutzen. Als Mächtige könnte sie durchaus Situationen herstellen, die auf den ersten Blick für euch wie die natürliche Entwicklung einer Gesellschaft aussehen, aber wenn man genauer hinsieht, dann würde man ihren Einfluss doch klar erkennen.“ „Das Problem könnte nur sein.“, ergänzte Scotty. „Dass die Schreibtischtäter im Oberkommando das nich’ unbedingt erkennen würden und die Politiker schon gar nich’. Die haben nämlich null Ahnung vom Leben hier draußen. Die entscheiden viel zu oft rein nach Aktenlage. Wenn sich Kirk nich’ ab und zu widersetzt hätte, dann …“ „Ich weiß.“, sagte ich. „In Geschichte war ich recht gut. Aber trotzdem darf der Zweck nicht immer die Mittel heiligen, finde ich.“ „Aye.“, machte Scotty. „Natürlich muss immer von Fall zu Fall genau geguckt werden. Da stimme ich dir vollkommen zu, Darling. Das macht die Sache dann vielleicht auch etwas kompliziert. Aber das Leben ist nun mal kompliziert und nicht schwarzweiß. Es gibt Situationen, in denen gibt es nich’ nur ja oder nein. Deshalb haben auch Computer und künstliche Intelligenzen in unserer Gesellschaft so ihre Schwierigkeiten. Aber deshalb können sie ja melden, wenn sie mit etwas nich’ klarkommen oder fragen.“ „Dafür haben wir auf Tindara ja auch die Lex Technologica.“, sagte Shimar. „Die lässt IDUSA wissen, dass sie mich oder eine andere biologische Lebensform in so einer Situation jederzeit zurate ziehen kann. Wir entscheiden dann zusammen.“ „Das habt ihr dann wohl uns voraus.“, sagte ich. „Die Rechtsprechung bezüglich künstlicher Lebensformen steckt bei der Föderation eben noch in den Kinderschuhen.“ „Das stimmt.“, urteilte mein Freund. „Aber ihr seid in unseren Augen deshalb nicht viel weniger wert.“ „Danke.“, sagte ich und brachte sogar ein leichtes Grinsen zustande.
Scotty hatte mich losgelassen und ich hatte mich wieder aufgesetzt. „Na also.“, sagte Shimar. „Es scheint dir ja schon etwas besser zu gehen. Aber so ganz sind die dunklen Wolken wohl noch nicht vertrieben. Erzähl mal. Was ist denn noch?“ „Mikel hat alles versucht, um mich zu überzeugen, den Sarek-Stern doch anzunehmen.“, sagte ich etwas unwirsch. „Ich hatte fast den Eindruck, Als würde er Nuguras Handlanger sein und unbedingt dafür sorgen müssen, dass sie ihre Feier kriegt.“ „Vielleicht will sie nur verhindern, dass der Champagner schlecht wird.“, grinste Shimar. Ich musste laut lachen.
Scotty stand auf und stellte sich vor Shimar hin. Dann sagte er übertrieben ernst: „Was fällt dir ein, in meinem Gebiet zu wildern?! Für das Reißen von Witzen bin normalerweise ich zuständig!“ „Ach ne.“, frotzelte Shimar zurück. „Aber sie durfte, Herr Oberförster, oder wie habe ich das von vorhin zu verstehen?“
Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen bekommen. „Bitte nicht streiten!“, sagte ich und machte ein trauriges Gesicht. „Das kann ich heute gar nicht gebrauchen.“
Shimar zog mich nun an sich und gab einen beruhigenden Laut von sich. Dann sagte er: „Aber wir streiten doch gar nicht, Kleines. Was ist denn heute los? Ich dachte wirklich, dein feines Gehör hätte dir das verraten können.“ „Sorry.“, sagte ich. „Aber ich habe im Moment ganz andere Dinge im Kopf. Den muss ich unbedingt wieder freikriegen, bevor wir auf der Erde ankommen. Lasst mich bitte gehen.“ „OK.“, sagte Shimar und ließ mich los. Auch Scotty gab einen bestätigenden Laut von sich. Dann verließ ich das Gästequartier.
Shimar hatte sein Sprechgerät gezogen. „Was willst du?“, fragte Scotty. „Sie will zu IDUSA.“, sagte Shimar. „Und wir beide sollten zu Commander Kissara gehen. Wir sollten mit ihr über die Sache reden. Aber vorher kriegt IDUSA von mir noch ihre Befehle. Wenn das klappen soll, was ich vorhabe, dann wird sie diejenige sein, die Betsy ablenken muss, damit Kissara, du und ich alles vorbereiten können.“ „OK.“, sagte Scotty und sah zu, wie Shimar eine SITCH-Mail an das Rufzeichen seines Schiffes verfasste.
Ich hatte mich um einige Ecken begeben und dann in einer Nische, in der ich mich unbeobachtet wähnte, mein Sprechgerät gezogen, um dort das mir sehr gut bekannte Rufzeichen von Shimars Schiff einzugeben. Außerdem hatte ich einen Ohrhörer benutzt, damit keinem auffiel, mit wem ich sprach, der eventuell gerade vorbeikam.
„Hier ist IDUSA.“, meldete sich die elektronische Stimme des Schiffsavatars. „Was ist Ihr Begehr, Allrounder Scott?“ Da sie auch das Rufzeichen meines Handsprechgerätes kannte, wusste sie sehr wohl, wer da am anderen Ende der Leitung war. „Hol mich sofort zu dir an Bord, IDUSA.“, flüsterte ich ins Mikrofon. „Ich muss mit dir reden.“ „In Ordnung.“, sagte die künstliche Intelligenz. „Ich erfasse Sie jetzt mit dem Transporter. Bitte halten Sie sich bereit.“
Wenige Sekunden danach fand ich mich in ihrem Cockpit auf dem Pilotensitz wieder. Ich tastete nach vorn. Hier fand ich auf der Konsole tatsächlich Shimars Neurokoppler, den ich gleich aufsetzte. Er würde bestimmt nichts dagegen haben.
IDUSA, die meine Signale auch sofort identifiziert hatte, lud meine Reaktionstabelle. Dann fragte sie: „Was gibt es denn, Betsy? Wie kommt es, dass Sie gerade mit mir, einer Maschine, über Ihre Probleme sprechen wollen? Wäre nicht ein organischer Gesprächspartner besser geeignet, der Ihnen auch emotionale Unterstützung entgegenbringen kann? Oder wäre nicht sogar Ihr Schiff die weitaus bessere Wahl?“ „Nein, IDUSA.“, entgegnete ich. „Du bist genau das, was ich jetzt benötige. Ich würde gern mit Elektra reden, aber sie ist gerade dienstlich sehr beschäftigt. Die alljährlichen Wartungen laufen. Ich habe keine Ahnung, wo sie sich gerade auf dem Schiff befindet und möchte sie auch nicht stören und von ihrer Arbeit abhalten. Lycira ist außerdem zu verständig. Das kommt wohl von der biologischen Komponente, die sie in sich hat. Die hast du nicht und bist deshalb wohl neutraler. Außerdem muss ich den Kopf freikriegen. Du hängst doch sicher mit deinem eigenen Traktorstrahl am Rumpf der Granger. Shimar hat mir erzählt, dass du es gar nicht magst, wenn du in einen fremden Strahl genommen wirst.“ „Das ist korrekt.“, antwortete Shimars Schiff. „Ihr Commander hat das auch berücksichtigt und mir erlaubt, meinen eigenen Strahl einzusetzen.“ „Dann löse ihn bitte und lass uns vorausfliegen. Dann drehen wir noch ein paar Runden durch das irdische Sonnensystem. Oh, IDUSA, ich brauche dringend deinen Rat!“ „In Ordnung.“, sagte sie. „Ihren medizinischen Werten nach sind Sie aber sehr aufgeregt. Viel zu aufgeregt, um mich sicher fliegen zu können. Bitte erlauben Sie mir, Das Steuer zu übernehmen. Reden können wir trotzdem. Wie Sie mittlerweile wissen sollten, bin ich ja multitaskingfähig.“ „OK.“, seufzte ich und legte demonstrativ meine Hände in den Schoß. „Mach ruhig.“
Sie löste den Traktorstrahl und ging dann sofort auf Warp sechs, was zur Folge hatte, dass wir die Granger bald hinter uns gelassen hatten. „Worüber möchten Sie denn jetzt mit mir reden.“, fragte IDUSA verständig. „Stell dir vor!“, rief ich aus. „Nugura will mir den Sarek-Stern am Bande verleihen!“ „Die Modulation Ihrer Stimme.“, führte das Schiff aus. „Zeigt mir an, dass Sie über diesen Umstand Wut zu empfinden scheinen. Das weicht von dem ab, was ich normalerweise von biologischen Wesen erwarte. Normalerweise müssten Sie sich doch freuen. Ihr Verhalten erscheint mir unlogisch. Würden Sie mir bitte erklären, warum das so ist?“ „Die Erklärung kannst du haben, IDUSA!“, zischte ich. „Weißt du eigentlich, dass du gerade eine Verbrecherin transportierst?“ „Negativ.“, antwortete das Schiff. „Sie haben keine Vorstrafen und aktuell liegt auch kein Haftbefehl gegen Sie vor. Zumindest allen Datenbanken nach nicht, die ich kontaktieren konnte. Welches Verbrechen wollen Sie denn begangen haben, Betsy?“ „Das Verbrechen der Verbrechen für eine Offizierin der Sternenflotte überhaupt.“, erklärte ich. „Ich habe gegen die Oberste Direktive verstoßen, als ich den Genesianern die Augen über ihre neue Göttin öffnete. Das durfte ich doch normalerweise nicht. Eigentlich hätte ich doch dafür längst im Bau landen müssen und nicht noch belobigt werden dürfen. Nugura macht sich ja dadurch nicht besser als so mancher Diktator einer Bananenrepublik!“ „Nun.“, sagte IDUSA. „Ich sehe das ein wenig anders. Valora benötigte eine Medizin, da sie sich von Sytanias krankem Gedankengut hat anstecken lassen. Fast jedes Medikament hat Nebenwirkungen. Trotzdem werden die meisten von ihnen aber doch verschrieben.“ „Du meinst also, die Glaubenskrise der Rotash war eine Nebenwirkung, die wir in Kauf nehmen mussten?“ „Korrekt.“, sagte das Schiff knapp. „Außerdem waren Sie genaugenommen nicht schuldfähig. Sie standen unter dem Einfluss von Invictus.“ „Schon klar.“, sagte ich. „Den haben ein paar Genesianer nicht gekümmert. Der hatte ein höheres Ziel vor Augen. Aber das ändert leider nichts daran, was ich getan habe und dass so etwas eigentlich unter Strafe steht.“
„Initiiere Programm zur Lebenszeichenüberprüfung.“, sagte IDUSA plötzlich und begann mich zu scannen. „Überprüfung läuft. Meiner Diagnose nach sind Sie am Leben.“ „Was soll das, IDUSA?!“, fragte ich irritiert. „Natürlich bin ich am Leben! Warum sollte ich das nicht sein?!“ „Es ist also kein Blitz aus einer der vielen Heldenstatuen gefahren, die sich auf der Erde befinden und hat Sie getötet!“ „Was? Nein!“, erwiderte ich verwirrt. „Warum denn auch und vor allem wie? Das sind doch nur Bauwerke aus Stein!?“ „Ihrem Verhalten nach.“, führte sie aus. „Schreien Sie geradezu nach der höchstmöglichen Strafe und das wäre, zumindest rein technisch betrachtet, der Tod durch göttliche Fügung, auch wenn die Todesstrafe in der Föderation längst abgeschafft ist. Aber die Oberste Direktive ist meines Wissens auch kein heiliges Gebot irgendeiner Gottheit. Sie wurde verfasst von Wesen aus Fleisch und Blut, wie Sie oder Shimar eines sind. Das bedeutet, solche Wesen sind auch jederzeit in der Lage, sie der jeweiligen Situation anzupassen. Sytania hat nun einmal herausbekommen, dass sie sich prima gegen ihre eigene Schöpferin, die Föderation, verwenden lässt, wenn dort keiner aufpasst. Als Mächtige ist sie durchaus in der Lage, Situationen herzustellen, die wie eine natürliche Entwicklung aussehen können. Wenn ihr dann niemand das Handwerk legen darf, dann ist der Weg für sie frei, das Universum, in dem Ihre Heimat liegt, frei und frisch zu erobern. Weil Sie das nicht wollen, haben Sie alles getan, was in Ihrer Macht stand, um es zu verteidigen und sie zurückzuschlagen. Sicher sind die Zeiten vorbei, in denen es recht einfach war, die oberste Direktive zu interpretieren. Es muss sicher eine Novelle geben, die erlaubt, jeden Fall erst einmal gründlich zu prüfen, wenn man den Verdacht hat, dass es sich um keine natürliche Entwicklung handelt. Aber den hatten Sie ja wohl hinreichend genug.“ „Stimmt schon.“, gab ich zu. „Bitte lass mich nachdenken.“ „In Ordnung.“, sagte IDUSA. „Dann lehnen Sie sich bitte zurück und genießen Sie den Flug. Ich melde Ihnen, sobald wir die Umlaufbahn der Erde erreicht haben, oder falls sonst etwas sein sollte.“ „OK.“, seufzte ich erleichtert und ließ mich entspannt ins Polster sinken. Den Neurokoppler behielt ich aber auf, um Kontakt zu ihr halten zu können.
Kapitel 3: Abhilfe
von Visitor
Scotty und Shimar waren im Gästequartier zurückgeblieben und Scotty hatte seine Arbeit niedergelegt, um das in seinen Augen sehr seltsam anmutende Verhalten seines Freundes besser beobachten zu können. Ihm war nämlich aufgefallen, dass Shimar sehr konzentriert dasaß und seine Augen geschlossen hatte. Er überlegte, ob er ihn ansprechen sollte, befürchtete dann aber doch, eine verbale Ohrfeige wegen seiner Störung kassieren zu können. Er ahnte, dass sein Kumpel wohl gerade seine telepathischen Fähigkeiten nutzen würde. Nur der Grund und der Zweck, aus dem er das Tat, würde ihm verborgen bleiben, wenn er nicht fragen würde.
Langsam drehte sich Montgomery dann doch in Shimars Richtung und flüsterte: „Shimar, bist du aufnahmefähig?“ Darauf schmolz mein Freund tatsächlich aus seiner konzentrierten Haltung und drehte sich meinem Mann zu. Dann lächelte er mild und sagte nur leise, aber bestimmt: „Jetzt ja, Scotty.“ „Oh ich hoffe, ich habe dich nich’ gestört.“, sagte mein Mann verlegen, was bei ihm eigentlich höchst selten vorkam. Er mochte es auch gar nicht verlegen zu sein. Verlegenheit war ein Zustand, der seiner Meinung nach gar nicht zu ihm passte. „Hey. Ist schon gut.“, sagte Shimar tröstend. „Du musst dir keine Vorwürfe machen.“ „Was hast du denn da gerade versucht?“, fragte der terranische Techniker. „Um ehrlich zu sein.“, sagte Shimar. „Ich habe versucht, Commander Kissara zu finden.“ „Ach du meine Güte!“, rief Scotty aus. „Das kriegen wir doch sicher auch viel einfacher hin! Da musst du dich doch nich’ so anstrengen. Warte mal. Der liebe Scotty macht das schon.“
Er wandte sich dem nächsten Computermikrofon zu, aber Shimar winkte nur ab: „Wenn du den Computer fragst, machen wir uns verdächtig. Betsy könnte später herausbekommen, was Kissara und wir planen. Sie kann gut mit Elektra und Jannings und die beiden könnten ihr mit Sicherheit jede Bewegung aufzeigen, die wir mit Hilfe des Rechners gemacht haben. Bitte lass mich.“ „Na gut.“, sagte Montgomery und lehnte sich wieder zurück. „Du hast sicher Recht. Als Ingenieur muss ich das ja beurteilen können. Daran hatte ich tatsächlich nicht gedacht.“
Erneut begann der junge Tindaraner, sich auf sein Vorhaben, meinen Commander zu finden, zu konzentrieren. Dabei stellte er sich zunächst ihr Bild vor und dann visualisierte er sich selbst, wie er durch die Flure auf dem Schiff auf sie zu schwebte. Schließlich formte sich in seinem Geist ohne sein weiteres Zutun ein Bild. Es war das Innere der Offiziersmesse. In deren Mitte stand ein Tisch, der mit einem weißen Tischtuch bedeckt war. Auf diesem Tisch befand sich außerdem noch eine Dekoration aus weißen Lilien in einer bauchigen blauen Vase, die in der Mitte des Tisches stand. Um den quadratischen Tisch herum standen vier mit buntem Blumenmuster bezogene Stühle. Auf jedem der vier Plätze standen ein weißer mittlerer Teller und rechts und links daneben lag silbernes Besteck. Rechts oben stand jeweils ein ebenfalls weißes hohes Glas, aus dem man Sekt trinken konnte. Kissara lief geschäftig zwischen dem Tisch und dem Replikator hin und her und trug Schüsseln auf. Plötzlich aber hielt sie bei ihrer Tätigkeit inne, was Shimar veranlasste, sofort seine seherischen Fühler von ihr zu nehmen. Er dachte sich wohl, dass sie ihn gespürt haben könnte, denn das konnten Mitglieder ihrer Spezies.
Er wandte sich wieder Scotty zu: „Ich habe sie, Scotty. Sie ist in der Offiziersmesse. Anscheinend bereitet sie dort etwas vor. Ich habe nicht genau nachgesehen, aber es scheint doch um einiges zu gehen. Ich denke, dass sie eine kleine Feier plant. Vielleicht können wir ihr ja dabei helfen. Komm mit!“
Er stand auf und zog Scotty mit sich. Dann waren sie schon auf dem Weg in die Messe. „Warum hast du nich’ genau nachgesehen?“, fragte Scotty. „Sie hat mich gespürt.“, erwiderte Shimar. „Ihre Spezies kann das. Wie terranische Katzen auch sind Thundarianer in der Lage, Telepathie zu spüren. Ich wollte bei ihr nicht den Eindruck entstehen lassen, ich wolle sie ausspionieren.“ „Schon klar.“, sagte mein Mann. „Wenn die falschen Leute mitkriegen würden, dass ein Angehöriger des tindaranischen Militärs eine Angehörige der Sternenflotte ausspioniert, dann könnte das schon zu so manchem Eklat führen. Da hast du Recht.“ „Genau.“, sagte Shimar. „Und das sollten wir auf jeden Fall vermeiden.“
Sie waren vor der Tür der Messe angekommen und Shimar betätigte die Sprechanlage. Es dauerte allerdings eine kleine Weile, bis Kissara antwortete. Das machte aber weder Scotty noch Shimar etwas aus. Auch ihre kurze Antwort irritierte sie nicht weiter. Sie konnten sich sehr gut denken, dass mein Commander sehr beschäftigt war: „Ja!“ „Hier sind Techniker Scott und Shimar.“, identifizierte mein Freund beide gegenüber ihr. „Wir kommen wegen der Sache mit Allrounder Scott. Wir würden Ihnen gern behilflich sein, Commander. Wir wissen, dass Sie Befehl haben, sie von der Richtigkeit der Annahme des Sarek-Sterns zu überzeugen. Sie hat es uns gesagt.“
Kissara grinste konspirativ. Dann entgegnete sie: „Na dann!“ und ließ den Computer die Tür öffnen, worauf Shimar und Scotty den Raum betraten.
Scotty deutete auf den Tisch. „Wow!“, sagte er. „Mein lieber Schwan! Das sieht ja nach ’ner richtigen Party aus!“ „Es ist nur ein kleiner Umtrunk mit einigen Kleinigkeiten.“, sagte Kissara bescheiden. „Ich möchte, dass Betsy das Gefühl bekommt, dass wir sie alle drei für das beglückwünschen, was sie getan hat und sie auf keinen Fall in unseren Augen verurteilt wird. Ich weiß, dass normalerweise zu so etwas auch noch Kerzen gehören, aber die lasse ich mit Absicht weg. Sie würden nur eine unnötige Gefahr und eine Quelle für Angst bei Betsy darstellen. Sie soll sich ja schließlich zwischen uns Dreien wohlfühlen, nicht wahr?“ Sie schnurrte einige Male vor sich hin. „Is’ schon gut.“, sagte Scotty. „Es geht auch mal ohne Kerzen.“ Auch Shimar nickte.
„Können wir Ihnen noch helfen?“, fragte Scotty schließlich und deutete erneut auf den Tisch. „Oh nein, Mr. Scott.“, schmeichelte Kissara. „Ich bin schon längst fertig hier. Ich gebe zu, dass ich mit dieser Aktion sicherlich Neuland betrete. Sicher hat ein Captain zu früheren Zeiten nie so etwas für einen oder eine Untergebene getan, aber wir sind ja auch schon in so mancher außergewöhnlichen Situation gewesen. Manchmal muss man starre Konventionen eben auch einmal umgehen, um ein Problem zu lösen und genau das möchte ich Scott mit dieser kleinen privaten Feier verdeutlichen. Sie soll ruhig wissen, dass ich das hier ganz allein für sie und uns drei arrangiert habe.“
Sie überprüfte noch einmal ihr Werk mit ihren scharfen Katzenaugen. Dann wandte sie sich dem Computermikrofon zu: „Computer, wo befindet sich Allrounder Betsy Scott?“ „Allrounder Betsy Scott befindet sich nicht an Bord dieses Schiffes.“, kam es nüchtern zurück. „Was?!“, staunte Kissara.
Bevor sie aber noch weitere Schritte unternehmen konnte, piepte die Sprechanlage. Im Display machte sie zweifelsfrei das Rufzeichen von Ribannas und meinem Arbeitsplatz auf der Brücke aus. „Was gibt es, Ribanna?“, fragte sie. „Das tindaranische Schiff hat seinen Traktorstrahl gelöst und fliegt in einiger Entfernung vor uns.“, meldete meine indianische Kollegin. „An Bord kann ich eindeutig Allrounder Scotts Lebenszeichen ausmachen. Der Erfasser hat sie identifiziert. Soll ich mit dem Schiff zu der IDUSA-Einheit aufschließen, Madam?“ „Warten Sie, Allrounder!“, befahl Kissara und sah Shimar wieder konspirativ an. Dann sagte sie in tindaranisch korrekter anredeweise: „Du kannst uns doch bestimmt über die Situation aufklären, nicht wahr? Dein Schiff würde sich doch sicher nicht so einfach von Betsy entführen lassen, ohne dich zumindest zu verständigen und nachzufragen, ob du damit einverstanden bist.“ „Das stimmt.“, nickte Shimar. „Sie haben das richtig erkannt, Commander. IDUSA hat genaue Befehle von mir bekommen, wie sie sich verhalten soll. Ich habe nämlich auch einen Plan gefasst, mit dessen Hilfe wir Betsy doch noch überzeugen könnten. Ich zeige Ihnen die Mail. Wenn Sie die Befehle auch kennen, können wir doch umso leichter zusammenarbeiten.“
Er griff in die Tasche seiner Uniform und holte sein Sprechgerät hervor. Dann suchte er aus dem entsprechenden Verzeichnis die Mail heraus und präsentierte Kissara und Scotty das Display. „Das ist ja Tindaranisch!“, staunte Scotty, dem das Ganze wie eine Mischung aus chinesischen Schriftzeichen und einem Notenschlüssel vorkam, was für die tindaranische Schrift aber durchaus normal ist. „Natürlich ist das Tindaranisch, Mr. Scott.“, lächelte Kissara. „Shimar ist Angehöriger der tindaranischen Streitkräfte und seine IDUSA ist ein tindaranisches Schiff, das ebenfalls dem tindaranischen Militär gehört. In welcher Sprache sollte er denn sonst bitteschön die Befehle an sie formulieren?“ „Ich weiß nich’.“, witzelte Scotty. „Niederländisch vielleicht.“ Kissara und Shimar mussten lachen.
Inzwischen hatte Shimar die Mail durch das Programm seines Universalübersetzers laufen lassen und Kissara und Scotty die englische Fassung gezeigt. „Ist es besser so?“, fragte er. Mein Commander nickte und las sich die Mail im Display seines Sprechgerätes durch. „Also gut.“, sagte sie. „Damit können wir doch prima arbeiten.“
Sie wandte sich wieder der Sprechanlage zu: „Ribanna, halten Sie unseren Kurs und die Fluggeschwindigkeit. Es besteht kein Grund zur Eile. Verbinden Sie mich nur mit IDUSA!“ „Aye, Commander.“, sagte Ribanna und führte aus, was Kissara ihr gerade befohlen hatte.
Bald war das Bild Ribannas im Display der Sprechanlage dem der jungen schwarzhaarigen tindaranischen Fliegerin gewichen, als die IDUSAs Avatar auch über den Neurokoppler dargestellt wurde. Dann sagte eine stets freundliche elektronische Stimme: „Hier ist IDUSA. Wie kann ich Ihnen helfen, Commander Kissara?“ „Hi, IDUSA.“, sagte Kissara ruhig und freundlich, als spräche sie mit einem Mitglied der Besatzung eines fremden Schiffes. Sie war es zwar nicht gewohnt, gab sich aber alle Mühe, der künstlichen Intelligenz am anderen Ende der Verbindung den gleichen Respekt entgegenzubringen, als handle es sich um eine Organische, mit der sie sprach. Als Sternenflottenoffizierin war sie es ja gewohnt, die Bräuche anderer Kulturen und deren Rechtsprechung zu akzeptieren. Bei den Tindaranern würde sie da mit Bestimmtheit keine Ausnahme machen.
„Helfen kannst du mir wahrscheinlich tatsächlich.“, sagte Kissara. „Weißt du, mir ist nämlich eine meiner Offizierinnen abhandengekommen. Vielleicht hast du sie ja sogar gesehen. Sie ist ca. 1,64 m groß, von durchschnittlicher Statur, hat bräunliche kurze Haare und trägt das Rangabzeichen eines Allrounders. Ach ja. Da gibt es noch ein besonderes Kennzeichen, das dich sicher auch besonders interessieren könnte, falls du eine Reaktionstabelle von ihr erstellen solltest, damit ihr euch verständigen könnt. Sie hat kein Augenlicht. Das würde für dich bedeuten, die optischen Signale aussparen zu müssen, nicht wahr?“ „Sie haben eine erstaunliche technische Kombinationsgabe, Commander.“, sagte IDUSA. „Was Sie gerade gesagt haben, ist nämlich korrekt. Die Tabelle würde nicht funktionieren, würde ich diesen Aspekt nicht berücksichtigen. Bezüglich Ihrer Offizierin würde ich gern meine Daten prüfen. Bitte warten Sie einen kurzen Moment.“
IDUSA schickte ein kurzes Signal über den Neurokoppler. Für mich fühlte es sich an, als hätte sie mich sanft, aber bestimmt leicht in die rechte Seite gepiekt. Das hatte mich zusammenfahren lassen, denn ich war mit den Gedanken an einem anderen Ort gewesen. „Was ist, IDUSA?“, fragte ich, nachdem ich mich von meinem Schrecken erholt hatte. „Ich habe Ihren Commander in der Leitung.“, sagte Shimars Schiff. „Sie fragt nach Ihnen. Was soll ich antworten?“
Ihre Frage war für mich nicht einfach zu beantworten. Die Dinge, über die ich gerade nachgedacht hatte, waren für mich nicht einfach gewesen und ein Gespräch mit ihr, die wohl alles versuchen würde, mich doch noch von der Annahme des Sarek-Sterns zu überzeugen, war wahrlich das Letzte, was ich jetzt haben wollte. Ich wusste aber auch, dass sie nicht lockerlassen würde und dass sie Strategien wie die Ignoranz ihres Rufes durchaus durchschauen würde. Es würde also besser sein, ich brächte das Gespräch so schnell wie möglich hinter mich.
Ich setzte mich also gerade hin und sagte: „Gib sie schon her, IDUSA! Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!“ „In Ordnung.“, erwiderte das Schiff.
Dann wechselte sie den Task und sagte zu Kissara: „Ich denke, dass ich sie tatsächlich gesehen habe, Commander. Ist es vielleicht diese hier?“ Damit zeigte sie ihr kurz mein Bild. „Ja!“, rief Kissara aus. „Das ist sie tatsächlich! Was für ein Glück, dass du sie gefunden hast, IDUSA! Vielen, vielen Dank! Wo wäre ich jetzt nur ohne dich?!“ „Das mag vielleicht daran liegen, dass Sie mich gerade zu einer Tätigkeit aufgefordert haben, die uns Computern sozusagen in die Grundprogrammierung gelegt ist. Die rudimentärsten Funktionen, die wir ausführen können, sind Suchen und Vergleichen. Um das Suchen hatten Sie mich gerade gebeten.“ „Das ist wohl wahr.“, schnurrte Kissara ins Mikrofon. „Kannst du mich mit ihr sprechen lassen?“ „Selbstredend, Commander.“, sagte das tindaranische Schiff und stellte die Verbindung her.
Kissara war erstaunt, in mein doch sehr nachdenklich anmutendes Gesicht zu sehen. „Hallo, Allrounder.“, begrüßte sie mich nüchtern. „Was haben Sie sich dabei gedacht, einfach das Schiff Ihres Freundes zu entführen?“ „Ich habe sie nicht entführt, Commander.“, rechtfertigte ich mich. „Ich wollte nur mit ihr ein kleines Stück vorausfliegen, um Gelegenheit zum Nachdenken zu bekommen. Ich bin nach wie vor der Ansicht, den Sarek-Stern nicht verdient zu haben. Ich denke, wenn Nugura ihn mir gibt, dann setzt sie ein falsches Signal, Madam! Ein verdammt falsches Signal! Auf der Akademie hat man uns beigebracht, die Oberste Direktive auf keinen Fall zu übertreten. Dessen habe ich mich aber schuldig gemacht. Gut, ich gebe zu, die Sache mit der Zusammenarbeit zwischen Cirnach, Telzan und uns hat damit nichts zu tun gehabt, für deren angebliche Erreichung ich ihn bekommen soll. Aber wenn man tiefer gräbt, dann wird man diese Leiche garantiert in meinem Keller finden und dann wird man sehr viel schmutzige Wäsche waschen.“
Scotty war neben Kissara hingetreten. „Bitte geben Sie mir mal das Mikro.“, flapste er. Sie lächelte nur und reichte meinem Mann den gewünschten Gegenstand. Sie ahnte wohl, dass er definitiv etwas plante und wenn Scotty etwas plante, dann hatte das in der Vergangenheit schon oft zum Erfolg geführt.
Er räusperte sich und sagte dann: „Darling, wie gut warst du in temporaler Mechanik?“ „Ging so.“, murmelte ich zurück. „Viele andere haben es gehasst, aber ich fand es so durchschnittlich.“ „Gut.“, sagte Scotty. „Dann wird IDUSA uns hierbei helfen, damit das hier auf keinen Fall schiefgehen kann. Kann sie mich jetzt hören?“ „Sicher.“, sagte ich. „Unser Gespräch läuft ja über ihre Systeme.“ „Dann pass auf, Schiffchen.“, instruierte Scotty sie. „Erstell mal ’ne Simulation von der Situation, wie sie wahrscheinlich gewesen wäre, hätte Betsy das Band zwischen Valora und Sytania nich’ zerstört! Die zeigst du dann in aller Ruhe meiner Frau. Außerdem werden wir dieses Gespräch hier erst mal beenden, damit sie nich’ unter Druck entscheiden muss. Wenn ihr darüber geredet habt, rufst du uns wieder.“ „Verstanden, Techniker Scott.“, sagte IDUSA nüchtern und beendete die Verbindung.
„Sie machen mich neugierig, Mr. Scott.“, sagte Kissara. „Aber ich mag Situationen, die mich neugierig machen. Das haben wir Thundarianer mit irdischen Katzen ebenfalls gemeinsam. Ich persönlich finde so etwas sehr aufregend, dennoch verstehe ich nicht ganz, was Sie damit bezwecken wollen.“ „Dann warten Sie doch einfach ab, Commander.“, schlug Shimar vor. „Sie wissen doch, dass Scotty ein Talent für ungewöhnliche Lösungen besitzt, von dem sich so mancher noch eine dicke Scheibe abschneiden könnte.“ „Du hast Recht.“, schnurrte Kissara. „Also warten wir es ab.“
IDUSA hatte inzwischen die Simulation erstellt und damit begonnen, sie mir zu zeigen. Mir gefiel aber gar nicht, was ich dort zu sehen bekam. Sytania und Valora hatten die gesamte bekannte Dimension Universum mit Hilfe der Rotash unterworfen und die imperianische Königstochter war die neue Oberbefehlshaberin der Sternenflotte und das neue Staatsoberhaupt der Föderation geworden. Selbst die Aldaner oder andere starke Telepathen hatten uns nicht helfen können, denn mit der richtigen Konfiguration von Meilenstein addiert mit der richtigen Menge Rosannium gemischt mit der vereinten Macht des Einhorns und der Prinzessin war eine totbringende Herrschaft entstanden, vor der sogar Logar und Dill zitterten. Als wir dann auch noch den Befehl von Sytania persönlich auf telepathischem Weg erhielten, Meilenstein gegen Logar einzusetzen, Sytanias eigenen Vater, wurde es mir zu viel. „Stopp sofort diese schreckliche Simulation, IDUSA!“, befahl ich. „Mir wird übel!“ „Ich habe Ihnen nur das wahrscheinlichste Ergebnis präsentiert.“, sagte Shimars Schiff nüchtern. „Meinen Daten zufolge wäre das der wahrscheinlichste Ausgang der Situation gewesen, wenn Sie nicht eingegriffen hätten und Valora gezeigt hätten, was Sytania wirklich vorhatte. Wenn Sie Valora nicht in Erinnerung gerufen hätten, dass sie ja die gleichen Rechte wie Invictus hat, was die Paarung mit Sterblichen angeht und warum das von Zeit zu Zeit notwendig ist, dann wäre sehr wahrscheinlich genau das geschehen. Valora war ja auch nicht allein. Viele der anderen Stuten der Einhörner hatten sich ja auch auf ihre Seite gestellt. Die Einhörner sind die mächtigsten Wesen im Dunklen Imperium. Ich hoffe, ich muss Ihnen nicht erklären, was das bedeutet.“ „Das musst du nicht.“, sagte ich und schluckte. „Das habe ich auch so verstanden. Ruf Kissara und stopp deinen Antrieb! Ich will ihr sagen, dass ich zumindest willig bin, über die Annahme des Sarek-Sterns nachzudenken. Aber an dich hätte ich da auch noch eine Frage. Diese Sache mit dem Blitz. Das war Ironie. Das kriegst du meines Wissens nicht allein hin. Dabei brauchst du Hilfe. Ich weiß zwar, dass Shannon deine Sprachroutinen aufpeppt, aber Ironie kriegst du spontan nicht allein hin. Wer hat dir wie dabei geholfen, he?“ „Es war Shimar.“, sagte das tindaranische Schiff. „Er hat mir exakte Befehle erteilt, wie ich mich Ihnen gegenüber zu verhalten habe.“ „Er also auch.“, sagte ich bedient. „Das ist korrekt.“, sagte sie. „Wir alle sind nämlich der Meinung, Sie hätten den Stern durchaus verdient. Manchmal ist es eben notwendig, etwas über die Stränge zu schlagen um ein Ziel zu erreichen. Natürlich macht so etwas den Umgang mit der Obersten Direktive vielleicht kompliziert, aber das Leben ist auch kompliziert. Nicht immer ist alles schwarz oder weiß. Ach, ich sollte in Ihrem Fall vielleicht lieber von ja oder nein, ein oder aus, beziehungsweise null oder eins sprechen, da Sie ja mit Farben nichts anfangen können. Aber für einen Computer wie mich ist es auch schwierig bis unmöglich, Zwischentöne korrekt zu interpretieren. Dazu benötige ich oft Hilfe von biologischen Lebensformen. Aber genau wie die Lex Technologica das für uns genauso regelt, nämlich damit, dass wir in so einem Fall jemanden fragen sollen, wird es über kurz oder lang auch Kommentare und Hilfen zur Auslegung der Obersten Direktive für Sie geben. Dessen bin ich mir sicher. Ich halte Ihre Regierung durchaus für vernünftig genug dafür. Sicherlich muss jeder Fall genau geprüft werden, aber das kann man ja dann sicher tun.“ „Das stimmt.“, gab ich zu. „Wo ist die Granger?“ „Sie nähert sich jetzt von hinten.“, erklärte IDUSA. „OK.“, sagte ich. „Sobald ich mit Kissara gesprochen habe, verbindest du mich mit Ribanna. Sie soll uns dann an eine freie Schleuse weisen.“ „Wie Sie wünschen.“, sagte IDUSA. Dann begann sie damit, für mich die Verbindung mit meinem Commander herzustellen.
In der Offiziersmesse der Granger hatten Kissara, Scotty und Shimar aufgeregt abgewartet. Scotty war von einem Bein auf das andere gestiegen und Shimar hatte nervös mit den Knöpfen seiner Uniform gespielt. Kissara war schnurrend auf und ab getigert. Dabei hatte sie in ihr Schnurren auch leise gurrende Laute gemischt. Das wies auf starke freudige Aufregung ihrerseits hin. Dieses Verhalten war auch von irdischen Katzen bekannt. Ihr seidiger langer Schweif war ebenfalls aus seiner Tasche an ihrer Uniformhose gekrochen und tänzelte nun zuckend durch die Luft. Das war etwas, das Scotty noch nie gesehen hatte. Fasziniert schaute er genau hin und musste niesen. „Oh entschuldigen Sie, Mr. Scott.“, sagte Kissara. „Ich bin gerade im Fellwechsel. Da kann es schon einmal zu einigen herumfliegenden Haaren kommen. Sie sollten einmal sehen, was passiert, wenn ich abends meine Uniform ausziehe.“ „Is’ nich’ schlimm, Commander.“, sagte mein Mann und schnäuzte sich in ein eilig aus der Tasche seiner Hose gezogenes Taschentuch. Dann rieb er sich die Nase und fügte bei: „Das is’ sicher mit ein paar geringfügigen Einstellungen der Umweltkontrollen erledigt. Ich könnte Jannings sicher dabei helfen.“ „Die Umweltkontrollen in meinem Quartier sind bereits entsprechend konfiguriert.“, sagte Kissara. „Sie nehmen bereits die Haare aus der Luft. Aber trotzdem vielen Dank, Mr. Scott.“
Sie wandte sich Shimar zu: „Dein Schiff macht es spannend.“ Mein Freund nickte. „Sie ist eben sehr gründlich, Commander. Ich bin aber sicher, sie wird bald …“
Kaum hatte er ausgesprochen, piepte auch schon die Sprechanlage. „Jetzt empfängt der schon elektromagnetische Wellen.“, witzelte Scotty und Kissara und Shimar grinsten.
Blitzschnell hatte sich die Thundarianerin zur Anlage gedreht. Dort hatte sie IDUSAs Rufzeichen erkannt, die uns ja jetzt direkt rufen konnte, da sie das Unterrufzeichen der Sprechanlage in der Offiziersmesse ja jetzt kannte. „Ja, wir hören, IDUSA.“, sagte Kissara. „Commander, Allrounder Scott hat sich entschlossen, wieder auf Ihr Schiff zurückzukehren. Sie möchte zumindest über die Annahme des Sarek-Sterns nachdenken. Bitte sorgen Sie dafür, dass wir an eine freie Schleuse gewiesen werden.“ „Das sind sehr gute Nachrichten, IDUSA.“, erwiderte Kissara. „Ich werde mich sofort darum kümmern. Du musst uns aber unbedingt erzählen, wie du das angestellt hast.“ „Das haben Sie nur Techniker Scott zu verdanken.“, sagte das Schiff. „Die Simulation, welche ich auf seinen Befehl erstellt habe, hat anscheinend den Ausschlag gegeben.“ Das Gespräch endete.
Kissara wies Ribanna per SITCH-Mail an, IDUSA und mich an eine freie Schleuse zu weisen. Dann wandte sie sich meinem Mann zu: „Herzlichen Glückwunsch, Mr. Scott! Sie scheinen Ihre Frau ja sehr gut zu kennen und genau zu wissen, auf was sie reagiert.“ „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, Commander.“, sagte Scotty bescheiden. „IDUSA hat gesagt, Betsy will nachdenken. Das is’ nur die halbe Miete.“ „Na gut.“, sagte Kissara. „Dann sind wir wohl für die andere Hälfte zuständig. Holen Sie Betsy doch einfach gemeinsam mit Shimar an der Schleuse ab! Dann bringen Sie Zwei sie hier her und dann werden wir ja sehen.“ Sie grinste konspirativ und schnurrte. „OK.“, sagte Scotty und winkte Shimar: „Du hast die Dame gehört, Junge. Komm schon!“ Damit waren er und Shimar aus der Messe verschwunden. Kissara setzte sich nur ruhig auf den Stuhl am Kopfende des Tisches und begann zu schnurren. So würde sie jetzt abwarten, bis wir Drei zurück waren.
IDUSA war den Positionslichtern gefolgt. So hatten wir bald die freie Schleuse erreicht. „Denken Sie, dass Sie sich doch noch zur Annahme des Sarek-Sterns durchringen können?“, wollte das Schiff von mir wissen. „Ich weiß es noch nicht, IDUSA.“, antwortete ich. „Falls ja, dann werde ich definitiv darauf hinweisen, dass ich ja eigentlich gar nichts getan habe, um Cirnach und Telzan zur Zusammenarbeit mit uns zu bewegen. Wir wollen ja schließlich hübsch bei der Wahrheit bleiben, auch wenn ich den Eindruck nicht loswerde, dass Nugura dringend nach einer Heldenfigur sucht, der sie den guten Ausgang der Sache noch während ihrer Amtszeit anhängen kann. Aber du und ich, wir wissen als einzige, dass es ja ganz anders war.“ „Bestätigt.“, sagte das Schiff nüchtern. „Meine Daten stützen auch eher Ihre Version als die Nuguras. Es war schließlich Cirnach, die uns gerufen hat und nicht andersherum.“ Ich nickte und gab einen bestätigenden Laut von mir. „Deshalb frage ich mich ja auch, was ich damit zu tun habe. Gut, ich habe erlaubt, dass Scotty und Telzan gemeinsam den Webstuhl des Schicksals wieder zusammensetzen und ich habe mein Tuch mit Cirnachs verbunden. Aber das habe ich nur aus reiner Notwendigkeit getan.“ „Aber Sie haben erkannt, dass es notwendig war.“, sagte die künstliche Intelligenz, während wir langsam auf das Hangardeck der Granger schwebten. „Das stimmt, IDUSA.“, gab ich zu. So mancher hätte da vielleicht anders reagiert und in ihrer Absicht etwas Böses vermutet. Aber ich hatte ja den Dolch des Vertrauens. Im Notfall hätte ich ihre Absichten sicher auch mit ihm überprüfen können. Aber ich bin sicher, das wussten die Vendar auch und wollten sicher nicht getötet werden. Also haben sie nicht gelogen.“ „Sehr wahrscheinlich.“, bestätigte Shimars Schiff.
Wir hatten gedockt und das Schiff hatte ihren Antrieb deaktiviert. „Wir sind da.“, sagte sie. „Es wartet auch bereits eine Delegation auf Sie.“ „Uff!“, stöhnte ich. „Ich hasse einen großen Bahnhof! Wer ist es denn, IDUSA? Ich frage nur, falls ich salutieren muss. Ich möchte nämlich keinen Fehler machen.“ „Ihrem Verhalten nach.“, analysierte das Schiff. „Scheinen Sie damit ja ohnehin ein Problem zu haben. Das war ja auch der Grund, aus dem Sie den Stern nicht annehmen wollten. Aber kein Wesen ist perfekt, Betsy. Auch keine künstliche Intelligenz wie ich. Auch wir können Fehlfunktionen erleiden oder Dinge nicht oder sogar falsch verstehen. Wichtig ist nur, dass man aus Fehlern lernt. Kennen Sie den demetanischen Grundsatz: Perfektion ist Stillstand?“ „Ja.“, sagte ich. „Wenn alles perfekt wäre, dann gebe es keine Entwicklung. Aber alles entwickelt sich ständig, weil es ständigem Wandel ausgesetzt ist. Perfektion an sich kann es also laut den Demetanern nie geben und Stillstand ist nicht gut. Er macht nachlässig und träge. Das hat man ja an den Borg gesehen, die sich für perfekt hielten und doch hatten sie eine Schwachstelle. Sonst hätte Janeway sie ja nicht besiegen können. So perfekt können sie also auch nicht gewesen sein, wenn das sogar einem einfachen nicht perfekten minderen Menschen gelungen ist.“ „Wenn man es genau nimmt.“, sagte IDUSA. „Dann waren es laut meiner Datenbank auch eigentlich verhältnismäßig einfache Organismen, also Krankheitserreger, mit denen Janeway die Königin der Borg infiziert hatte.“ „Oh, noch besser.“, sagte ich mit schadenfrohem Unterton. „Ich verrate dir was, IDUSA. Wenn es einfachen Krankheitserregern sogar möglich war, deren ach so perfekten Körper zu befallen und zu töten, dann sollte sie ihre Definition von hohen und niederen Lebensformen wirklich mal überdenken. Aber das ist ja sowieso heute egal. Sie ist tot. Im Endeffekt hat ihre Arroganz sie getötet, denke ich. Dadurch hat sie ihre Gegner unterschätzt und das war ihr Fehler.“ „Das ist korrekt.“, sagte IDUSA. „Obwohl sie, als perfekte Lebensform, für die sie sich ja selbst hielt, ja eigentlich gar keine Fehler hätte machen dürfen. Aber wir schweifen ab, Betsy. Shimar und Scotty werden sicher schon ganz ungeduldig.“ „OK.“, sagte ich. „Da bin ich ja erleichtert, dass es nur die Beiden sind. Ich hatte ehrlich gedacht, da stünden jetzt Kissara oder Mikel. Nur eins noch: Du denkst also, wenn Nugura ihre Orden nur an perfekte Offiziere verleihen würde, dann würden sie in ihrem Büro vor sich hin schimmeln, da niemand sie abholen würde?“ „Sehr salopp ausgedrückt, aber das trifft es.“, sagte IDUSA.
Sie öffnete die Luke. „Sie können aussteigen.“, sagte sie. „Danke.“, sagte ich und legte den Neurokoppler ab, um mich dann aus ihrem Cockpit zu begeben.
Kapitel 4: „Eine schwere Geburt“
von Visitor
Shimar und Scotty hatten die Tür zur Shuttlerampe hinter sich gelassen. Hier standen sie nun in dem langen Gang, von dem aus die einzelnen Gänge zu den Docks abzweigten. Elektra, die hier ihren Dienst an einer Konsole versah, war von ihrem Platz aufgestanden und kam ihnen entgegen. „Hallo, Gentlemen.“, begrüßte sie die beiden. „Hallo, Technical Assistant.“, sagte Scotty. „An welchem Platz hat das tindaranische Schiff angedockt?“ „Bitte folgen Sie mir.“, sagte die Androidin nüchtern und freundlich. Dann winkte sie Scotty und Shimar und ging voran, während ihr die zwei in einem geringen Abstand folgten.
Mittels ihres rechten Zeigefingers öffnete sie die innere Luke. Hier stand ich bereits und erwartete meine beiden Männer. „Hi, ihr zwei!“, grinste ich ihnen freudig entgegen. „Wer hat euch denn gesagt, dass ich zurückgekehrt bin?“ „Das war dein Commander, Darling.“, sagte Scotty und hakte mich rechts ein, während Shimar mit meiner linken Seite vorliebnahm.
So gingen wir vom Hangardeck und stiegen in einen Turbolift. „Warum hat Kissara euch geschickt, um mich abzuholen?“, wollte ich wissen. „Was hat sie vor?“ „Sie will eine kleine Feier veranstalten.“, sagte Scotty und Shimar fügte bei: „Um dir die Annahme des Sarek-Sterns doch noch schmackhaft zu machen.“ „Ich glaube, da hat sie jetzt recht gute Chancen.“, antwortete ich. „IDUSA und ich haben die Sache durchdiskutiert und deine Simulation, Scotty, die hat mir fast den Rest gegeben. Aber lasst uns am besten darüber reden, wenn wir da sind.“ „OK.“, sagten meine zwei Männer unisono.
Wir hatten die Offiziersmesse bald betreten und mir war sofort Kissaras Schnurren aufgefallen. „Sind Sie hier, Commander?“, fragte ich, um mich ihrer tatsächlichen Anwesenheit zu versichern. „Ja, das bin ich, Allrounder.“, gab sie ruhig und fast schmeichelnd zurück und Scotty witzelte sogar: „Oh, hör mal. Sie schnurrt!“ „Mein Schnurren sollte Ihnen zeigen, dass ich gute Absichten hege.“ „Das dachte ich mir schon.“, entgegnete ich. „Scotty und Shimar haben mich bereits informiert.“ „Na fein.“, sagte Kissara und wandte sich den zwei Männern an meiner Seite zu: „Bringen Sie Betsy bitte zu dem Stuhl, der dem meinen direkt gegenübersteht, Gentlemen. Dann setzt sich einer von Ihnen rechts und einer links von ihr hin. Dadurch wird sie das Gefühl haben, dass sie mir und der Situation nicht ungeschützt ausgesetzt ist.“ „Welcher Situation, Madam?“, fragte ich, während ich von Scotty und Shimar zu dem von ihr angewiesenen Platz geleitet wurde. Scotty setzte sich rechts und Shimar links von mir hin. Kissara hatte auf meine Frage nichts erwidert, aber ich wusste, das würde früher oder später noch alles aufgeklärt werden.
Mein Commander war von ihrem Platz aufgestanden und hatte aus einem neben dem Replikator stehenden Sektkühler eine Flasche geholt. Aus dieser goss sie uns nun allen nach der Reihe ein. „Zuerst der Ehrengast.“, schmeichelte sie, als sie an meinen Stuhl herantrat. „Haben Sie keine Angst, Allrounder. Der Sekt ist alkoholfrei. Schließlich haben wir alle hier noch zu arbeiten und wollen ja auch nicht sternhagelvoll vor Nugura und ihren Delegierten erscheinen, oder?“ Ich gab nur einen zustimmenden Laut von mir, denn die Situation hatte mich immer noch sehr stark irritiert. Warum tat sie das alles? Warum bewirtete sie mich sogar? In der Vergangenheit war mir nur ein Captain eingefallen, die so etwas einmal für eine Untergebene getan hatte, die quasi von den Toten auferstanden war. Gut, das war mir auch einmal passiert. Aber das war ja nun bei mir schon viel zu lange her. Welchen Grund mochte es also geben, dass sie mich jetzt so ehrte?
Ich kam gar nicht zum Nachdenken, denn mein Mann hatte etwas vor mir abgestellt. „Fühl mal, Darling!“, hatte er stolz gesagt wie ein Jäger, der mir gerade eine eigens extra für mich frisch erlegte Beute präsentierte. Wahrscheinlich machte es ihn sehr stolz, dass er das, was er mir jetzt zeigen wollte, als erster gesehen hatte. „Hier steht ’ne gigantische Schüssel Zaziki mit deinem Namen drauf!“ Während er das sagte, grinste er hörbar. Ich betastete die Schüssel genauer. Dann scherzte ich zurück: „So? Den finde ich aber nicht!“ „Oh na das werden wir gleich mal ändern!“, mischte sich Shimar ein.
Ein weißer Blitz zuckte durch den Raum. Dann sagte mein tindaranischer Freund grinsend: „Überprüf das noch mal, Kleines!“ „OK.“, sagte ich und betastete die Schüssel erneut. In jenem Augenblick, in dem meine Hände über ihre Wände fuhren, musste ich plötzlich staunen, denn darin waren tatsächlich tastbare Erhebungen, die den Punkten der Brailleschrift bis aufs Haar glichen. Ihre Anordnung war sogar korrekt, so dass ich meinen vollständigen Rang und Namen lesen konnte. „Aber Shimar!“, staunte ich und lächelte. „Seit wann kannst du denn …?“ „Oh er muss gar keine Punktschrift können.“, mutmaßte Scotty und fiel mir ins Wort. „Er muss doch nur denken: Ich will, dass auf der Schüssel Betsys voller Rang und Name steht, sich darauf fest zu konzentrieren und es passiert, nich’ wahr? Bei Wesen, die solche Kräfte haben, is’ doch das Ziel das Ziel und nich’ der Weg, he?“ „Hey klasse, Scotty!“, lobte Shimar. „Genauso habe ich es gemacht!“ „Und ich dachte schon, du warst in meinem Kopf und hast dir die Information von da geholt.“, sagte ich mit etwas Enttäuschung in der Stimme. „Das hätte ich doch nie ohne dein Einverständnis getan, Kleines.“, sagte mein Freund. „Und dann hätte ich dir außerdem vorher unser Zeichen gegeben. Du hättest die Wolldecke gespürt.“ „Sicher.“, sagte ich. „Aber ich habe mir da was überlegt. Lass die Wolldecke doch demnächst einfach mal weg.“ „Warum?“, fragte Shimar verunsichert. „Magst du unser Zeichen etwa nicht mehr?“ „Doch!“, tröstete ich. „Ich mag es sogar sehr! Aber ich denke, ich kann dir so weit vertrauen, dass ich weiß, dass du mir nichts tust, wenn du in meinem Kopf bist.“ „Oh wie mutig!“, rief Shimar aus und drückte mich fest an sich. „Commander Kissara, Scotty, habt ihr das gesehen?! Habt ihr das gesehen?!“ Dann küsste er mich so stark, dass Kissara wohl Angst bekommen hatte, ich würde ersticken. Also sagte sie energisch: „Lass sie am Leben! Schließlich brauchen wir sie alle noch!“
Er hatte mich losgelassen und ich war wieder zu Atem gekommen. Dann versicherte ich: „Machen Sie sich keine Sorgen, Commander. Er hätte ja selbst ein Problem, wenn ich nicht mehr wäre. Schließlich lieben wir uns.“ „Dann ist ja gut.“, sagte Kissara und legte mir eine mit Fisch gefüllte Teigtasche auf meinen Teller. Daneben kam ein großer Haufen Zaziki. „Ich nehme an, Sie helfen sich selbst, Gentlemen.“, wandte sie sich dann Shimar und Scotty zu. Beide nickten und Scotty nahm einen großen Teller mit Eiern und Speck in Angriff, den er auch Shimar hinhielt und ihn fragend ansah. Der junge Tindaraner aber schüttelte nur mit dem Kopf. „Nein, danke.“, sagte er. „Meine letzten Erfahrungen damit waren nicht sehr berauschend. Da kannst du dich bei Shannon bedanken.“ Er gab einen Laut von sich, der auf Schmerz oder Übelkeit hindeutete. „Armes Miez-Miez.“, tröstete ich und strich über den Bereich seines Körpers, an dem sein Magen saß. „Das tut gut, Kleines.“, sagte Shimar sehr liebevoll. „Oh sorry.“, entschuldigte sich Scotty lapidar. Dann scherzte er: „Na umso besser. Dann bleibt mehr für mich.“ und schaufelte sich den Teller voll. Shimar nahm sich ein Stück Hühnerbrust und etwas Reis aus einer weiteren Schüssel, während Kissara sich Fischsuppe, ihre Leibspeise neben Thunfisch, auftat.
Während des Essens musste ich ständig über den Grund nachdenken, aus dem Kissara das alles hier vorbereitet haben konnte. Eine Vermutung hatte ich, wollte sie aber zunächst verifizieren. Also fragte ich: „Commander, warum haben Sie das hier alles arrangiert? Ist es tatsächlich nur, um mich doch noch von der Annahme des Sarek-Sterns zu überzeugen?“ „In gewisser Hinsicht ja.“, gab Kissara zu. „Sie sollten es aber nicht als Bestechung sehen. Schließlich sind wir hier nicht auf einem Schiff der Ferengi. Sie sollten es eher als Wertschätzung sehen. Als Wertschätzung Ihres Mutes und als dessen Feier. Sie haben das Richtige getan, Betsy! Das Richtige und ich will an dem Tag verdammt sein, wenn Sytania es schafft, die Föderation zu erobern, nur weil uns unsere eigenen Gesetze nicht erlauben, uns zu verteidigen!“
Sie erhob ihr Glas: „Auf die mutigen Frauen und Männer, die es auch einmal wagen, im richtigen Moment das Richtige zu tun und die immer noch ein Herz statt eines Gesetzbuches im Leib haben! Mr. Scott, Sie können gern ihren alten Captain in ihre Gedanken mit einschließen. James T. Kirk hatte ja auch ein Händchen dafür!“ Dann prosteten wir uns alle zu.
Wie ihr Trinkspruch gemeint war, wusste ich seltsamerweise genau und ich war auch damit einverstanden. Sie hatte ja deutlich genug gemacht, dass es ihr nicht etwa darum ging, uns alle zu Verbrechen aufzurufen, sondern es ging ihr nur darum, dass wir Situationen, in denen unsere Gesetze einem Feind eine Lücke bieten, als solche erkennen und sie schließen, damit dieser Feind durch die Lücke nicht mehr eindringen konnte. Sicherlich konnten wir nur temporär einen Korken ins Loch stecken. Die eigentliche Arbeit mussten die Politiker erledigen. Aber das würde ja hoffentlich jetzt auch passieren. Zumindest erhoffte ich mir das. Also sagte ich: Commander, ich habe mich entschieden! Ich werde den Sarek-Stern doch annehmen!“ „Na also.“, erwiderte Kissara erleichtert und Scotty fügte hinzu: „Na, das war aber eine schwere Geburt!“
Ich hatte mein Glas wieder abgesetzt. Dann fragte ich in Kissaras Richtung: „Was muss ich wissen?“ „Der Computer kann Ihnen die Daten über die Zeremonie geben.“, sagte sie. „Oh, nein.“, sagte ich und machte ein bedientes Gesicht. „Ich mag es nicht, Dinge so trocken auswendig zu lernen.“ „Dann sollten wir drei Süßen mal in die Simulationskammer gehen.“, schlug Scotty vor. Da lernt es sich doch gleich viel praktischer, oder?“ „OK.“, erklärte ich mich einverstanden. Dann lösten wir unsere kleine Versammlung auf.
Eine schier endlose Schlange von Fahrzeugen wälzte sich zur gleichen Zeit auf der Erde den Freeway zwischen Little Federation und Washington entlang. Mitten in dieser Schlange war auch ein silbergrauer Jeep zu finden, der mit einer Familie aus Androiden besetzt war. Der Mann, welcher das Fahrzeug steuerte, trug eine Galauniform. Auf seiner rechten Schulter befand sich das im 30. Jahrhundert gültige Rangabzeichen für einen Commander der Sternenflotte, eine Kapitänsmütze. Die Frau auf dem Beifahrersitz neben ihm trug ebenfalls Galauniform. Nur hatte sie das Zeichen eines Medical Scientist, den Äskulapstab, auf ihrer rechten Schulter. Der Junge auf der Rückbank trug zivil, was ja auch seinem Alter von inzwischen acht Jahren durchaus angemessen war. Er hatte einen eleganten schwarzen Anzug an, zu dem er rote Schuhe trug.
Der Kleine hatte sich kurz umgesehen und sich dann an seine Eltern gewandt: „Mutter, Vater, wir scheinen bei weitem nicht die einzigen Bekannten von Allrounder Scott zu sein, die mit der Absicht, sie zu überraschen, nach Washington gekommen sind.“ Seine Mutter drehte sich zu ihm um: „Definiere, mein Sohn.“ „Ich konnte exakt zehn Fahrzeuge hinter uns den Jeep der Huxleys ausmachen. Auch die Kennzeichen diverser anderer Fahrzeuge sind mir bekannt.“ Jetzt warf auch Cupernica einen Blick nach hinten. Dann sagte sie: „bestätigt.“ „Viele unserer Freunde und Bekannten scheinen die gleiche Idee wie wir gehabt zu haben. Ich hoffe nur, dass wir dann alle einen Parkplatz finden werden.“ „Dies ist auch meine Hoffnung.“, sagte Data. „Außerdem hoffe ich, dass der Allrounder unsere Anwesenheit als erfreulich empfinden wird und sie dadurch nicht zu nervös gemacht wird. Die Wahrscheinlichkeit dürfte sehr hoch sein, dass sie mit der Situation um sich und den Sarek-Stern bereits leicht überfordert ist, da sie ihn, wie ich sie einschätze, wohl nur sehr widerwillig annehmen wird, wenn sie es überhaupt tut. Sie hat uns gegenüber immer wieder berichtet, dass die Zusammenarbeit zwischen Sytanias Vendar, ihrem Ehemann und ihr und Shimar von den tindaranischen Streitkräften nicht ihr Verdienst gewesen sei, sondern der Cirnachs, Telzans Ehefrau. Scott ist nun einmal sehr ehrlich.“ „Aber Cirnach ist nicht hier.“, sagte Cupernica. „Außerdem ist sie keine Angehörige der Sternenflotte. Nugura kann ihr also logischerweise keinen Orden verleihen.“ „Das ist korrekt.“, sagte Data. „Ich werde jedenfalls so früh wie möglich die Nähe des Allrounders suchen, um ihr zu verdeutlichen, dass ich sie auf keinen Fall mit dem Problem alleinlassen werde. Sicherlich werden auch ihr Mann und ihr Freund anwesend sein, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie sich oft in meiner Anwesenheit sehr wohlgefühlt hat.“ „Damit weicht sie vom Verhalten anderer biologischer Lebensformen ab.“, stellte Novus von hinten fest. „Normalerweise dürfte sie sich doch in der Nähe anderer Organischer viel eher wohlfühlen.“ „Nun.“, sagte Cupernica. „Wenn man ihre Vergangenheit betrachtet, dann ist ihr Verhalten keineswegs unlogisch. Sie musste leider die Erfahrung machen, dass Organische oft Dinge von ihr erwartet haben, denen sie nicht gerecht werden konnte. Die Enttäuschung hat man Scott dann oft ungefiltert spüren lassen. Sie weiß, dass wir keine echten Gefühle empfinden können, auch wenn unsere Emotionsprogramme dies anderen suggerieren. Aber die Verhaltensweisen, die uns hier eingegeben sind, könnten theoretisch jederzeit geändert werden.“ „Das ist korrekt.“, sagte Novus. „Und sie weiß das. Sie wird niemals auf die Illusion hereinfallen, dass wir Gefühle haben. Dazu ist sie zu intelligent. Jetzt verstehe ich aber auch, warum sie sich bei uns so wohlfühlt. Wir verurteilen sie nicht für ihre Gefühle, was ein Vulkanier, der ja auch die seinen unterdrückt, wahrscheinlich tun würde. Davor dürfte sie Angst haben. Angst, die sie bei uns aber nicht haben muss.“ Seine Eltern nickten beide synchron.
Die Schlange aus Fahrzeugen hatte sich die Abfahrt nach Washington heruntergequält und war jetzt bereits vor der Auffahrt zum Kapitol. Hier hielt Data den Jeep vorschriftsmäßig vor der Schranke an und alle drei zeigten ihre Ausweise vor. Der Mann, dem sie diese zeigten, war ein großer muskulöser Terraner von ca. 190 cm Größe. Er trug eine graue Lederjacke und darunter eine schusssichere Weste, die jede Art von Energie ableiten und so dafür sorgen konnte, dass sein Körper darunter unversehrt blieb. Außerdem trug er eine blaue Jeans und rote Stiefel. Er hatte kurze rötliche Haare und war glattrasiert. Es handelte sich um Laurence Barnaby, den Chefleibwächter Nuguras. Aufgrund der sich doch jetzt sehr veränderten Situation hatte er sich spontan bereiterklärt, beim Einweisen der vielen Fahrzeuge zu helfen. Sie waren zwar alle offiziell angemeldet, aber es war doch eine ganz schöne Menge, mit der keiner gerechnet hatte, die jetzt untergebracht werden musste. Nugura und ihr Amtskollege George Jones hatten die Situation vom Fenster des Hauptbüros aus beobachtet und Nugura hatte entschieden, Jones einen Teil ihres Personals sozusagen zu leihen, um dieses Problem zu lösen. Von ihr persönlich war Barnaby also noch in seiner Freiwilligkeit bestätigt worden. Sie fühlte sich wohl so sicher, dass sie seines Schutzes ihrer eigenen Meinung nach im Moment nicht bedurfte.
Der Leibwächter warf Data einen fragenden Blick zu. „Commander Data und Scientist Cupernica mit Sohn Novus.”, identifizierte er seine Familie. Laurence warf einen Blick auf eine Liste, die sich in einem Pad befand. Dann murmelte er: „Ach Sie sind das.“, um dann laut und deutlich zu sagen: „Passieren Sie! Ihr Parkplatz befindet sich in Reihe C Platz 44!“ „Danke.“, sagte Data und setzte das Fahrzeug wieder in Bewegung. Es würde ihm nicht schwerfallen, den angewiesenen Platz zu finden, denn die Parkplätze auf einer Wiese waren gut ausgeschildert und durch Leuchtbojen markiert, die ins Gras gesteckt waren.
Novus hatte seinen internen Transceiver auf die Frequenz seiner Mutter eingestellt und ihr in F-14-Code gesendet: Mutter, der Mann hat ein Lasso in der Tasche, in das Fäden eingearbeitet sind, die offensichtlich vorher mit Rosannium getränkt wurden. Das finde ich sehr ungewöhnlich. Warum sollte er so etwas tun?
Cupernica drehte sich mit ernstem Gesicht zu ihrem Sohn um und sagte langsam und deutlich, so dass es alle im Fahrzeug hören konnten: „Ich habe dir schon oft gesagt, Novus, dass du keinen Organischen ohne dessen Einverständnis scannen darfst! Außer in einer für ihn oder andere gefährlichen Situation, wenn es also dazu dient, Hilfe zu leisten. Sonst fühlen sie sich in ihrer Intimsphäre verletzt! Das ist ein Umstand, auf den wir Rücksicht nehmen müssen, wenn wir weiterhin in ihrer Gesellschaft leben wollen!“ „Aber die Menge an Rosannium könnte selbst für Logar oder Dill eine tödliche Dosis darstellen.“, erwiderte Novus jetzt auch laut. „Das ist doch wohl eine Gefahrensituation.“ „Mag sein.“, sagte Cupernica. „Aber es muss ja nicht bedeuten, dass er es auch einsetzt. Dass er so etwas bei sich hat, ist außerdem nicht so ungewöhnlich. Schließlich ist er der Chefleibwächter der Präsidentin der Föderation und muss sie, wenn es darauf ankommt, auch vor einem eventuellen Anschlag von Sytania schützen können. Ich gebe zu, das Aussehen der Waffe ist ungewöhnlich, aber ich denke, auch dafür wird es eine Erklärung geben!“ Novus erwiderte darauf zunächst nichts weiter. Er wusste, dass es eventuell notwendig werden konnte, sich bei Mr. Barnaby zu entschuldigen. Falls er ihn sehen würde, würde er dies auch tun. Er ahnte ja noch nicht, wie wichtig diese Informationen noch werden würden. Data und Cupernica ahnten dies aber auch noch nicht. Sie hatten nicht den blassesten Schimmer davon, dass die Information, die sie soeben von ihrem Sohn bekommen hatten, noch einmal über Leben und Tot entscheiden würde.
Ich hatte mich mit der Zeremonie vertraut gemacht, danach in meinem Quartier meine Galauniform angelegt, genau wie Shimar die seine, die wir allerdings in Ermangelung des Originals replizieren mussten und dann waren Scotty, Shimar und ich zum Transporterraum gegangen, nachdem mich Kissara auf meinem Handsprechgerät verständigt hatte, um mir zu sagen, dass auch wir die Erde erreicht hatten. Neben uns in der Umlaufbahn lag aber außer der Raumjacht der Präsidentin auch noch die Electronica, was an sich nichts Ungewöhnliches war, da das Flaggschiff der Sternenflotte bei solchen Anlässen immer anwesend war. Auch das hatte mir mein Commander mitgeteilt. Ich freute mich auch schon darauf, Commander Time und seine Crew wiederzusehen. Schließlich hatten wir auch schon so einiges zusammen erlebt.
Auf dem Korridor vor dem Transporterraum begegneten wir tatsächlich Kissara, die offensichtlich auch noch nicht zur Erde gebeamt war. „Was tun Sie denn noch hier, Commander?“, fragte ich erstaunt. „Ich wollte es mir nicht nehmen lassen, Sie persönlich zu begleiten, Betsy.“, sagte Kissara.
Wir betraten gemeinsam den Raum. Hier saß Jannings an der Konsole und sah uns fragend an, während wir die Plattform betraten. „Da unten ist ziemlich was los, Commander.“, wandte er sich Kissara zu. „Ich sehe eine Menge Fahrzeuge und eine Menge Leute. Könnte voll werden.“ „Das macht nichts, Mr. Jannings.“, gab Kissara zurück. Wir werden schon ein Plätzchen finden. Schließlich haben wir den Ehrengast dabei.“ „Genau, Kollege!“, pflichtete ihr Scotty schmissig bei. „Da mach dir mal keine Sorgen. Is’ ja nich’ so, dass wir für die Granger, das dicke Mädchen, auch noch ’n Parkplatz finden müssten. Die kann ja Gott sei Dank hübsch hier oben bleiben!“
Ich fasste Shimars Arm, an dem ich ging, fester. „Wovor hast du Angst, Kleines?“, flüsterte er mir beruhigend zu. „Scotty und Jannings werden sich gleich schlagen!“, sagte ich mit angsterfüllter Stimme, denn ich hatte mich gerade an eine Situation erinnert, die wir im Geschichtsunterricht durchgenommen hatten. Zwei Klingonen hatten in einer Bar auf einer Raumstation ordentlich über Captain Kirk hergezogen. Scotty hatte ein anderes Besatzungsmitglied ermahnt, die Ruhe zu bewahren. Erst als die Klingonen die Enterprise selbst als Schrotthaufen und Müll bezeichneten, war er selbst tätlich gegenüber ihnen geworden, denn sie hatten ihn wohl in seiner Ehre als Ingenieur getroffen.
Der Telepath an meiner Seite hatte beschlossen, jetzt doch etwas zu tun, das er eigentlich nicht durfte. Kurz scannte er Scotty und Jannings, um dann festzustellen: „Aber nein. Guck mal. Sie sind beide ganz ruhig.“ „Uff!“, machte ich erleichtert. „Und ich dachte schon!“
Scotty war aufmerksam geworden. „Was hat sie denn, Shimar?“, wandte er sich seinem Kumpel zu. „Sie hatte Angst, dass sich Jannings und du gleich prügeln.“, sagte mein Freund. „Sie meinte wohl, wegen der Sache mit dem dicken Mädchen könnte er dich …“ „Ach was.“, lachte Scotty und wandte sich mir zu: „Pass mal auf, Darling. George Jannings ist Engländer. Die sind viel zurückhaltender als wir temperamentvollen Schotten. Er würde sich nie in Gegenwart von Damen wegen so etwas schlagen, allein um zu zeigen, wie zivilisiert er is’. Bei mir und den Klingonen damals war die Situation ganz anders. Siehst du? Es passiert nichts.“
Tatsächlich hatte Jannings kühl dagesessen und Scottys Spruch anscheinend ignoriert. Er wandte sich nur an Kissara: „Kann es losgehen, Commander?“ Diese ließ ihren Blick schweifen und stellte fest, dass alle anwesend waren. Dann befahl sie in seine Richtung: „Aktivieren, Techniker!“
Kapitel 5: Zweischneidige Verleihung
von Visitor
Als wir die Oberfläche der Erde betraten, herrschte in Washington das schönste Frühlingswetter. Die Luft war angenehm warm. Ich schätzte ihre Temperatur auf ca. 25 °. Der Park vor dem Kapitol war brechendvoll. Aber da waren nicht nur eine Menge Leute, sondern auch eine Menge Tische, die offensichtlich bereits für die Feier aufgestellt worden waren. Man konnte nur auf sehr schmalen Wegen durch den Park laufen, denn entweder waren die Wege durch Tische verstellt oder von Natur aus sehr schmal angelegt, da sich rechts und links von ihnen viele Beete mit einheimischen Blumen und anderen Pflanzenarten befanden, die auch hin und wieder durch einige gläserne Zylinder abgelöst wurden, die Habitate für außerirdische Pflanzen boten, die ja ihre eigene Umwelt benötigten, weil sie mit dem irdischen Klima nicht zurechtkämen, wenn sie ihm ausgesetzt wären. Dies hatte wohl zweifelsfrei repräsentative Gründe, denn der Präsident der Erde wollte sich wohl nicht nachsagen lassen, nicht offen für andere Kulturen zu sein und dies sollte wohl ein Symbol dafür darstellen.
Shimar und ich waren vor so einem Zylinder stehengeblieben, dessen Umweltkontrolle von Zeit zu Zeit einmal den Duft seiner jetzt blühenden Bewohnerin, einer demetanischen Süßgrasstaude, zu uns an die frische Luft pumpte. Mich erinnerte dieser Geruch leicht an heimischen Lebkuchen. Shimar aber schien sich weniger für den Duft, als für die Optik der Pflanze zu interessieren. Jedenfalls tat er in meinen Augen so denn das plötzliche Erwachen seines grünen Daumens hatte ich ihm nicht wirklich abgenommen. Ab und zu schien er sogar nach Scotty zu schielen, der jetzt bereits einige Schritte mehr Entfernung zwischen uns und sich gebracht hatte.
Ich wandte mich zu ihm um. „Was ist denn nun wirklich der Grund, aus dem du dich hier aufhalten willst?“, fragte ich. Eine Reaktion von ihm blieb aber aus. „Hör mal, Srinadar!“, wurde ich deutlicher und zupfte ihn am Ärmel. „Du hast doch wohl nicht ernsthaft geglaubt, dass ich dir dein Interesse an Grünzeug wirklich abnehme!“
Wieder sah er in die Richtung, in welche sich Scottys Schritte unaufhaltsam entfernten. Dann drehte er sich schließlich doch zu mir und sagte mit sichtlich peinlicher Berührung in der Stimme: „Korrigiere mich bitte, wenn ich falsch liegen sollte, Kleines. Aber hat dein Mann gerade indirekt zugegeben, damals bei der Schlägerei in der Kneipe auf der Basis den ersten Schlag geführt zu haben? Wusste sein Captain das? Ich meine, Kirk hatte doch sicher wissen wollen, wer eigentlich angefangen hat. Zirell würde das auf jeden Fall sehr interessieren, falls sich ein Mitglied ihrer Crew auf einer fremden Basis danebenbenimmt.“ „Kissara auch.“, sagte ich kleinlaut, denn mir war auch klar, dass er alles richtig verstanden hatte. Was sollte ich jetzt nur tun? Scotty war mein Mann und ich musste ja nicht gegen ihn aussagen, wenn ich nicht wollte. Andererseits würde sich sicher heute niemand mehr für den genauen Hergang einer über 1000 Jahre alten Kneipenschlägerei interessieren und er würde es schon gar niemandem sagen. Es hätte ja auch niemand mehr einen Vorteil aus diesem Wissen. Kirk, der meinem Mann eine disziplinarische Maßnahme hätte aufdrücken können, war lange tot und der Geschichte war die Schlägerei sowieso egal. Die Korrektur der Bücher durch meine Aussage hätte ja am eigentlichen Hergang heute nichts mehr verändert. Mir war allerdings auch die Konspiration in seiner Handlung bewusst. Hätte er Scotty damit konfrontieren wollen, dann hätte er nicht getan, als interessiere ihn eine Grünpflanze und dann wäre er sicher nicht mit mir in einiger Entfernung zu meinem Mann stehengeblieben. Also sagte ich: „Du hast Recht, Srinadar. Das habe ich auch gehört. Aber es wird wohl unser kleines Geheimnis bleiben. Derjenige, den es noch interessieren könnte, ist schon lange tot und kann Scotty ja eh nichts mehr. Wir können es ihm deshalb ja auch nicht sagen und somit ist Scotty frei.“ „Na.“, witzelte Shimar. „Bei unseren Verbindungen bin ich mir da nicht ganz sicher.“ Meine Reaktion, die er sich offensichtlich erhofft hatte, blieb aber leider aus. Mein Gesicht war nach wie vor sehr versteinert. „Das war ein Witz!“, sagte er. „Ich habe einen Spaß gemacht, Kleines.“ „Entschuldige.“, sagte ich und begann damit, nervös meinen Kragen zurecht zu zupfen. „Ich bin total nervös, Shimar. Hoffentlich leiste ich mir keinen Patzer bei der Zeremonie.“ „Ach, das wird schon klappen, meine kleine Maikatze.“, sagte Shimar. Wie ich dich kenne, machst du das mit links und selbst wenn etwas schiefgehen sollte, dann bist du doch bisher immer wieder auf den Füßen gelandet.“ „Hoffentlich hast du Recht.“, sagte ich skeptisch.
Männliche Schritte kamen auf uns zu. Sie waren zu gleichmäßig, um von Scotty zu stammen. Für einen Menschen waren sie überhaupt viel zu gleichmäßig. „Data?!“, vermutete ich einfach in den leeren Raum. „Das ist korrekt, Allrounder.“, ließ sich die förmliche Stimme meines androiden Nachbarn vernehmen, der jetzt vor uns angehalten hatte und mir seine rechte Hand entgegenstreckte. Ich nahm sie und schüttelte sie kurz. Dann wurde Shimar genauso begrüßt. „Ihre Fähigkeit, mich an meinem Gang zu erkennen, fasziniert mich immer wieder, Allrounder.“, sagte Data. „Oh das ist kein Kunststück, Commander.“, sagte ich. Ich wette mit Ihnen, dass Geordie das auch konnte.“ „Davon gehe ich nicht aus.“, sagte Data. „Ihre Spezies verlässt sich sehr auf das Auge. Es ist das dominanteste Ihrer Sinnesorgane. In frühen Jahren wurde bei Geordie eine Möglichkeit genutzt, ihm sein Augenlicht wiederzugeben. Sein Gehirn musste sich also nie umstellen. Das könnte dafür gesorgt haben, dass sich diese Fähigkeit bei ihm gar nicht ausgebildet hat. Es ist nur eine Theorie. Ausprobiert haben wir es nie, denn es gab keinen Anlass. Damals wusste ich ja noch nicht, dass ich einmal einer blinden Frau begegnen werde, die keinen Visor tragen wird. Sonst hätten wir es vielleicht getan.“ „Na ja.“, sagte ich lapidar. „Die Zukunft kennt außer den Mächtigen und einigen Telepathen mit seherischen Fähigkeiten niemand. Da mache ich Ihnen keine Vorwürfe, Sir.“
Ein weiterer Mann kam auf uns zu. Er ging weitaus natürlicher. Seine Schritte waren mir nicht so geläufig, wohl aber seine Stimme, die gleich darauf sagte: „Ach hier sind Sie, Allrounder Scott. Meine Vorgesetzte, die Präsidentin, sucht Sie schon. Sie würde gern anfangen.“ „Ich komme gleich, Mr. Saron.“, sagte ich, denn seine Äußerungen hatten mich ihn jetzt als Nuguras Sekretär identifizieren lassen. „Richten Sie ihr das bitte aus.“ „Das tue ich, Allrounder Scott.“, sagte Saron freundlich und war wieder verschwunden.
„Wer von uns soll dich denn auf die Bühne begleiten?“, fragte Shimar. Ich überlegte kurz und sagte schließlich: „Ich denke, es wird besser sein, wenn Sie das tun, Data. Ich muss bestimmt eine Rede halten und Ihre Anwesenheit hat mich immer sehr beruhigt. Ich bin nämlich ein total nervöses Hemd. Sie können mich ja sicher auch sehr genau in Richtung des Mikrofons ausrichten. Laut Protokoll muss ich ja auch eine kleine Dankesrede halten, obwohl ich noch gar nicht so genau weiß, was ich eigentlich sagen soll. Shimar, du kannst ja mit Scotty in der ersten Reihe warten. Tut mir leid, aber …“ „Hey, schon gut, Kleines.“, sagte Shimar. „Ich weiß ja, dass du nicht mit ihm durchbrennen wirst.“ Ich lächelte und hakte mich bei Data ein, der mich in Richtung Bühne, die vor den Stufen des Kapitols aufgebaut war, führte. Shimar blieb zurück und hielt nach Scotty Ausschau, den er auch bald in der Menge erspäht hatte.
Data und ich hatten bald die Bühne erreicht. „Sie sollten wissen, Commander.“, sagte ich. „Dass ich etwas Angst habe.“ „Sind Sie mit dem Protokoll für diese Zeremonie vertraut?“, wollte er wissen. „Ja.“, gab ich zu. „Shimar, Scotty und ich haben sie in der Simulationskammer geprobt.“ „Sind Ihnen während der Proben Fehler unterlaufen?“, fragte er weiter. „Während der ersten Male schon.“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Aber dann wurde es besser. Zum Schluss habe ich alles doch richtig gemacht.“ „Wie lange ist das her?“, fragte Data. „Ich weiß es nicht genau.“, sagte ich. „Vielleicht nur einige wenige Stunden.“ „Dann dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass Ihnen grobe Fehler unterlaufen, gegen null tendieren.“, tröstete Data auf seine eben sehr spezielle Art, in der nur ein Androide trösten konnte. „Biologische Wesen sind zwar zu einem gewissen Prozentsatz immer unberechenbar, Aber Sie weichen höchst selten von der Norm ab.“ „Danke für die Blumen, Commander.“, sagte ich. „Aber ich kann mir nicht helfen. Irgendwie habe ich das verdammt ungute Gefühl, dass heute noch irgendwas passiert.“ „Nun.“, sagte Data. „Der weibliche Teil ihrer Spezies, dem ja auch sie angehören, ist für sichere Instinkte und Intuition bekannt. Wenn Sie also so ein Gefühl haben, dann besteht zumindest eine leichte Wahrscheinlichkeit, dass es auch genauso eintritt. Ich werde also die Augen offen halten.“ „Danke, Sir.“, sagte ich erleichtert. Dann scherzte ich: „Was für ein Jammer, dass Fredy und Caruso nicht dabei sein können.“ „Nein, das können sie leider nicht.“, erwiderte Data. „Haustiere sind bei so einer Feier nicht geduldet und in den stickigen Transportboxen wäre das für sie auch Tierquälerei. Sie lassen Ihnen aber folgendes ausrichten.“ Er spielte erst eine Aufzeichnung von Fredys und dann eine von Carusos Schnurren ab. „Wie süß!“, grinste ich.
Aber ich war offensichtlich nicht die Einzige gewesen, die ein komisches Gefühl hatte. Shimar und Scotty hatten ihre Plätze eingenommen. Die Ordner hatten sie tatsächlich in die erste Reihe gelassen. Nervös tippelte mein Freund jetzt von einem Bein auf das Andere. „Was is’ los?“, fragte Scotty flapsig. „Ich weiß nicht.“, sagte Shimar. „Ich kann mir nicht helfen, aber hier liegt irgendwas in der Luft.“ „Ui.“, machte Scotty. „Wenn Telepathen komische Gefühle haben, dann ist da meistens was dran. Wir sollten verstärkt aufpassen, denke ich.“ Shimar nickte bestätigend.
Meine beiden Männer würden aber nicht die einzigen sein, die in dieser Situation ein Auge auf mich hatten, denn dies hatte auch Agent Yetron offensichtlich vor, der gemeinsam mit seinem Commander an einem Tisch ganz in der Nähe der Bühne Platz genommen hatte. Er hatte sich zwar an dem großzügigen Buffet bedient, welches Nugura wohl extra zu meinen Ehren aufgefahren hatte, dies war aber wohl nur seine Tarnung und nicht sein primäres Ziel gewesen. Ganz Geheimagent hatte er immer wieder von seinem Teller aus zu uns herübergelinst. Zu Data und mir, die wir jetzt die Bühne betreten hatten. Offensichtlich wollte der Demetaner etwas überprüfen.
Das Verhalten seines Ersten Offiziers war Time nicht entgangen. „Was hat das zu bedeuten, Agent?“, fragte er. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden, Sir.“, sagte Yetron und machte ein unschuldiges Gesicht. „Ich nehme an dieser Feier Teil wie so manch anderer Anwesender hier auch.“ „Sehe ich etwa aus, als würde ich meine Uniform mit der Kneifzange anziehen, Mr. Yetron?!“, fragte Time mit sehr großer Empörung in der Stimme. „Sie sollten wissen, Agent, dass ich Ihnen so etwas lange nicht mehr abnehme! Sie beobachten Scott, nicht wahr?! Gibt es dafür einen besonderen Grund?“ „Mir ist klar, dass Sie meinen Versuch, Ihnen einen Bären aufzubinden, was meine Absichten angeht, nicht schlucken würden, Sir.“, sagte der Demetaner ruhig. „Dafür kennen wir uns zu lange und zu gut. Aber so manch anderem gegenüber sollten wir die Fassade aufrechterhalten. Ehrlicherweise sollte ich Ihnen sagen, dass ich mit einer noch unbekannten Gefahr oder einer sehr prekären Situation rechne. Es gibt das Gerücht, Scott würde den Sarek-Stern gar nicht annehmen wollen.“ „So!“, sagte Time. „Und was soll daran so gefährlich sein, he?“ „Ich sprach von einer Gefahr oder einer prekären Situation.“, sagte Yetron. „Ich habe nicht gesagt, dass die Gefahr die Situation sei oder umgekehrt. Prekär könnte es für Nugura werden, falls Scott sich vor aller Augen weigern sollte, den Stern anzunehmen. Gegenüber der Presse wäre das sicher eine fatale Schlappe für sie. Was die Gefahr angeht, habe ich leider nichts Konkretes. Aber vielleicht ist ja auch alles nicht so schlimm.“ „Kann man Ihrer Quelle trauen, was die Gefahr angeht?“, fragte Time, der jetzt sehr hellhörig geworden war. „Ich denke, man kann ihr nicht mehr trauen als jeder anderen Gerüchteküche auch.“, sagte Yetron und zog an seinem Strohhalm. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so viel auf Gerüchte geben, Agent.“, sagte Time. „Das tue ich normalerweise auch nicht.“, erwiderte Yetron. „Dennoch sollten wir uns auf alle Eventualitäten vorbereiten.“ „Waren Wir das bisher nicht immer?“, fragte Time sehr selbstbewusst. „Bisher ja.“, sagte Yetron. „Aber oft hatten wir, wenn ich das bemerken darf, auch sehr großes unverschämtes Glück dabei.“ „Das können Sie wohl laut sagen.“, sagte Time. „Nehmen wir doch nur mal unsere letzte Mission. Die Sache mit der selbstmordgefährdeten Tolea hätten wir sicher ohne Shimar und Kairon nicht lösen können.“ „Da stimme ich Ihnen durchaus zu.“, sagte Yetron. „Aber denken Sie, dass das Gerücht bezüglich Scotts Weigerung wahr sein könnte? Es würde zu ihrem Charakter auf jeden Fall passen.“ „Ich glaube nicht, dass sie Nugura kompromittieren wird, Agent.“, sagte Time. „Dafür ist sie zu brav. Ich denke eher, dass sie den Stern vielleicht annimmt, die Situation aber sicher in ihrer Dankesrede noch einmal genauer beleuchten wird.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte der Demetaner und sah erneut verstohlen zur Bühne hinüber. „Sie beginnen jetzt.“ „Dann lassen Sie uns mal schauen.“, sagte Time und seine Augen wandten sich ebenfalls in Richtung Bühne.
Diese hatten Data und ich jetzt betreten und der Androide hatte mich hinter einer auf den Boden gezeichneten Linie abgestellt. Hier musste ich warten, bis mich Nugura auffordern würde, zu ihr zu kommen.
Auch die Präsidentin war über einen zweiten Aufgang auf die Bühne gekommen und hatte sich nun auf der anderen Seite der Linie direkt vor dem Mikrofon postiert. Ihr war nicht entgangen, dass Data bei mir geblieben war. „Vielen Dank, dass Sie Allrounder Scott assistieren, Commander.“, hatte sie zu ihm gesagt. „Das ist doch selbstverständlich.“, hatte Data darauf nur erwidert.
Jetzt klopfte Nugura nur kurz vorn auf das Mikrofon, ein Zeichen für den vulkanischen Tontechniker am Mischpult, das hinter der Bühne stand, den Regler höher zu drehen. Dann sagte sie: „Ladies und Gentlemen, wir sind heute an diesem schönen Tage hier zusammengekommen, um eine junge Frau zu ehren, die sich sehr um unser aller Wohl verdient gemacht hat. Es handelt sich um Allrounder Betsy Scott, ohne die wir heute alle sicher nicht mehr am Leben wären! Ihr allein haben wir es zu verdanken, dass jene unheilige Allianz zwischen Sytania und Valora zerstört ist und dass Valora wieder auf den rechten Weg geführt wurde! Mit ihrer Bereitschaft, dies gegen alle Widerstände zu tun, hat Allrounder Scott großen Mut bewiesen. Mut, den ihr so manche wohl nicht zugetraut hätten und am wenigsten hat ihr diesen Mut wohl Sytania selbst zugetraut. Das war wohl auch der Grund, aus dem sie Sytania schlussendlich fast im Alleingang besiegt hat. Aber auch ihr Mut, mit dem Feind zusammenzuarbeiten und ihm zu vertrauen, muss belohnt werden! Deshalb verleihe ich ihr hiermit heute den Sarek-Stern am Bande für diese außerordentliche diplomatische Leistung. Seien Sie ehrlich, Ladies und Gentlemen. Wer von Ihnen hätte Sytanias Vendar so einfach die Hand gereicht?“
Sie ließ eine dramatische Pause, in der sich tatsächlich einige nachdenklich am Kopf kratzten. Dann fuhr sie fort: „Deshalb bitte ich Sie jetzt zu mir, Allrounder Betsy Scott!“
Data hatte mir erneut seinen Arm hingehalten und unter dem tosenden Applaus der anderen Gäste war ich von ihm zu Nugura geführt worden. „Mr. Saron, den Orden bitte!“, sagte die Präsidentin an ihren Sekretär gewandt, der ihr sofort das Kissen aus Samt mit dem Sarek-Stern in die Hand gab. Dieses hielt sie mir nun hin. Dann fragte sie: „Nehmen Sie diese Auszeichnung an, Allrounder Betsy Scott?“
Ich räusperte mich, stellte mich gerade hin und sagte salutierend: „Madam Präsident, verehrte Anwesende, ich, Allrounder Betsy Scott, nehme diese Auszeichnung dankbar an. Was ich tat, um sie zu verdienen, geschah aus lauteren Motiven und ich würde jederzeit wieder so handeln!“ „Dann erlauben Sie mir bitte, Ihnen den Orden umzuhängen!“, sagte Nugura feierlich und ich beugte mich leicht vor. Sie nahm den Orden vom Kissen und ich spürte ihre Hände in meinem Nacken. Dann sagte ich: „Danke, Madam President.“ Und salutierte erneut. Dieses Mal aber erwiderte sie den Salut als Ehrbezeugung. Normalerweise hätte sie ja vor mir nicht salutieren müssen, weil sie ja die Oberbefehlshaberin der Sternenflotte und ich nur eine Untergebene war. Die Situation aber war jetzt aber eine andere, denn ich war diejenige, die hier geehrt werden sollte. Meine Kameraden von der Granger schlossen sich Nuguras Salut an. Dann spielte der Computer noch die Hymne der Föderation ab.
Ich atmete tief durch, denn der offizielle Teil der Zeremonie war damit vorbei. Jetzt würden zwar noch alle von mir eine Rede zum Dank erwarten, aber die würde ich ohnehin aus dem Stehgreif halten müssen, denn ich hatte keine Zeit mehr gehabt, sie noch großartig zu üben.
Ich stellte mich also gerade hin, holte tief Luft und begann dann: „Madam President, sehr geehrte Anwesende, es mag für Sie alle so aussehen, als hätte ich diesen Sieg ganz allein errungen. Dies ist so aber nicht richtig und ich will gern die Vorarbeit zum Wahrwerden eines Wunsches leisten, den Sie, Madam President, einmal in einer Ihrer Reden äußerten. Damals sagten Sie, Sie würden sich wünschen, dass die Geschichte einmal nicht mehr von Siegern, sondern von der Wahrheit geschrieben würde. Dies muss kein frommer Wunsch bleiben, wenn wir alle in Zukunft ehrlicher mit so mancher Situation umgehen, denn jemand hat mir einmal gesagt, dass man nicht die große Welt verändern kann, jedoch im Kleinen in seinem eigenen Umfeld oft eine Menge bewirkt. Wenn das jeder täte, dann hätten wir bald ganz von allein eine bessere Welt. Um dies zu erreichen, werde ich heute ehrlich zugeben, dass nicht ich es war, die den ersten Schritt zu unserer Zusammenarbeit getan hat, sondern Cirnach Ed Telzan, die bedauerlicherweise heute nicht hier ist, um meine Einlassung zu bestätigen. Ich gebe zu, Ladies und Gentlemen, dass einige von Ihnen das sicher nicht gern hören, aber die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache. Auch wenn es vielen vielleicht nicht wirklich gut passt, dass der Feind … Oh nein!“
Etwas hatte mich diesen Ausspruch tun und meine Rede so abrupt unterbrechen lassen. Etwas, das von meinem feinen Gehör sofort als der Hufschlag kleiner Hufe identifiziert wurde, die in schnellem Galopp auf uns zukamen. Es mussten die Hufe eines halbstarken Fohlens sein. Das schätzte ich zumindest. Aber wo sollte ein solches Fohlen plötzlich herkommen? Als einziges fiel mir das Dunkle Imperium ein. Hier gab es die Einhörner und es gab vor allem Benevidea, die es auch nur sein konnte, denn ihr Bruder war zu alt. Seine Hufe waren schwerer. Er würde jetzt ja schon ausgewachsen sein.
Noch ehe ich etwas sagen konnte, kam die Kleine bereits um die Ecke und Scotty und Shimar, die ihrer als erste ansichtig wurden, trauten ihren Augen nicht. Sie sahen nämlich, wie die Kleine im Zickzack durch den Park rannte, über diverse Tische sprang und dabei deren Tischtücher und alles andere, was noch so darauf stand in Richtung Boden beförderte. Auch alle, die vorher an den Tischen gesessen hatten, liefen jetzt wild durcheinander, gestikulierten und schrien. Die Ordner hatten alle Hände voll damit zu tun, die aufgebrachte Menge mindestens etwas unter Kontrolle zu halten.
„Was is’ mit Benevidea?“, fragte Scotty an Shimar gewandt, von dem er offenbar eine kompetente Antwort erwartete. „Die Kleine hat furchtbare Angst.“, antwortete der junge Telepath, der auf Scottys Frage hin versucht hatte, mit dem kleinen Einhorn Kontakt aufzunehmen. „Sie lässt mich aber nicht sehen, wovor sie solche Angst hat. Ihre Gedanken sind auch von dieser Angst total beherrscht und sehr wirr. Ich kann dir nichts sagen.“
Benevidea hatte die Bühne erreicht und war jetzt offenkundig auf dem Weg zu Data und mir. „Ja, komm her, Süße!“, schmeichelte ich, die an ihrem Verhalten auch erkannt hatte, was Shimar telepathisch gesehen hatte. Auch mir war klar, dass sie große Angst haben musste. Dabei zeigte sie aber eher das Verhalten eines verängstigten Pferdes als das eines Mächtigen. Das war aber für mich auch verständlich, wenn ich bedachte, dass ihre Mutter schließlich ein sterbliches Pferd war.
„Du musst keine Angst haben. Es ist doch alles in Ordnung.“, sagte ich beruhigend. „Ganz ruhig, Benevidea. Ganz ruhig. Wir kümmern uns …“
Jemand hatte mich um die Hüften gefasst, in die Luft gehoben und gedreht, so dass mein Gesicht zu seinem zeigte. Dann hatte er sich identifiziert: „Keine Angst, Allrounder. Ich bin es Data. Umfassen Sie meinen Nacken. Dann liegen Sie stabiler.“ Ich tat, was er mir gesagt hatte, denn ich dachte mir, dass es sein Ziel sein würde, mich aus dem Gefahrenbereich zu tragen. Selbstständig gehen und das vor allem schnell genug, konnte ich gerade nicht und das hatte wohl auch er gesehen, denn meine Anspannung war so groß geworden, dass ich am gesamten Leib wie Espenlaub zitterte. Benevidea würde mich zwar im Normalfall sicher nicht umlaufen, aber das hier war kein Normalfall. Allerdings würde Data das wohl nicht ganz gelingen, denn im nächsten Moment spürte ich Benevideas Atem. Dann wurden wir von ihr mit ihrem Horn berührt und ich hatte das Gefühl, dass wir schwebten. In diesem Moment wurde mir sehr schwindelig. Dann wurde ich offenbar ohnmächtig.
Viele hatten die Situation beobachtet. Unter anderem auch jemand, der im nächsten Augenblick etwas durch die Luft warf, das von den Umstehenden nur als pfeifender roter Schatten wahrgenommen wurde und direkt auf Benevideas Horn landete. Sofort ging die Kleine zu Boden. Dann erschien Barnaby auf der Bildfläche. Er hatte das andere Ende des Lassos in der Hand, dessen Schlinge jetzt um das Horn des armen Einhorns gelegt war. Mit der rechten Hand hielt er es fest und mit der linken machte er eine Siegerpose. Seine Augen blitzten und er schrie immer wieder: „Seht mal! Ich habe es noch drauf! Ich habe es besiegt! Ich habe ein mächtiges Einhorn besiegt! Ich, Laurence Barnaby, ein einfacher sterblicher Mensch, habe ein mächtiges Einhorn besiegt! Schaut doch her! Schaut her!“ Dabei kippte seine Stimme wie die eines Wahnsinnigen von tief auf schrill und andersherum. Außerdem führte er einen Veitstanz auf. Dann geriet er aber plötzlich ins Stolpern und fiel lang hin. Mit seinem Kopf landete er auf einem Stein, was seine sofortige Bewusstlosigkeit zur Folge hatte.
Den Grund für sein Stolpern hatte Commander Jaden H. Huxley geliefert, der ein im Gras liegendes Tischtuch aufgenommen und zu einem Seil gedreht hatte. In dieses hatte er eine Schlinge geknüpft, in welche Barnaby offensichtlich geraten war. Jaden hatte dann nur noch in seinem Versteck unter einem der Tische an seinem Ende zu ziehen brauchen. „Ich habe den Irren!“, hatte er seiner Frau, einer ausgebildeten Agentin, wie allen bekannt sein dürfte, zugerufen. „Komm her, Jinya!“ Dann zischte er dem bewusstlosen Barnaby noch zu: „Mit Lasso-Tricks kann ich auch dienen, Bürschchen!“
Sedrin hatte sich ihm zugedreht und die Situation in Augenschein genommen. Dann winkte sie Cupernica, die sofort entschied: „Ich verständige die Besatzung des Rettungsshuttles. Rescue One soll ihn in die Nervenklinik auf Demeta bringen. Wir haben alle gesehen, dass er mit seinem Verhalten eine Gefahr für sich und andere darstellt. Ich werde ihm ein Mittel spritzen, welches ihn den Flug über betäubt hält. Agent, in seinem jetzigen Zustand ist Mr. Barnaby nicht vernehmungsfähig.“ „Ist mir klar, Scientist.“, sagte Sedrin. „Ich nehme an, Sie werden die Ärzte dort instruieren, mit mir Kontakt aufzunehmen, wenn er so weit ist.“ „Das ist korrekt.“, sagte die Androidin und begann damit, alles, was sie gerade gesagt hatte, zu veranlassen. Auch Sedrin ging zum Replikator und replizierte sich ein Behältnis, in das sie das Lasso legte. Schließlich handelte es sich um ein Beweismittel. Dann steckte sie dieses ein und wandte sich noch kurz an ihren Mann: „Danke, Jaden. Du hast richtig gehandelt. Du hast ja schließlich nur vom Jedermann-Paragraphen Gebrauch gemacht.“ „Danke, Jinya Demetana.“, sagte Jaden. „So ein Irrer! Und so was is’ Chefleibwächter der Präsidentin!“ „Ich kann dich beruhigen. Diesen Job wird er wohl nach seiner Entlassung aus der Klinik nicht mehr ausüben dürfen. Ein derart psychisch auffälliger Mann darf schließlich nicht mit Waffen hantieren. Von der Verantwortung für eine zu schützende Person ganz zu schweigen. Das wäre zu gefährlich für die Allgemeinheit. Wir reden zu Hause, Jineron.“, sagte die Demetanerin und wandte sich ab. Sie würde nach ihrer Partnerin suchen, um mit ihr die weiteren Ermittlungen abzusprechen.
Kapitel 6: Heldenhaftter Saron
von Visitor
In dem ganzen Durcheinander hatte niemand mehr auf Benevidea geachtet. Niemand außer Saron, der sie jetzt auf der Seite liegend vorgefunden hatte. Der demetanische Sekretär war recht versiert in Erster Hilfe. Er hatte kaum einen Kurs versäumt. Speziell das Thema über Vierfüßer hatte ihn interessiert. Bei den vielen verschiedenen Spezies, die mittlerweile in der Föderation lebten, war das auch notwendig, so dachte er zumindest. Er sah es also auch als seine allererste Pflicht an, sich stets informiert zu halten.
Er kniete sich also neben das junge Einhorn und hob ihren Kopf auf. Dann sah er ihr in die Augen. Die Schleimhäute waren schneeweiß! Das war für ihn ein eindeutiges Zeichen, dass etwas mit ihrer Kreislaufsituation nicht stimmen konnte. Auch ihre schnelle Atmung wies auf einen Schock hin. Saron war froh, dass sie überhaupt noch atmete, denn auch er hatte den roten Schatten gesehen, den er einwandfrei als die Schlinge eines Lassos mit Rosannium identifiziert hatte. Die rote Farbe war recht eindeutig. Es musste allerdings auch eine enorme Menge gewesen sein, der die Kleine ausgesetzt war, denn ihr Horn war total eingefallen. Saron wusste, dass dies auf die Verletzung ihres telepathischen Zentrums zurückzuführen war, die durch die Strahlung entstanden sein musste. Da Mächtige auf ihre Kräfte unmittelbar angewiesen sind, war dem Sekretär auch klar, dass Benevidea sterben würde, wenn man die Strahlung nicht aus ihrem Organismus entfernen würde. Aber eventuell würde sie auch von ihrer prekären Kreislaufsituation schon vorher getötet. Aber zumindest dagegen würde er etwas tun können.
Er nahm also alle Kraft zusammen und versuchte, die Kleine in Brust-Bauch-Lage zu drehen. Da sie aber bereits die Hälfte des Gewichtes eines erwachsenen Tieres hatte, also ungefähr 300 kg wog, gelang ihm das nicht.
Yetron und Time hatten jenes Geschehen auch zur Kenntnis genommen. „Das kann er nicht schaffen!“, stellte der Terraner fest und warf seinem Ersten Offizier einen auffordernden Blick zu: „Los, Yetron!“
Der Aufgeforderte nickte und schlug gemeinsam mit seinem Vorgesetzten den Weg zur Unglücksstelle ein. Die Männer wurden aber bald von Scotty aufgehalten, der Mikel im Schlepptau hatte. „Er will unbedingt mithelfen.“, erklärte Scotty die Anwesenheit des blinden Agenten. „Und ich auch. Ich habe alles gesehen. Sind Data und meine Frau wirklich aus der Dimension geschwebt?“ „Das können wir so nicht sagen, Mr. Scott.“, sagte Yetron. „Dazu fehlen uns die Beweise. Aber wenn es uns gelingt, Benevidea zu retten, dann kann sie uns diese sicher liefern.“ „Ok!“, rief Scotty aus. „Worauf warten wir dann noch?!“
Zügigen Schrittes liefen die Männer auf Saron und das Einhorn zu. Dann sagte Time: „Hören Sie auf, Mr. Saron! Wir helfen Ihnen jetzt. Allein würden Sie ihr nur etwas brechen oder gar ausrenken. Sie dürfen nicht vergessen, dass sie jetzt verwundbar ist.“ „Sie muss in Brust-Bauch-Lage, Commander!“, rief Saron schon sehr verzweifelt. Er hatte an Benevideas linker Halsseite auch immer wieder nach ihrem Puls getastet und festgestellt, dass dieser immer schwächer wurde. „Das wissen wir.“, sagte Time beruhigend. „Deshalb sind wir ja jetzt hier und helfen Ihnen. Sie bleiben an ihrem Kopf und wir erledigen den Rest.“ „OK.“, atmete der Sekretär erleichtert auf. Er war offensichtlich froh, die Verantwortung über diese Aktion abgeben zu können, aber weit gefehlt. Als er Time nämlich fragend ansah, gab dieser nur einen negierenden Laut von sich und sagte: „Mr. Saron, Sie haben uns bewiesen, dass Sie von Erster Hilfe bei Vierfüßern eine Menge verstehen, also haben Sie auch das Sagen.“ „Na gut, Commander.“, sagte Saron, dem es angesichts der Situation zwar sehr mulmig war, der aber auch genau wusste, dass keine Zeit für lange Diskussionen blieb.
Scotty hatte Mikel und sich auf Benevideas rechter Seite positioniert. Dabei war er selbst hinten geblieben und hatte Mikel an der Vorderseite abgesetzt. „Bringen Sie eine Hand unter ihre Schulter und die andere unter ihren Huf, Agent.“, sagte Saron, der seinerseits am Kopf des Einhorns geblieben war. „Sonst brechen Sie ihr gleich noch das Bein. Mr. Scott, Sie fassen ihr Becken und ihren Hinterhuf. Commander Time, Agent Yetron, für Sie gilt ähnliches.“
Alle nickten Sarons Anweisungen ab und fassten beherzt zu. Nur Scotty fragte verwirrt: „Warum wollen Sie das Einhorn drehen, Mr. Saron? Is’ nich’ die stabile Seitenlage viel besser?“ „Das gilt für Wesen, die des aufrechten Gangs mächtig sind.“, informierte Saron ihn. „Herz und Lunge sind entsprechend aufgehängt. Für Vierfüßer ist das Liegen auf der Seite über einen längeren Zeitraum aber fatal. Sie können von ihrem eigenen Gewicht erdrückt werden. Besonders dann, wenn ihr Kreislauf ohnehin schon instabil ist.“ „Oh Entschuldigung!“, entschuldigte sich mein Mann sichtlich peinlich berührt. „Schwamm drüber.“, sagte Saron. „Aber wir müssen jetzt loslegen. Sonst überlebt sie den Tag nicht! Also, Gentlemen! Auf drei! Eins, zwei, drei!“
Alle hoben gleichzeitig ihr Viertel von Benevidea an. Dann schoben Time und Yetron von links, während Scotty und Mikel von rechts zogen. Saron ging nur am Kopf mit und passte auf, dass dieser nicht unkontrolliert durch die Luft wackelte. Schließlich sollte sich das arme Einhorn bei dieser schwungvollen Aktion nicht noch den Hals brechen. So hatten sie die Kleine dann tatsächlich bald in Brust-Bauch-Lage gedreht.
Sofort begann Saron erneut, mit seinen bescheidenen Mitteln Benevideas Lebenszeichen zu überprüfen. Dazu nahm er eine ihrer Lippen zwischen zwei Finger seiner rechten Hand und drückte auf die Gefäße, bis die Schleimhaut ganz weiß war. Erst dann ließ er wieder los und zählte laut bis zehn. Dann ließ er einige Sekunden verstreichen und tat es erneut. Allerdings kam er jetzt nur bis fünf. Dann war die Farbe und somit das Blut in die Gefäße zurückgekehrt. „Sieht aus, als hätten wir Erfolg.“, sagte er. „Ihr Kreislauf jedenfalls scheint sich zu erholen.“ „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Mikel, der seine Hände auf ihrer Flanke platziert hatte. „Sie atmet auch schon ruhiger.“ Er begann damit, sie liebevoll zu streicheln.
„Sie dürfte ’n anständigen Schock haben.“, stellte Scotty fest. „Dann braucht man Volumen. Sie sollte trinken. Ich hole was.“
Damit war er in Richtung des nächsten Replikators verschwunden. Offenbar wollte er seine Schlappe von eben unbedingt wieder ausbügeln. Gut für alle hörbar befahl er dem nur wenige Schritte von ihrer Position entfernten Gerät: „Einen 5-Liter-Eimer imperianisches handwarmes Quellwasser mit einer Saugvorrichtung!“
Das gewünschte wurde bald von dem Gerät ausgespuckt. Dabei erinnerte der Eimer an einen, aus dem in meiner Zeit Kälber getränkt wurden. Wahrscheinlich befürchtete Scotty, Benevidea könnte sich verschlucken, wenn sie in ihrer jetzigen Situation aus dem großen Eimer trinken müsste. Für ein Wesen mit so einer langen Luftröhre könnte das dann durchaus tödlich enden.
Stolz wie Oskar kam er bald darauf mit dem Eimer zurück. Als er Benevidea allerdings den Sauger anbot, schreckte sie zurück. Das war eine Reaktion, die für ein Fluchttier durchaus normal war, wenn es auf eine Situation traf, die ungewohnt war. Der Sauger stellte so etwas zweifellos dar. Scotty aber kippte nur etwas von dem Wasser auf seine Hände und strich damit den Sauger ein. Dann hielt er ihn ihr erneut hin und schmierte ihr aber auch etwas von dem Wasser an seinen Fingern direkt ins Maul. Dazu lupfte er ihre rechte Wange leicht an. Genießerisch begann die kleine Stute darauf doch mit dem Ablecken seiner Finger. Als sie aber gerade so richtig dabei war, zog er unvermittelt seine Hand weg. Sofort suchte Benevideas Nase nach der Quelle des wohlschmeckenden Wassers, das sie wohl sehr an zu Hause erinnerte. Da war aber nur der Sauger, der ebenfalls danach roch. Deshalb fasste sie sich dann wohl doch ein Herz und fasste ihn mit ihren weichen Lippen, um dann sofort mit dem Saugen zu beginnen.
Für uns mag Wasser nach nichts riechen und schmecken. Tiere aber haben sehr viel feinere Nasen und Geschmacksnerven. Damit können sie durchaus einzelne Stoffe herausfiltern und beurteilen, ob sie ihnen schmecken. Das war auch meinem Mann klar.
„Yes!“, entfuhr es Mikel, für dessen Ohren ihr Schmatzen eine Wohltat darstellen musste, so wie er sich jetzt verhielt. Er stand nämlich fröhlich lächelnd neben dem Einhorn. „Sie machen sich prima als Säuglingsschwester, Mr. Scott.“, lästerte Yetron, dem Scotty seinen Spruch aber keineswegs übel nahm. Er war ja schließlich selbst als der größte Sprücheklopfer der Nation bekannt und durfte sich also nicht wundern, wenn einmal etwas zurückkam. „Danke, Agent.“, gab mein Mann erleichtert zurück.
Benevidea hatte den gesamten Eimer geleert und dann den Sauger losgelassen, um ihr Maul abschlecken zu können. „Ja, schlapf, schlapf.“, sagte Mikel lautmalerisch. „Das war gut, was, Mäuschen?“ Als hätte das Einhorn ihn verstanden, gab es ein erleichtertes Schnauben von sich.
Eine weibliche Gestalt mit einem Arztkoffer in der rechten Hand näherte sich dem Geschehen. In ihrem Gefolge ging ein Taskonianer. Es handelte sich um Cupernica und Learosh. Die Androidin hatte sich Loridanas Assistenten sozusagen kurz ausgeliehen, da sie ihren eigenen, Mr. Oxilon, in der Menge so schnell nicht hatte ausmachen können. Sie hatte sich das Szenario nur kurz angesehen. Dann wandte sie sich an die Männer: „Sehr gut, Gentlemen. Sie waren sehr kompetente Ersthelfer. Mr. Learosh und ich übernehmen ab hier. Mr. Saron, ich konnte sehen, dass Sie offensichtlich die Aktion geleitet haben. Sie scheinen über eine sehr große Bandbreite an Kenntnissen der Ersten Hilfe zu verfügen. Sternenflottenoffiziere müssen die Lehrgänge absolvieren, aber Ihnen, als einem Zivilisten, rechne ich das hoch an! Ich spreche Ihnen hiermit ein großes Lob aus. An Ihnen sollte sich manch anderer ein großes Beispiel nehmen. Ich werde selbstverständlich auch Ihre Vorgesetzte darüber informieren. Aber jetzt dürfen sie alle erst einmal gehen.“ „In Ordnung.“, sagte Time und alle nickten erleichtert. Dann gingen die fünf Männer und ließen die Mediziner ihre Arbeit verrichten, die darin bestand, Benevidea eine Spritze mit einer Mischung aus Stoffwechsel steigernden Medikamenten und einem speziell gegen Rosannium wirkenden Gegengift zu geben. Mehr konnten sie im Moment nicht für sie tun.
Gemäß der tindaranischen Protokolle hatte IDUSA Shimar zu sich an Bord gebeamt, als sie die erhöhte Dosis Rosannium in der Atmosphäre ganz in der Nähe seines Standortes registriert hatte. Die Menge war groß genug gewesen, um Dill oder Logar außer Gefecht zu setzen. Für ihren Piloten, der ja ein weitaus schwächerer Telepath als die beiden Könige war, hätte sie durchaus tödliche Folgen haben können. Das hatten ihre Berechnungen zweifelsfrei ergeben.
Irritiert hatte sich Shimar zunächst umgeschaut. Er hatte sich zwar im Pilotensitz seines Schiffes befunden, was er auch erkannt hatte, die Situation als solche war ihm aber im Gegensatz zu seinem Schiff noch nicht ganz klar.
Er suchte nach dem Neurokoppler. Glücklicherweise fand er ihn auch bald und konnte ihn sich aufsetzen. IDUSA, die dies sofort registriert hatte, lud seine Reaktionstabelle. Dann sah Shimar in das erleichterte Gesicht der jungen tindaranischen Fliegerin, als die sich der Avatar immer dargestellt hatte. „Warum hast du mich an Bord geholt, IDUSA?“, fragte er ruhig. „Die Verhaltensprotokolle für IDUSA-Einheiten haben es mir geboten.“, sagte das Schiff. „Ich konnte eine für Sie zweifelsfrei tödliche Menge Rosannium in der Atmosphäre registrieren. Wenn Sie dieser weiter ausgesetzt gewesen wären, dann würden wir nun nicht mehr miteinander sprechen.“
Sie ließ ein Lämpchen am Auswurffach des Replikators blinken. Shimar drehte sich dem Gerät neugierig zu und entnahm ein kleines Glas. „Was ist das, IDUSA?“, fragte er. „Eine Medizin gegen Strahlungsvergiftung.“, sagte das Schiff nüchtern. „Glücklicherweise sind Sie weitaus weniger betroffen, als es die arme Benevidea war. Bitte trinken Sie das. Es wird das Rosannium aus Ihrem Körper tilgen. Wie gesagt. Bei Ihnen ist es nicht so schlimm. Deshalb reicht eine orale Einnahme.“ „OK, pass auf, IDUSA.“, sagte Shimar. „Während ich das hier trinke, zeigst du mir am besten mal, was du bezüglich Benevidea gesehen hast.“ „Wie Sie wünschen.“, entgegnete das Schiff. „Ich bin allerdings ohnehin davon überzeugt, dass Sie nach meinen Bildern einen Drink brauchen werden.“ „Fein.“, sagte Shimar. „Dann hebe ich mir den Kurzen hier für gleich auf. Leg schon los!“ „Wie Sie wünschen.“, sagte das Schiff und warnte: „Es wird nicht angenehm.“
Scotty hatte Mikel zu Kissara zurückgebracht, die sich gemeinsam mit Kang und ihm jenseits des größten Durcheinanders an einen noch stehenden Tisch gesetzt hatte. Kangs Platz war nur leider verweist, denn der Klingone hatte sich zurückgezogen. Seinem Gehen war eine Diskussion vorausgegangen, auf die Kissara nun noch einmal hinwies: „Was für einen schlauen Ersten Offizier ich doch habe, Mikel. Mir war klar, dass Sie Techniker Scott ablenken wollten, indem Sie seine Aufmerksamkeit zunächst auf sich und dann auf Benevidea ziehen. So denkt er nicht ständig an das Verschwinden seiner Frau und wird hoffentlich nichts Unüberlegtes auf eigene Faust tun.“ „Wann genau ist Ihnen klar geworden, was ich vorhatte?“, fragte der blinde Agent seinen Commander. „Als Sie aufstanden und Ihren Taststock scheinbar vergaßen.“, antwortete die Thundarianerin. „Meinem scharfen Katzenblick entgeht so leicht nichts. Das sollten Sie wissen und ich denke, darauf hat Ihr Verhalten auch abgezielt, nicht wahr? Sie wollten, dass ich Ihnen den Rücken freihalte für Ihr Ablenkungsmanöver. Sicher hätte Kang, der sich ja auch freiwillig gemeldet hatte, Körperlich viel besser beim Drehen des Einhorns helfen können, aber er hat einen entscheidenden Vorteil nicht, den Sie besitzen und den Sie auch sehr gut ausgespielt haben, Nämlich Ihre Behinderung, die Sie genutzt haben, um Scotty abzulenken. Sie haben mit Absicht eine Situation herbeigeführt, in der er Sie führen musste, als Sie ihren Stock liegenließen, nicht wahr? Deshalb habe ich Kang auch befohlen, zunächst sitzenzubleiben und ihm erst später erlaubt, sich zu entfernen.“ „Das war eine sehr gute Vorbereitung von Ihnen, Kissara!“, lobte Mikel. „Dazu kommt noch der sahnige Steilpass von Yetron, mit dem er mir mitten in meine Karten gespielt hat. Es war sehr clever von ihm, Scotty darauf hinzuweisen, dass wir Betsy nur retten können, wenn wir zuerst Benevidea retten. Sahne, ach was sage ich! Das war Creme Karamell!“ Kissara musste grinsen. „Ich werde es Mr. Yetron ausrichten, wenn ich ihn sehe. Ach, Agent, wie lange ist Ihr letzter Besuch der Simulation eines Fußballspiels eigentlich her?“ Jetzt war es Mikel, der grinsen musste.
Der Agent setzte sich gerade hin und stützte den rechten Ellenbogen auf die Tischplatte. Das tat er meistens, wenn er nachdachte. „Woran denken Sie, Agent?“, fragte Kissara. „Ich denke aber trotzdem, dass wir es Kang erklären sollten, Kissara.“, mahnte der junge Terraner. „So mancher könnte jetzt zwar anführen, dass ein Commander es nicht nötig hat, jede seiner Entscheidungen seinen Untergebenen zu erklären, aber …“ „Oh ich weiß, was Sie meinen.“, fiel ihm Kissara ins Wort. „In jeder anderen militärischen Organisation wäre das wohl auch so. Aber wir sind schließlich bei der Sternenflotte und die nimmt Rücksicht auf andere Kulturen. Dass meine Entscheidung für Mr. Kang eventuell eine Schmach bedeuten könnte, war mir von Anfang an klar und ich werde es ihm auch erklären! Ich werde ihm sagen, warum ihm bei so etwas ein vermeintlich schwächerer vorgezogen wurde. Das hatte ich von Anfang an vor. Bleiben Sie hier, Agent. Ich werde ihn suchen!“ Damit stand sie auf, blickte sich kurz um und ging dann zielstrebig in eine Richtung. In jener Richtung hatte sie Techniker Jannings erspäht, den sie fragen wollte, ob er Kang vielleicht auf das Schiff gebeamt hatte. Sie kannte ihren strategischen Offizier und ahnte wohl, dass er die Granger als adäquaten Rückzugsort für sich sehen könnte.
Shimar hatte sich die Daten angesehen, die sein Schiff gesammelt hatte. Dann hatte er äußerst bedient den Drink heruntergeschüttet. „Du musst eine Aussage machen. Das steht fest.“, sagte er leise. „Denken Sie wirklich, dass Agent Sedrin Taleris-Huxley, die ja anscheinend die leitende Ermittlerin in diesem Fall ist, sich dazu herablassen wird, die Aussage eines Raumschiffes aufzunehmen?“, fragte IDUSA. „Sie wissen doch, dass wir in der Rechtsprechung der Föderation nicht den gleichen Stellenwert haben wie in der tindaranischen. Wenn ich eine Androidin, eine Simulation oder ein Hollogramm wäre, dann wäre das bestimmt etwas anderes. Aber in meinem Fall …“
Sie hatte ihren Satz mit Absicht nicht beendet, um ihm eine Möglichkeit zum Einhaken zu geben. „Dann hättest du immer noch mich!“, sagte Shimar sehr energisch und sehr selbstbewusst. „Ich bin ein Organischer. Mir werden sie glauben und meine Aussage werden sie auch anhören. Wenn ich dann auf dich hinweise, werden sie quasi gezwungen sein, sich auch die Deine zu Gemüte zu führen. Aber du könntest die Daten ja schon einmal an Sedrins Rufzeichen schicken. Dann hat sie zumindest etwas zum Gucken.“ „In Ordnung.“, sagte IDUSA und tat, was ihr Pilot ihr soeben gesagt hatte.
Sie schaltete Shimar plötzlich einige Sensorenbilder auf den Neurokoppler. Der junge Tindaraner sah einen sehr verzweifelt dreinschauenden Scotty, der offenbar nicht so recht wusste, wohin er gehen sollte. Der Weg, den er eingeschlagen hatte, schien total wirr und er machte ein sehr trauriges Gesicht. Offenbar hatte die Wirkung von Mikels Ablenkungsmanöver doch verfrüht nachgelassen. Aber nicht nur IDUSA hatte etwas bemerkt, auch Shimar hatte im gleichen Moment einen kalten Schauer wahrgenommen, wie ihn Telepathen oft wahrnehmen, wenn sie bemerken, dass jemand, der ihnen sehr nahe steht, in Gefahr ist oder im Begriff, sich etwas Gefährliches anzutun.
„Hol ihn sofort an Bord!“, befahl Shimar in Richtung seines Schiffes. „Wer weiß, was er sich sonst antut!“ „Verstanden.“, erwiderte das Schiff gewohnt nüchtern. „Initiiere Transportererfassung. Ziel erfasst. Transport läuft.“
Wenig später fand sich Scotty an Bord des tindaranischen Schiffes wieder. Zunächst war er sehr irritiert ob dieser Tatsache, ließ sich aber dann doch ruhig von Shimar, der sofort seine Hand genommen hatte, zum Sitz für den Copiloten führen und nahm dort Platz.
Der junge Tindaraner sah seinem älteren terranischen Freund ins Gesicht. Auch wenn er keine telepathischen Fähigkeiten gehabt hätte, hätte er seine Angst wahrgenommen, die laut und deutlich aus seinen Augen sprach. Ihm war klar, dass Scotty wohl dringend reden musste.
Obwohl sie nicht flogen, sondern nur neben der Granger die Umlaufbahn um die Erde hielten, sagte er zu seinem Schiff: „IDUSA, übernimm das Steuer!“ Dann wandte er sich Scotty zu: „Ganz ruhig, Scotty. Ist ja gut.“ „Gar nichts is’ gut!“, erwiderte mein Mann fast panisch, eine Gefühlsregung, die weder Shimar noch IDUSA von ihm kannten. „Wo hat sie Betsy hingebracht, Shimar?! Wo is‘ meine Frau?! Wir müssen sie finden! Wir müssen sie finden! Benevidea wurde von Rosannium getroffen! Von Rosannium, Shimar! Weißt du, was das bedeutet?! Sie konnte sicher nicht zu Ende bringen, was sie versucht hat und jetzt steckt Betsy sicher irgendwo zwischen den Dimensionen fest. Bitte, Shimar! Bitte mach was! Mach doch was!“ Er schlug verzweifelt die Hände vor sein Gesicht.
Shimar überlegte angestrengt. So hatte er Scotty, den sonst stets nie um eine Lösung verlegenen Scotty, noch nie gesehen. So verzweifelt und hilflos kam er ihm vor. Aber was konnte er tun, um ihm zu helfen? Er wusste ja auch nicht, wo ich war. Seine telepathische Reichweite war begrenzt. Er war ja kein imperianischer oder zeitländischer Mächtiger und schon gar kein Bewohner des Raum-Zeit-Kontinuums. Allerdings wünschte er sich jetzt, Kairon wäre bei ihm. In seinen Augen schuldete ihm der Mächtige ohnehin noch etwas. Shimar hatte schließlich geholfen, seiner Schwester das Leben zu retten und dabei selbst Kopf und Kragen riskiert. Der junge Tindaraner fand, dafür könnte sich Kairon ruhig revanchieren.
Es war schließlich sein Schiff, die ihm die Anspannung nehmen konnte. Seine Gedanken waren für sie, da er immer noch den Neurokoppler trug, ja nach wie vor gut zu erkennen gewesen. „Shimar, bitte geben Sie Scotty den zweiten Neurokoppler.“, bat sie nüchtern. „Ich habe Ihnen beiden etwas mitzuteilen.“ „In Ordnung, IDUSA.“, gab Shimar ruhigen Tons zurück und holte das Gerät aus dem Fach unter der Konsole, wo es immer gelegen hatte. Dann gab er es Scotty mit den Worten: „Bitte setz das auf. IDUSA möchte mit uns beiden reden.“ „Na gut.“, sagte mein Mann und setzte den Neurokoppler auf. Dann gab er Shimar den Anschluss, welchen dieser sofort in einen freien Port steckte. IDUSA, die das sofort bemerkt hatte, lud Montgomerys Reaktionstabelle. Dann sagte sie: „Gentlemen, ich denke, ich habe Allrounder Scott gefunden. Shimar, ich habe ohne Ihren Befehl selbstständig Kontakt mit unserer interdimensionalen Sensorenplattform aufgenommen und ihr den Auftrag erteilt, nach ihren Lebenszeichen zu fahnden. Sie wissen ja, dass die Reichweite meiner eigenen interdimensionalen Sensoren auch begrenzt ist. Die Plattform hat sie aber tatsächlich gefunden und ihre Koordinaten an mich weitergegeben. Da sind nur diverse Merkwürdigkeiten an ihrem Standort.“
Shimar ließ hörbar die Luft aus seinen Lungen entweichen. Ihre Nachricht würde ihm sehr helfen, meinen immer noch sehr aufgebrachten Mann zu beruhigen. „Hör zu, IDUSA!“, befahl er recht erleichtert. „Dafür, dass du ohne meinen Befehl gehandelt hast, musst du dich nicht entschuldigen. Wir zwei kennen uns ja mittlerweile schon so gut, dass du meine Befehle wohl schon vorausahnen kannst. Nichts anderes hätte ich dir nämlich gesagt. Aber du sprachst von Merkwürdigkeiten. Was meinst du damit?“ „Sehen Sie selbst.“, sagte IDUSA und stellte beiden Männern das auf den Neurokoppler, was sie von der Sensorenplattform erfahren hatte.
Die Männer sahen ein Universum. Es war aufgebaut wie das der Föderation. Nur schien es um ein Vielfaches jünger zu sein, wie die Daten, die am unteren Bildrand mitliefen, ihnen verrieten. Kein Planet und kein Sonnensystem schienen älter als einige Stunden zu sein. Alles, sogar die Dimension selbst, schien diesen Umstand zu erfüllen.
„Das is’ ja komisch.“, merkte Scotty an. „Ich weiß, dass die Erde allein schon fast fünf Milliarden Jahre alt is’. Von anderen Planeten ganz zu schweigen. Bist du sicher, dass mit eurer Plattform alles in Ordnung is’?“ „Sicher bin ich mir da nicht.“, sagte Shimar. „Schließlich bin ich nur ein einfacher Patrouillenflieger und kein Ingenieur wie du. Aber das können wir ja gleich mal testen. IDUSA, bestimme das Alter von Zeitland mit Hilfe der Plattform!“ „Verstanden, Shimar.“, gab das tindaranische Schiff zurück, nahm erneut Kontakt mit der Plattform auf und übermittelte die nötigen Befehle. Ihr Ergebnis allerdings verwirrte Scotty noch mehr. „Das Alter der Dimension lässt sich nicht bestimmen.“, sagte das Schiff. „Es existiert keine bekannte mathematische Einheit, in der es zu bestimmen wäre. Die Dimension ist einfach schon zu alt. Ihr Alter sprengt jede Skala.“ „Genau das wollten wir hören.“, sagte Shimar. „Wenn die Plattform alle Dimensionen als jünger einstufen würde, als sie es wirklich sind, dann würde das erst recht für Zeitland gelten. Mich würde sehr wundern, wenn IDUSA jetzt eine Zahl hätte nennen können. „Jenn’ hat gesagt, wir sollen bei so etwas immer Zeitland als Referenz nehmen. Den bisher bekannten Daten nach ist die Zeit nämlich die älteste Dimension.“ „Die Plattform funktioniert also normal.“, schloss Scotty. „Sag mal, Schiffchen, gibt es noch mehr Merkwürdigkeiten an dem Universum, in dem sich Betsy jetzt befindet?“ „Affirmativ, Techniker Scott.“, sagte IDUSA. „Die grundlegende Energiesignatur dieser Dimension trägt Benevideas Neuralmuster.“ „Das bedeutet, dass sie die Dimension erschaffen hat, nicht wahr?“, fragte Scotty. IDUSAs Avatar vor seinem geistigen Auge nickte. „Aber Warum sollte sie eine Dimension erschaffen und dann meine Frau dorthin entführen?“, fragte Scotty. „Bedauerlicherweise fehlen mir die Daten, um Benevideas Verhalten daraufhin genau analysieren und meine Schlüsse ziehen zu können.“, sagte das Schiff. „Dazu kenne ich das Einhorn zu wenig. Aber wir könnten hinfliegen und uns die Sache mal genauer ansehen. Vielleicht können wir dann ja auch Betsy retten.“ „Na dann, Schiffchen!“, forderte Scotty sie auf.
IDUSAs Avatar vor ihren geistigen Augen wandte sich Shimar mit einem fragenden Blick zu. „Ach, das habe ich ja völlig vergessen.“, sagte Scotty. „Du musst ja erst deinen Piloten fragen.“ „Der damit aber sehr einverstanden ist.“, ergänzte Shimar und gab ihr den nötigen Gedankenbefehl, ihm die Steuerkonsole zu zeigen und ihm somit wieder die Kontrolle zu übergeben.
Er lenkte das Schiff aus der Umlaufbahn und dann auch noch aus dem Sonnensystem. In der irdischen Umlaufbahn oder gar im irdischen Sonnensystem den interdimensionalen Antrieb zu benutzen, konnte sehr gefährlich sein und er wollte, wenn es nicht unbedingt notwendig war, dieses Risiko nicht eingehen.
Außerhalb des Systems befahl er ihr schließlich, den interdimensionalen Antrieb zu aktivieren. Kaum hatte IDUSA das aber getan, wurde sie von etwas zurückgestoßen und kam ins Trudeln. Sie wurde sogar so instabil, dass sie sich auf ihren Bug stellte. Ihr Heck wackelte hin und her wie ein Lämmerschwanz und sie drohte vollständig auf die Seite zu kippen. Der Interdimensionale Antrieb schien nicht wirklich zu greifen und sie schwankte unkontrolliert durch die interdimensionale Schicht.
Von Shimar konnte sie in dieser Situation keine Hilfe erwarten, wie sie bei seiner Untersuchung feststellen musste. Er war fast bewusstlos. Der Grund hierfür war eine telepathische Wahrnehmung gewesen, die in ihm das Gefühl ausgelöst hatte, als hätte ihm ein Boxer zuerst in die Magengrube und dann an den Kopf geschlagen. Nur Scotty, der ja als Nicht-Telepath von so etwas nicht unbedingt betroffen war, war für sie in diesem Moment noch zu erreichen. „Bitte helfen Sie mir, Techniker Scott!“, sagte IDUSA und ihr Avatar vor Scottys geistigem Auge machte ein alarmiertes Gesicht. „Ich bin kurz davor, eine Notabschaltung des interdimensionalen Antriebs vornehmen zu müssen, weil sonst meine Systeme und meine strukturelle Integrität gefährdet sind! Wenn ich das aber tue, stürzen wir unkontrolliert in irgendeine Dimension!“
Scotty überlegte krampfhaft, was ihm aber bei der Achterbahnfahrt, die sie jetzt hinlegten, nicht sehr leicht fiel. IDUSAs Umweltkontrollen versuchten zwar, das Gröbste zu kompensieren, da der Flug aber unkontrolliert war, gelang das nicht wirklich und so bekam Scotty ihre Drehungen und das Auf und Ab hautnah mit. Er wusste, er musste es irgendwie hinbekommen, die Fluglage des Schiffes wieder zu begradigen. Aber das würde bedeuten, dass er fast zum Kunstflieger werden musste. So eine Ausbildung hatte er aber nicht. Er war sich jedoch über die physikalisch notwendigen Dinge klar, die jetzt getan werden mussten. Vielleicht klappte es ja auch, obwohl ihm die Routine eines ausgebildeten Kunstfliegers fehlte.
Er nahm allen Mut zusammen und befahl IDUSA: „Zeig mir ’ne Handsteuerung, Schiffchen. Für das Manöver muss ich dich spüren und es wird mir nich’ reichen, einfach nur Zahlen einzugeben.“ „Also gut.“, sagte das Schiff und führte Scottys Befehl aus.
Der ältere Terraner sah bald die gewünschte Konsole vor sich. Dann befahl er: „Geh zurück auf unsere Anfangskoordinaten, indem du den interdimensionalen Antrieb normal abschaltest ohne Notprozedur. Dann schaltest du die elektronische Trimmung aus und stellst die Bugspule auf Steig- und die Heckspule auf Sinkflug ein!“ „In Ordnung, Techniker Scott.“, sagte IDUSA und tat auch dies. Jetzt musste Scotty nur noch mit Hilfe des Joysticks, über den die Flughöhe normalerweise geregelt wurde, eine gute Balance herstellen, was ihm schlussendlich auch gelang. Endlich lag sie wieder gerade im Universum! „Vielen Dank, Techniker.“, sagte IDUSA erleichtert. „Ich hielt es für sehr unwahrscheinlich, dass Sie sich ein solches Manöver überhaupt zutrauen. Aber Sie haben mich eines Besseren belehrt.“ „Gern geschehen, Schiffchen.“, sagte Scotty ebenfalls sehr erleichtert. „Obwohl wir ganz schön viel Schwein hatten!“
Nur mit viel Mühe war es Shimar gelungen, den telepathischen Eindruck, den ihm die Dimension vermittelt hatte, wieder abzuschütteln. Angestrengt und außer Atem wandte er sich jetzt Scotty zu: „Was ist passiert?“ „Ich habe uns mit viel Glück zurückgebracht!“, sagte Scotty nassforsch. „Das is’ passiert.“ „Ich glaube, Benevidea will uns da nich’ haben, wo Betsy jetzt is’.“ „Das kann ich auch nur bestätigen.“, sagte Shimar. „Pass auf! Ich nehme dich mit nach Tindara. Dann reden wir mit Zirell und Jenna über die ganze Angelegenheit.“ „Gute Idee!“, sagte Scotty. „Vielleicht findet Jenn’ ja eine Schwachstelle im Abwehrschild dieser Dimension oder so. Auf eigene Faust versuchen wir es auf jeden Fall nich’ noch mal. Das ginge wahrscheinlich sowieso auf Kosten von IDUSAs Antrieb und den braucht sie schließlich noch. Von deiner Gesundheit will ich gar nich’ reden.“ „OK.“, sagte Shimar und befahl in Richtung seines Schiffes: „IDUSA, flieg unsere Heimatkoordinaten an und gib mir Zirell!“ „Sofort, Shimar.“, sagte das Schiff und führte die Befehle ihres Piloten aus.
Kapitel 7: Neue Probleme
von Visitor
Kissara hatte Jannings gefunden und sich von ihm an Bord der Granger beamen lassen. Dort hatte sie sofort das nächste Computermikrofon aufgesucht und den Rechner gefragt: „Computer, wo befindet sich Warrior Kang?“ „Warrior Kang befindet sich auf der Brücke.“, sagte der Schiffsrechner nüchtern.
Mein Commander betrat den nächsten Turbolift und ließ sich von ihm auf die Brücke transportieren. Dort sah sie Kang bereits, der mit hoch aufmerksamem Gesicht vor der Waffenkonsole saß.
Sie näherte sich langsam und setzte sich wieder auf ihren Platz. Sie wollte nicht, dass Kang sie so schnell bemerkte und schon gar nicht wollte sie, dass er sich vor ihr erschreckte und vielleicht noch etwas Unüberlegtes tat. Deshalb wich auch sie nicht von den Dienstvorschriften ab und verlangte: „Bericht, Mr. Kang!“ Der ob ihrer Anwesenheit sehr überraschte Klingone drehte sich um und sagte salutierend: „Es ist alles in Ordnung, Commander! Keine besonderen Vorkommnisse!“ „So? Ist es das?“, fragte Kissara und signalisierte Interesse. „Und ich glaubte, Sie würden einen Angriff erwarten.“ „Wie kommen Sie darauf, Madam?“, fragte Kang. „Weil Sie so konzentriert auf Ihr Pult starren.“, sagte Kissara. „Man muss stets wachsam sein.“, antwortete der Klingone und schaute erneut auf den Monitor für die Zielerfassung. „Wollen Sie die Feinde herbeistarren?“, fragte Kissara. „Hier ist weit und breit kein Angreifer zu sehen, was man von der Situation um Benevidea auf der Erde gerade nicht sagen kann.“
Den Bogen zu der Situation des Einhorns hatte sie zwar wie zufällig sehr leise, aber doch absichtlich geschlagen. Sie wollte erreichen, dass Kang doch mit der Sprache herausrückte.
Der Klingone legte die Stirn in Falten und gab ein leises Knurren von sich. Dann aber entschuldigte er sich sofort: „Es tut mir leid, Commander. Ich weiß, es steht mir nicht zu, die Entscheidungen meiner Vorgesetzten in Zweifel zu ziehen. Aber dennoch möchte ich mit allem Respekt anmerken, dass mir Ihre Entscheidung, mich am Teilnehmen an der Hilfsaktion für Benevidea zu hindern, sehr missfällt!“ „Oh haben wir heute unseren förmlichen Tag, Mr. Kang.“, sagte Kissara und grinste dabei. „Aber gut. Das kann ich auch. Ihr Missfallen wurde zur Kenntnis genommen, Warrior. Ich frage mich allerdings, wie lange Sie gebraucht haben, um diese Sätze zu üben. Allerdings weiß ein guter Commander auch, wann es Zeit ist, die Truppe glücklich zu machen und Sie sind ein Teil meiner Truppe. Ich würde Sie gern wieder glücklich sehen. Ich weiß, es würde Sie sehr glücklich machen, mir Ihr Herz zu erleichtern. Das sehe ich, auch wenn das sicher auf den ersten Blick sehr unklingonisch scheint. Aber Sie können sich, Khaless sei Dank, ja glücklich schätzen, auf einem Schiff der Sternenflotte Dienst zu tun und nicht auf einem klingonischen. Deshalb interessiert mich Ihre Gemütslage schon sehr. Also, Mr. Kang. Warum missfällt Ihnen meine Entscheidung?“
Die spitzfindige und manipulative Art, mit der sie versucht hatte, in seine Gedankenwelt vorzudringen, war ihm durchaus bewusst. Nur konnte er nicht mehr gegen das Verlangen, ihr doch noch sein Herz auszuschütten, ankämpfen. Zu weit waren ihre Worte bereits in seine Seele eingedrungen und er spürte sehr wohl, dass es keinen Zweck hatte zu leugnen. Sie würde ihn nicht mehr vom Haken lassen. Also sagte Kang nur: „Mit Verlaub, Madam. Mikel ist ein Mensch. Ich bin ein Klingone. Er ist körperlich viel schwächer als ich und es dürfte ihm deutlich schwerer gefallen sein, beim Drehen des Einhorns zu helfen, als es mir gefallen wäre. Warum also haben Sie ihn mitgeschickt?“ „Agent Mikel mag zwar körperlich schwächer als Sie sein, Kang.“, erklärte Kissara. „Aber er war ja auch nicht allein. Er hatte noch mindestens vier starke Helfer. Einer von denen war zweifellos Techniker Scott, um den es Mikel und mir auch ging. Sie mögen zwar körperlich stark sein, Warrior. Mikel hat jedoch eine körperliche Schwäche, die er prima zu seiner Stärke gemacht hat, als es darum ging, Techniker Scott für eine Weile abzulenken, damit er nicht so sehr an das Verschwinden seiner Frau denkt und eventuell noch unüberlegte Dinge auf eigene Faust unternimmt. Wenn Sie so genau gesehen haben, dass Mikel geholfen hat, Benevidea zu drehen, dann haben Sie ja sicher auch gesehen, was dem vorausgegangen ist, nicht wahr?“ „Das ist richtig, Commander.“, sagte Kang. „Ich sah, dass der Agent seinen Taststock vergessen hatte. Das ist sehr ungewöhnlich für ihn.“ „Darin stimme ich Ihnen zu, Warrior.“, sagte Kissara. „Aber da es sehr ungewöhnlich für ihn ist, hatte ich mir schon gedacht, dass eine Strategie dahinterstecken muss.“ „Jetzt sehe ich die Strategie auch.“, räumte Kang ein. „Ohne seinen Taststock hatte er eine Situation hergestellt, in der er von Techniker Scott abhängig war, weil dieser ihn führen musste. Die Situation wäre für Mikel so schlecht abzuschätzen gewesen. Das bedeutete für Scott wiederum, dass er seine Aufmerksamkeit zuerst auf Mikel und dann auf Benevidea richten musste. Genial! Bitte verzeihen Sie, Commander. Manchmal glaube ich, der Agent wäre ein viel besserer Stratege als ich.“ „Nun mal ganz ruhig, Mr. Kang.“, sagte Kissara. Im Kriegs- oder Angriffsfall möchte ich Sie und Ihre Instinkte nicht missen und nur weil einmal ein blindes Huhn ein Korn gefunden hat, müssen Sie nicht gleich die Flinte in selbiges werfen und um Ihren Job fürchten. Sie behalten Ihren Job, Warrior, und der Agent behält seinen. So hat alles seine Ordnung. Mikel ist ein genauso guter Erster Offizier, wie Sie es verstehen, mit Waffen umzugehen und die Bewegungen des Feindes vorauszuahnen. Solange ich also auf diesem Schiff das Kommando habe, wird jeder Schuster brav bei seinem Leisten bleiben! Ich hoffe, wir verstehen uns, Mr. Kang.“
Erleichtert ließ der Klingone die Luft aus seinen Lungen entweichen. Dann löste er sich aus seiner starren Haltung und sagte: „Ich danke Ihnen, Commander. Ich hoffe aber, dass Mikel Ihnen das Wortspiel mit dem blinden Huhn verzeihen wird.“ „Das hoffe ich auch.“, grinste Kissara. „Wo er doch auch eigentlich ein blinder Hahn ist.“ Ihrem Satz folgte ein erneutes breites Grinsen. Kang aber sah sie nur ernst an: „Sie wissen doch, was ich meine.“ „Oh ja.“, beschwichtigte Kissara ihn, der sie durch seine ernst zusammengekniffenen Augen angeblickt hatte. „Aber ich habe den Eindruck, dass Sie nicht ganz verstanden haben, was ich gemeint habe. Ich habe versucht, die Situation durch einen kleinen Spaß etwas aufzulockern.“ „Dann verzeihen Sie mir bitte, Commander.“, bat Kang diplomatisch, was für einen Klingonen eigentlich auch ein sehr untypisches Verhalten war. „Aber es scheint mir, als lägen der thundarianische und der klingonische Humor zu weit auseinander.“ „Na, den Eindruck habe ich aber langsam auch.“, stellte die ältere Thundarianerin fest.
Sie lehnte sich zurück und ließ ihren Blick über den Monitor schweifen, als wollte sie etwas oder jemanden suchen. Dann sagte sie: „Aber nun zu Allrounder Scott und ihrem plötzlichen Verschwinden. So lange, wie Sie sich schon auf diesem Schiff befinden, haben Sie doch bestimmt etwas beobachten können, oder?“ „Das tindaranische Schiff hat sich von uns gelöst, das Sonnensystem verlassen und den interdimensionalen Antrieb verwendet.“, sagte Kang. Jetzt aber ist es wieder zurück. Das ging alles recht schnell.“ „In Ordnung.“, sagte Kissara. Dann sollten wir uns mal mit Shimar austauschen. Denken Sie nicht?“ „Ja, das wäre wohl eine sehr gute Strategie.“, nickte Kang. „Also gut.“, sagte Kissara und wandte sich dem Computer zu: „Computer, eine Sprechverbindung mit folgendem Rufzeichen herstellen!“ Dann gab sie IDUSAs genaues Rufzeichen in die Maske ein.
Es dauerte einige Sekunden, dann ertönte ein Fehlersignal und die elektronische Stimme des Schiffsrechners sagte: „Ihr Befehl kann nicht ausgeführt werden. Das Rufzeichen befindet sich bereits in einer anderen Verbindung.“ „Das Ende der Verbindung abwarten und es dann erneut rufen!“, befahl Kissara. „Befehl wird ausgeführt.“, sagte der Computer.
Die Thundarianerin lehnte sich demonstrativ zurück. „Na gut.“, sagte sie. „Dann warten wir eben. Shimar wird seinem Commander Meldung machen. Das darf er ja auch. So dringend ist unsere Anfrage ja auch nicht.“ Kang nickte ihre Worte nur ab.
Tatsächlich war Shimar in ein Gespräch mit Zirell vertieft. Leider musste er sich aber dabei noch um IDUSA kümmern, die seine Hilfe verlangt hatte, da es ihr nicht möglich war, sich und ihre Crew per interdimensionalem Antrieb in die tindaranische Dimension zu bringen. Jedes Mal, wenn sie es versuchte, hatten alle das Gefühl, in ein Loch zu fallen. Das zwang sie immer wieder, in den normalen Modus zu wechseln. Deshalb hatte sie sich an ihren Piloten gewendet: „Es sieht so aus, als würde ich Sie brauchen, Shimar. Die im Augenblick vorherrschende Situation passt in keine mathematische Kategorie.“ „In Ordnung, IDUSA!“, sagte Shimar leicht nervös, denn er musste jetzt mehrere Dinge auf einmal tun. Seiner Kommandantin, deren Gesicht er mittlerweile über den Neurokoppler vor seinem geistigen Auge sah, musste er auseinandersetzen, warum er Scotty mitbrachte und dies nicht vorher mit ihr besprochen hatte. Außerdem musste er das Schiff in einer doch sehr abenteuerlichen Situation irgendwie in den interdimensionalen Modus bekommen.
Zirell, die er wohl völlig vergessen hatte, machte sich bemerkbar: „Was ist denn nun so wichtig, Shimar? Erst rufst du mich und dann höre ich minutenlang nichts von dir.“ Shimar holte tief Luft und erwiderte dann: „Kommandantin, bitte lass mich dir die Situation zuerst vollständig erklären, bevor du urteilst!“ „Oh du nennst mich Kommandantin.“, stellte Zirell fest und grinste dabei. „Haben wir heute etwa unseren förmlichen Tag?“ „So witzig ist die Situation gar nicht.“, stieß Shimar zwischen vor Konzentration zusammengebissenen Zähnen hervor. „Nun komm schon, IDUSA!“ „Ich habe den Eindruck, du bist schwer beschäftigt.“, sagte Zirell. „Das stimmt.“, gab Shimar zu. „Ich muss drei Dinge auf einmal tun. Irgendwie muss ich mit dir reden, Scotty beruhigen und ablenken und uns aus der Dimension der Föderation in die unsrige bekommen. Leider bin ich nicht multitaskingfähig wie mein Schiff. Aber ich kann sie mit der Situation nicht allein lassen. Sie braucht mich. Wenn ich ihr die Hilfe verweigern würde, dann hätte sie jedes Recht, mich im Rahmen der Lex Technologica anzuzeigen.“ „Und selbst dann gebe es erst einmal ein Verfahren, in dem entschieden würde, ob eine Strafe gerechtfertigt ist.“, versuchte Zirell, ihren Untergebenen zu beruhigen. „Aber mal was ganz anderes. Du sagtest gerade, Scotty sei bei dir. Wie kommt es dazu? Ist auf der Feier zu Betsys Ordensverleihung irgendwas vorgefallen?“ „Das kannst du wohl laut sagen.“, entgegnete der junge Tindaraner. „Erst hat es uns ’ne Menge gekostet, sie überhaupt davon zu überzeugen und jetzt ist Benevidea aufgetaucht und hat sie in eine andere Dimension entführt, die dem Universum der Föderation zwar verdammt ähnlich sieht, aber viel jünger ist. Sie ist nur wenige Stunden alt, aber hat alles, was das Universum der Föderation auch hat. Stell dir das vor, Zirell! Wir haben versucht, in die Dimension vorzudringen, aber da gibt es einen mentalen Schild, den Benevidea offenbar eingebaut hat und der verhindert, dass wir dorthin gelangen. Wir können sehen, was dort geschieht, aber Betsy retten können wir wohl nicht. Scotty hat die Situation sehr mitgenommen und ich habe auch zu kämpfen. Wenn ich nicht noch IDUSA hätte, um die ich mich kümmern müsste, wäre ich sicher auch ganz anders drauf. Aber ich reiße mich zusammen. Ich habe allein entschieden Scotty mit hierherzubringen. Ich habe die Kommandokette nicht eingehalten. Eigentlich hätte ich das ja zuerst mit dir absprechen und dich um Erlaubnis fragen müssen. Bitte verzeih mir, Kommandantin.“ „Langsam, langsam, Shimar.“, beruhigte die ältere Tindaranerin ihn. „Dass du dich nicht an die Kommandokette gehalten hast, macht deine Entscheidung, Scotty mit dir zu nehmen, ja nicht falsch. Außerdem hast du mich ja jetzt informiert. Du solltest mich gut genug kennen um zu wissen, dass ich ohnehin nicht nein gesagt hätte. Kommt ruhig her. Ich schicke dir Ishan an die Schleuse. Wenn Scotty so aufgelöst ist, wie du es sagst, dann wird es gut sein, wenn ihn sich ein Arzt mindestens einmal ansieht. Über alles andere wird Maron dich vernehmen. Die Daten über die seltsame Dimension schickst du am besten direkt an Jenna. Sie kennt sich ja mit dimensionaler Physik am besten aus.“ „Herkommen.“, sagte Shimar abfällig. „Das sagt sich so leicht. IDUSAs interdimensionaler Antrieb macht Probleme. Unser Versuch, zu Betsys momentanem Standort vorzudringen, wird ihn beschädigt haben. Bitte sag Joran, er soll mir Jenn’ geben.“ Zirell schüttelte energisch den Kopf. „Wer braucht Jenn’, wenn er Scotty hat.“, sagte sie auf Englisch und dann auf Tindaranisch zu Shimar: „Du musst ihn ablenken. Binde ihn in die Lösung des Problems ein. Gib ihm eine Aufgabe!“ Erleichtert nickte Shimar. Er war sehr froh, dass seine Kommandantin offensichtlich gerade auf dem besten Weg war, Ordnung in sein Chaos im Kopf zu bringen.
Offensichtlich hatten aber Scotty und Zirell unabhängig voneinander den gleichen Gedanken gehabt. Der ältere Terraner hatte die Notlage des Schiffes nämlich ebenfalls erkannt. Da er ja auch einen Neurokoppler trug und sie seine Tabelle geladen hatte, war es IDUSA und ihm ja auch möglich, unabhängig von Shimar miteinander zu kommunizieren. Also befahl Scotty in IDUSAs Richtung: „Schiffchen, hör mir zu! Mach eine Selbstdiagnose deines interdimensionalen Antriebs.“
Sofort tat IDUSA, was Scotty ihr befohlen hatte. „Der Antrieb ist voll funktionsfähig, Techniker Scott.“, meldete sie ihm ihr Ergebnis. „Also liegt es nich’ an dir.“, flapste mein Mann. „Zeig mir mal ’n Bild von der interdimensionalen Schicht und nenn mich bloß Scotty. Techniker Scott klingt so nach Anzugträger.“ „Ändere Anredeprotokoll.“, sagte Shimars Schiff. Dann zeigte sie Scotty das gewünschte Bild. „Kein Wunder, dass du nich’ klarkommst.“, analysierte mein Mann. „Die Schicht sieht aus wie ’n Schweizer Käse. Das habe ich das letzte Mal gesehen, als die Dimensionen fast zerstört waren. Jenn’ hat doch ständig Updates für die Feldprofile gebastelt, die deinen Antrieb der Situation angepasst haben. Hast du die noch?“ „Selbstredend, Scotty.“, sagte IDUSA. „Ich speichere jedes Update. Nur diejenigen, die zu alt sind, lösche ich nach einer bestimmten Frist, damit der Speicher nicht zu voll wird.“ „Die Frist für Jennas neueste Anpassungen is’ aber hoffentlich noch nich’ rum.“, bemerkte Montgomery. „Negativ.“, antwortete IDUSA. „Bitte sehr.“, damit öffnete sie das entsprechende Verzeichnis und zeigte Scotty Ausschnitte aller Profile, denn das Vollbild eines jeden hätte zweifellos den virtuellen Bildschirm gesprengt. Aber auch mit den Ausschnitten konnte Scotty etwas anfangen. Eines der Profile schien auch tatsächlich auf den momentanen Zustand der Schicht zu passen.
Er stellte sich seine rechte Hand vor und dann seinen Zeigefinger, der genau auf das Profil zeigte: „Lade mal das da, Schiffchen.“ „Wie Sie wünschen, Scotty.“, sagte IDUSA und führte den Befehl meines Mannes aus. Dann wandte sich Scotty an Shimar: „Jetzt versuch‘s mal, Junge!“
Shimar gab IDUSA erneut den Gedankenbefehl zum Aktivieren des interdimensionalen Antriebs. Dieses Mal aber schien er endlich zu greifen und sie landeten wenig später in der tindaranischen Dimension. „Na bitte! Wer sagt’s denn!“, applaudierte Scotty sich selbst. Auch IDUSA sagte: „Herzlichen Glückwunsch, Scotty.“ „Ganz eurer Meinung.“, gab ein total abgekämpfter Shimar seinen Senf dazu, dem die Schweißperlen auf der Stirn standen.
„Ich werde bis zu unserer Basis das Steuer übernehmen.“, bot IDUSA an. „Sie haben sich genug verausgabt, Shimar. Oh, wir werden gerufen. Es ist die Granger. Ihr Computer muss mitbekommen haben, dass wir die Dimension verlassen haben und das interdimensionale Relais benutzt haben. Commander Kissara möchte dringend mit Ihnen sprechen, Shimar. Es tut mir leid, dass ich Sie jetzt noch damit behelligen muss. Eigentlich müssten Sie sich dringend ausruhen. Aber Sie könnten mir natürlich auch die Erlaubnis erteilen, mit ihr an Ihrer Stelle zu sprechen. Unsere Daten kann schließlich auch ich ihr geben.“ „Und ich werde ihr im Notfall einfach dabei helfen.“, schlug Scotty in IDUSAs Kerbe. „Du kannst dir ruhig erst mal ’ne Pause gönnen, Junge.“ „Vielen Dank, ihr zwei.“, sagte Shimar. „OK. Machen wir es so.“ Damit nahm er den Neurokoppler ab, ein sicheres Zeichen für das Schiff, dass er die Kontrolle abgeben wollte und dann fielen ihm die Augen zu.
Kissara war überrascht, in das Gesicht des Schiffsavatars zu blicken, statt in das von Shimar, welches sie erwartet hatte. „Warum sprichst du mit mir, IDUSA?“, fragte sie überrascht. „Ist dein Pilot verhindert?“ „Man könnte es so ausdrücken, Commander.“, sagte IDUSA diplomatisch. „Aber was ist denn Ihr Begehr? Vielleicht kann ja auch ich Ihnen helfen?“ „Das kannst du wahrscheinlich tatsächlich.“, stellte Kissara fest. „Mein strategischer Offizier hat mir gemeldet, du und dein Pilot, ihr hättet die Dimension verlassen und wärt aber schon sehr bald wieder zurückgekehrt. Was hatte das zu bedeuten?“ „Wir scheinen nicht über die gleichen Daten zu verfügen, Commander.“, stellte IDUSA fest. Ich bin aber bereit, Ihnen ein Update zu geben.“ „Dann bin ich jetzt bereit, es zu empfangen.“, sagte Kissara diplomatisch. Für sie war die sehr technische Sprache des Schiffes etwas ganz Normales und Logisches. Da sie den Grundsatz sehr ernst nahm, dass jeder Sternenflottenoffizier auch gleichzeitig Diplomat ist, ging sie auch darauf ein.
„Shimar und ich sind nicht allein.“, erklärte das tindaranische Schiff. „Mr. Scott ist bei uns. Shimar befahl mir, ihn an Bord zu holen, damit er nichts Unüberlegtes täte. Zuvor hatte ich Shimar an Bord geholt, wie es mir die tindaranischen Verhaltensprotokolle gebieten, wenn die Situation zu gefährlich oder gar tödlich für ihn ist. Genau das war der Fall, denn ich stellte eine erhöhte Konzentration von Rosannium in seiner Nähe fest. Sie wissen, wie ungesund das für Telepathen ist. Die Menge hätte ausgereicht, um Dill oder Logar außer Gefecht zu setzen. Für Shimar wäre sie tödlich gewesen. Ich musste handeln und er auch. Nachdem er mir befohlen hatte, Mr. Scott an Bord zu holen, erhielt ich von Shimar den Befehl, nach Allrounder Scott zu suchen. Ich habe sie auch gefunden. Sie befindet sich in einer Dimension, die dem Universum der Föderation fast aufs Haar gleicht. Nur ist sie um ein Vielfaches jünger.“ „Wie jung, IDUSA?“, fragte Kissara. „Sie ist süße und zarte fünf Stunden, siebzehn Minuten und jetzt acht Sekunden alt, Commander.“, erwiderte der tindaranische Aufklärer. „Dennoch hat sie alles, was ein Universum haben muss. Das ist zwar wissenschaftlich unmöglich, wird aber dann möglich, wenn man bedenkt, dass Benevidea es durch ihre Gedanken geschaffen hat. Das Einhorn ist schließlich eine Mächtige. Sie kann sich über Naturgesetze hinwegsetzen, wenn sie es will. Außerdem können wir den Allrounder zwar sehen, wir können aber nicht zu ihr vordringen. Ich habe die Daten bereits an unsere Basis gesendet. Ich denke, Commander Zirell wird nichts gegen eine erneute Zusammenarbeit haben.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte mein Commander. „Aber ich werde ihr vorher besser Bescheid geben. Ich werde meine Crew einsammeln und dann werden wir zu euch kommen. Ihr müsst die Daten ja selber noch auswerten. Sag am besten Zirell, dass wir unterwegs sind. Falls sie nicht einverstanden sein sollte, oder sich etwas verschiebt oder ändert, kann sie mich ja zurückrufen.“ „In Ordnung.“, sagte IDUSA und beendete die Verbindung.
Kang drehte sich ihr zu: „Mit Verlaub, Commander, das Schicksal gönnt uns offenbar keine Pause. Wir scheinen buchstäblich von einer Mission in die nächste zu fallen.“ „Da haben Sie gar nicht so unrecht, Mr. Kang.“, sagte Kissara.
Sie stand von ihrem Sessel auf. „Ich werde wieder herunterbeamen, Kang.“, sagte sie. „Dann werde ich dezent die Präsidentin informieren und alle einsammeln. Ribanna wird uns dann nach Tindara fliegen. Jannings soll unseren interdimensionalen Antrieb wenn nötig anpassen. So eine fremde Dimension, die plötzlich auftaucht, sorgt sicher erst einmal für Chaos in der interdimensionalen Schicht. Sie haben die Brücke, Warrior!“, Damit ging sie in Richtung Transporterraum, in dem Techniker Jannings auf sie wartete, den sie dessen angewiesen hatte.
Kapitel 8: Vertrauensansätze
von Visitor
Benevidea hatte sich aufgerappelt und war einige Schritte gegangen. Ihr Weg hatte sie zu einer Wiese geführt, auf der sie zögerlich mit dem Grasen begonnen hatte. Appetit hatte sie nicht wirklich, denn die Verletzung ihres telepathischen Zentrums war ja noch nicht behoben. Da die Mächtigen des Dunklen Imperiums und Zeitlands auf ihre Kräfte direkt angewiesen sind, um überleben zu können, kam ihr Zustand einer schweren Krankheit gleich. Ihre sterblichen Instinkte jedoch rieten ihr unter allen Umständen zu kämpfen. So schlugen quasi zwei Herzen in ihrer Brust.
Es gab aber noch jemanden, die sich abgesondert hatte. Es war Sensora gewesen, die ebenfalls der Feier ferngeblieben war, da es für sie als Androidin ja keinen Unterschied machte, ob sie teilnahm oder nicht. So fand sie zumindest. Freude über das Zusammensein mit ihren Kameraden konnte sie ja nicht wirklich empfinden und den Pflichtteil hatte sie erledigt. So war sie also durch den Park spaziert.
Benevidea hatte sie am Rand der Wiese auftauchen gesehen. Das junge Einhorn wusste, dass ihr von Zweibeinern in der Vergangenheit oft Hilfe zuteilgeworden war. Außerdem hatte sie das Gefühl, Sensora vertrauen zu können. Deshalb drehte sie sich sofort in ihre Richtung und trabte auf sie zu.
Etwas verwirrt ob dieser Situation war die Androidin stehengeblieben. Sie hatte zwar ihre Hände nach dem Einhorn ausgestreckt und damit begonnen, die Kleine zu streicheln, sich erklären, warum sie ausgerechnet zu ihr gekommen war, konnte Sensora aber nicht. Echten Trost konnte sie ihr, zumindest ihrer eigenen Meinung nach, nicht wirklich spenden. All die Dinge, die sie jetzt tun würde, wurden ihr schließlich nur von einem ihrer Unterprogramme diktiert und waren austauschbare Handlungen. Falls das Programm ihr sagen würde, sie solle sich auf den Kopf stellen, statt Benevidea zu streicheln, um sie zu trösten, dann würde Sensora das tun. Außerdem war Benevidea nicht in der Lage, mit ihr telepathisch zu kommunizieren, da sie, Sensora, nicht empfänglich dafür war. Für die Androidin gab es also für das Verhalten des Einhorns keinen logischen Grund.
Dies schien Benevidea allerdings anders zu sehen. Sie kuschelte sich sogar fest an Sensora, die mit der Situation jetzt sichtlich überfordert war. „Warum kommst du denn ausgerechnet zu mir, Benevidea?“, fragte sie. „Meine Gefühle sind nicht echt. Sie sind nur das Resultat meiner Programmierung. Mein Verhalten ist rein mechanisch und sicher für dich zu steril. Du benötigst echten Trost, den ich dir nicht geben kann.“
Das Einhorn schien für ihre Argumente allerdings taub zu sein. Jetzt begann sie auch noch, sich die Lippen zu lecken und laut zu schmatzen. Sensora kannte diese Gesten. In ihrer Datenbank waren sie als Beschwichtigungs- oder auch Wohlfühlverhalten bei Pferdeartigen verzeichnet. Aber wofür sollte sich Benevidea entschuldigen und warum konnte es sein, dass sie sich bei Sensora wohlfühlte. Den meisten Telepathen waren doch Androiden eher nicht geheuer, weil sie nicht sofort wissen konnten, was diese im Schilde führten. Zumindest hatte Sensora die Erfahrung gemacht, dass dies bei unsicheren Telepathen oft der Fall war.
Sie drehte sich energisch fort und machte einige schnelle Schritte in die Gegenrichtung. Wahrscheinlich hoffte sie, Benevidea so überzeugen und abschütteln zu können. Ihr war wirklich nicht klar, warum sich das junge Einhorn gerade sie als tröstende Freundin auserkoren hatte. Allerdings zeigte ihre Aktion keine Wirkung. Im Gegenteil. Das Einhorn folgte ihr noch und sobald sie wieder stehenblieb, war auch Benevidea erneut bei ihr und kuschelte sich an. Auf diese Weise würde Sensora sie also nicht loswerden.
Sie blickte sich um und sah in der Ferne Agent Yetron. Nach der gelungenen vorläufigen Rettung Benevideas und dem Ende der Feier, das Nugura aus gegebenem Anlass spontan beschlossen hatte, hatte auch der Demetaner einen Spaziergang gemacht. Er war allerdings sehr überrascht darüber, die winkende Hand seiner Untergebenen zu sehen.
Sofort drehte er sich um und ging auf Sensora und ihre Situation zu, blieb aber doch in einiger Entfernung beobachtend stehen. „Faszinierend.“, urteilte er. „Offenbar sieht Benevidea in Ihnen eine echte Freundin, Allrounder.“ „Das würde ich aufgrund ihres Verhaltens auch nur bestätigen, Sir.“, sagte Sensora. „Obwohl ich mir die Gründe wirklich nicht vorstellen kann. Sie dürfte doch spüren, dass ich keine echte Freundschaft für sie empfinden kann und wirklich trösten kann ich sie auch nicht.“
Times Erster Offizier warf einen weiteren prüfenden Blick auf die Situation. Dann sagte er: „Das scheint Benevidea aber komplett anders zu sehen, Sensora.“ „Aber warum?“, fragte die sichtlich irritierte Sensora. „Ihr Verhalten weist außerdem stark darauf hin, dass sie sich für etwas entschuldigen möchte. Wenn ich nur wüsste für was!“ „Das werden wir wohl so schnell nicht herausbekommen, Allrounder.“, sagte der ausgebildete Spionageoffizier. „Aber Sie haben mir gerade einen entscheidenden Hinweis gegeben, was das Warum angeht. Da Sie keine echten Emotionen besitzen, kann Benevidea über das eigene Verhalten, welches auch immer sie meint, auch keine Wut von Ihnen spüren im Gegensatz zu einem von uns. Für viele Telepathen ist die Wut anderer wie ein starker Schmerz.“ „Und Sie meinen, sie fühlt sich bei mir sicher, weil ich ihr diesen nicht zufügen kann?“, fragte Sensora. Der Demetaner nickte und lächelte.
Time kam des Weges. Auch er hatte sich nach dem plötzlichen Ende des Festes etwas im Park die Beine vertreten. Auch er schaute ungläubig auf das Geschehen, das sich ihm hier bot. „Agent.“, wandte er sich an Yetron. „Sie können mir nicht zufällig sagen, was hier vorgeht?“ „Oh doch, Commander!“, sagte Yetron sehr selbstbewusst. „Offenbar hat sich unser junges Einhorn Sensora als Vertraute erwählt. Bevor Sie argumentieren möchte ich Ihnen meine Theorie zum Warum mitteilen. Sensora ist weder in der Lage, echte Gefühle zu empfinden, noch ist sie telepathisch empfänglich. Auch Benevidea kann sie nicht erfassen. Das macht eine Kommunikation zwischen den beiden neutral. Benevidea muss nicht befürchten, dass Sensora wütend auf sie werden könnte. Ihrem Verhalten nach versucht sie nämlich, sich für irgendetwas zu entschuldigen.“ „Es geht wahrscheinlich um Scotts Entführung.“, sagte Time. „Ach, wenn wir doch nur besser mit ihr reden und ihre Beweggründe herausfinden könnten. Die Kleine hatte furchtbare Angst, als sie das getan hat. Das muss doch irgendeinen Grund haben!“ Sensora und Yetron nickten.
Der ältere Terraner zog sein Sprechgerät. Wie Captain Kirk war Time auch nie ein Freund langer Debatten gewesen. Er fand es besser, ein Problem durch Fachkräfte vor Ort lösen zu lassen, als sich lange darüber die Köpfe heiß zu reden. Er gab dem Gerät also den Befehl, einen Sammelruf an alle Rufzeichen zu senden, die in der Nähe waren. Dabei ahnte er allerdings nicht, was er damit auslösen würde. „Finden Sie sich bitte alle an dieser Wiese ein, Ladies und Gentlemen.“, sagte er. „Ich hinterlasse ein Signal zu Ihrer Orientierung!“
Er steckte das Gerät wieder ein und wandte sich Yetron und Sensora zu: „Wie mir scheint, Allrounder, werden Sie wohl demnächst Babysitter für ein Einhorn spielen müssen und Sie, Agent, sollten sich mal was überlegen, wie wir es der Kleinen auf unserem Schiff etwas gemütlich machen können. Ich kann mir Nuguras Befehle für uns nämlich schon denken, wenn ich sie richtig einschätze.“ Times untergebene nickten beide.
Eine riesige Menschentraube hatte sich auf den Weg zu Times Position gemacht. Dabei waren längst nicht alle von der Spezies Mensch. Da Time ja wie gesagt seinem Sprechgerät befohlen hatte, alle Rufzeichen in der Nähe anzusprechen, hatten auch fast alle Sternenflottenoffiziere seinen Ruf mitbekommen und waren ihm gefolgt. Dies war eine Tatsache, die Peter sehr überrascht hatte. Etwas irritiert wandte er sich Yetron zu: „Was können die alle wollen, Agent?“ „Offensichtlich hatten Sie, nennen wir es Pech bei der Eingabe, Commander.“, schlussfolgerte der über beide Ohren grinsende Demetaner. „Wenn Sie sich nur an Ihre eigene Crew hätten wenden wollen, dann hätten Sie sich gegenüber dem Computer anders ausdrücken müssen. Aber ich finde die Situation, so wie sie sich jetzt darstellt, gar nicht so schlecht. Auf diese Weise können wir aus einem viel größeren Pool an Fachkräften schöpfen, was bestimmte Dinge angeht. Denken Sie nicht auch?“ „Da mögen Sie Recht haben, Agent.“, stimmte Time zu. „Dann war mein Pech bei der Eingabe, wie Sie es nannten, ja eigentlich wohl eher Glück.“ Yetron nickte nur grinsend.
Kissara hatte Nugura über die Situation informiert. Dann waren beide auch zu der Menge gestoßen und die Präsidentin war ganz nach vorn zu Peter gegangen. Dann hatte sie von ihrem Untergebenen gefordert: „Bericht, Commander!“ Als Oberbefehlshaberin der Sternenflotte stand ihr das ja auch zu.
Time wandte sich ihr zu und salutierte. Dann sagte er: „Madam President, wir sind zwar mit den Ermittlungen noch nicht ganz fertig, aber anscheinend hat sich Benevidea meinen Allrounder als ihre Vertraute ausgesucht. Der Theorie meines Ersten Offiziers nach hat sie das getan, weil Sensora keine echten Gefühle hat und somit auch nicht wütend auf sie sein kann wegen Allrounder Scotts Entführung. Bitte glauben Sie mir. Ich verstehe einiges von Pferdeverhalten. Die Kleine hat bestimmt nicht in böser Absicht gehandelt, als sie Scott entführte. Als sie das tat, hatte sie furchtbare Angst und befürchtet jetzt wohl eine Strafe.“ „Moment, Time!“, unterbrach Nugura den älteren Terraner energisch. „Sie reden die ganze Zeit von Pferdeverhalten. Aber Benevidea ist ein mächtiges Wesen. Wie kommen Sie dann auf so etwas?“
Cupernica hatte sich durch die Menge zu Time und Nugura geschlichen. Die Androidin hatte das Gespräch zunächst nicht stören wollen, sah jetzt aber doch einen dringenden Grund zum Eingreifen. „Ich muss Sie korrigieren.“, sagte sie. „Benevidea ist nur zur Hälfte ein mächtiges Wesen. Ihre zweite Hälfte ist sterblich, da ihre leibliche Mutter ein sterbliches Pferd ist. Hier sind wir auch schon direkt im Thema. Offenkundig hatte sie Angst und scheint auch jetzt noch in einer Art Schockzustand zu sein. Den Grund dafür kennen wir noch nicht. Er sei auch erst einmal dahingestellt. Wir dürften ihn noch früh genug herausfinden können, gerade dann, wenn Sie so kompetente Ermittler wie Time und seine Leute an den Fall setzen, Madam President. Die Besatzung der Electronica ist es gewohnt, in so mancher Situation zu improvisieren und sie hatten sehr oft bereits den richtigen Riecher. Aber ich denke, ich schweife ab.“ „Das tun Sie allerdings, Scientist.“, sagte Nugura. „Aber vielen Dank für Ihr Plädoyer. Ich werde Time mit der Aufgabe betrauen, auf Benevidea zu achten und sie nach Hause zu bringen. Er soll auch herausfinden, warum und wohin sie Scott entführt hat. Außerdem wird er unser Ölzweig sein, was die Diplomatie mit den Einhörnern angeht. Immerhin hat ein Bürger der Föderation Benevidea ihre Verletzung zugefügt und er war auch noch einer meiner engsten Mitarbeiter. Die Einhörner werden das nicht sehr gut finden und Valora und Invictus könnten uns sehr gefährlich werden, wenn sie wollten. Unter Umständen könnten sie Barnabys Tat sogar als kriegerischen Akt sehen. Dazu darf es unter keinen Umständen kommen. Unter gar keinen Umständen, Time. Haben Sie verstanden? Ihre Ärztin soll sich bloß etwas einfallen lassen, Benevidea zu retten! Sie haben freie Hand, zu tun was immer auch notwendig ist.“
Yetron wandte sich Time und Nugura zu: „Machen Sie sich keine Sorgen, Madam President. Wir werden uns um Benevidea kümmern.“
Er schaute sich um und entdeckte Cenda in der Menge, die er sogleich ansprach: „Techniker, Begleiten Sie mich auf das Schiff und assistieren Sie mir bei der Einrichtung eines Krankenzimmers für ein Einhorn!“ „Zu Befehl, Sir!“, sagte Cenda schmissig und stellte sich neben ihn. Dann gingen beide ein Stück den Weg, der parallel zur Wiese führte, entlang, während Yetron sagte: „Also, Techniker, ich habe mir folgendes Vorgestellt. Wir könnten in Frachtraum drei …“ Sie waren aus der Hörweite aller anderen verschwunden.
Nugura warf Time einen fragenden Blick zu. „Was hat er vor, Commander?“, fragte sie. „Oh sicher was ganz Geniales, Madam President!“, versicherte Time. „Ich denke, eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass der Tag kommt, an dem mein Erster Offizier mal keine Lösung für unsere Probleme hat. Ich vertraue ihm da voll und ganz.“ „Also gut, Time.“, sagte das Staatsoberhaupt. „Ich vertraue Ihnen dann auch.“
Cupernica hatte sie erneut zu sich gewinkt. „Ich bin in meinen Ausführungen leider unterbrochen worden.“, stellte sie fest. „Ich sollte Ihnen aber doch noch erklären, so denke ich, warum Commander Time mit seinem Pferdeverhalten schon auf der richtigen Spur ist. Wesen, die in einen Schockzustand geraten oder starke Angst verspüren, verfallen oft in das Sprechen ihrer Muttersprache. Dies wurde schon durch meinen längst verstorbenen aber auch sehr berühmten Kollegen Dr. Phlox festgestellt. Das können wir bei Benevidea ruhig wörtlich nehmen, denn ihre Mutter ist ein Pferd. Ihre Muttersprache dürfte also die der Pferde sein und nicht die Art und Weise, in der sich Mächtige mit uns oder unter sich verständigen. Zur telepathischen Kommunikation ist sie durch ihre Verletzungen im Moment ja ohnehin nicht in der Lage.“ „Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen, Scientist.“, sagte Nugura. „Jetzt sehe ich einiges viel klarer. Das war’s. Wegtreten!“ Cupernica nickte und ging.
Wieder wandte sich Nugura Time zu: „Ich hoffe, dass Ihnen klar ist, was auf dem Spiel steht, Time. Vermasseln Sie es nicht! Ich will keinen Krieg mit den Einhörnern führen müssen!“ „Ich denke, das will keiner hier, Madam President.“, sagte Time. „Ich mache das schon.“ „Das will ich hoffen.“, sagte Nugura und wandte sich Kissara zu: „Sie, Kissara, werden gemeinsam mit den Tindaranern Scotts Aufenthaltsort und ihre Situation ermitteln. Dann werden wir entscheiden, wie wir weiter vorgehen. Ich erwarte von Ihnen allen mindestens täglich einen Bericht!“ „Aye, Madam President.“, nickte mein Commander, machte auf dem Absatz kehrt und winkte allen anderen Mitgliedern ihrer Crew. Gemeinsam würden sie jetzt auf die Granger beamen und dort beratschlagen. Time und Sensora blieben mit Benevidea zurück. Sie würden auf das OK von Yetron und Cenda warten und dann alle zusammen auf die Electronica beamen.
Warum niemand, einschließlich Cupernica, den ebenfalls gemeinsam mit mir entführten Data erwähnte, ließ sich wohl am ehesten damit erklären, dass offenbar alle davon ausgingen, er würde die Situation schon souverän meistern und man würde sich um ihn keine Sorgen machen müssen. Dass dies sehr richtig vermutet war, ließ sich sehr gut erkennen, wenn man betrachtete, was Data jetzt mit mir in der für uns beide sehr fremden Umgebung tat. Er hatte mich auf einer Bank nahe einer Straße in stabiler Seitenlage abgelegt und meine Beine mit seinen Händen angehoben. So wollte er sicherstellen, dass es meinem Kreislauf auf jeden Fall bald wieder gutging. Das gelang ihm auch, denn ich erwachte bald wieder langsam. Um mein Erwachen zu beschleunigen, sprach er mich an: „Allrounder Scott, können Sie mich hören?! Wachen Sie auf!“
Ein Mann kam die Straße herunter. Jene Straße, die Data bereits als die erkannt hatte, in der wir eigentlich wohnten. Überhaupt hatte er die gesamte Umgebung als Little Federation identifiziert, nur schienen wir uns in einer fremden Dimension zu befinden, was ihm durch die fremden Werte der Grundenergie in allem vermittelt worden war. Wie wir dorthin gekommen waren, war für ihn zwar auch noch sehr rätselhaft, aber er dachte sich, dass er den Grund dafür schon irgendwann herausfinden würde.
Der Mann näherte sich uns immer weiter. Er war ca. 1,90 m groß, schlank und hatte kurzes braunes Haar. Er trug eine weiße kurze Jacke, eine ebenfalls weiße kurze Hose und elegante weiße Sandaletten. Das passte auch sehr gut zum Wetter, denn es war ein warmer Sommertag. Die Vögel sangen und es war sehr ruhig. Nur hin und wieder wurde die Ruhe einmal durch ein vorbeifahrendes Fahrzeug gestört.
Der Fremde hatte sich jetzt Data zugewandt. So viel hatte ich inzwischen trotz meiner noch immer vorherrschenden leichten Benommenheit mitbekommen können. „Androide, zehn Schritte nach Links gehen!“, befahl er, als sei es selbstverständlich, einer künstlichen Lebensform in diesem Ton zu begegnen.
Data schien irritiert und fragte: „Wie bitte?“ Aber irritiert war ich auch. Obwohl mein Körper mir noch nicht gehorchte, ich also noch nicht in der Lage war, mich zu bewegen, wurde mir langsam immer klarer, was hier eigentlich Sache war. Offenbar hatten künstliche Lebensformen bei weitem hier nicht den Status, den sie bei uns hatten. Das bestätigte sich noch umso mehr, als ich der Unterhaltung zwischen Data und dem Fremden weiter lauschte. Ich hoffte auch, dadurch mehr über diese Gesellschaftsform zu erfahren. Wenn ich so viel wie möglich über sie wusste, dann war das Risiko auch umso geringer, mich in ihr danebenzubenehmen. Jetzt kam mir wohl auch die Tatsache zugute, dass ich fast kein Manöver, in dem wir das so genannte Notfalltraining absolviert hatten, versäumt hatte. Regelmäßig mussten alle Sternenflottenoffiziere an solchen Trainings teilnehmen, denn man wusste ja nie, wann man einmal auf einem fremden Planeten in einer fremden Gesellschaft abstürzen würde. Passieren konnte das schließlich jederzeit und dann waren wir ja verpflichtet, die Schäden, die unser Aufprall auf die Gesellschaft eventuell verursachen würde, so klein wie möglich zu halten, oder dafür zu sorgen, dass sie gar nicht erst auftraten. Letzteres war nicht mehr möglich. Schließlich konnten Data und ich uns gegenüber dem Fremden nicht unsichtbar machen. Aber ich, die ich meine Stimme mittlerweile zumindest wieder im Griff hatte, würde mir jetzt etwas ausdenken müssen, das auch zu dem passte, was er gewohnt war. Meine Fähigkeiten als Laienschauspielerin würden mir jetzt auch sehr helfen. Vor allem jetzt, als ich ihn laut und unfreundlich sagen hörte: „Hey, du aufmüpfige Blechbüchse! Ich habe dir einen Befehl erteilt!“
Ich setzte mich mühsam auf, denn mein Kreislauf spielte immer noch nicht richtig mit und gab die Empörte: „Nicht so forsch, Mister! Er kann sie nicht verstehen. Er ist ein speziell auf meine Bedürfnisse programmiertes Hilfsmittel! Er kann Sie überhaupt nicht verstehen und das ist auch so gewollt. Er soll schließlich nicht auf jeden hören, sondern nur auf mich. Er wurde individuell auf das Akzeptieren und auf das Reagieren auf nur meinen Stimmabdruck programmiert!“
Der Fremde schien mich erst jetzt wirklich wahrzunehmen. Jedenfalls drehte er sich in meine Richtung und sagte: Oh Entschuldigung, Lady. Offensichtlich gehören Sie zu den wenigen Blinden in unserer Zeit, die keinen Visor tragen können oder wollen. Aber wenn er Ihr Hilfsmittel ist, dann sollte man das auch sehen. Wo ist denn sein Erkennungsarmband?“ „Das muss ich zu Hause vergessen haben.“, sagte ich. „Dann lassen Sie mich Ihnen bitte ein Neues replizieren.“, sagte der Fremde. Betrachten Sie es als meine Wiedergutmachung.“ „Na gut, Mister!“, sagte ich mürrisch.
Er ging zum nächsten Replikator und tat, was er mir soeben vorgeschlagen hatte. Dann kam er zurück und ich schloss, dass er Data wohl das Armband anlegen wollte. „Halt!“, sagte ich und drehte mich ihm zu. „Ich muss ihm das Armband anlegen. Er darf keine fremde Manipulation an sich akzeptieren, wenn ich sie nicht erlaubt habe. Eine Ausnahme bildet sein Hersteller, also dessen Mitarbeiter.“ „Na gut, Lady.“, sagte der Fremde und gab mir das Armband.
Ich wandte mich Data zu und flüsterte ihm ins Ohr: „Es tut mir leid, wenn ich Sie jetzt etwas herumschubsen muss, Commander. Aber offenbar haben Sie und Ihresgleichen in dieser Gesellschaft keinen sehr hohen Stand.“ Dann sagte ich wesentlich bestimmter: „Data, streck mir deinen rechten Arm hin!“ Ganz die treu dienende Maschine gebend, führte Data meinen Befehl aus. So konnte ich ihm das Armband umlegen.
Der Fremde setzte sich jetzt rechts neben mich. Dann sagte er: „Wo sind meine Manieren? Ich habe ganz vergessen, mich Ihnen vorzustellen, Lady. Mein Name ist Abraham Fletcher. Ich bin Priester der Gemeinde Santa Valora in Little Federation.“ „Allrounder Betsy Scott.“, stellte ich mich nun meinerseits vor. „Sternenflotte?!“, fragte Abraham ungläubig. „Und dann auch noch Scott?! Sie sind nicht zufällig verwandt mit Montgomery Scott, dem Chef von Scotts Hilfsmittel & Maschinen aller Art?!“ „Oh doch.“, sagte ich, ohne jedoch im Geringsten zu ahnen, was ich damit auslösen würde. „Ich bin seine Frau!“ „Und die optimale Testperson obendrein.“, lachte Abraham. „Tut mir leid. Ich hatte ja keine Ahnung, dass dies hier ein Testlauf für einen neuen Androiden ist. Sie müssen ihn jetzt sicher zurückbringen. Bitte erlauben Sie mir, dass ich Sie und ihn mit meinem Jeep ins Maschinengetto fahre. Mein Verhalten ist mir jetzt noch umso peinlicher, Mrs. Scott. Das können Sie mir ruhig glauben.“ „Ach, Schwamm drüber, Father Fletcher.“, lächelte ich. „Aber ich nehme Ihr Angebot gern an.“
Damit hakte ich mich bei ihm unter und wandte mich nur noch kurz an Data: „Data, Führ- und Schutzmodus aus! Folgen!“
So ging es zu seinem Fahrzeug, an dem er auf die hintere Tür klopfte und zu mir sagte: „Bringen Sie ihm bitte bei, er soll einsteigen.“ „OK.“, sagte ich und drehte mich auf die Tür deutend Data zu: „Einsteigen!“ Fletcher und ich stiegen vorn ein, er auf der Fahrer- und ich auf der Beifahrerseite und dann fuhren wir los.
Kapitel 9: Notlügen
von Visitor
Während uns das freundlich organisch leicht rundlich geformte blaue Fahrzeug des Priesters über die Straßen von Little Federation trug, hatte ich genügend Zeit, um über meine und Datas Situation nachzudenken. Offenbar waren künstliche Lebensformen hier nicht sehr hoch angesehen. Den Grund dafür würde ich aber herausfinden müssen, um mich dem Leben hier anpassen zu können, solange es notwendig war. Außerdem musste ich herausfinden, was es mit der Sache mit Santa Valora auf sich hatte. Wenn sie hier eine Heilige war, wer war dann Benevidea in den Augen dieser Leute?
Abraham sprach mich plötzlich an: „Sie wirken so abwesend, Mrs. Scott. Ist alles in Ordnung?“ „Ja, Father.“, sagte ich. „Aber ich muss mir über einiges klarwerden. Ich hatte mir bei meiner letzten Mission irgendeine Nervenkrankheit eingefangen, die auch mein Gedächtnis betroffen hat. Deshalb war ich auch so schlapp, als Sie mich fanden. Scientist Loridana sagte aber, das würde sie schon wieder in den Griff bekommen. Für die Zeit müsse ich aber auf der Erde bleiben. Die Praxis von Scientist …“ Ich tat, als würde ich überlegen müssen. „Oxilon!“, hakte Fletcher ein. „Sie meinen Oxilon, Mrs. Scott. Er ist der beste Arzt, den Sie sich wünschen können. Talaxianer gelten als sehr einfühlsam und das brauchen Sie in Ihrer Situation ja bestimmt.“ Ich nickte und gab einen bestätigenden Laut von mir. Dann sagte ich: „Ja. Seine androide Assistentin Cupernica und er …“
Der Jeep wurde plötzlich abrupt gebremst und Abraham drehte sich in meine Richtung: „Seine androide Assistentin wer?!“, fragte er mit viel Empörung in der Stimme. „Ich würde so eine Blechbüchse doch nie eine Behandlung an mir durchführen lassen und ihr schon gar keinen Job geben, bei dem sie eigene Entscheidungen treffen darf! Das ist bei Todesstrafe verboten! Unsere Großartige Königin Sytania hat das verfügt und die Kindliche Göttin Benevidea möge uns davor bewahren, jemals so etwas zu tun! Aber Sie sind krank. Sie wissen es vielleicht gerade nicht anders. Bitte verzeihen Sie.“ „Schon gut, Father.“, sagte ich, lehnte mich zurück und bemerkte, dass er das Fahrzeug wieder in Bewegung setzte.
In diesem kurzen Gespräch hatte ich eine Menge Informationen über diese Gesellschaft erhalten. Ich wusste jetzt, dass Benevidea offensichtlich die Göttin dieser Gesellschaft war. Das konnte bedeuten, dass sie die Dimension, in der ich mich jetzt befand, offenbar mittels ihrer Gedanken erschaffen hatte. Durch diesen Umstand erklärte sich aber auch, warum Valora in ihren Augen eine Heilige war. Immerhin hatte sie sich als Stiefmutter um Benevidea, also die Göttin, gekümmert. Sytania war es offenbar außerdem gelungen, die Dimension zu erobern und sie war jetzt unsere Königin. Dass sie nicht wollte, dass künstliche Lebensformen Rechte hatten, konnte ich mir auch erklären. Auch Sytanias Macht hatte nämlich gegenüber ihnen ihre Grenzen. Zwar konnte sie auch einen Androiden telekinetisch an einen anderen Ort verbringen, ihm telepathische Suggestionen eingeben und ihn somit dazu bringen, nach ihrer Pfeife zu tanzen, konnte sie aber nicht. Außerdem waren Androiden in der Lage zu erkennen, ob einer von uns unter telepathischem Einfluss stand und ebenfalls in der Lage, etwas dagegen zu tun. Vorausgesetzt natürlich, sie waren in der rechtlichen Position dazu. Da künstliche Lebensformen Sytania also schlicht und einfach unbequem waren, hatte sie diese eben in die Rechtlosigkeit verbannt und die Rechtsprechung der Föderation dadurch um Jahrhunderte zurückgeworfen. Sicher würde es in unserer Crew auch keine Elektra geben und wenn doch, dann war ihre wahrscheinlichste Aufgabe das Putzen der Warpgondeln oder andere Aufgaben, für die sich jeder Mensch wohl zu fein war. Dass Scottys Firma offenbar Androiden baute, die Behinderten helfen durften, war für diese wohl schon fast wie eine Erhebung in den Adelsstand. Dass mein letzter Gedanke sehr zynisch war, wusste ich. Aber wie sollte ich denn auch sonst darüber denken?! Im gleichen Moment disziplinierte ich mich aber wieder leise auf Deutsch: „Na gut, Betsy. Trotz deiner Freundschaft zu Data hast du diese Gesellschaft nicht zu verurteilen! Du bist schließlich Offizierin der Sternenflotte! Merk dir das!“
Wir bogen auf ein großes Gelände ein, dessen Einfahrt in einer Mauer rechts und links von bunten Blumenbeten gesäumt war. Am Tor aber winkte uns ein drahtiger großer Terraner. „Halt! Werkssicherheit!“, rief er und stellte sich uns in den Weg, so dass Abraham erneut scharf bremsen musste.
Der Mann, der mit einer schwarzen Ledermontur bekleidet war, warf einen kurzen Blick in unser Fahrzeug. Offenbar hatte er mich erkannt. „Oh tut mir leid, Mrs. Scott. Sie und Ihre Begleitung dürfen natürlich immer passieren. Wo haben Sie denn den Androiden her? Sagen Sie bitte nicht, Sie kaufen jetzt bei der Konkurrenz.“ „Augenblick mal.“, sagte ich und gab die Verwunderte. „Erkennen Sie denn unsere eigenen Produkte etwa nicht, Mr. …“ „Schneider.“, stellte er sich vor. „Horst Schneider. Ich arbeite erst seit zwei Wochen hier.“ „Oh schon gut.“, sagte ich freundlich. „Ich denke, niemand kann von einem einfachen Wachmann erwarten, dass er über alle Abläufe Bescheid weiß. Aber Sie können mir glauben, Mr. Schneider. Er ist von uns.“ „In Ordnung, Mrs. Scott.“, sagte der Wachmann. „Ich glaube Ihnen. Es würde mir nicht im Traum einfallen, die zauberhafte Gattin meines Chefs eine Lügnerin zu nennen. Außerdem sind Sie in Begleitung eines Priesters. Da würde Ihnen das sowieso nicht passieren, denke ich. Also, Fahren Sie ruhig weiter, Father. Bei uns sind Sie auch jederzeit willkommen. Oh, Mrs. Scott, soll ich Sie bei Ihrem Mann anmelden?“ „Oh nein, Mr. Schneider.“, entschied ich und lächelte. „Ich möchte ihn überraschen.“ „Also gut.“, sagte Horst schmissig und hob den rechten Arm so weit, dass er das Öffnen einer Schranke symbolisierte. Abraham nickte nur und setzte das Fahrzeug in Bewegung, nur um es gleich darauf wieder auf dem nahen Parkplatz abzustellen, der von drei Grünflächen gesäumt war. Dann stiegen er und ich aus und ich drehte mich zu Data, der seine Rolle inzwischen auch perfekt beherrschte, wie ich fand, um ihm zu befehlen: „Data, aussteigen! Folgen!“ Dann hakte ich mich bei Abraham unter, der hoffentlich nicht merken würde, dass ich mich hier überhaupt nicht auskannte. Falls doch, dann würden wir es ja immer noch auf die von mir erfundene Krankheit schieben können.
Unser Weg führte uns in ein großzügiges Firmengebäude, in dessen unteren Stockwerken sich offenbar Produktionshallen befanden. „Gibt es hier einen Turbolift?“, fragte ich in Abrahams Richtung. „Ja.“, erwiderte er und führte mich in einen gläsernen Fahrstuhl.
Eine Computerstimme, die mich offenbar erkannt hatte, begrüßte mich mit den Worten: „Guten Morgen, Mrs. Scott. Ihre Begleitung ist dem System unbekannt. Wollen Sie ihn autorisieren?“ „Ja.“, sagte ich. Dann fragte mich der Computer nach meinem Fahrziel, das ich mit Verwaltungsetage angab und der Lift setzte sich in Fahrt. „Ihr Mann achtet sehr auf Sicherheit, was?“, fragte Abraham. Ich nickte nur.
Wir betraten wenig später einen Flur, in dem es nach frischem Kaffee Roch. An den Wänden waren schöne bunte Bilder, die Blumen und grüne Wiesen zeigten. Der Hintergrund war in dezentem Weiß gehalten. Der warme weiche meeresblaue Teppich, auf dem wir entlanggingen, hatte auch etwas Beruhigendes. Jedenfalls bestätigte mir das Abraham.
Sein Blick suchte die Displays an den Türen ab. Dann steuerte er zielstrebig auf eine zu, an der er offenbar die Worte: „Vorzimmer der Unternehmensleitung.“, gelesen hatte. Dort betätigte er die Sprechanlage.
Eine Frau mit starkem irischen Akzent beantwortete den Ruf: „Ja, hier Molly O’Neill.“ „Sie sind dran.“, flüsterte mir Fletcher zu und schob mich in Richtung Mikrofon. „Molly, hier ist Mrs. Scott! Ich bin aber nicht allein. Bei mir sind Father Fletcher und eines unserer Produkte!“, sagte ich bestimmt aber freundlich. „Ist mein Mann kurz abkömmlich?“ „Oh für Sie doch immer, Mrs. Scott.“, antwortete die Sekretärin und wies den Computer an, die Tür zu öffnen.
Wir kamen in einen freundlich eingerichteten Raum, an dessen Wänden viele Bilder von irischen Landschaften zu finden waren. Das war aber kein Wunder, wenn man bedachte, dass diejenige, die hier arbeitete, offensichtlich Irin war. In der hinteren Ecke des Raums befand sich der in brauner Holzoptik gehaltene Schreibtisch mit einem gleichfarbigen Bürostuhl. Daneben gab es einen kleinen weißen ovalen Tisch mit vier bequem anmutenden roten großen Sesseln.
Molly, eine kleine zierliche schwarzhaarige Frau mit Lockenkopf und in eine elegante rote Bluse mit ebensolchem Rock und Schuhen bekleidet, wandte sich uns zu und sagte mit ihrer hellen freundlichen Stimme: „Bitte warten Sie einen Augenblick. Ich werde Sie anmelden. Dann deutete sie auf die Sessel: „Setzen Sie sich doch.“ „Danke, Ms. O’Neill.“, sagte Abraham und führte mich zu einem der Sessel. Dann deutete er auf den Sessel rechts daneben und sagte: „Sagen Sie der Blechbüchse, sie soll brav sitz machen.“, und setzte sich selbst links neben mich. Obwohl sich alles in mir ob seiner abfälligen Redeweise zusammenschnürte, zeigte ich auf den Sessel und sagte: „Data, hinsetzen!“ In diesem Augenblick wünschte ich mir nichts mehr, als dass dieser Albtraum schnell vorbeigehen würde. Jemand musste doch auf unsere Entführung aufmerksam geworden sein! Hoffentlich wurde bereits alles für unsere Rettung in die Wege geleitet.
Molly hatte zur Sprechanlage auf ihrem Schreibtisch gegriffen und ein Rufzeichen eingegeben. Dann hörte ich sie sagen: „Mr. Scott, Ihre Frau ist hier. In ihrer Begleitung befinden sich Father Fletcher und ein Androide. Ihre Frau sagt, er sei eines unserer Produkte. Bitte kommen Sie her. Ich kenne mich nicht mehr aus.“ „Keine Sorge, Molly.“, sagte Scotty, den ich sofort an seiner Stimme erkannt hatte. „Ich kümmere mich gleich darum. Bitte bewirten Sie unsere Gäste doch schon einmal. Ich bin sicher, Betsy hat für die Sache eine gute Erklärung.“ „OK, Boss.“, sagte Molly erleichtert und beendete die Verbindung.
Sie drehte sich dem Replikator zu und replizierte eine weiße bauchige Kanne mit Tee, dann noch einige weiße Tassen und Unterteller. Außerdem ließ sie das Gerät einen Teller mit Keksen ausspucken. Dann stellte sie alles auf ein Tablett und kam zu uns an den Tisch, um je eine Tasse, einen Löffel und einen Unterteller an Father Fletcher und mich zu verteilen. Wie selbstverständlich füllte sie mir Tee in die Tasse und fügte auch noch etwas Milch und etwas Zucker bei. Meine Gewohnheiten schien sie sehr gut zu kennen.
Ich rührte meinen Tee um und probierte. Das war tatsächlich waschechter Ostfriesentee! Dass dieser Replikator in der Lage war, diesen so genau nachzubilden, erstaunte mich. In der Realität, aus der ich gekommen war, hatte dies noch kein solches Gerät vermocht.
Die Verbindungstür zwischen beiden Büros öffnete sich und ein Mann erschien im Türrahmen. Er war groß und in einen eleganten 2-Reiher gekleidet, wie ihn eben ein Geschäftsmann trug. Jedenfalls beschrieb ihn mir Father Fletcher so. Er hoffte wohl, ich könne ihm somit sagen, wer es war. Data blieb die gesamte Zeit über stumm. Er hatte wohl gelernt, dass es sich hier für künstliche Lebensformen nicht gehörte, eigenständig zu reagieren, sondern dass diese nur auf Befehl etwas tun oder sagen durften. Ob Abrahams Beschreibung musste ich kichern wie ein kleines Mädchen, denn ich stellte mir gerade vor, was mein Scotty wohl zu seiner Kopie im Anzug sagen würde.
Der Mann kam jetzt langsam auf uns zu und begrüßte mich: „Darling! Was machst du denn hier? Solltest du dich nich’ daheim erholen?“ „Hi, Scotty.“, erwiderte ich und gab ihm lächelnd die Hand. „Es geht schon. Außerdem wollte ich dich unbedingt überraschen. Du weißt ja, dass morgen unser Hochzeitstag ist und ich hatte gesehen, dass du seit Tagen über etwas gebrütet hast. Ich dachte mir, es hätte etwas mit deinem Beruf zu tun und habe mich mit Molly und deinen Arbeitern mal etwas intensiver unterhalten. Sie hat mir gesteckt, dass du und deine Entwickler seit Wochen nach einer Art Alleinstellungsmerkmal für unsere Androiden suchen. Darauf haben wir zusammen Data entwickelt. Ich durfte ihn testen und bin bisher sehr zufrieden. Dein Softwareentwickler hat sich da echt selbst übertroffen. Wie heißt er doch gleich. Ach, meine verdammten Gedächtnislücken!“ „Cendus, Darling.“, sagte Scotty. „Er heißt Cendus und ist Celsianer. Aber das ist doch nich’ so wild. Ich weiß ja, dass du krank bist. Da kann man schon mal so was vergessen. Aber sagtest du gerade, der Androide hätte einen Namen?“ „Ja.“, sagte ich. „Wir haben ihn Data genannt. Weißt du, wir dachten uns dabei folgendes: Die meisten Leute, denen unsere Maschinen helfen sollen, sind irgendwo eingeschränkt. Das kann auch bedeuten, dass sie sich die irre langen Typennummern und Bezeichnungen nicht merken können. So einen Namen merkt man sich doch viel leichter und er senkt auch die Hemmschwelle. Ich muss das ja wissen. Ich bin ja selbst betroffen. So trauen wir Behinderten uns vielleicht eher, mit den Geräten umzugehen und …“
Ich spürte zwei starke Arme, die mich umfingen. Dann drückte er mich an sich und küsste mich vor aller Augen so heftig, dass ich kurz nach Luft ringen musste. „Darling!“, lachte er. „Oh, Darling! Du und deine feinen Antennen. Wer braucht schon Kundenumfragen, wenn er dich hat. Oh ich wusste bisher gar nicht, was für ein Glück ich eigentlich habe! Aber das hätte ich dir wirklich nich’ zugetraut, du kleine Wölfin im Schafspelz du! Da tut sie immer so harmlos und in Wahrheit brütet sie in ihrem Quartier auf der Granger heimlich still und leise über so einem famosen Plan. Ich möchte nur wissen, wie du und meine Leute die ganzen Überstunden vor mir geheim gehalten habt, die sie kloppen mussten. Molly, Damit haben nich’ zufällig Sie etwas zu tun?“ „Ich habe keine Ahnung, wovon hier eigentlich die Rede ist, Mr. Scott.“, sagte Molly leise und sank verschüchtert in ihrem Stuhl zusammen. „Ja, ja, meine Gute.“, sagte Scotty und lachte. „Und im Himmel is’ Jahrmarkt. Sie können aufhören, die Sache unter der Decke zu halten. Es is’ doch jetzt eh alles raus. Aber das kann doch nich’ allein der Grund sein, aus dem Sie plötzlich so verschüchtert sind. Was is’ los, hm?“ „Die Sache mit dem Namen.“, sagte Molly zaghaft. „Machen wir uns da nicht strafbar? Verstoßen wir damit nicht gegen das neueste Dekret der Großartigen Königin Sytania? Ist nicht ein Name der erste Schritt zur Individualität? Oh ich mag mir gar nicht vorstellen, was die Vendar-Polizei mit uns anstellt, wenn …“
Scotty drehte sich um und stellte sich vor sie, als wolle er ihr symbolisieren, er würde sie auf jeden Fall beschützen. Dann sagte er: „Ach was, Molly! Jedes verdammte Haustier hat einen Namen. Haben sie deshalb etwa die gleichen Rechte und Pflichten wie wir? Aber wenn es sie beruhigt, rede ich noch mal mit der Rechtsabteilung! Oder hast du das etwa auch schon gemacht, Darling? Wie ich dich kenne, hast du dich doch vorher großzügig abgesichert.“ „Oh sicher habe ich das.“, ging ich auf seine Vorlage ein. „Du kennst mich doch. Ich bin Deutsche. Wir sind immer sehr gründlich.“ „Oh ja.“, sagte Scotty. „Das seid ihr. Das ist auch der Grund, warum ich für den Werksschutz viele deiner Landsleute eingestellt habe. Aber sag mir doch mal, was die Rechtsverdreher dir dazu gesagt haben.“ „Sie haben die gleichen Argumente benutzt, die du gerade verwendet hast.“, sagte ich, die ich gerade dabei war, einen ziemlichen Lachkrampf zu unterdrücken. Die Sache mit den Rechtsverdrehern und dem verdammten Haustier hatte mich doch sehr an den Scotty erinnert, den ich kannte. Ich befürchtete nur, dass er so auf geschäftlichen Konferenzen nicht sehr gut ankam und sich deshalb wohl ziemlich oft sehr zusammenreißen musste.
Molly hatte sich an ihrem Schreibtisch ihrem Rechner zugewandt. Dann hatte sie nur ratlos mit den Schultern gezuckt. „Es gibt hier keinen Hinweis auf die Fertigung dieses Androiden, Mr. Scott. Ich glaube, irgendwas stimmt hier nicht.“ „Sicher gibt es keinen, Molly.“, lachte Montgomery. „Die Beweise werden Sie und Cendus im Auftrag meiner Frau hübsch unter dem nächsten Teppich verschwinden lassen haben, damit ich ja nix merke. Sie können wirklich mit dem Schauspielern aufhören. Ich glaube meiner Frau. Sie ist Offizierin der Sternenflotte und die sind in erster Linie der Wahrheit verpflichtet. Sie würde mich also allein deshalb schon nich’ anlügen. Dazu kommt noch, dass hier ein Priester anwesend is’. Vor dem würde sie es sicher auch nich’ tun. Ich schlage vor, Sie kommen einfach mal zu uns, genießen mit uns Tee und Kekse und erfreuen sich einfach an Betsys Plan. Alles andere regeln wir später.“ „Na gut, Boss.“, überlegte Molly kurz und schob dann ihren Stuhl näher zu uns.
Ich hatte einen großen Schluck aus meiner Tasse genommen, als wollte ich mir Mut antrinken. Dann fragte ich: „Bitte entschuldigt, aber ich glaube, ich habe da was nicht mitgekriegt. Wann genau und wie hat Sytania die Föderation erobert?“ „Erobert?!“, fragte Scotty und begann erneut zu lachen. „Oh, Darling, du musst wirklich sehr krank sein, wenn du das nich’ mehr weißt. Das einzige, was unsere Großartige Königin Sytania je erobert hat, is’ das Herz unserer ehemaligen Präsidentin Nugura! Erinnerst du dich nich’ mehr? Bei der Verlobungsfeier hat Nugura Sytania doch gesagt, dass sie ihr unsere Föderation zum Geschenk macht. Morgen ist Hochzeit, Darling. Is’ schon ein witziger Zufall, dass sich die beiden ausgerechnet unseren Hochzeitstag auch als den ihren ausgesucht haben, was?“
Ich musste husten. „Aber du musst dich doch nich’ gleich verschlucken, Darling.“, sagte Scotty. „Die Sache is’ doch schon seit Wochen geritzt. Dein Commander is’ sogar Nuguras persönliche Trauzeugin. Bei Sytania macht das Cirnach, soweit du mir selbst erzählt hast.“ „Oh.“, sagte ich. „Das muss wohl zu den Sachen gehören, die ich vergessen habe. Wie steht eigentlich der Rest der Sternenflotte dazu?“ „Na, wie sollen die schon reagiert haben?“, fragte Scotty in meine Richtung. „Sie waren einverstanden und dein Commander, ja die, die vor allen Dingen. Das hast du mir selbst erzählt. Du hast gesagt, sie hätte es kaum erwarten können, die Erde zu erreichen, um sich Nugura freiwillig anzudienen. Du hättest den Antrieb der Granger ziemlich piesacken müssen. Er wäre euch fast um die Ohren geflogen! Jannings hätte das Schiff nur mit Mühe zusammenhalten können. Es sei auch nur gelungen, weil er Elektra aus ihrer Garage geholt und sie aktiviert hat, um ihren Prozessor als Nebenstelle für den Antriebsrechner zu nutzen.“ „Oh.“, sagte ich. „Daran erinnere ich mich auch nicht mehr.“
Mir war klar, dass all das nie wirklich passiert sein konnte. Benevidea musste ihren Geschöpfen einige Informationen bei ihrer Erschaffung bereits in den Kopf gepflanzt haben. Wenn meine Theorien stimmten, dann konnte diese Dimension ja schließlich nicht älter als einige Stunden sein. Es war also für all das gar keine Zeit gewesen.
Abraham war aufgestanden und hatte auf seine Uhr gesehen. „Es tut mir leid, aber ich muss gehen.“, sagte er. „Ich muss noch einige Vorbereitungen für morgen treffen. Das wird meine erste lesbische Eheschließung. Hoffentlich vermassele ich es nicht.“ „Na, solange Sie die beiden nicht zu Mann und Frau erklären, dürfte alles gutgehen, Father.“, sagte ich aufmunternd und grinste. „Aber als Sprachrohr der Kindlichen Göttin dürften Sie das doch bestimmt mit links schaffen. Schließlich will die Kindliche Göttin doch nichts mehr, als das wir alle glücklich werden. Nicht wahr?“ Fletcher nickte und verließ den Raum.
Scotty wandte sich mir zu: „Darling, wenn du der Meinung bist, wir hätten Data genug getestet, sollten wir ihn zur Auswertung in Cendus‘ Räumlichkeiten bringen. Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis.“ „Wenn ich der Meinung bin, mein lieber süßer Scotty.“, schmuste ich. „Aber der Meinung bin ich noch nicht. Ich finde, ich habe noch nicht all seine Funktionen getestet. Lass uns den Test noch eine Weile weiterführen, ja? Ich bin gespannt, wie er mit der Situation um meine Erkrankung umgeht.“ „Also gut, Darling.“, sagte Scotty weich. „Du weißt ganz genau, dass ich dir keinen Wunsch abschlagen kann. Geh mit ihm am Besten in unser Haus. Ich komme später nach.“ „OK.“, sagte ich und stand auf, um Data zu befehlen: „Data, aufstehen! Schutz- und Führmodus ein! Ausgang! Nach Hause!“ Dann hakte ich mich bei Data ein, der mir stumm seinen Arm hingestreckt hatte und wir verließen das Gebäude.
Scotty war mit Molly zurückgeblieben. Die Sekretärin bemerkte durchaus, dass etwas mit ihrem Chef nicht zu stimmen schien. „Was bedrückt Sie, Mr. Scott?“, fragte sie. „Ach, Molly.“, sagte Scotty. „Es is’ dieses riesige Geschenk, das sie mir gemacht hat. Wie soll ich morgen bloß gegen so was ankommen?“ „Ich wüsste da schon was.“, lächelte Molly. „Ihre Frau liebt Katzen und im Tierheim steht ein ganz bezaubernder Kater zur Vermittlung. Gehen Sie doch einfach mal vorbei.“ „Molly, Sie sind die Beste!“, rief Scotty aus. „Genauso mache ich es. Machen Sie mir doch gleich mal ’ne Verbindung mit dem Tierheim! Den Termin mache ich dann mit denen selbst! Oh danke, Molly! Ich vergesse immer wieder, was ich eigentlich an Ihnen habe!“ „Wird erledigt, Boss.“, sagte Molly und sah zu, wie er pfeifend wieder in sein Büro ging, während sie sich dem Rechner widmete, um seine Weisung auszuführen.
Kapitel 10: Vor dem „Scherbenhaufen“
von Visitor
Shimar, IDUSA und Scotty waren inzwischen auch in der tindaranischen Dimension an Zirells Basis eingetroffen und hatten gedockt. An der Schleuse erwartete sie bereits Ishan, der von Zirell informiert worden war, wie sie es Shimar in ihrem Gespräch gesagt hatte.
Der androide Arzt hatte meinen Mann und meinen Freund an sich vorbeigehen lassen. Dann hatte er ihnen kurz zugerufen: „Halt, ihr zwei!“, worauf sich die beiden umgedreht hatten. „Shimar, dich wollte ich zuerst sehen, weil alles, was Zirell mir gesagt hat, eventuell darauf hindeuten kann, dass du auch nicht ganz ungeschoren davongekommen bist. Jetzt aber sehe ich, dass es dir gut geht. Du kannst gehen. Techniker Scott, Bei Ihnen sieht das schon anders aus. Sie weisen, wenn auch in gemilderter Form, immer noch die Symptome eines Schocks auf. Ich muss Sie bitten, mich auf die Krankenstation zu begleiten.“ „Na gut.“, sagte mein Mann. „Aber können wir bitte endlich diese steife Unterhaltung lassen?! Ich war Scotty, ich bin Scotty und ich werde auch immer Scotty bleiben. Außerdem is’ es auf Tindara doch üblich, sich zu duzen. Mach das also bei mir ruhig auch, Ishan.“ „In Ordnung.“, erwiderte der Androide mit dem aldanischen Bewusstsein. „Aber trotzdem müssen wir jetzt gehen.“ „Na dann!“, entgegnete Scotty und folgte dem Arzt, der sich ihm voran auf den Weg zur Krankenstation machte.
Jenna und Shannon hatten die Männer gehen sehen. Die Technikerinnen kannten ihre Aufgabe recht genau. Sie wussten, dass sie sich jetzt um die Systeme des Schiffes zu kümmern hatten. „So, Assistant.“, sagte McKnight. „Ishan kümmert sich um Scotty, Maron wird Shimar vernehmen und wir zwei werden jetzt mal IDUSA unter die Lupe nehmen. Ich kann nicht verstehen, warum ihr Antrieb plötzlich nicht mehr gegriffen haben soll. Zirell hat uns ja auch über alles informiert.“ „OK.“, flapste die blonde Irin. „Dann hole ich mal Ihre Werkzeugtasche.“ „Tun Sie das.“, sagte Jenna. „Ich werde IDUSA schon einmal beibringen, dass wir an ihre Eingeweide müssen.“
Shannon nickte und verließ die Schleuse in Richtung Maschinenraum, während Jenna sich der Einstiegsluke des Schiffes zuwandte. IDUSA öffnete diese bereitwillig. Schließlich kannte sie Jenna und wusste, dass diese sie auf keinen Fall gefährden würde.
Im Cockpit des Schiffes angekommen zog Jenna sofort ihren Neurokoppler aus der Tasche und schloss ihn an. Sofort zeigte sich ihr der Avatar. Allerdings machte sie ein Gesicht, als sei ihr gerade der Teufel persönlich begegnet. Jenna war darüber sehr betroffen. So kannte sie das Schiff gar nicht.
Sie ließ sich bedient auf den Pilotensitz fallen. Dann fragte sie: „Was ist euch dreien da um Himmels Willen passiert, IDUSA? Ich habe Scotty gesehen. Er sieht aus, als hätte er einen Schock. Shimar ist auch völlig fertig! Was in aller Götter Namen habt ihr gesehen?!“ „Techniker McKnight, halten Sie es für möglich, dass ein Einhorn eine Dimension wie das Universum der Föderation erschafft und zwei Offiziere der Sternenflotte dorthin entführt? Noch dazu, wenn es sich um ein jugendliches Fohlen mit noch nicht wirklich ausgereiftem telepathischen Zentrum handelt, das offenbar auch noch schwer verletzt worden ist?“ „Warte mal, IDUSA!“, sagte Jenna fest. Eine Information nach der anderen. Sag mir doch bitte erst mal genau, was passiert ist. Am besten von Anfang an. Das gerade waren nämlich viel zu viele Informationen auf einmal. Ich bin nur eine Organische und kein Computer wie du. Ich brauche es Häppchenweise.“ „Also gut, Jenna.“, sagte IDUSA. „Darf ich es Ihnen zeigen? Ich denke, dann werden Sie schon viel klarer sehen. Bei Ihrer Intelligenz mache ich mir da keine Sorgen.“ „Danke für das Kompliment, IDUSA.“, lächelte die hoch intelligente Halbschottin und nickte. „Starte Simulation.“, sagte das Schiff. Dann warnte sie Jenna noch: „Vorsicht, Jenna. Es hat Schockpotential!“
Am Ende der Simulation setzte Jenna plötzlich zuerst einen recht bedienten, aber dann einen recht aufgeklärten Blick auf. IDUSA konnte sich auf ihr Verhalten zunächst keinen Reim machen und fragte deshalb: „Was bedeutet das, Jenna?“ „Hör mal.“, sagte die hoch intelligente Halbschottin abgeklärt. „Du hast mir da gerade eine mögliche Erklärung für ein Phänomen geliefert, das tindaranische Wissenschaftler seit einigen Stunden beobachten. Es gibt anscheinend schon wieder eine Verschiebung in den Energien. Es sieht fast so aus wie zu dem Zeitpunkt, als die Dimensionen durch die geänderten Machtverhältnisse im Dunklen Imperium so verschoben waren, dass sie fast zerstört worden wären. Ich gebe zu, Parallelrealitäten haben diesen Effekt normalerweise nicht. Schließlich gibt es seit Jahrhunderten bereits das Spiegeluniversum zur Dimension der Föderation und es ist noch nie so etwas beobachtet worden. Wir sollten diese Dimension genauer unter die Lupe nehmen. Ich rede mit Zirell. Sie soll mir sagen, ob wir eine Sonde starten sollen. Maron und sie werden sich bestimmt auch für meine und deine Aussage sowie für die von Scotty und Shimar interessieren.“ „Techniker, Sie werden in meiner Simulation der Geschehnisse gesehen haben, dass es uns nicht gelungen ist, in die Dimension vorzudringen.“, erinnerte IDUSA Jenna. „Aber du hast mir gezeigt, dass wir durchaus in die Dimension schauen dürfen, IDUSA.“, erwiderte Jenna. „Solange wir nicht versuchen, Allrounder Scott oder Commander Data zu bergen, dürfte alles in Ordnung sein. Wir wollen ja nur schauen. Mehr wollen wir ja nicht. Offenbar hat Benevidea sie aus einem bestimmten Grund dorthin gebracht und den müssen wir finden. Sonst lässt sie die zwei bestimmt nicht gehen.“ „Ich halte für sehr unwahrscheinlich, dass Benevidea noch immer die Kontrolle über die Situation besitzt.“, sagte das Schiff. „Die Sache könnte sich zu einem Selbstläufer entwickeln, da sie bei der Schöpfung gewaltsam unterbrochen wurde. Bei der gesamten Konstellation der Situation ist es auch fraglich, ob sie diese je wiedererlangen wird. Die Dosis Rosannium, die ihr Mr. Barnaby zufügte, war stark genug, um einen ausgewachsenen Mächtigen zur Strecke zu bringen, der das telepathische Potential eines Dill oder eines Logar hat. Für sie war die Dosis viel zu hoch. Ihr telepathisches Zentrum könnte irreparabel geschädigt sein.“ „Oh mein Gott!“, rief Jenna aus. „Das hatte ich noch gar nicht bedacht. „ Gib diese Daten am besten gleich Ishan. Ich sehe es schon kommen. Wir haben bald wieder eine große Konferenz.“ „Bestätigt.“, sagte das Schiff.
Shannon war mit Jennas Werkzeugtasche ebenfalls ins Cockpit des Schiffes gekommen. Sofort hatte sie gesehen, dass mit ihrer Vorgesetzten etwas nicht in Ordnung war. „Oh, Mann, Jenn’!“, rief sie aus. „Was is’ denn Ihnen für ’ne fiese Laus über die Leber gelaufen?! „ Oh es ist nicht schlimm, Shannon!“, sagte Jenna sehr fest. Da sie wusste, was für eine Klatschtante ihre Assistentin war, wollte sie besser nicht zu früh zu viel verlauten lassen, bevor es noch jemand in den falschen Hals bekommen könnte. Deshalb sagte sie nur: „Gehen wir an die Arbeit, Shannon!“ „Na gut.“, entgegnete die blonde Irin etwas mürrisch. Sie hätte eigentlich noch viel lieber gewusst, was hier eigentlich gerade passiert war, wusste aber, dass sie bei ihrer Vorgesetzten auf Granit beißen würde, wenn sie nachfragte. Wenn Jenna verdeutlichte, dass sie nichts sagen würde, dann sagte sie auch nichts. Routiniert begannen beide, sich mit den Systemen des tindaranischen Schiffes zu beschäftigen.
Auf der Erde waren Jaden und seine Frau auf dem Heimweg. Nachdem Nugura die Party beendet hatte, war ihnen ja, so fand der Amerikaner zumindest, nichts anderes übriggeblieben. So hatte er die Demetanerin überredet, ihn zu ihrem Fahrzeug zu begleiten und sie waren abgefahren. Allerdings konnte Jaden die Fahrt neben seiner den Jeep steuernden Ehefrau nicht wirklich genießen. Das lag aber nicht an Sedrins Fahrkünsten, sondern eher an dem, was Huxley so durch den Kopf ging. Er hatte ständig vor Augen, was gerade geschehen war. Ständig sah er das rote Lasso vor sich, mit dem Barnaby die arme Benevidea so verletzt hatte. Außerdem musste er daran denken, was das wohl für Konsequenzen haben würde. Eigentlich war Jaden als jemand bekannt, der nicht wirklich oft über die Konsequenzen seines Tuns nachdachte. Zumindest hatte ihm Sedrin das oft vorgeworfen, als sie noch gemeinsam auf der Eclypse ihren Dienst versahen. Jetzt aber hatte er das starke Gefühl, dass er dringend mit ihr über die Sachen reden musste, über die er nachgedacht hatte. Vielleicht hatte es ja durch den Eingriff von Nuguras Chefleibwächter auch bezüglich Datas und meiner Entführung irgendwelche Komplikationen gegeben.
Der Terraner hatte begonnen, Dinge vor sich hin zu flüstern wie: „Oh was hat dieser verdammte Irre da nur angerichtet.“ Darauf war dann auch Sedrin aufmerksam geworden. Sofort hatte sie das Fahrzeug am nächsten Straßenrand zum Stehen gebracht. „Möchtest du mir etwas sagen, Jineron?“, fragte sie. „Das will ich tatsächlich.“, flapste Jaden in seiner doch unverwechselbaren Art. „Dir wird sicher auch nich’ entgangen sein, was mit Data und Betsy passiert is’.“ „Das ist mir auch tatsächlich nicht entgangen.“, sagte die Agentin. „Wir haben nur ein Problem. Ich darf dich zu der Sache eigentlich gar nicht vernehmen. Du bist mein Mann und ich bin deine Frau. Unsere emotionale Nähe könnte dafür sorgen, dass uns Barnabys Anwalt die Sache in der Luft zerreißt. Wir sind uns emotional so nahe, dass der Gesetzgeber theoretisch davon ausgeht, dass ich dich zu der einen oder anderen Gefälligkeitsaussage zwingen könnte, um meine Ermittlungen in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen.“
Jaden stöhnte ob ihres Vortrags laut auf. „Hast du ein Gesetzbuch gefrühstückt, Jinya Demetana? Das würde zumindest erklären, warum du dich am kalten Buffet so zurückgehalten hast. So ’n Wälzer liegt sicher verdammt schwer im Magen, wie?“ Huxley grinste. „Ach was!“, wischte Sedrin seinen Scherz beiseite. „Aber dir dürfte nicht unbekannt sein, dass ich ein ausführendes Organ der Gesetze der Föderation bin und somit auch Kenntnis von ihnen haben muss, um keine Fehler zu machen. Sonst habe ich ganz schnell ein Disziplinarverfahren am Hals und das willst du doch sicher auch nicht für deine Frau.“ „Du hast also kein Interesse an meiner Aussage.“, sagte Jaden enttäuscht. „Obwohl ich dir doch so sehr geholfen habe, Barnaby festzusetzen. Ich gebe zu, über meine Methoden kann man geteilter Meinung sein, Ich dachte nur, wenn man einen ausgebildeten Personenschützer vor sich hat, dann muss man sich schon etwas einfallen lassen. Aber meine Frau muss echt eine miese Ermittlerin sein, wenn sie die Aussage des eigenen Mannes so wenig interessiert.“ „Deine Aussage interessiert mich sehr wohl.“, sagte Sedrin. „Nur darf ich sie mir nicht selbst holen. Aber Kate darf das tun. Bitte geh doch morgen zu ihr. Dann kriegen wir auch keine Schwierigkeiten.“ „Also gut, Jinya.“, sagte Huxley und lehnte sich zurück.
Sedrin setzte den Jeep wieder in Fahrt. Für ihren Rat war Jaden recht dankbar. Er würde tatsächlich am nächsten Tag zu Malkovich gehen, um ihr die Informationen zu geben, die er gesammelt hatte. Er dachte sich, diese könnten die Agentinnen wohl einen großen Schritt weiterbringen.
Time, Ketna und Sensora waren bei Benevidea zurückgeblieben, nachdem sich der Rest der Menge aufgelöst hatte. Immer wieder hatte die zeonide Ärztin ihren Erfasser über dem jetzt einige Meter von ihnen entfernt auf der Wiese grasenden Einhorn kreisen lassen. Obwohl es keinen Zaun gab, schien Benevidea es nicht zu wagen, die Wiese zu verlassen. Allerdings war das für das Gerät, das ja eine große Reichweite von bis zu acht Kilometern hatte, kein Hindernis.
Frustriert hatte sie den Erfasser sinken lassen und ihren Vorgesetzten angesehen. Dieser hatte darauf nur gesagt: „Na los, Scientist!“ „Von ihrem telepathischen Zentrum ist nicht mehr viel übrig, Sir.“, hatte Ketna traurig geantwortet und den Blick gesenkt, während sie auf die kleine Stute gezeigt hatte. „Wir können froh sein, dass sie noch ihre sterbliche Seite hat, die sie offensichtlich im Moment am Leben hält. Wenn sie eine reine imperianische Mächtige wäre, dann wäre sie längst tot, Commander. Der Teil ihres Zentrums, der noch gesund ist, ist nicht größer als der Kopf einer Stecknadel. Sie wissen, dass imperianische Mächtige auf ihre Kräfte unmittelbar angewiesen sind um leben zu können. Ohne ihre Macht müssen sie innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums sterben. So ironisch es vielleicht klingen mag, aber Benevideas sterbliche Seite hält sie gerade am Leben.“ „Das klingt überhaupt nicht ironisch, Ketna.“, sagte Time. „Es klingt in meinen Augen sogar sehr logisch. Dieser verdammte Irre hat sein Ziel also nicht erreicht und er wird es auch nie erreichen, wenn wir das verhindern können. Wenn wir Benevidea auf die Electronica bringen, werden Sie und Ihre Assistentin sich sofort einen Behandlungsplan für die Kleine überlegen!“ Ketna nickte.
Time sah zu dem jungen Einhorn hinüber. „Ja, friss! Friss! Du machst das ganz toll! So bleibst du zumindest bei Kräften, solange du bei uns bist und wir uns überlegen, wie wir dich wieder gesund machen können.“
Er wollte die Hand nach der kleinen Stute ausstrecken. Sie aber flüchtete sofort rückwärts. „So hat es keinen Zweck.“, stellte Time fest und drehte sich Sensora zu: „Allrounder, es sieht aus, als müssten Sie Ihrem Vorgesetzten mal ein bisschen helfen. Offenbar vertraut sie Ihnen. Wenn wir ihr klarmachen könnten, dass ich quasi ein Teil der Herde bin und von Ihnen akzeptiert werde, die Sie wahrscheinlich für sie eine Art Leittier sind, bei dem sie Schutz finden kann, dann wäre sicher schon viel gewonnen. Aber wie machen wir das? Menschliche Haut hat einen Geruch. Das steht außer Zweifel. Aber die Ihre …“ „Nun, Sir.“, antwortete die Androidin. „Sie mögen das vielleicht nicht wahrnehmen. Aber auch das Polymer, aus dem meine Haut besteht, hat einen eigenen Geruch. Er setzt sich aus dessen eigenen Ausdünstungen und einem Gemisch aus dem zusammen, was ich im Laufe des Tages so alles angefasst habe. Wenn wir also unsere Hände aneinander reiben, könnten wir ihr gegenüber kommunizieren, dass Sie ein akzeptiertes Herdenmitglied sind, das mein Vertrauen genießt. Tiere haben ja viel feinere Nasen als der durchschnittliche Humanoide.“ „Da kann ich Ihnen nur zustimmen, Sensora.“, sagte Time und streckte ihr beide Hände hin: „Na dann!“ Beide rieben ihre Hände eine ganze Zeit lang aneinander.
„Das genügt!“, sagte Time, nachdem sie dieses Ritual etwa fünf Minuten durchgeführt hatten. „Ich denke, jetzt haben wir unsere Düfte genug vermischt, Allrounder. Lassen Sie uns jetzt zusammen zu ihr gehen und dann halten wir ihr beide unsere Hände zum Beschnüffeln hin. Mal sehen, was sie daraus macht.“ „OK, Sir.“, sagte Sensora und nahm Times Hand. Dann gingen beide auf die Wiese und taten, worüber sie gerade gesprochen hatten. Allerdings musste Sensora einen kurzen Laut mit den Lippen erzeugen, um Benevideas Aufmerksamkeit vom Gras auf sich und Time zu lenken. Dann aber schnupperte die Kleine sehr neugierig und ausdauernd an den Händen, ließ sogar den Kopf sinken und schnaubte hörbar ab. „Na, jetzt weißt du, dass ich kein böser Onkel bin, was?“, sagte Time ruhig und näherte sich ihr langsam von ihrer linken Halsseite. Es gelang ihm sogar, sie dort zu berühren. „Wir wollen dir ja alle nur helfen, Benevidea.“, sagte er ruhig und arbeitete sich langsam zu ihren Ohren hoch. „Auch wenn du das Gefühl hast, wir könnten alle wütend auf dich sein, dann kann ich dich beruhigen. Wir kriegen schon raus, was du uns damit sagen wolltest, dass du Betsy entführt hast. Ich habe gesehen, dass du Angst hattest, als du das getan hast. Den Grund dafür müssen und werden wir schon zusammen finden. Wir müssen nur einen Weg finden, mit dir zu reden, jetzt, da du nicht mehr telepathisch mit uns reden kannst. Aber das kriegen wir hin! Verlass dich auf uns. Wir bringen dich heim und dabei unterhältst du dich ein bisschen mit deinem neuen Babysitter. Du musst wirklich keine Angst haben. Wir sind nicht wütend auf dich. Ich bin nur etwas sauer auf den, der dir das angetan hat. Aber du bist eine ganz Liebe. Auf dich ist keiner wütend. Oder fühlt sich das hier etwa wütend an für dich, hm?“
Er begann damit, sie fest aber auch gleichzeitig zärtlich zwischen den Ohren zu kraulen. Diesen Ort hatten seine Hände nämlich mittlerweile erreicht. Benevidea schien seine Streicheleinheiten sichtlich zu genießen. Sie wich nicht mehr zurück.
„Sieht ganz so aus, als hätten Sie gewonnen, Sir.“, sagte Ketna, die das Ganze aus der Ferne beobachtet hatte. „Das war ich aber nicht allein, Ketna.“, sagte Peter. „Ohne Sensora wäre das nicht möglich gewesen. Ich darf und will mich hier ja schließlich nicht mit fremden Federn schmücken. Ach, Allrounder, während Sie sich um Benevidea kümmern, sind Sie selbstverständlich von Ihren anderen Pflichten freigestellt. Das Schiff werde im Notfall sogar ich selbst ins Dunkle Imperium fliegen! Dabei wird mir schon kein Zacken aus der nicht vorhandenen Krone brechen!“ „Danke Sir.“, sagte die Androidin. „Aber selbst ich, als ausgebildete Kommunikationsoffizierin, weiß nicht, wie ich mich mit ihr insoweit verständigen soll, um ihr die richtigen Fragen zu stellen.“ „Das wird sich schon einrenken.“, sagte Time. „Wir haben schon vor weitaus kniffeligeren Problemen gestanden und selbst die haben wir gelöst.“
Peters Sprechgerät piepte. Er nahm es aus der Tasche seiner Uniformjacke und sah auf das Display. Hier erkannte er sofort das Rufzeichen seines Ersten Offiziers. „Der hat ein Timing wie ein schweizer Uhrwerk.“, sagte er leise zu sich, während er durch das Drücken der Sendetaste dem Gerät bedeutete, dass er das Gespräch annahm: Time hier!“ „Hier Yetron, Sir.“, gab die Stimme des demetanischen Agenten zurück. „Cenda und ich sind mit der Einrichtung von Benevideas Krankenzimmer fertig. Sie kann kommen.“ „In Ordnung, Agent.“, entgegnete der ältere Terraner. Dann werden wir uns Ihr und Cendas gemeinsames Werk mal ansehen.“
Er wandte sich Sensora zu: „So, Allrounder. Jetzt werden wir Ihren neuen Schützling mal beamen müssen. Der plötzliche Ortswechsel könnte sie erschrecken. Es wäre also besser, wenn Sie die Hände von ihr nehmen, auch wenn es schwerfällt. Sonst fühlt sie sich womöglich noch bedrängt und tritt vor Angst aus. Wir müssen ihr auf jeden Fall die Möglichkeit zum weglaufen lassen.“ „Verstanden, Commander.“, sagte die Androidin nüchtern und nahm demonstrativ etwas Abstand zu dem ruhig neben ihr stehenden Einhorn.
Time warf einen Blick über die Situation. Dann nahm er erneut sein Sprechgerät zur Hand: „Wir wären dann bereit, Agent. Sagen Sie Cenda das!“ Er wusste, dass seine celsianische Untergebene durch ihre Netzwerkberechtigung bedingt jederzeit den Transporter von jeder Position auf dem Schiff mit Hilfe ihres Transceivers fernbedienen konnte, wenn es notwendig war. Das war jetzt der Fall, denn ihr Assistent war ja nicht da, um sie an der Transporterkonsole zu vertreten. Sie würde ja auch schließlich Time und den anderen noch einiges erklären müssen und konnte ja nicht an zwei Orten gleichzeitig sein, wenn sie auch sonst viele Talente hatte.
Wenige Sekunden später fanden sich alle in einer dem Dunklen Imperium sehr ähnlichen Umgebung wieder. Die Luft roch angenehm nach Sommerblumen und sie standen allesamt auf einer Wiese. Der Wind, welcher angenehme Wärme von Süden zu bringen schien, trug aber auch Gerüche von Harzen und Tannenzapfen in ihre Nasen. Time vermutete daher, dass es hier auch einen Wald geben musste, zumal er auch das Singen von Vögeln vernahm. „Wie ist das möglich?“, fragte er. „Ich dachte immer, das Replizieren komplexer Lebensformen sei nicht möglich. Einzelne Organe und totes Fleisch ja. Aber Tiere, die dann auch noch leben, das …“
Er überlegte kurz und stieß dann mit dem Brustton der Überzeugung hervor: „Computer, Programm beenden!“ Sofort verstummten die Vögel. Auch die Silhouette Eines auf einem entfernten Hügel stehenden erwachsenen weiblichen Einhorns verschwand. Die Pflanzen und der Untergrund aber blieben. „Also teilweise Simulationen.“, stellte Time fest. „Aber wie haben Sie das denn gemacht?“ „Sie wissen, dass man den Boden in Frachtraum drei absenken kann, indem man ihn in die Schiffswand rollen lässt.“, sagte Yetron. „Der Frachtraum hat also einen doppelten Boden. Das jetzt veränderte Niveau des Bodens haben wir mit repliziertem Waldboden und Grassoden auffüllen lassen. Der Transporter hat das erledigt. Weder Cenda noch ich haben uns die Hände schmutzig machen müssen. Die Pflanzen werden mit Hilfe der Umweltkontrollen am Leben erhalten. Das hier weiter auszuführen, wäre sicher zu kompliziert und würde jeden Rahmen sprengen.“ „Wie ein Strauß Blumen in der Vase.“, warf Ketna ein. „Das trifft es exakt, Scientist.“, sagte der Demetaner und lächelte ihr zu. „Ein sterbender Baum wird nach seinem Tod per Transporter ausgetauscht. Benevidea wird das nicht bemerken. Ähnlich verhält es sich mit jedem Grashalm, den sie frisst. Unser genauso kluger wie attraktiver Techniker hat eine Software geschrieben, die Umweltkontrollen, Transporter und Replikatoren auf diese Weise zusammenarbeiten lässt.“ „Verstehe.“, sagte Time. „Aber warum haben Sie das Bodenniveau abgesenkt?“ „Um genug Erde aufhäufen zu können, in der die Bäume sicher stehen können.“, erklärte Yetron. Außerdem … Folgen Sie mir bitte, Sir.“
Er machte einige Schritte in eine bestimmte Richtung und Time folgte ihm durch den Wald zu einem See. „Sie haben ja an alles gedacht, Agent.“, sagte Time. „Das sieht hier ja wirklich aus, wie im Wald der Einhörner. Aber was bitte hat das Einhorn von vorhin mit der Sache zu tun? Außerdem hoffe ich, dass ich Cendas schönes System jetzt nicht völlig durcheinandergeworfen habe.“ „Ach was.“, sagte Yetron und drehte sich um. Dann winkte er.
Die gerade Angesprochene betrat den Ort des Geschehens und zog ihr Sprechgerät. Dann gab sie einige Befehle an den Computer ein, worauf das gesamte Programm neu gestartet wurde. Auch der Gesang der Vögel und das Einhorn auf dem Hügel waren wieder da. „So! Alles wieder in Butter, Commander.“, flapste Cenda. „So Empfindlich is’ mein Progrämmchen nich’.“ „Dachte ich mir, Techniker.“, sagte Time. „Wenn Sie etwas schreiben, dann hat das Hand und Fuß. Ich wüsste nur gern, was es mit dem Einhorn auf sich hat.“
Yetron und Cenda warfen sich Blicke zu und grinsten beide. Dann sagte der Demetaner: „Bitten wir doch Allrounder Sensora her. Dann werden Sie gleich sehen, was es mit dem Einhorn auf sich hat.“ „Ok, Agent.“, sagte Time. „Ich vertraue Ihnen. Sie hatten schon immer sehr geniale Einfälle.“
Er drehte sich zum Rand des Waldes und rief: „Allrounder, bitte kommen Sie mal her!“ Die Androidin, die seine Aufforderung durchaus mittbekommen hatte, nickte und machte sich sofort auf dem Weg in seine Richtung. Das Gleiche tat aber auch das Einhorn auf dem Hügel. „Wie habe ich denn das zu verstehen?“, fragte Time. „Sagen wir mal, das Einhorn is’ Sensora.“, sagte Cenda. „Außerdem können wir sie nur alle sehen, weil der Computer automatisch jede Reaktionstabelle von allen lädt, die er in diesen Frachtraum gehen sieht.“ „Die Sensoren sind also auch in Ihr System integriert.“, versicherte sich Time. „Natürlich.“, sagte Cenda. „Und das mit Sensora erkläre ich Ihnen jetzt auch.“, schob Yetron ein. „Pferde verständigen sich ohne menschliche Worte. Wiehern und Schnauben machen nur einen ganz geringen Teil ihrer Kommunikation aus. Der Rest sind Bewegungen, Verhaltensweisen und Gesten, die nur schwer bis unmöglich von Zweibeinern nachzuahmen sind. Es war im Übrigen die Idee unseres geschätzten Technikers, eine Art Marionette zu erschaffen, die dies erledigt. Die Unterprogramme der Simulation sind direkt mit dem Universalübersetzer verbunden, den wir wiederum mit der Datenbank für Verhaltensweisen, speziell mit der für Pferde und Pferdeartige, verbunden haben. Der Computer dürfte bereits dabei sein, eine Reaktionstabelle von Benevidea zu erstellen. Sie dürfte das Einhorn bald sehen.“
Time drehte sich dem jungen Einhorn zu, das entgegen seiner Erwartungen ruhig neben Sensora stand. Offensichtlich fühlte sie sich bei ihr so sicher, dass sie der plötzliche Ortswechsel doch nicht aus der Ruhe gebracht hatte. Allerdings schnupperte sie jetzt auch in die Luft. „Ich hoffe, ihr wird jetzt auch der Geruch eines Einhorns simuliert.“, sagte Time. „Oh klar doch.“, sagte Cenda. „Sie wissen doch, wie gründlich ich bin.“
Sensora, die inzwischen alles begriffen zu haben schien, drehte sich Benevidea mit der rechten Schulter zu. So hatte sie einen 45-Grad-Winkel zu ihr eingenommen. Diese Geste wirkte sehr einladend auf sie. Außerdem sagte die Androidin, als wollte sie Cendas Programm auf die Probe stellen: „Hallo, Benevidea, ich bin deine Freundin.“ Auch das Einhorn in der Simulation senkte den Kopf und schaute Benevidea lieb an. Dann drehte es ihr ebenfalls den Hals zu. Die Zunge des kleinen Einhorns glitt aus ihrem Maul und leckte die Luft ab. Benevidea wusste ja nicht, dass alles nur in ihrem Kopf stattfand. Eine Kinderstimme aus dem Computerlautsprecher übersetzte: „Ich mag dich auch!“
Time hatte nur staunend dagestanden. „Wow!“, brachte er schließlich hervor. „Das funktioniert ja tatsächlich in beide Richtungen. Aber warum gibt der Übersetzer Benevidea eine Stimme wie einer 12-Jährigen?“ „Wir hielten es für besser, das Programm ihrem Entwicklungsstand anzupassen.“, sagte Yetron. „Na, das haben Sie ja mal wieder geschickt gelöst, Agent.“, sagte der Amerikaner anerkennend zu seinem Ersten Offizier. „Und auch Sie, Cenda. Ich weiß schon. Wenn ich Sie zwei zusammenarbeiten lasse, kann dabei ja nur was Grandioses entstehen. Also dann! Holen wir den Rest und fliegen los ins Dunkle Imperium! Agent, ich werde die Erste Schicht am Steuerpult selbst übernehmen. Dann sind Sie dran. Sensora, Sie bleiben bei Benevidea und erklären ihr, was jetzt auf sie zukommt. Wenn sie bereit ist, dann möchte ich, dass Sie ihr auch Fragen bezüglich Allrounder Scott stellen. Es muss ja einen Grund haben, warum Benevidea solche Angst hatte und warum sie Scott und Commander Data entführt hat.“ Alle nickten Times Befehle ab und gingen. Nur Sensora blieb zurück, wie es ihr von ihrem Vorgesetzten gesagt worden war.
Kapitel 11: Stacheln im Fleisch
von Visitor
An Times Zielort wälzte sich eine gewisse Königstochter in ihrem goldenen Nachthemd unruhig zwischen den Kissen ihres mit goldenen und silbernen Beschlägen verzierten Betts hin und her. Schon die halbe Nacht hatte Sytania so verbracht, ohne auch nur für einen kurzen Moment eingeschlafen zu sein. Die telepathische Wahrnehmung, die sie wachhielt, konnte sie beim besten Willen nicht einordnen. Es war ihr, als würde sie in eine Art mentalen Spiegel schauen. Aber das konnte doch nicht sein! Sie war immer Logars einzige Tochter gewesen! Sie hatte weder einen Zwilling, noch hatte sie weitere leibliche Geschwister, die sie so hätte wahrnehmen können. Der einzige Reim, den sie sich auf ihre Situation machen konnte, war jener, dass ihr Vater sie wohl versuchte auszutricksen. Die beiden waren schon immer Feinde gewesen und auch jetzt vermutete Sytania hinter ihrem Gefühl eine Kriegslist des Königs.
Schlaftrunken wankte sie aus dem Bett. Im fahlen Licht einer Laterne, die auf ihren Befehl hin immer von einer ihrer Zofen bereitgestellt werden musste, sah sie jetzt einen Schatten, der sich aus einem der niedrigeren schlichten Betten, die um das Ihre herumstanden, reckte. Sie erkannte die Statur Longinas, ihrer neuesten Zofe, die den Platz der in Ungnade gefallenen Elisa eingenommen hatte. Auch sie war ein imperianisches Bauernmädchen. Sie war ca. 13 Jahre alt, von kleinem gedrungenen Wuchs, hatte kurze schwarze Haare und trug ein derbes einfaches bleiches Nachthemd. Dass auch sie wach war, nahm Sytania allerdings erst zur Kenntnis, als sie von ihr mit ihrer immer leicht heiseren Stimme angesprochen wurde: „Kann ich Euch behilflich sein, Herrin?“
Sytania drehte sich etwas erschrocken um und erwiderte darauf nur: „Ach, Longina, du bist also auch wach. Du scheinst fürwahr eine meiner sensibelsten Dienerinnen zu sein. Die anderen schlafen tief und fest. Aber du kannst tatsächlich etwas für mich tun. Geh und hole mir Telzan her! Du wirst ihn am Tor finden. Er befehligt heute meine Vendar-Wachen selbst. Sag ihm, ich hätte etwas sehr Dringendes mit ihm zu besprechen, das keinen Aufschub duldet! Wenn du ihm das ausgerichtet hast, dann geh in den Park und bleibe dort, bis ich dir telepathisch etwas anderes befehle. Was ich mit meinen Vendar bespreche, geht dich ja schließlich nichts an und schon gar nicht, wenn es sich um Gespräche mit ihrem Anführer, meinem Vertrauten, handelt!“ „Wie Ihr wünscht, Gebieterin.“, sagte die Zofe und wollte sich gerade zum Gehen wenden, als ihr auffiel, dass ja auch Sytania noch ihre Nachtkleidung trug. „Verzeiht mir.“, sagte sie. „Aber soll ich Euch nicht lieber vorher ankleiden? Es könnte Telzan beschämen, wenn er Euch so sieht. Vielleicht …“ „Hast du nicht gehört, was ich dir gerade befohlen habe?!“, fragte Sytania scharf. „Telzan kennt mich in vielen Situationen. Er hat mich oft schon ganz anders gesehen. Rasch, du einfältiges Ding! Mach, dass du ihn holst!“ „Ich eile, Herrin!“, sagte Longina schnell und war aus der Tür. Es war ihr sichtlich unangenehm gewesen, so von Sytania zurechtgewiesen zu werden. Aber diese Standpauke hatte ihr gereicht. Sie würde nie wieder die Befehle der Imperianischen Prinzessin infrage stellen.
Eilig huschte sie durch die dunklen Gänge des Palastes. Sie hatte das Schloss bisher noch nie so still und so gruselig erlebt. Selbst sie hatte jetzt das Gefühl, als würde ihnen irgendetwas Schlimmes bevorstehen, obwohl sie, als eine einfache Imperianerin, ja keine telepathischen Fähigkeiten besaß. Dies lag nur in den Genen der Adeligen und erst recht in denen der königlichen Familie. Trotzdem hatte sie wohl vor irgendetwas eine unbestimmte Angst. Je näher sie dem Tor kam, desto mehr wünschte sie sich, sie würde einfach ihre Beine in die Hand nehmen und hindurchlaufen können. Aber dafür war ihre Angst vor einer Strafe dann doch zu groß.
Sie hörte das Klirren einer Rüstung hinter sich. Dann sagte eine männliche Stimme: „Bleib stehen, Mädchen! Dreh dich um, damit ich dich erkennen kann!“ Longina kannte die Stimme. Sie gehörte genau dem, den sie gerade suchte. Sofort tat sie, was er ihr gesagt hatte. Sie war sehr erleichtert gewesen, ihn endlich zu Gesicht zu bekommen. „Telzan, gut, dass ich dich gefunden habe!“, sagte sie und seufzte erleichtert auf. „Du bist Longina.“, wurde sie von dem Vendar identifiziert. „Du bist Sytanias neue Zofe. Was ist denn der Grund, aus dem du hier so mutterseelenallein das Schloss unsicher machst, hm?“ „Unsere Herrin schickt mich.“, sagte Longina. „Sie muss dringend mit dir sprechen, Telzan. Sie sagt, es dulde keinen Aufschub. Sie hat mir noch nicht einmal erlaubt, sie anzukleiden. Du wirst sie also auch im Nachtkleid sehen.“
Telzan machte eine Handbewegung, als wollte er ihren letzten Satz einfach wegwischen. Dann sagte er: „Das ist alles nicht so schlimm, Longina. Ich kenne Sytania in vielen Situationen. Aber es ist gut, dass du mir Bescheid gegeben hast.“
Er zog sein Sprechgerät und gab ein Rufzeichen ein. Dann erteilte er einem seiner Untergebenen den Befehl, seinen Posten am Tor einzunehmen, bis er zurück sei und ging in Richtung der großen Freitreppe, die zu Sytanias Gemächern führte. Longina ging in die andere Richtung davon. Wie es ihr Sytania gesagt hatte, würde sie eine Zeit im Schlosspark verbringen.
Telzan war vor Sytanias Schlafzimmer angekommen. Hier klopfte der Vendar an die Tür. Obwohl Sytania ihm ja das Herkommen befohlen hatte, wollte er nicht einfach so eintreten. „Tritt ein, Telzan!“, rief es von drinnen, worauf der Vendar die schwere Tür aus imperianischem Eichenholz vorsichtig öffnete und das Zimmer betrat.
Die Prinzessin saß auf ihrem Bett. Telzan näherte sich langsam. „Wie kann ich Euch helfen, Milady?“, fragte er. „Es ist etwas sehr Merkwürdiges geschehen, Telzan.“, sagte Sytania. „Etwas, auf das ich mir beim besten Willen keinen Reim machen kann. Ich habe das Gefühl, in meinen telepathischen Spiegel zu sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie so etwas möglich ist. So eine Wahrnehmung hatte ich noch nie.“
Telzan holte eine Tasche hinter seinem Rücken hervor, die er immer zusätzlich bei sich hatte, wenn er seine imperianische Rüstung trug. Sie enthielt seine gesamte technologische Ausrüstung. Aus dieser Tasche zog er nun seinen Erfasser und gab dem Gerät einige Befehle ein. Dann sagte er zu Sytania: „Bitte erlaubt mir Euch zu untersuchen. Ich denke, dann werden wir beide viel klarer sehen.“ „Tu, was du gerade vorgeschlagen hast!“, befahl Sytania.
Telzan richtete seinen Erfasser auf den Körper seiner Gebieterin. Dann befahl er dem Gerät mittels Auswahl einiger Symbole im Menü, die gesammelten Daten zu interpretieren. Das Ergebnis aber stimmte ihn sehr nachdenklich. „Hm.“, überlegte er und kratzte sich am Kopf. „Ich denke, ich sollte den Erfasser einer Selbstdiagnose unterziehen.“ „Wie kommst du darauf, Telzan?“, fragte Sytania. „Weil er mir hier etwas sagt, das meiner Meinung nach überhaupt nicht sein kann.“, antwortete der Vendar. „Laut meinem Erfasser nehmt Ihr Euch tatsächlich selbst wahr. Aber das ist unmöglich, weil es meines Wissens keine zweite Sytania gibt.“ „Eine zweite Sytania wäre ja auch noch schöner!“, fuhr die Königstochter ihn an. „Das wäre für mich wie ein Stachel im Fleisch! Ich bin und bleibe ich und ich bin und bleibe einzigartig! Wenn es eine zweite Sytania gäbe, dann fehlte ja nur noch, dass ich vielleicht sogar meine Macht mit ihr teilen müsste! Igitt! Was für eine schreckliche Vorstellung!“ „Ich kann mir vorstellen, dass das für Euch keine sehr beruhigende Vorstellung ist.“, versuchte Telzan seine Herrin, die schon fast in Raserei war, zu beruhigen. „Aber vielleicht ist es ja auch gar nicht so. Vielleicht ist ja auch nur dieses Gerät kaputt. Seht mal.“
Erneut betätigte er die Menütaste des Erfassers, aber dieses Mal tat er es direkt vor Sytanias Augen. Dann wählte er den Punkt für die Selbstdiagnose aus und bestätigte ihn.
„Das kann jetzt eine Weile dauern.“, sagte er. „Aber ich glaube nicht. Dass es an dem Gerät liegt. Ihr wisst, dass auch wir Vendar in der Lage sind, etwas Telepathisches zu spüren. Sonst könnten wir ja unserer Aufgabe als Telepathenjäger wohl schlecht nachkommen. Was ich die ganze Zeit spüre, würde Eure Wahrnehmung nur bestätigen und die Analyse des Erfassers obendrein. Wir, also der Erfasser und ich, können uns zwar nicht erklären, was hier passiert ist, aber das könnte sich ändern, wenn Ihr mir erlaubt, in meine Garnison zurückzukehren und meine Frau zu unterrichten. Sie ist nicht nur meine Stellvertreterin, sondern auch die Führungsoffizierin jedes Spions, den wir in den feindlichen Reihen haben. So können wir zum Beispiel einen Streich Eures Vaters sicher ausschließen.“ „Und was ist mit der Föderation und ihren Verbündeten, he?!“, stieß Sytania wütend hervor. „Die haben ja auch sehr starke Telepathen unter ihren Freunden und die wären sicher durchaus in der Lage, mir so einen Streich zu spielen! Aber warte! Die sollen mich kennen lernen!“
Es gab einen schwarzen Blitz und Telzan hatte das Gefühl, das gesamte Schloss würde sich vom Boden erhoben haben. Als der Vendar aber aus dem Fenster sah, war kein Höhenunterschied zum Park wahrzunehmen. „Was habt Ihr getan, Herrin?“, fragte der etwas verunsicherte Vendar. „Ich habe das Schloss mitsamt seinem Park in die Luft erhoben!“, sagte Sytania. „Ich werde es so lange schweben lassen, wie es braucht, um dem Schuldigen an diesem Streich meine Macht zu beweisen! Es war mein Vater! Es kann nur mein Vater gewesen sein! Mein Vater und vielleicht noch einige seiner Freunde! Vielleicht sogar die Aldaner, oder …“ „Bitte vergesst nicht, Herrin, selbst Euer Vater gilt als unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist. An Eurer Stelle würde ich ihn nicht fälschlich beschuldigen, bis ich seine Schuld oder auch seine Unschuld zweifelsfrei beweisen kann. Ihr habt erst einen Krieg gegen ihn verloren. Erinnert Euch bitte daran! Cirnach und die Spione werden sicher alles daran setzen. Nur lasst mich bitte machen und riskiert nichts. Dieses ganze Gebiet über einen so langen Zeitraum im Schwebezustand zu halten, wird Euch viel Kraft kosten. Ich flehe Euch an. Beendet das!“ „Das werde ich nicht tun!“, rief Sytania aus. „Das käme ja einem Eingeständnis von Schwäche gleich! Nein, nein, Telzan. Du und deine Leute, ihr werdet dann eben jeden Telepathen aussaugen, dem ihr habhaft werden könnt, um mir genug Energie zu beschaffen! So und nun geh und kümmere dich um die Beweise!“ „Wie Ihr wünscht, Gebieterin.“, sagte Telzan missmutig und verließ den Raum. Er wusste, dass es Wahnsinn war, was Sytania da gerade tat. Aber er wusste auch, dass er nur eine Möglichkeit hatte, dies zu beenden und das war das Erbringen von Beweisen. Anders ging es einfach nicht. Von allein würde sie nicht einlenken. Das war ihm längst klar.
Kapitel 12: Eine Wahnsinnstat
von Visitor
Aber jene Situation war auch auf Logars Seite der Dimension nicht unbeobachtet geblieben. Derjenige, der sie jedoch gesehen hatte, traute seinen eigenen Augen nicht und glaubte eher an eine Fehlfunktion der Sonde, die er in Iranachs Auftrag in eine hohe Umlaufbahn über Sytanias Schloss geschickt hatte. Da sich die Sonde von fern optisch kaum von einem Stern am Himmel unterschied, hatten die Wachen sie auch nicht bemerkt und selbst wenn, dann hatten Sytanias Vendar sie stillschweigend toleriert. Sich gegenseitig auszuspionieren, gehörte schließlich zwischen Sytania und ihrem Vater fast schon zum guten Ton, wie sich eine celsianische Politikerin kürzlich gegenüber der Presse der Föderation zu der Situation im Dunklen Imperium geäußert hatte.
Talan, der die Sonde fernsteuerte und auch ihre Telemetrie sowie ihre Bilder auswertete, traute aber wie gesagt seinen Augen nicht, als er sehen musste, wie sich das Schloss der Königstochter mitsamt dem Park in die Luft erhob und dort über seinem eigentlichen Standort schwebte. Darunter gähnte ein großes Loch. Von den Dingen, die sich im Schloss abgespielt hatten, wusste er ja nichts. Deshalb beschloss der Novize auch, den Computer eine Selbstdiagnose der Sonde durchführen zu lassen. Sollte deren Ergebnis ihn nicht zufriedenstellen, würde er auch den Computer selbst einer solchen Diagnose unterziehen. Er wusste zwar, dass er für so etwas eigentlich die Erlaubnis seiner Ausbilderin benötigte, aber seiner Ansicht nach blieb keine Zeit mehr, Iranach zu fragen. Von den Bildern der Sonde hing zu viel ab. Wenn sie ihnen falsche Daten lieferte, konnte das unter ganz bösen Umständen zu einem Krieg führen und das durfte auf keinen Fall passieren. Was Talan gesehen hatte, war aber für ihn derart unmöglich, dass er auf jeden Fall die Situation klären wollte, bevor Iranach oder gar Logar aufgrund der Daten falsche Schlüsse ziehen konnten.
Der Novize, der erst vor kurzer Zeit in den Kreis der älteren Novizen aufgestiegen war, drehte sich also dem Computermikrofon zu und sagte fest: „Mishar, der mit dir gerade in Verbindung stehenden Sonde den Befehl zur Selbstdiagnose übermitteln!“ „Befehl wird ausgeführt.“, kam es nüchtern zurück. Dann sah Talan einige technische Zahlen auf dem Schirm, die sich ständig veränderten. Er wusste, das könnte jetzt eine Weile dauern.
Iranach hatte den Raum betreten. Sie streifte immer durch die Kontrollräume, wenn sie wusste, dass einer ihrer Schüler heute zum ersten Mal eine der Spionagekonsolen bediente. Die Vendar war für ihre Gründlichkeit bekannt und wollte auf jeden Fall sicherstellen, dass sich bei ihren Schülern keine Fehler in deren Bedienung einschlichen.
Jetzt war sie auch an Talans Platz vorbeigekommen und hatte die Werte seiner Konsole gesehen. „Kannst du mir mal verraten, was du da machst?!“, fragte sie streng. „Unser Gebieter hat eine lückenlose Überwachung Sytanias auf technologischem Wege angeordnet! Er will das, weil sich Sytania ja telepathisch gegen ihn abschirmen könnte. Aber dein Platz stellt jetzt gerade eine Lücke im Netz dar. Wenn die Sonde sich selbst diagnostiziert, kann sie ihre Arbeit nicht machen! Hast du darüber schon einmal nachgedacht?! Brich sofort diese Diagnose ab! Überprüfen kannst du sie später!“ „Aber, Ausbilderin, es ist doch bestimmt auch nicht gut, wenn wir aufgrund falscher Daten handeln und falsche Schlüsse ziehen.“, widersprach Talan, was Iranach offensichtlich nicht von ihm gewohnt war. Die sonst so taffe Vendar musste nämlich gewaltig nach Luft schnappen. „Was genau meinst du bitte damit?!“, fragte sie schließlich.
Talan wechselte das Bildschirmfenster. Trotz der Diagnose war im Hintergrund immer noch der Datenstrom der Sonde zu sehen. Allerdings waren das, was sie jetzt ihren Benutzern bot, eingefrorene Bilder. Iranach hatte nämlich mit ihrer Belehrung durchaus Recht gehabt, was die Arbeitsfähigkeit der Sonde anging. „Das sieht tatsächlich etwas merkwürdig aus.“, sagte die Vendar und deutete auf den Schirm. „Ich denke, du hast richtig gehandelt. Ich muss mich bei dir entschuldigen. Gut, dass du so umsichtig bist. Wenn wir Logar dies ungefiltert gemeldet hätten, dann hätte er eventuell ganz falsche Schlüsse ziehen können und hätte seine Tochter eventuell Taten beschuldigt, die sie gar nicht begangen hat. Das hätte Sytania durchaus das Recht zur Vergeltung gegeben und wir beide wissen nur zu gut, wie die aussehen kann.“ „In der Tat, Ausbilderin.“, bestätigte der Novize.
Ein Signal vom Computer ließ die beiden Vendar aufhorchen. Dann sagte die nüchterne Stimme des Rechners: „Selbstdiagnose der Sonde beendet. Sie ist zu 100 % funktionsfähig. Die vor der Diagnose gestarteten Prozesse werden fortgesetzt.“ „Soll ich auch den Mishar selbst einer Diagnose unterziehen?“, fragte Talan. „Nein.“, sagte Iranach. „Ich denke, das ist nicht nötig. Obwohl ich auch noch keine Erklärung für diese Bilder habe. Aber die könnten wir vielleicht sehr leicht bekommen. Befiehl der Sonde, nach verstärkter telepathischer Aktivität zu suchen. Ich bin sicher, sie wird fündig werden. Sie soll die Aktivität auch gleich zuordnen.“ „Hast du einen Verdacht, Ausbilderin?“, fragte Talan und er fühlte sich dabei sehr beklommen. „Den habe ich tatsächlich.“, sagte seine Lehrerin. „Und die Götter mögen geben, dass wir uns irren. Wenn wir uns nicht irren sollten, dann haben wir ein Problem. Aber vielleicht ist ja auch alles in Ordnung und es war nur eine Luftspiegelung, auf die unsere Sonde hereingefallen ist.“ „Deine Andeutungen machen mir Angst, Ausbilderin.“, sagte Talan. „Unter diesen Umständen traue ich mich gar nicht, den Befehl an die Sonde selbst zu übermitteln. Könntest du das bitte übernehmen?“ „Na gut.“, seufzte Iranach. „Dann geh bitte zur Seite.“
Talan stand erleichtert von seinem Stuhl auf und ließ sie seinen Platz einnehmen. Der Novize war sehr froh, dass sie sich erbarmt hatte, diesen doch sehr schwierigen Teil zu übernehmen. Ihre Andeutungen hatten ihn so sehr geängstigt, dass er das Ergebnis eigentlich gar nicht erfahren wollte. Deshalb wünschte er sich gerade, er hätte vier Hände statt der zwei, die er sein Eigen nannte. Dann hätte er sich nämlich durchaus Augen und Ohren gleichzeitig zuhalten können. So aber ging dies mehr schlecht als recht, denn er hatte nur eine Hand für jeweils ein Auge und ein Ohr.
Er hoffte so sehr, er würde von dem Ganzen nicht so viel mitbekommen. Aber leider war das nicht so. Trotz der Tatsache, dass er von dem Gespräch zwischen Iranach und dem Mishar nur die Hälfte mitbekam, reichte dies doch aus, um einiges in seinem Kopf anzustoßen. In diesem Moment wünschte er sich nichts mehr, als einmal nur für einige Sekunden seine doch sehr große Intelligenz ablegen zu können und nicht zu verstehen, was das, was Iranach herausgefunden hatte, bedeuten würde. Leider funktionierte das aber nicht und er hörte genau, auch wenn es nur Teile von Sätzen waren, dass seine Ausbilderin und der Computer bestätigten, dass Sytania selbst es war, die ihr Schloss zum Schweben gebracht hatte. Zweifelsfrei war das eine Machtdemonstration, auf die Logar, würde er davon erfahren, sofort antworten würde. Würde er das gleiche versuchen, dann würde auch er sehr viel Energie benötigen, um auch sein Schloss und dessen gesamte Umgebung für länger schweben zu lassen. Er durfte dann nicht in seiner Konzentration nachlassen, um diejenigen, die sich in seinem Schloss befanden und auch das Schloss selbst nicht zu gefährden.
Dem Novizen gingen tausend Szenarien durch den Kopf, was dann hätte passieren können. Er überlegte sogar ernsthaft, Logar die Situation zu verschweigen und seine Ausbilderin dazu anzustiften. Er hoffte nur, dafür die richtigen Argumente finden zu können. Dass es dazu aber bereits zu spät war, ahnte er nicht.
Er hatte plötzlich begonnen, eine Präsenz wahrzunehmen. Eine Präsenz, die er sehr gut kannte. Ihr gemeinsamer Gebieter musste den Raum betreten haben. Sofort war Talan hellwach, seine Hände aber nahm er nicht von Auge und Ohr. Logar, der dies durchaus gesehen hatte, war darüber etwas verwundert. „Kannst du mir mal verraten, was dein Schüler da tut, Iranach?“, wandte er sich seiner Vertrauten und damit auch der Anführerin seiner Vendar zu. „Ist das eine neue Übung zum Schärfen seiner Sinne?“
Die immer noch schwer mit den Anzeigen auf der Konsole beschäftigte Vendar hatte ihren Herrn erst jetzt wirklich bemerkt und drehte sich um. „Bitte vergebt mir, Gebieter.“, bat sie. „Aber wovon sprecht Ihr?“ „Ich vergebe dir, Iranach.“, sagte Logar. „Das, was du und Talan hier gesehen habt, scheint euch beide ja sehr in Anspruch zu nehmen. Aber ich spreche davon.“ Er zeigte in Talans Richtung. „Das habe ich nicht angeordnet, Milord.“, sagte Iranach. Dann drehte sie sich ihrem Novizen zu: Talan, Es wird die Dinge nicht verbessern, wenn du die Realitäten ignorierst. Sag seiner Majestät und mir doch bitte, was dich so bedrückt.“
Ob der Anweisung seiner Ausbilderin nahm Talan die Hände vom Gesicht und drehte sich nun auch seinerseits Logar und ihr zu. „Wir haben gesehen, dass Eure Tochter ihr Schloss mittels ihrer Kräfte in die Luft erhoben hat.“, sagte der Novize. „Erst habe ich es nicht glauben wollen und hatte dem Mishar befohlen, unserer Sonde den Befehl zur Selbstdiagnose zu übermitteln. Jetzt sind wir sicher, dass es nicht an der Technik liegt. Es ist wohl die Wahrheit. Aber es ist auch Wahnsinn, wie ich finde. Sytania wird immer mehr Energie benötigen und ihre Vendar werden …“
Logar hatte eine Bewegung auf Talan zu gemacht, die den Novizen sofort seinen Satz unterbrechen und zurückschrecken lassen hatte. „Lass mich sehen, Junge!“, ordnete der König an. Talan nickte und ging einige Schritte zurück und auch Iranach verließ den Platz und bot mittels eines Fingerzeigs Logar den Stuhl an, der sich auch gleich setzte. Dann sah der Herrscher auf den Schirm. Sicher wäre das für ihn nicht nötig gewesen, aber er wollte sich ja schließlich von dem überzeugen, was seine Vendar ihm gerade gemeldet hatten und dafür musste er die gleichen Mittel wie sie benutzen, damit alle auf dem gleichen Stand waren.
Schließlich drehte sich Logar erneut Iranach zu. Seine Augen waren voller Wut. Das konnte die Vendar gut sehen. Sie hoffte nur, dass er aus dem gleichen Grund Wut empfinden würde, aus dem auch sie dieses Gefühl empfand. Iranach hoffte, auch Logar würde den Wahnsinn in jener Tat erkennen und sich nicht ebenfalls auf solche Muskelspiele der Macht einlassen. Sie hoffte sehr, ihr König wäre vernünftiger als die Prinzessin. Bald darauf musste sie aber sehen, dass all ihre Hoffnung zunichte gemacht wurde.
Es gab einen weißen Blitz und Iranach und Talan spürten, wie sich das gesamte Gebäude mit ihnen erhob. Sofort stürzte der Novize zum Fenster und sah hinaus. Was er aber dort sah, ließ ihn für einen kurzen Moment fast das Gleichgewicht verlieren und er wäre sicher zu Fall gekommen, wenn er sich nicht an der steinernen Fensterbank hätte festhalten können. „Ausbilderin!“, stammelte er. „Wir scheinen fast genauso hoch wie der Himmel zu sein. Bitte komm her und sieh es dir an.“
Mit ungläubigem Staunen kam Iranach seiner Bitte nach. Sie marschierte ebenfalls hinüber zum Fenster und sah jetzt auch, was ihren Novizen so in Angst und Schrecken versetzt hatte. Dann warf sie sich vor Logar auf die Knie und flehte: „Gebieter, bitte lasst uns wieder herunter! Ihr habt das Schloss höher gehoben als das Eurer Tochter! Das sollte doch ausreichen, um ihr Eure überlegene Macht zu demonstrieren. Alles andere ist Wahnsinn! Auch Ihr werdet immer mehr Energie benötigen, wenn Ihr das hier aufrechterhalten wollt. Die können auch wir nicht allein von uns freundlich gesinnten Telepathen aus dieser Dimension besorgen. Was wir hier bekommen, wird einfach irgendwann nicht mehr reichen! Habt Ihr darüber nachgedacht? Sicher, Sytanias Vendar werden ohne Skrupel jeden Telepathen überfallen, dem sie habhaft werden können. Aber das werden wir nicht tun! Bitte zwingt uns nicht dazu, Majestät! Bitte! Bitte! Bitte! Lasst doch ab, Milord! Lasst doch ab! Bitte lasst ab! Lasst ab!“
Logar sah sie streng an. „Steh auf, Iranach!“, befahl er. „Damit ich dir in die Augen sehen kann und dir sagen kann, wie ich darüber denke!“ „Ja, Gebieter.“, sagte die Vendar, in deren Augen schon wieder das Licht der Hoffnung erglühte und stand auf. Was sie aber dann zu hören bekam, ließ sie niedergeschlagen den Kopf senken. „Was sagst du da?!“, fragte Logar sehr laut und sah sie streng an. „Du sagst, ich soll aufgeben und das Schloss wieder absetzen?!“ Nein! Diesen Sieg werde ich meiner Tochter nicht gönnen! Solange sie das Spiel nicht aufgibt, werde auch ich es nicht tun! Ihr werdet eben solange nach Energie suchen müssen, wie ich sie benötige! Dafür dürft auch ihr vor nichts zurückschrecken, Iranach. Deine Leute und du, ihr dürft vor nichts zurückschrecken! Wir werden meiner Tochter schon zeigen, wer hier die Macht hat! Hast du mich verstanden?!“ „Das habe ich, Gebieter!“, sagte Iranach, die aber stark mit sich selbst rang. Sie hätte ihrem Herrscher am liebsten ganz andere Dinge gesagt, wusste aber, dass es sie Amt und Kopf kosten konnte, wenn sie es tat. Deshalb hatte sie beschlossen, ihre wahre Meinung erst einmal für sich zu behalten. „Dann ist ja alles gesagt.“, sagte Logar und verließ wieder den Raum und die gesamte vendarische Garnison.
Talan dachte nach. Er hatte zwar sehr große Angst und konnte die Situation selbst nicht wirklich einordnen, er hatte aber sehr wohl wahrgenommen, wie verzweifelt seine Ausbilderin war. Vielleicht konnte es ihm, einem einfachen Novizen, aber auch gelingen, ihre Verzweiflung wieder in Mut zu verwandeln. Er hatte sie noch nie so gesehen. Sonst war immer sie diejenige gewesen, auf die er sich hatte verlassen können. Sie war immer sein Fels in der Brandung und er hatte das Gefühl, ihr in dieser Hinsicht jetzt einiges zu schulden. Deshalb überlegte er so angestrengt er konnte. Sie würden Hilfe benötigen. Das war ihm klar. Nicht nur, dass sie Freiwillige brauchten, die ihnen Tag und Nacht als Spender telepathischer Energie zur Verfügung standen, nein, sie würden auch Hilfe benötigen, wenn es darum ging, Logar wieder Vernunft einzureden. Ihnen allein würde das nicht gelingen. Das wusste der Novize nur zu gut. Auch wenn die Vendar sozusagen die Elitekrieger der Mächtigen waren, so waren sie immer noch Diener und niemals auf der gleichen Ebene wie Logar selbst. Das war auch der Grund, aus dem Logar Iranach so abkanzeln konnte. Es musste aber doch jemanden geben, der sehr großes diplomatisches Geschick besaß und der oder die auf gleicher politischer Ebene mit Logar verhandeln konnte. Dem Novizen fiel da zum Beispiel Dill ein. Er war ein König wie Logar selbst und wusste nur zu gut über die Situation bezüglich seiner Tochter Bescheid. Außerdem gab es da noch die Bewohner des Raum-Zeit-Kontinuums oder die Tindaraner, die Aldaner, oder … Plötzlich fiel es dem Novizen wie Schuppen von den Augen. All diese Leute hatten einen gemeinsamen Nenner, eine gemeinsame Verbündete nämlich. Sie war zwar sterblich, würde aber genau deshalb die Not der Vendar am ehesten nachvollziehen können. Außerdem war sie für ihr diplomatisches Geschick über alle Grenzen hinaus sehr bekannt. Schließlich war sie das Oberhaupt eines Staates, der sich die Lösung all seiner Probleme durch Diplomatie und nicht durch Kriege auf die Fahnen geschrieben hatte. Wenn man mit ihr Kontakt aufnehmen würde, dann konnte man sicher mit Hilfe rechnen.
Talan wandte sich Iranach zu. „Wie wäre es, wenn wir Kontakt mit Nugura El Fedaria aufnehmen, Ausbilderin!“, schlug er lächelnd vor. „Ich bin sicher, sie wird Logar ins Gewissen reden.“ „Ach, das kannst du vergessen, mein Schüler.“, sagte die Vendar resignierend. „Die Föderation wird sich niemals in unsere internen Konflikte einmischen. Auch nicht dann, wenn wir sie noch so nett bitten. Sie haben eine Klausel, die es ihnen verbietet und …“ „Aber die greift doch hier gar nicht, Ausbilderin!“, fiel ihr Talan ins Wort, etwas, das er sonst eigentlich nie tat. Deshalb war seine Lehrerin auch so überrascht. So überrascht sogar, dass sie offenen Mundes dastand und seinem weiteren Vortrag lauschte: „Wenn wir so viel Energie besorgen müssen, dann bedeutet das, dass wir auch außerhalb der eigenen Heimat danach suchen müssen. Das Gleiche werden Sytanias Vendar tun und die sind skrupellos. In der Föderation und unter ihren Verbündeten gibt es viele Telepathen, von denen Nugura sicher nicht wollen wird, dass sie demnächst ausgesaugt werden. Um deren Schutz weiterhin gewehrleisten zu können, wird sie sich also einmischen müssen! Außerdem darf die Föderation auf Notrufe aller Art reagieren. Wir müssen es eben so formulieren, dass es wie ein Notruf von uns Vendar ankommt! So kompromittieren wir auch Logar zunächst nicht!“
Das Gesicht der Vendar hellte sich auf. „Oh, mein kluger Talan!“, sagte sie. „Du hast ein sehr gutes Verständnis für politische Dinge und ein sehr großes diplomatisches Feingefühl noch obendrein. Zum Lohn für deinen Vorschlag darfst du es sein, der Nugura El Fedaria unsere Bitte um Hilfe übermittelt. Ich vertraue dir da voll und ganz und lasse dieses Unterfangen ganz in deinen geschickten Händen. Nimm am besten so schnell wie möglich Kontakt mit ihr auf!“ „Ja, Ausbilderin.“, sagte Talan und wandte sich der Konsole des Sprechgerätes zu, um dort Nuguras Rufzeichen einzugeben. Er ahnte noch nicht, dass er dort gleich eine merkwürdige Überraschung erleben würde.
Wie jedes Mal rief er also die Maske auf und tippte das Rufzeichen, das er mittlerweile auswendig gelernt hatte, ein. Talan hatte dies für besser erachtet. Schließlich war die Föderation die politische Verbündete seines Herrn und man wusste ja nie, wozu es einmal wichtig sein konnte.
Statt einer Verbindung bekam er allerdings eine Meldung vom Mishar, die ihm durch ein Signal angekündigt wurde, das ihn aufhorchen ließ. Halblaut begann er, sich den Bildschirm durchzulesen: „Das angegebene Rufzeichen wurde zweimal gefunden. Bitte schalten Sie auf Konferenzmodus um oder wählen Sie eines aus!“ Dann sah er eine Liste, die aus den zwei Rufzeichen bestand.
Talan wusste, dass der Rechner in den interdimensionalen Modus geschaltet hatte, sobald er erkannt hatte, dass ein Rufzeichen außerhalb der Dimension angesprochen werden sollte. Dennoch konnte er sich nicht wirklich einen Reim auf die Situation machen. Das Rufzeichen der Präsidentin im allseits bekannten Spiegeluniversum konnte es nicht sein, was der Mishar dort entdeckt hatte. Die dort herrschenden geschichtlichen Bedingungen machten sicher ihre Regierung unmöglich und um ganz sicher zu gehen, waren alle Rufzeichen, die dort beheimatet waren, in sämtlichen Sprechgeräten, also auch in denen der zu Nuguras Verbündeten gehörenden Vendar, gesperrt. Spätestens das interdimensionale Relais würde erkennen, wohin der Ruf gehen sollte und den Sperrbefehl wirksam werden lassen. Das wusste auch Talan. Es musste eine Situation entstanden sein, auf die jegliche Technik noch nicht vorbereitet gewesen war.
Er wandte sich zu Iranach: „Ausbilderin, ich benötige deine Hilfe. Bitte komm her und sieh dir das hier an.“ „In Ordnung.“, sagte Iranach etwas verwundert und ging in seine Richtung. Es wunderte sie sehr, dass ihr Schüler bei so einer einfachen Tätigkeit ihrer Hilfe bedurfte. Als sie aber den Grund dafür sah, wurde auch sie nachdenklich. „Warum findet er auf einmal zwei völlig identische Rufzeichen? Der einzige Unterschied scheint zu sein, dass sie sich in zwei unterschiedlichen Dimensionen befinden. Sonst wäre das ja auch technisch unmöglich!“, sinnierte sie. „Gib Acht, Talan! Wir wählen eines aus und du sprichst die dortige Nugura einfach an. Ich bleibe in deiner Nähe und höre mit. Wenn mir etwas auffällt, lasse ich es dich wissen oder flüstere dir Anweisungen zu. Wir müssen die seltsamen Dinge erforschen, die hier passieren. Das sind wir auch unserem Gebieter Logar schuldig. Schalte das Gerät auf Lautsprecher!“ „Wie du wünschst, Ausbilderin.“, sagte der Novize und führte die Anweisungen seiner Lehrerin aus.
Er hatte sich für das erste Rufzeichen auf der Liste entschieden, welches er durch einen Fingerzeig auf den Monitor bestätigte. Das Bild mit der Fehlermeldung war daraufhin der Kulisse eines kleinen Büros gewichen, in welchem Talan im Bildhintergrund einen kleinen braunen hölzernen Schreibtisch erkennen konnte, an dem ein freundlich lächelnder Demetaner seinen Ruf entgegennahm: „Büro der Präsidentin der Föderation der vereinten Planeten, Sie sprechen mit Sekretär Saron!“ „Saron El Demeta, ich bin Talan, ein Schüler der Iranach, der Vertrauten des Logar El Imperia. Meine Ausbilderin hat mich beauftragt, in ihrem Namen mit Nugura El Fedaria zu sprechen. Ist das möglich?“ „Ich denke ja, mein Junge.“, sagte Saron freundlich zu dem Teenager, dessen Bild jetzt auch er sehen konnte. „Sie wird im Thronsaal sein. Ich stelle dich durch.“
Talan wollte noch etwas fragen, aber bevor er dies tun konnte, erklang schon die Hymne der Föderation als Wartemusik. „Hast du das auch gehört, Ausbilderin?“, flüsterte Talan verwirrten Ausdrucks im Gesicht seiner Lehrerin zu. „Hat er gerade wirklich Thronsaal gesagt?“ „Das hat er, Talan.“, sagte Iranach. „Aber auch wenn dich das noch so sehr verwirrt und ängstigt, darfst du jetzt nicht weichen. Gerade jetzt müssen wir dranbleiben.“
Mehr konnte sie nicht sagen, denn die Wartemusik war verstummt und auch das Bild hatte sich erneut verändert. Die beiden Vendar sahen jetzt das Bild eines großen Saals vor sich. In seiner Mitte stand ein goldener Thron, der mit allerlei Ornamenten verziert war. Talan erinnerte dieser Thron sehr an den von Logar oder Sytania. Die Ornamente waren nämlich allesamt imperianisch. Der Bezug des Throns schien aus mit Goldfäden durchwebtem Samt zu bestehen. Die Wände und die Decke des Saals waren mit Malereien geschmückt, die neben Blumenmotiven auch Sytanias Wappen zeigten, wie der kundige Vendar sofort erkannt hatte. Es handelte sich um das Bildnis zweier geflügelter Schlangen, die zwei geflügelte Löwen umschlungen hatten und die ihre gut sichtbaren grünen Giftzähne in deren Hälse versenkt hatten. Talan kam allerdings etwas daran sehr seltsam vor. In Sytanias eigentlichem Wappen war es nur eine Schlange, die es gleich mit zwei Löwen aufnahm. Wer also war hier mit der zweiten Schlange gemeint? Den Drudenfuß, der Sytanias Wappen außerdem noch zierte und der auch ihr Feldzeichen in der Schlacht war, hatte der junge Vendar ebenfalls erkannt. Er war auf allen Möbeln zu sehen, die sich sonst noch im Saal befanden. Dort gab es nämlich auch noch einen kleinen Audienztisch, an dessen Kopfseite außerdem eine imperianische Krone eingeschnitzt war. Dies ließ keinen Zweifel daran aufkommen, wem dieser Platz gehörte. Auf diesem ovalen braunen Tischchen, das von vier schweren ebenfalls mit weißem Samt bezogenen Stühlen gesäumt war, stand eine Konsole mit einem Sprechgerät. Vor diesem, auf dem Platz, der sich links neben dem mit der Krone befand, saß Nugura und lächelte ihn an: „Hallo, mein Junge! Mein Sekretär hat mich bereits informiert. Du musst ein sehr guter Schüler sein, wenn dir deine Lehrerin bereits eine selbstständige diplomatische Mission erlaubt. Was ist denn nun dein Begehr, hm?“ „Bitte helft uns, Nugura El Fedaria!“, sagte Talan, der ja bekanntlich jedes Staatsoberhaupt so ansprach, als handle es sich um einen König oder eine Königin. Für einen Vendar war das ohnehin ein ganz normales Verhalten. „Logar und Sytania haben mittels ihrer geistigen Kräfte ihre Schlösser in die Luft erhoben. Das bedarf sehr viel mentaler Energie. Wenn diese nachlässt, werden die Schlösser mit allem, was sich darin befindet, zu Boden fallen und es gibt Tote und Verletzte! Das bedeutet für uns Vendar, wir müssen immer neue Energie besorgen, damit die Quelle nicht versiegt. Unsere Gebieter können das auf die Dauer nicht ohne unsere Hilfe durchhalten. Wir würden Euren Völkern nie etwas tun, aber Sytanias Vendar sind skrupellos! Sie würden auch Eure Leute angreifen!“
Nugura gab einen beruhigenden Laut von sich und nahm das Mikrofon aus der Halterung. Da es drahtlos war, konnte sie damit auch zum Fenster gehen. Dann hielt sie es bei gedrückter Sendetaste kurz hinaus, so dass Talan die Umgebung sehen konnte und sagte, als sie es wieder an den Mund genommen hatte: „Du wirst sehen, Junge, dass unser Schloss immer noch mit allen vier Wänden auf dem Boden steht. So etwas Gefährliches würde meine geliebte Sytania ihren Untertanen nie antun. Niemals würde sie das! Auch nicht, um sich mit Ihrem Vater im Machtkampf zu messen. Dafür seid ihr uns alle viel zu lieb und teuer. Überprüft doch mal eure Technik. Vielleicht seid ihr ja nur auf eine Spiegelung hereingefallen.“ Das Gespräch endete.
Erneut sah Talan Iranach fragend an: „Was war das, Ausbilderin?“ „Ich weiß es nicht.“, sagte die Vendar und entschied dann: „Aber in einem hat Nugura Recht. Wir werden in der Tat etwas überprüfen. Sag unseren Technikern, sie sollen eine zweite Sonde startklar machen. Die schicken wir zur Quelle dieses Rufzeichens. Ich wüsste zu gern, was sich dahinter verbirgt. Du, Talan, wirst das zweite Rufzeichen ansprechen und die dortige Nugura mit dem konfrontieren, was wir hier erfahren haben. Mal sehen, wie sie darauf reagiert!“ „Zu Befehl, Ausbilderin!“, sagte Talan schmissig und nickte. Gegenüber ihr hatte er ja noch immer den Status eines Untergebenen und er war heilfroh, dass sie ihm diese Entscheidung abgenommen und ihn somit aus seiner Verwirrung geführt hatte.
Kapitel 13: Verwunderliche Ergebnisse
von Visitor
Nugura und ihr Sekretär waren inzwischen auch wieder in ihren Büros auf der Regierungsbasis eingetroffen. Sofort hatte Nugura das Büro Sarons aufgesucht, was dem Sekretär zunächst etwas seltsam erschien. Sie hatte ihm zwar gesagt, sie wolle mit ihm reden, aber im Normalfall bedeutete das, dass er zu ihr kommen musste. Deshalb mutete es für den Demetaner noch umso merkwürdiger an. Er beschloss jedoch, keine unnötigen Fragen zu stellen, sondern die Situation einfach auf sich zukommen zu lassen.
Die Präsidentin setzte sich zu ihm. Dann sagte sie: „Ich muss Ihnen ein großes Lob aussprechen, Mr. Saron. Deshalb bin ich auch zu Ihnen gekommen und habe Sie nicht zu mir zitiert. Mit Ihrer Aktion haben Sie Benevidea wahrscheinlich das Leben gerettet. Das beweist viel politischen Weitblick Ihrerseits. Es wird es Time sehr erleichtern, mit ihren Verwandten zu verhandeln und meine offizielle Entschuldigung zu übermitteln. Aber woher hatten Sie eigentlich so schnell die richtigen Informationen? Woher wussten Sie so genau, was zu tun war. Soweit mir bekannt ist, reiten Sie in Ihrer Freizeit nicht und haben auch sonst nicht viel mit Pferdeartigen zu tun gehabt in Ihrem Leben.“ „Ach, Sea Federana, wenn man viel liest, dann ist es ein Leichtes, an solche Informationen zu kommen. Außerdem denke ich, dass Ihnen aufgefallen sein sollte, dass ich immer viel Urlaub beantrage, wenn es Sommer auf der Erde in dem Gebiet wird, in welchem Little Federation liegt. Scientist Cupernica veranstaltet dann nämlich immer einen Kurs für Erste Hilfe, in dem es um alle möglichen Spezies geht. Dazu melde ich mich jedes Jahr wieder an. Man kann ja nie wissen, wozu es gebraucht wird. An die Politik habe ich während meiner Aktion aber weniger gedacht. Ich sah einfach nur ein Wesen in Not.“ „So einer sind Sie also.“, lächelte Nugura. „Immer fleißig und immer arbeitsam und bestrebt, immer zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Dabei sollen Sie sich während Ihres Urlaubs doch erholen!“ „Oh das ist Erholung für mich, Präsidentin.“, erklärte Saron und lächelte erneut. „Es macht mir Spaß zu lernen und wenn ich mich dabei noch verdient machen kann, ist das noch besser.“ „Ach, Sie haben schon interessante Sichtweisen zu manchen Dingen, Mr. Saron.“, lächelte Nugura.
Sarons Gesicht wurde plötzlich wieder todernst. „Wie werden Sie eigentlich mit Mr. Barnaby umgehen, Präsidentin? Nach dem, was er Benevidea angetan hat und nach seinem Verhalten nach dieser Tat, können Sie ihn ja meiner Meinung nach nicht mehr in der verantwortungsvollen Position Ihres Chefleibwächters beschäftigen. Ich weiß, es steht mir nicht zu, so über eine Situation zu urteilen. Ich bin nur Ihr Sekretär. Ich bin für die Abwicklung Ihrer Termine und Ihrer Post zuständig. Aber …“ „Sie sind aber ganz insgeheim der beste Berater, den ich je hatte und je haben werde, Saron!“, fiel sie ihm energisch ins Wort. „Mit Ihren Fähigkeiten kommt kein Offizieller mit! Die sind alle viel zu glatt, Mr. Saron. Sie sind viel näher an der Basis und vielleicht auch, weil Sie ebenso nah an mir sind, trauen Sie sich manche Spitze, die sich keiner meiner offiziellen Berater trauen würde! Was würden Sie an meiner Stelle mit Mr. Barnaby tun?“ „Ich würde ihn entlassen, Präsidentin.“, sagte Saron leise. „In seinem Zustand ist er meines Erachtens viel zu gefährlich.“ „Zwei Seelen, ein Gedanke, Mr. Saron.“, sagte Nugura anerkennend. „Sie haben schon die richtige Sicht auf die Dinge und deshalb vertraue ich Ihnen ja auch so sehr. Genau das werde ich tun müssen und jemand anderes wird an seine Stelle rücken. Ich frage mich nur, woher er plötzlich dieses Lasso hatte. Er muss es ständig bei sich getragen haben. Wahrscheinlich war es von Anfang an seine Absicht, irgendwann einmal ein Einhorn zu verletzen, um mir zu beweisen, dass er mich auch vor den Mächtigsten schützen kann. Aber das habe ich nie verlangt! Ich habe mich niemals von den Einhörnern bedroht gefühlt. Das war alles nur in seinem Kopf. Hätte ich das vorher geahnt, dann hätte ich …“ „Wir können es nicht mehr rückgängig machen, Sea Federana.“, sagte Saron ihr ins Wort fallend, was sonst eigentlich nicht seine Art war. „Wir können nur noch den Schaden begrenzen. Hoffentlich kann Times Ärztin die arme kleine Benevidea heilen. Das würde seine Position in jedem Fall schon sehr verbessern.“ „Das würde es, Mr. Saron.“, erwiderte Nugura. „Das würde es auf jeden Fall.“
Das Sprechgerät hatte zu piepen begonnen und somit ihrer Unterhaltung ein abruptes Ende gesetzt. Saron hatte sich ihm sofort zugewandt und das Rufzeichen der vendarischen Garnison, die Logar gehörte, erkannt. „Was hat das zu bedeuten?“, wunderte er sich halblaut. „Warum will Iranach mit uns persönlich Kontakt aufnehmen? Steht ihr dieses Recht überhaupt zu?“ „Nun, wir werden nie herausfinden, was der Grund für ihren Ruf ist, wenn Sie das Gespräch nicht annehmen, Mr. Saron.“, sagte Nugura und zwinkerte ihm aufmunternd zu. „Wie Sie wünschen, Präsidentin.“, sagte der Sekretär, nahm das Mikrofon in die rechte Hand und drückte die Sendetaste. Dann sagte er: „Büro der Präsidentin der Föderation der vereinten Planeten, Sie sprechen mit Sekretär Saron.“ „Ich grüße dich zum zweiten Male, Saron El Demeta.“, kam es zurück. „Ich bin Talan, ein Schüler der Iranach, der Obersten Vendar und Vertrauten des Logar El Imperia. Ich muss dringend mit deiner Präsidentin sprechen! …“
Er stutzte plötzlich, was Saron nicht entgangen war. Ganz Demetaner hatte er sich sofort in seinem Verständnis angesprochen gefühlt. Seine Instinkte hatten ihm verraten, dass er diesem Jungen unbedingt helfen musste und das würde er jetzt auch tun. „Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte er. „Wie man es nimmt, Saron El Demeta.“, sagte Talan, der sich aus ihm selbst noch unerfindlichen Gründen bei Saron sehr sicher und gut aufgehoben fühlte. „Bitte sag mir doch, wo sich deine Präsidentin befindet. Ist sie noch im Thronsaal?“ „Im Thronsaal?“, fragte Saron irritiert zurück. „In welchem Thronsaal sollte sie denn sein? Meinst du etwa den Plenarsaal unseres Parlaments? Ich weiß ja, dass du aus einer völlig anderen Herrschaftsstruktur kommst und es dir deshalb oft schwerfällt, demokratische Zusammenhänge zu erfassen. Aber gemeinsam werden wir das hier schon hinbekommen. Sag mir doch bitte einfach erst einmal, was dich so verwirrt hat. Du machst nämlich einen Eindruck, als wärst du völlig durcheinander, mein Junge.“ „Also gut.“, sagte Talan. „Aber bevor ich beginne, Saron El Demeta, möchte ich gern von dir wissen, ob du dir vorstellen kannst, dass sich deine Präsidentin und Sytania ineinander verliebt haben könnten.“
Saron hatte sehr wohl mitbekommen, wie schwer der letzte Satz dem Vendar-Teenager über die Lippen gekommen war. Offensichtlich ahnte Talan bereits, dass dies nicht gut ankommen könnte. Umso überraschter war er, als Saron ein freundliches Gesicht machte und sagte: „Aber nein, Talan. Da kann ich dich beruhigen. Präsidentin Nugura ist verheiratet und zwar mit einem Mann. Sie hat noch nie eine Beziehung mit einer Frau gehabt, soweit mir bekannt ist. Ich bin ihr Sekretär. Ich wüsste so etwas. Darauf kannst du dich verlassen. Außerdem würde sie schon gar nichts mit Sytania, unserer Erzfeindin, anfangen. Jeder weiß doch, wie das enden würde. Unsere Wissenschaftler sind sich alle darin einig, dass Sytania nicht in der Lage sein dürfte, Liebe zu empfinden. Das weiß auch Nugura. Wenn sie sich mit jemandem zusammentäte, dann täte sie das nur aus kalter Berechnung und nur so lange, wie es ihr selbst einen Vorteil brächte. Nugura weiß das auch. Da musst du wirklich keine Angst haben. Sie würde auf keinen Fall auf einen Liebesschwur von Sytania hereinfallen. Da hat sich wohl jemand einen bösen Scherz mit dir erlaubt. Jemand, dem es offenbar Spaß macht, arme kleine Vendar-Jungen zu erschrecken. Aber erzähl doch mal von Anfang an. Deine Andeutung mit dem Thronsaal und der Liebe zu Sytania macht uns nämlich neugierig. Nugura ist übrigens gerade bei mir und könnte uns zuhören, wenn du kein Problem damit hast.“ „Das habe ich in der Tat nicht, Saron El Demeta.“, sagte Talan, der jetzt sicher war, dass ihm niemand seine Worte übelnehmen würde.
Saron schaltete das Sprechgerät auf Lautsprecher. Dann sagte er: „So, Talan. Jetzt können wir uns alle gegenseitig hören. Also. Nun noch mal ganz von vorn. Was hast du gesehen, als du das erste Mal mit uns gesprochen haben willst.“ „Ich sah ein kleines Büro so wie deines.“, begann der junge Vendar. „Aber dann sagtest du mir, die Präsidentin befände sich im Thronsaal. Dann hast du mich zu ihr durchgestellt. Das Bild hat sich verändert. Sie schien wirklich in einem Thronsaal zu sein. Die Decke war sehr hoch. Das konnte ich sehen. Der Saal sah aus wie der in Sytanias Schloss. Da war ihr Thron in der Mitte und darauf waren aber zwei Plätze. An den Wänden war Sytanias Wappen. Aber es bestand aus zwei geflügelten Schlangen, die gerade dabei waren, zwei geflügelte Löwen zu töten. Normalerweise ist es doch nur eine Schlange, die es gleich mit zwei Löwen aufnehmen will, oder irre ich mich da? Ach, ich bin ganz durcheinander!“ „Das ist alles nicht so schlimm.“, tröstete Saron. „Du machst das ganz toll. Ich kann dir bisher sehr gut folgen. Du hast Recht. Normalerweise gibt es nur eine Schlange. Aber lassen wir das mal dahingestellt. Erzähl mir mehr! Ich höre dir zu. Was war da noch? Kannst du mir noch mehr von dem Raum beschreiben?“ „In der Tat.“, sagte Talan. „In einer Ecke gab es einen Audienztisch. An dessen Kopfseite war eine Krone eingelassen. Auf einem Platz daneben saß Nugura vor einem Sprechgerät. Dort hat sie auch das Gespräch entgegengenommen. Ich sagte ihr, dass Logar und Sytania sich ein Muskelspiel ihrer Macht liefern, indem sie ihre Schlösser mittels ihrer geistigen Fähigkeiten mit allem, was sich darum herum und darin befindet, in die Lüfte erhoben haben und sie dort belassen. Das ist aber sehr gefährlich, weil es sie sehr viel Energie kostet und sie in ihrer Konzentration nie nachlassen dürfen. Sonst stürzen die Schlösser sofort wieder ab und es gibt Tote und Verletzte. Damit ihre Energie nicht versiegt, müssen wir Vendar noch mehr Telepathen jagen, um von ihnen Energie zu erbeuten. Wir, Logars Vendar, würden niemals Energie von denen nehmen, die sie uns nicht freiwillig geben, aber Sytanias Vendar sind skrupellos! Sie würden auch eure Völker überfallen und sobald die sich mittels ihrer eigenen Kräfte wehren würden, würde die Energie ja automatisch zu dem Vendar fließen, der angreift. Das bedeutet, der arme Telepath würde sofort ausgesaugt. Ich denke, daher kommt auch die Legende, dass ein Vendar einen Telepathen sofort aussaugt, wenn dieser freiwillig Kontakt mit ihm aufnimmt. Aber …“
Er hatte mitten im Satz die Sendetaste losgelassen, was für Saron ein eindeutiges Zeichen war, dass er sich dessen Hilfe doch sehr wünschte. Offenbar war die ganze Situation dem Jugendlichen über den Kopf gewachsen und seine Ausbilderin hatte das wohl auch nicht ändern können. Deshalb übernahm der Sekretär jetzt wieder die Kontrolle über das Gespräch und gab einen beruhigenden Laut von sich, nachdem er seinerseits die Sendetaste gedrückt hatte. Dann sagte er: „Ist ja gut, mein Junge. Wir finden es ganz mutig von dir, dass du uns gewarnt hast. Aber jetzt sag mir doch noch, wie du darauf kommst, dass sich Nugura in Sytania verliebt hat.“ „Sie hat es selbst gesagt, Saron El Demeta.“, sagte Talan. „Deine Vorgesetzte hat es selbst gesagt. Sie sagte, ihre geliebte Sytania würde so etwas ihren Untertanen nie antun! Aber wir beide wissen es doch besser, Saron El Demeta, nicht wahr? Wir beide wissen doch, zu was für Taten Sytania in der Lage ist, wenn es ihr hilft. Wir wissen doch beide, dass sie über Leichen gehen würde!“ „Das stimmt.“, sagte Saron. „Das würde sie definitiv. Was für einen Eindruck hat meine Vorgesetzte auf dich gemacht, Talan? War sie in deinen Augen souverän?“ „Nein, Saron El Demeta.“, sagte Talan, der inzwischen durch seine Verzweiflung den Tränen nah war. Sicher war es für einen Vendar eigentlich unschicklich, seine Verzweiflung und damit seine Verwundbarkeit offenzulegen, aber er wusste, Saron war ein Freund und er konnte keine seelische Wunde heilen, von der er nichts wusste. Talan wusste, dass es dem Demetaner durch seine Worte und seine Art längst gelungen war, zu weit in seine verängstigte Seele vorzudringen. Jetzt abzublocken würde nichts mehr bringen. Deshalb sagte er: „Nein, Saron El Demeta. Wenn ich ehrlich sein darf, dann kam sie mir eher vor wie ein naiver gerade zum ersten Mal frisch verliebter Teenager. Ich muss das ja wissen. Ich bin ja selbst gerade in dem Alter. Ich bin zwar kein Mädchen, aber …“ „Na gut.“, sagte Saron. „Fassen wir also zusammen. Die Nugura, mit der du gesprochen hast, lebt in einem Schloss, ist total naiv und noch dazu ist sie in Sytania verliebt und kann ihre wahren Absichten nicht erkennen, weil ihre rosarote Brille ihr total den Blick für das Wesentliche verstellt. Könnte man das in etwa so sagen?“ Talan nickte nur stumm bei gedrückter Sendetaste. „Wir werden uns darum kümmern.“, versprach Saron. „Die Sternenflotte hat gute Forschungsschiffe. Die kriegen schon raus, was hier los ist! Verlass dich auf uns.“
Auf ihren Fingerzeig hielt er das Mikrofon in Nuguras Richtung, die nur lächelnd in die darin eingebaute Kamera nickte. „Ich danke dir für deinen Trost, Saron El Demeta.“, sagte der Novize und beendete die Verbindung. Auch Saron hängte sein Mikrofon wieder ein.
Nugura wandte sich ihm zu und klatschte in die Hände. „Das war wundervoll, Mr. Saron!“, sagte sie. „Sie können besser Leute beruhigen, als es mein Pressesprecher je vermocht hat. Aber nun mal zu dem Thema an sich. Haben wir schon einen Bericht von Kissara und den Tindaranern? Die sollten doch zusammenarbeiten, um die Sache mit der mysteriösen Paralleldimension zu erforschen.“ „Leider noch nicht, Präsidentin.“, sagte Saron. Aber der wird ja hoffentlich bald kommen.“ „Das hoffe ich inständig.“, sagte Nugura. „Es gefällt mir nämlich gar nicht, so lange im Dunkeln zu tappen.“ „Mir auch nicht.“, sagte Saron und machte ein beschwichtigendes Gesicht. „Aber wir wollen ja schließlich vernünftige Daten und keine Halbwahrheiten, die uns eventuell auf völlig falsche Fährten locken. Damit wäre ja schließlich auch niemandem geholfen. Am wenigsten wohl Allrounder Scott und Commander Data, deren Verbleib ja immer noch nicht vollständig geklärt ist.“ „Da haben Sie wohl Recht, Mr. Saron.“, sagte Nugura und legte demonstrativ die Hände in ihren Schoß. „Üben wir uns also in Geduld.“ Dann stand sie auf und verließ das Büro durch die Zwischentür, um wieder in ihr eigenes zu gelangen. Auch Saron ging wieder seiner normalen Arbeit nach. Zumindest versuchte er es, denn die Ereignisse, die gerade passiert waren, ließen ihn nicht in Ruhe. Er hatte Talan gegenüber zwar behauptet, es hätte sich um einen üblen Scherz eines Schelms gehandelt, aber er und Nugura wussten viel zu genau, dass dies nicht stimmte. Daher beschloss er, nicht auf die Berichte der Tindaraner zu warten, sondern selbst zu tun, was er tun konnte, um die Sache zu bestätigen.
Er gab also das eigene dienstliche Rufzeichen in den Rechner ein, vergaß aber nicht, sich vorher am interdimensionalen Relais der Föderation anzumelden. Sonst hätte er bestimmt eine Fehlermeldung bekommen. Eine solche Meldung erwartete Saron auch jetzt und war sehr verdutzt, als ihm stattdessen das eigene Gesicht auf dem Schirm entgegenlächelte.
Er schaltete den Rechner auf Standbild und ließ dies dann auch noch vergrößern. Die Beschreibung, die ihm Talan von dem Büro gegeben hatte, deckte sich zu 100 % mit dem, was er hier sah. Wenn das schon so war, dann würde sich das bestimmt mit dem Thronsaal, von dem der Novize gesprochen hatte, nicht viel anders verhalten. Auch den dürfte es bestimmt geben. Dessen war der Sekretär sicher. Alle Indizien sprachen also dafür, dass Talan die Wahrheit gesagt hatte.
Er beendete die Verbindung mit Hilfe einer fadenscheinigen Ausrede über falsche Rufzeichen und falsche Zuordnungen im Speicher seines Adressbuches und war heilfroh, dass sein Gegenüber ihm diese Ausreden abnahm. Dann ging er hinüber in Nuguras Büro, um ihr von seinen Forschungen zu berichten.
Nugura saß an ihrem Schreibtisch und bekam nicht wirklich mit, dass er sich ihr näherte. Sie reagierte erst auf ihn, als er sie ansprach: „Präsidentin, ich muss Ihnen etwas sagen.“ „Worum geht es denn, Mr. Saron?“, fragte Nugura. „Es geht um das andere Rufzeichen, von dem Talan gesprochen hat.“, sagte der Sekretär. „Ich muss Ihnen gestehen, dass ich es gerade ausprobiert habe. Es existiert tatsächlich. Das war vielleicht eine seltsame Erfahrung, als ich mir plötzlich selbst ins Gesicht blickte.“ „So, so.“, scherzte Nugura, um seine etwas angespannte Stimmung wieder aufzulockern. „Sie haben sich morgens also noch nie im Spiegel betrachtet?“ Saron musste grinsen. „Doch, Präsidentin.“, sagte er. „Aber mein Spiegelbild hat kein Eigenleben und versucht auch nicht mit mir zu kommunizieren. Der andere Saron hat sich gemeldet wie ich. Ich könnte mir vorstellen, dass er auch genauso gut darin ist, anderen Leuten ihre Scheu zu nehmen. Wenn er das bei mir erreicht hätte und ich ihm gesagt hätte, warum ich ihn wirklich gerufen habe, dann hätte er das sicher nicht geglaubt. Wenn ich keine Beweise, oder zumindest die Indizien von Talan gehabt hätte, dann hätte ich es ja selbst nicht geglaubt.“ „Und das Büro, das Sie gesehen haben, sieht ganz genau aus wie das Ihre?“, wollte Nugura wissen. „Ja, Sea Federana.“, nickte Saron. „Deshalb gehe ich auch davon aus, dass es diesen Thronsaal geben könnte, von dem der kleine Vendar gesprochen hat. Mir ist nur keine Ausrede eingefallen, warum ich oder Sie Ihr Gegenstück sprechen wollen. Ich war zu perplex.“ „Ist schon in Ordnung, Mr. Saron.“, sagte Nugura. „Wir werden es zunächst hierbei bewenden lassen. Warten wir ab, was die Tindaraner dazu sagen. Sie kennen sich mit interdimensionaler Forschung am besten aus von all unseren Verbündeten, wenn man einmal von den Aldanern absieht, die uns ja ohnehin einige tausend Jahre voraus sind, wenn ich mich nicht irre. Vielleicht hat ja auch Commander Kissara bald Daten für uns. Sie hat ja den persönlichen und direkten Befehl von mir erhalten, mit den Tindaranern zusammenzuarbeiten. Ich denke, diese Zusammenarbeit dürfte bald Früchte tragen.“ „Ich weiß, es steht mir sicher eigentlich nicht zu, Ihre Entscheidungen infrage zu stellen, Präsidentin. Aber wäre es nicht besser gewesen, Sie hätten die Missionen genau andersherum verteilt? Ich meine, Commander Kissara ist Allrounder Scotts Vorgesetzte und als solche sicher befangen. Vielleicht urteilt sie in mancher Situation nicht objektiv genug, weil sie Scott zu gern befreien will. Wer weiß, welchen Schaden sie dadurch in der fremden Dimension anrichten könnte. Dass Scott und Data offensichtlich die Dimension verlassen haben, haben wir alle gesehen und die Aussage von Shimar hat das ja auch bestätigt. Aber trotzdem …“ „Commander Kissara ist eine ausgebildete Offizierin der Sternenflotte!“, fiel Nugura ihm ins Wort und würgte seine Ausführungen so unsanft ab. „Sie wird sich schon objektiv verhalten. Davon gehe ich aus. Scott mag zwar Kissaras Untergebene sein, aber Kissara weiß auch, dass sie keine verhätschelte Zivilistin ist, sondern die gleiche Ausbildung wie sie genossen hat. Zumindest in Grundzügen. Natürlich kann man die Ausbildung eines Commanders fachlich nicht mit der eines Allrounders vergleichen. Da hinkt mein Beispiel. Das räume ich ein. Aber Sie wissen doch genau, was ich damit sagen möchte, oder, Mr. Saron?“ „Natürlich ist mir das klar, Präsidentin.“, sagte Saron und schaute sie beschwichtigend an. „Außerdem hat sie, ich meine Scott, Commander Data an ihrer Seite. Einen objektiveren Mitgefangenen kann sie sich doch gar nicht wünschen und das wird Kissara auch wissen. Wir alle können uns also denken, dass sich die Schäden an der Gesellschaft in Grenzen halten werden, wenn sie überhaupt auftreten.“, ergänzte er. „Genau das wollte ich gerade sagen.“, sagte Nugura. „Sie sehen also, die Situation ist nicht so gravierend und Kissara kann sich getrost Zeit nehmen, um ihre Aktionen genau zu planen. Sie hat genug Zeit, um sich beispielsweise mit Commander Zirell abzusprechen, was sie sicher tun wird, wie ich sie kenne. Sicher ist die Granger bereits auf dem Weg nach Tindara.“ „Das kann ich mir auch gut vorstellen.“, sagte Saron. „Und jetzt ergibt alles für mich einen Sinn. Bitte verzeihen Sie, dass ich Ihre Entscheidung angezweifelt habe, Präsidentin. Jetzt denke ich aber, es war alles richtig so. Ich habe auch keinen Zweifel daran, dass Time seine Mission bezüglich der Einhörner hinbekommt. Er wird vielleicht etwas improvisieren müssen, aber darin sind er und seine Leute ja besonders gut und sind es auch immer gewesen.“ „Ganz recht.“, sagte Nugura. „Wir können froh sein, dass wir Time und Kissara genau auf den Positionen haben, auf denen sie jetzt sind. Aber eine Sache finde ich sehr merkwürdig. Der Kleine sagte, mein Gegenstück führt eine Beziehung mit Sytania? Dem sollten wir auf jeden Fall nachgehen. Teilen Sie Kissara das mit!“ „Ja, Präsidentin.“, nickte Saron und verließ ihr Büro erneut, um in seinem das Sprechgerät zu benutzen, um ihre Anweisung per SITCH-Mail an die Granger auszuführen.
Mit Ach und Krach hatte die Granger den Flug in die tindaranische Dimension geschafft. Das hatte Kissara nicht zuletzt Techniker Jannings zu verdanken, der den Antrieb entsprechend konfiguriert hatte. Der Terraner hatte aus irgendeinem Grund genau die Updates in den Rechner geladen, die notwendig geworden waren, als es die große Ladungsverschiebung in den Dimensionen gegeben hatte. Seine fachlichen Instinkte hatten ihm gesagt, dass es jetzt wieder genauso war, denn der Antrieb des Schiffes hatte sich auch genauso verhalten. Es war einfach unmöglich gewesen, ein stabiles interdimensionales Feld aufzubauen und das Schiff war sozusagen zwischen den Zuständen innerhalb und außerhalb der Phase, wie es in der Fachsprache hieß, hin- und hergewechselt. Erst nachdem Jannings das Profil verändert hatte, war es Ribanna gelungen, den interdimensionalen Antrieb korrekt zu aktivieren. Das war eine Situation, die allen zudenken gegeben hatte.
Nun aber waren sie angekommen und befanden sich auf dem Weg zu Zirells Station. Während des Fluges befassten sich Mikel und Kissara allerdings auch mit der SITCH-Mail von Saron. „Ich finde das sehr merkwürdig, Kissara.“, bemerkte der Erste Offizier. „Nugura soll eine Beziehung mit ihrer ärgsten Feindin führen und dabei noch total naiv sein? Ich habe zwar schon viel gehört, aber das geht mir nun ehrlich gesagt etwas weit.“ „Unter normalen Umständen würde ich Ihnen zustimmen, Mikel.“, sagte Kissara. „Wir dürfen aber nicht außer Acht lassen, dass sich die Umstände anscheinend verändert haben. Sie sind nicht mehr normal, wie Ihnen die Sache mit dem Antrieb verdeutlicht haben dürfte. Ich kann mir zwar nicht erklären, wo die plötzliche Ladungsverschiebung herkommen soll, aber vielleicht finden wir ja gemeinsam mit den Tindaranern eine Erklärung dafür. Sie haben schließlich auch Techniker McKnight, die dafür bekannt ist, extrem gut um die Ecke denken zu können. Ihre Theorien haben sich schon sehr oft als richtig erwiesen.“ „Das stimmt, Kissara.“, erwiderte der Erste Offizier und lehnte sich demonstrativ in seinem Sitz zurück.
Ribanna hatte ein Licht auf der Konsole für das Sprechgerät wahrgenommen. Gleichzeitig gab es ein Signal und im Display erschien das Rufzeichen von Zirells Basis. „Wir werden gerufen, Commander.“, meldete die junge Indianerin in Kissaras Richtung. „Es ist die Basis von Commander Zirell. Augenscheinlich wird es der Rechner sein. Ich sehe nämlich kein Unterrufzeichen.“, „Vielen Dank für die Warnung, Ribanna.“, lächelte Kissara. „Aber ich habe nun wahrhaftig kein Problem damit, den Computer einer tindaranischen Basis wie eine Person auf Augenhöhe zu behandeln. Wenn ich dieses Problem hätte, dann wäre ich beileibe eine sehr miserable Sternenflottenoffizierin, die es nicht einmal auf die Reihe kriegt, andere Kulturen und ihre Rechtsprechung zu akzeptieren. Also stellen Sie schon durch!“
Kissaras Untergebene nickte und im nächsten Moment sah Kissara das Gesicht des Avatars vor sich auf dem Schirm. „Hallo, IDUSA.“, begrüßte sie den Rechner. „Wo ist deine Crew?“ „Sie sind alle im großen Konferenzraum.“, antwortete IDUSA. „Ich registrierte Ihre Ankunft. Deshalb habe ich Sie gerufen. Commander Zirell lässt ausrichten, dass Sie bereits erwartet werden.“ „Also gut, IDUSA.“, sagte die Thundarianerin. „Dann werden wir mal docken. Du hast doch hoffentlich noch einen schönen Platz an der Sonne für uns, oder?“ „Glücklicherweise hat Ms. O’Riley mich erst kürzlich mit den neuesten Floskeln und ihren Bedeutungen versorgt.“, sagte IDUSA. „Sonst würde ich Sie jetzt darauf hinweisen müssen, dass es nicht gut wäre, ihr Schiff direkt in der Nähe einer der beiden tindaranischen Sonnen zu docken. So aber sage ich nur: Bitte folgen Sie den Positionslichtern, Allrounder Ribanna.“
Kissara wandte sich kurz der Flugoffizierin zu: „Sie haben es gehört, Ribanna!“ Die Angesprochene nickte und tat, was Kissara ihr soeben indirekt befohlen hatte.
Die ältere Thundarianerin wendete sich wieder an den Rechner: „Du sagtest, deine Crew wäre im Konferenzraum. Das bedeutet, ihr habt bereits einige Daten gesammelt, nicht wahr?“ „Das ist korrekt, Commander.“, sagte der tindaranische Rechner. „Ich unterhalte eine Verbindung zu einer Sonde, welche die Dimension, in der sich Allrounder Scott und Commander Data befinden, beobachtet. Anscheinend dürfen wir ja sehen, was sie tun und ihre Umgebung studieren. Eingreifen können und dürfen wir vielleicht nicht. Die Beschaffenheit der Dimension weist darauf hin, dass sie eine Schöpfung Benevideas ist. Warum das junge Einhorn sie allerdings geschaffen hat, wissen wir noch nicht.“ „Noch nicht.“, wiederholte Kissara IDUSAs letzte zwei Worte. „Das scheint die entscheidende Information zu sein. Wenn wir die Situation besser verstehen, können wir vielleicht auch Schlüsse ziehen, die uns eine Erklärung dieser Einschränkung erlauben und wir können sie am besten kennen lernen, wenn wir sie länger beobachten. Ich bin sicher, Benevidea hat nicht in böser Absicht gehandelt. Als sie auftauchte, zeigte sie eher das Verhalten eines verängstigten Pferdes. Das kann ich nachvollziehen, da ihre Mutter ja schließlich eines ist. Aber ihre Angst muss einen Grund haben und der wird es auch sein, aus dem sie ihre Fantasie Realität werden lassen hat! Sag deinem Commander, sie soll uns alle erwarten!“ „Ich muss Sie korrigieren, Commander.“, sagte der Computer. Leider ist im Konferenzraum nur noch Platz für eine Abordnung aus zwei Personen. Sonst sehen nicht mehr alle alles. Vielleicht können Sie Ihren Ersten Offizier mitbringen.“ „In Ordnung.“, sagte Kissara und beendete die Verbindung. Dann drehte sie sich Mikel zu: „Kommen Sie, Agent. Wir sollten schon mal zum Transporterraum gehen. Es macht mich sehr neugierig, was ich gerade erfahren habe und ich möchte keines der interessanten Bilder verpassen. Sie wissen ja, dass ich neugierig wie eine terranische Katze bin. Ribanna, Sie haben die Brücke!“ Der deutsche Agent und der indianische Allrounder nickten und Mikel stand von seinem Platz auf, um Kissara von der Brücke zu folgen.
Kapitel 14: Befreiungsversuche
von Visitor
Data und ich waren in meinem Haus, oder zumindest in dem, was ich dafür hielt, angekommen. Dort hatte ich festgestellt, dass hier alles noch genauso war, wie ich es vor meinem Urlaub mit den Huxleys verlassen hatte. Unser erster Weg führte uns ins Wohnzimmer, wo ich mich zunächst an den Hausrechner setzte. Mir waren einige Dinge recht merkwürdig vorgekommen. Scotty hatte Elektra erwähnt. Aber das konnte doch nicht sein. Die Androiden hier hatten doch allerhöchstens Bezeichnungen oder Typennummern. Sie hatten doch keine Namen. Wer hatte Elektra also Elektra genannt? Außerdem musste ich klären, ob es in der Föderation Telepathen gab, oder ob sie politische Beziehungen mit Telepathen hatte. Vorstellen konnte ich es mir nicht, denn ich kannte Sytania als sehr eitel und besessen von ihren Träumen von absoluter Macht. So besessen, dass sie garantiert keine eventuelle Konkurrenz und sei sie auch noch so schwach, neben sich dulden würde. Schlimmer noch, sie würde bestimmt andere Telepathen zu Feinden der Föderation erklären und das nur, damit sie die einzige Telepathin in unserer Nähe blieb. Ich konnte nicht anders. Ich musste das auf der Stelle verifizieren.
Ich wandte mich also dem Computer zu: „Computer, gibt es telepathische Völker in der Föderation, oder hat sie telepathische Verbündete?“ „Negativ.“, kam es zurück. „Die Großartige Königin Sytania ist die einzige Telepathin in der Föderation. Sie hat alle bekannten Telepathen zu Staatsfeinden erklärt.“ „Na, das sieht ihr ähnlich.“, flüsterte ich und versuchte dabei, mich vom Mikrofon fortzudrehen, um ein Kommunikationsproblem zwischen dem Rechner und mir zu vermeiden. Dann aber drehte ich mich wieder zurück und fragte: „Seit wann sind alle Telepathen Feinde der Föderation?“ „Seit heute.“, sagte der Rechner. „Natürlich.“, sagte ich. „Diese Dimension ist erst einen Tag alt. Ich hätte es mir denken können.“
Uhrwerkgleiche männliche Schritte kamen durch die Tür. Allerdings maß ich ihnen kaum eine Bedeutung bei, denn mich beschäftigte immer noch die Sache mit Elektra. Wenn es jemanden außer mir gab, der oder die Androiden gern Namen gab, dann musste es sich vielleicht um Widerstandskämpfer handeln, die mit dem, was die so genannte Großartige Königin Sytania so verlangte, nicht ganz einverstanden waren. Aber Widerständler in der Sternenflotte, die noch dazu bisher unentdeckt geblieben waren? Konnte es das bei dieser Konstellation der Ereignisse überhaupt geben?
Ich beschloss also, der Sache auf den Grund zu gehen. Dazu wandte ich mich erneut dem Computer zu und fragte: „Computer, gibt es Widerstandsgruppen …“
Etwas hatte meinen Kopf gefasst und ihn sanft, aber bestimmt vom Mikrofon weggedreht. Dann bemerkte ich, wie auch meine Hände von zwei Ellenbogen an meinen Körper gedrückt wurden. Eine Hand hielt vorsichtig meinen Mund zu. Dann roch ich etwas sehr Bekanntes am Ärmel der Kleidung, die er trug. Etwas sehr Bekanntes, das mich sofort auf Scottys Kleidung schließen ließ. Aber er konnte nicht in der Kleidung stecken, denn er war erstens noch in der Firma und zweitens waren seine Reflexe nie so ausgeprägt gewesen. Es war nämlich alles sehr schnell gegangen. Dann sagte eine Stimme, die ich ebenfalls gut kannte und die all meine Theorien bestätigte: „Sie hatten doch nicht etwa vor, diese Eingabe so zu beenden, Allrounder! Es tut mir leid, aber in diesem Fall muss ich Sie wohl vor sich selbst schützen. Offen nach Widerstandsgruppen zu suchen, könnte von den Geheimdiensten dieser Dimension als Verrat ausgelegt werden. Wahrscheinlich werden alle Aktivitäten im Föderationsnetzwerk überwacht. Das würde zumindest zu einem absolutistischen Staat passen.“
Ich schluckte, holte tief Luft und gab dann erleichtert seinem Druck nach, mit dem er mich an die Lehne des Stuhls bewegt hatte. „Sie haben ja so Recht, Commander.“, sagte ich. „Darüber hatte ich nicht nachgedacht. Für mich ist unsere Situation nicht einfach. Wissen Sie, Sie könnten eigentlich mein Vorgesetzter sein und ich muss Sie, damit wir nicht auffallen, behandeln wie …“ „Wie eine Maschine!“, fiel mir Data bestimmt und etwas energischer ins Wort. „Mehr bin ich in dieser Gesellschaft einfach nicht. Das haben Sie erkannt und Ihr Verhalten dem angepasst. Nichts anderes wird von einer Offizierin der Sternenflotte in einer fremden Gesellschaft erwartet! Sie haben alles richtig gemacht, Allrounder! Alles! Nur weiter so! Ich hätte Sie tadeln müssen, wenn es nicht so wäre. Das hätte ich zwar erst dann tun können, wenn wir allein wären, aber dazu gibt es ja gar keinen Grund!“ „Das mag ja sein.“, sagte ich. „Aber ich will hier raus! Es ist doch auch die Pflicht eines Sternenflottenoffiziers, Fluchtwege zu suchen, wenn er oder sie in Gefangenschaft gerät, oder? Außerdem kann ich bald nicht mehr. Sie sind mein Freund und ich kann meine Gefühle nicht einfach abschalten. Vielleicht habe ich meine Rolle bisher recht gut gespielt, aber wenn es so weiter geht, dann falle ich bald aus derselben!“
Ich holte ein weiteres Mal tief Luft, um einen verzweifelten Seufzer abzugeben. Dann sagte ich: „Sie riechen übrigens nach Kleiderschrank. Nach Scottys Kleiderschrank. Haben Sie …“ „Ihre Schlussfolgerung ist korrekt.“, sagte Data. „Offenbar bin ich und meinesgleichen hier nicht berechtigt, eigene Entscheidungen zu treffen und als Commander der Sternenflotte dürfte und müsste ich das. Das passt nicht zusammen und deshalb ist es für mich wohl auch ungehörig, in dieser Gesellschaft in der Galauniform eines solchen Offiziers herumzulaufen. Ich habe mich nur meiner Situation angepasst. Sie können Ihrem Mann ja später sagen, Sie hätten mich wieder umgezogen.“ „OK.“, sagte ich. „Scotty wird es sicher lächerlich gefunden haben, dass ich sie ihm in Uniform präsentiert habe. Das war mir gar nicht aufgefallen.“ „Natürlich nicht.“, sagte Data. „Angesichts Ihrer Behinderung ist das auch ganz logisch. Für Sie sind Äußerlichkeiten nicht wichtig, da Sie nur zu deren eingeschränkter Wahrnehmung in der Lage sind. Dass Ihnen da etwas durch die Kontrolle rutscht, ist mir klar. Aber deshalb können wir ja zusammenarbeiten. Das sollten wir auch jetzt tun. Ich helfe Ihnen.“
Er bediente die Tasten des Computers. Das konnte ich an dessen Piepen sehr gut hören. Dann sagte er: Ich habe den Cursor an den Anfang gestellt. Dann habe ich das Wort Bajor und ein Verbindungszeichen davorgesetzt. So denkt jeder, Sie würden nach historischen Widerstandskämpfern suchen. Natürlich wird der Computer auch jeden anderen Eintrag zum Thema Bajor oder zum Thema Widerstand finden. Auch technische Begrifflichkeiten. Anhand Ihrer Eingabe kann Ihnen so niemand etwas nachweisen.“ „Pfui, Data! Was für ein fieser Anwaltstrick!“, entfuhr es mir, aber gleichzeitig musste ich grinsen. „Ironie, ah!“, stellte Data fest und ich fragte total perplex: „Wie haben Sie das erkannt?“ „Ihr Verhalten entsprach nicht dem Inhalt Ihrer Worte.“, sagte Data. „Sie haben sich widersprochen.“ „Hätten Sie wirklich gemeint, was Sie sagten, dann hätten Sie vorwurfsvoll geschaut und nicht gegrinst. Soweit haben Sie Ihre Gesichtsmuskulatur unter Kontrolle. Das ist mir bekannt. Der einzige Teil Ihres Gesichts, den Sie nicht kontrollieren können, sind Ihre Augen. Aber das ist logisch. Sie haben sie nie benutzt. Das Auftreten dieses Datenkonfliktes zwischen meiner Wahrnehmung Ihrer Worte und Ihres Verhaltens kann also nur Ironie bedeuten.“ „Interessante Herleitung.“, sagte ich.
Während unseres Gesprächs hatte der Computer seine Suche beendet. Die freundliche weibliche Stimme wies uns darauf hin, dass es Millionen von Einträgen zu den gesuchten Themen gab. Die genaue Zahl war so groß, Dass ich sie nicht mehr wiedergeben konnte. „Na dann viel Spaß.“, sagte ich bedient und legte demonstrativ die Hände in den Schoß. „Aber dafür haben Sie doch Ihr Hilfsmittel.“, erinnerte Data mich an seine Anwesenheit. „Wenn Sie mir ein Haftmodul replizieren würden, dann könnte ich die relevanten Informationen herunterladen. Meine Arbeitsgeschwindigkeit ist viel schneller, als Sie lesen oder zuhören können. Außerdem finde ich die Informationen schneller. Es handelt sich im Wesentlichen ohnehin um Zeitungsartikel über Verhaftungen von Widerständlern, die wir gebrauchen können. Alles andere ist unwichtig.“
Er hatte nur einige Sekunden auf den Bildschirm gesehen und das schon erkannt. Das hatte mir gereicht, um seine Argumente als richtig einzustufen. Ich ging also zum Replikator und kam seiner Bitte nach. Scotty oder andere würden keinen Verdacht hegen, denn ein Haftmodul allein machte noch kein Verbrechen. Es würde ja auch nötig sein, um meinem Hilfsmittel Updates zu ermöglichen. Wenn Scotty mich darauf ansprach, konnte ich dies immer vorbringen.
Die fortgeschrittene Tageszeit hatte mich unwillkürlich in Richtung der offenen Terrassentür lauschen lassen. „Caruso wird wohl heute Abend umsonst vor meiner Tür auf mich warten.“, sagte ich. „Und hier wird es wohl keinen Caruso geben.“ „Vielleicht irren Sie sich da.“, sagte Data. „Zumindest könnten Sie sich irren, was letzteres angeht. Caruso mag nicht mein Haustier sein können, weil Spot, aus deren Linie er stammt, nie mein Haustier war. Aber das bedeutet nicht, dass sie nicht das Haustier einer anderen Person gewesen sein kann. Sie kann deshalb trotzdem existiert haben. Sie hatte mit Sicherheit einen anderen Namen, aber die Tatsache, dass ich nicht ihr Besitzer sein konnte, schließt ja ihre Existenz nicht zwingend aus. Ich war ja nicht an ihrer Zeugung beteiligt.“ „Sicher nicht.“, lächelte ich.
Ich wandte mich erneut dem Computer zu und machte einige Eingaben, die mich über mein stationäres Sprechgerät mit dem Sternenflottenarchiv verbanden. Hier suchte ich meinen eigenen Bericht von meiner letzten Mission heraus und las ihn mir durch. Zu viele Ungereimtheiten hatte es gegeben, die ich mir nicht erklären konnte. Wenn wir keinen Kontakt zu Telepathen haben durften, dann hatten wir die Tindaraner auch nie kennen gelernt. Schließlich war es nur dazu gekommen, weil telepathische Spähtrupps der Tindaraner in einer unbekannten Dimension einen sehr lockeren Umgang mit der Sicherheit gegenüber Sytania festgestellt hatten. Zirell und ihre Leute waren damals dorthin geschickt worden, um die entsprechende Basis zu warnen. Dabei hatte ihr Team festgestellt, dass es sich bei der laschen Sicherheit nur um eine Falle handelte, die man Sytania gestellt hatte. Zirell hatte sich bei dem Commander der Station persönlich für ihr Dazwischenfunken entschuldigt und ihm seine und vor allem Jorans Zusammenarbeit angeboten. Dadurch wurde die Falle noch besser und Sytania tappte voll hinein. Der Commander der Station war niemand anders als Maron gewesen, der sich später absichtlich zum Agent degradieren ließ, um begeistert seinen neuen Job als Verbindungsoffizier auf Zirells Basis anzutreten. Da diese Föderation aber nie die Feindin Sytanias gewesen war, konnte sich die Geschichte wohl schlecht so zugetragen haben. Das bedeutete, ich hatte auch Lycira nicht, denn wenn wir die Tindaraner nicht kannten, dann kannten wir auch deren verschollene Schwestervölker nicht und somit hatte ich sie auch nicht erben können. Ich war ihr und ihrem saloranischen Piloten, der mir unter den Händen gestorben war, ja nie begegnet.
Mein eigener Bericht konnte allerdings einige dieser Lücken füllen. Ich war mit einem Shuttle der Granger geflogen und Scotty war mir mit einem Mietshuttle gefolgt. Zivile Shuttles wurden zwar gedrosselt, damit sie nicht über Warp eins hinauskamen, aber das war für meinen Mann, der ja ausgebildeter Ingenieur war, kein Problem. Es schien zwar auch unlogisch, dass diese Mission überhaupt stattgefunden hatte, aber ich hatte ja schon entdeckt, dass Benevidea teilweise die Dinge einfach so eingebaut hatte, wie sie es wollte. Als Mächtige konnte sie ja so etwas durchaus und musste nicht auf Logik und Naturgesetze Rücksicht nehmen. Aber warum hatte sie Data und mich hierhergebracht? Was sollten wir sehen?
„Allrounder?“ Ich war über Datas plötzliche Ansprache sehr erschrocken. So sehr sogar, dass ich zusammenfuhr. „Verzeihen Sie.“, entschuldigte er sich. „Sie schienen sehr in Ihren eigenen Bericht vertieft.“ „Das war ich auch.“, sagte ich. „Das ist echt merkwürdig. Hier steht, ich war Zeugin dessen, dass Sytania ihren Irrtum eingesehen hat und dann hat sie Nugura auf dem nächsten Gipfeltreffen den Frieden angeboten und ihre Liebe gestanden hat. So ein Schwachsinn, Commander. So ein ausgemachter Schwachsinn! Sytania und einsichtig! Da lachen ja die Hühner! Außerdem habe ich ein Problem. Wenn wir die Tindaraner in dieser Realität nie kennen gelernt haben, wie soll ich dann mein Ende der Schutzverbindung erklären? Was sage ich, wenn Loridana es findet? Sie wird mich ja bestimmt irgendwann einmal untersuchen und dann …“ „Ich verstehe Sie.“, sagte Data und legte mir beruhigend die Hand auf die rechte Schulter. „Dann müssen wir versuchen, so schnell wie möglich Kontakt mit unserer Heimat zu bekommen, damit Sie gar nicht erst in solche Schwierigkeiten geraten.“
Ich nickte und meldete mein Sprechgerät an das interdimensionale Relais der hiesigen Föderation an. Dann gab ich das Rufzeichen der Granger ein. Allerdings erhielt ich eine Fehlermeldung: „Ihr Befehl kann nicht ausgeführt werden. Es befindet sich eine Störung in der interdimensionalen Schicht, die in Richtung der von Ihnen angesteuerten Dimension nicht durchdrungen werden kann.“ „Benevidea scheint nicht zu wollen, dass wir nach Hause telefonieren.“, scherzte ich. „Aber wenn ich dem Computer gerade richtig zugehört habe, dann gilt das nur für Rufe in unser heimatliches Universum. Wollen doch mal sehen, ob ich in eine andere Dimension durchkomme.“
Langsam begann ich damit, Shimars dienstliches Rufzeichen, das ich auswendig konnte, in die Konsole einzugeben. Data aber erhob mahnend die Stimme: „Allrounder, an Ihrer Stelle würde ich diese Eingabe nicht bestätigen. Ihnen dürfte bekannt sein, dass die Tindaraner Telepathen sind und Sie somit als Verräterin enden könnten, wenn …“ „Daran glaube ich nicht, Commander!“, fiel ich ihm selbstbewusst ins Wort. „Die Tindaraner dürften dieser Föderation hier überhaupt nicht bekannt sein! Also werden sie gar nicht wissen, dass es sich um Telepathen handelt. Folge dessen können das auch weder das Relais, noch dieser Computer wissen! Ich wette mit Ihnen, wir werden anstandslos durchgestellt werden! Vertrauen Sie mir. Ich bin ausgebildete Kommunikationsoffizierin. Aber wenn Sie sichergehen wollen, kann ich das ja noch einmal überprüfen.“
Ich drehte mich von der Konsole fort und wieder dem Computermikrofon zu. Dann sagte ich: „Computer, ist der Föderation ein Volk Namens Tindaraner bekannt? Suche in allen Datenbanken!“ „Ihr Befehl wird ausgeführt.“, sagte der Rechner. „Die Ausführung wird voraussichtlich bis zu 20 Minuten dauern.“ „Na ja.“, sagte ich und lehnte mich entspannt zurück. „Er hat ja auch eine Menge Holz zu durchsuchen. Das kann schon mal dauern, wenn man die Suche nicht weiter einschränkt.“ „Mit einer Menge Holz meinen Sie eine Menge Daten, nicht wahr?“, vergewisserte sich Data. Ich nickte nur.
„Ihre Sprechweise hat sich seit der Ehe mit Scotty sehr verändert.“, bemerkte der Androide. „Sie ist lockerer geworden. Das ist recht positiv.“ „Danke, Commander.“, sagte ich. „Dennoch sollten Sie in Ihren Handlungen weiterhin die nötige Vorsicht walten lassen.“ „Schon gut.“, sagte ich. „Sie haben ja Recht. Die Situation mit den Tindaranern sollte ich wirklich überprüfen. Schließlich habe auch ich keine Lust, in dieser Dimension doch noch im Bau zu landen und schon gar nicht wegen Verrat!“ „Das ist sehr umsichtig von Ihnen gedacht, Betsy.“, sagte Data. „Jetzt handeln Sie wieder wie die Allrounder Scott, die ich kenne.“ „Tut mir leid.“, lächelte ich. „Ich kenne mich mit meinem neuen Ich wohl noch nicht so gut aus. Gut, dass Sie da sind und von Zeit zu Zeit auf die Bremse treten.“ „Das tue ich doch gern.“, sagte Data. „Denn auch Sie sind mir mittlerweile so etwas wie eine Freundin geworden. Auch wenn ich Freundschaft sicher nicht in dem Maße empfinden kann, wie es ein biologisches Wesen tut, aber …“ „Ich habe schon verstanden.“, lächelte ich. „Ich kann mir schon denken, was Freundschaft auf Androidisch bedeutet. Sie haben es ja einmal am Beispiel Ihrer Freundschaft zu Natascha Yar erklärt.“ Dann grinste ich ihn an.
Ich wollte mich gerade wieder dem Computer zuwenden, als ich erneut männliche Schritte aus Richtung der Terrasse wahrnahm. Sie waren lange nicht so urwerkgleich. Deshalb dachte ich mir bereits, dass sie nur von einem Menschen stammen konnten. Dies wurde mir auch bald durch eine sehr gut bekannte Stimme bestätigt, die sagte: „So, du Kuscheltier! Jetzt stelle ich dir die vor, an die du dich tatsächlich ranschmeißen musst!“ „Scotty!“, erkannte ich. „Aber was meint er damit?“ „Ich erkenne ihn ebenfalls.“, sagte Data, der sich sofort zur Terrassentür begeben und hinausgesehen hatte. „Ihr Mann ist aber nicht allein. Er trägt einen Katzenkorb.“ „Er trägt einen was?“, fragte ich ungläubig. „Ja.“, bekräftigte Data. „Und innerhalb des Korbes erkenne ich die Lebenszeichen eines kastrierten adulten Katers.“
Mein Mann betrat die Terrasse und stellte den Korb am Boden ab. Dann öffnete er vorsichtig eine kleine Klappe an der halbkugelförmigen weißen Höhle. So konnte Datas Blick auf eine rote Decke und den darauf liegenden schwarzen Kater fallen, der sich gemütlich zusammengerollt hatte. Für Katzen, deren Wirbelsäule ja bekanntlich sehr biegsam ist, war dies wohl eine sehr angenehme Stellung, wie ich aus eigener Erfahrung durch Mikosch sehr genau wusste. Auch das laute jetzt gut hörbare Schnurren des Katers unterstrich meine Vermutung.
„Darling!“, rief Scotty mir zu. „Sag deinem Hilfsmittel, es soll dich herführen!“ „Nicht nötig!“, gab ich zurück. „Der Kater schnurrt so laut, dass ich ihn gut hören kann. Ich finde euch schon.“ Dann sagte ich laut und deutlich zu Data, so dass es auch Scotty gut hören konnte: „Data, warten!“, und machte mich auf den Weg in die Richtung, aus der ich das Schnurren gehört hatte.
Es brauchte nur wenige Schritte und dann hatte ich den Korb erreicht. Sofort steckte ich meine rechte Hand durch die Klappe, die gerade groß genug war, dass sie hindurchpasste. Offensichtlich sollte die Klappe verhindern, dass die Katze entlaufen konnte. Das Streicheln oder das Füttern war durch sie hindurch aber durchaus möglich. Als ich den Kater berührte, hob er den Kopf und gab ein lautes aber freudiges: „Min-Mang!“, von sich, bevor er vergnügt weiter schnurrte. Ich begann unwillkürlich zu grinsen und dann entfuhr es mir: „Oh hallo, Miezeka, Ka, Caruso! Wie kommst du denn hier her? Hat es dich auch hier her verschlagen?“ „Wovon redest du bitte, Darling?“, fragte Scotty. „Aber Caruso passt irgendwie zu ihm. Ich habe schon seit Stunden überlegt, wie wir ihn nennen könnten. Aber eigentlich ist die letzte Entscheidung ja eh deine. Er gehört nämlich dir. Ich habe alles bereits mit dem Tierheim geregelt. Er ist mein Geschenk an dich, nachdem du mir auch so ein cooles gemacht hast. Irgendwie musste ich dagegen ja anstinken. Aber gut. Fragen wir ihn mal, ob er damit einverstanden is’.“
Damit beugte sich Scotty zu unserem bisher noch namenlosen Herrn Katze hinunter und fragte: „Sag mal, mein Kleiner, möchtest du Caruso heißen?“ Das Schnurren des Katers, das immer noch angedauert hatte, schwoll in seiner Lautstärke beträchtlich an. Darauf wandte sich mein Mann wieder an mich: „Na, Frau Kommunikationsoffizier, wie würden Sie das übersetzen?“ „Ich nehme das als ein Ja, Scotty.“, sagte ich. „Eigentlich ist es sogar ein Ja-Gern!“ „OK.“, sagte Scotty und nahm den Griff des Korbes wieder in die Hand: „Na komm, Caruso. Dann bringen wir dich erst mal rein.“ Damit hob er den Korb an und bot mir gleichzeitig seinen anderen Arm an. So gingen wir ins Wohnzimmer.
Hier stellte er den Korb ab und öffnete die Klappe ganz. Ich hatte inzwischen die Terrassentür geschlossen, damit Caruso nicht durch die offene Tür entlaufen konnte, falls er sich vor der ihm doch vielleicht noch sehr fremden Umgebung erschrecken sollte. Dann setzte ich mich mit Scotty auf die Couch. Caruso, der das auch gesehen hatte, erhob sich fast majestätisch aus seinem Korb und schritt in aller Ruhe den Raum ab, um sich danach sofort auf meinen Schoß zu begeben, wo er ein erneutes Konzert aus lautem Schnurren begann. „Na also.“, sagte Scotty. „Genauso hatten Ms. Deria und ich uns das vorgestellt. Aber die Leiterin des Tierheims sagte schon, dass er sehr verschmust ist und das bist du ja auch. Wie heißt es immer so schön? Gleich und gleich gesellt sich gern.“ Immer noch über beide Ohren grinsend konnte ich nur einen bestätigenden Laut von mir geben. Dann aber fragte ich etwas ernster: „Wie hast du dir das denn eigentlich vorgestellt, Scotty? Ich meine, ich bin meistens im Dienst. Mit auf das Schiff nehmen kann ich Caruso nicht. Es wäre meiner Meinung nach dort für ihn viel zu gefährlich. Wer weiß schon, was für Lebensformen wir begegnen und wie die auf Katzen zu sprechen sind. Du bist meistens in der Firma und … Warte mal! Vielleicht könnte man Data darauf programmieren, auf ihn aufzupassen, sobald er sich an mich und dich gewöhnt hat.“ „Na ja.“, urteilte Scotty. „Als Futterautomat und Kuschelkissen könnte er schon herhalten. Seine Software ist doch lernfähig, oder?“ „Sicher.“, sagte ich. „Wir haben dafür gesorgt. Außerdem soll er seinem behinderten Eigentümer ja in allen Lebenslagen zur Hand gehen können. Wir sind ja außerdem noch immer in der Testphase. Vergiss das bitte nicht, mein liebster Scotty. Mr. Cendus hat gemeint, ich sollte zuerst einmal selbstständig versuchen, ihn verbal zu programmieren. Wenn ich das nicht hinbekomme, dann sollte ich mich an ihn oder dich wenden.“ „OK.“, sagte Scotty. „Es muss ja auch schließlich jeder Laie seinem Hilfsmittel Instruktionen geben können. So könnt ihr wohl am besten erfahren, ob das klappt. Dann lasse ich euch mal allein. Muss eh noch das ganze andere Zeug für Caruso aus dem Jeep holen. Ruf mich ruhig, wenn Data zickt.“ Ich nickte und Scotty ging.
„Uff, Hilfe!“, seufzte ich erleichtert. „Endlich wieder allein!“ „Sie wissen, dass ich über umfangreiche Erfahrung in der Haltung von Katzen verfüge.“, sagte Data. „Natürlich.“, erwiderte ich. „Was glauben Sie, warum ich das so eingefädelt habe. Einer meiner Gründe war aber auch rein persönlicher Natur. Ich habe immer noch das Gefühl, mich bei Ihnen entschuldigen zu müssen, Commander. Deshalb wollte ich Ihnen zumindest ermöglichen, auf Caruso aufpassen zu können. Scotty weiß, dass ich auf der Granger andere Hilfsmittel habe und nicht direkt auf Sie angewiesen bin. Deshalb wird er keinen Verdacht schöpfen, wenn ich Sie bei meinem erneuten Dienstantritt hierlasse. Aber ich dachte, Ihretwegen wäre es …“ „Sie nehmen erneut Rücksicht auf Gefühle, die nicht existieren, Allrounder.“, sagte Data. „Dabei glaubte ich, Ihre Intelligenz hätte Ihnen bereits verraten, dass meine Gefühle beliebig ersetzbare Reaktionen sind, die je nach Programmierung theoretisch jederzeit veränderbar seien. Ich dachte, sie würden auf die Illusion, die mein Emotionschip nach außen vermitteln soll, nicht hereinfallen. Aber wenn Sie lediglich Ihr Gewissen beruhigen wollen, dann akzeptiere ich Ihretwegen.“ „OK.“, sagte ich.
Ein Signal kündete davon, dass der Computer seine Suche ebenfalls beendet hatte. Dann sagte dessen Stimme: „Die von Ihnen genannte Volksgruppe ist der Föderation nicht bekannt.“ „Na, umso besser.“, erwiderte ich. „Dann wirst du ja wohl auch nichts gegen die Benutzung dieses Rufzeichens haben.“
Ich drehte mich wieder der Konsole meines Sprechgerätes zu, um erneut Shimars Rufzeichen einzugeben, denn nach der langen Zeit hatte ich befürchtet, es wäre bereits aus dem Display gelöscht worden, da ich es weder bestätigt, noch manuell gelöscht hatte. Erfolgte keine Tastenbewegung, oder keine verbale Eingabe, war das die normale Konsequenz, denn das System ging dann von einer versehentlichen Fehleingabe aus. Allerdings hielt Data mich zurück: „Warten Sie bitte, Allrounder. Das Rufzeichen steht noch immer im Display. Sie müssen es nur bestätigen.“ „Wie kann das nach mehr als 20 Minuten sein, Commander?“, fragte ich verwundert.“ „Ich habe mir die Freiheit genommen, ein wenig mit dem Cursor zu spielen.“, sagte Data. „So geht es gleich für Sie schneller. Wer weiß, wie viel Zeit uns bleibt.“ „Data, Sie Goldstück!“, rief ich erleichtert aus und drückte die Eingabetaste, worauf das Interdimensionale Relais meinen Ruf zunächst über alle Frequenzen und durch die gesamte Schicht schickte, da ihm ja die tindaranische Dimension nicht bekannt war. In so einem Fall war das eine ganz normale Reaktion. Würde ein Sprechgerät in irgendeiner Dimension reagieren, dann würde es zu diesem eine Verbindung aufbauen.
Kapitel 15: Überraschende Wendungen
von Visitor
Shimar war nach seiner Vernehmung durch Maron in sein Quartier zurückgekehrt. Der Erste Offizier hatte gemeint, er solle sich erst einmal ausruhen und müsse nicht unbedingt an der Konferenz teilnehmen. Dass Shimar das bitternötig hatte, war mehr als offensichtlich. Jetzt hatte er sich nur noch müde und abgekämpft auf sein Bett geworfen.
Die Ansprache durch den Stationsrechner, der ja meinen Ruf registriert hatte, bekam er auch erst beim vierten Mal mit: „Shimar, ich habe ein Gespräch für Sie.“ „Bitte nicht, IDUSA.“, sagte Shimar erschlagen. „Ich habe gerade einen anstrengenden Flug hinter mir und dann auch noch eine Vernehmung durch Maron. Ich bin total geschlaucht und fertig. Vertröste den Rufer bitte auf später, ja?“ „Ich denke, Sie werden anders reagieren, wenn ich Ihnen sage, wer am anderen Ende der Verbindung ist.“, entgegnete der Rechner, der von mir inzwischen die Instruktion erhalten hatte, Shimar auf alle Fälle zum persönlichen Beantworten des Rufes zu bewegen.
Missmutig und gequält setzte sich der junge Tindaraner auf. „Wer denn, IDUSA?“, fragte er. „Es ist Ihre Freundin.“, antwortete der Rechner nüchtern wie immer.
Sofort war Shimar hellwach. „Gib sie her, IDUSA!“, befahl er. „Sofort!“ „Natürlich, Shimar.“, antwortete der Computer im Gegensatz zu ihm sehr ruhig.
Das Bild des Avatars vor seinem geistigen Auge, das ihm über einen in die Wand des Quartiers eingebauten Neurokoppler präsentiert worden war, wich dem meinen. Dann hörte er mich sagen: „Srinadar, kannst du mich hören?“ „Natürlich kann ich das, Kleines!“, rief Shimar überglücklich. „Wo zur Hölle bist du?“ „Ich bin in einer Dimension, die meiner Heimat sehr ähnelt.“, antwortete ich. „Aber Data und ich haben festgestellt, dass es sich um eine Kopie handelt, die wahrscheinlich eine Schöpfung von Benevidea ist. Es weist alles darauf hin. Hier ist aber vieles anders. Hör zu, Srinadar. Ich bin sicher, Benevidea will, dass Data und ich etwas sehen oder lernen.“ „Das kann ich mir auch vorstellen, Kleines.“, sagte Shimar. „Es würde zumindest auch erklären, warum wir dich nicht rausholen konnten. Ich bin sicher, sie hat einige Sicherungen eingebaut. Bevor wir das nicht genau wissen, sollten wir es nicht noch einmal versuchen, denke ich. Sonst riskieren wir noch, dass du in Stückchen hier ankommst oder so etwas. Aber warum nimmst du zuerst mit mir Kontakt auf. Wäre nicht das Sternenflottenkommando in deiner Heimat die bessere Wahl? Ich kann von hier aus auch nichts tun.“ „Das kann ich nicht.“, sagte ich. „Eine Störung verhindert das. Ich bin sicher, Benevidea will nicht, dass ich direkt mit meinem Zuhause rede, weil die Gefahr bestünde, dass man mich herausholt, bevor ich gelernt habe, was ich ihrer Meinung nach lernen soll. Hör zu! Ich schicke meine schriftlichen Berichte alle an dein Rufzeichen. Bitte gib sie Maron, Zirell, Mikel und Kissara. Eine andere Möglichkeit sehe ich gerade nicht. Ich weiß nicht, wie viel Zeit wir haben. Hat sich bei euch etwas getan?“ „Die Führungsoffiziere halten eine Konferenz ab.“, sagte Shimar. „Benevidea ist krank. Ihr telepathisches Zentrum wurde durch eine Überdosis Rosannium vergiftet. Time kümmert sich um sie.“ „Time!“, sagte ich erleichtert. „Das ist gut. Der hat bisher alles wieder hingekriegt. Aber das kann auch bedeuten, dass sie keine Verbindung mehr zu ihrer Schöpfung hat. Das Ganze könnte außer Kontrolle geraten. Stell mich bitte sofort auf dein Handsprechgerät und dann geh zum Konferenzraum. Ich muss mit den Führungsoffizieren reden.“ „Also gut.“, sagte Shimar. „Dann bleib bitte dran!“ Dann befahl er dem Rechner der Station, meinen Ruf auf sein Handsprechgerät durchzustellen und ging aus seinem Quartier.
Im Konferenzraum waren alle damit beschäftigt, sich die Bilder anzusehen, die Jennas Sonde, die sie auf Zirells Befehl geschickt hatte, inzwischen aus der fremden Dimension gesendet hatte und noch immer live sendete. Dabei orientierte sie sich zunächst an meinen Lebenszeichen. Aber sie fotografierte auch alles, was sonst noch in ihrer Reichweite war. So fiel Zirell auch ein riesiges Schloss auf, das hoch über Washington thronte. Es stand auf dem Hügel, auf dem vorher das Kapitol gestanden hatte. Es war im imperianischen Baustil errichtet. Das konnten alle sehen. „Was bitte ist das?!“, fragte die tindaranische Kommandantin. „Wie du unschwer erkennen dürftest, ist es ein Schloss, Zirell.“, sagte Kissara. „Ein Schloss, errichtet im imperianischen Baustil.“ „Was macht ein Schloss im imperianischen Baustil mitten auf der Erde?“, fragte Mikel. „Kann mir jemand sagen, wo es genau steht?“
Zirell winkte Maron: „bitte hilf deinem Kollegen.“ „Sicher.“, sagte der Demetaner und wandte sich dem blinden Agenten zu, aber nur um ihm zunächst vorsichtig ins Ohr zu flüstern: „Hast du eine Theorie?“ Mikel nickte. Dann sagte Maron laut: „Es steht dort, wo eigentlich das Kapitol stehen müsste. Das ist doch ein sehr wichtiges Gebäude für euch Terraner, nicht?“ „Ja.“, sagte Mikel. „Gemeinsam mit dem so genannten Weißen Haus bildet es den Regierungssitz und …Oh nein! Das bestätigt meine Theorie ja sogar.“ „Gehst du davon aus, dass Sytania in dieser Version eurer Heimat die Erde erobert hat, Mikel El Taria?“, fragte Joran, den Zirell vorsichtshalber als Experten für Sytanias Handeln und für das Handeln von Mächtigen überhaupt mit zu der Konferenz geladen hatte. Genauso wie Jenna, die ihre Expertise zum Thema interdimensionale Technologie abgeben sollte. „Davon gehe ich tatsächlich aus.“, sagte Mikel. „Aber Warum hat Benevidea Scott und Data in so ein Horrorszenario entführt?“, fragte Maron entrüstet. „Was sollen sie lernen?“ Alle zuckten nur ratlos mit den Schultern.
Shimar war inzwischen unterwegs zum nächsten Turbolift. Dabei hatte er das Sprechgerät mit unserer Verbindung in die Brusttasche seiner Uniform gesteckt und das Mikrofon mittels einer Klemme am Kragen befestigt. Nervös starrte er immer wieder auf das Display. „Ich bin unterwegs, Kleines!“, sagte er sehr hektisch. „Was immer du tust, beende nicht diese Verbindung!“ „Davor musst du definitiv keine Angst haben, Srinadar.“, sagte ich. „Ich bin ja heilfroh, dass ich sie überhaupt zustande bekommen habe. Aber ich habe wenig Zeit. Ich weiß nicht, wie lange ich reden kann. Bitte beeil dich!“ „Ich mache ja schon, Kleines.“, sagte Shimar und beschleunigte seinen Schritt. Im gleichen Moment wurde er allerdings auf einige Leuchten aufmerksam, die ihn über die Terminals der Flursprechanlage zu verfolgen schienen.
Missmutig drehte er sich einem der Terminals zu: „IDUSA, was ist denn?! Ich habe nun wirklich keine Zeit!“ „Das ist mir klar.“, sagte die Stimme des Rechners. „Schließlich läuft das Gespräch zwischen Allrounder Scott und Ihnen auch über meine Systeme und ich bin deshalb über die Situation informiert. Ich habe ein Angebot für Sie, das Sie bestimmt nicht abschlagen werden. Um Ihre Kräfte zu benutzen, sind Sie viel zu nervös. Das sagen mir Ihre medizinischen Werte. Sie könnten sich sicher nicht konzentrieren und die Gefahr wäre zu groß, dass Sie irgendwo landen. Ich aber könnte Sie mit dem Transporter erfassen und direkt in den Konferenzraum beamen. Ich würde Sie direkt vor Commander Zirells Nase absetzen. Das ginge doch viel schneller, finden Sie nicht?“ „Na gut.“, sagte Shimar und hielt sich bereit.
Über seine plötzliche Ankunft waren alle, die an der Konferenz teilnahmen, sehr verwundert. „Wie kommst du hierher, Shimar?“, fragte Zirell. „Solltest du nicht in deinem Quartier sein und dich ausruhen?“ „Vielleicht sollte ich das wirklich, Zirell.“, sagte mein Freund. „Aber vorher muss ich euch allen noch was zeigen. Ihr werdet nie erraten, mit wem ich Kontakt habe!“
Er zog sein Sprechgerät aus der Tasche und präsentierte allen das Display. Hier sahen nun auch Zirell, Kissara, Jenna, Joran und Maron mein Gesicht. „Wie hast du das bitte angestellt?“, fragte Maron irritiert. „Das war ich nicht.“, sagte Shimar. „Betsy hat Kontakt zu mir aufgenommen. Sie befindet sich in einer Dimension, die ihrer Heimat sehr ähnlich ist. Ihr kennt ja alle meine Aussage. Sie scheint aber in irgendwas geraten zu sein, das nicht gut ist. Sie kann nicht lange reden. Sie spricht immer davon, dass sie keine Zeit hätte.“
Kissara war auf Shimar zugegangen. „Bitte gib mir das Mikrofon.“, sagte sie. „Ich werde es auch kurz machen.“ „OK.“, sagte Shimar und tat, worum mein Commander ihn gerade gebeten hatte.
„Halten Sie aus, Scott!“, sagte Kissara. „Wir arbeiten an Wegen, Sie und Data da rauszuholen!“ „Negativ, Commander!“, entgegnete ich. „Ich denke, Benevidea will, dass ich etwas sehe oder lerne. Vorher wird sie mich hier nicht rauslassen. Shimar hat mir zwar gesagt, dass sie krank ist und vielleicht sogar keine Kontrolle mehr über ihre Schöpfung hat, aber das muss nichts bedeuten. Das Programm könnte ja trotzdem weiter ablaufen. Ich weiß nicht, was sie für Sicherungen eingebaut hat, die meine Rückkehr eventuell verhindern sollen. Es war bestimmt nicht böse von ihr gemeint, als sie diese Dimension geschaffen hat. Als sie vor dem Kapitol aufgetaucht ist, hatte sie schreckliche Angst! Diese Tatsache dürfen wir nicht einfach übersehen, Commander. Bevor Sie etwas unternehmen, sollten Sie erst einmal mit Time Kontakt aufnehmen. Shimar sagt, er kümmere sich um Benevidea. Vielleicht weiß er ja schon mehr über ihre Motive.“
Ich hatte Scottys Schritte auf der Terrasse wahrgenommen. „Ich muss schlussmachen!“, sagte ich und beendete ohne ein weiteres Wort die Verbindung.
Kissara und Zirell sahen sich gegenseitig fragend an. Schließlich war es Maron, der sich an Jenna wandte, um den jetzt entstandenen Knoten zwischen den beiden Kommandantinnen zu lösen: „McKnight, was wissen Sie über die Sicherungen, die Scott erwähnt hat? Glücklicherweise hatte Shimar sein Sprechgerät ja auf Lautsprecher gestellt. So konnten wir alle mithören, was sie uns gesagt hat.“ „Laut Shimars Aussage ist die interdimensionale Mauer sehr massiv, Sir.“, erklärte die angesprochene Technikerin. „Ich denke, ein Transportversuch wäre nicht zu empfehlen, selbst wenn wir den Transporterstrahl anpassen würden. Die Tatsache, dass die Dimension, als Benevidea den Kontakt verlor, nicht aufgehört hat zu leben, dürfte uns zeigen, wie autark sie ist. Vielleicht reagieren ja sogar die Sicherungen selbstständig und es wäre durchaus möglich, dass die Sicherung einen Transport verhindert oder dass Allrounder Scott und Commander Data hier in Stückchen ankommen, die sich unter Umständen über die ganze Transporterplattform verteilen könnten. Ich wette, das möchten Sie auch nicht riskieren, Agent!“ „Natürlich nicht.“, sagte Maron. „Aber was ist, wenn sie gerade deshalb gar nicht mehr aus eigener Kraft nach Hause kommen können. Was ist, wenn die Dimension nicht weiß, wann sie Scott und Data freigeben muss. Was ist, wenn dafür Benevideas Kontrolle nötig wäre, die es aber jetzt nicht mehr gibt?“ „Ich habe nicht gesagt, dass wir nicht an Wegen arbeiten, sie zu befreien, Sir.“, sagte Jenna. „Ich habe nur gesagt, dass es im Moment noch nicht möglich ist.“
Zirell schaltete sich in das Gespräch ein. „Jenn’ hat Recht!“, entschied sie. „Wir haben noch so gut wie keine Informationen und ich war noch nie eine Freundin von Schnellschüssen! Schon gar nicht dann, wenn es um Leben geht! Jenn’, du arbeitest weiter an technischen Möglichkeiten! Maron, Joran, Kissara und Mikel, wir alle beobachten Scotts und Datas Situation. Außerdem werden wir mit Time reden! Sehen, was Scott und Data tun, können wir ja. Nur rausholen können wir sie bisher nicht und ich habe keine Lust, mit unverhältnismäßiger Gewalt auf die Situation zu reagieren! Wer weiß, welche Konsequenzen das am Ende hat. Scott erwähnte ja, dass sie glaube, dass sie etwas lernen soll. Das Gefühl habe ich, nach allen Aussagen, die ich bisher gehört habe, auch. Joran, sobald wir wieder in der Kommandozentrale sind, verbindest du mich mit Commander Time! Vielleicht weiß er ja schon mehr. Bis dahin heißt es für uns bezüglich Commander Data und Allrounder Scott: nur gucken, nicht anfassen! Ich hoffe, es konnten mir alle folgen!“ Alle nickten. „Dann sind wir uns ja einig!“, sagte Zirell.
„Ich denke, wir können diese Besprechung dann auch auflösen.“, stellte Maron fest. „Schließlich haben wir alle noch genug zu tun.“ „Ganz deiner Ansicht.“, sagte Zirell und machte ein Handzeichen in den Raum, das alle zum Verlassen desselben aufforderte. Um ihre Forderung zu bekräftigen, sagte sie noch: „Das wär’s! Wegtreten!“
Alle leisteten Folge und Joran, Maron und sie selbst gingen wieder in die Kommandozentrale, während sich Jenna wieder an ihren Arbeitsplatz und Kissara und Mikel auf die Granger begaben. Alle vertrauten Zirell und ihren Leuten. Sie würden die Situation schon zum Guten wenden und ihnen sagen, wenn sie ihre Hilfe brauchten.
Nach unserem Gespräch, das mich doch sehr aufgewühlt hatte, ging ich zu Scotty, der sich inzwischen darangemacht hatte, die restlichen Einrichtungsgegenstände für Caruso aus dem Jeep zu holen und sie aufzustellen. Er schien auch recht froh darüber zu sein, dass ich ihm assistierte, denn die Situation schien ihn etwas zu überfordern. Zumindest hatte ich diesen Eindruck, so sehr, wie er mit den Dingen hin- und herschob.
„Soll ich dir vielleicht helfen?“, bot ich an. „Das kannst du wahrscheinlich tatsächlich, Darling.“, sagte er. „Du hattest ja in deiner Kindheit selbst eine Katze und wirst daher genauer über Carusos eventuelle Bedürfnisse Bescheid wissen als ich. Wo könnten wir denn am besten seinen Korb und seinen Kratzbaum hinstellen, wo seine Toilette und wo seine Fressnäpfe?“ „Also.“, überlegte ich und wollte einen Scherz machen, um ihm etwas die Anspannung zu nehmen, die gut hörbar jeden seiner bisherigen Sätze begleitet hatte. Ich konnte mir vorstellen, dass der Grund dafür war, dass er einmal nicht der Macher und Problemlöser sein konnte, als den ihn alle kannten, sondern dies auch einmal abgeben musste. Das war etwas, was ihm wahrscheinlich sehr schwer fiel. Aber mir gegenüber, seiner eigenen Ehefrau, musste er doch davor keine Angst haben. Wo, wenn nicht in den eigenen vier Wänden, durfte er denn sonst einmal eine vermeintliche Schwäche zugeben und zeigen?
„Ich würde auf jeden Fall seine Näpfe nicht direkt neben seine Toilette stellen.“ „Igitt!“, rief Scotty aus. „Das würden wir ja auch nicht gut finden. OK, Caruso ist ein Tier, aber gerade Katzen gelten doch als sehr reinlich, stimmt’s?“ Ich nickte.
Ich orientierte mich zur nächsten Wand und ging die gesamte Ecke ab, die Scotty als Carusos Platz auserkoren hatte. Die Fläche war meiner Meinung nach groß genug, dass man hier alles auch mit den nötigen Abständen unterbringen konnte. Sogar ein kleiner Hocker stand an der Wand, den ich gleich als Platz für den Schlafkorb reservierte. „Katzen liegen gern erhöht!“, erklärte ich. „Sie haben immer gern den Überblick. Auch wenn sie schlafen, wollen sie jederzeit über Ihre Umgebung Bescheid wissen. Ihre Sinne sind sehr scharf. Das müssen sie ja sein, weil es Jäger sind. Deshalb empfinden sie eine erhöhte Position als sehr positiv und somit als sehr entspannend. Rechts daneben könnte sein Kratzbaum“ „OK.“, sagte Scotty und hob den Korb auf den Hocker. „Passt genau!“, stellte er fest. „Seine Näpfe sollten wir auch in die Komfortzone stellen.“, sagte ich und deutete auf einen Platz links neben dem Hocker. Auch dies tat Scotty.
Dann drehte ich mich und ging einige Schritte wieder zurück in Richtung des eigentlichen Flurs. Am Eingang der Nische blieb ich stehen. „Und hier kommt sein Klo hin.“, sagte ich etwas platt. Das war bei uns zu Hause genauso und Mikosch hatte damit nie ein Problem. Dazwischen war etwa so viel Platz wie hier.“ „Na dann!“, sagte Scotty und platzierte das Katzenklo, in das er vorher genug Streu gefüllt hatte. Auch seinen Wassernapf füllte er am Replikator, damit mir nichts daneben gehen konnte, wie er sagte. Ich übernahm das Füllen des Fressnapfes mit Trockenfutter. „Jetzt ist ja alles bereit.“, stellte er fest. Komm mal mit in die Küche. Ich muss nötig mal mit dir reden.“ „OK.“, sagte ich. „Ich auch mit dir. Ich habe da ein paar Fragen. Außerdem wirst du ja bestimmt hungrig sein.“ „Ach, lass mich schnell beim Replikator vorbeischneien.“, witzelte Scotty. „OK.“, sagte ich. „Dann gehe ich schon mal vor.“
Damit ging ich vor in die Küche und setzte mich dort auf einen Stuhl. Ich war darauf gefasst, jetzt von ihm verhört zu werden, was mein angebliches Gespräch mit seinen Mitarbeitern anging, das ja nie wirklich stattgefunden hatte. Vielleicht konnten meine Worte ihn aber doch überzeugen, Ich war nur heilfroh, dass es in dieser Föderation offenbar keine Telepathen gab, die meine Lüge durch Untersuchungen von Molly oder Cendus doch noch entlarven konnten.
Scotty hatte mit einem Tablett, auf dem sich ein großer Teller Eier mit Speck befand, die Küche betreten und sich zu mir an den Tisch gesetzt. „Also, Darling.“, sagte er. „Du hast meine Leute ja wirklich gut im Griff. Cendus und Molly schwören Stein und Bein, dass sie solche Gespräche mit dir nie geführt haben und dass Data nicht in unserer Fabrik entstanden sein kann. Es sind auch keine Materiallisten oder ähnliches vorhanden, die darauf hinweisen könnten. Es gibt auch kein Backup seiner Software in unseren Systemen. Ihr wart wirklich gründlich. Ihr wusstet genau, wie man Beweise verschwinden lässt, damit ich nichts merke. Aber das ist kein Wunder, wenn die Drahtzieherin einen Geheimagenten kennt. Ich wette, du hast Agent Mikel da auch mit reingezogen, was?“ „Mikel weiß nichts.“, nahm ich meinen ehemaligen Schulfreund und jetzigen Vorgesetzten in Schutz. „Aber Cendus ist Celsianer. Die sind mit Technik auf Du und Du. Er weiß schon, wie das muss.“ „Na gut.“, sagte Scotty. „Ich glaube dir. Du bist eine Offizierin der Sternenflotte. Das bedeutet, du musstest schwören, niemals zu lügen und zu betrügen. Das mussten meine Mitarbeiter nicht. Sie können jederzeit behaupten, dass da nie etwas war und Cendus kann auch dafür sorgen, dass unsere Systeme behaupten, dass da nie etwas war. Deine Überraschung war also echt perfekt, Darling! Sie war perfekt! So etwas hätte ich dir nie zugetraut!“ „Danke, Scotty.“, sagte ich.
Er hatte begonnen, sich seinem Essen zu widmen. Zwischen zwei Bissen fragte er jedoch: „Worüber wolltest du denn mit mir reden, Darling?“ „Die Hochzeit.“, sagte ich. „Ist es wirklich wahr, dass Sytania und Nugura heiraten wollen?“ „Aber natürlich!“, sagte Scotty. „Sie haben sich bei dem letzten Gipfeltreffen ineinander verliebt. Das weiß doch jeder! Ging doch groß durch die Presse! Also, Darling, das müsstest du doch noch wissen. Dein Commander hat sich doch sogar freiwillig als Nuguras Trauzeugin zur Verfügung gestellt! Ach, entschuldige. Dein Gedächtnisverlust. Hatte ich nich‘ mehr auf dem Schirm. Aber du weißt doch hoffentlich noch, dass es überhaupt ein Treffen gegeben hat, oder?“ Ich schüttelte den Kopf. „Sytania wollte Frieden, nachdem du und ihre Vendar so gut zusammengearbeitet habt, um uns alle zu retten, ihr eigenes Leben inklusive.“ „Das wusste ich nicht mehr.“, redete ich mich heraus.
Ein Signal von meinem Sprechgerät im Wohnzimmer ließ mich aufhorchen. „Ich gehe ran.“, sagte ich und stand auf. Dann ging ich hinüber ins Wohnzimmer, wo Data immer noch auf mich wartete. Nur Caruso hatte es sich inzwischen auf seinem Schoß bequem gemacht und Data hatte damit begonnen, ihn zu streicheln, was der Kater mit lautem Schnurren quittierte. Dass es eine künstliche Hand war, die ihn gerade streichelte, schien ihm also egal zu sein.
Der mit dem Sprechgerät vernetzte Hausrechner hatte mich ebenfalls mit der verbalen Meldung: „Ankommender Ruf!“ auf selbigen aufmerksam gemacht. „Rufzeichen vorlesen!“, befahl ich ins Mikrofon. „Das Rufzeichen lautet: ** 00#120.dem.“, kam es nüchtern zurück. Meine Ausbildung ließ mich sofort erkennen, dass es sich um ein öffentliches Rufzeichen vom Planeten Demeta handeln musste. Es musste aber aus dieser Dimension stammen, denn der vorstehende Hinweis auf einen Ursprung außerhalb der Dimension, die Buchstaben I.D. für interdimensional, fehlte.
Ich nahm das Mikrofon aus der Halterung und drückte die Sendetaste. Dann sagte ich: „Scott hier!“ „Na endlich, Allrounder!“, gab eine bekannte Stimme zurück. „Endlich erreiche ich Sie. Endlich hatten Sie die Güte, Ihr Gespräch zu beenden.“
Jene Stimme hatte ich genau erkannt. „Commander?“, sagte ich. „Was tun Sie auf Demeta und was ist los?“ „Loridana und ich hatten uns hier getroffen und gemeinsam Urlaub gemacht.“, sagte Kissara. „Das war reiner Zufall. Aber jetzt sitzt unser Shuttle mit technischen Problemen hier fest. Das Ersatzteil kommt nicht vor übermorgen, soweit man uns sagte. Das bedeutet, ich kann morgen nicht Nuguras Trauzeugin sein. Richten Sie Nugura das aus!“
Ich überlegte. Wenn die Trauzeugen nicht vollständig waren, konnte die Hochzeit nicht stattfinden. So konnte Nugura vielleicht vor dem Weg ins Verderben bewahrt werden. Andererseits wäre das für diese Gesellschaft, in der die Föderation offenbar Sytanias politische und ihr Staatsoberhaupt sogar die private Freundin der Prinzessin war, ein sehr schlimmes Ereignis, wie es schien. Die Auswirkungen konnten unberechenbar sein und ich durfte mich ja nicht in die natürliche Entwicklung einer Gesellschaft einmischen und sie nach meinem Willen lenken, nur weil es mir gerade so passte. Es wäre also besser, genau das zu tun, was von mir erwartet wurde und das war ohne Zweifel, die Hochzeit zu retten und nicht sie zu sabotieren, Da ja offenbar alle gut fanden, dass Nugura und Sytania heirateten.
Ich räusperte mich also und setzte mich gerade hin. Dann nahm ich das Mikrofon in die linke Hand, salutierte mit der rechten in Reichweite der Kamera und sagte schmissig: „Commander Kissara, Allrounder Betsy Scott bittet um Erlaubnis, Sie in Ihrer Funktion als Trauzeugin zu vertreten!“ „Erteilt!“, gab Kissara zurück. Dabei schien sie sehr erleichtert. „Danke, Scott! Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann! „Jetzt müssen Sie nur noch Nugura überzeugen.“ „Das mache ich schon, Madam.“, lächelte ich zuversichtlich und beendete die Verbindung.
Ich ging zurück zu Scotty. Dort machte ich leicht auf hektisch und sagte: „Scotty, ich muss zu Nugura!“ „Kein Problem.“, sagte mein Mann. „Ich fahre dich zum Schloss. Warte kurz. Ich hole den Jeep ums Haus vor die Terrasse.“ „Zum Schloss.“, wiederholte ich leicht verwirrten Tons. „Sicher.“ Dann ging ich wieder ins Wohnzimmer zurück, um auf ihn zu warten. Data würde ja vermutlich den Jeep nicht fahren dürfen, denn das würde ja eigene Entscheidungen von ihm voraussetzen und die durfte er ja in dieser Gesellschaft nicht treffen.
Trotz seines lauten Protests hatte ich Caruso von Datas Schoß genommen. „Tut mir leid, Caruso.“, hatte ich gesagt. „Aber ich denke, ich benötige dein Kuschelkissen gleich anderweitig.“ „Dessen bin ich mir auch sicher.“, erwiderte Data. „Schließlich könnten Sie sich in einem unbekannten Schloss ohne Führung sehr leicht verlaufen und Scotty wird nicht mitkommen dürfen, da er Zivilist ist und er das, was Sie mit Ihrer Oberbefehlshaberin besprechen, von Gesetzeswegen nicht mitbekommen darf. Ich kenne meine Rolle, Allrounder. Sie müssen sich nicht sorgen.“ „Das tue ich auch nicht, Commander.“, sagte ich und atmete erst einmal erleichtert tief durch.
Scotty war mit dem Fahrzeug vor die Terrasse gefahren und hatte mir kurz durch das offene Fenster zugerufen: „Kannst kommen, Darling! Aber bring dein Hilfsmittel mit!“ „Das musst du mir nicht sagen, Scotty.“, sagte ich und lächelte. „Das hätte ich sowieso getan. Ohne Data käme ich ja in dem fremden Schloss eh nicht klar.“
Ich stand auf und streckte meine linke Hand nach vorn. Dann sagte ich zu Data: „Data, Schutz- und Führmodus ein! Scottys Fahrzeug suchen! Beifahrertür anzeigen!“ Sofort stellte sich Data neben mich und ich legte meine linke Hand auf seinen angewinkelten rechten Arm. Dann gingen wir langsam in Richtung von Scottys Jeep. Dort legte er die rechte Hand auf den Griff der Beifahrertür, um mir zu ermöglichen, mich an seinem Arm in deren Richtung vorzutasten. Dann öffnete ich sie und stieg ein. Data hatte ich vorher auf die Rückbank geschickt, indem ich auf die hintere Tür gedeutet hatte, und ihm den Befehl: „Einsteigen!“, erteilt hatte. So fuhren wir dann auch los in Richtung jenes Schlosses, von dem Scotty gesprochen hatte.
Während wir an einer Ampel warten mussten, drehte sich Scotty plötzlich zu mir um. „Ich bin heilfroh, dass du ihm diese lächerliche Uniform ausgezogen hast, Darling.“, sagte er. „Aber musstest du ihm ausgerechnet meinen besten Anzug anziehen?“ „Tut mir leid, Scotty.“, sagte ich und sah ihn sanft an. „Aber das habe ich ja nun leider nicht gesehen.“ „Schon verziehen.“, lächelte er und küsste mich sogar kurz, bevor er das Fahrzeug wieder in Bewegung setzte. „Aber mich wundert, dass meine Leute nicht in der Lage waren, für ihn auch gleich vernünftige Klamotten zu schneidern. Es hätte doch nur einiger Eingaben in einen Replikator bedurft.“ Ich zuckte nur unwissend mit den Schultern.
Kapitel 16: Hochzeitsvorbereitungen mit Magengrummeln
von Visitor
Bald waren wir in Washington vor dem Schloss angekommen. Es war ein etwa 40 m hoher und an jeder Seite etwa 30 m in der Länge messender quadratischer Bau, der von einer mindestens 60 m hohen Mauer überragt wurde. Diese überragte nur noch der ca. 120 m hohe in seinem Umriss dreieckige Turm, der für imperianische Schlösser, zumindest auf Sytanias Seite, typisch war. Die an die Rückseite des Schlosses anliegende Seite des Turms war genauso breit wie die Wand. Die beiden anderen Seiten waren jeweils 15 m breit. Die Dächer von Schloss und Turm waren mit imperianischen dreieckigen Ziegeln gedeckt. Überall auf den Wänden des Schlosses, des Turms und der Mauer sah man außerdem Sytanias Wappen. Allerdings gab es eine kleine Änderung. Statt einer Schlange waren dort zwei zu sehen.
Scotty hielt den Jeep vor einer weißen Linie, die sich mitten durch die Straße zog, an. Dann sagte er: „Hier müssen wir warten, Darling.“ „OK.“, sagte ich. Dann beobachteten wir, wie ein Mann in einer grauen Lederjacke auf uns zuschritt. Er maß ca. 190 cm und war sehr muskulös. Er hatte kurze rötliche Haare und trug außerdem eine blaue Jeans und rote Stiefel in Kombination mit seiner unter der Jacke leicht hervorscheinenden schusssicheren Weste. Er ging um unser Fahrzeug herum und blieb an der Beifahrertür stehen. Ich vermutete, dass er meine Uniform gesehen hatte. Dann klopfte er an die Scheibe, worauf ich einen kleinen in die Tür eingelassenen Knopf drückte, der das Fenster herunterfahren ließ. Dann sagte ich: „Ich bin Allrounder Betsy Scott. Ich muss dringend zu Präsidentin Nugura! Sie ist über mein Kommen nicht informiert, aber es ist ein Notfall! Ich habe eine mündliche Nachricht von meinem Commander, die ich ihr dringend überbringen muss!“ „Also gut, Allrounder.“, sagte er. „Wenn Sie hier schon in Galauniform auftauchen, dann wird das alles schon seine Gründe haben. Ich vertraue Ihnen.“
Damit zog er ein Sprechgerät und gab einige Befehle ein. Darauf senkte sich tatsächlich eine Art von Zugbrücke. Warum das sein musste, konnte sich zwar keiner von uns wirklich erklären, denn es gab dort ja kein Wasser, aber vielleicht war der einzige Grund auch nur, weil das Ganze ordentlich was hermachen sollte. Jedenfalls winkte er danach Scotty, der den Jeep in Richtung Innenhof durch das große Tor fuhr.
Hier stiegen wir aus und der Fremde wandte sich mir zu: „Ich bin übrigens Laurence Barnaby. Ich bin der Chefleibwächter der Präsidentin. Nun, Ihr Mann darf Sie ja leider nicht begleiten. Soll ich Sie führen?“ „Nein, Mr. Barnaby.“, sagte ich. „Das Angebot ist zwar sehr verlockend, aber das macht mein Hilfsmittel.“
Damit wandte ich mich zum Jeep: „Data, komm her! Führ- und Schutzmodus ein!“ Stumm stand Data von seinem Sitz auf und stellte sich in Führhaltung neben mich. „Ach, Sie haben einen von diesen neuartigen Androiden.“, stellte Laurence fest. „Na, das ist natürlich etwas anderes. Aber seit wann haben die Namen?“ „Das ist ein Prototyp.“, sagte ich. „Ich teste ihn.“ „Na, da kann sich Ihr Mann ja wohl keine bessere Beta-Testerin wünschen, als seine eigene Frau!“, lachte der Wächter und zwinkerte Scotty gratulierend zu. Der nickte nur lächelnd zurück.
„Na dann bringen Sie ihm mal bei, dass er mir mit Ihnen folgen soll.“, sagte Barnaby. „Geht das?“ „Das geht.“, sagte ich und drehte mich zu Data: „Data, Mr. Barnaby folgen! Weg speichern!“ Dabei deutete ich mit der freien rechten Hand in Laurences Richtung, damit Data auch wusste, wen ich meinte. „Sie können jetzt vorgehen, Mr. Barnaby.“, lächelte ich. „OK.“, sagte der Leibwächter und ging los. Data und ich folgten in einigem Abstand.
„Sie scheinen ja die ganzen Befehle für ihn auswendig zu können.“, staunte Laurence. „Hat das lange gedauert? Ich meine, haben Sie viel büffeln müssen?“ „Ach, es ging.“, lächelte ich zurück. „Ich habe es aber nie als Belastung empfunden. Schließlich könnte es im Zweifel mein Leben retten.“ „Ah ja.“, machte Barnaby.
Wir hatten das Schloss durch das große Tor betreten. Nun zog Laurence erneut sein Sprechgerät, um ein Rufzeichen einzugeben. „Mr. Saron, ich bringe Besuch für die Präsidentin mit.“, sagte er. „Es handelt sich um Allrounder Scott. Sie sagt, sie habe eine wichtige Nachricht von ihrem Commander für sie, die sie ihr nur persönlich übergeben kann.“ „Bringen Sie den Allrounder erst einmal zu mir, Laurence.“, kam die Antwort des Sekretärs zurück. „In Ordnung.“, sagte Laurence und wir gingen weiter, nachdem er das Sprechgerät wieder eingesteckt hatte.
Mit einem Turbolift gelangten wir in ein weiteres Stockwerk. Dabei war mir aufgefallen, dass das Schloss von innen lange nicht so mittelalterlich war, wie es von außen wirken sollte. Hier hatte doch tatsächlich die moderne Zeit Einzug gehalten, eine Tatsache, auf die ich Barnaby ansprach: „Wem gehört dieses Schloss, Mr. Barnaby?“ „Es gehört der Präsidentin.“, sagte er. „Sytania hat es als Verlobungsgeschenk für sie bauen lassen. Übrigens werden wir sie bald alle als Mitregentin, aber weiterhin mit Sie, ansprechen müssen. Das gilt aber erst für nach der Hochzeit.“ „Interessant.“, sagte ich und versuchte dabei, meiner Stimme eine möglichst neutrale Note zu verleihen. Sicher war mir klar, dass Sytania die Einzige war, die mit Majestät und mit Ihr angeredet werden wollte. Das würde sie klar von Nugura abheben und dieser auch sagen, dass sie trotzdem von der Prinzessin als viel geringer geachtet wurde. Ach, was sagte ich! Prinzessin! Hier war Sytania ja sogar die so genannte Großartige Königin! Ich musste wahnsinnig an mich halten, um meine Gefühle nicht zu zeigen, denn am liebsten hätte ich diese gesamte Föderation geschüttelt und gerüttelt, bis sie endlich alle miteinander aufwachen würden. Das stand aber im klaren Widerspruch zu dem, was ich einmal geschworen hatte.
Die Erhöhung meiner Pulsfrequenz war Data nicht entgangen. „Sind Sie in Ordnung?“, flüsterte er mir zu. „Ich bin OK.“, gab ich zurück. „Ist was?“, fragte Barnaby platt, der durch die Nähe zu uns das Gespräch sehr wohl mitbekommen hatte. „Es geht schon.“, sagte ich. „Wissen Sie, er ist programmiert, von Zeit zu Zeit meinen Gesundheitszustand zu überprüfen. Wenn ich ihm nicht bestätige, dass es mir gut geht, würden seine Systeme automatisch einen Notruf absetzen. Dazu würde er auch das nächste öffentliche Sprechgerät aufsuchen, wenn es notwendig wäre.“ „Ah ja.“, sagte Laurence. „Sehr interessantes Unterprogramm.“
Wir waren vor Sarons Büro angekommen. „So, Allrounder Scott.“, sagte Barnaby. „Wir sind da. Den Rest macht Mr. Saron mit Ihnen.“ „OK.“, sagte ich und wandte mich Data zu: „Data, anhalten! Verfolgung von Mr. Barnaby abbrechen! Türsprechanlage anzeigen!“ Dann lächelte ich Laurence zu: „Sie können jetzt gefahrlos gehen.“ „OK.“, sagte der Leibwächter und drehte sich fort, um die Örtlichkeit zu verlassen.
Data legte seine rechte Hand auf das Terminal der Türsprechanlage, wie ich es ihm gesagt hatte. So tastete ich mich an seinem Arm entlang zum Knopf, den ich dann auch drückte. „Kommen Sie rein, Allrounder Scott.“, kam es freundlich und ruhig von drinnen. „OK.“, gab ich zurück und meine Hand glitt an Datas Arm wieder in ihre alte Position zurück. Dann wartete ich, bis sich die Tür vor uns geöffnet hatte und befahl: „Data, geradeaus!“
Im Büro empfing uns ein leicht irritierter Saron. „Oh wie kriegen wir das denn jetzt hin?“, fragte er. „Ich habe noch nie mit solchen automatischen Hilfsmitteln gearbeitet.“ „Das müssen Sie nicht.“, lächelte ich. „Es reicht, wenn ich es tue. Klopfen Sie einfach auf den nächsten Stuhl, falls Sie wollen, dass ich mich setze. Oder worum geht es Ihnen?“ „Ja.“, sagte Saron. „Ich muss ja erst klären, ob Nugura Sie jetzt empfangen kann.“ „OK.“, sagte ich.
Der Sekretär ging zu einem der Gästesessel und klopfte darauf. „Data, dem Geräusch folgen.“, sagte ich. „Stuhl anzeigen!“
Saron beobachtete fasziniert, wie Data mich in den Sessel manövrierte. Dann sagte er: „Ich gebe ihr jetzt Bescheid!“ „In Ordnung.“, sagte ich und lehnte mich wartend zurück.
Er wandte sich der Sprechanlage auf seinem Schreibtisch zu und drückte eine der Speichertasten. Dann hörte ich Nuguras Stimme, da Saron die Anlage wohl auf Lautsprecher geschaltet haben musste: „Was gibt es, Mr. Saron?“ „Allrounder Scott ist hier, Madam President.“, sagte der Sekretär und ich hörte sehr wohl die Anspannung in seiner Stimme. „Sie hat eine dringende Nachricht von ihrem Commander für Sie. Außerdem hat sie einen dieser neuartigen Androiden bei sich. Sie wissen schon. Die Dinger, die Mr. Scott in seiner Firma produziert. Ich fühle mich offengesagt mit der Situation etwas überfordert und weiß nicht so recht, wie ich mit ihr umgehen soll. Wie soll ich denn wem von beiden den Weg zu Ihnen erklären und …“ „Mr. Saron!“, unterbrach Nugura ihn scharf. „Wer von beiden wird denn die Entscheidungen treffen, hm?“ „Allrounder Scott natürlich, Madam.“, sagte Saron kleinlaut. „Sehen Sie!“, sagte Nugura streng. „Dann werden Sie jetzt die Güte haben und ihr sagen, sie soll ihrem Hilfsmittel beibringen, es soll der Beschilderung zum Thronsaal mit ihr folgen! Ich werde sie dort erwarten!“ „Wie Sie wünschen, Madam.“, sagte Saron und beendete die Verbindung.
Er drehte sich wieder mir zu und fragte: „Ist Ihr Hilfsmittel auf das Lesen von Schildern programmiert?“ „Aber natürlich.“, lächelte ich ihm beruhigend zu. Mir war ebenfalls längst klar, dass die Situation, die er vorgefunden hatte, ihn etwas aus der Bahn geworfen haben musste. „Wenn er mich auf der Straße führt, dann muss er ja auch die Verkehrsschilder lesen können. Außerdem liest er mir auch im Alltag so einiges an Displays vor.“ „Ah, gut, gut.“, gab der immer noch leicht überfordert scheinende Sekretär von sich. „Dann sagen Sie ihm jetzt bitte, er soll der Beschilderung mit dem Text: zum Thronsaal folgen und Sie dort abliefern. Die Präsidentin erwartet Sie.“ „In Ordnung, Mr. Saron.“, sagte ich. „Es geht doch!“
Ich stand auf und wandte mich Data zu: „Data, Die Beschilderung mit dem Text: „Zum Thronsaal“ suchen und ihr folgen!“ So verließen Data und ich schließlich das Büro des nach dieser Aktion total erleichterten Saron.
Wir brauchten tatsächlich nicht lange, um zum Thronsaal zu gelangen. Ein Turbolift hatte uns bald in das höchste Stockwerk gebracht, wo wir auch bald vor der Tür standen. „Passen Sie auf, Data.“, flüsterte ich ihm zu, nachdem ich dachte, dass wir allein wären. „Gleich kommt ein Herold und wir müssen noch einen Knicks und einen Diener machen.“
Herold und Hornbläser blieben aber aus. So pathetisch wollte es Nugura dann wohl offensichtlich doch nicht. Stattdessen öffnete sich die große Tür vor uns, die Nugura vielleicht selbst durch die Betätigung eines Sensors geöffnet hatte. Dann sagte ihre Stimme: „Treten Sie ein, Allrounder!“ „Ja, Madam President!“, gab ich zurück und sagte zu Data: „Data, Nuguras Stimme folgen!“, und deutete in die Richtung, aus der ich die Stimme selbst wahrgenommen hatte.
Data setzte sich in Bewegung und nahm mich, die ich meine Hand noch immer auf seinem Arm platziert hatte, mit sich. Wir erreichten bald den Audienztisch. Hier deutete Nugura auf den Stuhl links neben dem ihren: „Setzen Sie sich.“ Ich nickte und bedeutete Data per Befehl, mir den Stuhl anzuzeigen, auf den Nugura soeben gezeigt hatte.
Nachdem ich mich gesetzt hatte, stand sie auf und ging zum Replikator, um bald darauf mit einem Tablett mit weißen bauchigen Teeschalen und einer Kanne zurückzukehren. Außerdem gab es noch einen Milch- und einen Zuckertopf, sowie eine Schale mit Gebäck. „Sehr liebenswürdig, Madam President.“, sagte ich. „Aber ich werde nicht lange bleiben.“ „Trotzdem werde ich meine Manieren nicht vergessen, Allrounder.“, sagte Nugura und goss mir sogar persönlich Tee ein. Dann setzte sie sich wieder auf ihren Platz und bediente sich selbst.
Wir nahmen beide einen großen Schluck aus unseren Tassen. Dann fragte sie: „Und was ist das nun für eine Nachricht, die Ihr Commander für mich hat, Allrounder Scott?“ „Es geht um Ihre und Sytanias Hochzeit.“, sagte ich und druckste herum. Ich hatte mich zwar eigentlich entschieden, mich gemäß der hier geltenden Regeln zu verhalten, da mir aber von Beginn an eingetrichtert worden war, Sytania sei der Feind, hatte ich immer noch meine Schwierigkeiten, mich mit der jetzigen Situation anzufreunden. Beides, also nach den gesellschaftlichen Regeln zu spielen und Sytania als Feind zu erkennen, war mir durch mein Sternenflottentraining beigebracht worden und diese beiden Überzeugungen rangen jetzt in mir um die Vorherrschaft. Wenn es mir nicht gelang, diesen Kampf zu beenden, würden wir in drei Jahren hier wohl immer noch sitzen. Das stand für mich fest. Aber was sollte ich tun?
„Na, was ist denn?!“, fragte Nugura etwas unwirsch. „Also wirklich! Sie sind ausgebildete Kommunikationsoffizierin und Raumschiffpilotin mit rudimentären Kenntnissen in allen anderen wichtigen Fächern und Sie kriegen noch nicht einmal eine einfache Nachricht über die Lippen! Wenn es etwas sein sollte, das Sie mir schonend beibringen müssen, dann nutzen Sie doch Ihre rudimentären Kenntnisse in Psychologie. Stellen Sie sich vor, ich wäre ein Mitglied einer neuen Spezies, das Sie am SITCH davon überzeugen müssen, etwas zu warten, weil Commander Kissara leider gerade keine Zeit hat, oder so. Lassen Sie sich etwas einfallen!“
Ich wusste nicht wie, aber sie hatte einwandfrei diesen Kampf der Überzeugungen in mir beendet. Jedenfalls konnte ich plötzlich aufstehen, mit der rechten Hand salutieren und mich sagen hören: „Madam President, Allrounder Betsy Scott bedauert melden zu müssen, dass Commander Kissara nicht als Ihre Trauzeugin fungieren kann! Scientist Loridana und sie sitzen wegen einer technischen Panne des Liners auf Demeta fest! Die Panne kann wohl erst übermorgen behoben werden! Daher bitte ich Sie, mein Angebot als Vertretung meines Commanders zu akzeptieren!“
Nugura begann plötzlich, über ihr ganzes Gesicht zu grinsen. Dies konnte ich an ihrer Stimme sehr gut ausmachen, als sie sagte: „Bitte gewährt, Allrounder! Angebot akzeptiert! Sie wissen gar nicht, was Sie gerade getan haben! Sie haben nicht nur meine Hochzeit, sondern auch meinen Tag gerettet! Sytania besteht darauf, dass wir morgen heiraten! Länger hätte sie nicht gewartet! Die Hochzeit wäre gestorben, hätten Sie nicht …“
Sie stand auf: „Kommen Sie! Wir machen einen Spaziergang im Park und ich informiere Sie über Ihre Aufgaben. Wir werden nämlich nach imperianischem Ritus heiraten!“
Ich stand ebenfalls auf, hängte mich bei Data ein und befahl ihm, Nugura zu folgen und den Weg zu speichern. Dann machten wir uns auf den Weg.
Dieser führte uns aus dem großen Tor in den Schlosspark, wo wir zwischen in Fasson geschnittenen Buchsbäumen, die größten Teils Helden aus der Vergangenheit der Föderation darstellten, in eine Allee abbogen, die von großen alten Bäumen gesäumt war, die ihres Umfangs nach mindestens 1000 Jahre alt sein mussten. Das konnte zwar nicht sein, denn die Dimension gab es schließlich erst einen Tag. Es schien aber zu den Dingen zu gehören, die Benevidea so darstellte, wie sie ihr genehm waren. Durch Datas leise Beschreibung war ich sogar derart über die Situation im Bilde, dass ich erkannt hatte, dass es sich bei den Pflanzen in diesem Park fast ausschließlich um Pflanzen imperianischen Ursprungs handelte. Sie schienen das nordamerikanische Klima gut zu vertragen. Mich wunderte aber, dass es hier fast nichts aus Nuguras Heimat Elyrien zu geben schien. Wenn das hier wirklich ihr Schloss war, dann hätte ich eigentlich etwas anderes erwartet. Sicher hätten dann vielleicht Habitate mit künstlichen Umweltkontrollen angeschafft werden müssen, aber das war ja sogar in meiner eigentlichen Heimat kein Problem. Welchen Grund konnte es also dann dafür geben? Während ich mir diese Frage stellte, ahnte ich allerdings noch nicht, wie sinnbildlich die Einrichtung dieses Parks sein würde.
Neben einer Statue aus Marmor, die Nugura und Sytania gemeinsam auf ihrem Thron darstellte, gabelte sich der Weg. „Richtung unklar. Bitte definieren.“, meldete Data. Diese kurze Meldung passte durchaus zu seiner Rolle. Ich warf fragend den Kopf nach hinten und drehte ihn dann in Nuguras Richtung. „Wir gehen nach links!“, sagte sie. „OK!“, gab ich zurück und drehte mich zu Data: „Data, links! Dann geradeaus!“
Nachdem wir den Weg eingeschlagen hatten, wandte sich Nugura mir zu: „Da gibt es etwas, das mir schon die gesamte Zeit über aufgefallen ist.“ „Und was ist das, Madam President?“, wollte ich wissen. „Es hat einen Namen?“, fragte Nugura und deutete hörbar auf Data. Ich konnte ihren Fingerzeig hören, da ihre Kleidung stark raschelte und sie sehr nah bei uns stand. „Ja.“, nickte ich. „Es ist ein Prototyp. Ich teste ihn. Wissen Sie, ich habe meinen Mann überraschen wollen zu unserem Hochzeitstag. Ich wusste, dass er schon seit Monaten über etwas brütet, das unsere Androiden von anderen unterscheidet. Da hatte ich einige Ideen und habe mit seinen Mitarbeitern etwas konspiriert. Es sollte ein Hochzeitsgeschenk für ihn werden.“
Wir setzten uns auf eine kleine Mauer, die einen Springbrunnen umfasste, in dessen Mitte eine Statue von Sytania saß, die ein Füllhorn in der Hand hatte, aus dem das Wasser sprudelte. Brunnen und Statue waren ebenfalls aus Marmor. „Sie sind ja doch eine Romantikerin, Scott!“, staunte Nugura. „Dabei hätte ich Sie nie so eingeschätzt. Aber wie sagt man doch so schön: Stille Wasser sind tief. Oh, Sie werden eine wunderbare Trauzeugin abgeben! Aber ich sollte Ihnen dazu vielleicht erst einmal sagen, was auf Sie zukommt. Also. Sytania und ich werden nach dem imperianischen Ritus der Könige heiraten. Das bedeutet, Es wird auch ein Ritual geben, bei dem Blut eine Rolle spielt. Sytania und ich werden von einer der Trauzeuginnen mit einem zeremoniellen Dolch geschnitten. Dieses Blut fließt dann in ein kleines Tintenfass. Dann wird die andere Trauzeugin es so lange schütteln, wie ein vendarischer Chor zeremonielle Lieder singt. Das wird das Blut im Fass vermischen und dann unterschreiben Sytania und ich damit ein altes aber gut von den Vendar gepflegtes Pergament, die so genannte Hochzeitsrolle. Außerdem ermögliche ich Sytania dadurch eine direkte mentale Verbindung mit meiner Dimension.“
Bei ihrem letzten Satz wurde ihre Stimme immer verträumter. Das fiel mir schon auf. Ich hätte sie am liebsten am Schlafittchen gepackt und ordentlich geschüttelt, damit sie aufwacht und sich über die Konsequenzen ihres Handelns klar wurde. Aber das durfte ich ja nicht. Also fasste ich mich, atmete einige Male tief durch und sagte dann: „Wer von uns soll denn nun welche Aufgabe übernehmen? Und wie macht Sytania das?“ „Sie gibt dafür temporär ihre Unverwundbarkeit auf. Das mussten Sie sich doch wohl denken können, Scott! Aber wegen der Aufgaben sagen Sie tatsächlich etwas. Ursprünglich sollte Kissara uns schneiden und Cirnach das Fass schütteln. Da Sie aber nicht sehen, wohin Sie schneiden und es Ihnen deshalb sicher zu gewagt ist, werden wir die Aufgaben einfach tauschen.“ „Und dagegen hat Ihre Verlobte nichts, Madam?“, fragte ich. „Ich denke nicht.“, sagte Nugura. „Aber wir können sie ja fragen.“
Sie wollte gerade etwas aus ihrer Tasche holen, als der Schrei eines Falken die Luft zerriss. Dann stieß tatsächlich ein Vogel auf uns nieder, ließ direkt auf Datas Kopf etwas fallen und flog dann zu Nugura hinüber, um sich auf ihre ausgestreckte rechte Faust zu setzen. Ich war kurz erschrocken, denn Vögel waren für mich immer etwas unberechenbar gewesen, da ich sie im Allgemeinen erst dann hörte, wenn es schon zu spät war. Nugura aber warnte mich vor: „Scott, keine Angst!“ Dann zog sie den Arm mit dem Vogel näher an uns heran und begrüßte ihn: „Leonard, Hallo, mein schöner Bube! Hat deine Herrin dich wieder vorgeschickt? Na, dann wird sie ja auch bald kommen.“
Erst jetzt war mir aufgefallen, dass das Falkenmännchen eine Schelle am Fuß trug. Offenbar war er ein Jagdfalke. Mich irritierte allerdings die Tatsache etwas, dass Nugura und Sytania ihn offensichtlich nach dem Arzt der Enterprise unter Kirk benannt hatten. Andererseits war Leonard im englischen Sprachgebrauch auch ein recht verbreiteter männlicher Vorname. Mein Schluss konnte also auch trügen. „Wollen Sie mir ernsthaft sagen, Sytania hätte ihn mittels ihrer Macht den ganzen Weg hierhergebracht?“ „Nun, sicher nicht den ganzen Weg.“, sagte Nugura. Sie hat ihn wohl nur in unsere Dimension und in die Atmosphäre der Erde teleportiert. Den Rest hat er mit den eigenen Flügeln geschafft. Aber …“
Sie konnte nicht aussprechen, denn im nächsten Augenblick gab es einen schwarzen Blitz und dann stand Sytania vor uns. Sofort war Nugura aufgesprungen und sie und die Prinzessin hatten sich umarmt und geküsst. Wieder musste ich sehr mit mir kämpfen, denn die entsprechenden Geräusche trieben den Ekel in mir hoch! Wie konnte Nugura nur so naiv sein?! Wie konnte sie nur?!
Endlich hatten sie wieder voneinander gelassen und Nugura sagte: „Sytania, mein Liebling, das ist Allrounder Betsy Scott. Sie wird den Part von Commander Kissara übernehmen, die leider nicht verfügbar ist. Das bedeutet allerdings, es gibt jetzt ein Problem. Vielleicht könnten Cirnach und sie die Aufgaben tauschen.“ „Von mir aus!“, sagte Sytania. „Hauptsache ist doch, dass wir morgen heiraten. Es kommt nur alle zehntausend Jahre vor, dass im Dunklen Imperium und auf der Erde gleichzeitig Vollmond ist und das muss sein. Das ist doch so schön romantisch, nicht wahr, Nugura, mein Liebling?“ Nugura nickte nur und seufzte verträumt.
Ich musste hier raus! Ich musste eindeutig hier raus! Wenn ich diesem Treiben noch länger zusah, würde ich explodieren! Also sagte ich: „Wenn ich jetzt alle Informationen habe, dann würde ich gern gehen. Mein Mann wartet sicher schon.“ „Sie haben alle wichtigen Informationen, Allrounder.“, sagte Nugura. „Wegtreten!“ „Aye, Madam President.“, sagte ich und hängte mich wieder bei Data ein, dem ich dann auch gleich befahl: „Data, Ausgang! Scottys Jeep suchen und Beifahrertür anzeigen!“ Dann gingen Data und ich. Mich tröstete nur der Umstand, dass Data auch gemerkt haben würde, wie es mir ging. In einer stillen Stunde würden wir hoffentlich darüber reden können.
Kapitel 17: Ein Gordischer Knoten platzt
von Visitor
Die Electronica war mit Warp sieben in Richtung der Weltraumwirbel unterwegs, die eine interdimensionale Pforte zwischen dem originalen Universum der Föderation und dem Dunklen Imperium darstellten. Sicher hatte auch Times Schiff mittlerweile einen interdimensionalen Antrieb, der Commander hatte es aber so entschieden, um Sensora genug Zeit zu verschaffen, mit Benevidea zu reden und Ketna und Solthea eine Möglichkeit zu geben, ein Heilmittel zu finden. Mit letzterem waren die beiden Medizinerinnen auch jetzt im Labor der Krankenstation beschäftigt. Erneut hatten sie eine der bisher von ihnen versuchten unzähligen Simulationen durch den Computer laufen lassen wollen. Sie erhofften sich von dieser den absoluten Durchbruch, denn es war die allerletzte Möglichkeit, die Ketna noch einfiel. „Programmieren Sie eine Gewebeprobe von Invictus!“, ordnete Ketna gegenüber Solthea an. „Aye, Madam.“, sagte die medizinische Assistentin und führte den Befehl aus. Dann ließ sie den Computer die Simulation starten. Bald darauf gab es aber eine schwere Abstoßungsreaktion. „Das Immunsystem des Patienten stößt das Implantat ab.“, meldete der Computer und auch die Ärztin und ihre Assistentin konnten anhand der Werte gut sehen, wie es der simulierten Benevidea in dem Programm ging. Ihr Blutdruck fiel im gleichen Tempo, in dem ihre Körpertemperatur aufgrund des starken Fiebers stieg. Dann hörte ihr Herz schlagartig mit seiner Tätigkeit auf und auch ihr Atem stand still. Im gleichen Augenblick zeigten alle Geräte eine Nulllinie. „Sie ist tot, Madam!“, meldete Solthea.
Ketna wandte sich kurz dem Schirm zu und seufzte. Dann legte sie resignierend die Hände in den Schoß. „Was für ein Glück, dass wir das nicht bei der echten Benevidea versucht haben.“, sagte sie. „Zellgewebe von einem so nahen leiblichen Verwandten zu nehmen, das war meine letzte Hoffnung. Aber sogar das wird abgestoßen. Es muss aber Gewebe sein, das an das alte anwachsen kann. Wenn wir das letzte Bisschen ihres eigenen Zentrums entfernen, um ein völlig neues einzusetzen, dann töten wir sie auf der Stelle.“ „Wir haben also die Wahl zwischen Pest und Cholera.“, sagte Solthea resignierend. „Genauso ist es, Assistant.“, bestätigte Ketna. „Wir werden Time wohl berichten müssen, dass wir mit unseren Möglichkeiten am Ende sind.“ „Also gut.“, sagte die medizinische Assistentin. „Nur, wer von uns soll gehen? Ich halte es für nicht gut, das alles über die Sprechanlage zu regeln.“ „Ich auch nicht, Solthea.“, sagte Ketna. „Aber ich werde selbst gehen und es Time sagen. Ich bin die Verantwortliche hier und kann ihm vielleicht auch aufgrund meiner Kenntnisse eher Antworten liefern als Sie.“ „In Ordnung.“, sagte Solthea. „Dann übernehme ich hier.“ Ketna nickte ihr nur zu und ging aus dem Raum.
Ihr Weg führte sie zur Brücke, wo sich Time und sein Erster Offizier befanden. Über die Sprechanlage des Frachtraums, der zu Benevideas neuem Stall umfunktioniert worden war, konnten sie genau hören, was Sensora und das kleine Einhorn mit Hilfe von Cendas Software miteinander besprachen. „Sensora scheint auf einem guten Weg zu sein, Sir. Ich denke, es wäre fatal, wenn wir ihr das Ganze jetzt aus der Hand nähmen.“, urteilte Yetron. „Wie kommen Sie darauf, dass ich das vorhaben könnte, Agent?“, fragte ein sehr erstaunter Time. „Nun, ich habe beunruhigende Gerüchte von der Krankenstation gehört, Sir.“, erklärte der Demetaner. „Wenn diese der Wahrheit entsprechen sollten, könnten wir gezwungen sein, unseren Flug zu beschleunigen, um Benevidea schneller bei ihrer Familie abliefern zu können. Das würde Sensora jegliche Option nehmen.“ „Was sind denn das für Gerüchte, Agent?“, fragte Time.
Die Tür der Brücke öffnete sich und Ketna kam herein. Ihr Blick war Richtung Boden gerichtet und auch sonst sah sie sehr niedergeschlagen aus. „Solthea und ich haben unsere Möglichkeiten ausgeschöpft, Sir.“, sagte die Zeonide traurig. „Wir können ihr nicht helfen. In den Simulationen sind alle Versuche fehlgeschlagen. Es gab jedes Mal eine Abstoßungsreaktion, die mit dem Tod der Simulation Benevideas geendet hat.“ „Haben Sie es mit Gewebe aus Invictus’ Zentrum versucht?“, fragte Time. „Ich meine, er ist immerhin ihr Vater. Gewebe von einem so nahen Verwandten müsste doch eigentlich vertragen werden, oder?“ „Das haben wir, Commander.“, sagte die Ärztin. „Aber auch das wurde abgestoßen. Den Grund dafür kenne ich aber selbst nicht.“
Yetron hob die Hand. „Ja, Agent.“, sagte Time. „Ich gebe zu, ich bin kein Arzt.“, sagte der Demetaner. „Deshalb könnte meine Theorie eventuell fehlerhaft sein. Aber es könnte meiner Ansicht nach daran liegen, dass es sich um Gewebe ihres Vaters und nicht ihrer Mutter handelt. Benevidea ist weiblich. Ihre Zellen haben eine Kombination aus zwei X-Chromosomen. Die von Invictus enthalten X und Y, weil er männlich ist. Ich denke, je empfindlicher das Gewebe ist, an das die Zellen anwachsen sollen, desto empfindlicher reagiert es auch auf Abweichungen und ich halte das Gewebe von telepathischen Zentren für sehr empfindlich.“
Ketna sah den Demetaner erstaunt an. Dann lächelte sie. „Aber natürlich, Mr. Yetron! Warum bin ich nicht darauf gekommen und wie ist das Ihnen gelungen?“ „Ich denke nicht, dass Sie sich Sorgen wegen eventueller Unterqualifikation machen müssen, was Ihren Job angeht.“, tröstete Yetron. „Ich konnte die Theorie auch nur aufstellen, weil ich genau darauf geachtet habe, was Sie gesagt haben, Ketna. Das kommt also nur durch meine jahrelange Erfahrung als vernehmender Agent in diversen Situationen.“
„Und was tun wir jetzt?“, fragte Time. „Von Benevideas leiblicher Mutter können wir kein Gewebe bekommen, aus dem man ein telepathisches Zentrum züchten könnte. Kipana ist ein sterbliches Pferd.“ „Wir können im Moment gar nichts tun.“, sagte Ketna. „So ironisch das vielleicht klingen mag, Sir. Aber wir helfen ihr am besten, indem wir gar nichts tun. Ich gebe ihr zwar Medikamente, die ihre Symptome abfedern, aber solange sich ihr Zustand nicht verschlimmert, sollten wir auf medizinischem Wege besser nicht von unseren bisherigen Gewohnheiten abweichen, Commander.“ „Schon gut.“, sagte Time. „Ich will auch Sensora nicht vorgreifen. Danke, Scientist. Wegtreten!“ Ketna nickte und verließ die Brücke.
Wie gut der Weg war, auf dem Sensora sich befand, sollte sich zur gleichen Zeit im genannten Frachtraum herausstellen. Hierhin hatte sich der Allrounder der Sternenflotte nämlich begeben, um ein weiteres Mal mit Benevidea zu sprechen. Die Software, die von Techniker Cenda geschrieben worden war, hatte sich nämlich mittlerweile als sehr gängig herausgestellt. Sicher musste vieles mit menschlichen Maßstäben interpretiert werden, denn manche Begriffe wurden einfach mit den in der Verhaltenslehre gängigen Ausdrücken übersetzt, aber das bekamen Yetron und Time schon hin, die interessiert dem Geschehen an den Monitoren ihre Aufmerksamkeit schenkten. Das Schiff flog derweil auf Autopilot. Das war aber kein Problem, da ihr Weg sie noch eine Weile durch ruhigen offenen Weltraum führen würde. Zumindest dann, wenn Time seine Entscheidung, Benevidea über den langen Weg in ihre Heimat zu bringen, nicht widerrufen würde.
Benevidea hatte ihre neue Freundin sofort erblickt, als diese den künstlich angelegten Wald betreten hatte und sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte. Sofort trabte sie auf Sensora zu und schnupperte an ihr, was das Programm mit: „Hallo, Sensora!“, übersetzte. „Hi, Benevidea.“, sagte die Androidin freundlich und ihre Hände streichelten ebenfalls sanft über das Fell des jungen Einhorns. „Pass auf, dass du dich nicht übernimmst. Ketna sagt, du bist noch sehr krank.“ „Schon gut, Sensora.“, übersetzte das Programm das Senken des Kopfes, das Benevidea darauf hin tat. Dann übersetzte es ihre zurückgelegten aber dennoch dem Kopf fernen Ohren, ihr leises Schmatzen und ihren sanften Blick mit: „Entschuldigung!“ „Wofür entschuldigst du dich denn?“, fragte Sensora.
Natürlich wurden auch ihre Fragen in Gesten und Bewegungen des Einhorns vor ihrem und Benevideas geistigen Augen übersetzt, was eigentlich nicht notwendig war, denn Benevidea konnte die menschliche Sprache ja trotzdem verstehen. Da ihr telepathisches Zentrum aber immer noch schwer verletzt war, konnte sie eben nicht darin antworten. Cenda und Yetron hatten aber sichergehen wollen. Deshalb hatte die Celsianerin auch diesen Weg programmiert.
„Ich habe echt Mist gebaut.“, sagte die Stimme des Übersetzers und Benevidea machte ehrfürchtig einige Schritte rückwärts. „Was willst du denn Schlimmes getan haben?“, fragte Sensora und drehte einladend ihre rechte Schulter in Richtung der kleinen Stute. Damit wollte sie ihr zeigen, dass sie trotz allem immer noch willkommen in ihrer Herde von zweien war. Sensora hatte sich nämlich auch außerhalb dieses Programms informiert, nachdem sicher war, dass sie Benevideas Babysitterin bleiben würde, solange sich das Einhorn an Bord von Times Schiff befand. „Ich habe Betsy und Data entführt.“, gestand Benevidea. „Aber ich hatte und habe Angst!“ Sie galoppierte durch den gesamten Raum. Erst nach einigen Minuten blieb sie wieder völlig außer Atem vor Sensora stehen. Ihre Augen waren weit aufgerissen, so dass die Androidin das Weiße des Augapfels gut sehen konnte. „Wovor hast du denn solche Angst?“, fragte sie. „Eure Leitstute.“, sagte die Stimme des Übersetzers. „Ich habe Angst, dass sie eure Herde verlässt und sie an eine andere böse Fremde übergibt.“ „Mit der Leitstute meinst du Nugura, nicht wahr?“, vergewisserte sich Sensora. Benevidea nickte. „Dann ist die Herde die Föderation. „ Die böse Fremde ist sicher Sytania. Aber wie kommst du darauf?“ „Betsy und Cirnach haben zusammengearbeitet.“, antwortete das Einhorn. „Ich habe Angst, Nugura könnte jetzt denken, dass Sytania auf Dauer Frieden will und sie könnte ihr einfach die Föderation übergeben.“ „Aber nein.“, tröstete Sensora. „So naiv ist Nugura nicht. Meine Kameradin hat ja auch in ihren Bericht geschrieben, dass es Sytania gar nicht gefallen hat, dass Cirnach mit ihr zusammengearbeitet hat. Wenn sie das aber nicht getan hätte, dann würden wir alle heute nicht mehr leben. Natürlich musste es sein. Diese Zusammenarbeit war das Vernünftigste, was sie tun konnten. Das hat Sytania nur gar nicht verstanden. Die wollte gar nicht, dass es zu einer Zusammenarbeit kommt. Nugura weiß das auch. Hat dir das niemand erklärt?“ „Nein.“, antwortete Benevidea und schüttelte den Kopf. „Du bist die Erste, die das tut, Sensora. Weil ich aber gedacht hatte, dass Nugura so dumm ist, habe ich eine Dimension erschaffen, in der es so ist und Betsy und Data sind da jetzt. Sie sollten sehen, was passiert, wenn Nugura Sytania aus der Hand frisst. Sie können von allein nicht zurück. Nicht bevor sie ihre Lektion gelernt haben. Es gibt dort auch eine Kopie von Sytania.“
Sensora fuhr zusammen. „Das bedeutet ja, es gibt jetzt zwei Minus-Pole und nur einen Plus-Pol im Dunklen Imperium. Die Dimension muss ja völlig aus den Fugen geraten! Das würde aber zumindest einiges erklären. Deine Schöpfung ist außerdem viel zu schnell entstanden. Die Natur hatte überhaupt keine Zeit, sich vorzubereiten. Normalerweise benötigt eine Dimension viel länger, um sich zu dem zu entwickeln, was sie heute ist. Normalerweise würde ich sagen, du musst das wieder rückgängig machen! Aber das kannst du ja nicht.“
Die Stimme des Übersetzers ließ Benevidea schluchzen und ihr Blick wurde traurig. Wieder nahm sie die Entschuldigungshaltung ein: „Es tut mir leid!“ „Ist schon gut.“, antwortete Sensora. „Du hast die Sache eben mit den Augen eines Kindes betrachtet. Da kann es schon mal zu solchen Ängsten kommen. Aber wie können wir Data und Betsy denn jetzt befreien? Weißt du das?“ „Nein.“, sagte Benevidea traurig und schüttelte den Kopf. „So war das ja alles gar nicht geplant. Aber als ich die Verbindung verloren hatte, da …“
Sensora ging vorsichtig auf das junge Einhorn zu und begann damit, es vorsichtig zu kraulen. „Jetzt muss ich mich bei dir entschuldigen.“, sagte sie. „Meine Reaktion war wohl etwas forsch. Aber meine Programmierung lässt mich genau das gleiche Verhalten an den Tag legen, das auch ein Mensch mit meinem Wissen gezeigt hätte. Du kannst im Grunde gar nichts dafür. Deine Leute hätten dir die Politik besser erklären sollen. Wenn Betsy bei euch gewesen wäre, dann hätte sie das bestimmt getan. Es ist aber gut, dass du uns alles gesagt hast. So wissen wir zumindest, was geschehen ist und können damit arbeiten. Noch einmal: Niemand hier will dich bestrafen und niemand will dir etwas Böses. Wir bringen dich nach Hause und vielleicht können uns allen ja deine Leute helfen. Valora und die anderen sind ja viel stärker, als du es je warst. Vielleicht können sie ja etwas machen.“ „Das können sie nicht, Sensora.“, sagte Benevidea. „Sie haben die falsche Neuralsignatur. Ich habe es so gemacht, dass nur ich eingreifen könnte.“ „Ach du meine Güte!“, erwiderte Sensora. „Dann dürften wir ein Problem haben. Hör zu! Ich werde mit Time und Yetron über die Sache reden. Dann reden die mit anderen und dann finden wir sicher eine Lösung. Wir sind schon aus weitaus schlimmeren Situationen herausgekommen. Vielleicht können uns ja die Tindaraner helfen. Die kennen sich ja mit interdimensionalen Problemen super aus! Zumindest tut das Techniker McKnight. Sie ist zwar selbst keine Tindaranerin, aber sie arbeitet für sie und lebt bei ihnen.“ „OK.“, sagte Benevidea. „Darf ich mich an dich kuscheln?“ Sensora nickte nur lächelnd. Dann legte das kleine Einhorn langsam ihren Kopf an Sensoras Brust.
Time und Yetron sahen einander zufrieden an. „Sie hat es geschafft, Yetron!“, stellte Time fest. „Sie hat es tatsächlich herausbekommen! Jetzt wissen wir zumindest, warum und was Benevidea getan hat.“ „Bei dem Vertrauensverhältnis der beiden hatte ich da niemals Zweifel, Commander.“, entgegnete der Demetaner. „Ich werde ihr jetzt Bescheid geben, dass sie zur Brücke zurückkommen kann.“ „Eine sehr gute Idee, Agent.“, sagte Time. „Wenn sie wieder da ist, kann sie mich auch gleich mit Commander Zirell verbinden.“
Wie auf Stichwort ertönte plötzlich ein Signal vom Computer und dessen elektronische Stimme sagte: „Ankommender Ruf.“ „Ist das Rufzeichen bekannt, Computer?“, fragte Time ins Mikrofon. „Affirmativ.“, gab der Rechner der Electronica zurück. „Speichernamen anzeigen!“, befahl Time.
Sofort konnte der Terraner auf dem Schirm lesen, dass es sich um das dienstliche Rufzeichen Commander Zirells handelte. „Das trifft sich ja sehr gut.“, stellte er fest. Dann wandte er sich wieder dem Rechner zu: „Auf den Hauptschirm, Computer!“ Auf diese Weise würde er dafür sorgen, dass sich alle hören konnten und dass auch alle etwas zu dem Thema beitragen konnten, die an dem Gespräch beteiligt sein würden.
Jetzt betrat auch Sensora die Brücke. Yetron hatte sie über ihr Handsprechgerät verständigt. „Da sind Sie ja, Sie Heldin!“, sagte Time, als er sie erblickt hatte. „Setzen Sie sich mal besser ganz schnell auf Ihren Platz. Es könnte gleich sehr interessant werden.“ Die Androidin nickte und folgte der Empfehlung ihres Vorgesetzten.
Time räusperte sich und wandte sich dann Zirell zu: „Wir sind ganz Ohr, Zirell!“ „Nanu.“, wunderte sich die Tindaranerin am anderen Ende der Verbindung. „So locker drauf heute, Peter? Das bist du doch bestimmt nicht ohne Grund.“ „Das kannst du aber auch meinen, Zirell!“, sagte der Terraner, dessen Charakterzüge von Zeit zu Zeit an die von Captain Kirk erinnerten, fast stolz. „Wir haben nämlich eine Menge ganz frischer neuer Daten.“ „Ach was für ein Zufall.“, entgegnete Zirell. „Die haben wir nämlich auch. Schick du mir deins, dann schicke ich dir meins.“ „OK.“, sagte Time und wandte sich Sensora zu: „Allrounder, senden Sie Ihre Daten über Benevideas Vernehmung direkt an das Rufzeichen, mit dem wir gerade reden!“ „Aye, Sir.“, erwiderte Sensora und führte den Befehl ihres Commanders aus. „Jetzt bist du dran, Zirell.“, sagte Time. „OK.“, sagte die Tindaranerin. „Meins wird nur etwas umfangreicher. „ Nur so viel. Wir wissen, wo sich Data und Betsy Scott befinden. Aber am besten, ich schicke dir alles.“
Wenige Sekunden Später ging bereits die SITCH-Mail ein. „OK, Zirell.“, sagte Time. „Ich habe deins. Das ist ja wirklich eine Menge.“
Er wandte sich Yetron zu: „Agent, Gehen Sie in meinen Raum und sehen Sie sich dort die tindaranischen Daten an. Vielleicht wird mit unseren gemeinsam ja ein Schuh draus.“ „Aye, Commander.“, nickte der Demetaner und stand auf, nachdem Sensora, die Times Befehl bereits ableiten konnte, die Mail auf die Konsole im Bereitschaftsraum weitergeleitet hatte. Dann verließ der Demetaner die Brücke.
„Bei mir wird sich Maron um die Auswertung der Daten kümmern, Peter.“, sagte Zirell. „Offenbar ist eine Menge passiert. Kannst du mir eine kurze Zusammenfassung geben?“ „Ketna und Solthea können Benevidea nicht helfen.“, sagte Time. „Aber wir wissen jetzt, warum sie Scott und Data in ihre fleischgewordene Fantasiewelt entführt hat. Ihr Motiv heißt Angst, Zirell. Sie hatte Angst, dass wir, nur weil Cirnach und Betsy einmal zusammengearbeitet haben, uns naiver Weise Sytania hingeben. Habe ich das richtig interpretiert, Sensora?“ „Das haben Sie, Sir.“, hakte die angesprochene Androidin ein. „Ach du liebe Güte!“, rief Zirell aus. „Da hätte ihr aber mal dringend jemand was erklären müssen. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und wir kennen Sytania. Wir würden doch niemals auf ein Angebot von ihr eingehen. Sie wollte es doch außerdem gar nicht und hätte Cirnach und Telzan dafür doch am liebsten einen Kopf kürzer gemacht, wenn ich Scotts Bericht richtig gelesen habe. Sie wäre also sicher die Letzte, die uns Frieden versprechen würde.“ „Bei Benevidea kam das aber offensichtlich anders an.“, sagte Time. „Aber das ist kein Wunder. Sie ist ein Kind und denkt wie ein Kind. Ihr Verstand kann die feinen Nuancen zwischen einem Ja und einem Nein in diesem Fall vielleicht noch nicht erfassen. Aber da hätten Invictus und Valora vorsorgen müssen, wenn du meine Meinung hören willst.“ „Da stimme ich dir zu.“, sagte Zirell. „Aber wie können wir Scott und Data denn befreien?“ „Das können wir nicht.“, sagte Time. „Wenn dein Erster Offizier mit den Daten fertig ist, wird er dir sagen können, dass Benevidea die einzige wäre, die etwas verändern könnte. Die Dimension war aber zu lange ohne ihre Kontrolle. Es ist fraglich, ob sie überhaupt noch etwas tun kann. Dazu müssten wir aber erst mal ihr telepathisches Zentrum heilen und das können wir nicht. Ketna hat alles versucht. Es geht aber einfach nicht. Ich hoffe, dass ihre Familie uns zumindest da helfen kann.“ „Das hoffe ich auch.“, sagte Zirell. Wir sollten am besten dann weiterreden, wenn sich die Agenten mit den Daten beschäftigt haben.“ „OK.“, sagte Time und beendete die Verbindung.
Er wandte sich noch einmal Sensora zu: „Gut gemacht, Allrounder! Sehr gut gemacht! Jetzt wissen wir zumindest, woran wir sind.“ „Das mag sein, Commander.“, sagte Sensora höflich. „Danke für das Lob.“ „ Aber helfen wird es uns auch nicht. Weder uns, noch Data und Betsy. Wir wissen immer noch nicht, wie wir sie auf konventionellem Weg befreien sollen und heilen können wir Benevidea deshalb auch nicht. Ich möchte nicht, dass dies hier ihr Geständnis in der Stunde ihres Todes war, Sir.“ „Wenn Sie brav diesen Kurs halten, wird es das auch nicht sein, Sensora.“, sagte Time. „Sicher können Valora und Invictus ganz andere Seiten gegen ihre Erkrankung aufziehen.“ „Danke, Commander. Ich werde mein Bestes tun.“, sagte Sensora und wandte sich der Flugkonsole zu.
Auf Zirells Basis hatte sich Maron die Vernehmung Benevideas durch Sensora angehört. Plötzlich hatte der Erste Offizier die Aufzeichnung durch IDUSA stoppen lassen und Zirell, in deren Beisein er die Daten durchging, alarmiert angesehen. „Was gibt es, Maron?“, fragte die Tindaranerin interessiert. „Es gibt sogar eine Kopie von Sytania!“, sagte der Demetaner hektisch. „Oh!“, machte Zirell. „Das bedeutet, das Dunkle Imperium könnte jetzt zwei Minus-Pole und nur einen Plus-Pol haben. Kein Wunder, dass alles erneut aus den Fugen gerät.“ „Das könnte sein.“, sagte Maron. „Ich werde mit McKnight darüber reden. Diese Dimension muss aufhören zu existieren. Sie bringt tatsächlich alles durcheinander. Gleichzeitig müssten wir Data und Scott befreien und die einzige, die uns helfen könnte, wenn sie denn könnte, ist Benevidea, der wir aber zuerst helfen müssten, was wir nicht können. Verdammt! Wenn wir doch nur einen 1-eiigen Zwilling von ihr hätten! Die Gewebe wären identisch. Damit müsste es eigentlich gehen. Ich werde mal hören, was Ishan dazu meint. Aber so einen Zwilling haben wir nicht!“ Er seufzte laut auf. „Abwarten!“, sagte Zirell, stand auf und grinste. Dann winkte sie ihm noch zu und gähnte: „Es ist spät. Ich werde ins Bett gehen. Joran kommt gleich und übernimmt die Nachtschicht. Besprich du am besten alles mit ihm.“ Dann war sie aus der Tür. Dass sie etwas vorhatte, das stand für den Demetaner fest. Jetzt hätte er sein Leben darum gegeben, selbst telepathische Fähigkeiten zu besitzen. Da er diese aber nicht hatte, hoffte er nur, der Vendar würde bald auftauchen, um ihn abzulenken. Seine Neugier würde ihn sonst noch auffressen. Das spürte Maron deutlich.
Kapitel 18: Endlich Kontakt!
von Visitor
Data, Scotty und ich waren inzwischen wieder in unserem Haus angekommen. Meinem Ehemann war nicht entgangen, dass mich etwas ziemlich durcheinandergebracht hatte und auch Caruso hatte darauf reagiert, indem er sich laut schnurrend auf meinen Schoß gesetzt hatte. „Kannst du mir mal sagen, was dein Problem ist, Darling?!“, fragte Scotty. „Du kannst mir nichts erzählen. Ich merk’ doch genau, dass mit dir was is’.“ „Ach, es ist nur die Aufregung vor der Hochzeit, Scotty.“, redete ich mich heraus. „Die Aufregung vor der Hochzeit?“, fragte Scotty unsicher. „Welche Hochzeit meinst du denn? Wir beide müssen uns doch nich’ mehr um solche Sachen kümmern. Das haben wir doch hinter uns. Morgen ist doch nur unser Jubiläum!“ „Ich weiß.“, sagte ich. „Aber um uns beide geht es auch nicht, Montgomery. Ich kann leider morgen nicht mit dir feiern, weil ich dienstlich verhindert bin. Aber du wirst mich trotzdem sehen.“ „Du sprichst in Rätseln, Darling.“, sagte Scotty. „Was hast du denn mit der Präsidentin beredet? Was meinst du denn damit? Ich dachte, du wärst krankgeschrieben.“ „Das bin ich eigentlich auch.“, lautete meine Antwort. „Aber ich denke, dass mir ein wenig leichter Dienst nicht schaden kann. Zumal dann nicht, wenn ich ihn in der Heimat und gar nicht so weit weg von meinem Arzt absolviere. Oxilon wird ja wohl auch bei Sytanias und Nuguras Hochzeit anwesend sein, denke ich. Wenn etwas sein sollte, kann er sich ja um mich kümmern. Aber ich habe mich freiwillig als Nuguras Trauzeugin gemeldet. Kissara kann nicht, weil sie auf Demeta festsitzt. Das Linienshuttle, mit dem sie fliegt, hat eine technische Panne und deshalb musste Ersatz her.“ „Dass du dich auch immer freiwillig für alles hergeben musst, Darling.“, sagte Scotty. „Aber das is’ wohl so bei euch Sternenflottenoffizieren. Wenn die Oberbefehlshaberin ruft, steht ihr stramm. Da geraten private Interessen wohl schnell in den Hintergrund.“ „Aber das müsstest du doch noch kennen, Scotty.“, sagte ich. „Gerade von dir hätte ich mehr Verständnis erwartet. Du warst doch selbst einmal …“
Erst jetzt war mir bewusst geworden, dass die Geschichte für ihn ja vielleicht ganz anders verlaufen war. Das durfte ich ihn aber nicht wissen lassen. Deshalb sagte ich nur: „Ach, das ist bei dir ja schon über 1000 Jahre her. Entschuldige.“ „Schwamm drüber, Darling.“, sagte er. „Aber was musst du denn so Spektakuläres tun?“ „Komm doch einfach morgen in die Kirche von Santa Valora.“, sagte ich. „Dann wirst du es schon sehen.“ „Kirche?“, fragte Scotty verwirrt. „Mensch, Darling, die Gotteshäuser der Kindlichen Göttin heißen Tempel! Hast du das etwa auch vergessen?“ „Ach, dann komm eben in den Tempel.“, sagte ich genervt. „Du weißt doch, wie ich es meine.“
Data war offensichtlich der Meinung, mich aus dieser Situation befreien zu müssen. Deshalb sagte er plötzlich: „Benutzer-ID für Update erforderlich. Benötige Datenverbindung.“ „Was is’ jetzt, Darling?“, fragte Scotty. „Das hast du doch gehört.“, sagte ich. „Er will ein Update machen. Dazu brauchen wir das Sprechgerät und meine Benutzerkennung. Bitte verlass den Raum. Wenn er weiß, dass noch jemand die verbale Eingabe der Kennung mitbekommen könnte, wird er sie nur akzeptieren, wenn ich sie danach sofort wieder ändere und das habe ich erst. Außerdem hängt sie an meinem Stimmabdruck. Das ist eine Sicherheitsmaßnahme von Cendus.“ „Also gut.“, sagte Scotty und schlurfte missmutig aus dem Wohnzimmer. Er schien tatsächlich nicht zu ahnen, dass ich ihn gerade und auch die ganze Zeit über von vorn bis hinten belogen hatte, was Data anging. Aber wenn er mich weiterhin so idealisierte und nicht glaubte, dass auch eine Sternenflottenoffizierin mal lügen konnte, war er selbst schuld.
Ich holte das Haftmodul, das ich extra für Data repliziert hatte, aus der Schublade und gab es ihm. „Wir werden ein Rufzeichen benötigen, von dem ich mir meine angeblichen Updates holen kann.“, sagte Data. „Besorge ich.“, sagte ich und gab erneut Shimars Rufzeichen ins Sprechgerät ein. „Vielleicht kann Jenna uns helfen. Shimar kann es ihr sicher ausrichten.“ „Davon gehe ich aus.“, sagte der Androide. „Falls Ihr hiesiger Mann die Aktivitäten dieses Transceivers überprüfen sollte, wäre so ein Alibi-Rufzeichen schon recht hilfreich. Aber ich habe auch noch eine wichtige Information für Sie, Allrounder. Ich habe Sytania heimlich gescannt. Auch sie ist eine Kopie. Sollte ihre mentale Verbindung zum Dunklen Imperium ebenfalls dupliziert worden sein, könnte das sehr starke Auswirkungen auf das Gleichgewicht der Dimensionen haben.“ „Oh nein!“, rief ich aus. „Das könnte bedeuten, dass das Dunkle Imperium jetzt zwei Minus-Pole hat und nur einen Plus-Pol. Da muss jetzt ja eine Naturkatastrophe nach der anderen passieren!“ „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch.“, sagte Data nüchtern. „Zumindest dürfte sich das Wetter dort sehr verändert haben.“
In diesem Moment wurde mein Ruf von der elektronischen Stimme des Stationsrechners beantwortet: „Hier IDUSA.“ „IDUSA, wo ist Shimar?“, fragte ich. „Er ist auf der Station unterwegs, Allrounder.“, sagte sie. „Ich kann Sie gern auf sein Handsprechgerät stellen, wenn Sie möchten.“ „Das wäre tatsächlich sehr gut, IDUSA.“, sagte ich. „Bitte warten Sie einen Moment.“, gab sie zur Antwort und dann hörte ich eine Wartemusik.
Tatsächlich war Shimar gerade auf dem Weg zur Krankenstation. Dort wollte er den originalen Scotty besuchen, den Ishan dort immer noch unter Beobachtung hatte. Es war zwar schon recht spät, aber so streng sah der Arzt das nicht. Wenn nicht gerade Untersuchungen anstanden, war jederzeit Besuchszeit. Also schlenderte Shimar jetzt gemütlich den Gang entlang, der ihn dann zu Scottys Zimmer führen würde.
Das Piepen seines Sprechgerätes in der Tasche hatte er auch erst sehr spät wahrgenommen. Er zog es heraus und las sich das Display durch. Hier erkannte er zweifelsfrei das Rufzeichen des Stationsrechners. Dann drückte er die Sendetaste: „Was gibt es, IDUSA?“ „Ich habe Ihre Freundin für Sie.“, sagte der Computer. „Stell sie durch!“, sagte Shimar.
Das Nächste, das er zu hören bekam, war meine Stimme: „Srinadar, du musst mir helfen. Ich brauche ein Alibi-Rufzeichen für fingierte Updates. Data und ich sitzen sonst sehr in der Klemme! Wo ist Jenn’? Die brauchen wir nicht.“, sagte Shimar. „Ich bin gerade auf dem Weg zu Scotty. Bleib dran!“
Ich bekam mit, wie er das Zimmer betrat, in dem sich mein Mann befand. Er musste sein Sprechgerät auf Dauersenden gestellt haben, denn anders war das so kaum möglich, wenn Shimar keinen Krampf in der Hand durch das dauerhafte Festhalten des Sendeknopfs riskieren wollte. Dann hörte ich ihn sagen: „Hi, Scotty! Hier kommt Besuch!“ „Shimar!“, entgegnete Scotty erstaunt. „Was ’n Glanz in meiner Hütte! Na ja. Eigentlich gehört die ja Ishan.“ „Das ist auch nicht ganz richtig, wenn man es genau nimmt, Scotty.“, sagte Shimar. „Strenggenommen gehört alles auf dieser Station dem tindaranischen Militär.“ „Hey, ich wusste gar nich’, dass du so ’n Haarspalter bist!“ „Ich nehme die tindaranische Rechtsprechung eben sehr ernst.“, antwortete Shimar. „Sie haben gesagt, das sei auch der Grund, aus dem ich der Einzige bin, der mit meiner IDUSA-Einheit klarkommt außer Joran. Aber der kann es auch nur, weil er ein Vendar ist und die nehmen die tindaranische Rechtsprechung auch sehr ernst.“ „Ja, ja.“, machte Scotty und sah zu, wie sich Shimar eines der üblichen Sitzkissen an sein Bett zog. „Die Vendar. Meiner Ansicht nach nehmen die viel zu viel viel zu ernst. Aber in diesem Fall is’ das ja positiv. Aber du bist doch bestimmt nich’ hier, um mit mir über die tindaranische Rechtsprechung zu quatschen.“ „Das stimmt.“, sagte Shimar und streckte ihm die Hand mit seinem Sprechgerät entgegen. „Du wirst nie erraten, wen ich hier habe.“
Scotty sah auf das Display, worauf er jetzt einwandfrei mein Bild erkennen konnte. „Darling!“, rief er aus und fuhr erschrocken zusammen. Dann wandte er sich an Shimar: „Oh Gott, Shimar, wo is’ sie? Wie hast du es geschafft, mit ihr Kontakt zu kriegen?!“ „Das hat sie ganz allein geschafft.“, sagte Shimar. „Aber sie braucht jetzt deine volle Aufmerksamkeit. Sie hat ein Problem. Bist du über die Situation informiert?“
Mein Mann schüttelte den Kopf. „Hier sagt einem ja keiner was!“, sagte er missmutig. „Dein Arzt und seine kleine Krankenschwester schweigen sich aus. Sie denken wohl, es würde mir schaden, wenn ich zu viel wüsste. Kannst du nich’?“ „Sicher.“, sagte Shimar und lächelte. „Was glaubst du, warum ich hier bin. Also. Betsy ist in einer Dimension, die ihrer Heimat zwar sehr ähnlich ist, aber vieles ist auch anders. Androiden zum Beispiel haben keine Rechte. Sie muss Data wie eine Maschine behandeln. Damit sie das aufrechterhalten kann, muss sie so tun, als bräuchte er von Zeit zu Zeit ein Update. Dafür benötigt sie ein Rufzeichen, von dem er es sich holen kann.“ „Wieso haben künstliche Intelligenzen da keine Rechte?“, fragte Scotty. „Weil die Dimension von Sytania beherrscht wird.“, sagte Shimar. „Es ist zwar nur eine Kopie von ihr, aber immerhin. Künstliche Intelligenzen wären in der Lage, ihren Einfluss auf biologische Wesen zu erkennen und ihn gegebenenfalls abzuwenden. Eine Ärztin wie Cupernica könnte das zum Beispiel durch eine gehörige Ladung Rosannium in einer Spritze.“ „Und schon würde Sytania die Kontrolle verlieren.“, lachte Scotty. „Das is’ ja so typisch. Woher hast du diese Informationen?“ „Ich war bei der Konferenz dabei.“, sagte Shimar. „Wir beobachten Betsy und Data mittels einer Sonde. Mehr geht ja im Moment nicht.“
Scotty kratzte sich am Kopf, schaute dann konspirativ und sagte dann: „Die Sonde hat doch bestimmt ein Rufzeichen, nicht wahr?“ „Sicher hat sie das.“, sagte Shimar. „Wie sollten wir denn sonst anders mit ihr in Kontakt treten?“ „OK.“, meinte Scotty. „Dann stell dir jetzt mal vor, wir würden Informationen für Betsy auf der Sonde deponieren und sie deponiert dort welche für uns. Das könnte sie ja auch über Data tun. So hätte sie ihr Alibi-Rufzeichen und wir hätten eine Möglichkeit, mit ihr zu kommunizieren.“
Shimar sprang auf. „Endgeil, Scotty!“, rief er aus. „Jenn’ müsste wahrscheinlich nur das Rufzeichen der Sonde ändern, damit es wie eines von der Erde aussieht. Betsy gibt Data als ihr Hilfsmittel aus, das von deiner Firma konstruiert wurde. Das wird ja seine Updates wohl kaum von einem außerirdischen Rufzeichen beziehen.“ „Genau.“, sagte Scotty. „Aber ich habe dort eine Firma? „ Ich bin ein Bürohengst, ein Anzugträger? Oh nein! Wird Zeit, dass wir die arme Betsy da rausholen, damit sie das nich’ länger ertragen muss!“ „Oh ich denke, sie kommt damit sehr gut klar.“, sagte Shimar. „Da gibt es im Moment wohl andere Sachen, die ihr mehr Kopfzerbrechen bereiten. Ich erkläre dir alles. Aber erst einmal sage ich Jenn’ und Zirell auf eine Art Bescheid, die nur wenige Spuren hinterlässt.“
Er begann damit, sich auf die Gesichter von Jenna und Zirell gleichermaßen zu konzentrieren. Als diese vor seinem geistigen Auge Form angenommen hatten, dachte er: Jenn’, Zirell, ich bin bei Scotty. Er hat eine Möglichkeit gefunden, wie wir mit Betsy Kontakt halten können. Außerdem können wir ihr so ein Alibi-Rufzeichen für Datas Updates besorgen. Nur, die angeblichen Updates werden Informationen von uns an sie sein und sie kann das auch umgekehrt benutzen. Jenn’, du müsstest nur das Rufzeichen der Sonde ändern, damit es wie eines von der Erde aussieht. Betsy hat mir mal gesagt, bei mobilen Geräten ohne festen Standort geht so etwas. Zirell, bist du damit einverstanden? Sicher bin ich das, Shimar., kam es telepathisch von Zirell zurück. Ich finde die Idee, unsere Sonde als Poststelle zu benutzen, sehr gut. So können wir Betsy vielleicht am besten helfen. Klasse! Von wem kam das?, Es war Scottys Idee., gab Shimar zurück. Scotty!, entgegnete Zirell. Das hätte ich mir denken können! Dann scheint er ja doch nicht mehr so krank zu sein. Ich werde Ishan bitten, ihn so bald wie möglich rauszulassen. Mach das., dachte Shimar. Der kriegt sonst hier noch ’nen Krankenhauskoller! Jenn’, ich halte die Verbindung. Wenn du antworten willst, dann brauchst du nur zu denken, was du mir sagen willst. Das mit dem Umschreiben des Rufzeichens sollte kein Problem sein, Shimar., kam es von Jenna zurück. Wie es aussieht, ist Zirell ja auch einverstanden. OK, ich tue es. Danke, Jenn’., gab Shimar zurück.
Er hatte sich aus seiner konzentrierten Haltung gelöst. Das war ein Umstand, der Scotty auch nicht entgangen war. „Jemand zu Hause?“, flapste er. „Ja.“, sagte Shimar. „Jenn’ und Zirell wissen Bescheid. Ich wollte das nicht über die Sprechanlage machen, weil man ja nie weiß, wer die Geräte vielleicht mal in die Finger bekommt. In unserer momentanen Situation müssen wir auf alles gefasst sein.“ „Schon gut, du kleiner telepathischer Fuchs.“, sagte mein Mann. „Technik speichert Daten länger. Telepathische Spuren sind nach 24 Stunden nicht mehr nachweisbar. Wenn du was machst, dann machst du’s richtig!“ „Du aber auch.“, lächelte Shimar. „Schließlich war die Grundidee ja von dir!“ „Aber deine Ausführung war auch nich’ von schlechten Eltern.“, lobte Scotty. „Danke.“, sagte mein Freund. „Jetzt müssen wir es nur noch Betsy sagen. Mach du das doch gleich. Dann kannst du sie auch gleich fragen, ob sie einen bestimmten Wunsch wegen des Rufzeichens hat.“
Scotty nickte und Shimar hielt ihm das Sprechgerät mit gedrückter Sendetaste hin. „Darling, ich bin’s.“, sagte Scotty. „Wir haben ein Alibi-Rufzeichen für dich. Die Tindaraner beobachten dich mit Hilfe einer Sonde. Jenn’ kann deren Rufzeichen nach deinen Wünschen ändern. Über die Sonde werden wir uns auch mit dir austauschen. Dazu brauchst du allerdings Datas Hilfe.“ „OK.“, atmete ich auf. „Ich wusste, dass ich mich auf meine beiden Männer verlassen kann. Sagt Jenna bitte, sie soll das Rufzeichen in SC193.ter/Updates ändern.“ „OK, Frau Kommunikationsoffizier.“, lächelte Scotty. „Ich habe es mitgekriegt.“, sagte Shimar. „Ich gebe es Jenn’ weiter.“
Er nahm das Sprechgerät wieder an sich und schaute auf das Display. „Schon spät.“, stellte er fest. Wir sollten schlafen gehen.“ „OK.“, sagte ich. „Gute Nacht, meine zwei Lieblinge und vielen Dank!“ „Gern geschehen, Kleines.“, sagte Shimar zärtlich und beendete die Verbindung. Dann verabschiedete er sich auch noch von einem ebenfalls sehr zufrieden dreinschauenden Scotty und verließ die Krankenstation.
Kapitel 19: Ein entscheidender Tipp
von Visitor
Am nächsten Morgen um sieben war in Sedrins und Jadens Haus die Welt leider nicht mehr in Ordnung. Erschrocken war die Demetanerin zusammengefahren, als sie einen kurzen schläfrigen Seitenblick auf ihr Sprechgerät geworfen hatte, das neben ihrem Bett auf ihrem Nachttischchen stand. Sofort hatte sie bemerkt, dass sie verschlafen hatte. Die Zeit würde nur noch für eine Katzenwäsche reichen.
Sie huschte also nur kurz ins Bad und machte sich frisch, um dann schnell ihre Uniform überzuwerfen und an den Frühstückstisch zu ihrem Mann zu eilen, der dort bereits saß und es sich mit einer Tasse Kaffee und einem Brötchen mit Wurst gutgehen ließ. Sie selbst bestellte sich vom Replikator eine kleine Kanne mit demetanischem Sommerfruchttee und eine Schüssel Müsli. Damit ging sie zurück an den Tisch zu Jaden, der sie nur recht ungläubig ansah. Dann schob er den Bissen, den er gerade im Mund hatte, von einer Backentasche zur anderen und machte ein etwas nachdenkliches Gesicht. „Worüber denkst du nach?“, fragte die Demetanerin, die so etwas von Jaden gar nicht gewohnt war. „Über dein Verhalten, Jinya Demetana.“, sagte Jaden. „So, so.“, sagte Sedrin. „Und was ist so ungewöhnlich an meinem Verhalten?“ „Ich finde es ungewöhnlich, dass sogar die immer pünktliche Sedrin einmal verschlafen hat. Ich habe das Wecksignal vom Computer sogar gehört. Aber ich …“
Sedrin ließ laut den Löffel auf den Rand der Schüssel fallen, dass es nur so schepperte. Dann sah sie Jaden streng an und sagte mit viel Empörung in der Stimme: „Warum hast du mich nicht geweckt?!“ „Darf ich ehrlich sein?“, fragte Jaden. Sedrin nickte. „Ich wollte mir den Spaß nich’ entgehen lassen. Ich gebe zu, dass diese Aktion vielleicht auch ein Stück weit eine Retourkutsche war für all die Momente, in denen du mich etwas zurechtgestutzt hast, aber im Grunde hattest du ja immer Recht. Könntest du mich heute mitnehmen? Ich muss zu deiner Partnerin und meine Aussage machen.“ „Tut mir leid.“, sagte Sedrin, die ihm seine Aktion nicht wirklich übelgenommen hatte. Dafür liebte sie ihren in ihren Augen oft hilflosen und etwas tollpatschigen Ehemann viel zu sehr. Jadens Verhalten sprach dann doch alle so typisch demetanischen Instinkte in ihr an. „Mein Weg führt mich heute in die andere Richtung. Ich muss zum Raumflughafen nach Washington. Gestern kam eine Nachricht von Barnabys Therapeuten. Er sagt, Nuguras Leibwächter ist jetzt vernehmungsfähig und möchte sich dringend erleichtern.“ „Also gut.“, sagte Jaden. „Aber verknack’ ihn anständig, ja?! Das war ja nich’ mehr feierlich, was er der armen kleinen Benevidea angetan hat! Ich hoffe, Times Ärztin kriegt sie über den Berg!“ „Du weißt, dass das Strafmaß nicht bei mir liegt, Jaden.“, sagte Sedrin. „Darüber entscheidet immer noch ein Richter. Glücklicherweise leben wir ja nicht in einem Polizeistaat.“ „Ach.“, machte Jaden missmutig. „Manchmal wünschte ich aber, es wäre so. Dann bekämen solche Verrückten wie Barnaby zumindest ihre gerechte Strafe!“ „Ich bezweifele ernsthaft, dass die dann so gerecht wäre, Jineron.“, sagte Sedrin. „Schlag doch am besten gleich mal unter dem Begriff Polizeistaat im Föderationsnetzwerk nach. Ich denke, dann wirst du sehr leicht verstehen, was ich damit meine, wenn ich sage, dass du mit deinen Wünschen sehr vorsichtig sein solltest.“
Jaden überlegte lange, während er den Rest des Brötchens in seiner Hand anstarrte. Dann sagte er: „Du hast bestimmt wieder Recht, Jinya. Manchmal bin ich eben etwas voreilig. Da kann ich nur froh sein, dass ich kein Mächtiger bin.“ „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Sedrin. „Deine Wünsche hätten Konsequenzen, die sicher nicht sehr gut wären.“
Sie wollte aufstehen, stellte sich dabei aber so ungeschickt an, dass sie ihre Teetasse umstieß und sich der gesamte Inhalt über ihre Uniform ergoss. „Na, du bist ja heute ganz schön vom Pech verfolgt, Jinya.“, stellte Jaden fest. „Bitte lass mich für dich zum Kleiderschrank gehen und dir deine Ersatzuniform holen. Ich denke, das bin ich dir schuldig. Ich lege sie auf dein Bett.“ „Danke, Jineron.“, sagte Sedrin. „Ich hoffe nur, ich verpasse jetzt meinen Flug nicht.“ „Keine Panik.“, sagte der Terraner und zeigte demonstrativ auf das Display des Hausrechners. „Du hast bestimmt noch genug Zeit. Diese Flughafentypen bestellen einen immer Stunden zu früh! Das kriegst du schon hin.“
Damit stand Jaden auf und ging in Richtung Schlafzimmer. Sedrin verließ ebenfalls ihren Platz und räumte nur noch schnell das Geschirr in den Replikator, den sie danach auf Reinigungsmodus stellte, um ihrem Mann zurück ins Schlafzimmer zu folgen.
Während sie sich umzog, stellte sie fest, dass Jaden heute einen gewöhnlichen braunen Anzug angelegt hatte. „Du gehst heute in Zivil?“, fragte sie. „Ich dachte, das fällt nich’ so auf.“, sagte Huxley. „Ich will nich’ dass mich so ’n Aasgeier von der Presse auf der Straße als Offizier der Sternenflotte erkennt. Die Sache mit Benevidea hat ganz schöne Wellen geschlagen. Ich will mich nich’ verquatschen, weißt du? Dir dürfte ja hinlänglich bekannt sein, wie das bei mir is’.“ Die demetanische Agentin nickte nur und seufzte. „Siehst du.“, sagte Jaden.
Sedrin hatte sich umgezogen und war dann in Richtung Tür gegangen. „Ich muss jetzt aber wirklich los, Jaden.“, sagte sie. „Und Kate wird bestimmt auch schon auf dich warten.“ „Wir haben uns nicht zu einer speziellen Zeit verabredet.“, sagte Jaden. „Ich denke, ich werde sogar zu Fuß gehen. Ich muss mir noch über einiges klar werden, was meine Aussage angeht. Du weißt ja sicher noch aus eigener Erfahrung, dass es mir manchmal nich’ so leicht fällt, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen.“ „Das weiß ich.“, sagte Sedrin und sah ihn mitleidig an. „Aber dabei hilft dir Kate bestimmt gern. Am besten wird sein, du packst erst einmal alles auf ihren Tisch. Sie sortiert das dann schon.“ „Danke, Jinya.“, sagte Jaden und begleitete sie noch zur Tür, vor welcher sie mit ihrem kleinen schwarzen Koffer, in den sie nur das Nötigste gepackt hatte, in ihren Jeep stieg und ging dann selbst weiter in Richtung Enterprise Lane, wo sich alle wichtigen Gebäude von Little Federation befanden. Hier würde er das Gebäude von Polizei und Sternenflottengeheimdienst aufsuchen, um Malkovich gegenüber seine Aussage zu machen.
Das schöne Wetter trug sicher auch dazu bei, dass der Weg für Jaden wie im Flug verging. Er hatte sich so sehr auf seine kommende Aussage konzentriert, dass er nicht wirklich darauf geachtet hatte, welche Richtung er einschlug. Er konnte nur froh sein, dass um diese Zeit auf den Straßen der Kleinstadt kaum Verkehr war und ihm somit auch nicht wirklich etwas geschehen konnte. Zwar hatte die Technik viel übernommen, die Sicherheitssysteme waren jedoch so konzipiert, dass sie quasi mit der eigenen Verantwortung der Personen zusammenarbeiteten, die sie benutzten. Das bedeutete beim Überqueren einer Straße also auch, dass Jaden eigentlich seine Augen auch beim Geschehen haben musste. Dieses Mal hatte er aber anscheinend einfach nur Glück.
Er sah den Eingang zum Gebäude tatsächlich erst, als er direkt davor stand. Nachdem er ihn durchquert hatte, stand er auch bald dem kleinen gläsernen Büro gegenüber, in dem Kelly Davis arbeitete. Auch die Vermittlerin und Empfangsdame wurde ihm ansichtig und drückte auf einen Knopf an ihrem Terminal, der eine gläserne Scheibe sanft heruntergleiten ließ. Dann sah Davis in das Gesicht des Mannes, den sie zunächst gar nicht erkannt hatte: „Sie wünschen bitte.“ „Ich bin‘s doch, Kelly.“, sagte Jaden doch recht flapsig. „Commander Huxley. Ich möchte zu Agent Malkovich. Ich bin ein Zeuge.“
Kelly schloss halb die Augen, so dass ihr Blick nur noch auf einen kleinen Teil von Jadens Gesicht fallen konnte und der Rest seines Körpers für sie nicht mehr wirklich zu sehen war. Dann sagte sie: „Es tut mir leid, Commander Huxley. Ich hätte Sie in Zivil beinahe nicht erkannt. Aber ich werde Agent Malkovich gleich Bescheid geben.“
Sie deutete auf eine kleine Sitzecke, die sich direkt der Anmeldung gegenüber befand: „Bitte setzen Sie sich doch für einen Augenblick.“ „OK.“, flapste Jaden und ging hinüber zu den vier kleinen Sesseln, die mit weißem Stoff bezogen waren und um einen kleinen runden roten Tisch in Holzoptik standen. Dann suchte er sich einen aus und setzte sich.
Kelly schloss die Scheibe wieder und gab ein Rufzeichen in ihr Terminal ein, worauf sich Kate meldete: „Ja, Kelly?“ „Commander Jaden H Huxley ist hier, Agent.“, sagte Davis. „Er möchte gegenüber Ihnen eine Aussage machen.“ „Ah ja.“, sagte Malkovich. „Ich weiß schon, worum es geht. Sagen Sie ihm bitte, er möchte auf mich warten. Ich hole ihn gleich ab!“ „In Ordnung, Agent.“, sagte Kelly freundlich und beendete die Verbindung. Dann öffnete sie das Fenster erneut und rief in den Flur: „Commander Huxley!“ Jaden, der sich sofort angesprochen fühlte, stand von seinem Sessel auf und drehte sich ihr zu: „was gibt es, Kelly?“ „Agent Malkovich kommt gleich und holt Sie persönlich ab.“, sagte Davis. „Ich denke, sie hat Sie schon erwartet.“ „Das kann ich mir gut vorstellen.“, sagte Jaden flapsig und ließ sich wieder in den Sessel sinken.
Erst jetzt bemerkte er, dass er die Tür des Turbolifts, aus dem sie kommen musste, genau im Blick hatte. Diese öffnete sich aber auch im gleichen Moment und eine freundlich lächelnde Malkovich entstieg dem Lift. Dann ging sie auf Jaden zu: „Hallo, Commander. Bitte folgen Sie mir. Wir gehen gleich in ein Vernehmungszimmer.“ „Hi, Kate.“, sagte Jaden und stand auf. „Sie haben es aber eilig! Aber gut. Ich komme mit.“
Er reihte sich hinter ihr ein, die ihn wieder zu dem Lift zurückführte, der beide dann ein Stockwerk höher transportierte. „Können Sie mir mal verraten, warum Sie es so eilig haben, Kate?“, fragte Huxley. „Die Situation ist etwas dringlich.“, sagte Kate. Sedrin und ich standen und stehen noch immer in Kontakt mit Time, Kissara, Zirell und ihren Leuten. Die Situation hat sich ziemlich zu Benevideas, Scotts und Datas Nachteil entwickelt, soweit wir das bis jetzt verstehen. Benevidea ist sehr krank und Ketna kann ihr nicht helfen. Wir wüssten deshalb sehr gern, was Sie gesehen haben, Commander. Wir möchten einen Einfluss Sytanias auf Barnaby ausschließen. Falls sie daran schuld sein sollte, dass er sich so verhalten hat, wie er sich verhalten hat, könnte es sein, dass sie auch alle unsere Maßnahmen blockiert und wir komplett umdenken müssen. Sedrin teilt die Theorie zwar nicht, aber …“ „Ich halt’s da ausnahmsweise mit meiner Frau, Kate.“, sagte Jaden. „Ich glaube auch nich’ an Sytanias Einfluss auf Barnaby. Das hat der ganz allein zu verantworten. Da bin ich mir verdammt sicher! Wie kommen Ihre Leute denn darauf?“ „Wir möchten nur alle Eventualitäten ausschließen.“, sagte Kate. „Tamara will absolut sichergehen.“ „Ah so.“, sagte der Amerikaner. „Der Chief-Agent. Hätte mir denken können, dass sie da die Finger im Spiel hat.“
Die junge Agentin führte den Commander der Sternenflotte jetzt in ein kleines aber doch recht freundlich eingerichtetes Zimmer, in dem in der Mitte nur ein Schreibtisch und zwei sich gegenüberstehende Sessel befanden. Der Tisch und die Sessel waren in freundlichem Rot gehalten. In der Ecke des Raums stand eine Zimmerpflanze, die Jaden nicht genau einordnen konnte. Mit der Botanik hatte er es noch nie wirklich gehabt.
Kate zeigte auf einen der beiden Sessel: „Setzen Sie sich doch bitte, Commander. Ich werde schon mal alles vorbereiten.“ „OK.“, nickte Jaden und setzte sich auf den Sessel, den sie ihm zugewiesen hatte. Sie setzte sich ihm gegenüber und zog ein Pad, das sich auf eine Eingabe von ihr selbstständig über eine drahtlose Verbindung in den Rechner und somit auch ins Netzwerk des Gebäudes einwählte. Dann hielt sie Jaden das Pad hin: „Bitte lesen Sie sich den Inhalt durch. Hat sich an Ihren Personalien etwas geändert?“
Huxley ließ seinen Blick prüfend über das Pad wandern. Dann sagte er: „Nein, Kate. Es is’ alles noch beim alten. Wir können jetzt zum Wesentlichen kommen, wenn Sie mich fragen.“
Kate nahm das Pad zurück, bestätigte lächelnd Jadens Personalien und stellte es dann auf Aufnahme. „So, Commander.“, sagte sie. „Dann erzählen Sie mal, was Sie gesehen haben.“ „Wir hatten alle auf Scott geachtet.“, sagte Jaden. „Dann tauchte Benevidea auf. Sie schien irgendwie total verängstigt. Data hat versucht, Scott aus ihrem Weg zu bringen. Bei einem verängstigten Wesen kann man ja schließlich nie sicher sein, ob es aufpasst, wo es hinläuft. Benevidea hat beide mit ihrem Horn berührt, dann gab es einen weißen Blitz und dann waren sie weg. Dann habe ich nur noch einen roten Schatten gesehen, der durch die Luft flitzte. Benevidea ging sofort zu Boden. Dann sah ich Barnaby, der vor der Ohnmächtigen einen irren Tanz aufführte. Dabei hat er geschrien, dass er ganz allein ein mächtiges Einhorn besiegt hätte und das wäre ja schon eine Leistung, die wir alle zu würdigen hätten, weil er ja nur ein sterblicher Mensch sei. Wenn Sytania ihn zu ihrer Marionette gemacht hätte, dann hätte sie uns das spätestens jetzt wissen lassen. Dazu siegt sie viel zu gern und zeigt ihre Macht. Sie können mir glauben. Ich habe sie lange genug selbst bekämpft. Na ja. Dann habe ich Barnaby gestoppt.“ „Und hier fügt sich Ihre Aussage lückenlos an die Ihrer Frau.“, sagte Kate. „Ich denke, dass der Umstand, dass er das Lasso bereits bei sich hatte, Tamara irritiert hat. Aber das kann auch sein, wenn er selbst das hier von langer Hand geplant hat. Wenn er sich selbst aus irgendeinem Grund beweisen wollte, was für ein guter Leibwächter er ist, der sogar mit den Mächtigsten der Mächtigen fertig wird, dann könnte das passen. Aber deshalb müssen wir zunächst abwarten, was Sedrin in Erfahrung bringen kann. Ich denke, nur so wird ein Schuh draus.“ Jaden nickte. „Das war alles, was ich gesehen habe, Kate.“, sagte er. „OK.“, sagte Kate. „Dann sind Sie hiermit aus meiner Vernehmung entlassen.“ „Danke, Agent.“, sagte Jaden und stand auf. „Oh ich danke Ihnen, Commander.“, sagte Kate. „Sie haben uns einen großen Schritt weiter gebracht.“ „Das hoffe ich.“, sagte Jaden, gab ihr noch höflich zum Abschied die Hand und ließ sich dann noch von ihr zurück zum Ausgang begleiten, durch den er das Gebäude wieder verließ.
Zur gleichen Zeit war auch Sedrin zum Raumflughafen nach Washington unterwegs. Warum sie statt des Highways die Landstraße genommen hatte, war ihr selbst nicht klar. Eigentlich hatte sie dafür gar keine Zeit. Deshalb fuhr sie auch eigentlich viel zu schnell und nahm nur aus dem Augenwinkel jene Situation wahr, die sich ihr bald darauf am Straßenrand bot. Dort stand ein Jeep mit aufgeklappter Antriebsabdeckung. Neben dem grünen kleinen etwas ovalen Fahrzeug stand eine Frau von ca. 1,70 m Größe in einem wallenden langen Kleid, das ebenfalls hellrot war und ihr bis zu den Füßen reichte. An diesen trug sie weiße Halbschuhe. Ihre etwa schulterlangen schwarzen Haare waren zu einem kessen Pferdeschwanz zusammengebunden und wurden von einer großen silbernen Spange mit einem Schmetterlingsmotiv gehalten. Sie war hellhäutig und ihr Gesicht war ebenmäßig. Sedrin hatte sie sofort als Terranerin oder angehörige einer artverwandten Rasse identifiziert.
Die demetanische Agentin überlegte, ob sie anhalten sollte. Die Zeit saß ihr im Nacken. Sie wusste auch, dass sie nicht in der Lage sein würde, der Fremden technische Hilfe zu geben. Aber ein kurzer Blick ins Innere des Fahrzeugs hatte ihr gezeigt, dass dort kein einziges Display leuchtete. Sie musste also ein größeres Problem mit der Energieversorgung haben. Warum der Pufferakku des Sprechgerätes, das serienmäßig in jedes Fahrzeug eingebaut war, aber auch nicht funktionierte, war ihr ein Rätsel. Sie konnte nur vermuten, dass die Fremde trotz vieler Anzeigen im Display versäumt hatte, den Akku auswechseln zu lassen, als ihr die Systeme des Fahrzeugs seinen Defekt gemeldet hatten. Auch das Kennzeichen des Jeeps hatte sie sich gemerkt und so wäre es ein Leichtes für sie gewesen, bei der Pannenhotline Hilfe für die in Not geratene Frau zu besorgen. Als Angestellte des Staates sah sie es sogar als ihre Pflicht an, ihr zu helfen.
Sie wendete ihr eigenes Fahrzeug also bei nächster Gelegenheit und kam dann langsam wieder auf die Fremde zugefahren. In der Nähe auf dem Seitenstreifen stellte sie den eigenen Jeep vorschriftsmäßig ab. Dann stieg sie aus und ging in Richtung der Fremden, die bereits verzweifelt zu winken begonnen hatte. Je näher sie ihr aber kam, desto stärker wurde ihr Eindruck, sie schon einmal gesehen zu haben. Irgendwie erinnerte sie diese Frau an jemanden. Aber die Person, die Sedrin vorschwebte, hatte einen Lockenkopf. Das war aber auch nicht weiter verwunderlich, denn Frisuren konnte man schließlich jederzeit ändern. Die Wahrscheinlichkeit war also recht hoch, dass es doch die sein konnte, von der Sedrin ausging, dass sie es sei. Das musste sie sich selbst nur noch irgendwie beweisen.
Die Fremde gab einen erleichterten Seufzer von sich, als sie Sedrin ansichtig wurde. „Gut, dass Sie da sind, Agent.“, sagte sie und warf einen kurzen Blick auf Sedrins rechte Schulter. Damit aber hatte sie ihr bereits ein Indiz mehr für ihre Theorie geliefert. Es war relativ unwahrscheinlich, dass eine einfache Zivilistin die Rangabzeichen der Sternenflotte so einwandfrei deuten konnte. Es war aber nicht unmöglich. Deshalb war es auch nur ein Indiz und kein Beweis, aber auch die Stimme der Fremden kam Sedrin jetzt sehr bekannt vor. Noch aber wollte sie die Fremde nicht spüren lassen, wie nah sie ihrer vermutlichen wahren Identität bereits war. Deshalb sagte sie nur: „Oh das mache ich doch gern. Ich bin Demetanerin. Wir helfen immer gern, wo es drauf ankommt. Was ist denn passiert?“
Die Fremde zeigte mit einem Schulterzucken und einem ratlosen Blick auf ihr Fahrzeug. „Er hat einfach den Geist aufgegeben.“, sagte sie. „Die Bordsysteme sind plötzlich alle heruntergefahren und dann … Tot, nichts mehr. Ich weiß, dass ich den Akku für das Sprechgerät längst hätte auswechseln lassen müssen. Aber ich habe es irgendwie immer wieder vergessen. Sonst könnte ich mir jetzt selbst Hilfe besorgen. Aber ich kann mir auch dieses verdammte Rufzeichen von der Pannenhotline nicht merken.“ „Das macht gar nichts.“, sagte Sedrin beruhigend. „Wir gehen zu meinem Jeep und dann rufen wir sie von dort. Aber das Rufzeichen müssen Sie sich doch auch nicht merken. Jeder Fahrschüler lernt heutzutage, dass es serienmäßig in jedem Sprechgerät auf Speicherplatz zwei gespeichert ist, das in einen Jeep eingebaut wird. Auf eins liegt der allgemeine Notruf. Das ist zwar kein gesetzlicher Zwang, aber eine stille Vereinbarung zwischen dem Staat als oberstem Organ der Sicherheit und den Herstellern von Fahrzeugen.“ „Tatsächlich?“, sagte die Fremde erstaunt. „Das war mir jetzt irgendwie entfallen. Aber das nützt uns ja jetzt eh nichts.“ „Sehr richtig.“, bestätigte Sedrin. „Aber deshalb sollten wir jetzt auch wirklich los. Kommen Sie! Ich bin übrigens Agent Sedrin Taleris-Huxley. Aber das wissen Sie bestimmt auch bereits, …“ Sie machte eine dramatische Pause: „Tolea!“ „Erwischt.“, gab die Fremde zu und lächelte. „Aber wie sind Sie mir auf die Spur gekommen?“ „Sie haben sich verraten, als Sie meinen Rang erkannten.“, sagte Sedrin. „Außerdem kann man das mit dem Rufzeichen gar nicht vergessen, weil man es erstens sicher als Prüfungsfrage bekommt und zweitens jedes Mal beim Start des Fahrzeugs durch die Bordsysteme auf dessen Speicherplatz als kurze Erinnerung aufmerksam gemacht wird. Die Meldung ist so auffällig, dass man sie überhaupt nicht übersehen kann. Deshalb halte ich das für eine Ausrede. Ihre Stimme haben sie außerdem nicht verändert. Ich bin niemand, die auf eine veränderte Frisur hereinfällt.“ „Sehr gut.“, sagte die Mächtige. „Dann ist diese ganze Maskerade hier ja nicht mehr notwendig.“
Es gab einen weißen Blitz und der Jeep war verschwunden. Außerdem hatte Tolea ihre alte Frisur wieder. Dann sagte Sedrin: „Ich nehme an, Sie sind auch für meine heutige Pechsträhne verantwortlich und für die Tatsache, dass ich mich quasi genötigt fühlte, die Landstraße zu benutzen, obwohl ich gar keine Zeit hatte.“ „Schuldig im Sinne der Anklage.“, lächelte die Bewohnerin des Raum-Zeit-Kontinuums. „Ich gestehe in vollem Umfang. Ich wusste und wollte auch, dass Sie mir draufkommen, Sedrin. „Ich wollte eine Situation herstellen, in der wir allein sind. Ich muss nämlich noch eine Schuld begleichen. Sie alle haben mich vor einer großen Dummheit bewahrt.“ „Sie sprechen von dem Moment, als Sie ihr Leben beenden wollten.“, sagte Sedrin. „Aber dann sollten Sie sich lieber an Ihren Bruder und Shimar wenden. Denen und der Besatzung der Electronica haben Sie es schließlich zu verdanken.“ „Da haben Sie sicher Recht.“, sagte Tolea. „Aber die Art, in der ich meine Schuld bei euch Sterblichen begleichen will, ist sicher bei Ihnen besser aufgehoben, Agent. Mein Zahlungsmittel, eine wichtige Information, können Sie ja auch weitergeben an die, die damit Ihrer Meinung nach etwas mehr anfangen können. Alle anderen sind schwer beschäftigt im Augenblick. Sie sind die Einzige, die gerade frei war.“ „Das bin ich eigentlich nicht, Tolea!“, sagte Sedrin energisch. „Ich weiß.“, beschwichtigte die mächtige. „Sie müssen ein Shuttle bekommen. Aber das werden Sie auch. Ich habe uns aus der Zeit genommen. Wenn ich uns wieder integriere, wird es genauso spät sein, wie es zu dem Zeitpunkt, war, an dem sie und ich uns begegnet sind. Sie haben also genug Zeit, sich meine Informationen anzuhören.“ „Na gut.“, sagte Sedrin, die inzwischen gemeinsam mit Tolea an ihrem eigenen Fahrzeug angekommen war. „Und was ist das für eine Information?“ „Es geht um Allrounder Scotts und Commander Datas Situation.“, sagte Tolea. „Sie dürften mittlerweile wissen, dass Benevidea die Dimension geschaffen hat, in der sie sich jetzt befinden. Sie hatte aber die Verbindung dorthin verloren und das bedeutet, die Dimension ist jetzt völlig autark. Selbst dann, wenn sie die Verbindung wiederbekommen sollte, wird die Situation, die sie dort sieht, ihren kindlichen Verstand bei weitem überfordern. Sie wird nicht in der Lage sein, die richtigen Prozesse einzuleiten, um ihre Schöpfung zu zerstören. Zerstört werden muss sie. Das ist der einzige Weg, auf dem Scott und Data nach Hause kommen können und auf dem auch in den Dimensionen wieder ein Gleichgewicht erreicht werden kann.“ „Ladungsverschiebungen, ja.“, sagte Sedrin und überlegte. „Die Tindaraner haben entsprechende Beobachtungen gemacht. „ Aber warum?“ „Es gibt in Benevideas Schöpfung auch eine Kopie von Sytania.“, erklärte Tolea. „Deren mentale Verbindung zum Dunklen Imperium wurde unglücklicherweise ebenfalls dupliziert. Das bedeutet, die Dimension hat jetzt zwei Minus-Pole und nur einen Plus-Pol.“ „Mutter Schicksal!“, rief Sedrin aus. „Dass das ein Problem ist, verstehe ja sogar ich! Aber was hat das jetzt mit der Lösung zu tun?“ „Um wieder nach Hause kommen zu können und die Dimensionen gleichzeitig zu retten.“, begann Tolea. „Muss Scott eine Entscheidung treffen, die ihr nicht gefallen könnte. Sie muss die beiden Sytanias aufeinanderhetzen. Da die Kopie von einem schwächeren Wesen geschaffen wurde, das jetzt noch kein reifes telepathisches Zentrum besitzt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie den Kampf verlieren wird. Das bedeutet gleichzeitig die Zerstörung der Dimension, wenn alles so läuft, wie ich es vorausgesehen habe. Data kann ihr bei ihrer Entscheidung nicht helfen. Er ist dort eine rechtlose Maschine. Wie ich Scott einschätze, wird sie das aber nicht tun. Sie ist Offizierin der Sternenflotte und fühlt sich sehr an deren Regeln gebunden. Sie würde auf keinen Fall eine Dimension voller empfindungsfähiger Wesen opfern, nur um selbst nach Hause zu gelangen, auch wenn das bedeuten würde, dass sie für immer dort bleiben müsste. Ich weiß nicht, ob das Argument, sie rette damit alle anderen, noch bei ihr ankommen würde. Ich sehe einen schweren Gewissenskonflikt bei ihr voraus, aus dem sie vielleicht nicht allein herauskommt. Ich denke, sie wird es nicht tun. Sie wird die Dimension nicht von innen zerstören. Das bedeutet, wir werden für immer mit dieser Situation leben müssen, oder zumindest solange, bis Benevidea erwachsen genug ist, um ihre eigene Schöpfung besser zu verstehen. Wir anderen Mächtigen können aus Energiespezifischen Gründen nichts tun und …“
Sedrin war blitzschnell in ihren Jeep gestiegen hatte mit einem lauten Knall die Tür manuell geschlossen und hatte den Antrieb gestartet. Sie sah noch einmal durch die heruntergefahrene Seitenscheibe zu Tolea und sagte mit entschlossenem Blick: „Ich denke, da unterschätzen Sie Scott gewaltig, meine Beste! Sie hat schon oft Wege aus Situationen gefunden, die man ihr am Ende gar nicht zugetraut hat und sie hat schon in mancher dieser Situationen Mut bewiesen, wenn wir alle gedacht hätten, sie würde stattdessen furchtsam weichen! Sie wird einen Weg finden, Tolea! Haben Sie verstanden?! Sie wird definitiv einen Weg finden. Außerdem ist sie nicht allein!“ „Warten Sie!“, sagte Tolea. Sedrin deaktivierte den Antrieb des Jeeps. „Ich muss Sie erst wieder in die Zeit integrieren.“, sagte Tolea. „OK.“, sagte Sedrin genervt. „Dann aber schnell!“ Dann gab es einen weißen Blitz. „Sie haben mich gerade mit Ihrem Plädoyer für Scott sehr beeindruckt. Wir alle im Hohen Rat hätten mit Ihrer Reaktion nicht gerechnet. Aber ich erinnere mich jetzt auch, dass Sie die Wahrheit gesagt haben, Agent. Und wenn Scott auch nur ganz unverschämtes Glück hatte. Trotzdem hat sie viele Situationen wider zum Guten wenden können. Allein ist sie ja auch nicht. Ich denke, ich kann den anderen Ausrichten, dass die Situation lange nicht so schlimm ist, wie wir alle glauben.“ Damit war sie in einem weiteren weißen Blitz verschwunden und auch Sedrin verfasste nur noch eine kurze Mail mit den Ergebnissen der Vernehmung Toleas, die sie an Kate schickte. Sie enthielt außerdem die Bitte, Kate möge sie an Chief-Agent Tamara weiterleiten.
Kapitel 20: Vorbereitungen zum Attentat
von Visitor
Seit vier Uhr morgens hatte es mich nicht mehr in meinem Bett gehalten. Ich war also leise aufgestanden und hatte mich ins Wohnzimmer an den Hausrechner begeben, um dort alle Informationen über den so genannten Ritus der Könige im Dunklen Imperium nachzuschlagen. Es war nicht so, dass ich Nugura nicht glaubte. Sie kam mir aber sehr naiv vor und ich wollte wissen, ob es da etwas geben könnte, das Sytania ihr wohlweißlich verschwiegen hatte, um sie in aller Ruhe übers Ohr hauen zu können. Dass die Königstochter falsch spielte, war für mich so sicher wie das Amen in der Kirche. Wenn diese Kopie auch nur einen Teil der originalen Sytania in sich hatte, dann war es für Nugura sehr fraglich, ob sie wirklich eine gleichberechtigte Mitregentin sein würde. Für mich aber beantwortete sich diese Frage eindeutig mit einem Nein. Da war er wieder, der Gewissenskonflikt! Wäre Nugura unsere Nugura gewesen, hätte ich alle Hebel in Bewegung setzen müssen, um zu verhindern, dass sie Sytania heiratet. Das wäre sogar meine Pflicht als Offizierin der Sternenflotte gewesen, denn ich hätte wohl kaum zulassen dürfen, dass sie unsere Heimat so einfach an den Feind übergibt. Bei königlichen Hochzeiten war es ja auch immer so, dass die Reiche zusammengeschlossen wurden. Hier aber war die Situation ganz anders gelagert, ein Faktum, das mir nicht unbekannt war. Auch die Oberste Direktive diktierte mir mitzuspielen. Mein eigenes Gewissen sagte aber etwas anderes. Was sollte ich also tun?
Ich beschloss zunächst, den Informationen, die der Rechner für mich hatte, möglichst wertfrei zuzuhören. Da ich aber ein Mensch und keine Vulkanierin war, wusste ich bereits im Vorfeld, dass mir das wohl nicht gelingen würde. Eine der Informationen wurmte mich sogar sehr. Im Allgemeinen wurden in der Hochzeitsnacht nach dem Ritus der Könige auch die Kräfte der Verheirateten vereint. Da Nugura aber sterblich war und so davon nichts zu bieten hatte und Sytania nichts mehr hasste, als ebenbürtige und mit ihr gleichberechtigte Partner, würde es wohl nie dazu kommen. Was Sytanias wirkliches Motiv war, Nugura zu heiraten, konnte ich mir denken. Sie wollte die Föderation! Nuguras Gefühle waren ihr dabei völlig egal! Sie würde sie sicher bei Zeiten abservieren. Aber die Informationen aus dem Rechner bestätigten mir auch, dass nach der Unterschrift mit dem gemischten Blut aus dem Tintenfass, Sytania eine eigene Verbindung mit unserer Dimension haben würde. Nugura benötigte sie dann nicht mehr. Auch deren Rücktritt von ihrem politischen Amt würde diese Situation nicht ändern, denn durch ihre Verbindung gehörte Sytania die Dimension bereits. Wenn Nugura das doch nur einsehen würde! Aber das konnte ich wohl getrost vergessen! Diese Nugura war so naiv wie eine 12-jährige, die zum ersten Mal in ihrem Leben verliebt ist. Von dem souveränen Staatsoberhaupt, das ich kannte, war nichts mehr zu sehen. Es musste einen Grund geben, aus dem Benevidea die Situation so darstellte. Wenn ich den finden könnte, dann würde es mir sicher auch leichter fallen, mich der Situation anzupassen und sie eventuell so zu verändern, das das kleine Einhorn sehen könnte, dass alles nicht so heiß gegessen würde, wie es gekocht wäre. Dazu musste ich aber zunächst mitmachen. Sonst würde ich den Grund nie herausbekommen.
„Allrounder!“ Jemand hatte mich angesprochen. Jemand, der zwar hier im Haus sein musste, mich aber siezte. Dass konnte nur einer sein. Einer, über dessen Anwesenheit ich mich jetzt so freute wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum! Ich drehte meinen Stuhl also um 45 Grad nach links und winkte schräg hinter mich, von wo ich die Stimme wahrgenommen hatte. Dann bekam ich mit, wie sich mir zwei Füße in uhrwerkgleichem Takt näherten. „Hallo, Commander.“, sagte ich erleichtert. „Sie sollten mich hier lieber Data nennen.“, sagte der Androide mit einem sehr konspirativen Ton in seiner Stimme. „Man weiß ja nie, ob Ihr Mann uns vielleicht zuhören könnte. Er sollte keinen Verdacht schöpfen.“ „OK, Data.“, korrigierte ich. „Was ist?“ „Ich bekam mit, dass Sie im Wohnzimmer sind.“, sagte er. „Ich wollte nach Ihnen sehen.“ „Das war sehr nett von Ihnen, Data.“, sagte ich. „Ich kann nämlich wahrhaftig Hilfe gebrauchen. Ich bin in einem schweren Gewissenskonflikt. Sie können es sich in etwa wie einen Datenkonflikt in Ihren Systemen vorstellen. Je nachdem, wie schwer der ist, kann es Sie ja auch komplett handlungsunfähig machen.“ „Das ist korrekt.“, sagte Data. „Aber die meisten Datenkonflikte kann man lösen. Um Ihren Gewissenskonflikt beizulegen, würde ich Ihnen das Gespräch mit einem Geistlichen empfehlen. Die meisten Angehörigen Ihrer Spezies machen das so.“ „Haben Sie einen bestimmten geistlichen im Auge, Data?“, fragte ich und zwinkerte ihm zu, zumindest soweit mir das möglich war. „Ja.“, bestätigte Data und ich wusste in diesem Moment genau, wen er gemeint haben musste.
Ich ließ mir vom Rechner also das Rufzeichen des Tempels der Gemeinde Santa Valora heraussuchen und mich damit verbinden. Ich war allerdings erstaunt, zu einer so unchristlichen Zeit, es war fünf Uhr in der Frühe, bereits die Stimme von Father Fletcher zu vernehmen, die mir antwortete: „Hallo, Allrounder Scott! Was führt Sie so früh denn schon zu mir?“ „Ich leide unter einem Gewissenskonflikt, Father.“, sagte ich. „Die Hochzeit zwischen Sytania und Nugura hat ihn ausgelöst. Es ist nicht die Tatsache, dass es sich um eine gleichgeschlechtliche Hochzeit handelt. Damit habe ich kein Problem. Schließlich sagt die Kindliche Göttin Benevidea ja, dass alle nach ihrer Fasson glücklich werden dürfen, nicht wahr? Mein Konflikt bezieht sich eher auf die Tatsache, dass ich glaube, Nugura könnte über den Tisch gezogen werden. Immerhin sind sie und Sytania beides Staatsoberhäupter, was ihre Hochzeit auch zu einem Politikum macht. Ich bezweifele, ernsthaft dass Sytania lauter handelt. Ich habe mich zwar freiwillig als Nuguras Trauzeugin gemeldet, weil mein Commander verhindert ist, aber ich bekomme das irgendwie nicht mit meinem Gewissen vereinbart.“
Es verging eine quälend lange Pause, in der ich schon dachte, ich hätte vielleicht zu viel gesagt. Dann aber geschah etwas Merkwürdiges. Fletcher hatte offenbar etwas geholt, denn seine Schritte hatten sich hörbar entfernt und waren dann wieder auf das Mikrofon zugekommen. Die ganze Zeit war sein Mikrofon auf Dauersenden gestellt. Sonst hätte ich das wohl kaum mitbekommen können.
Er setzte sich wieder hin und sagte dann: „Ich habe in der Heiligen Schrift nachgesehen. Sie wissen, dass das Brautpaar später alle Trauzeugen und auch die anderen Gäste abschreitet und dass jeder eine Fürbitte zu sprechen hat. Ich habe hier ein wunderschönes altes Exemplar in Deutsch gefunden, Ihrer Muttersprache. Ich will Ihnen nur nicht zumuten, es vorzulesen, da meine Aussprache sicher total schrecklich ist. Das könnten aber sicher Ihr Hausrechner oder Ihr Hilfsmittel erledigen. Ich schicke es Ihnen per Mail.“ „Geht klar.“, sagte ich. „Die Fürbitte wurde übrigens von einem Gelehrten und Geistlichen aus Indien verfasst.“, sagte Fletcher noch. „Warum er die Sprache Deutsch verwendet hat, weiß ich aber auch nicht. Leider können wir ihn nicht mehr fragen. Er ist schon tot. Sein Name war Reltchef Mahabra. Ich muss jetzt allerdings schlussmachen. In einigen Stunden ist die Hochzeit und ich habe noch viel zu tun. Wir sehen uns dann um zehn.“ „OK.“, sagte ich und beendete die Verbindung.
Ein Signal vom Rechner machte mich auf eine eingehende Mail aufmerksam. „Absender vorlesen!“, befahl ich ins Mikrofon. „Gemeinde Santa Valora.“, kam es nüchtern zurück. „Mail öffnen und Inhalt vorlesen!“, sagte ich. „Hallo, Allrounder Scott.“, begann die elektronische Stimme. „Unter der Grußformel finden Sie die Fürbitte. Da Sie ausgebildete Kommunikationsoffizierin sind, und sicher Übung im Auswendiglernen von Dingen haben, dürfte es Ihnen nicht schwerfallen, einen einzigen Satz zu behalten. Gesegnete Grüße, Ihr Father Fletcher. „Möge die Kindliche Göttin euch Liebende stets auf dem Pfad der Treue und Wahrheit entlang führen!“
Ich war zusammengefahren, hatte aber im gleichen Moment zu grinsen begonnen, zwei Dinge, die für Data nun so gar nicht zusammenpassen wollten. Dann hatte ich nur gesagt: „Sie waren ein weiser Mann, Father Mahabra! Wenn Sie nur wüssten wie weise!“ „Wie habe ich Ihr Verhalten zu deuten, Allrounder?“, fragte Data etwas verwirrt. „Kann Ihr Programm Deutsch übersetzen?“, fragte ich. „Ich bin in der Lage, alle der Föderation bekannten Sprachen zu verstehen und wiederzugeben.“, sagte Data. „Dann wird Ihnen aufgefallen sein, wie wunderbar zweischneidig dieser Satz ist, Data!“, rief ich aus. „Oh mein Gott! Ich meine: meine Kindliche Göttin!“ „Senken Sie Ihre Stimme!“, ermahnte mich Data leise, aber dennoch energisch. „Ihr Mann könnte erwachen und dann könnte es für uns beide unangenehm werden.“ „Sie haben ja Recht.“, sagte ich erheblich leiser. „Trotzdem ist das so schön zweischneidig. Verstehen Sie, Data, Ich wünsche ihnen auf der einen Seite, dass sie sich gegenseitig immer treu und ehrlich gegenüber sind, aber ich warne Nugura auch, die Augen offen zu halten, damit sie die Wahrheit erkennen möge. Ich bitte die Kindliche Göttin quasi verschlüsselt, genau dafür zu sorgen.“ „Das mag ja sein.“, sagte der Androide. „Nur ist mir nicht bekannt, dass Nugura über Kenntnisse Ihrer Muttersprache verfügt.“ „Das muss sie ja auch nicht.“, sagte ich. „Wissen Sie, ich setze darauf, dass der fremde Klang sie neugierig machen wird und dass sie zumindest lautmalerisch nachbilden kann, was ich gesagt habe. Damit könnte sie dann jeden Universalübersetzer füttern.“ „Das ist korrekt.“, sagte Data. „Aber ich hoffe, Ihnen ist bewusst, dass Sie dadurch gegen die Oberste Direktive verstoßen. Auch eine verschlüsselte Information ist eine Information und sie kann Folgen haben.“ „Sicher.“, sagte ich. „Aber das Risiko gehe ich ein. Früher oder später wird Sytania Nugura gegenüber ihr wahres Gesicht zeigen. Das Einzige, was ich dann getan haben werde, ist den Aufprall zu lindern, wenn Nugura auf die Nase fällt, oder besser vielleicht, sie aufzufangen, wenn ihre ach so sehr geliebte Sytania ihr das Herz bricht. Es ist ja auch noch gar nicht raus, ob sie meine verschlüsselte Botschaft überhaupt versteht. So naiv, wie sie sich im Moment gibt, glaube ich daran nur zu 50 %. Es ist also genauso gut möglich, dass mein Versuch, sich einzumischen, ohne Wirkung verpufft und wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter. Noch Fragen?“ „Ich bemerke, dass Sie langsam damit beginnen, Ihr braves Image abzustreifen.“, sagte Data. „Bei anderen hätte ich starke Bedenken, dass sie nicht sehen, wo die Grenze ist. Bei Ihnen aber nicht. Ich denke, Sie sollten ruhig so weitermachen. Ich denke, Benevidea hat uns nicht umsonst hierhergebracht und es kann sicher nicht schaden, wenn Sie ein wenig die Zähne zeigen. Vielleicht müssen wir das ja sogar.“ „Das hatte ich auch schon gedacht.“, sagte ich. „Aber jetzt entschuldigen Sie mich bitte, Data. Ich muss frühstücken und dann muss ich mich für eine Hochzeit herausputzen.“ „In Ordnung.“, sagte er und stellte sich dann stumm in eine Ecke des Wohnzimmers. Ich hingegen verließ selbiges in Richtung Schlafzimmer, wo ich meine Galauniform zuletzt abgelegt hatte, um sie zu holen und dann leise in Richtung Bad zu verschwinden. Dabei hoffte ich sehr, Scotty nicht zu wecken, der von meiner nächtlichen Serve-Tour im Föderationsnetz hoffentlich nichts mitbekommen hatte.
Auch Maron hatte sich in seinem Bett hin und her gewälzt. Er wusste nicht, warum er nicht schlafen konnte, vermutete jedoch, dass es etwas mit Zirells letzter Äußerung zu tun haben könnte. Völlig übernächtigt hatte er sich daher an IDUSA gewandt: „IDUSA, dies ist eine rein hypothetische Frage. Können bei so großen Tieren wie Pferden oder Einhörnern überhaupt Zwillingsgeburten vorkommen?“ „Nun, ich denke, wir müssen hier einen kleinen Unterschied machen.“, sagte der Rechner. „Schwangerschaften mit Zwillingen können durchaus vorkommen. Aber im Allgemeinen haben Pferdezüchter immer einen Riegel davorgeschoben. Medizinisch ist das nämlich sehr riskant. Sowohl die Mutter, als auch eines oder beide Jungtiere könnten die Geburt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht überleben. Außerdem ist eines der Jungtiere meistens bereits im Mutterleib unterversorgt und überlebt die Schwangerschaft gar nicht. Das hängt mit der Größe und dem nötigen Aufwand zusammen, den der mütterliche Körper zur Versorgung bereits eines Jungtieres aufbringen muss.“ „Verstehe.“, sagte Maron. „Bei Großtieren sind also zwei bereits eines zu viel.“ „Korrekt.“, sagte IDUSA. „Vom Platz im Mutterleib ganz zu schweigen. Aber warum wollen Sie mit mir darüber sprechen, Agent?“ „Weil ich mich frage, wo Commander Zirell unter diesen Umständen einen 1-eiigen Zwilling von Benevidea herbekommen will. Du sagst, es sei sehr wahrscheinlich, dass Kipana die Geburt von Zwillingen wohl nicht überlebt hätte. Außerdem ist uns kein Zwilling bekannt. Benevidea hat zwar einen älteren Bruder, aber der hat außerdem das falsche Geschlecht. Scientist Ketna ist sicher, dass sein Gewebe auch abgestoßen würde. Also was in Mutter Schicksals Namen will Zirell tun?!“ „Danach sollten Sie den Commander selbst fragen.“, schlug der Rechner vor. „Sonst kommen Sie unter Umständen gar nicht mehr in den Schlaf. Dafür ist es jetzt ohnehin zu spät. Es ist bereits sieben Uhr morgens.“
Ob ihrer nüchternen Auskunft fuhr Maron im Bett zusammen. „Was hast du gerade gesagt, IDUSA?!“, fragte er alarmiert. „Ich werde zu spät kommen! Sag Joran bitte, die Besprechung zur Schichtübergabe wird etwas auf sich warten lassen.“ „Wie Sie wünschen.“, gab der Rechner zurück.
Der demetanische Agent sprang auf, hastete kurz ins Bad und warf dann nur ganz schnell seine Uniform über. So ging er aus seinem Quartier in Richtung des nächsten Turbolifts, der ihn zur Kommandozentrale brachte, in der Joran bereits auf ihn wartete.
„Du bist spät dran, Maron El Demeta.“, stellte der Vendar fest, während er zusah, wie Maron sich hastig auf seinen Stuhl setzte. „Es tut mir leid, Joran.“, sagte Maron und gähnte. „Aber mir will einfach Zirells letzte Äußerung nicht aus dem Kopf.“ „So?“, wandte sich der Vendar an seinen demetanischen Vorgesetzten und sah ihn wohlwollend an. „Was hat Anführerin Zirell denn zuletzt zu dir gesagt?“ „Ich glaube, das Problem dürfte eher das sein, was ich gesagt habe.“, sagte Maron und raufte sich die Haare. „Du hast doch so ein tolles Gedächtnis und wir alle haben die Berichte der Electronica ja gesehen. Dir dürfte also bekannt sein, was unser Problem ist.“ „In der Tat.“, sagte Joran. „Wir benötigen Zellgewebe, das auf Benevideas passt, damit wir es in ihr telepathisches Zentrum transplantieren können. Aber bisher sind alle Simulationen fehlgeschlagen, weil es zu große Abweichungen gab.“ „Das stimmt.“, sagte Maron. „Darauf habe ich gescherzt, dass uns jetzt nur ein 1-eiiger Zwilling von Benevidea helfen könnte. Aber so etwas haben wir nicht. Zirell sagte darauf nur, dass wir abwarten sollen. Mehr weiß ich nicht.“ „Dann solltest du dringend mit Anführerin Zirell über die Sache sprechen, findest du nicht?“, entgegnete Joran. „Ich kann es ja versuchen.“, sagte der Demetaner. „Aber ich glaube kaum, dass sie heute gesprächiger sein wird, als sie es gestern war. Hast du sie eigentlich heute schon gesehen?“ „Das habe ich leider nicht, Maron El Demeta.“, sagte Joran. „Na gut.“, sagte Maron und betätigte den Knopf der Sprechanlage an seiner Konsole, der ihn direkt mit dem Terminal in Zirells Quartier verband. Dort erhielt er aber keine Antwort. Auch ein Ruf über ihr Handsprechgerät brachte kein Ergebnis. „Das ist seltsam.“, stellte Maron fest. „Sie ist sonst die Pünktlichkeit in Person. Es wird ihr ja wohl hoffentlich nichts geschehen sein.“
Er wandte sich dem Stationsrechner zu: „IDUSA, wo befindet sich Commander Zirell?“ „Commander Zirells Position ist unklar.“, gab der Rechner zurück. „Was soll das heißen?!“, fragte der Erste Offizier entrüstet. „Es gibt mehrere Orte, an denen sie sein könnte.“, sagte IDUSA. „Das verstehe ich nicht.“, sagte Maron.
Er betätigte erneut die Sprechanlage. Dieses Mal aber ließ er sich mit dem Arbeitsplatz von Jenna verbinden. „McKnight hier!“, sagte Jenna. „Techniker McKnight, hier ist Agent Maron. Welche Gründe kann es dafür geben, dass IDUSA jemanden an mehreren Orten gleichzeitig registrieren kann?“ „Oh das kommt auf die Einstellung der Suchparameter an.“, sagte die hoch intelligente Halbschottin. „Das Signal des Kommunikators, die Lebenszeichen und die DNS sind Standard. Kommunikatoren kann man aber ablegen und die Tindaraner sind in der Lage, sich jede Gestalt zu geben, die sie wollen. Das geht sogar hinunter bis auf die zellare Ebene, soweit ich weiß. Sie können also sogar ihre DNS manipulieren. Von ihren Lebenszeichen in anderer Gestalt ganz zu schweigen. Lassen Sie sich doch von IDUSA einfach mal die Orte zeigen, an denen sie Zirell vermutet.“ „Das werde ich tun, McKnight.“, sagte Maron und beendete die Verbindung.
Erneut wandte er sich an den Rechner: „IDUSA, zeig mir Bilder von den Orten, an denen du Zirell lokalisieren kannst!“ „Wie Sie wünschen, Agent.“, sagte der Rechner.
Vor Marons geistigem Auge öffneten sich mehrere Fenster auf dem virtuellen Schirm, den ihm der Rechner über den Neurokoppler zeigte. Unter anderem sah er eines von ihrem Quartier, in welchem er nur ihre feinsäuberlich zusammengelegte Uniform wahrnehmen konnte, die über einem Stuhl lag. Daran war ihr Kommunikator geheftet. Diese Position fiel also als ihr aktueller Standort aus, denn sie selbst war dort nirgendwo zu sehen. Das nächste Bild aber irritierte Maron doch sehr. Die Umgebung, die sich ihm darstellte, konnte er eindeutig als den leeren Frachtraum vier erkennen. Der Boden aber war mit Stroh ausgelegt und mitten in diesem Stroh stand ein junges Einhorn, das Benevidea bis aufs Haar genau glich.
Blass und nervös wandte er sich erneut Joran zu, der die Bilder auch gesehen hatte: „Wo kommt dieses Einhorn her und wie kommt IDUSA darauf, dass es Zirell sein könnte?“, fragte er. „Warum fragst du sie nicht?“, fragte der Vendar, der sich insgeheim längst eine Erklärung zurechtgelegt hatte. „Na gut.“, sagte ein total verwirrter Maron, der sich inzwischen gar nicht mehr auskannte. „IDUSA, woran hast du Zirell erkannt?“ „Der Neuralabdruck des Einhorns stimmt mit dem des Commanders zu 100 % überein.“, antwortete der Rechner nüchtern.
Maron wollte noch etwas sagen, aber im gleichen Augenblick hörte er Zirells Stimme in seinem Geist: Komm schon, Maron! Das kann doch nicht so schwer sein! Ich bin es tatsächlich! Zirell! Wenn du willst, dass Benevidea geholfen wird, würde ich an deiner Stelle ganz schnell dafür sorgen, dass die Electronica herkommt! Na los!
Joran hatte gesehen, dass Maron immer blasser geworden war. „Was ist dir?“, fragte der Vendar mit einem milden Blick. „Verbinde mich sofort mit der Electronica!“, stieß Maron hervor. „Beeil dich!“ „Wie du wünschst, Maron El Demeta.“, sagte der Vendar geduldig und leitete alle Schaltungen für die Verbindung ein.
Ketna hatte Benevidea erneut gemeinsam mit ihrer Assistentin einen Besuch abgestattet, bei dem sie dem Einhorn Medizin gegeben hatte, welche die Symptome ihrer Krankheit abmildern sollte. Benevidea hatte sich sehr schwach und sehr schlecht gefühlt. Die Medizin konnte dies zwar abfedern, ihr helfen konnte sie aber nicht wirklich.
„Wir können einfach ohne das richtige Gewebe nichts tun.“, resignierte die Zeonide. „So können wir allenfalls nur palliativ tätig werden.“ „Das ist wohl wahr, Madam.“, sagte Solthea. „Aber vielleicht kann ja ihre Familie noch etwas für sie tun.“ „Den Flug dorthin wird sie nicht überleben.“, sagte die Ärztin. „Wir benötigen eine schnelle Lösung.“ „Wer sagt es Time?“, fragte Solthea. „Ich werde das tun!“, sagte Ketna entschlossen. „Bleiben Sie bei ihr und überwachen Sie ihre Lebensfunktionen, Assistant. Es kommt mir fast so vor, als hätte sie nach ihrem Geständnis gegenüber Sensora jeglichen Lebensmut verloren. Es sieht für mich fast so aus, als wollte sie ihr Gewissen erleichtern und dann sterben.“ „Hoffen wir, dass Sie sich irren, Madam.“, sagte Solthea. Ketna zuckte nur niedergeschlagen mit den Schultern und verließ das Krankenzimmer des jungen Einhorns.
Yetron war auf der Brücke und hatte das Kommando übernommen. Bei ihm auf ihren Plätzen waren außerdem Shorna und Sensora. Die Androidin hatte ihren normalen Dienst wieder aufgenommen, nachdem sie erreicht hatte, was sie erreichen sollte. Das Schiff war immer noch auf ihrem normalen Kurs Richtung Weltraumwirbel unterwegs, den Time angeordnet hatte. Keiner der Brückenoffiziere ahnte jedoch, dass sich dieser Umstand bald schlagartig ändern würde.
Sensora war auf das nervös blinkende Licht auf der Konsole für das Sprechgerät aufmerksam geworden. Im Display konnte sie sehr gut das Rufzeichen von Commander Zirells Basis erkennen. Sofort meldete Sie an Yetron: „Sir, wir werden gerufen. Es ist die Basis von Commander Zirell.“ „Mich wundert, dass bei den ganzen interdimensionalen Störungen überhaupt noch eine Verbindung zustande kommt.“, sagte der Demetaner. „Das könnte etwas mit den Systemupdates zu tun haben, die Cenda kürzlich aufgespielt hat.“, vermutete Sensora. „Tatsache ist aber, dass man uns offenbar sprechen möchte.“ „Stellen Sie es auf den Hauptschirm, Allrounder!“, befahl Yetron. Sensora nickte und folgte seiner Aufforderung.
Der Agent sah bald in das Gesicht Jorans, der ihn nur begrüßte: „Ich grüße dich, Yetron El Demeta. Ich verbinde dich jetzt mit Maron El Demeta, dem Vertreter von Anführerin Zirell. Ich muss dich warnen. Er ist sehr aufgeregt.“ „Damit komme ich schon zurecht, Joran.“, sagte Yetron. „Trotzdem danke! Gib ihn ruhig her.“ „Wie du wünschst.“, sagte der Vendar und Yetron sah, wie sein Gesicht dem eines völlig aufgelösten Maron wich. „Bitte helft uns.“, stammelte dieser nur verzweifelt ins Mikrofon. Er war wohl froh und erleichtert über den Umstand, in Yetrons Gesicht zu sehen, aber die Situation, die er auf der Basis im Frachtraum vorgefunden hatte, ließ ihn einfach nicht in Ruhe.
„Was genau ist denn überhaupt passiert?!“, fragte Yetron sehr langsam und betont ruhig auf Englisch. Er hätte zwar mit Maron auch Demetanisch sprechen können, wollte aber, dass auch der Rest der Crew der Unterhaltung folgen konnte, ohne erst umständlich einen Universalübersetzer bemühen zu müssen.
„Yetron, ich habe das doch nie ernstgemeint!“, sagte Maron und raufte sich erneut die Haare. „Ich habe das doch eigentlich nicht gewollt!“ „Wovon redest du überhaupt?!“, fragte Yetron mit sehr ernstem Ton. „Sag mir am besten von Anfang an, was geschehen ist.“ „Du willst es von Anfang an?“, fragte Maron. „Na gut! Dann kriegst du es von Anfang an! Zirell und ich hatten über Benevideas Situation gesprochen. Du musst mir glauben! Ich hatte mehr oder minder einen Scherz gemacht, als ich sagte, dass uns nur ein 1-eiiger Zwilling von Benevidea helfen könnte. Jetzt ist Zirell verschwunden und wir haben einen!“ „Dein Commander verschwindet nicht einfach.“, belehrte Yetron seinen Landsmann und Kollegen. „Es wird sicher sowohl für das Auftauchen des Einhorns, als auch für das Verschwinden von Commander Zirell eine logische Erklärung geben. Wir werden herkommen und uns die Sache ansehen. Ich werde dich vernehmen und ein Team wird sich bei euch umsehen. Ich bin sicher, wir werden beides finden. Zirell und eine Erklärung für das plötzliche Auftauchen des Zwillings.“ „Danke, Yetron.“, sagte Maron erleichtert. „Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann.“ Dann beendete er die Verbindung.
Yetron hatte aus dem Augenwinkel seines rechten Auges gesehen, dass Sensora und Shorna ihre Handsprechgeräte in den Händen hielten und eifrig dabei waren, SITCH-Mails auszutauschen. „Darf ich erfahren, was so interessant ist, Ladies?“, fragte der Erste Offizier ruhig.
Auffällig schnell ließen die Frauen die Geräte wieder in ihre Taschen gleiten. Shorna wurde sogar rot. „Sie kommen mir gerade vor wie ein ertapptes Schulmädchen, Warrior, welches vom Lehrer beim unerlaubten Tuscheln mit der Sitznachbarin erwischt wurde.“, sagte Yetron. „Worüber haben Sensora und Sie sich denn gerade so angeregt unterhalten, hm?“ „Offen gesagt, Sir.“, sagte Shorna. „Ich wette mit Ihnen, das Einhorn ist Zirell! Diese Tindaraner können sich doch verwandeln in was sie wollen, wenn sie es wollen, nicht wahr? Der Allrounder teilt meine Theorie.“ „Und ich auch.“, sagte Yetron. „Nur Maron scheint noch nicht so weit gekommen zu sein. Sensora, aktivieren Sie den interdimensionalen Antrieb mit Ziel Tindara. Wir sollten keine Zeit mehr verlieren!“ „Aye, Agent!“, nickte die Androidin und machte sich daran, Yetrons Befehle auszuführen.
Ketna war auf dem Weg zur Brücke. Dabei hatte sie ein Pad in der Hand, auf das sie eine kleine Rede in Stichworten gesprochen hatte, die sie vor Time halten wollte. Damit wollte sie ihrem Vorgesetzten auf jeden Fall verdeutlichen, wie ernst es um Benevidea stand und dass man unter Umständen sogar eine Änderung der Pläne in Betracht ziehen musste. Auf dieses Pad hatte sie jetzt ihre Augen gerichtet und deshalb nicht gesehen, dass sie beinahe mit Time zusammengestoßen wäre. Sein Versuch, sie von sich fortzustoßen, erschreckte sie sogar derart, dass sie fast hingefallen wäre, hätte er sie nicht aufgefangen.
„Langsam, Scientist!“, sagte Time ruhig. „Wo haben Sie denn heute Ihre Augen?“ „Es tut mir leid, Sir.“, entschuldigte sich die Ärztin. „Aber ich war wohl mit meinen Gedanken ganz woanders.“ „Sieht man.“, sagte Time platt, dessen Blick ihr Pad leicht gestreift hatte. „Es geht ihr wohl schlechter, was?“ Die Zeonide nickte nur niedergeschlagen. „Es ist, als wollte sie sterben, Commander. Es ist, als würde sie ihr Geständnis gegenüber Sensora als letzte Beichte betrachten. Anscheinend …“
Time hatte seinen rechten Zeigefinger an seine Lippen gelegt. Dann hatte er einen mahnenden Laut von sich gegeben und zu Ketna gesagt: „Pst, Scientist! Bitte seien Sie kurz mal ganz still!“ „Was ist denn?“, hatte die Medizinerin verwundert gefragt. Time hatte daraufhin seine Ermahnung nur wiederholt.
Einige Sekunden waren vergangen, ohne dass beide auch nur ein weiteres Wort gewechselt hatten. Peter hatte sogar den Atem angehalten. Erst jetzt löste er sich wieder aus seiner starren Haltung und erklärte: „Ich glaubte, den interdimensionalen Antrieb zu hören. Jetzt ist das Geräusch aber wieder vorbei. Ist das nicht faszinierend? Das Auge ist ein so dominantes Sinnesorgan für uns. Dabei ist es so leicht zu täuschen. Ohren, Nase, Hände und Zunge setzen wir dagegen viel zu selten ein. Darauf haben wir aber selbst Einfluss. Wir können unser Gehirn entsprechend trainieren, wenn wir wollen, nicht wahr? Ich denke, von Scott und Mikel können wir dadurch eine Menge lernen.“ Ketna nickte. „Die medizinische Abteilung der Sternenflotte erhebt tatsächlich im Augenblick darüber eine Studie, Sir.“, sagte sie. „Mikel und Scott wurden angeschrieben, ob sie teilnehmen wollten, weil sie tatsächlich die einzigen bekannten Blinden in unserer Zeit sind, die keinen Visor tragen. Wir versuchen tatsächlich herauszufinden, ob es durch Training, das bereits in der Kindheit stattfindet, möglich ist, Einfluss darauf zu gewinnen, wie dominant ein Sinn für jemanden sein wird. Wir hoffen, dass uns das helfen kann. Vor allem bei der Behandlung von Unfallopfern. Nicht alle vertragen schließlich künstliche Implantate oder wollen sie.“ „Verstehe.“, sagte Time. „Und das nicht Wollen halte ich vor allem in den Familien für sehr verbreitet, die vor knapp 800 Jahren ein Borg-Trauma erlitten haben.“ „Mag sein.“, sagte Ketna. „Aber andererseits ist diese Erklärung auch sehr flach. Es gibt sicher auch noch andere Motive. Aber das ist ja nicht wichtig. Jeder Patient darf schließlich schlussendlich selbst entscheiden, ob er eine Behandlung annehmen oder ablehnen will. Zwingen darf und kann die Medizin ihn nicht. Das wäre Körperverletzung in Verbindung mit Nötigung und damit eine Straftat. Das würde Mr. Yetron sicher bestätigen.“ „Ja, das würde er, meine Liebe.“, sagte Time. „Aber ich glaube, wir schweifen ganz schön ab. Wie geht es Benevidea?“ „Solthea und ich glauben, sie könnte den Tag nicht überleben.“, sagte Ketna. „Deshalb wollte ich zu Ihnen, Sir. Aber anscheinend weiß Mr. Yetron bereits Bescheid. Aus irgendeinem Grund wird er angeordnet haben, dass wir sie auf dem schnelleren Weg nach Hause bringen. Ich kann mir zwar nicht erklären, woher er das weiß, aber …“
Erneut legte Peter den Finger an die Lippen. Dann sagte er: „Das sind nicht die Atmosphärentriebwerke. Das sind die Impulsmaschinen. Wir können also nicht im Dunklen Imperium sein.“ „Wie lange trainieren Sie schon heimlich, Commander?“, fragte Ketna erstaunt. „Wollen Sie sich nicht an unserer Studie beteiligen? Wir suchen nämlich noch einen Sehenden, der sich freiwillig selbst umtrainieren will.“ „Von mir aus.“, sagte Time. „Geben Sie mir mal die Kontaktdaten.“ „Sicher.“, sagte die Ärztin. „Ich sende Ihnen eine Mail. Aber zurück zu Benevidea: Wenn keine Lösung gefunden wird, dann wird sie den Tag nicht überleben!“ „Oh wie es aussieht, hat Mr. Yetron aber bereits eine.“, sagte Time. „Sensora scheint gerade auf Manöverierdüsen umgeschaltet zu haben. Wir machen anscheinend irgendwo fest. Gehen Sie zu Ihrer Patientin! Ich kläre das hier!“, „OK, Commander.“, sagte Ketna und wandte sich erleichtert ab.
Der Terraner setzte seinen Weg fort. Sobald er die Brücke betreten hatte, forderte er von Yetron: „Bericht, Agent!“ „Wir haben den Kurs in Richtung tindaranische Dimension geändert, Sir.“, begann der Demetaner nüchtern. „Auf Commander Zirells Basis gab es einen Vorfall, der uns Anlass zur Hoffnung gibt. Ich bin zwar mit meinen Ermittlungen noch nicht ganz fertig, aber es sieht bisher ganz danach aus, als hätte sich Commander Zirell selbst in einen 1-eiigen Zwilling von Benevidea verwandelt, um uns das entsprechende Gewebe liefern zu können. Wir docken gerade an der Basis. Ich werde, als leitender Ermittler, selbst hinübergehen.“ „Ich begleite Sie, Agent!“, sagte Time entschlossen. „Das lasse ich mir doch nicht entgehen. Sensora, sagen Sie den Medizinerinnen, sie sollen den Agent und mich in Transporterraum Eins treffen!“ Die Androidin nickte.
Time wandte sich Yetron zu: „Na los, Agent! Das hätte ich Zirell wirklich nicht zugetraut! Aber so könnten wir Benevidea tatsächlich retten. Sehr gute Entscheidung, Mr. Yetron!“
Dann wandte er sich kurz an Sensora: „Sie haben die Brücke, Allrounder!“, bevor er gemeinsam mit seinem Ersten Offizier den eben genannten Teil des Schiffes verließ und sich beide in Richtung Transporterraum begaben, wo Switcher bereits auf sie wartete, den Sensora entsprechend verständigt hatte.
Kapitel 21: Unverhoffte Rettung
von Visitor
Ein von einer Mischung aus Verzweiflung und Nervosität geplagter Maron hatte inzwischen den Maschinenraum von Zirells Basis aufgesucht. Er hatte gehofft, dort auf die seiner Meinung nach intelligenteste Person der Station zu treffen, Techniker Jenna McKnight. Umso größer war seine Enttäuschung, als er dort nur auf ihre Assistentin traf. „Wo ist Ihre Vorgesetzte, O’Riley?!“. Fragte er. „Die hat doch jetzt gar keinen Dienst, Agent.“, erinnerte die blonde Irin ihn. „Das müssten Sie doch selbst am besten wissen. Schließlich sind Sie unser Erster Offizier und damit für die Dienstpläne zuständig!“ „Da haben Sie Recht, Shannon.“, sagte Maron. „Aber in diesem Fall wünschte ich, ich hätte Sie beide genau andersherum eingeteilt!“ „Was soll denn das heißen?!“, fragte Shannon bedient. „Bin ich Ihnen etwa nich’ gut genug? Na geben Sie mal her, das kaputte Teil. Ich werde Ihnen jetzt beweisen, dass auch ich Sachen wieder zusammenschustern kann!“ „Ich befürchte, mein Problem könnte eine Nummer zu groß für Sie werden, Shannon.“, sagte Maron. „Na gut.“, sagte O’Riley genervt. „Es gibt ja tatsächlich Sachen, die darf ein Technical Assistant nich’. Ich glaube aber kaum, dass Sie mir mit einer defekten Warpgondel daherkommen.“ Sie grinste hörbar. „Nein, das tue ich wahrhaftig nicht.“, sagte Maron. „Mein Problem ist, wenn ich ehrlich sein darf, noch nicht einmal tatsächlich technischer Natur.“ „Und warum kommen Sie dann hierher?“, fragte die blonde Irin. „Ich sagte ja bereits, dass ich gehofft habe, hier auf McKnight zu treffen.“, erklärte der Agent. „Ach so.“, meinte Shannon. „Sie denken also, nur unser Jenn’-nie könnte Ihnen mal wieder aus der Patsche helfen, wie? Na dann mal raus mit der Sprache, Agent! Was haben Sie wieder angestellt?“
O’Riley beobachtete, dass Maron tatsächlich sehr blass wurde. „Na, das muss ja was ganz Schlimmes gewesen sein.“, hakte sie in ihrer oft etwas plump anmutenden Art nach. „Aber IDUSA läuft wie ’ne Eins. Den Hauptrechner haben Sie also nich’ zum Absturz gebracht. Was is’ los, Sir?! Sagen Sie’s der guten alten O’Riley. Ich garantiere Ihnen, Ihr Geheimnis is’ bei mir in den besten Händen.“
Maron wollte gerade ansetzen, da erschien IDUSA über den Simulator im Raum. Jenna hatte diese Geräte mit Zirells und Marons Einverständnis überall eingebaut, denn sie dachte sich, dann müssten nicht immer alle ihre Neurokoppler mitschleppen. „Wir bekommen Besuch.“, kündigte sie an. „Die USS Electronica hat gerade an Andockrampe vier festgemacht. Commander Time und sein Erster Offizier werden herüberbeamen.“ „Ich werde sie empfangen, IDUSA!“, sagte Maron und wollte sich zum Gehen wenden. Dabei kam er allerdings nicht sehr weit, denn ein merkwürdiger Schwindelanfall hinderte ihn. Shannon konnte ihn gerade noch auffangen. „Na, ich gehe mal besser mit, Sir.“, sagte sie. „Bevor Sie mir hier noch aus den Latschen kippen.“ Maron nickte nur gleichgültig und ließ sich von ihr aus dem Raum stützen.
Mit dem nächsten Turbolift waren Sie bald an der Schleuse angekommen. Zeitgleich hatte Cenda auch Time und Yetron, sowie Ketna und Solthea, auf die Station gebeamt. „Willkommen auf 281 Alpha.“, begrüßte Maron die Offiziere förmlich. „Ich bin Agent Maron, das ist Technical Assistant Shannon O’Riley.“ „Danke, Agent.“, sagte Time. „Ich bin Commander Peter Time, Das ist mein Erster Offizier Agent Yetron und das sind Scientist Ketna und ihre Assistentin Medical Assistant Solthea. Ich war mir nicht sicher, ob Sie sich noch an uns erinnern.“ „Sicher tue ich das.“, sagte Maron und seine Stimme überschlug sich fast vor Nervosität. „Ich bin heilfroh, dass Sie endlich da sind. Das kann doch nicht gut gehen! Nein, das kann doch nicht gut gehen!“ „Ach du meine Güte!“, stellte Time fest. „Das kann man sich ja nicht mit ansehen! Von dem bekommen wir so keine Informationen!“
Er wandte sich Shannon zu: „Technical Assistant, was wissen Sie über den Grund, aus dem Ihr Vorgesetzter so ein nervöses Hemd ist?“ „Gar nix, wenn ich ehrlich sein soll, Commander.“, flapste sie. „Er wollte mir die Sache gerade erklären, da hat IDUSA Sie angekündigt.“ „Frachtraum vier.“, warf Yetron als Stichwort ein. „Ach ja.“, erinnerte sich Time. „Also, wir machen das folgendermaßen: Agent Yetron, Sie nehmen dieses nervliche Wrack mit auf die Electronica und vernehmen ihn und ich lasse mir gemeinsam mit dem Scientist und dem Medical Assistant von dieser hübschen jungen Dame hier das Malheur in Frachtraum Vier zeigen!“ „In Ordnung, Commander.“, sagte Yetron und wandte sich Maron zu, dem er auch einige beruhigende Worte auf Demetanisch ins Ohr flüsterte. Dann nahm er sein Sprechgerät, gab das Rufzeichen der Electronica ein, ließ sich vom Computer mit Switcher verbinden und befahl: „Zwei zum Beamen, Technical Assistant! Dann verschwanden die beiden Demetaner in zwei immer durchsichtiger werdenden Säulen aus Energie.
Time, die Medizinerinnen und die blonde Irin waren zurückgeblieben. „So, O’Riley, jetzt zeigen Sie uns mal das Problem.“, sagte Time. „Was ist denn da los in eurem Frachtraum Vier?“ „So genau weiß ich das auch nich’.“, flapste Shannon. „Aber wir können es gern zusammen rausfinden!“ „Na dann los!“, sagte Time. „Gehen Sie voran. Ich kenne mich ja hier nicht aus.“ „OK.“, sagte Shannon. „Dann folgen Sie mir bitte, alle miteinander!“
Sie stiegen in den nächsten Turbolift, der sie auf das Frachtdeck brachte. Hier bogen sie in einen Gang ab und standen bald vor einer Tür, die Shannon mittels ihres biologischen Fingerabdrucks öffnete. Danach betraten sie und Time den Raum.
Der Terraner staunte nicht schlecht über das, was er dort zu sehen bekam. Er war auch zunächst sehr verwundert über den Anblick des jungen Einhorns, das Benevidea wirklich bis aufs Haar glich. Zumindest war das optisch der Fall. Wie weit es sonst noch hinkam, würde er jetzt mit Hilfe seines Erfassers herausfinden müssen, aber selbst das Gerät hielt das Einhorn für Benevidea. Es wies ihn allerdings auf eine Abweichung hin, die mit dem Neuralabdruck erklärt wurde.
Erstaunt und erfreut zugleich ließ Time das Gerät sinken. „Also, ich weiß nicht, ob du mich so hören kannst, Zirell!“, rief er aus. „Aber du hast dich mit deiner Verwandlung selbst übertroffen! Sogar mein Erfasser denkt, du bist Benevidea! Er stolpert zwar über deinen Neuralabdruck, aber … Wow!“ „Oh das kann man ändern, Sir.“, sagte Shannon und warf einen Blick auf Times Erfasser: „Darf ich?“ „Nur zu!“, erwiderte der Amerikaner und gab ihr das Gerät in die Hand. Shannon nahm mit ein paar gekonnten Handgriffen einige Einstellungen vor. Dann gab sie das Gerät an ihn zurück: „So, Commander. Jetzt scannen Sie das Einhorn bitte noch mal.“ „Also gut.“, sagte Time und ließ seinen Erfasser erneut einen Scan vornehmen. „Jetzt hält er sie ohne Einwände für Benevidea.“, sagte Time. „Wie haben Sie das gemacht, Shannon?“ „Ich habe nur die Auswahl der Suchparameter verändert. Ich habe den Neuralabdruck aus der Liste genommen.“, sagte Shannon. Wenn Sie das wieder ändern wollen, gehen Sie einfach im Menü auf alle. Dann sind die Standardeinstellungen wieder da.“ „OK, Shannon.“, sagte Time. „Danke für den Tipp!“
Auch Ketna hatte das Gleiche mit Erstaunen festgestellt. Nur hatte sie ihren Erfasser allein eingestellt. Sie hatte aber nur den Neuralabdruck gelten lassen und somit wurde das Einhorn als Zirell identifiziert. Da sie Time aber glaubte, ließ dies in ihren Augen nur einen Schluss zu. „Ich benötige meine Patientin, eine Konsole mit einem chirurgischen Transporter, einem Stimulator und einem Emitter für ein Sedationsfeld am besten in zweifacher Ausführung und dann muss ich alle bitten, die nicht steril sind, diesen Raum zu verlassen, oder sich von meiner Assistentin sterile Überzüge für ihre Uniformen geben zu lassen. Dann können Sie alle bleiben. Technical Assistant, ich benötige vielleicht auch Ihren medizinischen Offizier. Bitte geben Sie ihm Bescheid.“ „Oh ich wollte eh gerade gehen.“, sagte Shannon. „Ich kann kein Blut sehen. Deshalb sind Operationen nix für mich. Aber Ishan, den kriegen Sie, Scientist. Dem sage ich unterwegs Bescheid.“ Dann ging sie. „In Ordnung.“, sagte Ketna. „Ich gehe am besten auch.“, sagte Time. „Ich glaube, Sie können bei der Operation sicher keinen ahnungslosen Vorgesetzten brauchen, der pausenlos dumme Fragen stellt und Ihnen zwischen den Füßen herumstreicht. Es wird hier gleich sicher auch so voll genug.“ „Sehr rücksichtsvoll, Commander.“, sagte Ketna diplomatisch und Time verstand trotzdem, dass dies auch von ihrer Seite ein Rausschmiss war. Er zog also sein Sprechgerät und ließ sich von Switcher zurück auf das Schiff holen. Auch Ketna zog das Ihre, um sich vom Computer mit Switcher verbinden, um Solthea zurückzuschicken, die das Verlangte besorgen sollte. Solthea würde nicht nur den Transport begleiten, sondern ihrer Vorgesetzten und dem Arzt der Station auch bei der Operation behilflich sein.
Yetron und Maron waren inzwischen auch an Bord der Electronica eingetroffen. Sie hatten sich in Times Bereitschaftsraum zurückgezogen, den der Kommandant seinem Ersten Offizier oft vertrauensvoll für Vernehmungen zur Verfügung stellte. Hier hatte Yetron seinem Gegenüber einen Platz zugewiesen und sich dann selbst an den Schreibtisch gesetzt. Vorher hatte er jedoch mit Hilfe des Replikators ein Schnapsglas mit terranischer Cola besorgt. Wer sich mit den biologischen Eigenheiten der Demetaner etwas auskennt unter euch, meine lieben Leserinnen und Leser, der wird sicher wissen, dass Kohlensäure auf Demetaner die gleiche Wirkung hat wie auf uns Alkohol. Dieses Glas hatte er nun vor Maron abgestellt. „Zur Beruhigung.“, hatte er gleichmütig gesagt.
Maron warf dem Glas nur einen kurzen Blick zu und schob es dann von sich. „Meine Aussage wird nichts wert sein.“, sagte er. „Das müsstest du doch auch wissen, Kollege! Eine unter dem Einfluss von Drogen oder Medikamenten genommene Aussage kann und darf kein Ermittler …“ „So?“, grinste Yetron. „Na dann werde ich die Situation mal ausgleichen!“
Er ging erneut zum Replikator und replizierte sich auch ein Schnapsglas voll Cola, das er im Nuh herunterstürzte. „Jetzt bist du dran!“, forderte Yetron ihn auf. „Na schön.“, sagte Maron und hob zögernd sein Glas, um es nippend in Zeitlupe zu leeren. Dann holte er tief Luft und sagte: „Jetzt geht es mir tatsächlich viel besser. Aber eine Dauerlösung darf das natürlich nicht werden.“ „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, wie die Terraner sagen.“, sagte Yetron. „Auf so mancher Party bist du doch bestimmt auch kein Kind von Traurigkeit.“ „Das ist aber etwas ganz anderes.“, sagte Maron. „Jetzt bin ich im Dienst.“ „Es mag dir neu sein, aber das bin ich auch.“, sagte Yetron. „Dann wollen wir mal hoffen, dass der Computer nicht petzt.“, meinte Maron.
Yetron räusperte sich und zog ein Pad aus seiner Tasche. Dieses schaltete er auf Aufnahme und schob es in Marons Richtung. Dann sagte er: „Was ist der Grund, aus dem du so nervös bist? Schildere am besten alles von Anfang an.“ „Angefangen hat alles eigentlich gestern, nachdem wir mit euch gesprochen hatten.“, sagte Maron. „Ich hatte gegenüber Zirell gescherzt, dass uns hier wohl nur ein 1-eiiger Zwilling von Benevidea helfen könnte. Sie hat dann nur gesagt, dass ich abwarten soll und ist gegangen. Aber eines war merkwürdig an ihrem Verhalten. Sie war merkwürdig müde. Ich gehe aber davon aus, dass sie nur so getan hat. Dafür kam das nämlich zu plötzlich. Sie hatte wohl nur eine Ausrede gesucht, um schneller in ihr Quartier zu kommen, wo sie in aller Ruhe ihre Verwandlung vollziehen wollte. Auch ich bin ins Bett gegangen. Die Sache hat mir aber keine Ruhe gelassen. Ich habe sie mit IDUSA diskutiert. Der Rechner hielt es für unmöglich, dass es einen Zwilling geben könnte.“ „Darüber hätte Logar uns bestimmt auch informiert.“, fügte Yetron bei. Maron nickte. „IDUSA sagt, es sei höchst unwahrscheinlich, dass Kipana eine Zwillingsgeburt überlebt hätte. Auch eines der Fohlen wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits im Mutterleib an Unterversorgung gestorben, oder besser, hätte daran sterben können. Deshalb scheidet ein wirklicher Zwilling wohl aus. Es muss also Zirell sein. Aber das kann und darf doch nicht …“
Erneut wurde Maron sehr aufgeregt. „Beruhige dich.“, sagte Yetron ruhig. „Wo nimmst du bloß deine Gelassenheit her?“, fragte Maron und sah seinen Kollegen und Freund erneut verzweifelt an. „Manchmal hast du mehr Ähnlichkeit mit Mr. Spock, als es dir vielleicht selbst lieb ist.“ „Und warum bist du so aufgeregt?“, fragte Yetron. „Du solltest dich lieber freuen, dass Zirell deine Idee aufgegriffen und verwirklicht hat.“ „Wenn ich nicht ich wäre.“, entgegnete Maron. „Dann wäre das sicher richtig. Aber meine Ideen haben nun einmal bisher die seltsame Eigenschaft gehabt, gründlich schiefzugehen. Ich bin leider kein solches Vorzeigebeispiel unserer Rasse wie du. Wenn ich mal versuche, besonders listig oder klug zu sein, geht das viel zu oft nach hinten los. Jedenfalls war es bisher oft so und ich möchte nicht, dass Zirell etwas geschieht.“ „Zirell hat sich selbst und aus freien Stücken in einen 1-eiigen Zwilling von Benevidea verwandelt.“, erinnerte Yetron ihn. „Sie wird wissen, was sie mit ihren Kräften tut. Die Tatsache, dass es dein Plan war, wird an dieser Tatsache nichts ändern. Ich wusste gar nicht, dass du so abergläubisch bist.“ „Das wird man mit der Zeit, Yetron.“, sagte Maron. „Vor allem dann, wenn man es gewohnt ist, ständig nur Pech beim Denken zu haben.“
Yetron stand grinsend auf. „Lass uns doch erst einmal klären, ob es sich bei dem Einhorn tatsächlich um Zirell handelt.“, sagte er. „OK.“, sagte Maron. „Wo fangen wir an?“ „Zunächst gehen wir in den Transporterraum und sagen Switcher, er soll uns direkt vor Zirells Quartier absetzen. Den Rest erkläre ich dir dann.“ „OK.“, sagte Maron. „Du willst sicher nach Spuren suchen. Ich werde meinen Notfallcode benutzen müssen, damit IDUSA uns die Tür öffnet.“ „OK.“, sagte Yetron. „Ich höre auch bestimmt weg.“
Auch Maron stand auf und reihte sich hinter Yetron ein. So gingen die Männer in Richtung Transporterraum. „Noch einmal zu dem Drink, den du mir ausgegeben hast.“, sagte Maron. „Du bist dir sicher, dass da nicht …“ „Syntharbon.“, sagte Yetron. „Es imitiert Geschmack und Geruch eines kohlensäurehaltigen Getränks perfekt, nicht wahr?“ „Seit wann …?“, stammelte Maron. „Seit ungefähr einem Jahr.“, sagte Yetron. „Du wirst nie erraten, wer maßgeblich an der Findung des Namens beteiligt war. Deshalb sage ich es dir. Es war Allrounder Scott. „Sie hat einfach die Worte Synthetik für künstlich und Carbon für Kohle und somit auch für Carbonsäure zusammengesetzt. Ihr Vorschlag wurde dann einstimmig von der Kommunikationsabteilung angenommen.“ Ach ja.“, sagte Maron. „Allrounder Scott! Um die geht es ja auch noch. Hoffen wir, dass wir sie und Commander Data bald befreien können.“ „Nun, ich halte nicht für unwahrscheinlich, dass sie selbst einen Weg finden könnte, sich und den Commander zu befreien.“, sagte Yetron. „Oder zumindest einen erheblichen Teil dazu beiträgt.“ Maron nickte nur grinsend.
Bald hatte Switcher die beiden Agenten vor Zirells Quartier abgesetzt. Sie waren allerdings sehr erstaunt, als sich ihnen IDUSA über den Simulator im Flur zeigte: „Es tut mir leid, Agent Yetron, dass ich Sie nicht informiert habe, aber ich habe bereits eine Reaktionstabelle von Ihnen erstellt. Ich dachte mir, Sie werden ja auch mit mir kommunizieren wollen.“ „Da liegst du sicher nicht falsch, IDUSA.“, sagte Yetron und grinste. „Es könnte durchaus sein, dass Maron und ich auch deine Aussage nehmen werden.“ „Wie sicher und mutig du mit ihr redest.“, staunte Maron. „Ich hatte am Anfang damit mehr Schwierigkeiten.“ „Es ist das Bestreben und das Ziel der Föderation, andere Kulturen zu akzeptieren.“, sagte Yetron. „Du solltest damit eigentlich keine Probleme haben. Sonst hättest du dein Offizierspatent bei weitem verfehlt.“ „Das kriege ich ja bis zu einem gewissen Grad auch hin.“, sagte Maron. „Aber die Kultur der Tindaraner verstehe ich vielleicht nicht wirklich. Ich habe ein Problem damit, IDUSA als gleichwertig mit uns zu begreifen.“ „Hast du dasselbe Problem mit Ishan?“, fragte Yetron wie ein Anwalt, der einen Zeugen beim Verhör in die Zange nahm. „Nein, du Haarspalter.“, sagte Maron und wurde rot. „Warum nicht?“, wollte Yetron wissen. „Ich wette, es hat mit der Tatsache zu tun, dass Ishan zwei Arme und zwei Beine hat wie du auch. Aber sieh den Avatar vor deinem geistigen Auge doch an, Maron. Sie sieht doch aus wie eine Tindaranerin, die menschliche Gestalt angenommen hat, oder?“ „Ja, aber sie ist keine Organische … Hör auf! Hör bitte auf! Ich gebe mir ja die größte Mühe. Sie sagen auch, es sei schon besser geworden. Aber …“, stammelte ein sehr schuldbewusster Maron.
Ein Geräusch hatte die beiden Offiziere aufhorchen lassen. Yetron hatte sich umgedreht, um nach dessen Quelle Ausschau zu halten. Er fand sie auch bald. Es handelte sich um die Tür von Zirells Quartier, die sich automatisch hinter ihnen geöffnet hatte. Für beide sah es jetzt so aus, als würde IDUSA vor ihnen in den Raum gegangen sein und ihnen jetzt aus dem Türrahmen heraus zuwinken. „Bitte einzutreten, Gentlemen.“, sagte sie. „Commander Zirell befahl mir, Ihnen die Tür zu öffnen, wenn sie Fragen haben sollten. Ich werde sie Ihnen alle beantworten, wenn ich kann. Agent Yetron, der Befehl, eine Reaktionstabelle von Ihnen zu erstellen, kam auch von ihr.“ „Aha.“, sagte Yetron. „Sie hatte also offenbar schon mit unserer Ermittlung gerechnet.“ Er wandte sich Maron zu: „Komm!“
Sie betraten den Flur und IDUSA begann sofort, Ihnen den Weg ins Schlafzimmer auszuleuchten. „Bist du sicher, dass das in Ordnung ist?“, fragte Maron an Yetron gewandt, der bereits dorthin auf dem Weg war. „Offenbar war IDUSA von Etwas Zeugin, das in diesem Raum stattgefunden hat.“, belehrte der ältere Ermittler seinen jüngeren und damit unerfahreneren Kollegen. „Offensichtlich geschieht alles, was sie hier tut, mit Zirells Einverständnis. Wir dringen also nicht unerlaubt in irgendeine Privatsphäre ein, auch wenn dies 100-mal Zirells Schlafzimmer und sie ebenso oft deine Vorgesetzte ist. An deiner Stelle würde ich lieber meinen Erfasser bereitmachen. Ich scanne nach telekinetischer Energie und du nach biologischen Rückständen. OK?“ „Na gut.“, sagte Maron skeptisch. Er machte keinen Hehl daraus, dass er eigentlich mit der Situation, wie sie jetzt vorherrschte, nicht einverstanden war.
Sie hatten bald den gesamten Raum gescannt. Tatsächlich hatten beide Erfasser angeschlagen. Maron hatte außer Zirells eigener DNS auch die des jungen Einhorns aus dem Frachtraum gefunden. Dazu passte auch das Ergebnis von Yetrons Scans. Auch er hatte telekinetische Energie gefunden, was darauf hindeutete, dass sich Zirell bereits hier in das Einhorn verwandelt haben musste.
Maron drehte sich mit aktivem Erfasser einige Male um sich selbst, als er den Raum verlassen hatte. „Auf dem Flur ist nichts.“, rief er Yetron zu, der noch immer im Schlafzimmer stand. „Sie hat den Raum also nicht zu Fuß verlassen.“ „Deine Vorgesetzte ist Telekinetikerin.“, sagte Yetron. „Das muss sie auch nicht.“ „Das weiß ich selbst.“, sagte Maron. „Aber ich hatte gedacht, sie würde uns zumindest einige brauchbare Spuren hinterlassen.“ „Das hat sie ja auch.“, sagte Yetron. „Da sind die Energiewerte und dann die Aussage unserer elektronischen Zeugin. IDUSA, hast du vielleicht sogar Commander Zirells Verwandlung gesehen?“ „Und ich hatte schon befürchtet, Sie würden nie fragen, Gentlemen.“, sagte IDUSA. „Bereits in dem Augenblick, als sie die Kommandozentrale verlassen hat, hatte mir Commander Zirell per Handsprechgerät befohlen, ihre Aktivitäten aufzuzeichnen, sobald sie ihr Quartier betreten würde. Ich sollte die Aufzeichnung beenden, sobald sie es wieder verlassen hätte. Auch diese Aufzeichnung soll ich Ihnen zeigen und zur Verfügung stellen. Bitte setzen Sie sich, lehnen Sie sich entspannt zurück und genießen Sie die Show!“ „Also gut, IDUSA.“, sagte Maron und er und Yetron zogen sich einige der im Wohnzimmer vorhandenen Sitzkissen vor Zirells noch unberührtes Bett. Darauf setzten sie sich. „Also gut.“, sagte IDUSA. „Ich nehme an, Ihr Verhalten kann man mit: Film ab! Übersetzen. Es geht los, Gentlemen!“
Die Umgebung vor den geistigen Augen der Agenten veränderte sich. Erneut sahen sie den Türrahmen, aber dieses Mal sahen sie auch Zirell, die ihr eigenes Quartier betrat. Dann stellte sie sich mitten in ihr Wohnzimmer und sagte: „Du weißt, was du zu tun hast, IDUSA!“ „Das ist mir bekannt, Commander.“, sagte der Avatar. „Ich möchte Ihnen nur zu äußerster Vorsicht raten. Das Risiko für Sie könnte bei der Operation auch recht hoch sein. Wir wissen ja nicht, wieviel Gewebe Scientist Ketna benötigt.“ „Sie wird mir schon nicht mein ganzes telepathisches Zentrum nehmen.“, sagte Zirell. „Mach dir um mich bitte keine Sorgen. Ich weiß, dass du mich nur erinnern wolltest. Aber das Risiko ist mir durchaus bewusst. Außerdem weiß ich ja auch nicht, wie mein Körper als Einhorn auf eventuelle Narkosen reagiert. Aber ich denke, das bekommen wir schon in den Griff. So, und jetzt berechne für mich, welche Menge Stroh benötigt wird, um Frachtraum vier ungefähr 50 cm hoch damit auszupolstern. Ich werde schließlich nachher operiert und will ein weiches Krankenbett, klar?! Wenn du das Ergebnis hast, repliziere diese Menge und beame sie dorthin. Ich werde später telekinetisch folgen.“ „Wie Sie wünschen, Commander.“, sagte der Avatar.
Zirell stellte sich locker und entspannt hin, als würde sie auf etwas warten. Dann sagte IDUSA: „Ich habe alles vorbereitet, Commander. Sie werden sehr weich liegen.“ „Danke, IDUSA.“, sagte Zirell. „Dann bin jetzt wohl ich dran. Sieh gut zu, IDUSA! Sieh gut zu, damit du Maron und den anderen nachher alles gut zeigen kannst.
Sie begann damit, sich auf ihr eigenes Spiegelbild zu konzentrieren. Dann ließ sie dieses immer mehr zu dem von Benevidea werden. Alsbald gab es einen weißen Blitz und dann stand ein junges Einhorn an der Stelle, an der sie vorher gestanden hatte, das Benevidea bis aufs Haar glich. Dann folgte ein weiterer weißer Blitz, Zirell verschwand und die Aufzeichnung endete.
„So hat sie das also gemacht.“, staunte Maron. „Aber ich hoffe wirklich, dass sie die Risiken nicht unterschätzt hat.“ „Lass uns sterile Überzüge für unsere Uniformen Holen und dann mal vorsichtig anklopfen.“, schlug Yetron vor. „Vielleicht lässt Ketna uns ja bei der Operation zusehen.“ „OK.“, sagte Maron. „Nidell kann uns damit sicher aushelfen. Es würde mich auch sehr beruhigen, wenn du deine Ärztin davon überzeugen könntest.“ „Also gut.“, sagte Yetron. „Gehen wir.“ Damit standen sie auf und Maron führte Yetron in Richtung der Krankenstation von Zirells Basis.
Kapitel 22: Die Operation
von Visitor
Solthea war im Frachtraum eingetroffen und hatte auch gleich alle Gerätschaften mitgebracht, die Ketna verlangt hatte. Per Fingerzeig hatte sie Switcher, der sie durch den Transportersucher beobachtete, genau die Positionen angegeben, an die er die Geräte beamen sollte. Der Androide hatte das auch getan. Auch Ishan war eingetroffen. Shannon hatte ihr Wort gehalten. So war es unter anderem dazu gekommen, dass Benevidea jetzt vor ihnen im Stroh lag. Daneben stand Zirell.
Ketna hatte ein letztes Mal über ihren Operationssaal geschaut. „Gut.“, sagte sie. „Es ist alles an Ort und Stelle. Solthea, bitte helfen Sie mir. Wir müssen Benevideas Kopf vor dem Emitter für das Sedationsfeld mit einer Kopfstütze fixieren. Dann kann der chirurgische Transporter auch besser arbeiten. Ishan, bitte überwache die Funktion des Feldes und justiere es gegebenenfalls nach. Du bist dafür viel besser geeignet als einer von uns. Schau bitte auch nach den Lebensfunktionen unserer Patientinnen. Commander, Ich muss Sie bitten, Ihren Kopf jetzt ebenfalls auf die Stütze vor Ihnen zu legen. Auch Sie werden gleich schlafen. Wegen des geschwächten Zustands von Benevideas Körper möchte ich nicht mit einer chemischen Narkose arbeiten. Das Sedationsfeld injiziert Alpha-Wellen und stört die Signalübertragung von Schmerzsignalen zum Gehirn. Ihr zwei werdet also nichts spüren.“ Danke für Ihre Erklärung, Scientist., gab Zirell telepathisch zurück und legte sich hin und dann ihren Kopf auf die silberne Stütze, die ein weißes weiches Polster zierte. Gut so?, fragte sie. „Das ist sehr gut so, Commander.“, sagte Ketna. Ach!, entgegnete Zirell. Warum so förmlich? Nennen Sie mich doch einfach Zirell! „OK, Zirell.“, sagte die Ärztin. „Dann können wir ja beginnen. Ishan, aktiviere bitte das Feld!“ Der Androide, der sich mit Hilfe seines Haftmoduls direkt mit dem Emitter verbunden hatte, nickte und wenige Sekunden danach fielen Zirell und Benevidea bereits die Augen zu. „Beide Patientinnen sind stabil.“, meldete Ishan nüchtern. „Soweit man davon bei Benevidea überhaupt sprechen kann.“ „Dann sollten wir uns beeilen.“, sagte Ketna. „Solthea, fixieren Sie ein etwa stecknadelkopfgroßes Areal in Commander Zirells telepathischem Zentrum!“ „Aye, Madam.“, sagte die medizinische Assistentin und nahm die nötigen Einstellungen am chirurgischen Transporter vor.
Im gleichen Moment hörten alle, wie jemand die Sprechanlage von außen betätigte. „Wer könnte uns jetzt hier stören wollen?!“, fragte Ketna genervt. „Ich werde nachsehen, Madam.“, sagte Solthea und begab sich in Richtung Tür.
Als sie diese mittels ihres biologischen Fingerabdrucks jedoch geöffnet hatte, staunte sie nicht schlecht, in die Gesichter ihres Vorgesetzten und seines Kollegen zu sehen. „Agent Yetron, Agent Maron, was tun Sie denn hier?“, fragte sie. „Wir würden gern bei der Operation zusehen, Medical Assistant.“, sagte Yetron. „Wir versprechen auch, uns total still zu verhalten und sie auch nicht durch dumme Fragen zu unterbrechen.“ „In Ordnung.“, sagte Solthea. „Von mir aus können Sie reinkommen, Sirs. Ich muss aber zuerst Scientist Ketna fragen.“ „Tun Sie das.“, sagte Maron, der sich hinter Yetron gestellt hatte.
Aus dem Augenwinkel heraus hatte Ketna das Geschehen verfolgen können. „Sind die beiden steril, Assistant?“, fragte sie. „Ja.“, gab Solthea zurück. „Sie tragen weiße 1-Mal-Anzüge über ihren Uniformen.“ „Dann stimmt ja zumindest der Dresscode.“, sagte Ketna. „Führen Sie die zwei herein, weisen Sie ihnen einen Platz zu und sagen Sie ihnen, sie sollen sich aber ja an ihr Versprechen halten.“ „OK.“, nickte Solthea. Dann wandte sie sich Yetron und Maron zu: „Bitte folgen Sie mir, Gentlemen.“ Auch die beiden Agenten nickten und folgten ihr zu zwei Strohballen an der rechten seitlichen Wand des Frachtraums. Hier setzten sie sich hin.
Solthea ging an ihren Arbeitsplatz hinter dem Monitor des chirurgischen Transporters zurück. „Lassen Sie mich sehen!“, befahl Ketna und begab sich ebenfalls dorthin. Dann wanderte ihr Blick über den Schirm. „In Ordnung.“, sagte sie ruhig und stellte den zweiten mit dem ersten gekoppelten Puffer auf Benevideas lädiertes Zentrum ein. Dann befahl sie in Richtung des Gerätes: „Computer, aktivieren!“
Es gab ein kurzes Surren und dann war das von Solthea ausgesuchte Stück Gewebe aus Zirells telepathischem Zentrum gebeamt und in dem von Benevidea gelandet. Ketna sah Ishan fragend an: „Wie geht es Zirell?“ „Ich bitte dich.“, sagte der Androide fast vorwurfsvoll. „Die Tindaraner haben ein recht potentes und dichtes Zentrum. Das bisschen Gewebe, das du entnommen hast, wird Zirell gar nicht interessieren. Sie ist nach wie vor stabil und ruhig.“ „Na gut.“, sagte Ketna. „Dann kommen wir jetzt zum spannenden Teil. Assistant, den mobilen Stimulator bitte!“
Solthea nickte und reichte ihrer Vorgesetzten das verlangte Gerät. Diese ließ es über Benevideas Kopf kreisen. Dabei blickte sie immer wieder zu Ishan hinüber, der durchaus gesehen hatte, dass Ketnas Blick immer wieder zwischen dem Zylinder in ihrer Hand und ihm hin- und herging. „Ich melde dir schon, wenn etwas nicht stimmt.“, sagte der Androide. „Mach dir darüber bitte keine Sorgen. Du hast bestimmt sehr viele Simulationen gesehen, in denen das Ergebnis deiner Bemühungen der Tod deiner Patientin war. Aber danach sieht es hier bei weitem nicht aus. Im Gegenteil. Benevideas Lebenszeichen haben sich stabilisiert. Außerdem wirst du feststellen, dass dein Implantat sehr gut anwächst.“
Ketna hatte beinahe den Stimulator fallenlassen. „Könntest du deine beiden letzten Sätze wiederholen?!“, fragte sie ungläubig. „Benevideas Lebenszeichen haben sich stabilisiert. Außerdem wirst du feststellen, dass dein Implantat sehr gut anwächst.“, sagte Ishan nüchtern, wie es für ihn völlig normal war.
Immer noch ungläubig holte Ketna ihren Erfasser aus ihrer Arzttasche und überprüfte das Ergebnis. „Du hast verdammt Recht, Ishan!“, sagte sie erleichtert und lächelte. „Also gut. Lassen wir sie aufwachen. Du kannst das Feld deaktivieren.“ Ishan nickte und folgte ihrer Aufforderung.
Yetron und Maron wechselten Blicke. Dann sagte der ältere Demetaner zu Ketna: „Scientist, dürften wir näherkommen, jetzt wo alles vorbei ist?“ „Das ist eine sehr gute Idee, Sir.“, sagte Ketna. „Bitte kommen Sie her und streicheln Sie Benevidea etwas. Wenn Ihre streichelnden Hände das Erste sind, was sie fühlt, wenn sie erwacht, dann ist es für sie vielleicht alles nicht so beängstigend. Bis jetzt sieht zwar alles recht gut aus, ich möchte aber nicht riskieren, dass sie, falls es Komplikationen im Nachhinein geben sollte, auch noch mit einer Panik zu kämpfen hat.“ „In Ordnung.“, sagte Yetron und sah Maron auffordernd an, der ihm in Richtung der noch immer am Boden liegenden Benevidea folgte.
Die Männer knieten sich neben das junge Einhorn und begannen sofort damit, es mit beiden Händen ruhig zu streicheln. Dabei fiel Yetron sofort auf, dass sich dort, wo er gerade gestreichelt hatte, kein neuer Schweiß bildete. „Sie scheinen auf einem sehr guten Weg zu sein, Ketna.“, sagte er. „Benevidea hat aufgehört zu schwitzen. Pferdeartige schwitzen außerhalb körperlicher Anstrengung dann meistens stark, wenn sie krank sind. Ich kann ihren Schweiß aber abreiben, ohne dass Nachschub kommt. Sie scheint tatsächlich auf dem Weg der Besserung zu sein. Sie atmet auch viel ruhiger.“
Aus der anderen Ecke des Raums kam ein weißer Blitz und dann stand Zirell in ihrer normalen Gestalt vor ihnen. „Ist mit Benevidea alles in Ordnung?“, fragte sie. „Ja.“, sagte Ishan, der sich zu ihr gesellt hatte. „Und du scheinst die Operation auch sehr gut weggesteckt zu haben, wie es für mich aussieht. Trotzdem verordne ich dir zur Vorsicht erst einmal eine 24-stündige Krankenschicht! Was das in der Fachsprache des tindaranischen Militärs bedeutet, wirst du ja wohl wissen.“ „Ja, Ishan.“, sagte Zirell, die offensichtlich mit seiner Anordnung nicht ganz einverstanden war. „Ich soll einen Tag das Bett hüten. Aber das ist meines Gefühls nach gar nicht nötig. Es geht mir gut und …“ „Ich möchte dich aber trotzdem lieber etwas beobachten.“, fiel ihr Ishan nüchtern, aber bestimmt ins Wort. „Aber …“, setzte Zirell erneut an. „Du gehst ins Bett und ruhst dich aus!“, wiederholte Ishan. „Befehl des Arztes! Ich werde heute Abend noch einmal nach dir sehen.“ „Na gut.“, sagte Zirell missmutig und verließ den Raum.
Maron hatte seinen Erfasser gezogen und Benevidea gescannt. „Wie kommt es eigentlich, dass bei den heutigen Operationen keine Blutungen mehr entstehen?“, fragte er. „Du weißt, dass jeder Transporter die Materie, die er beamt, theoretisch in jedem anderen Zustand wieder ausspucken kann.“, erklärte Ishan. „Er kann also aus einer beschädigten Struktur auch eine intakte Struktur werden lassen?“, vergewisserte sich Maron. „Genau.“, nickte der Androide. „Das ist sogar Teil eines jeden Standardprogramms dieser Geräte.“ „Verstanden.“, sagte Maron und vertiefte sich erneut in seinen Erfasser.
Plötzlich aber wurde er leichenblass und ließ das Gerät fallen. „Mutter Schicksal!“, rief er aus. „Scientist Ketna, wieviel Gewebe haben Sie Commander Zirell entnommen?!“ „Nur einen Teil von der Größe eines Stecknadelkopfes, Agent.“, antwortete Ketna, die im Gegensatz zu ihm ganz ruhig war. „Warum fragen Sie?“ „Weil das Ding in Benevideas Kopf bereits die Größe einer terranischen reifen Kirsche aufweist!“, sagte Maron alarmiert.
Ketna drehte sich um und bewegte sich langsam, aber forsch auf Maron und Benevidea zu. Sie hatte ihren eigenen Erfasser in der Hand. „Bitte treten Sie kurz zur Seite, Agent.“, sagte sie. Maron nickte und kam ihrer Bitte nach. Dann begann Ketna damit, das Einhorn selbst zu scannen. „Das ist keine Schwellung.“, sagte sie erleichtert. „Das ist schönes gleichmäßiges Gewebe. Wir scheinen ihre Selbstheilungskräfte angeregt zu haben. Um Zirells Gewebe bildet sich einfach eine schöne neue gesunde Struktur. Die Tatsache, dass es nicht kristallisiert ist, verdanken wir dem Umstand, dass ich eine direkte von Patient zu Patient Transplantation durchgeführt habe. Nur damit Sie Bescheid wissen, Gentlemen. Bevor jemand von Ihnen beiden fragt.“ „Schon gut.“, sagte Maron. „Das wäre tatsächlich meine nächste Frage gewesen, Scientist.“ „Konnte ich mir denken.“, antwortete die Zeonide.
Yetron hatte sich streichelnd bis zu Benevideas Kopf vorgearbeitet. Hier war er auf ihr Horn gestoßen, das ihm lange nicht mehr so eingefallen und verschrumpelt vorkam. Das war aber auch kein Wunder. Yetron konnte sich diesen Umstand sehr wohl erklären. Wusste er doch, dass dieses Horn eine so genannte knöcherne Raumforderung war, die aus zwei Einbuchtungen in den Schädelplatten der Stirn bestand. Hier lag das telepathische Zentrum der Einhörner. Je größer es wurde, desto weiter wurden auch die Platten unter der Haut auseinandergeschoben. Ihre lamellenartige Struktur ließ eine Dehnung zu, die Platz für ein Zentrum bot, das die Größe einer Orange erreichen konnte. Diese Fakten kannte Yetron.
Er zog Maron näher zu sich und bat ihn, ebenfalls das Horn zu berühren. „Spürst du das auch?“, fragte er. „Wenn du das Pulsieren meinst, dann ja.“, sagte Maron. „Es sieht aus, als hätten Ketna, Solthea und Ishan es wirklich hinbekommen. Herzlichen Glückwunsch, Scientist.“ „Oh danke, Agent Maron.“, sagte Ketna. „Ich hoffe aber trotzdem, dass derartige Operationen nicht zum Alltag werden für mich. Das hätte nämlich auch ganz anders ausgehen können.“
Benevidea hatte sich bewegt. „Ich denke, da will jemand zu uns zurückkommen.“, sagte Yetron. Alle anderen nickten ihm nur bestätigend zu. Dann tat das junge Einhorn einen tiefen Atemzug und versuchte die Hufe unter den Körper zu stellen. „Also gut.“, sagte Ketna. „Aber wir sollten ihr auf alle Fälle beim Aufstehen helfen.“ Maron und Yetron nickten. Dann sagte Maron: „Ich gehe an den Schweif. Bleib du am Kopf.“ „OK.“, sagte Yetron. „Aber denk daran. Sie bestimmt das Tempo und nicht wir!“ Dabei sah er fragend zu Ketna hinüber, die nur antwortete: „Sehr richtig, Gentlemen. Ihr Kreislauf muss sich ja auch erst einmal anpassen. Falls sie einige Schritte gehen möchte, gehen Sie bitte einfach mit.“ Maron und Yetron nickten.
Mit Wohlwollen und Erleichterung hatten die drei Mediziner bald beobachtet, dass Benevidea aufgestanden war und einige Runden um den Frachtraum gedreht hatte. Auch danach hatte sie sich nicht wieder hingelegt. „Es sieht aus, als könnten wir zusammenpacken.“, sagte Ketna. „Ich gehe vor und melde es Time.“, bot Solthea an. Ihre Vorgesetzte nickte ihr nur zu. Dann verabschiedeten sich Ketna und Solthea noch von Ishan und Solthea zog ihr Sprechgerät, um Switcher den Auftrag zu erteilen, sie, Benevidea, Ketna und die Ausrüstung wieder auf die Electronica zu beamen. Sie würden gleich wieder starten, um ihren Flug ins Dunkle Imperium fortzusetzen und das Einhorn nach Hause zu bringen.
Ich war inzwischen auch mit meinen Vorbereitungen fertig. In meiner sorgfältig glattgestrichenen Galauniform hatte ich das Bad verlassen und nach Data gerufen. Dies wiederum war Scotty leider nicht verborgen geblieben. Er kam über den Flur und stellte sich dem Androiden und mir in den Weg: „Lass dich mal ansehen, Darling! Du siehst toll aus! Aber sag mir mal bitte, warum du dich so herausgeputzt hast.“ „Weißt du denn nicht mehr, dass ich Nuguras Trauzeugin bin?“, fragte ich. „Ach ja.“, erinnerte sich mein Mann. „Das war ja der Grund, aus dem wir nicht zusammen feiern können. Aber kannst du mir vielleicht verraten, warum sich Sytania und Nugura ausgerechnet unseren Hochzeitstag ausgesucht haben?“
Ich schluckte. Ich konnte ihm ja wohl schlecht von meiner Theorie erzählen, nach der er eine Kopie war und alles nur deshalb erschaffen wurde, damit ich etwas lernte. Der symbolische Charakter der Situation war mir durchaus bewusst. „Keine Ahnung.“, sagte ich nur schnell. „Das war vielleicht reiner Zufall. Woher sollten die zwei denn wissen, wann wir geheiratet haben, hm?“ „Stimmt auch wieder.“, sagte Scotty platt.
Ich hakte mich bei Data ein und befahl in seine Richtung: „Data, Schutz- und Führmodus ein! Ausgang!“ Stumm setzte sich der Androide in Bewegung und ich folgte. Unterwegs warf ich Scotty noch ein schnelles: „Bis Nachher!“, zu. Dann verließen Data und ich das Haus. Ich war nur heilfroh und verdammt erleichtert, dass er nicht genauer nachgefragt hatte. Der Original-Scotty hätte das bestimmt getan! Darauf wäre ich jede Wette eingegangen. Aber dieser Scotty hier, also Benevideas Schöpfung, schien bestimmte Dinge einfach so hinzunehmen, als seien sie ihm egal. Ich vermutete allerdings, dass genau das ein Teil von Benevideas Trainingslager für mich war.
„Sie sind nachdenklich.“, stellte Data fest, während wir die noch sehr stillen Straßen meiner Heimatstadt im 30. Jahrhundert entlanggingen. „Es gibt eine Menge Dinge, die mir durch den Kopf gehen, Data.“, gab ich zu. „Das Ganze hier ist irgendwie sehr schwarzweiß. Da ist die Föderation, der offensichtlich völlig egal ist, was mit ihr passiert. Allen voran eine sehr naive Nugura und dann gibt es da die despotische Sytania, die alles an sich reißt und niemand merkt es. Haben Sie das Schloss gesehen? Es sollte doch eigentlich Nugura gehören, aber es ist in jedem Gang und bis in jede Mauerritze hinein nur Sytania zu spüren und zu sehen.“ „Bestätigt.“, sagte Data, der ja das Innere des Schlosses auch gesehen hatte. „Das ist aber die logische Konsequenz von Nuguras Naivität.“ Dieses Mal nickte ich bestätigend. „Das ist mir klar.“, sagte ich. „Und ich weiß auch, warum das hier alles so ist. Diese ganze Dimension wurde von einem Kind erschaffen. Kinder denken in Schwarzweiß. Für sie gibt es nur richtig oder falsch, ja oder nein. Erst mit dem Erwachsenwerden lernt ein Wesen die komplexen Denkweisen.“ „Korrekt.“, sagte Data, der mich inzwischen den Straßenschildern folgend in Richtung des Tempels der Gemeinde Santa Valora führte. „Wenn Valora und Invictus mit der Kleinen darüber geredet hätten, dann hätten wir das Problem heute nicht.“, stellte ich fest. Data gab nur einen bestätigenden Laut von sich.
Am Torbogen des Tempels, der von Valoras Statue auf der einen und der von Invictus auf der anderen Seite gesäumt wurde, begrüßte mich bereits Father Fletcher: „Da sind Sie ja, Allrounder Scott!“, sagte er. „Bitte folgen Sie mir. Wir gehen in einen Raum im hinteren Bereich des Tempels. Hier warten die Trauzeugen. Cirnach ist auch schon da. Sie hat die Hochzeitsrolle und das rituelle Tintenfass und auch den rituellen Federkiel mitgebracht.“ „OK.“, sagte ich. Dann wandte ich mich an Data: „Data, folge Father Fletcher!“ So gingen wir in den Tempel. Dabei durchquerten wir den eigentlichen Raum für den Gottesdienst, an dessen Wänden sich Bilder mit allerlei Darstellungen aus Benevideas Kindheit fanden. In der Mitte war ein großer Altar aus braunem Holz, der auf Füßen stand, die unbeschlagenen Pferdehufen ähnelten. Daneben stand eine Statue der Kindlichen Göttin, deren Horn eine Monstranz, also ein Gefäß für heilige Gegenstände war, die man darin ausstellen konnte. Auf dem Altar lag eine königsblaue Decke mit imperianischen Motiven, wie mir Data beschrieb. Vor dem Altar befanden sich die Sitzreihen aus schlichten weißen Stühlen. Außerdem war alles voller Blumen und Girlanden, was ich persönlich sehr übertrieben und kitschig fand.
An diesem Altar gingen wir nun vorbei und gelangten in einen kleinen Raum mit einem Tisch und zwei Stühlen, der weitaus weniger geschmückt war. Hier erwartete uns tatsächlich bereits Cirnach. „Ich grüße dich, Betsy Scott.“, sagte die Vendar mit ihrer leicht krächzenden für eine Frau recht tiefen Stimme. Kalt und berechnend kam sie mir vor. Ich fand, dass sie gut in Sytanias Gesellschaft passte. Am liebsten hätte ich mich auf dem Absatz umgedreht. Aber ich hatte mich ja vorher anders entschieden. Deshalb musste ich da wohl jetzt auch durch.
Ich machte also gute Miene zum bösen Spiel und sagte diplomatisch: „Auch ich grüße dich, Cirnach. Wie mir scheint, haben wir erneut einen gemeinsamen Job zu erledigen.“
Ich setzte mich auf den freien Stuhl, den Data mir inzwischen angezeigt hatte. „In der Tat, Betsy El Taria.“, sagte die Vendar. „Hoffen wir, dass dieser genauso gut ausgeht.“ Ich nickte nur, denn ich wollte die Worte, die mir gerade durch den Kopf gingen, auf keinen Fall laut aussprechen. Wenn ich das getan hätte, dann hätte das auf der Stelle einen Eklat ausgelöst und das wäre ja auch ein Verstoß gegen die Oberste Direktive gewesen. Also hielt ich lieber den Mund und lenkte sie stattdessen auf ein ganz anderes Thema: „Ich hoffe, dass uns Father Fletcher hereinrufen wird, wenn es so weit ist. Ich habe nämlich keine Lust, die Hochzeit meiner Präsidentin dadurch zu verderben, dass ich meinen Auftritt verpasse.“ Ich grinste. „Hab vertrauen, Betsy El Taria.“, tröstete die Vendar. „Bei dir klingt das, als hättest du es schon einmal mitgemacht.“, sagte ich. „In der Tat.“, erwiderte Cirnach. „Du weißt, dass dies nicht Sytanias erste Hochzeit ist und die Priester haben uns immer Bescheid gegeben.“ „OK.“, nickte ich erleichtert.
In diesem Augenblick fiel mir ein, dass es da noch etwas gab, das ich nicht verstanden hatte. „Warum ist es eigentlich so wichtig, dass auf der Erde und im Dunklen Imperium gleichzeitig Vollmond ist?“, fragte ich. „Weil meine Herrin offenbar eine hoffnungslose Romantikerin geworden ist, seit sie mit Nugura El Fedaria eine Beziehung führt.“, sagte Cirnach. „Aha.“, sagte ich und versuchte zu verhehlen, dass ich ihr das nicht glaubte. Meine eigene Theorie zu dem Thema besagte nämlich, dass Sytania nur deshalb so darauf gedrängt hatte, da der Zeitpunkt, an dem sie die Föderation ihr Eigen nennen würde, für sie nicht schnell genug kommen konnte. Das hübsch romantisch zu verpacken, damit Nugura einwilligte, war meiner Meinung nach nichts als eine Masche, um ihr Ziel zu erreichen. Wenn ich doch nur einen Weg finden könnte, Nugura zu warnen! Ich hoffte so sehr, dass die Fürbitte, deren Inhalt ich jetzt auswendig gelernt hatte, dafür ausreichen würde.
Vor dem Tempel hatte sich inzwischen ein großes Aufgebot an Sicherheitskräften versammelt. Unter ihnen war auch Barnaby. Er hatte seine Lederkluft gegen einen feinen schwarzen Anzug getauscht. Das war, wie er selbst fand, dem Anlass wohl angemessener. Auf seine Sicherheitsweste hatte er dennoch nicht verzichtet. Der Grund dafür schob sich auch bald über die Straße heran. Es handelte sich um eine Kolonne von Fahrzeugen. In einem von ihnen, das jetzt direkt vor dem Tor hielt, saß Nugura mit Saron und ihrem klingonischen Fahrer, der den Jeep jetzt ordnungsgemäß parkte und der Präsidentin und Mr. Saron dann das Zeichen zum Aussteigen gab, das aus einem Winken mit der rechten Hand bestand.
Nugura wandte sich dem direkt neben ihr sitzenden Saron zu: „Helfen Sie mir mit meinem Kleid, Mr. Saron! Sie wissen ja, wie es geht. Wir haben das ja oft genug geübt.“ „Ja, Madam President!“, sagte der Sekretär und sah sie danach fragend an: „War das in Ordnung, oder soll ich Sie schon jetzt Mitregentin nennen?“ „Wie Sie wissen, Mr. Saron, werde ich diesen Titel erst nach meiner Hochzeit mit Sytania tragen!“, belehrte ihn Nugura. „Die Anrede Madam President ist also nach wie vor total ausreichend!“ „Verstehe, Madam President.“, sagte der Sekretär und betonte Madam President noch besonders, ohne dabei seine Stimme stärker zu heben. Er wusste, dass deutlich nicht immer etwas mit laut zu tun hatte, sondern auch eine langsame leise gut gewählte Sprache sehr deutlich klingen konnte.
Die Präsidentin drehte sich zur Tür und Saron, der links neben ihr saß, griff nach ihrer Schleppe und dem Saum ihres Kleides, um beides nur so weit zu heben, dass es nicht mehr den Boden oder einen Teil des Fahrzeugs berühren konnte, wenn sie dieses verlassen würde. Nuguras Kleid und ihre Schleppe waren schwarz. Das Kleid musste auch deshalb von einer zweiten Person getragen werden, da es sehr lang war. Im Ausschnitt befanden sich imperianische Muscheln, die auf den Stoff, einen schweren dicken Brokat, mittels kleiner Löcher, die in sie gebohrt worden waren und Fäden aufgebracht worden waren. Außerdem trug Nugura eine kleine silberne Krone, die auch ihren Schleier, der ebenfalls schwarz war und aus dem gleichen Stoff wie ihr Kleid bestand, hielt. Ihre Schuhe waren ebenfalls schwarz. Diese Kleidung hatte sich Nugura ausgesucht, weil sie die Haar- und Augenfarbe Sytanias wiederspiegelte. Es war außerdem durchaus üblich, wenn nach dem Ritus der Könige im Dunklen Imperium geheiratet wurde, Die Hochzeitskleidung nach den Vorlieben des Herrscherpaares auszusuchen. Auch Sytania würde in Schwarz erscheinen. So huldigte sie nicht nur sich selbst, sondern zeigte meiner Meinung nach auch sehr genau, was für eine Farbe ihre Seele hatte. Nur Nugura schien das immer noch nicht verstanden zu haben.
Die Präsidentin stand auf und im gleichen Moment stand auch Saron auf, um ihr das Kleid gewissermaßen hinterherzutragen. So gingen sie dann schreitend in Richtung des großen Eingangstors zum Tempel.
Kurz davor hieß Nugura Saron halten und blieb auch selbst stehen. „Hier werden wir warten!“, sagte sie und klang dabei doch recht entschlossen. „Sytania wird gleich auftauchen. Da bin ich mir sicher!“ „Das mag sein, Madam President.“, sagte Saron und sah auf seine Uhr. „Aber Father Fletcher und die Trauzeugen werden schon warten. Ich hatte gehofft, Sytania sei schon da.“ „Es ist das Recht einer jeden Braut, etwas zu spät zur Hochzeit zu erscheinen!“, wies Nugura ihn harsch zurecht. „Da wir hier aber zwei Bräute haben, hätte selbstverständlich auch ich dieses Recht gehabt, aber ich halte sehr viel von Pünktlichkeit. Sytania aber darf das, Mr. Saron. Schließlich muss sie auch noch ein Reich beherrschen.“ Saron nickte ihre Worte nur ab. Ihm war natürlich klar, dass Sytania nur einen Teil eines Reiches beherrschte, aber diese Haarspalterei wollte er ihr dann doch nicht mehr antun. Er hatte bereits festgestellt, dass sie sehr nervös war und er wollte diese Nervosität nicht noch steigern.
Im gleichen Augenblick gab es einen schwarzen Blitz und vor ihnen erschien Sytania. Auch sie trug ein langes fast mittelalterlich anmutendes Kleid mit Rüschen. Auch dieses war schwarz und bestand aus Samt. An den Füßen trug die Prinzessin schwarze Schnabelschuhe wie Nugura. Ihr schwarzer Schleier wurde von einer weitaus imposanteren goldenen Krone gehalten, die noch dazu mit dem Wappen der Königstochter und diversen Edelsteinen verziert war. Alle, die von so etwas auch nur einen Bruchteil verstanden, konnten sehr gut sehen, wer in dieser Ehe das Sagen haben würde. Sytanias Kleid und ihre Schleppe wurden von Telzan gehalten.
„Ach, wie gut du doch aussiehst, Nugura, mein Liebling!“, heuchelte Sytania. „Du siehst aber auch sehr gut aus, meine allerliebste Sytania.“, lächelte Nugura zurück und hätte sie am liebsten geküsst. Saron aber flüsterte ihr nur zu: „Jetzt noch nicht, Madam President. Jetzt noch nicht.“ „Dein Sekretär hat Recht.“, sagte Sytania, die ihn zwar akustisch nicht wirklich verstanden hatte, sich aber das Recht genommen hatte, einfach in seinen Geist einzudringen. So hatte sie jeden seiner Gedanken in diesem Moment nachvollzogen. „Der Brautkuss soll ja schließlich ein wirkungsvoller Moment werden, nicht wahr? Deshalb sollten wir wirklich warten, bis die Zeremonie ihn vorsieht, findest du nicht? Dann sind auch alle Augen auf uns gerichtet. Wenn wir uns jetzt küssen, sieht das doch keiner!“ „Wie Recht du doch wieder hast.“, sagte Nugura. Dabei bekam sie einen sehr verklärten Blick. Sie hätte zu allem ja gesagt, das Sytania ihr befohlen hätte.
Cirnach und ich hatten einige letzte Abläufe für die Zeremonie besprochen. Die Vendar hatte sehr großes Verständnis für die Tatsache gezeigt, dass ich nicht wirklich Bescheid wusste. Ich hatte mir zwar die Informationen grob angelesen, aber in unserem Konkreten Fall war ich über einiges nicht ganz sicher gewesen. „Der Priester wird mich auffordern, Nugura und Sytania mit dem rituellen Dolch in den rechten Arm zu stechen. Derweil werden sie ihre Liebesschwüre leisten.“, erklärte die Vendar. „Ihr Blut wird in das Tintenfass tropfen. Das werde ich verschließen und es dir dann in die Hand geben. Das ist das Zeichen für den Chor, ein altes gesungenes Gebet in unserer Muttersprache anzustimmen, während dessen gesamter Dauer du das Fass schütteln wirst. Wenn sie verstummt sind, wirst du das Fass wieder an mich übergeben. Ich rolle dann die Hochzeitsrolle auf dem Altar aus und Nugura und Sytania unterschreiben mit dem Blut aus dem Fass. Dazu benutzen sie den Federkiel, den ich ebenfalls bei mir habe. Das Gebet dauert übrigens um die fünf Minuten. Glaubst du, dass du es schaffst, das Fass so lange zu schütteln?“ „Ich denke schon!“, sagte ich zuversichtlich. „Und falls ich doch einen Tennisarm bekommen sollte, weiß ich ja, an wen ich die Rechnung für meine Behandlung zu schicken habe.“ Bei meinem letzten Satz grinste ich sie an. „Du willst einen Scherz machen, Betsy El Taria.“, verstand Cirnach. „Du willst die Situation auflockern. Aber das ist wirklich nicht nötig. Schließlich sind wir heute schon zu einem sehr fröhlichen Anlass zusammengekommen! Meine Herrin und deine Präsidentin heiraten! Was kann es da denn Schöneres geben?!“
Durch die halb geöffnete Tür des Räumchens bekam ich mit, wie Father Fletcher dem Hausrechner des Tempels das Abspielen eines alten imperianischen Stückes Musik befahl, das ich als den imperianischen Hochzeitsmarsch identifizierte. Danach folgte die in der Föderation übliche Version.
„Gehen wir, Betsy El Taria!“, sagte Cirnach. „Es ist so weit!“ Dann stand sie auf und bot mir ihren Arm an. Ich aber verneinte und wandte mich Data zu: „Data, Schutz- und Führmodus ein! Folge Cirnach!“ So reihten wir uns hinter der Vendar ein, die uns auch in die richtige Lücke in der Prozession gleich hinter Nugura und Sytania führte.
Kapitel 23: Heuchlerische Hochzeit
von Visitor
Im Blitzlichtgewitter der örtlichen Medien hatten wir dann auch bald den Gebetsraum betreten. Hier war es brechendvoll! Es schien, als wollte ganz Little Federation diesem Großereignis beiwohnen. Aber nicht nur die kleine, auch die große Föderation hatte gewissermaßen ihre Vertreter geschickt. Allerlei Politiker von allen möglichen Welten und alles, was dort Rang und Namen hatte, schienen vertreten zu sein. Zumindest dem kurzen Abriss der Situation nach, den Data mir gab. Er war es auch, der mich gleich erst einmal in Richtung der Statue von Benevidea führte. Aus einem Grund, der mir selbst nicht ganz geläufig war, wollte ich dort unbedingt hin und sie mir genauer ansehen, was natürlich bedeutete, dass ich sie anfassen wollte. Dies ermöglichte der Androide mir jetzt auch, auch wenn dies bedeutete, dass er und ich kurz aus der Prozession ausscherten. Da aber sowieso alle Augen nur auf Sytania und Nugura gerichtet waren, hoffte ich sehr, dass es keinem auffallen würde.
So standen Data und ich bald vor der Statue und er legte meine Hand auf deren Kopf. Von hier aus tastete ich mich selbst weiter voran. Aber bereits am Kopf fiel mir etwas auf. Benevidea wurde offenbar in ängstlicher Haltung dargestellt, eine Pose, die ich für die Darstellung einer Göttin recht seltsam fand. Normalerweise wurden Götter doch in weitaus heldenhafteren Positionen gezeigt. Die geblähten Nüstern der Statue und ihr nach vorn gereckter Kopf, sowie ihre aufgeregt nach allen Seiten sichernden Ohren wiesen aber auf sehr viel Angst hin. Auch die Stellung ihrer Beine und ihres Schweifes sagte mir, dass sie wohl am liebsten auf der Stelle aus dem Tempel galoppiert wäre, wenn sie es denn gekonnt hätte. Was ich hier zu Gesicht bekam, warf eine Menge Fragezeichen auf. Ich hoffte sehr, dass sich diese irgendwann lichten würden. Was aber dann geschehen würde und vor allem, was ich dann zu tun hätte, ahnte ich noch nicht.
Cirnach hatte gesehen, dass ich nicht mehr in der Prozession war. Sie war zurückgelaufen und hatte mich dann angesprochen: „Jetzt ist nicht die Zeit für eine Kunstexkursion, Betsy El Taria. Du kannst dir die Statue doch auch noch später ansehen. Lass uns jetzt bitte gehen. Nugura El Fedaria und meine Herrin Sytania können es kaum noch erwarten, endlich von Father Fletcher getraut zu werden. Du willst ihnen das doch nicht etwa versagen, oder?“ „Nein, nein, Cirnach.“, sagte ich schnell. „Das steht mir ja auch gar nicht zu. In Ordnung. Ich komme. Es tut mir leid. Ich habe mich wohl ein wenig verloren.“ „Du scheinst etwas nervös zu sein.“, stellte die Vendar fest. Ich nickte nur und folgte ihr dann wieder in die Prozession zurück.
Wir waren bald vor dem Altar angekommen. Hier stand bereits Abraham. Kaum waren wir alle auf Position, begann er seine Predigt: „Liebe Brautleute, liebe Gäste! Die Liebe ist eine starke Macht, die uns von der Kindlichen Göttin geschenkt wurde, gleich welchen Geschlechts und welcher Spezies man auch immer angehören mag. Sie behandelt alle gleich und kommt zu allen gleich. Sie stellt keine Bedingungen. Es dürfte also auch in ihrem Sinne sein, dass wir nun heute hier zusammengekommen sind, um unsere Großartige Königin Sytania und Nugura, die Präsidentin der Föderation, miteinander zu vermählen. Die Liebe hat beide wie ein Schlag getroffen. Als sie zu mir kamen und mich baten sie zu trauen, konnte auch ich mich dieses Eindrucks nicht erwehren. So sollten wir denn nun endlich zur Tat schreiten und die Trauung vollziehen!“
Ich musste kräftig schlucken um zu verhindern, dass irgendjemand mitbekam, wie übel mir angesichts dieser Worte geworden war. War Abraham wirklich so naiv? Glaubte er wirklich selbst, was er da gerade gesagt hatte? Ich hätte sie verdammt gern geschüttelt! Ich hätte Nugura am liebsten vor aller Augen angeschrien und geschüttelt! Aber …
Cirnach hatte ihre Position neben mir verlassen und war auf die gegenüberliegende Seite des Altars gegangen. Hier stand Sytania. Neben mir stand jetzt nur noch Nugura, wenn man einmal von Data absah. „So frage ich Euch, Großartige Königin Sytania.“, hob Abraham an. „Wollt Ihr Nugura zu Eurer rechtmäßigen Ehefrau nehmen? So antwortet bitte mit ja und lasst Eure Trauzeugin Euer Blut zum Beweis vergießen.“ Sytania streckte Cirnach ihr Handgelenk hin. „Ja, das will ich!“, sagte sie und ich war sicher, bereits bei diesem einen Satz ein Geifern in ihrer Stimme wahrzunehmen. „Schneide tief, Cirnach!“, befahl sie. „Schneide so tief wie meine Liebe zu Nugura ist.“
Es gab einen schwarzen Blitz. „Jetzt habe ich meine Unverwundbarkeit aufgegeben.“, erklärte Sytania. „Wie Ihr wünscht, Majestät.“, sagte die Vendar und setzte den Dolch, den sie aus ihrer Tasche geholt hatte, an. Er war ca. 30 cm lang. Seinen Griff, der etwa ein Drittel einnahm, zierten vendarische Symbole. Oben am Knauf befand sich ein Drudenfuß als Haltegriff. Das Material, aus dem er bestand, war Eisen. Nur sein Griff war vergoldet.
„Ich werde bis drei zählen, Majestät.“, sagte sie. „Nein, das wirst du nicht, Cirnach!“, befahl Sytania. „Tu es einfach, verstanden?! Der Schmerz, den ich empfinden werde, wird zwar eine neue Erfahrung für mich sein, aber er symbolisiert gleichzeitig auch die Stärke, mit der mich die Liebe zu Nugura getroffen hat. Da hat ja auch niemand bis drei gezählt.“ „Das habt Ihr sehr schön gesagt, Milady.“, sagte die Vendar und auch alle umsitzenden nickten. Wenn es sich nicht um eine feierliche Zeremonie gehandelt hätte, bei der sie alle anwesend waren, dann hätten sie sicher geklatscht. Dessen war ich mir zu 100 % sicher!
Sytania verzog leicht das Gesicht, als Cirnach den Schnitt ansetzte. „Jener Schmerz, den ich jetzt für dich erleide, Nugura.“, presste sie mit leidender Stimme hervor. „Soll stets die Stärke unserer Liebe zeigen!“ Dann hielt Cirnach das Tintenfass unter die Wunde, aus der sie Blut in es laufen ließ, bis es etwa zur Hälfte gefüllt war. Danach wurde Sytania verbunden. Eine Narbe wurde durchaus in Kauf genommen. Sie war bei beiden sogar erwünscht, da sie sozusagen den Ehering ersetzen sollte. Deshalb gab es auch keine Behandlung mit dem Stimulator.
Abraham wandte sich Nugura zu, während Cirnach den Dolch notdürftig säuberte: „Wollen Sie, Präsidentin Nugura, unsere Großartige Königin Sytania zu Ihrer rechtmäßigen Ehefrau nehmen? So antworten bitte auch Sie mit ja und lassen die Trauzeugin auch Ihr Blut zum Beweis vergießen.“ Auch Nugura sagte: „Ja, das will ich!“, und streckte Cirnach ihr rechtes Handgelenk hin. „Auch bei mir musst du nicht zählen, Cirnach.“, sagte sie. „Auch ich möchte genauso überrascht werden, wie mich die Liebe zu Sytania überrascht hat.“ „Also gut.“, sagte Cirnach und stach zu. „Mit diesem Schmerz und mit meinem Blut beweise auch ich dir meine Liebe, Sytania!“, sagte Nugura. Auch ihr Blut ließ Cirnach ins Fass tropfen und dann wurde auch Nugura verbunden. Cirnach schloss das Fass mit einem kleinen ebenfalls wie es selbst verzierten und vergoldeten Schraubdeckel.
Sie gab mir das Fässchen in die rechte Hand und gab dann ihren Leuten ein Zeichen, das in einem Winken in Telzans Richtung bestand. Ihr Ehemann, der sie sofort verstanden hatte, stellte sich gerade hin und gab den anderen Vendar, die bereits hinter uns standen, einen Befehl in ihrer gemeinsamen Muttersprache. Dies tat er so laut und mit einer solchen Inbrunst, dass ich glaubte, er könne die Wände des Tempels allein durch den Klang seiner Stimme zum Einsturz bringen. Auch die Vendar stellten sich gerade hin, salutierten kurz vor ihrem Anführer und seiner Stellvertreterin und Ehefrau, um dann zu einem schnellen Lied anzuheben, von dem ich nur die Hälfte verstehen konnte. Ich hatte zwar einen Kurs in Vendarisch belegt, als Kommunikationsoffizierin der Sternenflotte musste ich das ja, aber wenn viele Stimmen miteinander sangen und es dann auch noch so schnell taten, versagten mir meine Ohren in dieser Hinsicht auch schon einmal den Dienst. Ich verstand nur so viel, als dass es sich bei dem Lied offenbar um eine Freudenhymne handelte. Es handelte von der Freude, zwei sich liebende Personen nun endlich in den Stand der Ehe versetzt zu sehen und es wurde der Segen von den Göttern dafür erbeten. An einer Stelle musste ich mir jedoch ein Grinsen verkneifen. Der Anfang der zehnten Strophe handelte von einem reichen Kindersegen, eine Tatsache, die es wohl in dieser Ehe nicht geben würde, zumindest dann nicht, wenn man von den natürlichen Gegebenheiten ausging. Aber Sytania war eine Mächtige. Wer wusste es also schon so genau? So ungefähr ging es das Ganze Lied hindurch. Das Stück feierte die Ehe, als gäbe es kein Morgen mehr. Während ich also so da stand und das Fass im Takt des Gesangs schüttelte, wurde mir aber auch bewusst, dass ich immer mehr und mehr von dem Lied verstand, je länger ich ihm zuhörte. Sein Inhalt, in dem es hauptsächlich um die Liebe und ihre schönen Seiten ging, erschien mir allerdings immer mehr wie eine Farce, wenn ich bedachte, wer da gerade heiratete. Nugura nahm ich ihre Verliebtheit durchaus ab. Die daraus resultierende Naivität war auch kein Wunder. Bei Sytania sah dies aber schon ganz anders aus. Ich wusste genau, dass sie Nugura nur heiratete, um die Föderation zu bekommen und nach dem Ritual mit der Unterschrift wäre ihr dies auch gelungen, denn sie hätte dann auch eine Mentale und biologische Verbindung mit dieser Dimension. Ein Rücktritt Nuguras von ihrem Amt hätte also nichts mehr genützt und eine Scheidung auch nicht. Und ich war gerade auf dem besten Weg dazu, Sytania kräftig dabei zu helfen. Aber jetzt etwas zu sagen, das käme einem Verstoß gegen die Oberste Direktive gleich. Diese Gesellschaft schien Sytania als von der Kindlichen Göttin gegebene Königin zu akzeptieren und wer war ich, um dies in Frage zu stellen? In meiner Heimat würde sie unsere Feindin sein, aber anscheinend nicht hier. Aber dieses hier war doch auch eine Föderation! Wie verdammt noch mal sollte ich mich jetzt verhalten? Was tat ich hier eigentlich?
Cirnach hatte ihre Hand gehoben und die Vendar hatten das Lied beendet. Ihr Timing hätte nicht besser sein können. Vor allem deshalb nicht, weil ich wirklich langsam einen Tennisarm bekam. Ich hatte die Seite zwar zwischendurch gewechselt, da das Lied aber mindestens 100 Strophen hatte, waren mir mittlerweile eigentlich fast beide Arme lahm geworden. Also gab ich das Fässchen erleichtert an Cirnach zurück, die es auf dem Altar abstellte und dann eine große Rolle aus Pergament aus einer Ecke holte. Im aufgerichteten Zustand maß die Rolle eine Höhe von ca. 1,64 m, was genau meiner Größe entsprach. Sie hatte einen Durchmesser von ca. 60 cm und war in einem reich verzierten metallenen Gestell aufgehängt, dessen oberes Ende eine goldene Spitze mit einer Schelle zierte, die immer dann silberhell klang, wenn Cirnach die Rolle drehte. Oben auf der Spitze befand sich außerdem noch eine kleine goldene Krone. Am Fuß des Gestells gab es einen Hebel, den Cirnach jetzt herunterdrückte, um die Rolle aus der Aufhängung heben zu können. Dann legte sie diese auf den Altar und rollte das letzte Blatt ab. Neben allerlei Symbolen befand sich darauf auch bereits die Unterschrift von Logar und seiner Gemahlin, Sytanias Mutter, einer vor ca. 5000 Jahren an seiner Seite regierenden imperianischen Adeligen, die später von ihrer eigenen Tochter in einem mentalen Duell getötet worden war. Das besagte zumindest eine alte imperianische Legende. Ihr Name war heute keinem mehr bekannt. Auch ihre Unterschrift war im Laufe der Jahrtausende so verblasst, dass noch nicht einmal Data sie noch zu lesen vermochte. Ich hatte ihn danach gefragt.
Sytania stellte sich an die eine Seite des Altars und Nugura sich an die andere. Dann gab Cirnach zuerst ihrer Herrin den mitgebrachten Federkiel. Sytanias Hände zitterten, als sie ihn entgegennahm, wie mir Data schilderte. Allerdings wohl nicht vor Aufregung und Rührung, wie es einige Presseleute in ihre Mikrofone flüsterten und wie sie es wohl gern gesehen hätten, sondern eher vor Gier und Machthunger. Sytania kam mir vor wie eine Drogensüchtige in Erwartung ihres nächsten Schusses. Ich ertappte mich dabei, mir nichts sehnlicher zu wünschen, als dass es ihr Goldener sein würde. Dann unterschrieb sie endlich, bevor Cirnach den Kiel an Nugura weitergab, die ihn, wie Sytania zuvor, durch eine kleine Öffnung, die durch einen Schieber zu öffnen und zu schließen war, lächelnd in das Fass mit dem vermischten Blut einführte, um dann langsam und feierlich ihre Unterschrift neben die von Sytania auf der Rolle zu platzieren.
„Oh endlich!“, entfuhr es Sytania, was bei Nugura ein Fragen in den Augen auslöste. „Was meinst du damit, Geliebte?“, fragte Nugura Irritiert. „Oh ich meine.“, setzte Sytania zu einer durchtriebenen Lüge an. „Ich meine, endlich sind wir vereint, meine über alles geliebte Nugura! Endlich sind wir in der Ehe vereint! Findest du das nicht auch schön?“ „Ja, mein Liebling.“, schmolz Nugura dahin, die ihr das offensichtlich auch noch abnahm. Bei dem Gedanken an das, was jetzt kommen würde, wurde mir übel!
Abraham war hinzugekommen und hatte einen Blick auf die Hochzeitsrolle geworfen. „Da ich nun sehe, dass beide ihre Unterschrift mit ihrem vereinten Blut geleistet haben, wie es nach dem Ritus der Könige zu geschehen hat, erkläre ich Euch, Großartige Königin Sytania, und auch Sie, Präsidentin Nugura, kraft meines Amtes als Priester der Kindlichen Göttin Benevidea zu rechtmäßig verbundenen Eheleuten. Sie dürfen sich jetzt küssen!“
Laut Datas Beschreibung schlang Sytania ihre Arme um Nugura, die dies ruhig mit sich geschehen ließ. Dann berührten sich ihre Lippen und es erfolgte ein lauter Schmatz, der von einem lauten Klatschen aller Zuschauer begleitet wurde. Dann richtete sich Sytania auf und sagte: „Meine Untertanen, Ich habe euch allen noch etwas zu sagen!“ Sie wandte sich Cirnach zu: „Cirnach, die Schärpe!“ „Ja, Herrin.“, nickte die Vendar und holte eine goldene Schärpe aus ihrer Tasche, die sie Nugura umband. Dazu sagte Sytania mit feierlicher Stimme: „Mein Eheweib wird ab heute den Titel Mitregentin tragen. So werdet ihr sie ansprechen!“ „Ich danke dir, meine Geliebte Sytania.“, erwiderte Nugura.
Auf ein Zeichen Abrahams stellten sich alle Zuschauer und Trauzeugen gemeinsam in einer Reihe auf und Nugura und Sytania spazierten an allen Anwesenden vorbei. Dabei trug jeder eine Fürbitte vor. Als die Reihe an mir war, sagte ich langsam und deutlich auf Deutsch: „Möge die Kindliche Göttin euch Liebende stets auf dem Pfad der Treue und Wahrheit entlangführen.“ Da ich die Letzte war, löste sich die Reihe dann wieder auf, ein Umstand, über den ich sehr froh war. Nugura allerdings kam noch einmal auf mich zu: „Ich danke Ihnen, Scott.“, sagte sie. „Ohne Sie hätte die Zeremonie nicht stattfinden können. Deshalb werden Sie auch mit mir zum Festsaal fahren. Ihr Hilfsmittel, ach, wie hieß er doch gleich? Data, nicht? Das nehmen wir selbstverständlich auch mit. Das Fest wird in meinem Schloss hier auf der Erde stattfinden.“ „Danke, Mitregentin.“, sagte ich und brachte tatsächlich ein gequältes Lächeln zustande, obwohl mir an sich gar nicht danach war. „Und vielen Dank für die Ehre, mit Ihnen fahren zu dürfen. Aber ich habe doch nur meine Pflicht getan, wo ich gebraucht wurde.“ „Bescheiden wie immer.“, lächelte Nugura. Dann winkte sie uns: „Kommen Sie!“, und ich gab Data die nötigen Befehle, worauf wir uns auf den Weg zu ihrem Fahrzeug machten. Sytania würde bestimmt schon da sein. Sie teleportierte sich ja schließlich.
Auch Sedrin hatte den Flug zu ihrem Heimatplaneten unbeschadet überstanden und war jetzt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu der Nervenklinik gefahren, deren Adresse ihr Cupernica genannt hatte. Hier stand sie nun vor dem Tresen des Empfangs, hinter dem sie von einer etwa 170 cm messenden hellhäutigen Terranerin mit schwarzem kurzem Haar in einer roten Bluse, einem blauen Rock und roten Schuhen freundlich angelächelt wurde. Auf einem Schild, das die Frau auf der Brust trug, konnte sie ihren Namen ablesen: „Arane Miller.“ Der Umstand, dass sie offensichtlich einen aldanischen Vornamen trug, obwohl sie offenkundig Terranerin war, irritierte Sedrin zunächst leicht. Sie maß ihm aber nicht viel Bedeutung bei, denn sie war ja schließlich wegen einer ganz anderen Angelegenheit hier.
Arane drückte auf einen Knopf, als sie Sedrin ansichtig wurde, worauf die Scheibe des Fensters zur Seite glitt. Dann wandte sie sich Sedrin zu: „Wie kann ich Ihnen helfen, Madam?“ „Ich bin Agent Sedrin Taleris-Huxley.“, stellte sich die Demetanerin vor. „Ich bin hier, um Mr. Laurence Barnaby zu vernehmen.“ „Ah verstehe.“, sagte Miller und wandte sich ihrer Arbeitskonsole zu. „Ich gebe auf der Station Bescheid, Agent. Der diensthabende Pfleger wird sie abholen.“ „OK.“, sagte Sedrin. „Ich warte hier.“
Die Terranerin gab ein Rufzeichen in die Sprechanlage ein. Dann sagte sie nach einigen Sekunden: „Hallo, Miron. Hier steht Agent Sedrin Taleris-Huxley. Sie würde gern mit Mr. Barnaby sprechen.“ Da Arane einen Ohrhörer trug, konnte Sedrin die Antwort ihres Gesprächspartners nicht hören. Allerdings drehte sich die Empfangsdame ihr auch bald wieder zu: „Mr. Miron kommt jetzt und holt Sie ab, Agent.“ „OK.“, sagte Sedrin.
Dabei war ihr Blick nicht mehr von ihrem Namensschild gewichen. Sie beschloss also, da sie ja wohl noch etwas Zeit hatte, solange sie auf Miron warten musste, sich ein wenig mit Arane zu unterhalten. „Sie tragen einen aldanischen Vornamen.“, stellte sie fest. „Das ist ungewöhnlich für eine Terranerin. Wie kam es dazu?“ „Nun.“, lächelte Arane mit ihrer sanften hellen Stimme und ihrer ruhigen freundlichen Art. „Meine Eltern waren … nennen wir es einmal extreme Fans der aldanischen Lebensweise. Sie haben sogar versucht, mich und meinen Bruder in diesem Sinne zu erziehen oder mindestens nach dem, was sie dafür hielten. Allerdings hat unser damaliger Kinderarzt ihre Träume bereits zerstören müssen. Da wir ja bestimmte Zentren nicht besitzen, werden uns bestimmte Dinge leider nicht möglich sein.“ „Schon in Ordnung.“, sagte Sedrin. „Sie müssen nicht ihre gesamte Kindheit vor mir ausbreiten, nur weil ich über Ihren Namen stolpere. Das geht mich ja auch alles nichts an.“
Ein etwa 180 cm messender für seine Rasse also ungewöhnlich großer Demetaner kam den Gang hinunter. Er trug einen weißen Kittel und ebenfalls weiße Schuhe. Seine Haare waren kurz und rötlich. Seine Haut war typisch orange. Sofort wurde er Sedrin ansichtig. „Hallo, Agent.“, sagte er. „Ich bin Pfleger Miron. Bitte folgen Sie mir. Der Patient wartet schon. Wir haben den Eindruck, er möchte unbedingt sein Gewissen erleichtern. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich bei der Vernehmung anwesend bin. Ich bin im Moment einer der wenigen, denen er vertraut.“
Sedrin nickte und reihte sich hinter Miron ein, der sie zum nächsten Turbolift führte. Damit ging es auf die Station, die einige Stockwerke höher lag. Die Einrichtung der Flure überraschte Sedrin. Es gab freundliche Wandfarben und großzügig angelegte Gänge mit kleinen Nischen zwischen den Zimmern, in welchen kleine Sitzecken mit hellen Tischen und weichen Sesseln zum Verweilen einluden. Außerdem gab es auf den Tischen Konsolen mit Unterhaltungsprogrammen. „So hatte ich mir das Innere einer Nervenklinik nicht vorgestellt.“, sagte Sedrin auf Demetanisch zu ihrem Landsmann. „Und wie hast du sie dir vorgestellt?“, gab Miron in der gleichen Sprache zurück und scherzte: „Die Zeit der Gummizellen ist auch hier lange vorbei.“ Sedrin grinste.
Sie gingen an einer letzten Nische vorbei und Miron betätigte eine Sprechanlage an einer Tür. Von drinnen erfolgte eine Antwort von einer Stimme, die Sedrin sehr wohl bekannt war: „Ja.“ „Hallo, Laurence.“, sagte Miron freundlich. „Ich habe Agent Sedrin mitgebracht. Sie möchte mit Ihnen reden. Ich werde bei der Vernehmung auch da sein. Zusammen schaffen wir das! Dürfen wir reinkommen?“ „OK.“, sagte Barnaby. Dabei wurde seine Stimme sehr traurig.
„Er leidet an Versagensängsten.“, informierte Miron Sedrin im Flüsterton. Es könnte also sein, dass er während der Vernehmung anfängt zu weinen. Er bereut aufrichtig, was er Benevidea angetan hat. Er wünscht sich sehr, er könnte etwas tun, um es wieder rückgängig zu machen. Vermeide bitte in jedem Fall subjektive Schuldvorwürfe. Das könnte seine Fortschritte zunichtemachen und somit auch unsere Arbeit mit ihm.“ „Ich bin ausgebildete Agentin.“, sagte Sedrin. „Ich weiß sehr genau, wie man eine Vernehmung führt! Außerdem bist du ja da und wirst bestimmt dazwischenfahren, wenn ich etwas sage oder tue, was seiner Gesundung schadet!“ Miron nickte fest.
Sie betraten das Zimmer und sahen gleich Laurence, der an seinem hellen freundlich gefärbten Schreibtisch auf dem farblich dazu passenden Stuhl saß und offenbar ein Pad in der Hand hielt. Dieses streckte er Miron hin: „Würden Sie sich bitte meine Hausaufgabe ansehen?“ „Sicher.“, sagte der Pfleger und nahm ihm vorsichtig das Pad ab, um sich in einer Ecke des Zimmers gleich darin zu vertiefen. „Hausaufgaben sind ein Teil unseres Konzeptes.“, erklärte er gegenüber Sedrin, die ihn fragend angesehen hatte. „Laurence hier sollte sich zum Beispiel Gedanken machen, wie er vermeiden kann, als in seinen Augen Kompletter Versager dazustehen. Er meinte, wenn Nugura ihm kündigen würde, dann könnte er sich erst recht nicht mehr im Spiegel ansehen. Das wäre für ihn wie eine Bestrafung.“ „Ah ja.“, sagte Sedrin und wandte sich Laurence zu: „Hallo, Laurence. Darf ich mich zu Ihnen setzen?“ „Sicher, Agent.“, sagte Laurence traurig. „Wissen Sie, ich muss dringend mein Gewissen erleichtern. Es tut mir so leid, was ich dem armen kleinen Einhorn angetan habe. Es tut mir so unendlich leid. Ich habe keine Ahnung, was mich da geritten hat!“ Er begann herzzerrreißend zu schluchzen.
Sedrin schaute hilflos zu Miron hinüber. Sie hatte den Chefleibwächter der Präsidentin ganz anders in Erinnerung. Nicht wie den gebrochenen Mann, den sie jetzt vor sich sah. „Alles wird wieder gut, Laurence.“, sagte Miron tröstend und legte seinen Arm um Barnabys rechte Schulter. „Kann er mir zuhören?“, fragte Sedrin in Mirons Richtung und deutete auf Barnaby. Der ältere Demetaner nickte. „Laurence, Commander Time kümmert sich um Benevidea.“, sagte Sedrin. „Er findet bestimmt einen Weg ihr zu helfen. Aber warum haben Sie das getan? Warum haben Sie Benevidea angegriffen?!“ „Diesen Plan hatte ich schon länger.“, gestand Laurence. „Wissen Sie, Agent, Die Bedrohungen für die Föderation und somit auch für ihre Präsidentin wurden immer mächtiger und ich bekam immer mehr das Gefühl, sie irgendwann nicht mehr beschützen zu können! Dabei war das doch mein Beruf! Meine Selbstzweifel nagten an mir und ich musste Nugura irgendwie beweisen, dass ich ein richtiger Leibwächter war, der sie auch vor den mächtigsten Gefahren schützen konnte. Deshalb replizierte ich mir irgendwann dieses verdammte Lasso und trug es von nun an immer bei mir. Über die Konsequenzen war ich mir erst nicht klar. Das ganze Ausmaß ist mir erst hier in der Klinik klargeworden. Wissen Sie, es war mir auch gleich, wann und wo ich das Seil einsetzen würde. Ich wollte einfach nur einen Mächtigen verletzen! Oh, Agent! Ich kann doch so meiner Chefin nicht mehr unter die Augen treten!“
„Das müssen Sie auch nicht mehr.“, sagte Miron, der sich inzwischen wieder dem Inhalt des Pads gewidmet hatte. „Das hier ist ein perfektes Kündigungsschreiben! Damit können Sie Ihrem Versagen entgehen. Nugura wird es sogar als sehr mutig erachten, dass Sie für Ihre Fehler einstehen und die richtigen Konsequenzen ziehen. Wollen wir das mal üben?“ Barnaby nickte. „OK.“, sagte Miron und wandte sich Sedrin zu: „Würdest du Nuguras Rolle übernehmen? Du wärst am glaubwürdigsten. Du bist die einzige weibliche Person in diesem Raum. Ich bin Saron und Laurence ist Laurence.“ Sedrin nickte ebenfalls. Dann forderte Miron Laurence auf, mit ihm den Raum zu verlassen, der für die Dauer des Rollenspiels zu Nuguras Büro werden würde.
Wenige Sekunden danach aber betätigte Miron die Sprechanlage: „Madam President, Mr. Barnaby ist hier. Er würde Ihnen gern seine Kündigung überreichen.“ „Bringen Sie ihn herein, Mr. Saron.“, sagte Sedrin in ihrer Rolle als Nugura.
Die Tür öffnete sich und der Pfleger und sein Patient betraten wieder das Zimmer. Dann legte Barnaby das Pad, das ihm Miron inzwischen wiedergegeben hatte, vor Sedrin auf dem Schreibtisch ab. Diese las sich den Inhalt durch und sagte dann: „Ich finde es sehr anständig und auch mutig von Ihnen, Mr. Barnaby, dass Sie Ihren Fehler einsehen. Deshalb nehme ich Ihre Kündigung auch mit Wohlwollen zur Kenntnis. Ich finde es zwar schade, dass wir uns trennen müssen, aber Ihre Erkrankung lässt leider keinen anderen Weg zu. Trotzdem habe ich Ihnen bisher immer vertraut! Bitte vergessen Sie das nicht.“ Sie gaben sich die Hände und das Spiel endete auf einen vorher abgesprochenen Fingerzeig Mirons.
„Das war sehr gut, Laurence.“, lobte dieser seinen Patienten. „Sie machen sehr große Fortschritte!“ Dann wandte er sich an Sedrin: „Die Realität ist aber, dass er noch eine Weile hierbleiben muss. So lange sollten wir aber mit der Kündigung nicht warten. Ich werde sie von unserem Rufzeichen aus an Nugura schicken. Dann kann sie ihm auch schriftlich antworten.“ „OK.“, sagte Sedrin. „Meine Arbeit hier ist auch getan. Ich werde wieder gehen. Wiedersehen, Mr. Barnaby und weiterhin gute Besserung.“ So verließ sie mit Hilfe des Pflegers wieder die Station, der ihr den Weg zum Ausgang zeigte. Unterwegs ließ sie sich von ihm noch Barnabys Personalien aus seiner Krankenakte geben, die sie dem Protokoll der Vernehmung hinzufügte. Dass während der Vernehmung dafür weder die Zeit war, noch der passende Rahmen geherrscht hatte, war Sedrin klargewesen.
Auch Chief-Agent Zoômell hatte sich bei Maron gemeldet, der wie auf heißen Kohlen in der Kommandozentrale von Zirells Basis saß. Die oberste Agentin des tindaranischen Geheimdienstes hatte von Chief-Agent Tamara auch jene Nachricht erhalten, die Sedrin ihr über Kate zugespielt hatte. Jetzt wollte sich Zoômell über beide Gegebenheiten mit Maron austauschen, denn auch sie hatte von seinem Plan gehört, mit dessen Hilfe sie Benevidea das Leben gerettet hatten.
Nervös hatte Maron jenes Gespräch mit Zoômell entgegengenommen, das Joran ihm durchgestellt hatte. „Warum bist du so nervös, Maron?“, fragte die ältere Tindaranerin ihren Untergebenen. „Ich frage mich, ob es so gut war, dass Zirell meine Idee ausgeführt hat, Zoômell.“, sagte Maron. „Warum sollte es nicht gut sein?“, wollte Zoômell wissen. „Weil es meine Idee war.“, sagte Maron. „Meine Ideen haben im Allgemeinen die Angewohnheit, irgendwann so richtig in die Hose zu gehen, wie sich Ms. O’Riley ausdrücken würde. Meine Pläne sind noch nie gutgegangen und ich warte jederzeit auf ein Gespräch von der Electronica, in welchem mir Time mittteilt, dass Benevidea an einer postoperativen Komplikation gestorben ist. Ich bin nicht so ein Musterbeispiel meiner Rasse wie Times Erster Offizier.“ „Auf dieses Gespräch wirst du vergeblich warten, Maron.“, erwiderte Zoômell. „Ich stehe in Kontakt mit Chief-Agent Tamara, die mich auch über alles auf dem Laufenden hält. Sie hat von Agent Yetron die Information erhalten, dass sich die Electronica weiterhin auf dem Weg ins Dunkle Imperium befindet und sich Benevidea allerbester Gesundheit erfreut. Scientist Ketna ist zu 100 % sicher, dass sie ihre Kräfte vollständig zurückerlangen wird! Es muss also nicht immer alles schiefgehen, was du dir so überlegst. Aber jetzt hör mir bitte erst einmal zu. Ich habe von Agent Sedrin das Protokoll einer Vernehmung erhalten. Diejenige, die sie vernommen hat, war niemand Geringeres als Tolea. Die Mächtige hat ihr gesagt, wie wir die Kopie des Universums der Föderation vernichten können. Das müssten wir sogar, denn sie brächte alles durcheinander. Benevidea ist dazu derzeit ja nicht in der Lage und bis sie es wieder wäre, würde zu viel Zeit vergehen. Wir können es aber auch gar nicht. Allrounder Betsy Scott muss es von innen tun. Erst dann und nur so können sie und Commander Data wieder in ihre Heimat gelangen. Tolea gab uns diese Informationen, weil sie dachte, uns etwas zu schulden. Schließlich haben wir sie von ihrem Selbstmord abgehalten.“ „Oh!“, stöhnte Maron. „Wie ich Scott einschätze, wird sie das nicht tun. Dadurch, dass Benevidea ihre Verbindung zu ihrer Schöpfung verloren hat, sind alle, die dort leben, zu autarken Wesen geworden. Das bedeutet, sie darf sie laut den Prinzipien der Sternenflotte nicht opfern, nur um selbst einen Weg nach Hause zu finden. Sie wird eher dem Beispiel von Janeway folgen wollen, die in ihren Augen eine große Heldin war. Sie hat ja auch eine lange Reise auf sich genommen, nur um zu verhindern, dass das Gerät, das sie eigentlich nach Hause bringen könnte, in falsche Hände geriet.“ „Aber Scott hat keine 70 Jahre.“, sagte Zoômell. „Jenna wird gegenüber dir bestätigen, dass es um die Dimensionen sehr schlecht steht. Der Prognose unserer Wissenschaftler nach dauert es längstens fünf Monate und dann wird alles zusammenbrechen, wenn Benevideas Schöpfung weiterhin existiert. Scott muss über ihren Schatten springen. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht.“ Zoômell beendete die Verbindung.
Maron gab einen schweren Seufzer von sich und sah Joran Hilfe suchend an. „Sie wird es nicht schaffen, Joran.“, sagte er ernüchtert. „Scott wird es nicht schaffen. Ihr Charakter ist dafür nicht gemacht.“ „Sie wird diese Leben nicht opfern, auch wenn es nur Kopien sind. Sie ist den Prinzipien der Föderation und der Sternenflotte immer sehr treu gewesen.“ „Vielleicht irrst du dich, Maron El Demeta.“, sagte der Vendar ruhig. „Ich habe Betsy El Taria eher so in Erinnerung, dass sie durchaus anders handeln kann, als man es ihr zutraut, wenn man es ihr zutraut. Sie diskutiert eine Sache zwar gern durch, bevor sie sich entscheidet, aber dann entscheidet sie sich. Vielleicht müssen wir ihr ja nur ein wenig dabei helfen und ihr die richtigen Argumente liefern. Oft helfen ihr auch Modellversuche. Wir werden vielleicht die Hilfe mächtiger Wesen benötigen, aber …“ „Gib mir Time!“, fiel ihm Maron energisch ins Wort. „Sofort!“ „Wie du wünschst, Maron El Demeta.“, sagte Joran und stellte die Verbindung her.
Kissara strich über die Station. Ihre Schuhe hatte sie tatsächlich ausgezogen, damit niemand sie hören konnte. So war sie leise wie eine terranische Katze, da ihre Füße auch mit weichen behaarten sohlen ausgestattet waren wie die einer Katze. Auch sie hatte also Samtpfoten. Nur waren ihre um ein Vielfaches Größer. Da sie auch eine normale menschliche Körpergröße hatte, waren auch ihre Füße entsprechend bemessen. Diese trugen sie jetzt in Richtung von Zirells Quartier. Ein merkwürdiges Bauchgefühl hatte sie regelrecht gezwungen, dort hinzugehen.
So stand sie nun vor Zirells Tür und betätigte die Sprechanlage. „Hier ist Zirell.“, meldete sich eine leise Stimme von innen. „Zirell, hier ist Kissara.“, schnurrte sie zurück. „Darf ich hereinkommen?“ „Sicher.“, erwiderte die Tindaranerin. „Ich habe dich sogar schon erwartet.“
Die Türen glitten vor Kissara auseinander und sie betrat das Quartier ihrer Kollegin und Freundin. Sofort schlug sie die Richtung ins Schlafzimmer ein. Vorher aber nahm sie sich aus dem Wohnzimmer noch eines der zylindrischen Sitzkissen mit, welches sie dann neben Zirells Bett stellte, um sich dann in aller Seelenruhe darauf zu setzen und die Tindaranerin erwartungsvoll anzusehen. Dabei schnurrte Kissara leise vor sich hin. Das war eine Strategie, die sie oft anwandte, wenn sie erreichen wollte, dass ihr Gegenüber sich entspannte, um ihr die eine oder andere Information zu geben.
„Ich rede ja schon.“, sagte die Telepathin, die vor ihr in ihrem Bett lag. „An deinem merkwürdigen Bauchgefühl bin ich nicht unschuldig. Im Gegenteil. Ich habe es sogar ausgelöst, weil ich wollte, dass du herkommst. Ich muss dir etwas sagen. Als ich ein Einhorn war, hatte ich die Möglichkeit, unendlich weit in die Zukunft zu sehen. Normalerweise beschränkt sich diese Fähigkeit bei uns auf einige Tage oder einige Monate, wenn es hochkommt. Aber ich habe etwas gesehen, vor dem ich dich unbedingt warnen muss, Kissara. Nur so viel. Du musst auf der Stelle in dein Universum zurückkehren! Sonst gibt es eine gewaltige Katastrophe!“ „Ich glaube dir, Zirell.“, sagte Kissara. „Und dass du nicht den offiziellen Weg gewählt hast, um mir Bescheid zu geben, zeigt mir, wie ernst es dir ist, wenn du dich schon in die Zeitlinie eingemischt hast. In Ordnung. Ich gebe meiner Crew Bescheid.“ „Danke, Kissara.“, sagte Zirell erleichtert und schlief ein. Kissara lächelte ihr ein letztes Mal zu und verließ dann wieder ihr Quartier. Sie wusste, wenn Zirell ihr so etwas sagte, dann hatte das auch Hand und Fuß. Also sagte sie auch allen anderen Mitgliedern ihrer Crew Bescheid und die Granger legte bald ab.
Kapitel 24: Die Maske fällt
von Visitor
Inzwischen waren Data, Saron, Nugura und ich bei ihrem Fahrzeug angekommen, in welchem ihr klingonischer Fahrer auf uns gewartet hatte. Diesen wies die Präsidentin jetzt an, den Kofferraum mittels eines Knopfdrucks zu öffnen, was er dann auch tat. „Verstauen Sie Ihr Hilfsmittel im Kofferraum, Allrounder.“, sagte Nugura zu mir. Sie werden dann direkt neben mir sitzen. Mr. Saron, Sie werden sich wohl dann mit dem Platz an der Außenseite der Bank begnügen müssen!“ „Kein Problem, Mitregentin.“, sagte Saron und auch ich nickte. Dann gab ich Data den Befehl, in den Kofferraum zu steigen, was er auch bereitwillig tat. Ich hatte den Eindruck, er hatte sich mit seiner Rolle einer rechtlosen Maschine stärker angefreundet als ich mich mit der meinen, obwohl ich ja durchaus freier war als er. Aber er war eben eine künstliche Intelligenz und kein Organischer. Vielleicht lag es daran.
Die Mitregentin selbst bot mir jetzt ihren Arm an, um mich zur Tür des Fahrzeugs zu geleiten. Dann stieg sie selbst ein und zog mich neben sich. Darauf folgte Mr. Saron und die Tür schloss sich. Erst jetzt bemerkte ich, wie die Kabine, in der wir jetzt saßen, eigentlich ausgestattet war. Die Bank, auf der wir saßen, war mit weichem Material bezogen, das mich an Pelz erinnerte. Ich schloss aber aus, dass es echter Pelz war. Wenn, dann war er bestimmt repliziert. Außerdem befand sich vor mir ein kleiner Tisch mit einem Replikator. Auch die Verkleidung der Wände der Kabine schien sehr luxuriös zu sein. Sie erinnerte mich an sehr hochwertiges Leder. Zwischen uns und der Fahrerkabine, in der sich Mr. Barnaby und der Chauffeur befanden, gab es ein Schiebefenster. Der gesamte Innenraum des Fahrzeugs war in elegantem Schwarz gehalten. Die äußere Farbe des Fahrzeugs war Silber metallic.
Nugura nahm ein Mikrofon aus einer Halterung und drückte einen Knopf, der sich genau vor ihr an der Wand zur Fahrerkabine befand. „Mr. Kolof, wir fahren zum Schloss!“, befahl sie. „Aber langsam! Schön langsam, ja?! Wir wollen doch schließlich, dass uns alle sehen! Außerdem haben wir einen Gast. Allrounder Scott begleitet uns. Sie sitzt neben mir! Ach, übrigens, ab heute werden Sie mich als Mitregentin ansprechen!“ „Verstanden, Mitregentin!“, gab die tiefe Stimme des Klingonen zurück. Dann setzte sich das Fahrzeug langsam in Bewegung.
Sie wandte sich ihrem Sekretär zu: „Mr. Saron, informieren Sie Allrounder Scott über das Angebot dieses Replikators an Champagner-Sorten! Ich würde gern auf meine Ehe mit Sytania mit Ihnen beiden anstoßen!“ „Ja, Mitregentin.“, sagte der Sekretär und wendete sich zum Replikator, um dort ein Menü aufzurufen. Mir aber war klar, dass diese Liste ziemlich lang sein musste und dass ich im Dienst war. Im Dienst hatte ich mir geschworen, niemals auch nur einen Tropfen Alkohol anzurühren, auch wenn es sich um Produkte aus Synthehol handeln würde. Wenn ich diesen Schwur aufweichte, wäre es nicht weithin, bis ich auch echten Alkohol zu mir nehmen würde und das wäre am Steuer der Granger eher kontraproduktiv. Andererseits wollte ich ihr Angebot auch nicht so einfach ablehnen, denn ich wollte sie nicht vor ihrem Sekretär, ihrem Leibwächter und ihrem Fahrer kompromittieren, auch wenn letztere davon sicher gar nichts mitbekommen hätten. Ein Kompromiss musste her. Also sagte ich nur diplomatisch: „Danke für Ihr Angebot, Mitregentin, aber ich bin im Dienst. Ich denke, es würde ein sehr schlechtes Licht auf die Sternenflotte werfen, wenn man mich Alkohol trinkend durch die Straßen fahren sehen würde. Für die Presse wäre das sicher ein gefundenes Fressen.“
Das Staatsoberhaupt überlegte eine Weile. Dann sagte sie: „Wie Recht Sie doch haben, Scott! Offenbar war ich so in Feierlaune, dass ich total vergessen habe, wer wir eigentlich sind. Später im Schloss ist das etwas anderes. Aber hier in der Öffentlichkeit? Stimmt. Hier ist das gar nicht gut. Also, Mr. Saron, lesen Sie Scott bitte die alkoholfreien Getränke vor!“
Saron nickte und schloss das eine Menü, um dann das andere zu öffnen. Aber ich ahnte bereits, dass wir beim Schloss angekommen sein würden, bevor er auch nur mit dem Vorlesen der Hälfte des Menüs fertig sein würde, obwohl wir nur geschätzte 30 km/h fuhren. Auf meine eigene Schätzung mochte ich mich aber auch nicht wirklich verlassen, denn der Innenraum des Fahrzeugs war so gut isoliert, dass kaum Geräusche von außen hineindrangen. Auch gab es eine so gute Federung, dass ich es an dessen Bewegungen auch nicht festmachen konnte. Deshalb sagte ich an Saron gewandt: „Lassen Sie uns das abkürzen, Mr. Saron. Ich bin auch mit einer stinknormalen irdischen Cola zufrieden. Zur Feier des Tages darf auch ein Schuss Kirschsaft drin sein, aber das reicht mir schon zum Anstoßen.“ „Ist gut.“, sagte Saron und replizierte mir das Gewünschte. Allerdings ließ er den Replikator das Getränk in einer weißen Sektflöte servieren, wie mir Nugura beschrieb. Dann replizierte er das Gleiche für sich und die Präsidentin und steckte die Gläser jeweils in einen Getränkehalter, von denen sich auch drei an dem Tischchen befanden. Je einer vor einem der Sitzplätze.
Vorsichtig, fast zärtlich, nahm er meine rechte Hand, als hätte er Angst, sie zu zerbrechen, wenn er zu stark zufasste. Dann führte er sie zu meinem Glas. „Danke, Mr. Saron.“, sagte ich. Dann bekam ich mit, dass Nugura ihr Glas erhoben hatte und sagte: „Auf die Liebe!“ Auch Saron und ich erhoben unsere Gläser und wir drei stießen an. Dann sagte der Sekretär, „Möge Ihre Ehe stets glücklich sein, Mitregentin. Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für Sytania!“ „Was für eine schöne Erwiderung, Mr. Saron!“, sagte Nugura und schmolz dahin.
Ich musste mich abwenden, denn niemand von beiden sollte jenen Ekel in meinem Gesicht sehen, der sich jetzt erneut anmeldete. Das konnte doch nicht wahr sein! Mindestens von Saron hätte ich etwas mehr Klugheit erwartet. Nugura war verliebt. Sie war also im Moment nicht schuldfähig, was das anging. Dass sie nicht erkannte, dass Sytania sie nur benutzte, war rein logisch. Aber warum war Saron genauso? Warum ließ er zu, dass sie in Sytanias Falle lief? Warum ließ ich das eigentlich zu? OK, ich hatte eine Ausrede! Dies hier mochte zwar wie meine Heimat aussehen, dennoch war es eine fremde Gesellschaft und die Oberste Direktive verbot mir sie aufzuklären. Es hätte zwar die Möglichkeit gegeben, wenn sie mich um Aufklärung gebeten hätte, oder wenn Sytania ihre Maske fallengelassen hätte, dass ich ihr dann helfe, weil sie dann um Hilfe gebeten hätte und das war ein Notruf, auf den ich reagieren hätte dürfen, aber das war ja nicht eingetreten. Oh nein! Was tat ich hier?! Ich suchte doch tatsächlich nach Wegen, die Oberste Direktive, das Gesetz der Gesetze, auszuhebeln! Meine Professoren auf der Akademie hätten mir die Ohren langgezogen, wenn sie meine Gedanken jetzt gekannt hätten. Wenn ein telepathischer Spionageoffizier in meiner Nähe gewesen wäre, dann wäre er jetzt gezwungen gewesen, mich zu verhaften! Wenigstens mahlte ich mir die Situation so aus.
Saron war aufgefallen, dass ich nicht mit angestoßen hatte. „Ist etwas nicht in Ordnung, Allrounder Scott?“, fragte er. „Tut mir leid, Mr. Saron.“, sagte ich und schluckte. „Ich war wohl gerade mit meinen Gedanken woanders.“ „So.“, mischte sich Nugura ins Gespräch. „Und wo waren Sie, Scott?“ „Bei Commander Kissara und Scientist Loridana.“, log ich. „Ich hatte mir gerade ausgemalt, wie schade es ist, dass sie diese schöne Zeremonie verpasst haben. Aber sie können ja später alles in den Medien nachlesen.“ „Wie rührend!“, sagte Nugura. „Ist sie nicht rührend, Mr. Saron? Sie denkt stets an andere. Aber Sie können ruhig mit uns feiern, Scott. Ihre Vorgesetzte und Ihre Ärztin werden es schon nicht übel nehmen. Die beiden sind ausgebildete Offizierinnen der Sternenflotte wie Sie auch. Sie werden mit dieser Unbill schon fertig werden. Das bedeutet nicht, dass Sie nicht fröhlich sein dürfen. Bitte zwingen Sie mich nicht, es Ihnen zu befehlen!“ „Also gut, Mitregentin.“, sagte ich und bekam sogar ein Lächeln zustande. Allerdings musste ich dafür einen kleinen Trick anwenden, den ich als Laienschauspielerin in meinem Heimatjahrhundert gelernt hatte. Ich stellte mir nämlich vor, Caruso zu streicheln. „Es geht doch, Scott!“, sagte Nugura und klopfte mir auf die Schulter. Ich nickte nur und stürzte den Inhalt meines Glases so schnell herunter, dass ich aufstoßen musste. Natürlich entschuldigte ich mich sofort.
Das Fahrzeug kam zum Stehen und die Türen öffneten sich. Gleichzeitig ertönte das Signal für die Sprechanlage und der Fahrer meldete sich: „Wir sind da, Mitregentin!“ „Danke, Mr. Kolof!“, sagte Nugura und stieg auf der linken Seite aus. Saron und ich nahmen die rechte Seite. „Bitte lassen Sie mich Allrounder Scott behilflich sein, Mitregentin.“, bat Saron. „In Ordnung, Mr. Saron.“, antwortete Nugura.
Ihr Sekretär stieg mit mir aus dem Fahrzeug und bot mir dann seinen Arm an. Dann führte er mich zum Kofferraum, vor dem wir stehenblieben. „Wir sind jetzt etwa einen Meter vom Kofferraum entfernt.“, sagte er. „Die Klappe ist offen. Denken Sie, dass Ihr Hilfsmittel und so hören kann, oder müssen wir noch näher heran?“ „Das wird gehen, Mr. Saron.“, antwortete ich und sagte deutlich: „Data, komm her!“
Befehlsgemäß entstieg der Androide dem Kofferraum und stellte sich neben mich, die ich Sarons Arm losgelassen hatte. Dann sagte ich: „Data, Schutz- und Führmodus ein. Mr. Saron folgen!“
Sofort streckte mir Data seinen Arm hin und ich legte meine linke Hand darauf. So gingen wir hinter Saron her, der uns in Richtung Schlosspark führte. Plötzlich aber blieb er stehen und drehte sich zu uns um, die wir dadurch auch zum Stehenbleiben gezwungen waren. Dann sagte er leise zu mir: „Sie haben doch etwas, Allrounder Scott. Sie scheinen manchmal so merkwürdig abwesend. Mir können Sie es doch ruhig sagen. Wie Sie vielleicht wissen, bin ich sehr verschwiegen.“ „Es ist nichts, Mr. Saron.“, log ich. „Es ist wirklich nichts. Ich weiß nur manchmal nicht, wie ich ausdrücken soll, wie sehr ich mich über Nuguras Ehe mit Sytania freue!“ „Das ist ja lieb.“, sagte Saron und verdrückte sogar eine Träne vor Rührung. „Aber so sind Sie eben. Das ist Allrounder Betsy Scott, wie sie leibt und lebt. Nur eines würde mich noch sehr interessieren. Welche Bedeutung hat die deutsche Fürbitte, die Sie Nugura und Sytania mit auf den Weg gegeben haben, genau?“ „Oh es bedeutet, dass sie immer treu gegenüber einander und immer ehrlich zueinander sein sollen. Ich habe die Kindliche Göttin gebeten, immer dafür zu sorgen.“ „Wie schön!“, rief Saron aus. „Was für eine schöne Fürbitte! Aber lassen Sie uns jetzt bitte gehen. Sonst verpassen wir noch das gesamte Fest.“ „OK.“, sagte ich und befahl Data: „Data, Mr. Saron weiter folgen!“ So setzten wir uns in Bewegung. Ich war allerdings heilfroh, dass mir Saron meine Lügen bis jetzt abgenommen hatte. Ich wünschte mir so sehr, etwas tun zu können, um diese Farce hier bald zu beenden. Wie nah ich allerdings davor war, ahnte ich noch nicht.
Wir betraten den Schlosspark, der über und über mit Blumen geschmückt war, wie mir Data leise beschrieb und wie mir auch meine überaus feine Nase mitteilte. Die oft sehr schwer anmutenden Düfte jedoch brachten mich der Ohnmacht nah und ich fragte mich ernsthaft, warum Sytania immer so übertreiben musste. Dass dies von Nugura gekommen war, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Wie ich sie im Moment jedoch einschätzte, hatte sie zu allem Ja und Amen gesagt. Ich musste mich wirklich öfter ermahnen, Rücksicht auf den Umstand zu nehmen, dass sie nicht die Nugura war, die ich kannte.
Saron brachte uns zu einem Tisch, von dem aus wir die Gespräche am Tisch der Brautleute gut hören konnten. Ob dies seine Absicht gewesen war und sich vielleicht doch ein versteckter Notruf in seinem Verhalten befand, vermochte ich zu jenem Zeitpunkt noch nicht genau zu sagen. Mir war aber eines klar. Ich würde mit Sicherheit keinen Alkohol zu mir nehmen, denn ich dachte mir, dass ich einen klaren Kopf behalten müsste. Irgendwie hatte ich das starke Gefühl, dass mein klarer Kopf noch sehr nötig werden könnte.
Ein bajoranischer Kellner kam an unseren Tisch und fragte mich nach meinem Getränkewunsch. Als ich nur zur Antwort gab, lediglich ein Glas Ananassaft zu wünschen, sah er Data und mich etwas pikiert an und sein Tonfall änderte sich, als er sagte: „Sie wollen nicht mit Ihrer Präsidentin Feiern, Allrounder Scott?!“
Ich holte tief Luft und zählte im Geist langsam bis zehn, bevor ich sagte: „Ihnen kann es ja wohl egal sein, was Sie mir bringen, Mister! Ihr Job ist es lediglich, die gewünschten Speisen und Getränke vom Tresen und aus der Küche zum Gast zu befördern. Alles andere hat Sie nicht zu interessieren! So und jetzt machen Sie Ihren Job und bringen mir bitte meinen Saft! OK?!“ Der Kellner nickte und schlurfte von dannen. Ich konnte mir nicht helfen, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, nicht von jener weinseligen Stimmung, wie sie hier überall herrschte, angesteckt werden zu dürfen. Diese Hochzeit hier klebte und triefte vor ekeligem stinkenden Schmalz. Einem Klebstoff, an dem wir kleben würden wie die Fliegen, wenn wir nicht aufpassten. Ich aber hatte mir vorgenommen, sehr wohl aufzupassen, soweit es mir meine gesetzlichen Möglichkeiten erlaubten. Ich ertappte mich jetzt aber immer öfter bei dem Gedanken, dass Sarons Verhalten mir gegenüber vielleicht tatsächlich ein Hilferuf war. Vielleicht hatte er ja doch etwas von dem klugen Saron, den es im Originaluniversum der Föderation gab.
Die Mitregentin musste aufgestanden sein, um einige Hände von Politikern zu schütteln. Jedenfalls nahmen Data und ich das an. Sie war nämlich gegangen. So waren jetzt Sytania und Telzan miteinander allein. Der Vendar setzte sich in seiner juteartigen Uniform, die über und über mit Orden behängt war, was ein Klirren und Klappern auslöste, neben Sytania und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Merkwürdigerweise konnte ich das aber sehr gut verstehen. Den Grund dafür sollte ich aber erst erheblich später herausfinden. Jedenfalls sagte Telzan: „Herrin, bei allem Respekt, aber was bringt Euch diese Ehe? Ihr könnt mit Nugura keinen Thronerben, geschweige denn eine Thronerbin zeugen. Ich habe aber auch gesehen, dass Ihr den Männern gegenüber nicht abgeneigt währt. Also, was hat das zu bedeuten. Ihr liebt sie doch nicht wahrhaftig, oder?“ „Oh was für ein kluger Kopf du doch bist, Telzan!“, erwiderte die Prinzessin und lachte dreckig. „Alles, was du gerade gesagt hast, ist goldrichtig! Dass ich keinen Erben benötige, weißt du hoffentlich. Ich bin schließlich unverwundbar durch Einflüsse der Sterblichen und durch die Unbill der Natur. Im Gegenteil. Ich kann die Elemente sogar beherrschen! Du hast auch mit dem Umstand Recht, dass ich Nugura nicht liebe! Unsere Ehe, mein bester Telzan, ist nur ein Mittel zum Zweck und der ist erfüllt! Ich habe, was ich von ihr wollte, die Föderation! Ich werde ihre Anwesenheit noch eine Weile ertragen, damit kein Verdacht aufkommt und dann werde ich sie irgendwann mittels meiner Kräfte heimlich still und leise entsorgen. Es wird wie ein Unfall aussehen, Telzan! Wie ein Unfall! Wenn es an der Zeit ist, werde ich mir eine neue Liebschaft suchen zu meinem Vergnügen! Aber nur dann, wenn mir wirklich danach ist. Bis zu jenem Zeitpunkt werde ich die aus Nuguras bedauerlichem Tod resultierende Witwenschaft sehr genießen!“ Wieder lachte sie widerlich gemein auf. Es war ein Lachen, das mir die Schuhe auszog und mir die Fußnägel hochklappte.
Nugura war zurückgekommen und stand genau zum selben Zeitpunkt hinter ihnen, ein Umstand, der weder Telzan, noch Sytania aufgefallen war. Die letzten Sätze der Königstochter hatte sie hautnah mitbekommen. Dies hatte zur Folge, dass sie in Tränen ausbrach: „Das hätte ich von dir nicht gedacht, Sytania! Ich dachte, du liebst mich!“ „Liebe!“, lachte Sytania. „Liebe, tja, du kleines naives Ding! In diesem Fall hättest du mal besser auf deine Wissenschaftler gehört! Die waren nämlich von Anfang an der Meinung, ich könne keine Liebe empfinden und sie hatten Recht! Ja, Recht hatten sie! Ich habe dich nur aus reiner Berechnung geheiratet! Deine Unterschrift hat mir die Föderation gesichert und mehr wollte ich nicht. Auch ein Rücktritt von deinem Amt wird daran nichts ändern, weil du dich mit einer Heirat nach dem Ritual der Könige einverstanden erklärt hast und mit deinem Blut, das mit dem meinen gemischt wurde, unterschrieben hast! Du hättest dir vorher überlegen sollen, was du tust! Jetzt ist es zu spät! Und bilde dir ja nicht ein, ich würde den letzten Teil des Rituals erfüllen. Eine Hochzeitsnacht, in der ich dir einen Teil meiner Macht gebe, wird es nie geben! Ich teile nämlich nicht! Was mein ist, das ist mein! Mein ganz allein!“
Weinend drehte Nugura sich um und lief weg. Saron aber war sofort hinter ihr und fasste fest ihre Hand. „Was haben Sie vor, Mitregentin?!“, fragte er alarmiert. „Was ich vorhabe, Mr. Saron?!“, fragte Nugura schluchzend. „Ich werde meinem Leben ein Ende setzen! Wenn Sytania meinen Tod will, dann soll sie ihn haben, aber ich bestimme, wann es so weit sein wird! Das ist zumindest das Einzige, über das ich noch bestimmen kann! Oh was habe ich getan? Was habe ich nur getan?“
Saron nahm ein Taschentuch aus seiner Anzugtasche und versuchte damit ihre Tränen zu trocknen, die unaufhörlich wie ein Sturzbach aus ihren Augen rannen. „Aber wenn Sie das tun, dann hat sie gewonnen, Mitregentin.“, argumentierte der wortgewandte Demetaner. „An Ihrer Stelle würde ich …“
Ihre Hand, die er bis dahin festgehalten hatte, war ihm aus der seinen gerutscht, da diese sehr feucht von ihren Tränen war, deren Feuchtigkeit sich einen Weg durch das Taschentuch gebahnt hatte, welches er auch noch gehalten hatte. Sie hatte sich sofort gedreht und war in Richtung Schloss davongelaufen. Zurückgelassen hatte sie einen völlig verzweifelten Saron, der sich jetzt im Park umsah. Allerdings hatte keiner der Umstehenden offenbar Kenntnis von der Situation. Wie denn auch?! Sie waren ja viel zu sehr mit Feiern beschäftigt.
Dann aber geschah etwas, das mich mit großer Erleichterung erfüllte. Saron drehte sich plötzlich zu mir um und schrie panisch: „Allrounder Scott! Hilfe!“
Da war er endlich, der Notruf! Jener Notruf, auf den ich trotz der Obersten Direktive jederzeit reagieren durfte, wenn ich denn wollte und jetzt wollte ich. Auch Data hatte jenen persönlich an mich gerichteten Notruf mitbekommen. Da er hier aber als mein Hilfsmittel galt, würde niemand etwas dagegen haben, wenn auch er reagieren würde und wenn es nur auf meinen Befehl wäre. Ich ahnte, dass er sich zu mir drehen und mich zu Saron führen würde. Damit es aber nach wie vor danach aussah, als ob er eine rechtlose und unselbstständige Maschine wäre, sagte ich zur Tarnung: „Data, Schutz- und Führmodus ein. Mr. Saron suchen und anzeigen!“ Dann hakte ich mich bei dem Androiden ein, der mich zu Nuguras Sekretär brachte.
„Sie will sich etwas antun!“, sagte Saron mit zitternder Stimme. „Sie will sich etwas antun! Im Schloss, Allrounder! Im Schloss! Kommen Sie!“ „Ist schon gut, Mr. Saron.“, tröstete ich. „Wir kriegen das schon hin.“ Dann sagte ich zu Data: „Data, Mr. Saron folgen.“ So gingen auch wir in Richtung Schloss.
Nugura hatte inzwischen die Dachterrasse erreicht, die aus einem Zimmer im letzten Stockwerk gut zugänglich war. Hier warteten zwei Shuttles, die als Unterabteilungen an ihre Raumjacht gekoppelt waren, was sich durch ihre Rufzeichen verdeutlichte. Auf eines ging sie nun zu, als sie hinter sich eine tiefe Stimme wahrnahm. „Kann ich Ihnen helfen, Mitregentin?“
Sie drehte sich um und blickte in das Gesicht von Allrounder Janson, ihres Privatpiloten. „Nun, Mr. Janson!“, sagte Nugura fest. „Was ich tun muss, das muss ich allein tun.“
Sie stieg ins Cockpit eines der Shuttles, was Janson irritiert zur Kenntnis nahm. „Aber Sie haben doch gar keine Flugausbildung!“, rief er ihr noch hinterher. „Die benötige ich auch nicht.“, erwiderte Nugura. „Ich muss dem Computer ja nur sagen, wohin ich möchte. Den Rest kann ja er übernehmen. Ich werde in die Sonne fliegen und mich von ihr verbrennen lassen. Dann wird Sytania hoffentlich sehen, wie stark mein Herz für sie gebrannt hat!“ Die Luke schloss sich hinter ihr.
Unfähig sich zu bewegen oder gar eine Entscheidung zu treffen stand Janson da. Er hatte seiner Vorgesetzten so etwas nicht zugetraut. Er hätte nie gedacht, dass sie sich aus Liebeskummer umbringen würde! Was sollte er jetzt nur tun?! Was sollte er tun?!
Saron, Data und ich waren auch mittlerweile unten am Schlosstor angekommen. „Wie sicher sind Sie, dass sie ins Schloss gegangen ist?“, fragte ich an Saron gewandt. „Eigentlich zu einem großen Teil.“, sagte Saron mit zitternder Stimme. „Bitte, Allrounder! Bitte tun Sie etwas. Wir müssen sie finden, bevor sie sich etwas antut. Sytania ist das doch nicht wert, oder? Jemand, der die arme Nugura so hintergeht, ist so etwas doch nicht wert, oder?“ „Ich bin froh, dass wir in diesem Punkt einer Meinung sind, Mr. Saron!“, sagte ich fest. Dann befahl ich in Datas Richtung: „Data, nach Mitregentin Nugura suchen und ihre Position melden!“ „Kann er das denn?“, fragte Saron. „Sicher!“, sagte ich und versuchte Zuversicht zu versprühen. „Seine Augen funktionieren wie ein Erfasser. Der kann durch Wände scannen und kilometerweit gucken, wenn er so richtig in Form ist!“
„Mitregentin Nugura gefunden.“, meldete Data. „Sie befindet sich an Bord eines Shuttles auf der Dachterrasse im letzten Stock. Dieses startet gerade.“ „Dort stehen zwei Shuttles.“, erklärte Saron. „Gut.“, entschied ich. „Dann nehmen wir das Zweite! Nugura wird ja wohl kaum in der Lage gewesen sein, es technisch unbrauchbar zu machen.“ „Nein.“, sagte Saron. „Sie hat ja noch nicht einmal eine fliegerische Ausbildung. Sie wird dem Computer den Kurs befehlen, den er fliegen soll.“ „Das dachte ich mir.“, sagte ich. „Auf diese Weise kann selbst jeder Laie ein Shuttle fliegen. Aber das bedeutet auch, dass wir uns mit dem Computer duellieren und wer könnte das besser als eine andere künstliche Intelligenz. Data, Autarkiemodus!“
Saron fuhr zusammen, als hätte ich den Satan persönlich angerufen. Dann sagte er: „Sind Sie denn des Wahnsinns, Allrounder?! Einer künstlichen Intelligenz den Autarkiemodus zu befehlen, obwohl man nicht selbst in Not ist, ist bei Todesstrafe verboten. Die Vendar-Polizei der Großartigen Königin Sytania wird …“ „Die werden gar nichts, wenn Sie nichts sagen, klar?!“, entgegnete ich. „Jedenfalls werde ich nichts sagen und wir haben ja hier schließlich einen Notfall, oder wie würden Sie das nennen, wenn Ihre Arbeitgeberin gerade dabei ist, sich das Leben zu nehmen?! Sie haben meine Hilfe verlangt und das bedeutet, wir spielen nach meinen Regeln, in Ordnung?!“ „OK.“, sagte ein völlig perplexer Saron.
Data hatte uns zur Dachterrasse geführt und dann waren wir in das zweite Shuttle gestiegen, welches er daraufhin gestartet hatte. Ich saß neben ihm, während Saron mit dem Platz auf der Rückbank des Shuttles vorliebgenommen hatte. „Wie weit gehen Nuguras technische Kenntnisse, Mr. Saron?“, fragte ich. „Sie kann keine Sicherheitsprogramme umgehen, wenn Sie das meinen, Allrounder.“, sagte Saron. „Endlich fangen wir an, einander zu vertrauen.“, lobte ich. „Das bedeutet, der Computer des Shuttles wird nicht zulassen, dass sie auf Warp geht oder zu nah an die Sonne kommt.“, überlegte ich. „Die Waffen wird er wohl auch sperren, sobald er merkt, dass jemand am Schaltpult sitzt, die ihm die vollständige Flugkontrolle übergeben hat. Wir haben also noch einige Chancen.“
Plötzlich drehte sich Data mir zu und sagte: „Anfrage: Eine Situation ist aufgetreten, die im Autarkiemodus nicht gelöst werden kann.“ „Details!“, befahl ich. „Ein externer Ruf aus dem vorausfliegenden Shuttle ist eingegangen.“, sagte Data. „Mit Mr. Saron und mir auf beiden Konsolen verbinden!“, befahl ich. Dann drehte ich mich nach hinten und flüsterte Saron zu: „Wir müssen sie ablenken. Vielleicht hat Data dann eine Chance, sie in den Traktorstrahl zu kriegen.“ „Verstehe.“, sagte Saron.
Ein Signal kündete von der Ausführung meiner Befehle und dann hörten wir Nuguras Stimme: „Warum folgen Sie mir?! Können Sie mich nicht einfach meinem Leben ein Ende setzen lassen?!“ „Das können wir nicht tun, Mitregentin.“, sagte Saron ruhig. „Sytania ist es nicht wert, dass Sie wegen ihr aus dem Leben scheiden! Ich sage es noch einmal. Wenn Sie das tun, dann hat sie gewonnen.“
Wir wurden plötzlich langsamer. „Warum haben wir verlangsamt, Allrounder.“, fragte Saron besorgt. Ich, die ich sehr wohl mitbekommen hatte, dass die Verlangsamung des Schiffes nach einer Eingabe von Data eingetreten war, sagte nur: „Vertrauen Sie ihm, Saron.“, und deutete auf den neben mir sitzenden Data. „Er wird seine Gründe haben. Lassen Sie uns ruhig weiter mit Nugura sprechen. Vielleicht hilft ihm das ja sogar.“ „Einverstanden.“, sagte Saron, dessen Stimme noch immer einen leicht skeptischen Unterton aufwies. Trotzdem nahm er das Mikrofon wieder in die Hand und sagte: „Mitregentin, denken Sie doch nach. Es wird mit Sicherheit eine andere Lösung geben. Es gibt weitaus mächtigere Wesen als die Großartige Königin. Ich weiß, dass ich mich strafbar mache, wenn ich ihre Macht anzweifele oder gar in meinem Denken zulasse, dass es so etwas geben könnte. Aber es ist die …“
Data hatte das Shuttle plötzlich in einer weiten Steuerbewegung ausweichen lassen. Dann hörte ich ein Signal und spürte einen Ruck, der mir verriet, dass wir Nuguras Shuttle in den Traktorstrahl genommen haben mussten. Im nächsten Moment wurde Nugura zu uns an Bord gebeamt.
Nun stand das arme verzweifelte Nervenbündel vor uns. „Sie haben mich genarrt!“, schluchzte sie. „Wie haben Sie … Scott, Ihr Hilfsmittel steuert das Schiff! Ich hätte Ihnen nicht zugetraut, dass Sie sich das trauen! Er ist bestimmt auch im Autarkiemodus, nicht wahr?“ „Das ist richtig, Mitregentin.“, gab ich zu. „Auch wenn ich damit gegen die Gesetze der Großartigen Königin verstoße, aber ich …“
Sie begann erneut zu schluchzen. „So großartig finde ich unsere so genannte Großartige Königin gar nicht mehr!“, schrie sie. „Sie hat mir das Herz gebrochen, Scott! Dafür soll sie zahlen! Ich möchte ihr wehtun, Scott! Ich möchte Sytania wehtun! Aber wie tut man jemandem weh, der unverwundbar ist?“
Ich stand von meinem Sitz auf und drängte sie auf den freien Platz neben Saron. Dann fasste ich ihre Hände fest und sagte: „Denken Sie nach, Mitregentin. Was ist das Größte für Sytania?“ „Ihre Macht!“, erwiderte Nugura. „Genau.“, sagte ich. „Und was wäre, wenn plötzlich das Gerücht aufkäme, dass es da jemanden gibt, die genauso mächtig wäre, wie sie es selbst ist?“ „Das würde sie nachts nicht in den Schlaf kommen lassen.“, sagte Nugura, der Saron inzwischen einige Taschentücher gereicht hatte. „Sie wird Beweise verlangen. Ich nehme an, Sie wollen, dass ich dieses Gerücht verbreite, nicht wahr? Das tue ich gern, wenn ich sie damit ärgern kann! Sollte sie gegen diese Person kämpfen wollen, dann werde ich die Letzte sein, die ihr das ausredet! Es tut mir leid, was ich der Föderation angetan habe. Es tut mir so leid! Warum musste ich mich darauf einlassen, mit meinem Blut zu unterschreiben?!“ „Sie wissen doch, Mitregentin.“, sagte ich. „Wenn schon Scheiße, dann Scheiße mit Schwung!“ „Wieder so ein Spruch, den ich Ihnen im Leben nicht zugetraut hätte, Scott.“, sagte Nugura. „Die Ehe mit Mr. Scott scheint Ihnen ja sehr gut zu tun. Sie machen sich und sind wohl lange nicht mehr das brave Mäuschen, für das wir Sie alle bisher gehalten haben. Aber wie haben Sie mich genarrt. Das Shuttle hat plötzlich seinen eigenen Antrieb deaktiviert und dann war ich in Ihrem Traktorstrahl.“ „Das Sicherheitssystem Ihres eigenen Schiffes hat Sie genarrt, Mitregentin.“, sagte ich. „Sobald der Computer die Kontrolle übernimmt, tut er alles, worauf er programmiert wurde. Das bedeutet auch, er schützt Ihr Leben. Er wird nicht zulassen, dass Sie in die Sonne fliegen. Schon gar nicht ohne Schilde.“ „Woher wissen Sie, dass meine Schilde unten waren?“, fragte Nugura. „Das konnte ich mir denken.“, antwortete ich. „Sonst könnten Sie sich ja der Strahlung nicht aussetzen und das war ja das, was Sie wollten.“ „Ich gebe auf, Scott.“, sagte Nugura. „Sie sind offensichtlich zu intelligent für mich. Aber sagen Sie mir bitte, ob es diese Person, von der Sie gesprochen haben, wirklich gibt.“ „Ich werde Sie über alles informieren.“, versprach ich und wandte mich an Data: „Data, nach Hause!“ Der Androide nickte und wendete beide Schiffe. So flogen wir mit Nuguras Shuttle im Schlepp wieder Richtung Erde, während ich Nugura über die originale Sytania aufklärte. Was sie daraus machen würde, überließ ich selbstverständlich ihr.
Kapitel 25: Neue Gefahren
von Visitor
Während IDUSA alles für die Verbindung zu Times Schiff vorbereitete, hatten Joran und Maron Gelegenheit gefunden, über die Situation zu diskutieren. „Was genau hast du gemeint, als du sagtest, wir sollten Allrounder Scott nicht unterschätzen, Joran?“, fragte der Agent. „Sie ist kein gewissenloses Wesen, welches töten würde nur um nach Hause kommen zu können.“ „Unter normalen Umständen würde ich dir sicher zustimmen, Maron El Demeta.“, erwiderte der Vendar. „Aber sie weiß auch, dass es sich bei den Wesen nur um Kopien handelt.“ „Die aber zu völlig autarken Lebewesen geworden sind, als Benevidea ihre Verbindung zu ihnen verloren hat.“, sagte Maron. „Das wird sie mit Sicherheit berücksichtigen. Da Sternenflottenoffiziere Leben achten und insbesondere empfindungsfähiges und intelligentes Leben, wird sie sich sehr schwer tun mit dieser Entscheidung. Unter Umständen wird sie gar nicht in der Lage sein sie zu treffen. Eventuell müssen wir ihre Entscheidung dann akzeptieren und sie dort lassen.“ „Dann werden aber auch alle Dimensionen aus dem Gleichgewicht geraten, Agent Maron.“, sagte Joran. Meine Telshanach sagt, laut ihren Berechnungen hätten wir noch knapp einen Monat, bevor alles zusammenbricht.“ „Scott muss also wählen zwischen einigen Millionen von Wesen, die sie über die Klinge springen lässt oder einigen Milliarden von ihnen.“, fasste Maron zusammen. „In der Tat, Maron El Demeta.“, sagte Joran. „Ich weiß auch, dass Betsy El Taria am liebsten keiner Fliege etwas zuleide tut. Außerdem weißt du, dass Benevideas Schöpfung durch einen mentalen Akt entstanden ist. Wenn man sie zerstören will, kann es also extrem wichtig werden, dass Betsy sie auch zerstören will. Es könnte nicht ausreichen, dass sie einfach nur Befehle ausführt, selbst wenn du oder ein anderer Offizier höheren Ranges es ihr befehlen würde.“ „Aber man kann sie nicht überzeugen!“, sagte Maron mit Nachdruck. „Ihr Charakter ist dafür nicht gemacht!“ „Da bin ich nicht sicher, Maron El Demeta!“, sagte der Vendar. „Lass mich an dem Gespräch teilhaben und du wirst sehen!“ „Na gut.“, sagte Maron. „Ich vertraue dir.“
Die Electronica war inzwischen bei den Weltraumwirbeln angekommen. Sensora hatte das Schiff in einiger Entfernung zu ihnen gestoppt. „Warum haben wir angehalten, Allrounder?“, fragte Yetron, der zu jenem Zeitpunkt das Kommando innehatte, da sich Time bei Benevidea befand, um sie auf ihre bevorstehende Heimkehr vorzubereiten. „Bitte schauen Sie auf den Schirm, Sir.“, sagte die Androidin am Steuer sachlich und schaltete ihm die Sensorenbilder durch. Der Demetaner sah sie sich genau an. Dann sagte er: „Es sieht aus, als hätten alle Wirbel beträchtliche Schlagseite, Allrounder. Aber in Anbetracht der dimensionalen Realitäten ist das wohl kein Wunder.“ „Das ist korrekt.“, sagte Sensora. „Wenn ich uns allerdings hindurchbringen soll, muss ich die E-Trimmung ausschalten, um das Schiff um 45 Grad in alle Richtungen im Verhältnis zu den Wirbeln neigen zu können und seine Fluglage jederzeit den Wirbeln und ihrer Bewegung anpassen zu können. Sonst wird die Electronica reagieren wie eine Glasmurmel, die man auf ein Trampolin wirft. Wir werden an den im Verhältnis zu uns schräggestellten Wirbeln einfach abprallen.“
Yetron wandte sich dem Mikrofon für die Bordsprechanlage zu und drückte den Knopf, der ihn direkt mit dem Frachtraum verband, in dem sich Time jetzt befinden musste. Dieser war tatsächlich gerade dabei, das Einhorn zu streicheln und es zu trösten, denn Benevidea war sehr traurig geworden. „Es tut mir so leid, was ich getan habe, Peter.“, gab sie zu. „Das muss es nicht, meine Kleine.“, tröstete der Terraner. „Du kannst schließlich nichts dafür. Die einzigen, denen ich so richtig die Leviten lesen werde, sind deine Eltern. Weder deine Stiefmutter noch dein Vater haben deine Angst erkannt und mit dir darüber geredet. Ein ganz schönes Armutszeugnis für zwei Mächtige, wenn du mich fragst! Meine Präsidentin hat mich zwar in diplomatischer Mission zu euch geschickt, aber die Situation hat sich verändert. Da können ein paar harsche Worte gegenüber ihnen nicht schaden, denke ich!“ „Schimpf aber bitte nicht zu heftig mit ihnen.“, bat Benevidea. „Ich will nicht, dass sie dann auch noch traurig und wütend auf dich sind.“ „Keine Angst.“, sagte Peter und kraulte sie fest. „Ich weiß schon, was ich tue.“ „OK.“, sagte das Einhorn. „Darf ich deine Hände ablecken, Peter?“ „Wenn es dich beruhigt.“, sagte Time und streckte ihr beide Hände hin. Langsam ließ Benevidea ihre Zunge über sie gleiten und Time stellte fest, dass es ihm sogar gefiel. Er machte sich keine Gedanken über eventuelle hygienische Folgen. Dagegen hatte schließlich irgendein Schlauberger mal die Schalldusche erfunden, wie er meinte. Aber wirklich genießen konnte er das auch nicht, denn auch die Sprechanlage piepte unaufhörlich. „Leider brauche ich meine Hände mal kurz, Süße.“, flüsterte er Benevidea zu. „Da möchte jemand mit mir sprechen. Ich bin gleich wieder da.“ „Na gut.“, sagte das Einhorn und nahm ihre Zunge von Times Händen, der sie sich kurz an seiner Uniform abwischte und dann zur Sprechanlage ging.
In ihrem Display konnte Time sehr gut das Rufzeichen des Arbeitsplatzes seines Ersten Offiziers erkennen. „Was gibt es, Mr. Yetron?“, fragte er. „Sir, Ihnen wird aufgefallen sein, dass wir gestoppt haben.“, setzte Yetron voraus. „Sensora musste das tun, weil sie einige Einstellungen vornehmen muss, bevor sie uns durch die Wirbel bringen kann. Die sind nämlich sehr wackelig auf den Beinen, wenn ich das mal sagen darf. Sie haben ziemliche Schlagseite in alle Richtungen. Der Allrounder wird die E-Trimmung ausschalten müssen, um das Schiff in alle Richtungen neigen zu können. Da wir hier drin künstliche Gravitation haben, wird sich der Flug für uns wie eine Fahrt in einer Achterbahn anfühlen. Benevidea könnte Angst bekommen. Sie sollte sich lieber hinlegen und Sie sollten sich auch setzen.“ „Na gut, Mr. Yetron.“, sagte Time und scherzte: „Solange unser Allrounder mit uns keinen Looping hinlegt, darf sie machen was sie will, um uns durch die Wirbel zu bringen. Sagen Sie ihr das! Sie soll aber eine schiffsweite Ansage machen, damit alle Bescheid wissen.“ „Gut.“, sagte Yetron nur und beendete die Verbindung.
Time wandte sich wieder Benevidea zu: „Leg dich bitte hin. Das ist besser für dich. Wenn du gleich fallen solltest, weil wir schräggestellt sind, könntest du dich schwer verletzen. Ich weiß ja nicht, wie weit deine Macht schon zurückgekehrt ist. Wir sollten besser vorsichtig sein.“ „OK.“, sagte Benevidea. „Aber was ist die E-Trimmung?“ „Das ist ein Computerprogramm.“, erklärte Time. „Normalerweise macht sie, dass das Schiff immer gleichmäßig von seinen Antriebsfeldern getragen wird. Wenn sie aus ist, kann der Pilot aber alle Spulen einzeln steuern. Jedes einzelne Feld kann geschwächt oder verstärkt werden. Das hängt mit den Steuerbewegungen zusammen. Das Programm heißt so, weil in früheren Jahrhunderten Flugzeuge ausgetrimmt werden mussten, damit sie gerade in der Luft liegen konnten. Wenn sie auf einer Seite zu schwer waren, dann neigten sie sich ja auch. Die E-Trimmung hält das Schiff ja genauso im Lot. Ich hoffe, ich habe das jetzt richtig erklärt.“ „Ich habe es auf jeden Fall verstanden.“, sagte das Einhorn und legte sich ab.
Time ging zur Sprechanlage zurück und betätigte den Knopf, der ihn direkt mit Yetrons Arbeitsplatz verband: „Wir wären dann so weit, Agent!“ „OK.“, sagte Yetron kurz, bevor er die Verbindung zu Time wieder beendete.
Yetron wandte sich Sensora zu: „Wir können dann, Allrounder!“ „Einen Moment noch, Sir.“, sagte die Androidin, die in diesem Moment eine nervöse Leuchte auf der Konsole für den Transceiver registrierte. „Es sieht aus, als würden wir gerufen. Das Rufzeichen ist das der tindaranischen Basis 281 Alpha.“ „Stellen Sie durch, Sensora!“, befahl Yetron. „Und Position halten! Wir setzen unseren Flug fort, sobald ich mit Commander Zirell gesprochen habe.“ „Laut Rufzeichen kommt der Ruf von der Konsole des Arbeitsplatzes des Ersten Offiziers.“, korrigierte Sensora seine Annahme. „Laut Computer ist auch die Konsole des SITCH-Offiziers in die Anfrage integriert. Es handelt sich also um eine Konferenzschaltung.“ „Auch gut.“, sagte Yetron ruhig. „Dann geben Sie mir eben beide.“
Sensora nickte und führte die Befehle des Demetaners aus, der bald in die Gesichter von Maron und Joran blickte. „Yetron, wo ist Commander Time?“, fragte Maron. „Er ist im Frachtraum und kümmert sich um unsere Passagierin.“, sagte Yetron. „Du und Joran, ihr werdet wohl mit mir vorliebnehmen müssen.“ „Nicht gleich beleidigt sein.“, beschwichtigte Maron seinen Kollegen und Landsmann. „Ich bin nicht beleidigt.“, erklärte Yetron. „Deine Frage hat bei mir nur den Eindruck erweckt, du könntest glauben, ich wäre nicht in der Lage, dein Problem zu lösen.“ „Das würde ich nie behaupten.“, sagte Maron. „Immerhin bist du als Talent dafür ja über alle dimensionalen Grenzen hinaus bekannt. Also, hier ist mein Problem: Allrounder Scott müsste, wie du sicher schon weißt, die Dimension, in der sie sich jetzt gemeinsam mit Commander Data befindet, zerstören, um wieder nach Hause kommen zu können. Das würde aber auch bedeuten, sie müsste alle, die darin wohnen, töten. Als Sternenflottenoffizierin wird sie das aber nicht tun wollen, denke ich, denn sie achtet das Leben viel zu hoch, auch wenn es sich nur um Kopien handelt. Sie hat sicher auch gemerkt, dass diese zu autarken Lebensformen geworden sind und nicht mehr von Benevidea abhängen. Das würde die Entscheidung für sie noch umso schwerer machen. Da das doppelte Föderationsuniversum durch einen mentalen Akt entstanden ist, geht Joran außerdem davon aus, dass sie es aber auch zerstören wollen muss und es nicht ausreichen würde, wenn sie einfach nur von einem ranghöheren Offizier den Befehl dazu erhielte. Abgesehen von der Tatsache, dass sie sich dann sicher nicht mehr im Spiegel ansehen könnte. Du weißt schon, wie ich das meine. Ich denke, dass sie nicht davon zu überzeugen ist, aber Joran glaubt, dass man sie überzeugen kann. Was meinst du dazu?“ „Um ehrlich zu sein, schließe ich mich Jorans Meinung an.“, sagte Yetron mit einer Sachlichkeit, die schon fast an die Antwort eines Vulkaniers erinnern konnte. Marons Erwiderung darauf ließ ihn aber gleich auch erkennen, wie sehr er seinen Freund damit erschreckt haben musste. „Was bitte meinst du damit?!“, stammelte dieser. „Ich meine, dass sie bestimmt nicht zu überzeugen ist, wenn du es so plump anfängst.“, sagte Yetron. Wenn du in den Vordergrund stellst, dass sie jede Lebensform tötet, dann wirst du sie mit Sicherheit nicht überzeugen! Das deckt sich durchaus mit Scotts Charakter. Ich kenne sie aber gut genug, um beurteilen zu können, dass sie Argumenten gegenüber durchaus offen ist, die ihr die Entscheidung erleichtern können. Wenn sie Schwierigkeiten bei einer Entscheidung hat, diskutiert sie diese gern mit anderen durch. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Ich war oft genug einer ihrer Diskussionspartner. Joran, glaubst du, es könnte möglich sein, jemanden zu ihr zu schmuggeln?“ „In der Tat, Yetron El Demeta.“, sagte der Vendar ruhig. „Meine Telshanach, die du als Jenna McKnight kennen dürftest, sagt, wir könnten Benevideas Barriere vielleicht austricksen, wenn derjenige, den wir schmuggeln wollen, keinen Gedanken daran verschwendet, Betsy El Taria aus der Dimension zu holen. Eventuell benötigen wir die Hilfe der Einhörner.“ „Das dachte ich mir.“, sagte Yetron. „Hört zu: Damit der Allrounder eine freie Entscheidung treffen kann, die nur auf den vorgebrachten Argumenten basiert, darf niemand zu ihr gehen, der im Rang unter einem Commander steht. Sie ist in Begleitung von Commander Data, der, da er ja auch in ihre Dimension gehört, glaubwürdig die Position für die Zerstörung von Benevideas Schöpfung vertreten könnte. Damit sie ihre Entscheidung im Zweifel vielleicht nicht doch nur von der Kommandokette abhängig macht, müsste der Anwalt der Schöpfung auch ein Commander sein. Der Allrounder müsste allerdings auch physisch in eine Position gebracht werden, in der sie beiden frei zuhören kann. Das dürfte uns allen sehr helfen, aber vor allem ihr. Ich weiß, dass wir sie manipulieren werden und dass sie sehr wohl intelligent genug sein könnte, dies zu durchschauen. Aber ich selbst habe bereits erlebt, dass es Situationen gibt, in denen sie durchaus manipuliert werden will, um ihr Gewissen beruhigen zu können. Sie scheint mit sehr hohen moralischen Standards aufgewachsen zu sein und ihre Konformität, was Regeln und Gesetze angeht, rührt wahrscheinlich nicht zuletzt von einer starken Angst vor Strafe her.“ „Verstehe.“, sagte Maron. „Das ist mir auch schon aufgefallen. Aber wir können es drehen wie wir wollen. Wir werden wohl die Hilfe deines Commanders benötigen.“ „Das ist korrekt.“, sagte Yetron mit einer Gewissheit, die Maron erneut das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Ich kann mich mit dem Gedanken einfach nicht anfreunden, dass wir so etwas mit der armen Frau tun.“, sagte er. „Der Ausgang ist doch völlig offen.“, erklärte Yetron. „Es kann sein, dass sie sich für Datas Position entscheidet und die Dimension zerstören will. Genauso gut kann es aber auch sein, dass sie sich für Times Position entscheidet. Dann müssen wir völlig neu überlegen. Genauso gut kann es sein, dass Time bei dem gesamten Plan nicht mitmacht und ihn uns sogar verbietet. Und zwar aus den gleichen Gründen, die dich Skrupel fühlen lassen.“ „Na gut.“, sagte Maron. „Dann will ich dir mal glauben und vertrauen. Aber hoffentlich nimmt uns Scott das wirklich nicht eines Tages sehr übel.“ „Lass uns sehen, wie es ausgeht.“, schlug Yetron vor. „Wenn ich mit Time gesprochen habe, werden wir mehr wissen.“ „Einverstanden.“, sagte Maron und beendete die Verbindung.
Peter hatte sich direkt neben Benevideas Kopf gesetzt. Da sie jetzt neben ihm lag, war es ihm ohne Mühe möglich, sie fest und ausgiebig zu kraulen. „Du kannst sehr gut kraulen, Peter.“, ließ die Übersetzersoftware das Einhorn sagen. „Du kannst das sogar so gut, dass ich gar nicht gemerkt habe, dass wir Achterbahn gefahren sind.“
Time holte tief Luft und lauschte angestrengt. Dann sagte er: „Ich höre immer noch keine Maschinen, Benevidea. Es scheint, als wären wir noch nicht weitergeflogen. Ich werde mal auf der Brücke nachfragen, was da so lange dauert. Dazu muss ich allerdings mit dem Kraulen aufhören.“ „Ist schon gut.“, antwortete das Einhorn. „Ich werde ja dann wieder in den Genuss deiner Krauleinheiten kommen. Ich frage mich wirklich, ob Captain Kirk genauso gut kraulen konnte wie du.“ „Na ja.“, sagte Peter. „Jeder hat seine verborgenen Talente.“
Er stand auf und rieb sich das rechte Bein, das aufgrund der Stellung, die er beim Sitzen eingenommen hatte, etwas eingeschlafen war. „Ich bin wohl auch nicht mehr der Jüngste.“, stellte er fest und stakste zur Sprechanlage. Dann nahm er das Mikrofon in die Hand und drückte den Knopf, der ihn direkt mit dem Arbeitsplatz seines Ersten Offiziers auf der Brücke verband. „Yetron, was ist da los bei euch?“, fragte Time. „Warum sind wir nicht schon längst im Dunklen Imperium?“ „Es gab Komplikationen.“, sagte der demetanische Agent zur Antwort, dessen oft sehr gewählte Ausdrucksweise Time nicht fremd war. „Komplikationen, über die ich noch mit Ihnen sprechen muss. Ich werde sogar Ihre Hilfe benötigen, Sir. Sie sind genaugenommen der Einzige, der uns helfen kann, den Plan, den Agent Maron, Joran Ed Namach und ich gemeinsam ausgebrütet haben, in die Tat umzusetzen. Ich hoffe sehr, dass Sie einverstanden sein werden, denn unsere Idee steht und fällt mit Ihrem OK.“ „Na, Mr. Yetron.“, sagte Time. „Was sollte ich, als einfacher Erdenmensch, wohl dagegen sagen können, wenn zwei Demetaner und ein Vendar etwas zusammen ausbrüten. Sie wissen, dass ich Ihnen vertraue. Aber der Form halber werde ich Sie in meinem Bereitschaftsraum anhören, sobald wir das Dunkle Imperium erreicht haben. Aber da Sie mich ja ohnehin brauchen, ist es vielleicht ganz gut, wenn ich informiert bin. So und jetzt soll uns Sensora endlich hinbringen! Sagen Sie ihr das!“ „Aye, Commander.“, sagte Yetron förmlich und beendete das Gespräch.
Da der Demetaner sein Terminal so geschaltet hatte, dass alle mithören konnten, hatte auch die Androidin am Steuer Times Antwort mitbekommen. „Es war sehr gut, dass wir noch nicht ins Dunkle Imperium geflogen sind.“, sagte sie. „Erläutern Sie das, Sensora!“, befahl Yetron. „Wenn wir die letzte Reihe der Wirbel passiert haben, wird der Bug der Electronica zuerst in die Dimension eintauchen. Das ist zwar immer so, aber das Schiff ist sonst nicht so instabil. Durch die inaktive E-Trimmung ist es mir zwar theoretisch möglich, jedes Triebwerk und jede Spule einzeln zu schalten, Aber trotz meiner schnellen Reflexe habe ich nur zwei Hände, die ich schon für die Steuerelemente brauche. Ich benötige jemanden, der mit seinen Händen die Atmosphärentriebwerke in gleicher Weise zuschaltet, wie ich die Impulsmaschinen deaktiviere und zwar einzeln. Sonst geraten wir zwischen den Wirbeln ins Trudeln und die Electronica wird wie eine Nussschale zerquetscht.“ „Verstehe. Es wäre genauso, als würde man versuchen, mit Stöckelschuhen einen 8000er zu bezwingen. Da kommt man ja auch leicht ins Rutschen. Sie benötigen also einen Co-Piloten.“, sagte Yetron. „Wie wäre es da zum Beispiel mit der Hilfe eines fliegerisch auch sehr versierten und recht erfahrenen Demetaners, der hier zufällig gerade anwesend ist?“ „Dann richten Sie dem Mann bitte aus, ich wäre für seine Hilfe sehr dankbar, Sir.“, bat Sensora.
Yetron deaktivierte kurz sein Handsprechgerät in seiner Tasche, so dass das Display wie ein Spiegel wirkte. Dann nahm er es heraus, hielt es vor sein Gesicht und sagte zu seinem Spiegelbild: „Hast du das gehört, Yetron, sie nimmt unser Angebot an. Na dann lass uns doch hingehen und ihr Helfen, Yetron, denkst du nicht? Doch, Yetron! Na dann los, Yetron!“ Damit spazierte er in Richtung des zweiten Sitzes neben Sensora an ihrer Arbeitskonsole und setzte sich.
Shorna, die an ihrem Arbeitsplatz, dem Waffenpult des Schiffes, Yetrons theatralische Einlage durchaus mitbekommen hatte, musste laut lachen, entschuldigte sich aber sofort: „Tut mir leid, Sir.“ „Das muss es nicht, Warrior.“, sagte Yetron sachlich und ruhig. „Ihr Lachanfall war sogar mein Ziel. Ich wollte die Stimmung hier auf der Brücke etwas auflockern. Selbstverständlich ist mir klar, dass unser Allrounder dies nicht benötigt, da sie Androidin ist. Es könnte mir aber doch sehr helfen, wenn ich nicht so angespannt bin. Eine lockere allgemeine Stimmungslage könnte sehr gut zum Gelingen unseres Manövers beitragen.“ „Na gut.“, sagte Shorna und grinste. „Dann wünsche ich uns Mast- und Schotbruch und immer eine Hand breit Wasser unterm Kiel!“ „Warrior, die Electronica hat keinen Mast. Sie hat aber Schotten, von denen das Wort Schot wahrscheinlich abgeleitet wurde. In der alten Sprache der irdischen Seeleute wurden so die Türen auf Schiffen genannt. Aber bis so eines hier bricht, müssen diverse Sicherheitsvorkehrungen ausfallen und es muss einen Hüllenbruch geben, durch den das Vakuum des Weltraums eindringen kann, indem wir Druck verlieren. Aber das wird wohl bei diesem Manöver kaum passieren und Wasser gibt es hier im Weltraum auch nicht.“, bemerkte Sensora. „Na eben.“, grinste Yetron, der Shornas Scherz durchaus verstanden hatte. Der
Erste Offizier kannte Shornas genesianischen Humor schließlich zur Genüge. „Ah.“, machte Sensora und lächelte mechanisch. „Danke für Ihre guten Wünsche, Warrior. Was nicht existiert, kann schließlich auch nicht brechen.“ „Na endlich haben Sie mich verstanden.“, sagte Shorna.
Yetron sah Sensora an. „Bereit, wenn Sie es sind, Allrounder.“, sagte er. „Jederzeit.“, sagte Sensora. „Ich finde nur, Sie sollten Time informieren, dass es jetzt losgeht.“ „Wie umsichtig.“, lobte Yetron. Dann aktivierte er die Sprechanlage: „Commander, es geht los. Wundern Sie sich bitte nicht über das Rufzeichen, von dem aus ich mit Ihnen rede. Ich werde Sensora etwas assistieren müssen.“ „Sie kriegen das schon hin, Agent!“, sagte Time. „Daran habe ich keinen Zweifel. Ich werde auf Benevidea aufpassen.“ „OK.“, sagte Yetron und hängte das Mikrofon wieder ein, nachdem er die Verbindung beendet hatte.
Sensora neigte das Schiff um wenige Grad aufwärts, um es der Schräglage des ersten Wirbels anzupassen. Dann schaltete sie den Antrieb auf ein Viertel Impuls. Sie wusste genau, wie kitzelig dieses Manöver war, da sie ein verhältnismäßig breites Schiff in einem kleinen engen Raum zwischen jeweils zweien der Wirbel stellen und drehen musste. Immer wieder musste sie Neigung und Richtung anpassen. Das hatte eine ziemliche gefühlte Berg- und Talfahrt für alle Beteiligten zur Folge, die Benevidea aber fast Spaß zu machen schien, was Peter sehr erleichterte. „Das ist schön, Peter!“, rief sie aus. „Das will ich öfter machen!“ „Hoffen wir mal, dass es nicht so oft vorkommt, meine Kleine.“, sagte Time, der sehr genau wusste, was das hier seiner Besatzung abverlangte. Denn auch die, denen Sensora Bescheid gegeben hatte und die nicht unmittelbar darin involviert waren, mussten mit der Situation zurechtkommen und das konnte mitunter etwas schwierig werden.
Konzentriert sahen Sensora und Yetron auf die Instrumente. „Es geht gleich los, Sir.“, sagte sie. „Die letzte Reihe der Wirbel ist jetzt unmittelbar voraus.“
Yetron legte seine Hände auf die Schaltelemente für die Atmosphärentriebwerke. „Bereit zur Aktivierung des Bugtriebwerks auf Ihr Zeichen, Allrounder.“, sagte er ruhig. „In Ordnung.“, sagte die Androidin. „Beginne Countdown für Deaktivierung der Bugspule. Deaktivierung in drei, zwei, eins!“ „Aktiviere vorderes Atmosphärentriebwerk.“, sagte Yetron. „Umschaltung hat gegriffen.“, meldete Sensora. „Schalte Sensoren mittschiffs.“
Auf dem Schirm vor den beiden Offizieren erschien die Mitte des Schiffes im Verhältnis zu den Wirbeln. „Die Schiffsmitte erreicht die Atmosphäre der Dimension.“, meldete Sensora darauf. „Deaktiviere mittlere Spule in drei, zwei, eins!“ „Mittleres Triebwerk aktiv.“, meldete Yetron. „Sensora, achten Sie auf unseren Kurs. Wir ziehen mit dem Heck nach rechts! Wenn wir nicht aufpassen, berührt das Heck den letzten Wirbel. Ich werde versuchen, mit einem kleinen Schups aus der entsprechenden Manöverierdüse zu kompensieren.“ Er aktivierte kurz die linke Düse, so dass der Bug des Schiffes nach rechts gestoßen wurde. Dies hatte zur Folge, dass sich das Heck nach links drehte. „Danke, Mr. Yetron.“, sagte Sensora erleichtert. Sie meldete aber gleich darauf: „Heck passiert letzten Wirbel, Agent. Deaktiviere Impulsspule in drei, zwei, eins!“ „Hecktriebwerk aktiv.“, sagte Yetron, nachdem er den letzten Schaltbefehl gegeben hatte. „Reaktiviere E-Trimmung.“, meldete Sensora. „Schiff liegt stabil.“
„Was für ein Manöver.“, sagte Shorna erleichtert. „Aber Glückwunsch, Sie zwei! Sie haben es geschafft!“ „Allerdings.“, nickte Yetron erleichtert. „Danke, Sir.“, sagte Sensora höflich. „Ohne Sie hätte ich das sicher nicht geschafft.“ „Davon ist auszugehen.“, sagte der demetanische Agent. „Ein zweites Paar Hände kann manchmal Gold wert sein. Aber das Gleiche gilt auch für Sie. Ohne Sie hätte auch ich das nicht hinbekommen können, Allrounder. Auch ich bin dankbar für Ihre Hände. Einigen wir uns doch einfach darauf, dass wir beide ein starkes Team waren! Ich muss zu Commander Time. Wir wollten den Plan besprechen. Sensora, Sie haben die Brücke. Sagen Sie dem Computer, er soll Kurs in Richtung des Waldes der Einhörner setzen. Gehen sie dort in eine geo-stationäre Umlaufbahn. Melden Sie mir, sobald wir dort sind!“ „Aye, Agent.“, nickte Sensora und sah ihm zu, wie er langsam, aber zielstrebig die Brücke verließ.
Auch Time war aufgestanden und hatte Benevidea gebeten, das Gleiche zu tun. Das Einhorn war seiner Aufforderung auch nachgekommen. Jetzt stand es neben dem Terraner, der sich ihr zuwandte: „Ich muss jetzt gehen, Benevidea. Ich muss mit Yetron noch etwas besprechen. Wir sind bald in deiner Heimat. Cenda wird dich zu uns beamen, wenn es so weit ist. Das tut nicht weh. Keine Angst. Du musst deinen Eltern nicht ungeschützt entgegentreten. Yetron und ich passen auf dich auf. Wir reden schon mit ihnen.“ „Vor meinen Eltern habe ich keine Angst.“, sagte Benevidea, deren Körperhaltung Time schon ihre Anspannung verraten hatte. „Ich habe nur allgemein Angst. Es tut mir so leid, was passiert is’. Ich wünschte, ich könnte …“ Der Übersetzer ließ sie schluchzen und ihre Ohren hingen traurig herunter.
Time nahm ihren Kopf in beide Hände und hob ihn hoch. Dann zog er ihn an seine Brust und flüsterte ihr zu: „Na komm mal her, Süße! Was du getan hast, hast du aus reiner Angst getan und das wissen wir alle. Keiner von uns ist dir böse. Am wenigsten wahrscheinlich Betsy und Data selbst. An der Misere sind allein deine Eltern schuld! Die hätten deine Angst erkennen und mit dir reden sollen! Aber weil die das nicht getan haben, werde ich sie jetzt dafür gehörig auf den Topf setzen und Yetron wird mir dabei helfen. Du musst nichts befürchten, Maus. Das verspreche ich dir!“ „OK.“, sagte Benevidea traurig. „Das wird schon wieder.“, tröstete Time und streichelte sie ein letztes Mal, bevor er den Frachtraum verließ.
Kapitel 26: Tödliche Konspiration
von Visitor
Auf dem Weg zu seinem Bereitschaftsraum sah Time aus dem letzten Fenster, das sich in der Wand des Schiffes im Flur befand. Hier konnte er sehr gut die violette Ebene sehen, aus der die Dimension Dunkles Imperium bestand. „Sieht sehr gut aus, Agent.“, sagte er leise, obwohl er wusste, dass Yetron noch nirgendwo zu sehen war. Zumindest ging er davon aus.
Umso überraschter war Time dann, als sein Erster Offizier um die nächste Ecke bog. „Vielen Dank, Sir, aber das war ich nicht allein.“, sagte der Demetaner, während er sich auf seinen Vorgesetzten zubewegte. „Was Recht ist, das muss auch Recht bleiben und Ehre, wem Ehre gebührt. Ich habe unserem fliegerisch sehr versierten Allrounder lediglich geholfen.“
Time zuckte kurz zusammen, sagte dann aber: „Dann waren Sie zwei eben ein starkes Team. So und nun kommen Sie, Agent.“ Er versuchte alles, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn das sich Anschleichen seines Ersten Offiziers doch irritiert hatte.
Er legte einen Finger auf den Sensor, worauf die Tür zur Seite glitt. Dann betraten er und Yetron den freundlich eingerichteten Raum. Time setzte sich sofort an seinen schweren Schreibtisch, der aufgrund des Flugmanövers seine Position geringfügig in Richtung Raummitte verändert hatte, was Yetron ein wenig amüsierte. Auch die Position der anderen Möbel war leicht verändert, was Yetron schelmisch grinsend bemerkt hatte. „Na ja.“, meinte Time. „Hier muss ich wohl dringend mal aufräumen.“, und grinste ebenfalls. „Unser Techniker leiht Ihnen bestimmt die eine oder andere Anti-Gravitationseinheit zum Möbelrücken.“, sagte Yetron tröstend. „Ja.“, sagte Time. „Aber dann soll sie mich im Umgang mit dem Gerät vernünftig einweisen, damit mir mein Schreibtisch nicht über das ganze Schiff davonschwebt.“ „Das wird sie bestimmt gern tun.“, sagte Yetron und zog sich einen Sessel heran, um sich gegenüber seines Vorgesetzten zu positionieren.
„Lassen Sie uns das Thema wechseln, Commander.“, schlug er vor. „Wir werden bald über dem Wald der Einhörner sein und ich möchte nicht, dass Benevidea zu lang warten muss.“ „Ich auch nicht, Agent.“, entgegnete Time. „Also, wie lautet denn nun Ihr cleverer Plan? Wie wollen Sie Scott davon überzeugen, dass sie Millionen Wesen in den Tod schicken muss, nur um nach Hause zu kommen?“
Yetron schnaubte verächtlich durch die Nase, machte ein genervtes Gesicht und schaute an Time vorbei. „Wenn Sie es so plump formulieren, wird sie selbstverständlich nicht darauf eingehen.“, sagte der Demetaner. „Es wird ihr auch bewusst sein. Deshalb ist die Entscheidung für sie auch so schwer und alle glauben, dass der Allrounder sie nicht treffen wird. Aber ich denke, da sind alle anderen auf dem Holzweg. Darum würde ich sogar mit Ihnen wetten! Sie ist aber in solchen Situationen oft bereit, ihr Gewissen mit Hilfe von Argumenten zu erleichtern. Dann kann sie in einem späteren eventuellen Prozess immer sagen, sie habe alles berücksichtigt und ihre Entscheidung nicht leichtfertig getroffen. Jorans Expertenmeinung zur Folge muss sie überzeugt sein, das Richtige zu tun und es könnte nicht ausreichen, dass sie einfach nur einen Befehl ausführt, da die Dimension durch einen mentalen Akt eines Mächtigen entstanden ist. Damit sie frei in ihrer Entscheidung ist, müssen zwei völlig gleichrangige Personen ihr die Argumente präsentieren. Data steht im Rang eines Commanders und Sie auch. Wenn Sie beide sich vor ihr eine Debatte liefern und Sie die Position der Wesen vertreten, während Data die Gegenseite darstellt, dürfte es möglich sein, sie vielleicht doch zu überzeugen.“ „Aber Scott ist recht intelligent.“, wandte Time ein. „Wird sie nicht merken, dass wir ihr ein Theater vorspielen?“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Yetron. „Aber es kommt vor, dass sie manipuliert werden will. Meistens will sie dann auch nur sichergehen, kein Argument außer Acht gelassen zu haben.“ „Also gut!“, sagte Time und stand auf. „Machen wir es so, Agent! Das Problem ist nur: Wie komme ich zu Scott?“ „Ich denke, da müssten uns die Einhörner helfen können.“, sagte Yetron. „Als Mächtige kennen sie sich da ja besser als wir aus.“ „Ok, Agent.“, sagte Time. Dann lassen Sie uns …“
Ein Geräusch von der Sprechanlage ließ beide aufhorchen. Am anderen Ende der Verbindung war Sensora. Time nahm das Mikrofon in die Hand, um ihr zu antworten: „Time hier!“ „Sir, ich sollte Sie verständigen, wenn wir über dem Wald der Einhörner sind.“, sagte sie. „Jetzt ist es so weit.“ „Gut, Allrounder.“, sagte Time. „Sagen Sie Cenda, sie soll Mr. Yetron und mich im Transporterraum erwarten. Sagen sie ihr außerdem, sie soll Benevidea direkt aus dem Frachtraum zu unseren Koordinaten beamen. Mr. Yetron und ich werden am Waldrand unser Lager aufschlagen.“ „OK, Sir.“, sagte Sensora. „Ich leite alles in die Wege.“ Damit beendete sie das Gespräch und Time und Yetron machten sich auf den Weg, um ihre Ausrüstung zu holen und dann zum Transporterraum zu gehen, in welchem die Chefingenieurin bereits auf sie warten würde.
Die Luft war lau und es wehte ein leichter Wind, als Time und sein Erster Offizier sich im Dunklen Imperium wiederfanden. Auch Benevidea war dort. Cenda hatte sie nur einige Meter von Times und Yetrons Position materialisiert. Jetzt trabte sie fröhlich auf die beiden Offiziere zu, die gerade dabei waren, ihre Ausrüstung zu sortieren und ihr Lager für diese Nacht vorzubereiten, denn der Tag neigte sich bereits dem Ende.
Kurz vor ihnen bog das kleine Einhorn ab und zog einige Kreise. Dabei wieherte sie laut und vollführte einige Bocksprünge, was eine kindliche Stimme in Times und Yetrons Sprechgeräten als: „Ich freue mich! Ich freue mich so!“, übersetzte. Time sah seinen Ersten Offizier daraufhin verwirrt an. „Stichwort Updates.“, erklärte Yetron mit großer Sicherheit in der Stimme. „Unsere Ausrüstung sucht doch in bestimmten Abständen nach Updates. Das wissen Sie doch bestimmt. Cenda hat die Übersetzersoftware als ein solches gegenüber dem Computer deklariert und unsere Sprechgeräte haben es automatisch aufgespielt. Ihre Hardware bietet alles, was zur Nutzung des Programms notwendig ist und sie können sich direkt mit der Sternenflottendatenbank verbinden.“ „Klar.“, sagte Time. „Die Geräte haben Mikrofone und Kameras. Sie können also Benevideas Laute hören und ihre Körpersprache sehen. Der umgekehrte Weg ist ja nicht mehr nötig, weil Benevidea der menschlichen Sprache ja durchaus folgen kann. Sehr gut!“ „Finde ich auch.“, sagte Yetron.
Der Demetaner nahm einen Schlafsack aus seiner Verpackung und legte ihn vor Time ab. Dann sagte er: „Ich werde freiwillig die erste Wache übernehmen, Sir. Sie sollten schlafen, um für ein eventuelles Treffen mit Invictus und Valora morgen früh ausgeruht zu sein. Sie dürfen nicht vergessen, dass es sich bei beiden um Mächtige und somit um geübte Telepathen handelt. Wenn der Hengst oder seine Gefährtin bei Ihnen eine Schwäche wittern würden, dann könnte es nichts werden mit Ihrer Standpauke.“ „Ach, Ihre Argumente sind mal wieder bestechend, mein lieber Agent.“, sagte Time und gähnte. „Wo wäre ich nur ohne Sie? Wecken Sie mich um Mitternacht! Dann tauschen wir.“ „OK.“, sagte Agent Yetron und sah zu, wie sein Vorgesetzter in den von ihm vorbereiteten Schlafsack kroch.
Ich war nicht wirklich in den Schlaf gekommen in dieser Nacht. Viel zu sehr hatten mich die Dinge, die vor kurzem geschehen waren, aufgewühlt. Immer wieder hatte ich über das nachdenken müssen, was ich Nugura vorgeschlagen hatte. War wirklich alles in Ordnung? Hatte ich nicht über die Stränge geschlagen?
Leise öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer. Dann hörte ich das Klappern von Geschirr und die Stimme meines Mannes: „Guten Morgen, Darling! Du hast fest geschlafen, als ich aufgestanden bin. Deshalb hast du wohl nich‘ gemerkt, dass ich weg war. Ich habe die Zeit aber genutzt, um dir Frühstück zu machen und es dir ans Bett zu bringen. Was hat dich denn gestern so aufgeregt, hm? Warum hast du dich denn die halbe Nacht von einer Seite auf die andere gewälzt? Ich hatte schon befürchtet, dir eine Schlaftablette oder einen Alpha-Welleninitiierer besorgen zu müssen. Aber dann hat sich dein Körper wohl irgendwann den Schlaf mit Gewalt geholt, was?“
Ich setzte mich schwerfällig auf, gab ihm einen dicken Kuss und sagte dann: „Kann schon sein, Scotty. Vielen lieben Dank. Bitte setz dich doch her. Dann können wir zusammen frühstücken.“ „OK.“, sagte mein Mann und zog sich einen Stuhl aus dem Wohnzimmer heran.
Ich betastete inzwischen das große Tablett, das er vor mir auf der Bettdecke abgestellt hatte. „Es gab eine große Tasse mit heißer Schokolade, wie ich sehr gut riechen konnte, eine Schüssel mit Müsli und Milch und ein dickes Brötchen mit Käse auf der einen und meiner Lieblingswurst auf der anderen Seite. Außerdem noch eine Schale mit kleingeschnittenem Obst. „Wow!“, staunte ich. „Du verwöhnst mich ja wirklich!“ „Das war ich nich’ allein.“, flapste Scotty. „Der Replikator hat mir geholfen.“ Ich grinste, schnappte mir das Brötchen und biss genüsslich in die Käsehälfte.
Scotty setzte sich auf den Stuhl neben mein Bett und holte ein Pad aus seiner Tasche. Dann begann er mit dem Lesen der Morgenzeitung. Plötzlich hielt er aber inne und warf das Pad von sich. Dann sprang er auf und zischte: „Dieser verdammte Pressefutzi! Wenn ich den in die Finger kriege! Der kann was erleben! Der kriegt ’ne Tracht Prügel, gegen die alle Trachten davor Streicheleinheiten sind! Was fällt dem ein, meinen armen Darling so eines Verbrechens zu beschuldigen! Was fällt dem ein!“
Ich warf darauf nur fragend den Kopf zurück und gab einen ebenfalls fragenden Laut von mir. Mehr war mir aufgrund meines vollen Mundes nicht möglich. „Ach!“, stöhnte Scotty. „Da zitiert irgend ’n Reporter den Privatpiloten von Nugura, der gesehen haben will, wie du und Data mit Saron in ein Shuttle gestiegen seid. Du sollst Data in den Autarkiemodus versetzt haben. Das will Janson gehört haben und der Reporter schreibt das auch. Aber du weißt ja, dass der Autarkiemodus strafbar ist und nur unter ganz bestimmten Umständen von den Vendar und der Großartigen Königin Sytania geduldet wird. Du würdest doch nie …!“
Ich legte das Brötchen wieder auf den weißen kleinen Teller, von dem ich es genommen hatte. Dann schlang ich meine Arme um Scotty und flüsterte beruhigend: „Der muss sich geirrt haben, Scotty. Der hat sich bestimmt geirrt. Das kann irgendein Allrounder sein, den er gesehen hat. Weißt du, in Uniform sehen wir alle doch relativ gleich aus. Außerdem hatten wir schließlich alle gefeiert und was getrunken. Der Alkohol lässt den Verstand manchmal auch Geister sehen. Lars war sicher auch nicht mehr ganz nüchtern. Du solltest lieber über den Reporter lachen, weil er sich herabgelassen hat, eine Bierlaune eines betrunkenen Schweden als die Wahrheit niederzuschreiben. Außerdem wissen wir doch gar nicht, was die Imperianer noch für Drogen mitgebracht haben. Vielleicht hat er ja auch zu viel an denen genascht.“ „Oh, Darling!“, sagte Scotty erleichtert. „Es ist wirklich bewundernswert, wie du in so einer Situation einen klaren Kopf behältst!“ Dann küsste er mich.
Mit großer Erleichterung hatte ich zur Kenntnis genommen, dass er mir offensichtlich jedes Wort glaubte. Mein realer Scotty hätte das sicher nicht getan, denn er war lange nicht so naiv und leichtgläubig, wie es Benevideas Schöpfung war. Aber das waren ja alle Bürger dieser Föderation. Aber warum hatte sie es so dargestellt? Was wollte sie mir sagen? Dass ich etwas lernen sollte, stand für mich außer Frage. Aber was war es?
Auch im Dunklen Imperium graute bereits der Morgen, als Time, der sich, wie mit Yetron abgesprochen, an die zweite Wache gemacht hatte, ein Meer von wogenden Hörnern auf sich zukommen sah. Im gleichen Moment drang auch das Klingen von Schellen an sein Ohr, obwohl hier weit und breit kein Schlitten oder anderes zu sehen war, das solche Geräusche machen konnte.
Sofort drehte er sich dem Schlafsack zu, in dem Yetron schlafend lag und weckte ihn: „Guten Morgen, Agent. Es geht los! Gehen Sie mit Benevidea dort hinter die Bäume und lenken Sie die Kleine ab! Ich kümmere mich um den Rest!“ „In Ordnung, Sir.“, sagte der Demetaner schlaftrunken und schälte sich aus dem Sack.
Auch Benevidea hatte die Situation mitbekommen. Da ihre Kräfte ja langsam wieder zurückkehrten, hatte sie die Anwesenheit ihrer Familie bereits gespürt. Jetzt kam sie auf Yetron zu und kuschelte sich an ihn. „Ich habe Angst, Yetron.“, übersetzte die Software, die sich natürlich auch auf das Sprechgerät des Agenten gespielt hatte. „Keine Angst, Jinya.“, sagte Yetron. „Der Peter und ich sind ja da. Wir beschützen dich. Komm mit! Wir gehen spielen.“
Damit ging er voran in Richtung der Baumgruppe, die sein Vorgesetzter ihm vorher angewiesen hatte. Von dort aus würde er sein Sprechgerät benutzen, um sich einen für Pferdeartige geeigneten Ball herunterbeamen zu lassen, den er benutzen würde, um Benevidea damit abzulenken.
Time hingegen war in Richtung der wogenden Hörner unterwegs. Festen Schrittes, in aufgerichteter Haltung und mit starrem nach geradeaus gerichtetem Blick ging er nun auf die Herde zu, in deren erster Reihe er an Fellfarbe und Statur einwandfrei Invictus und Valora erkennen konnte. Dann kreuzte er ihren Weg und blieb genau vor ihnen stehen. Invictus, der diese Haltung Times durchaus als Bedrohung wahrgenommen hatte, stellte sich ebenfalls direkt vor dem Terraner hin, hob drohend einen Huf und stampfte damit auf. Seine Ohren waren angelegt und sein Blick starr in Times Richtung gewandt. Sogar die Zähne hatte der Hengst gezeigt. „Was tust du hier?!“, ließ eine dunkle männliche Stimme aus Times Sprechgerät Invictus sagen. „Warum stellst du dich mir in den Weg?!“
Time war über das Verhalten des Einhorns nicht wirklich überrascht. Er hatte ihn ja provozieren wollen. Das Einzige, das ihn jetzt doch sehr überrascht hatte, war das Verhalten des Gerätes gewesen. Warum konnte Cendas Programm offensichtlich auch mit Invictus arbeiten? Warum konnte es auch ihn offenbar korrekt übersetzen, obwohl es doch eigentlich auf Benevidea zugeschnitten gewesen war?
Time konnte sich das nicht erklären, erkannte jedoch durchaus den Vorteil, den er daraus ziehen konnte. Er wusste, dass der Hengst in der Lage war, der menschlichen Sprache zu folgen. Er würde also verstehen, wenn Time entsprechend der Übersetzung auf sein Verhalten antworten würde. „Bravo, Cenda.“, flüsterte Time. „Da haben Sie Ihrem Vorgesetzten aber einen ganz schönen Trumpf in die Hand gegeben, den er jetzt auch ausspielen wird.“
Er holte tief Luft und sagte dann laut: „Ah, Invictus! Du willst wissen, warum ich mich dir in den Weg gestellt habe? Denk mal selber nach! Warum stellt sich wohl jemand jemandem anders in den Weg?! Weil er ihn stoppen will! Ich will dich stoppen, Invictus! Ich muss dich sogar stoppen, denn du rennst rücksichtslos über die Angst deiner Tochter hinweg und nimmst sie gar nicht wahr! Das Gleiche gilt auch für dich, Valora! Ihr zwei habt ja noch nicht mal gemerkt, wie schlecht es Benevidea ging und so was wollen zwei Mächtige Telepathen sein. Da kann ich ja nur herzhaft drüber lachen! Pah!“
Valora wich zurück, aber Invictus blieb vor Time stehen und schüttelte immer wieder den Kopf, was der Übersetzer als: „Ich verstehe nicht. Ich verstehe nicht. Nein, nein.“, interpretierte. „Ah, du verstehst nicht.“, sagte Time mit gehässigem Unterton in der Stimme. „Du verstehst nicht, warum ich dich so genau verstehe, obwohl du deine Telepathie gar nicht benutzt hast. Ich weiß, du willst gar nicht mit mir reden, aber irgendwie tust du’s ja doch! Ich kann mir vorstellen, dass du gern herausfinden würdest, wie das geht. Aber dazu müsstest du deine mentalen Kräfte benutzen! Das kannst du nur im Moment nicht, weil du verwirrt bist und ein verwirrter Geist konzentriert sich nicht gern. Wer von uns beiden hat also jetzt einen Vorteil, he?! Wer von uns, Invictus?! Wer?!“ „Du!“, übersetzte Times Sprechgerät die Tatsache, dass der Hengst ihn ansah und leicht zurückwich. „Genau!“, sagte Peter fest. „Und deshalb wirst du mir jetzt zuhören! Benevidea hat die ganze politische Situation mit ihrem kindlichen Geist nicht erfassen können und hat fürchterliche Angst davor. Deshalb hat sie Allrounder Scott und Commander Data in eine von ihr geschaffene Paralleldimension entführt. Dann hat sie die Verbindung zu dieser Dimension verloren und versteht sie jetzt selbst nicht mehr, weil sie ihr über den Kopf gewachsen ist. Sie hat es leider so gemacht, dass wir Scott und Data nicht befreien können. Die Existenz der Dimension bringt außerdem inzwischen alle anderen Dimensionen aus dem Gleichgewicht. Das alles hätte aber nicht passieren müssen, wenn ihr etwas mehr auf ihre Signale geachtet hättet!“ „Misch dich nicht in unsere Erziehung ein, Peter!“, sagte Invictus, der durch seine wahren Worte offensichtlich sehr betroffen war, dies aber nicht zugeben wollte und es lieber durch Aggression zu überspielen versuchte.
Valora aber war jetzt im Gegensatz zu ihm langsam auf Peter zugegangen und hatte sich zwischen ihn und Invictus gestellt. Ihr sanfter Blick und ihre in seine Richtung gerichteten Ohren verrieten Aufmerksamkeit und Freundlichkeit. Sie schnupperte sogar zärtlich an seiner Uniformjacke. Ihr Verhalten wurde sofort von einer weiblichen Stimme mit: „Du hast Recht. Ich höre dir zu.“, übersetzt. „Hm, Valora, du scheinst das alles etwas anders zu sehen, was?“, sagte der Terraner freundlich zu der Stute und drehte sich ihr zu. „Ja.“, übersetzte das Sprechgerät das Nicken ihres Kopfes. „Es stimmt. Benevidea hatte sich in letzter Zeit immer mehr in sich zurückgezogen. Invictus und ich glaubten erst, es wäre wegen unseres Streits gewesen. Aber dass es daran liegen könnte, dass sie nicht verstanden hat, dass die Zusammenarbeit zwischen Sytanias Vendar und euch eine einmalige Sache war und dass das keinesfalls bedeutet, dass die Föderation automatisch an Sytania fällt, hätten wir nicht gedacht. Du hast mit allem Recht, was du gesagt hast, Peter. Ich weiß nicht, wie mein Gefährte das sieht, aber mir tut unsere arme kleine Benevidea sehr leid und ich bin nur ihre Stiefmutter!“
Sie drehte sich Invictus zu: „Darüber solltest auch du mal nachdenken. Du bist schließlich ihr leiblicher Vater, aber ich bin ihr offensichtlich im Herzen näher!“
Auch ohne Übersetzung konnte Time jetzt gut sehen, dass es in Invictus’ Kopf ordentlich zu rauchen begonnen hatte. Die Tatsache, dass er ihn vor versammelter Herde so fertiggemacht hatte und dass ihm seine Gefährtin jetzt offensichtlich auch noch in den Rücken gefallen war, hatte ihn doch nachdenklich gemacht. Jetzt kam er langsam auf Peter zu, leckte sich die Lippen und schaute ihn sanft an. „Ich sehe es ein.“, übersetzte das Programm. „Bitte, Peter, bitte führe Valora und mich zu unserem Kind. Wir wollen ihr sagen, dass sie keine Angst mehr haben muss und dass wir ihr helfen wollen.“ „Na, geht doch.“, sagte Time und lockerte seine immer noch recht kämpferisch wirkende Körperhaltung. „Dann kommt mal mit.“, sagte Time ruhig und ging voran in Richtung der Baumgruppe. Valora und Invictus und auch die anderen Einhörner folgten ihm.
Auf halbem Weg aber musste Time plötzlich stoppen, denn der Warnruf seines Ersten Offiziers, der zwischen zwei Bäumen stand, hatte ihn erreicht: „Vorsicht, Commander! Ball im Anflug!“ Dann sah Time nur noch einen braunen runden Gegenstand, der in seine Richtung flog. Reflexartig streckte er seine Hand vor und fälschte ihn ab, so dass er in einem weichen Moospolster versank. Erst jetzt ging er näher und sah sich den Gegenstand an. Dabei erkannte er einen typischen mit Haaren gefüllten Pferdefußball. Daneben standen ein zufrieden dreinschauender Yetron und eine erleichterte Benevidea. „Na, das nenne ich aber eine erfolgreiche Ablenkung, Agent.“, sagte Time. „Ja.“, antwortete Benevidea. „Wir haben Fußball gespielt. Ich war die Stürmerin und Yetron der Torwart. Ich habe aber nich’ so fest geschossen. Ich wollte meinem Freund ja nich’ wehtun.“ „Du bist so eine liebe kleine Jinya.“, sagte Yetron und streichelte sie. „Das heißt Mäuschen, nicht wahr?“, fragte Benevidea, deren telepathische Fähigkeiten bereits soweit zurückgekehrt waren, dass sie dies aus Yetrons Geist ersehen hatte. „Das stimmt.“, sagte dieser.
Valora hatte sich noch einmal Time zugewandt: „Invictus und ich werden uns ansehen, was da passiert ist.“, sagte sie. „Vielleicht können wir ja gemeinsam einen Weg finden, Allrounder Scott und Commander Data zu helfen. Aus euren Gedanken geht hervor, dass ihr bereits einen Lösungsansatz habt. Dazu benötigt ihr aber Hilfe. Wir werden uns mit den anderen Einhörnern beraten und dann zu euch zurückkehren. Benevidea, komm bitte mit. Du wirst bei einer deiner Tanten bleiben. Das hier ist was für Erwachsene. Dazu bist du noch zu klein. Wir sind dir nicht böse. Du hast es ja nur getan, weil du Angst hattest und das ist ja kein Verbrechen. Du brauchst jetzt eher Hilfe statt Strafe. Das haben wir eingesehen. Komm!“
Sie nahmen das halbwüchsige Fohlen in ihre Mitte und gingen langsam in Richtung Wald davon. „Wie kindlich sie noch ist.“, seufzte Time und zeigte in ihre Richtung. „Aber trotzdem sind ihre Kräfte schon entwickelt. Wie kann das sein, Mr. Yetron? Normalerweise geschieht das doch erst mit 16 oder 17 Jahren bei Mächtigen.“ „Sie denken an den Fall Amanda.“, sagte Yetron. „Aber die Q sind zum Ersten nicht mit den Mächtigen hier zu vergleichen und zum Zweiten geht die medizinische Abteilung der Sternenflotte davon aus, dass es bei Hybriden aus Mächtigen und Sterblichen durchaus zu einer verfrühten Ausreifung ihrer Kräfte kommen kann. Laut Ketna, die ich zu diesem Thema vernommen habe, gehen ihre Kollegen und sie davon aus, dass die Natur somit versucht, die durchaus vorhandene Verwundbarkeit zu kompensieren. Ich bin nämlich auch über diese Tatsache gestolpert.“ „Das klingt total logisch, Mr. Yetron.“, sagte Time. „Die Natur will ja immer dafür sorgen, dass ein Wesen überlebt. Also tut sie ihr Möglichstes, um dafür zu sorgen. Die Mediziner könnten Recht haben. Ach übrigens. Ich bin total stolz auf Ihr und Cendas geistiges Baby, Agent. Ich glaube nämlich, dass es hochbegabt ist! Das Programm hat Invictus und Valora übersetzt, obwohl es gar nicht auf sie eingestellt war. Mummy ist nicht hier, aber vielleicht kann Daddy mir sagen, wie das sein kann.“ „Die Reaktion des Programms könnte völlig logisch sein.“, vermutete Yetron. „Es verbindet sich mit der Datenbank der Sternenflotte, wie Sie wissen. Dorthin schickt es die Bilder, um sich im Austausch Daten zur Übersetzung abzuholen. Die Datenbank weiß, um wen es sich bei Invictus und Valora handelt. Sie hat beide erkannt. Also hat sie dem Programm auch die richtigen Daten gegeben. Ich werde, wenn ich wieder auf dem Schiff bin, aber noch mal mit unserer Fachfrau darüber reden, um ihre Bestätigung einzuholen.“ „Ach so.“, sagte Time. „Da hätte ich auch gleich drauf kommen können.“
Yetron hatte sich an der Tasche mit den Rationen zu schaffen gemacht. „Sie machen Frühstück, Agent?“, scherzte Time. „Ja.“, antwortete Yetron grinsend. „Es ist nur ein Jammer, dass es in den Rationspackungen keine Frühstückseier gibt.“, er grinste erneut hinterhältig. „Sie haben Recht.“, witzelte Time zurück. „Aber wenn das der Fall wäre, dann würde ich niemals Sensora darum bitten, mir eines zu pellen. Sie benutzt dafür nämlich immer das ganze Schiff!“ „Wer den Schaden hat …“, sagte Yetron und warf einen mitleidigen Blick nach oben.
Sie setzten sich ins Gras und begannen damit, je eine Packung eines nicht näher zu definierenden Nahrungsmittels zu konsumieren. Jedenfalls empfand Time das so. „Uns bleibt aber auch nichts erspart.“, kaute er. „Dienst vor dem Frühstück!“ „Das stimmt.“, gab Yetron zu. „Aber das Leben ist nun einmal kein Wunschkonzert, sir.“
Invictus und Valora waren zurückgekehrt. Sie hatten Benevidea allerdings bei Hedra, einer der anderen Stuten, gelassen, wie sie es angekündigt hatten. Sie war mit der Kleinen im Wald zurückgeblieben.
Bitte hört zu., wandte sich Invictus dieses Mal telepathisch an Time und Yetron. Valora und ich haben gesehen, was Benevidea für ein Chaos angerichtet hat. Wir glauben aber auch, dass euer Lösungsansatz funktionieren kann.
Er verstummte und überließ das Wort Valora: Ich werde dich in die Dimension bringen, Peter. Du darfst dabei aber keinen Gedanken daran verschwenden, Allrounder Scott befreien zu wollen. Keinen einzigen Gedanken, hörst du?! Sonst wird die Barriere reagieren und selbst ich kann sie dann nicht mehr überwinden. Yetron, im Interesse der Sicherheit deines Vorgesetzten wäre es besser, wenn du Sattelzeug besorgen würdest, das ihr mir anlegen werdet. Immerhin werden wir fliegen und dein Vorgesetzter sollte die größte Sicherheit bekommen, die er bekommen kann. Ich würde sonst meines Lebens nicht mehr froh, wenn ich dafür verantwortlich wäre, dass er verletzt wurde oder gar zu Tode gekommen ist. „Wie du möchtest, Valora.“, sagte Yetron, zog seinen Erfasser, nahm bestimmte Einstellungen vor und scannte sie dann. Dann zog er sein Sprechgerät und gab Cenda den Befehl, ihn auf das Schiff zu holen.
Bevor er der Ingenieurin allerdings den endgültigen Befehl zum Aktivieren des Transporters geben konnte, winkte Time ihn zu sich heran und flüsterte: „Ich kann das nicht, Mr. Yetron. Ich kann so einem mächtigen Wesen kein Sattelzeug anlegen, als sei es ein normales Pferd.“ „Deshalb werde ich das ja auch für Sie tun.“, sagte der Erste Offizier. „Keine Sorge, Sir.“ „Sie demetanischer Haarspalter!“, entfuhr es Time laut und deutlich. „Sie wissen genau, was ich damit meine!“ „Natürlich.“, gab Yetron zu. „Aber Sie sollten nicht vergessen, dass es Valora selbst war, die es angeboten hat. Sie ist um Ihre Sicherheit genauso besorgt wie ich, Commander und das sollten Sie in erster Linie auch sein. Wenn sie es uns schon selbst anbietet, dann kann es für sie ja nicht wirklich schlimm sein.“ „Ach! Na gut, Agent.“, seufzte Time. „Aber nur, wenn Sie das wirklich gerade ernst gemeint haben mit dem …“ „Ich meine jedes Wort ernst, was ich bezüglich dessen gerade gesagt habe, Sir!“, sagte Yetron fest und hob sein Sprechgerät an den Mund: „Aktivieren, Techniker!“ Dann sah ein völlig perplexer Time zu, wie Yetron in einer immer durchsichtiger werdenden Säule aus Energie verschwand.
Auch in Nuguras Schloss auf der Erde in der Kopie des Föderationsuniversums hatte man sich zum Frühstück eingefunden. Dabei handelte es sich aber zunächst um Telzan und Sytania, die sich an den Tisch im Speisesaal gesetzt hatten. Von Nugura war noch nichts zu sehen gewesen. „Gut, dass wir allein sind, Herrin.“, sagte der Vendar erleichtert und atmete auf. „Was genau meinst du damit, Telzan?“, fragte die Imperianerin. „Ich meine, dass wir jetzt in aller Ruhe Klartext reden können, Gebieterin.“, erklärte Telzan. „Scott hat Euch dazwischengefunkt. Das bedeutet, Ihr müsst vielleicht neu planen, oder?“ „Nein, das muss ich nicht.“, sagte Sytania. „Was glaubst du, warum ich noch hier bin und euch allen nicht schon längst den Befehl erteilt habe, in unsere Heimat zurückzukehren? Ich will für die irdische Presse noch eine Weile die treusorgende Ehefrau spielen, damit ich die Sympathien meiner Untertanen behalte. Da hat mir Scott sogar noch in die Hand gespielt. Wenn sie die arme psychisch ach so labile Nugura nicht gerettet hätte, dann hätte ich jetzt dafür keine Grundlage.“ „Ah, ich verstehe.“, grinste Telzan. „Ich bewundere Euch immer wieder dafür, wie Ihr es schafft, aus einer Niederlage einen Sieg zu machen.“ Danke, mein lieber Telzan.“, sagte Sytania.
Die Tür zum Speisesaal öffnete sich erneut und Nugura trat ein. Sofort setzte Sytania ein gekünsteltes Lächeln auf und sagte: „Guten Morgen, mein armer Liebling. Hat dich das gestern so getroffen, was ich gesagt habe? Es tut mir leid! Es tut mir wirklich leid, weißt du?! Aber das ist so einfach über mich gekommen. Das macht die Routine. Meine bisherigen Beziehungen liefen immer nach dem gleichen Muster ab. Ich habe mir geholt, was ich benötigt habe und dann habe ich mich meiner Partner entledigt. Diese Praxis habe ich so lange betrieben, dass ich leider wieder in alte Muster zurückgefallen bin! Aber bei dir ist es natürlich etwas völlig anderes. Dich liebe ich wirklich von ganzem Herzen!“
Nugura setzte sich völlig unbeeindruckt von ihren Worten neben sie. Ihr Gesichtsausdruck verriet Sytania, dass sie ihr ihre Lügen nicht abnahm, was die Königstochter offenbar sehr überraschte. „Du denkst also, dass du mich mit schönen Worten kaufen kannst und mich benutzen kannst wie eine Marionette, nur weil du ja ach so mächtig bist, Sytania!“, sagte Nugura fest. „Aber dank Scott habe ich da interessante Neuigkeiten für dich, meine liebe. So allmächtig bist du gar nicht. Es gibt eine Dimension, über die mich Scott informiert hat. Dort gibt es eine Person, die ist mindestens genauso mächtig wie du! Wenn nicht vielleicht sogar noch mächtiger!“
Sytania verzog das Gesicht und sprang auf: „Was!“, kreischte sie so durchdringend, dass sogar die Gläser auf dem Tisch zersprangen. „Eine Person, die mindestens genauso mächtig ist wie ich?! Das kann es nicht geben! Das darf es nicht geben! Ich bin die Mächtigste hier! Ich! Nur ich allein!“ „Hier magst du ja die Mächtigste sein.“, sagte Nugura. „Aber Scott sagt, in dieser Dimension, von der sie gehört hat, gibt es eine Person, die ist vielleicht noch tausendmal mächtiger als du!“ „Nein!“, schrie Sytania und warf ihren Teller an die Wand. „Das darf es nicht geben! Woher hat Scott diese Information?!“ „Sagen wir, sie hörte Gerüchte.“, sagte Nugura. „Dann soll die Granger diesen Gerüchten nachgehen, sobald Scott wieder an Bord ist!“, schrie Sytania außer sich.
Telzan versuchte sich in das Gespräch einzuklinken: „Herrin, haltet Ihr es nicht für möglich, dass Scott versucht, Euch einen Bären aufzubinden? Sie könnte sich dem Widerstand angeschlossen haben und die Situation auszunutzen versuchen. Sie könnte Euch nur verwirren wollen, um Euch mental zu schwächen und dann sagt sie vielleicht Dill oder einem anderen Eurer Widersacher Bescheid und dann trifft der Euch sehr empfindlich, wenn Ihr es am wenigsten erwartet. Sie muss auch versucht haben, Nugura zu warnen, was Eure Absichten angeht. Ich habe den Mishar meines Schiffes mit einer lautmalerischen Version dessen gefüttert, was sie Euch als Fürbitte untergejubelt hat. Das heißt nichts anderes als: Pass auf, Nugura! Sytania könnte dich irgendwann übel betrügen!“
Nugura stand auf. „Scott war und ist immer noch eine loyale Offizierin!“, stellte sie sich schützend verbal vor mich. „Sie würde niemals etwas tun oder sagen, dass dem Ruf oder gar dem Leben ihrer und unserer Großartigen Königin Sytania schaden könnte! Wenn sie diese Gerüchte gehört hat, dann glaube ich sie ihr zunächst. Aber ich kann Kissara gern in deinem Namen befehlen, der Sache nachzugehen, Sytania. Ich kann nicht mit ansehen, dass diese furchtbaren Gerüchte meinen armen Liebling so erschüttert haben.“ „Erschüttert!“, sagte Sytania theatralisch. „Ja, erschüttert haben sie mich! Es darf einfach nicht sein, dass es diese mächtige Person wirklich gibt! Das darf einfach nicht sein!“ „Vielleicht sind das ja auch wirklich nur Gerüchte und Scott ist auch auf einen der Tricks des Widerstands hereingefallen.“, sagte Nugura tröstend. „Die haben ja ihre Propagandasender überall. Sie muss ja nur einmal einen falschen Befehl an ihren Hausrechner gegeben haben, oder einer dieser Sender hat einen anderen auf dessen Frequenz unterdrückt. Aber das kann Kissara ja für uns ermitteln.“ „Wie gut du doch trösten kannst, meine liebe Nugura.“, sagte Sytania und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Dann gibt es ja immer noch einen Funken Hoffnung. Also gut. Gib Kissara den Befehl in meinem Namen, wenn sie auf der Erde angekommen ist. Normalerweise wollte sie ja schon zu meiner Hochzeit kommen, aber daraus wurde ja leider nichts.“ „In Ordnung, meine arme erschrockene Gemahlin.“, sagte Nugura. Dann widmeten sich beide ihrem Frühstück.
Kapitel 27: Ein manipulativer Akt
von Visitor
Yetron war auf dem Schiff in sein Quartier gegangen, um den dortigen Replikator mit den Daten aus seinem Erfasser zu füttern. Bei diesen Daten handelte es sich um die Maße von Valoras Rücken und Kopf, die er genommen hatte und die er jetzt benutzte, um dem Gerät die nötigen Instruktionen zur Herstellung des Sattelzeugs geben zu können. Aber die Trense aus braunem Leder und ein ebenso gefärbter Westernsattel waren nicht das Einzige, was er replizierte. Er ließ sich auch eine Tüte mit Kräutern und einen Eimer mit Wasser, sowie ein Päckchen mit geröstetem Malz und einen halben Apfel replizieren. Außerdem einen Rührstab. Das alles benutzte er nun, um eine bräunlich gelbgrüne Paste anzurühren, mit der er das Gebissstück der Trense großzügig bestrich. Dann wickelte er sie in ein Stück Wachspapier, damit es keine Schmiererei beim Transport gab und steckte alles in eine Tasche, die er von unten mitgenommen hatte. Bei seinem gesamten Tun hatte er eine alte demetanische Volksweise vor sich hin gesummt und gegrinst. Das war allerdings nicht ungewöhnlich für den Demetaner. Er grinste öfter mal in seinem Leben. Vor allem aber tat er dies dann, wenn in ihm ein Plan reifte. Das war jetzt auch wieder der Fall gewesen. Die Sache mit der Paste war nämlich nicht ohne Grund geschehen. Damit wollte er versuchen, Valora das Tragen der Trense im wahrsten Sinne des Wortes zu versüßen. Der geröstete Malz, den er verwendet hatte, gab der Paste nämlich einen leicht süßlichen Geschmack. Der ebenfalls von ihm verwendete halbe Apfel tat noch sein Übriges dazu, die Paste sehr lecker zu machen. Die Wiesenkräuter, die auch im Dunklen Imperium heimisch waren, darauf hatte er extra geachtet, bildeten eine gesunde Komponente. Yetron wusste zwar auch, dass es sein konnte, dass Äpfel das Verdauungssystem Pferdeartiger zuweilen durcheinander bringen konnten, aber das tat zu viel Schokolade bei Humanoiden auch und trotzdem verzichteten sie nicht darauf. Das Bisschen würde Valora schon nicht schaden. Er hatte ja noch nicht einmal einen ganzen Apfel verwendet.
So bepackt machte sich der Erste Offizier dann wieder auf den Weg zum Transporterraum, wo ihn Cenda bereits staunend erwartete. „Da sind Sie ja wieder, Agent.“, sagte sie. „Und wieder mit so viel Zeug! Ich dachte, Sie hätten all Ihre Klamotten beisammen!“ Sie grinste ihn an. „Wie Sie sehen, hatten Commander Time und ich das nicht.“, sagte der Demetaner, während er auf die Transporterplattform stieg.
Cenda hatte durch einen Spalt im Verschluss der Tasche einen kurzen Blick auf deren Inhalt werfen können, als Yetron in einem günstigen Winkel zu ihr gestanden hatte. „Wozu brauchen Sie denn Sattelzeug, Agent?“, fragte sie mit leichter Verwirrung in der Stimme. „Für eine Sache, die Sie mir garantiert nicht glauben würden, Cenda.“, sagte Yetron. „Sie haben’s ja noch nich’ einmal versucht.“, sagte die Chefingenieurin missmutig. „Na schön.“, sagte Yetron und drehte sich ihr zu. „Würden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sagen würde, dass ich das ganze hier nur für Commander Time und Valora tue, weil Valora uns angeboten hat, uns zu helfen, indem sie Time in die Dimension transportiert, in der sich Allrounder Scott und Commander Data gerade befinden?“ „Reden wir zwei von der gleichen Valora, Agent?“, fragte Cenda verwundert. „Von Valora, der Mächtigen?“ „Soweit mir bekannt ist, gibt es im Dunklen Imperium nur eine Valora, Techniker.“, wies Yetron seine Untergebene zurecht. „Also kann logischerweise nur sie gemeint sein. Ich kann mir vorstellen, dass Sie über die Tatsache gestolpert sind, dass Valora sich offenbar bereiterklärt hat, Commander Time auf ihrem Rücken zu tragen und sich von ihm, zumindest teilweise, auch Richtung und Geschwindigkeit vorgeben zu lassen. Das gleiche Problem hatte Time auch. Aber ich habe ihn überzeugt. Jetzt findet er das gar nicht mehr so schlimm. Wie sonst, als auf ihrem Rücken, sollte Valora ihn denn auch tragen, Cenda? Sie hat schließlich keine Hände. Hätten Sie es etwa besser gefunden, sie hätte ihn mit dem Maul am Schlafittchen gepackt und ihn hinter sich hergezogen?!“ „Dass ihr Demetaner beim erklären immer gleich so übertreiben müsst.“, knurrte Cenda missmutig. „Aber Sie haben ja Recht. Valora muss sich schließlich schon darauf konzentrieren, sich und Time in die Dimension zu bringen. Da kann sie nich’ noch gleichzeitig Time mit ihrem Willen an sich binden oder so.“ „Das ist korrekt.“, sagte Yetron. „Und jetzt beamen Sie mich schon runter, Cenda. Time wird sich bestimmt schon fragen, was ich hier oben so lange treibe.“ „Sie können ihm ruhig sagen, dass Sie die Neugier einer gewissen wissbegierigen Celsianerin stillen mussten, Agent.“, lächelte Cenda und aktivierte den Transporter.
Wenig Später fand sich Yetron auf der Lichtung wieder, wo er Time, Valora und Invictus zurückgelassen hatte. Er begrüßte seinen Vorgesetzten kurz, stellte dann die Tasche ab und öffnete sie. Über das, was Time hier jedoch zu sehen bekam, schien er nicht sehr erfreut zu sein. „Ein Westernsattel, Agent?“, fragte er mit gut hörbarer Empörung in der Stimme. „Für was für einen ungeübten Reiter halten Sie mich eigentlich, Mr. Yetron?!“ „Na schön.“, sagte Yetron und stellte sich aufrecht vor Time hin. „Nur damit Sie es wissen, Sir.“ „Damit folge ich nur Valoras Bitte, das Ganze für Sie so sicher wie möglich zu gestalten. Wenn man so will, dann tue ich es also nicht für Sie, sondern für Valora! Wenn sie weiß, dass Sie auf ihrem Rücken sicher sind, wird es ihr auch viel leichter fallen, Ihnen zu helfen, zu Allrounder Scotts und Commander Datas momentanem Aufenthaltsort zu gelangen! Sie dürfen das hier auch nicht mit einem Ritt am Boden vergleichen, Sir. Valora hat Ihnen gesagt, dass ihr beide fliegen werdet und das glaube ich ihr sogar. Ich denke, sie wird sich mit Ihnen in die Dimension teleportieren und dann werdet ihr euch beide in der Atmosphäre der dortigen Erde finden. Sie wissen sicher, dass die Einhörner des Fliegens mächtig sind.“
Time dachte über Yetrons Argumente nach, während sich dieser in Richtung Valora begab. Den Sattel hatte er über seinen rechten Arm gelegt und stützte ihn mit der linken Hand etwas ab. „Sie haben ja Recht, Mr. Yetron.“, sagte Time. „Wenn Sie das so sehen, dann ist hier wirklich kein Platz für falschen Heldenmut. Also gut.“
Unbeeindruckt von Times Geständnis wandte sich Yetron Valora zu: „Ich zähle bis drei, bevor ich vorsichtig den Sattel auf deinen Rücken lege. Ich möchte verhindern, dass du dich erschreckst.“ Es ist schon gut, Yetron., gab Valora telepathisch zurück. Ich vertraue dir. Mach einfach. „OK.“, sagte der Agent. „Eins, zwei, drei!“ Dann ließ er vorsichtig den Sattel von seinem Arm auf Valoras Rücken gleiten. Danach zog er die darunterliegende Decke gerade und überprüfte noch einmal die genaue Lage, bevor er sich ebenso vorsichtig daran machte, den Gurt zu schließen. Dabei steckte er immer wieder zwei Finger der freien Hand zwischen Gurt und Valoras Flanke. Das war eine Methode, die er sich von mir abgeschaut hatte. Weil ich oft schon auf der Electronica stationiert gewesen war, wenn es ins Dunkle Imperium ging, hatte er sich meine Methoden oft genug ansehen können. Er hatte von mir gelernt, dass die Finger mühelos und ohne Schmerz in den Spalt gleiten mussten. Wenn der Gurt dann geschmeidig auf ihnen lag, war alles gut. Dann war es weder zu locker, noch zu fest. Ähnliches galt auch für die Trense, also für den Abstand zwischen den Riemen und Valoras Kopf. Beim Kehlriemen achtete er sogar darauf, dass eine ganze Faust in den Zwischenraum passte. Er mochte sich nicht nur allein auf seine Augen verlassen.
Das hast du sehr gut gemacht, Yetron!, lobte Valora. Es tut gar nichts weh. „Danke, Valora.“, sagte Yetron. „Ich habe mein Bestes gegeben.“
Time hatte sich auf einen Hügel in der Nähe gestellt, dessen vier Seiten leicht steil abfielen. „So, dann parken Sie das dicke Mädchen mal für mich neben dem Hügel ein, Agent!“, rief er Yetron flapsig zu. „Ich denke, es ist besser, wenn ich aus einer erhöhten Position aufsteige. Ihr Rücken verträgt das bestimmt besser.“ „OK, Sir!“, rief Yetron zurück und fasste vorsichtig nach den Zügeln. „Du musst rückwärtsgehen, Valora.“, sagte er. „Aber ich drehe mich so, dass ich vorwärts gehe. Dann kann ich sehen, was hinter uns geschieht.“ In Ordnung., entgegnete Valora.
Bald stand das Einhorn in der richtigen Position und es war Time gelungen in den Sattel zu steigen. Beim Überprüfen der Steigbügel murmelte der Terraner nur: „Na das passt ja alles wieder, wie …“ „Wie der Mors auf den Nachttopf.“, ergänzte Yetron und grinste. „Agent!“, sagte Time empört. „Man merkt, dass Sie viel Zeit mit Scott verbringen. Ich werde sie von Ihnen grüßen.“ Dann sagte er zu Valora: „Von mir aus können wir!“, und beide verschwanden in einem weißen Blitz.
Invictus war zu Yetron gekommen und hatte sich vor ihn gestellt. Ich nehme an, du willst wissen, was dein Vorgesetzter erleben wird. Valora wird eine geistige Verbindung mit mir halten und du solltest mich berühren, um als Nicht-Telepath daran teilhaben zu können. Davon könnten wir beide profitieren. Ich habe da nämlich einige fiese Juckstellen, an die ich nicht herankomme. „Aber sicher doch.“, grinste Yetron und streckte seine Hand nach Invictus‘ Kopf aus, um ihn zwischen den Ohren zu kraulen. Dabei grinste er verwegen.
Scotty war zur Arbeit gegangen und Data, Caruso und ich waren allein. Das gab mir Gelegenheit noch einmal über diverse Dinge, die ich in dieser Dimension erlebt hatte, zu reflektieren. Mir war vor allem aufgefallen, dass die Angst die hier wohl vorherrschende Emotion war und dies von allen auch noch toleriert wurde. Ja, es schien sogar so zu sein, dass die Angst ein sehr erstrebenswerter Zustand war. Dieser Gedanke war zynisch. Das sah ich ein. Aber wenn alle solche Angst hatten, warum tat dann niemand etwas dagegen. Man hätte doch durchaus Möglichkeiten sich gegen Sytania zur Wehr zu setzen! Warum tat das keiner? Da, wo ich herkam, hätte niemand so einfach die Herrschaft der Prinzessin erduldet und es erst gar nicht dazu kommen lassen. Die Sternenflotte hätte, gegebenenfalls Nugura hätte vorgehabt die Föderation so einfach an Sytania zu verschenken, sicher auch gemeutert. Das hätte zwar einen Militärputsch bedeutet, er wäre aber sicher das kleinere Übel gewesen! Warum traute sich hier das nur keiner? Waren denn alle so naiv, oder taten sie nur so?! Ich hätte ihnen den Vorschlag am liebsten gemacht, wusste aber, dass ich dann wohl gegen die Oberste Direktive verstoßen würde. Da war er wieder, mein Gewissenskonflikt!
Ein Tumult draußen vor der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Dabei war es eigentlich nur das verzweifelte Maunzen des armen Caruso, das sich mit dem Klingen seiner Schelle vermischte und mit den Geräuschen, die es machte, wenn er von einem Gegenstand auf den anderen sprang. Aber da waren noch mehr Schellen. Schellen, die ich eigentlich nur im Zusammenhang mit dem Auftauchen eines oder mehrerer Einhörner kannte. Dass Caruso die Anwesenheit von Telepathen spüren konnte, war mir klar. Er war schließlich eine Katze! Ich wusste auch, dass sein Maunzen ein Maunzen um Hilfe war, weil er seine Welt wohl nicht mehr verstand. Ich beschloss also ihm zur Hilfe zu eilen, da ich mir sein verzweifeltes: „Min-Mang! mang, maaaang!“, nicht mehr länger anhören konnte.
Time und Valora hatten inzwischen Scottys und meinen Garten erreicht. Das Einhorn schwebte jetzt in der Atmosphäre über der großen Wiese, auf der auch Caruso gesessen hatte. Time, der des Katers bereits ansichtig geworden war, klopfte nur fest und mit viel Überzeugung auf den Hals der Stute und sagte: „Das läuft ja ganz famos mit uns, Valora. Ich hoffe nur, das wir den armen Caruso nicht zu Tode erschrecken, wenn wir gleich landen.“ Das hoffe ich auch nicht, Peter., gab Valora telepathisch zurück. Aber ich hoffe, dass ich so vorsichtig landen kann, dass du nicht gleich herunterfällst. „Na, da habe ich ja auch noch ein Wörtchen mitzureden!“, sagte Time, stellte sich mit leicht angewinkelten Beinen und vorgebeugtem Rücken in die Steigbügel und hob seinen Hintern aus dem Sattel, so dass dieser wenige Zentimeter über der Sitzfläche schwebte. Seine Fäuste mit den Zügeln stützte er fest auf das Sattelhorn. Dabei gab er ihr genügend Freiraum, damit sie sich ausbalancieren konnte. Dann schaute er genau auf den Abstand zwischen ihren Hufen und dem Boden, der immer geringer wurde. Sobald ihre Hufe den Boden aber berührten, lehnte er sich wieder vorsichtig im Sattel zurück und federte mit der Beckenmuskulatur leicht vor und zurück, bis sie sich austariert hatte. Dann gab er einen erleichterten Seufzer von sich, denn die Aktion war für ihn, der es ja nicht gerade gewohnt und selbst nicht mehr der Jüngste war, fliegende Pferde zu reiten, auch etwas anstrengend gewesen. „Sehr schön, Valora!“, lobte Time und klopfte sie erneut. „Hast du gesehen, wie gut das gelaufen ist?“ Oh ja!, gab Valora erstaunt zurück. Obwohl ich das nicht gedacht hätte. Aber du warst auch nicht schlecht! Woher wusstest du, was du tun musst? „Na ja.“, flapste Time. „Ich habe schon manchmal das Springreiten ausprobiert. Da muss man ja nach dem Hindernis auch zusammen mit seinem Pferd landen. Ich dachte mir, das hier könnte ja ähnlich sein.“ Da hast du offenbar richtig gedacht., meinte Valora und wollte antraben um sich und Peter auf die andere Seite der Wiese zu bringen. Der Terraner aber nahm bestimmt die Zügel auf und sagte: „Nein! Übernimm dich nicht, Valora! Du bist eine tragfähige Atmosphäre und andere Gravitationsverhältnisse gewohnt. Dazu kommt noch mein zusätzliches Gewicht, das du zu stemmen hast. Auch wenn du eine Mächtige bist, solltest du aufpassen. Schön langsam!“ Na gut., erwiderte Valora. Wenn es dich beruhigt. „Ja, das tut es!“, sagte Peter fest. Darauf setzte sich Valora im Schritt in Bewegung.
Ich hatte Caruso erreicht und ihn auf meinen Arm genommen. Endlich war sein verzweifeltes Maunzen verstummt. Er schien sich bei mir recht sicher zu fühlen. Aber die Situation war ihm wohl immer noch nicht geheuer. Das spürte ich vor allem an seiner angespannten Körperhaltung. Auch schnurrte er nicht, was er sonst eigentlich immer tat, wenn ihn jemand auf den Arm nahm. „Oh was ist denn, Caruso?“, fragte ich tröstend und mit heller leiser Stimme. „So schlimm ist das? Was? Soll ich mal gucken? Soll die Betsy mal gucken, hm?“ Noch einmal jammerte Caruso: „Maaang!“
„Allrounder, bringen Sie den Kater ins Haus und holen Sie Data zu sich!“, rief mir eine wohl bekannte Stimme vom anderen Ende der Wiese zu. Wie automatisiert gab ich nur ein schnelles: „Aye, Sir!“, zurück und drehte mich in Richtung Haustür. Die Stimme, die mir das zugerufen hatte, hatte ich nämlich erkannt. Ich wusste, dass es die von Time war. Also drehte ich mich um und ging ins Haus, wo ich den Kater auf seinem Lieblingsplatz ablegte. „Bleib schön hier, Caruso.“, flüsterte ich ihm zu. „Alles wird wieder gut.“ Dann drehte ich mich Data zu, der in einem Sessel saß: „Bitte kommen Sie mit, Commander. Ich glaube, Commander Time ist hier. Wenn ich mich nicht täusche, reitet er ein Einhorn.“ „Faszinierend.“, gab der Androide zurück. „Es scheint mir zwar unvorstellbar, weil sehr unwahrscheinlich, dass sich ein Mächtiger für so etwas hergibt, aber Sie eine Lügnerin zu nennen, das käme mir auch nicht in den Sinn. Wir werden dem also nachgehen. Kommen Sie!“ Damit bot er mir seinen rechten Arm an und wir gingen in den Garten.
Datas Blick fiel hier sofort auf die seltsame Szenerie. Time war inzwischen nämlich abgestiegen und hatte die Beißstange entfernt, so dass Valora grasen konnte. Er war der Meinung, das hatte sie sich verdient. „Sind Sie es wirklich, Commander Time?“, fragte ich. „Live und in voller Lebensgröße, Allrounder Scott.“, antwortete Peter. „Und bevor Sie fragen: Ja, ich bin wirklich auf einem Einhorn gekommen. Aber wenn Sie das nicht glauben, dann überzeugen Sie sich! Data, hilf ihr mal bitte!“
Der Androide führte mich zu Valoras Hals und wies mich an, meine Hände auszustrecken. Damit berührte ich dann tatsächlich ihr seidiges weiches Fell und arbeitete mich zu ihrem Kopf hoch, wo ich bald auch auf ihr Horn stieß. Time aber hatte sich abgewandt und mit Data zu flüstern begonnen. Anscheinend hatten beide mich sehr gut abgelenkt. So gut sogar, dass ich nicht wirklich mitbekam, was sie besprachen. Nur Datas letzte Antwort, die er laut und deutlich gegeben hatte, hörte ich: „Ich denke, dass der Plan deines Ersten Offiziers tatsächlich funktionieren kann, Peter. Mir ist bekannt, dass der Allrounder Argumenten gegenüber sehr zugänglich ist. Ich denke auch, dass wir sicherstellen können, dass ihr Gewissen beruhigt wird. Du hast Recht. Um glaubwürdig zu sein sollte ich den Part des Befürworters der Zerstörung übernehmen.“ „Worum geht es hier?“, fragte ich. „Wir wissen, dass Sie um sich und Data befreien zu können diese Dimension zerstören müssen!“, sagte Time. „Aber das kann ich nicht, Sir!“, gab ich zurück. „Ich stehe in einem großen Gewissenskonflikt. Woher wissen Sie das denn so genau?“ „Von Tolea.“, sagte Time. „Sie dachte, sie schuldet uns was und hat Agent Sedrin informiert. Die hat dann alles an uns weitergegeben. Weil diese Dimension eine mentale Schöpfung ist, sind wir sicher, dass auch Sie aus Überzeugung handeln müssen. Es wird nicht reichen, wenn Sie einfach nur Befehlen folgen.“ „Aber ich bin nicht überzeugt!“, gab ich zurück. „Ich würde gegen alle Gesetze verstoßen, die mir heilig sind, wenn ich …“ „Machen Sie sich da mal keine Sorgen, Allrounder.“, sagte Time. „Wir sind schließlich hier um Sie davon zu befreien!“
Damit fasste er meinen Arm und zog mich zu einem Mäuerchen, das die Wiese vom Rest des Gartens optisch trennen sollte. Es war aber auch die Abgrenzung zu einem Blumenbeet. Außerdem bot es, da es sich in der Mitte einer der vier Seiten der Wiese befand, einen guten Platz, von dem ich alles gut hören konnte, was sich auf beiden Seiten der Wiese abspielen würde. „Das ist Ihr Posten für den Moment, Allrounder.“, sagte Time. „Nehmen Sie ihn ein!“ „Aye, Sir.“, sagte ich wie automatisch und setzte mich auf das Mäuerchen, obwohl mir noch nicht wirklich klar war, was er und Data mit mir vorhatten. Ich vertraute ihnen jedoch. Sie hatten mich noch nie enttäuscht, oder waren mir in irgendeiner Weise zu nahe getreten. „So und nun versuchen Sie einen offenen Geist zu bewahren und hören uns einfach nur zu! Verstanden!“, befahl Time. „Verstanden, Sir!“, gab ich fest zurück und nickte. Dann bekräftigte ich noch: „Ich bin bereit!“, obwohl ich selbst noch nicht wirklich wusste, wofür eigentlich. „OK, Data!“, rief Time dem Androiden zu, der sich auf der einen kurzen Seite der Wiese postiert hatte. Er selbst stand auf der anderen. „Dann wollen wir mal. Du fängst an!“ „Allrounder, um nach Hause zu kommen müssen wir diese Dimension zerstören. Sie ist nur eine Kopie des Originals. Wir würden also keinen unserer Freunde wirklich töten.“ „Das ist falsch, Betsy.“, argumentierte Time. „Sie sind autarke und intelligente Lebensformen, soweit wir alle wissen. Ein Sternenflottenoffizier darf das eigene Wohl niemals über das anderer stellen. Sie dürfen sie nicht opfern nur um nach Hause zu kommen!“ „Die Existenz der Dimension bringt alle anderen aus dem Gleichgewicht.“, hielt Data dagegen. „Es gibt bereits erneut massive Ladungsverschiebungen.“ „Das ist unwichtig.“, sagte Time. „Die Natur wird sich schon anpassen. „In einigen Jahren ist alles vergessen.“ „Dann sind aber auch wir vergessen.“, sagte Data. „Weil wir dann alle längst Geschichte sind. Bedenken Sie: Wenn Sie einige Millionen Wesen opfern, retten Sie Milliarden.“ „Sie ist keine Vulkanierin!“, sagte Time aufgeregt. „Dein Argument ist für sie sicher nur heiße Luft. Mit mathematischen Spielen wirst du an ihr Gewissen nicht herankommen!“ „Schön.“, sagte Data. „Dann aber vielleicht so: Sie wissen, diese Dimension ist ein Produkt der Angst und auch das Symbol für Benevideas Angst, die Föderation könnte Sytania anheimfallen. Können Sie wirklich verantworten, dass diese Angst bestehen bleibt?“
Es war mir plötzlich wie Schuppen von den Augen gefallen! Natürlich! Angst! Benevidea hatte Angst! Sie hatte Angst, dass wir so naiv wären Sytania aus der Hand zu fressen, nur weil wir einmal mit ihren Leuten zusammengearbeitet hatten. Ihr kindlicher Verstand war noch nicht in der Lage die feinen Nuancen zwischen ja und nein zu verstehen! Mir war jetzt sonnenklar, dass ich einen Weg finden musste, diese unselige Dimension zu zerstören. Sie war das Symbol der Angst schlechthin. Wenn sie nicht mehr war, dann konnte ich Benevidea damit zeigen, dass sie davor keine Angst haben musste. So naiv wie in ihrer Schöpfung war die Föderation in Wahrheit nämlich nicht. Ich wusste zwar noch nicht, wie ich das anstellen sollte, aber wie ich das Schicksal kannte, würde es mir bestimmt irgendwie in die Hände spielen. Jetzt aber musste ich erst einmal Time und Data Bescheid sagen.
Ich stellte mich also gerade hin, so dass sie gut sehen konnten, dass ich meinen Posten quasi verlassen hatte, salutierte und rief laut: „Sirs, Allrounder Betsy Scott ist erfreut mitteilen zu dürfen, dass sie eine Entscheidung getroffen hat!“ „So, so.“, sagte Time. „Dann lassen Sie mal hören!“, und Data fügte hinzu: „Für wessen Position haben Sie sich entschieden?“ Ich drehte mich ihm zu und zeigte entschlossen in seine Richtung. „Na also!“, sagte Time erleichtert, obwohl er die Debatte offenkundig gerade verloren hatte. „Dann lassen Sie uns mal …“
Jemand oder etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Das Etwas war Valora, die ihn jetzt telepathisch aufforderte: Steig bitte wieder auf meinen Rücken, Peter. Aber sorge bitte auch dafür, dass man Betsy hinter dich setzt. Ich habe in die Zukunft gesehen und dabei erkannt, dass sie die Erfahrung, auf einem fliegenden Wesen zu reiten, sehr gut brauchen können wird. Es wird besser sein, sie erhält sie hier mit Leuten, denen sie vertraut. „OK, Valora.“, sagte Time und führte sie zu dem Mäuerchen, von dem ich aufgestanden war. Dann stellte er sich selbst darauf und stieg von dort aus in den Sattel. Dann rief er Data zu: „Data, setz Betsy bitte hinter mich. Valora meint, wir sollten mal ein paar Runden drehen, damit sie keine Angst davor hat. Sie meint, Betsy könnte das gebrauchen!“ „In Ordnung.“, sagte Data und stellte sich hinter mich. Dann nahm er mich vorsichtig um die Hüften und hob mich hoch, nachdem er leise, aber deutlich bis drei gezählt hatte, um mich dann hinter Time abzusetzen. „Umschlingen Sie mit Ihren Armen meinen Brustkorb, Allrounder.“, sagte Time. „Legen Sie Ihren Kopf ruhig auf meine linke Schulter. Dann kann ich Ihnen wenigstens von Zeit zu Zeit ins Gesicht sehen und weiß, wie es Ihnen geht. Wenn wir gleich starten, lassen Sie sich ruhig von mir in den Entlastungssitz ziehen und stützen sich einfach fest bei mir ab. Machen Sie sich bitte keine Sorgen, wie das bei Ihren Nachbarn ankommen könnte. Es geht schließlich um ihre Sicherheit und nicht zuletzt auch um Ihr Leben. Da sollten Ihnen die doch herzlich egal sein, oder?“ „Ja, Sir!“, sagte ich fest. „Dann sind wir uns ja einig.“, sagte Time und beugte sich vor. Dabei zog er mich mit sich. Gleichzeitig wandte er sich Valora zu: „Auf geht’s, Valora!“
Nachdem Valoras Hufe sich vom Boden gelöst hatten, setzte er sich wieder gerade hin und schob auch mich wieder in die normale Reithaltung zurück. „Nicht loslassen!“, erinnerte er mich. „Das werde ich nicht tun, Sir!“, versicherte ich. „Schließlich bin ich nicht lebensmüde!“
Meine Mundwinkel zogen sich plötzlich ganz von allein zu einem breiten Grinsen auseinander. So schön war das Gefühl für mich. Auf Valora zu fliegen fühlte sich an, als würde ich gewiegt. Es kitzelte wohlig im Bauch und die Luft spielte zärtlich mit meiner Kleidung und meinen nicht allzu langen Haaren. Auch schien sie mich durch mein Gesicht streicheln zu wollen. Time, der seinen Kopf jetzt zu mir gedreht hatte, stellte nur erfreut fest: „Na, das scheint Ihnen zu gefallen, Scott, was? Wenn Ihre Ohren nicht im Weg wären, dann würden Sie bestimmt im Kreis grinsen.“ „Ich habe keine Angst, weil ich Ihnen und Valora vertraue, Commander.“, sagte ich. „Und Sie haben Recht. Es ist schön!“ „Na dann ist ja alles in Butter.“, sagte Time. „Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie mir noch etwas sagen wollen.“ „Das stimmt.“, gab ich zu. „Als Sie das mit der Vulkanierin sagten, da klangen Sie für einen Moment wie Agent Yetron, Commander.“ „Interessant.“, lächelte Time. „Aber Ihrem feinen Gehör entgeht so etwas sicher nicht. Deshalb glaube ich Ihnen. Na, ich denke, da werde ich wohl noch einmal mit Mr. Yetron reden müssen. Ich habe einen Verdacht.“
Wir drehten einige Runden über das Haus und landeten bald wieder. Dabei wiederholte sich das Manöver mit dem Entlastungssitz. Dann half mir Data auf den Boden der Tatsachen zurück. „Ich werde abfliegen.“, sagte Time zu ihm. „Du und Scott, ihr solltet überlegen, wie ihr das mit der Zerstörung veranlasst.“ „In Ordnung.“, sagte Data nüchtern. Dann schnalzte Time Valora zu, worauf diese sich in die Luft erhob. „Lassen Sie uns ins Haus gehen.“, schlug Data vor. „OK.“, sagte ich. „Ich muss sowieso nachdenken.“ Damit hakte ich mich bei ihm ein und wir gingen. Das, worüber ich mir jetzt Gedanken machen musste, war für eine Offizierin der Sternenflotte sicher Neuland. Die Frage, wie man am Geschicktesten eine ganze Dimension zerstört, hatte sich bestimmt noch niemand vor mir stellen müssen.
Immer noch kraulend und konspirativ grinsend stand Yetron neben Invictus, als ein weißer Blitz für kurze Zeit die Aufmerksamkeit des Demetaners auf sich zog. Times Erster Offizier sah aber nur kurz hin. Er wusste genau, was dieser Blitz zu bedeuten hatte.
Erst nach einer weiteren Weile sah er sich um und blickte in das sehr zufriedene Gesicht seines Vorgesetzten. „Wie ist es gelaufen, Commander?“, grinste er. „Wie es gelaufen ist, Mr. Yetron?“, entgegnete Time und versuchte den Empörten zu geben, was ihm aber leider nicht gelang. „Sie wissen doch mindestens genauso gut wie ich, wie es gelaufen ist. Ich wette mit Ihnen, Sie haben mich irgendwie verwanzt! Ich weiß nur nicht, wie das von statten gegangen ist, ohne dass ich davon auch nur das Geringste mitbekommen konnte. Aber ihr vom Geheimdienst, ihr habt ja so eure Methoden, nicht wahr? Tamaras Abteilung sollte Ihretwegen in Gemeindienst umbenannt werden, wenn Sie mich fragen. Also, Agent, wo ist die verdammte Wanze, he?“ „Sie meinen die verdammte 2-Wege-Wanze, Sir.“, grinste Yetron. „So viel Zeit muss sein. Schließlich haben ja offensichtlich auch Sie mitbekommen, dass ich irgendeine Art von Verbindung zu Ihnen hatte. Obwohl ich mir das von einem Nicht-Telepathen nicht wirklich vorstellen kann, der ich ja auch bin. Invictus sagte mir, Sie würden uns nicht bemerken. Dass Sie es aber offenbar doch taten, finde ich sehr faszinierend.“ „Was hat denn Invictus mit der Sache zu tun?“, fragte Time verwundert. „Sie haben doch wissen wollen, wo sich die Wanze befindet.“, sagte Yetron. „Sie steht genau neben mir.“ „Das heißt, Scott hatte recht!“, rief Time aus. „Sie und Invictus waren die ganze Zeit über in meinem Kopf und haben mir den Satz mit der Vulkanierin in den Mund gelegt. Ihr feines Gehör hat ihr verraten, dass sich meine Betonung verändert hat. Sie sagt, ich hätte kurzzeitig geklungen wie Sie, Agent. Das konnte ich mir zuerst nicht erklären, aber jetzt schon. Aber wenn Sie und Invictus das so schnell parat hatten, dann mussten entweder Sie genau wissen, wie so ein Androide tickt, oder Invictus hat in die Zukunft geschaut. Aber dann hätte er ja sicher die Verbindung abbrechen müssen um sich auf den Blick in die Zukunft zu konzentrieren. Bis er sie dann wieder aufgebaut hätte, wäre es bestimmt zu spät gewesen, oder?“ „Sie haben Recht.“, gab Yetron zu. „Ich war der Übeltäter. Ich wusste sehr genau, wie unser guter Mr. Data höchstwahrscheinlich reagieren würde. Als der von mir als wahrscheinlich befundene Satz dann auch noch fiel, wusste ich, was ich zu tun, oder besser, was ich zu denken hatte.“ „Oh, Agent.“, stöhnte Time erleichtert. „Wenn ich Sie nicht hätte und die dicken Kartoffeln, Sie kleines gemeines demetanisches Aß! Ich denke, ich habe nicht übertrieben, als ich Nugura sagte, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr ginge, als dass der Tag kommt, an dem Sie mal keine Lösung finden.“ „Na nun übertreiben Sie mal nicht, Commander.“, sagte Yetron bescheiden. „Niemand ist perfekt und es kann durchaus sein, dass auch mir eines schönen Tages nichts einfällt. Aber dann haben wir ja noch genug anderes fachkundiges Personal in unserer Crew. Es würde mir nie einfallen, die Intelligenz als mein ureigenes Monopol zu betrachten, Sir.“ „Schon gut, Agent.“, sagte Time, während er sich daran machte, Valora von dem Sattelzeug zu befreien. „Das habe ich ja auch gar nicht gesagt. Aber noch mal was ganz anderes: Ich bin heilfroh, dass Scott diese Entscheidung getroffen hat. Sie muss sich jetzt nur noch einen Plan überlegen, wie sie das am besten anstellt.“ „Sie kennt die Gegebenheiten dort viel besser als wir.“, erwiderte Yetron. „Sie wird sich schon etwas einfallen lassen, denke ich. Wir müssen aufhören, sie immerfort zu unterschätzen. Sie ist nicht das kleine unschuldige Lamm, für das sie manche halten. Nein! Meiner Ansicht nach ist sie viel eher eine kleine Wölfin im Schafspelz, vor der sich ihre Feinde sehr in Acht nehmen müssen. Vielleicht ist sie es oft nicht allein, aber jede Wölfin, zumindest die meisten ihrer Art, hat ihr Rudel, Commander.“ „Oh Ja.“, pflichtete Time ihm bei. „Und wenn das kommt, dann …“ „Exakt, Sir.“, sagte Yetron. „Genau dann.“
Time hatte Valora Sattel und Trense abgenommen und beides an Agent Yetron übergeben. „Am besten ab damit in die Asservatenkammer, Agent.“, sagte Peter. „Wenn wir sonst nachher unseren Bericht abgeben, glaubt uns Nugura kein Wort.“ „Das hätte ich sowieso getan.“, sagte der Demetaner. „Aus genau den gleichen Gründen, die Sie gerade angeführt haben.“ „Na dann ist ja gut.“, sagte Time.
Er zog sein Sprechgerät und gab das Rufzeichen der Electronica ein. Dann ließ er sich von Sensora mit Cenda im Transporterraum verbinden, der er den Befehl gab ihn und Yetron sofort wieder auf das Schiff zu beamen. Dann verabschiedeten Peter und Yetron sich von den Einhörnern und Time ließ die celsianische Ingenieurin den Transporter aktivieren.
Cenda sah ihre Vorgesetzten erwartungsvoll an, als sie sich vor ihr materialisiert hatten. Sofort drehte sie sich Time zu und fragte: „Wie is’ es da unten gelaufen, Commander?“ „Oh, es ist alles sehr gut gelaufen, Techniker.“, erwiderte Time und grinste zu Yetron hinüber, der konspirativ zurückgrinste. „Das kann ich mir sehr gut vorstellen, so gut drauf wie Sie sind.“, flapste Cenda. „Aber warum genau sind Sie eigentlich so gut drauf?“ „Er hat gerade eine Debatte verloren, Cenda.“, erklärte Yetron. Dann folgte er Time aus dem Raum, der ihn mit leichtem Singsang in der Stimme dazu aufforderte: „Kommen Sie, Agent!“
Cenda blieb perplex zurück. „Was war das denn?“, fragte sie halblaut in die Leere des Raums. „Wieso freut der sich ’n halben Dschungel, wenn er eine Debatte verloren hat? Für mich wäre das sicher kein Grund zur Freude. Verstehe einer Vorgesetzte!“
Ihr war nicht bewusst, dass ihr Assistent alles mitbekommen hatte, der gerade in der Nähe mit einer anderen Konsole beschäftigt war, die er einer Diagnose unterzog, die von Cenda angeordnet worden war. „Kann ich Ihnen helfen, Madam?“, fragte der Androide förmlich. „Ich glaube, das können Sie nich’, Assistant.“, sagte Cenda. „Außer Sie wissen, warum einer sich freut, der eine Debatte verloren hat.“ „Das ist in der Tat ungewöhnlich, Madam.“, sagte Switcher. „Aber Sie wissen, dass gerade Mr. Yetron für seine ungewöhnlichen Pläne bekannt und berühmt ist. Was ist, wenn es das Ziel unserer beiden Vorgesetzten war, dass der Commander die Debatte verliert, damit ein anderes Ziel erreicht werden kann.“ „Da könnten Sie Recht haben, Switcher.“, sagte Cenda. „Wenn der Plan von unserem Demetaner kommt, dann kann man für nichts garantieren und sollte auf das Ungewöhnlichste gefasst sein. Ach, wie gern wäre ich da Mäuschen gewesen, Assistant. Wie gern! Aber jetzt machen Sie erst mal diese Diagnose fertig und zeigen mir das Ergebnis, ja? Ich brauche eine Ablenkung. Sonst lässt mich das die ganze Nacht nich’ schlafen.“ „In Ordnung.“, sagte der Androide und wandte sich dem Bildschirm zu, während Cenda ihm interessiert über die Schulter schaute.
Kapitel 28: Vorbereitungen zum Weltuntergang
von Visitor
Ich war ins Haus gegangen und hatte mich zu Data ins Wohnzimmer gesetzt. Ich war sehr nachdenklich. Das war sogar dem Androiden aufgefallen. Noch stärker aber hatte es Caruso bemerkt, der sofort laut schnurrend auf meinen Schoß gesprungen war und damit begonnen hatte sich an mir zu reiben und sich immer wieder über die Lippen zu lecken, was ein schmatzendes Geräusch verursachte. „Ach, du kleiner Schmeichler.“, sagte ich leise und streichelte ihn. „Wenn du wüsstest, dass ich bald deine Heimat zerstören und dich töten muss.“ „Sie irren, Allrounder.“, sagte Data, der meine Äußerung mitbekommen hatte. „Er ist nur eine Kopie des Carusos, den wir kennen. Die einzigen Originale hier sind Sie und ich!“ „Ich weiß.“, sagte ich. „Aber machen Sie das mal diesem armen Tier hier klar.“ „Dieses Arme Tier ist nicht in der Lage die komplizierten Zusammenhänge der Situation zu erfassen.“, erklärte Data. „Ihnen dürfte das doch auch bekannt sein. Schließlich betätigen Sie sich in Ihrer Freizeit als Verhaltensforscherin.“ „Das stimmt.“, gab ich zu. „Aber vielleicht versuche ich auch nur mein Gewissen zu erleichtern.“ „Wollen Sie mir damit sagen, Ihre Entscheidung steht doch noch nicht fest?“, fragte er. „Doch, das tut sie, Commander.“, antwortete ich. „Aber ich weiß immer noch nicht, wie wir das machen sollen. Wie sollen wir diese Dimension von innen heraus zerstören? Haben Sie vielleicht eine Idee?“
Es verging einige Zeit und ich bekam mit, dass sein positronisches Gehirn wohl einige Daten wälzte. Jedenfalls machte er die entsprechenden Geräusche. Dann sagte er: „Den Grundstein dafür haben Sie bereits gelegt, Allrounder Scott. Sie haben diese Nugura hier darüber aufgeklärt, dass es im Dunklen Imperium eine Person gibt, die mindestens genauso mächtig ist wie diese Sytania hier. Sie wissen, dass Sytania ihre Macht nie teilen würde. Das würden also weder diese Sytania noch die originale Sytania tun. Was schlussfolgern Sie daraus?“ „Die beiden Sytanias würden, würden sie sich der gegenseitigen Existenz bewusst, gegeneinander kämpfen.“, sagte ich. „Jede will alle Macht für sich allein. Dass sie sich miteinander verbünden würden und dann gegen uns alle zu Felde ziehen würden, halte ich für unwahrscheinlich.“ „Korrekt.“, sagte der Androide nüchtern. „Das haben auch meine Berechnungen und die Simulationen ergeben, die ich aufgrund der uns über Sytania bekannten Daten erstellt habe. Obwohl natürlich beide zunächst einen Vorteil daraus hätten, der aber nur temporär wäre. Müssten sie die Beute nämlich dann untereinander aufteilen, käme erneut die Eigensucht beider zum Tragen. Das weiß jede von der anderen und so würde es niemals zu einer Zusammenarbeit kommen.“ Ich nickte nur bestätigend. Dann fragte ich: „Und wer von beiden könnte Ihren Berechnungen nach diesen Kampf gewinnen?“ „Das ist schwer zu sagen.“, sagte Data. „In meinen Simulationen gewinnt mal die eine und mal die andere.“ „Wenn die Kopie gewinnt, ist uns aber nicht geholfen.“, erwiderte ich. „Bestätigt.“, sagte Data. „Die Dimension würde weiterhin existieren, weil die Kopie dank ihrer Ehe mit Nugura, die nach dem Ritus der Könige geschlossen wurde, direkt mit ihr verbunden ist. Da sie ja nur eine Kopie ist, bestünde außerdem die Gefahr, dass sie die Aufgabe des Minus-Pols im Dunklen Imperium nicht ausreichend erfüllen kann.“ „Verstehe.“, sagte ich. „Jede Kopie ist ein Abklatsch und somit meist schlechter als das Original. Wir müssten also unbedingt einen Weg finden dafür zu sorgen, dass das Original gewinnt. Commander, welche Fakten machen in Ihren Simulationen den Unterschied aus. Warum gewinnt mal die eine und mal die andere?“ „Das kann ich Ihnen nicht wirklich beantworten, Allrounder.“, sagte Data. „Der Ausgang des Kampfes scheint ein reines Zufallsprodukt zu sein. Ich ändere die Daten vor dem Start der Simulationen nicht. Trotzdem endet es mal so und mal so.“ „Könnte daran liegen, dass beide vielleicht gleichstark sind.“, vermutete ich. „Aber dann laufen sie auch Gefahr, sich gegenseitig zu neutralisieren. Wenn das passiert, dann hätte die Dimension Dunkles Imperium keinen Minus-Pol mehr und dann würde sie zusammenbrechen. Wir müssten auf jeden Fall eine Möglichkeit finden, den Kampf irgendwie so zu beeinflussen, dass auf jeden Fall das Original gewinnt. Aber wie könnten wir das anstellen?“ Erneut begann ich zu überlegen.
Dazu kam ich aber nicht wirklich, denn kaum hatte ich mit dem Nachdenken begonnen, piepte die Sprechanlage. Ich beugte mich zum Tisch vor, um das Mobilteil in die Hand zu nehmen, das ich dort abgelegt hatte. Dabei musste ich aber zuerst Caruso von meinem Schoß nehmen um ihn nicht zu zerquetschen. Dies mochte er gar nicht, was er durch lauten Protest kundtat. „Wir schmusen gleich weiter.“, tröstete ich, während ich ihn auf dem Boden absetzte.
Dann nahm ich das Gerät in die Hand, drückte die Sendetaste und sagte: „Ja!“ „Hier ist Kissara.“, kam es zurück. „Ich würde gern die Heldin besuchen, die mich so würdig auf der Hochzeit zwischen Sytania und Nugura vertreten hat. Darf ich?“ „Oh sicher, Commander.“, gab ich zurück. Dann befahl ich dem Hausrechner das Öffnen der Tür.
Wenige Sekunden danach stand sie neben mir im Wohnzimmer. „Setzen Sie sich doch.“, sagte ich und zeigte auf den Sessel, der inzwischen frei geworden war, da sich Data wieder in eine Ecke des Raums gestellt hatte. Hier stand er nun stumm und gab die befehlsabhängige Maschine.
„Kann ich Ihnen etwas Gutes tun, Madam?“, fragte ich. „Oh das tun Sie schon allein durch Ihre Anwesenheit.“, sagte Kissara. „Ich habe alle Berichte gesehen. Sie waren großartig auf der Hochzeit, Scott! Ich habe richtig gespürt, wie sehr Sie sich für Nugura gefreut haben. Aber anscheinend sind Sie ja auch schon wieder gesund, wenn Sie sogar schon wieder im Dienst sind. Loridana wird das selbstverständlich überprüfen. Aber Sie können ruhig mit mir auf die Granger beamen, wenn Sie wollen.“ „In Ordnung.“, sagte ich schnell. „Wo ist Loridana eigentlich? Sie war doch bei Ihnen, oder?“ „Das war sie.“, sagte Kissara. „Aber sie wollte sich von der Flugbereitschaft direkt auf unsere Basis bringen lassen. Sie sagte, sie hätte noch viel Schriftkram zu erledigen. Der Rest der Truppe wartet aber schon auf Sie an Bord des Schiffes.“ „OK, Madam.“, sagte ich. „Ich packe und schreibe meinem Mann noch eine Notiz. Dann komme ich. Gehen Sie doch ruhig schon einmal vor.“ „Also gut.“, sagte sie und zog ihr Sprechgerät um Jannings den Befehl zum Heraufbeamen ihrer Person zu erteilen.
Ihr Verschwinden erfüllte mich mit großer Erleichterung. „Also gut.“, sagte ich zu Data. „Ich werde Sie mitnehmen müssen. Sie werden aber wohl die meiste Zeit in meinem Quartier sein. Hierlassen kann ich Sie nicht. Das Risiko ist mir zu groß, dass Scotty Sie doch noch in seine Firma bringt und dann hätten wir ein Problem.“ „Vornehmlich hätte zunächst einmal ich ein Problem.“, sagte Data. Aber es ist in Ordnung. Ich akzeptiere.“ „OK.“, sagte ich erleichtert und machte mich an den Rest der Vorbereitungen.
Der Grund, aus dem es Kissara so eilig gehabt hatte, lag in der Tatsache, dass sie, also die Kissara aus dieser Dimension, verabredet war und es gar nicht schätzte, wenn sie zu ihren Verabredungen zu spät erschien. So hatte sie sich, nachdem sie wieder auf dem Schiff war, gleich in ihren Bereitschaftsraum begeben. Hier hatte sie etwas aus einem Schrank geholt. Etwas, das sie vor allen anderen bisher unter Verschluss gehalten hatte. Nur Mikel, ihr Erster Offizier, hatte es je zu Gesicht bekommen. Bei dem Gegenstand, den sie jetzt auf ihrem Schreibtisch vor sich abstellte, handelte es sich um einen imperianischen Kontaktkelch, den ein Drudenfuß und auch das Wappen mit den zwei Schlangen zierten, welche die beiden geflügelten Löwen in ihrer Gewalt hatten. Dass dies offensichtlich Sytanias Kontaktkelch war, dürfte jedem wohl klar sein.
Kissara setzte sich auf ihren Sessel, legte beide Hände auf den Fuß des Kelches und stellte sich Sytanias Gesicht vor. Dabei sah sie den Kelch konzentriert an. Kurze Zeit danach erschien tatsächlich Sytanias Silhouette im Inneren des Kelches. Was hast du für Informationen für mich, Kissara?, fragte die Königstochter telepathisch. „Ich habe Scott getroffen, Majestät.“, sprach Kissara in Richtung des Kelches. „Wenn es Euch beliebt, dann werde ich auf sie warten, weil sie noch ihre Sachen packen muss und dann fliegen wir zu unserer Basis, wo ich meine Ärztin abhole. Danach fliegen wir in eine Dimension, von der aus es einen direkten Zugang in die Heimat der Person geben soll, die Euch so viele schlaflose Nächte bereitet. Mein Erster Offizier sagt, an den Gerüchten, die Eure Frau von Allrounder Scott gehört hat, könnte etwas dran sein. Er hat Quellen, die das angeblich bestätigt haben. Ich vertraue ihm. Er arbeitet schließlich für den Geheimdienst. Wir könnten auch direkt dorthin fliegen, aber Mikel meint, es wäre besser durch die Hintertür zu kommen. So könnten wir sie überraschen.“ Sehr gut, Kissara!, gab Sytania zurück und klatschte in die Hände. Ich muss sagen, dein Erster Offizier ist ein sehr guter Stratege. Wenn sie nicht mit euch rechnet, dann wird sie sehr leicht zu überrumpeln sein und dann muss dein klingonischer Waffenoffizier ja nur noch einen oder zwei Photonentorpedos mit Rosannium in die Atmosphäre der Dimension schießen. Nach Möglichkeit am besten genau über ihrem Schloss und vielleicht sogar mitten durch eines der Fenster. Das wird sie töten und dann bin ich wieder die Mächtigste hier und auch dort! „Das werdet Ihr sein!“, sagte Kissara mit viel Überzeugung. „Verlasst Euch darauf!“ Sie deckte den Kelch wieder zu, stellte ihn in sein Versteck zurück und machte sich auf den Weg zur Brücke.
Ich hatte das Packen meines Koffers beendet. Dabei war mir aufgefallen, dass all meine Sachen auch dort waren, wo ich sie in meinem eigentlichen Zuhause finden konnte. Aber das alles gehörte wohl zu Benevideas Schöpfung. Auch ein Sprechgerät, einen Phaser und einen Erfasser hatte ich mir mit Hilfe meiner Sternenflottenkennung repliziert. Meine eigentliche Ausrüstung lag ja noch in meinem Quartier auf der originalen Granger. Wenn ich Galauniform trug, brauchte ich das alles ja nicht und hatte es daher zurückgelassen. Ich hatte ja nicht ahnen können, dass ich es bald brauchen würde. Mir war bewusst, dass ich jetzt gleich auf die Besatzung der kopierten Granger treffen würde und dass die Kissara, mit der ich gerade gesprochen hatte, auch nur eine Kopie war. Aber wenn ich etwas tun wollte, dann musste ich wohl bis zu einem gewissen Grad ihr Spiel mitmachen. Vielleicht konnte es mir auch nur so gelingen an die richtigen Informationen zu kommen. An Informationen, die ich wohl dringend benötigte, wenn ich die Dimension zerstören wollte.
Mit meinem Koffer in der Hand drehte ich mich ein letztes Mal Data zu: „So, Data. Ich habe Scotty eine Notiz im Hausrechner hinterlassen. Wenn wir jetzt auf das Schiff beamen, werde ich Sie auffordern mich in mein Quartier zu führen und dort zu bleiben. Sie wissen warum.“ „Das ist mir klar, Allrounder.“, sagte Data. „Sie müssen wirklich keine Rücksicht auf meine Gefühle nehmen. Die Situation ist mir genauso klar wie Ihnen. Ich weiß, welchen Status ich hier habe.“ „Na gut.“, sagte ich, zog mein Sprechgerät und gab das Rufzeichen der Granger ein, worauf mich der Computer mit dem Transporterraum verband. Hier befahl ich Techniker Jannings Data und mich zu holen.
Der terranische Ingenieur schien zunächst etwas verwirrt, als er Data und mir ansichtig wurde, die wir uns vor ihm auf der Transporterplattform materialisiert hatten. „Er ist mein Hilfsmittel, Mr. Jannings.“, erklärte ich. „Sie wissen vielleicht, dass die Firma meines Mannes so etwas baut. Ich soll ihn testen. Er ist der Erste seiner Serie.“ „Aber Sie können doch einen so wertvollen Prototypen nicht den Gefahren aussetzen, denen wir vielleicht im Weltraum begegnen, Madam.“, sagte Jannings. „Richtig, Techniker.“, sagte ich. „Deshalb wird er mich auch nicht auf Außenmissionen begleiten und wird die meiste Zeit in meinem Quartier sein.“ „Schon gut.“, sagte Jannings. „Unsere Androidin ist ja auch die meiste Zeit in ihrer Garage im Frachtraum.“ „Elektra, wie unser Erster Offizier sie genannt hat, kommt ja auch nur dann zum Einsatz, wenn wir sie wirklich brauchen. Ich denke zwar, dass sich der Agent da ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt hat, als er mich gebeten hat, ihr einzugeben, dass sie ab jetzt Elektra heißt und ich bin sicher, dass wir uns da alle strafbar machen, aber andererseits denke ich, er kennt die Gesetze ja am besten. Er muss ja wissen, was man darf und was man nicht darf.“ „Das ist sicher richtig, George.“, tröstete ich. „Sie können versichert sein, dass wir uns da nicht strafbar machen, weil jedes Haustier einen Namen hat und die haben trotzdem nicht die gleichen Rechte und Pflichten wie wir. Das Problem hatten wir nämlich auch. Mein Hilfsmittel heißt nämlich Data. Sie sehen also, auch er hat einen Namen und Sie sehen auch, dass ich deshalb nicht im Gefängnis sitze.“ „Das ist richtig, Madam.“, sagte Jannings. „Ich sollte wirklich lernen einer Brückenoffizierin mehr zu vertrauen. Sie da oben treffen jeden Tag Entscheidungen. Da müssen Sie ja schon sehr genau wissen, was das Richtige ist. Bitte entschuldigen Sie.“ „Entschuldigung akzeptiert, Techniker.“, sagte ich ruhig und sah ihn mild an. „Ihre Angst ist ja verständlich. Auf den Dreh mit dem Haustier kommt auch sicher nicht jeder. Aber nun muss ich los. Der Commander erwartet mich auf meinem Posten.“ „OK.“, sagte George.
Ich wandte mich Data zu und befahl: „Data, Schutz- und Führmodus ein! Ausgang! Turbolift suchen!“ Darauf winkelte der Androide nur seinen rechten Arm an, auf den ich meine linke Hand legte. So verließen wir den Transporterraum und ließen einen recht erleichterten Jannings zurück.
Die Electronica flog in Richtung der Regierungsbasis, nachdem Sensora gemeinsam mit Yetron erneut jenes Flugmanöver gemeistert hatte, das sie durch die noch immer sehr instabilen Wirbel gebracht hatte. Dann hatte Time der Androidin befohlen ihn mit Nuguras Büro zu verbinden, was Sensora auch getan hatte. Jetzt sah er in das freundlich lächelnde Gesicht Sarons. „Mr. Saron, hier ist Commander Time.“, stellte Peter sich ruhig vor. „Bitte verbinden Sie mich mit Ihrer Vorgesetzten. Ich habe ihr einiges zu sagen.“ „In Ordnung, Commander Time.“, sagte Saron. „Warten Sie bitte.“
Einige Sekunden waren vergangen, in denen Time nur eine Wartemusik im Ohr hatte. Während dieser Zeit aber wendete er sich Yetron zu: „Was meinen Sie, Agent? Wird sie uns überhaupt glauben?“ „Wir werden die Beweise schon mitnehmen müssen, Sir.“, merkte der Demetaner an. „Ohne sie dürfte es schwierig werden, oder ganz und gar unmöglich sein Nugura zu überzeugen. Ein Verhalten wie das, welches Valora an den Tag gelegt hat, würde man einem Mächtigen nicht so ohne weiteres zutrauen.“ Na, ich glaube, das war auch ein bisschen der Gang nach Canossa für Valora, Mr. Yetron.“, sinnierte Time. „Ich denke, meine Gardinenpredigt hat sie und Invictus auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Sonst hätte er Ihnen ja bestimmt auch nicht geholfen mir zu helfen.“ „Das würde ich so durchaus bestätigen, Commander.“, sagte der demetanische Agent und lächelte.
Vor Times Augen auf dem Schirm erschien das freundlich lächelnde Gesicht der Präsidentin. „Was wollen Sie mir denn berichten, Commander Time?“, fragte Nugura. „Saron hat aus der Sache ein riesiges Geheimnis gemacht.“ „Er konnte nicht anders, Madam President.“, sagte Peter. „Ich habe ihm keine Informationen gegeben, also konnte er Ihnen auch keine geben. Aber das werde ich jetzt ändern. Ich möchte Sie nur bitten sich hinzusetzen, Nugura. Es wird nämlich etwas erstaunlich.“ „Was haben Sie wieder anstellen müssen um uns zu retten, Time?!“, fragte Nugura bedient und setzte sich in ihrem Stuhl zurecht. „Muss ich Saron darum bitten, mir einen Schnaps zu servieren, wenn wir unser Gespräch beendet haben?“ „Das wäre wohl gar keine so schlechte Idee.“, antwortete der Terraner. „Na gut.“, sagte Nugura. „Aber fangen Sie ruhig schon an.“ „OK.“, sagte Time und setzte sich auch in seinem Sessel gerade hin. Dann sagte er: „Können Sie sich vorstellen, Nugura, dass ich auf Valora zu Scotts und Datas momentanem Aufenthaltsort geritten bin?“ „Was?!“, erwiderte Nugura empört und ihre Stimme klang, als wollte sie Time eine verbale Ohrfeige verpassen. „Eine Mächtige wie Valora soll zugelassen haben, dass Sie, ein Sterblicher, auf ihrem Rücken gesessen haben und soll Sie dann auch noch zu Scott und Data gebracht haben?! Können Sie das irgendwie beweisen, Time?! Falls nicht, werden uns die Presseleute das alles hier in der Luft zerreißen!“ „Keine Sorge, Madam President.“, sagte Time ruhig. „Mein Erster Offizier hat für alles gesorgt. Wir haben Beweise, die von Mr. Yetron feinsäuberlich in unserer Asservatenkammer unter Verschluss gehalten werden. Wenn Sie wollen, kommen wir gern vorbei und präsentieren sie Ihnen. Sensora hat bereits den entsprechenden Kurs gesetzt. Wir haben das schon geahnt.“ „Na dann bin ich aber gespannt, Time.“, sagte Nugura und beendete die Verbindung.
Sensora, die am Steuer des Schiffes saß, drehte sich Time zu: „Soll ich die Electronica beschleunigen, Sir?“ „Ja, das wäre sehr gut, Allrounder.“, sagte Time. „Die arme Nugura ist jetzt schon total fertig und ich denke, wenn sie zu lange auf uns warten muss, wird ihr das den Rest geben. Warp 8, Sensora!“ „Aye, Sir.“, bestätigte die Androidin und gab die neue Geschwindigkeit ins System des Schiffes ein. Die Electronica verschwand in einem Blitz.
Auf der Regierungsbasis hatte Saron das Gespräch zwischen Time und Nugura quasi mithören können, da die Tür zwischen den beiden Büros einen Spalt offen stand. In weiser Voraussicht hatte der Sekretär dem Computer das befohlen, da er wusste, dass die Gespräche mit Time oft auf eine Weise ausgingen, die für Nugura nicht so schön war. Die Präsidentin der Föderation war damit einverstanden gewesen.
Ihren Gefühlsausbruch hatte Saron jetzt auch mitbekommen und war danach sofort mit einem kleinen Tablett, auf dem sich ein kleines Glas mit terranischem Kirschschnaps befand, zu ihr geeilt. „Normalerweise trinke ich nicht im Dienst, Mr. Saron.“, sagte Nugura und nahm das Glas an sich um dessen Inhalt sofort eilig herunterzustürzen. „Aber Time will mir doch allen Ernstes weißmachen, er hätte ein Einhorn geritten! Aber es war außerdem nicht irgendein Einhorn, sondern die Leitstute der imperianischen Herde persönlich! Können Sie sich das vorstellen, Mr. Saron? Aber nicht genug damit. Sie soll ihn sogar zu Scott und Data getragen haben.“ „Ich halte das durchaus für möglich, Madam President.“, sagte Saron. „Sie wissen, dass Time sehr flexibel ist und auch oft Konventionen übergeht, wenn es sein muss. Sie kennen doch seinen schriftlichen Bericht. Er hat ihn uns doch erst gestern zukommen lassen.“ „Das stimmt.“, gab Nugura zu. „Darin hat er es auch erwähnt. Aber ich kann es einfach nicht glauben, Saron! Ich kann es einfach nicht glauben!“ „Warum sollte Time uns in dieser Sache belügen wollen?“, fragte der Sekretär. „Dafür gibt es doch gar keinen Grund. Aber die Electronica ist ja sowieso auf dem Weg hierher. Wir werden Time sicher bald selbst fragen können.“
Kaum hatte Saron ausgesprochen, da materialisierten sich bereits zwei Säulen aus Energie vor ihm und seiner Vorgesetzten. Nugura und er erkannten in diesen Säulen einwandfrei Agent Yetron und Commander Time. Der Terraner hatte außerdem eine Tasche bei sich, deren Inhalt er jetzt auf dem Fußboden auskippte. Zum Vorschein kam jenes Sattelzeug, das Valora getragen hatte. Er hatte wohl befürchtet, dass der Platz auf Nuguras Schreibtisch dafür nicht ausreichen würde.
Konsterniert hatte Nugura dem Treiben zugesehen. „Es tut mir leid, dass ich uns nicht noch einmal vorher angemeldet habe.“, entschuldigte sich Time. „Aber Ihre Reaktion hat mir gezeigt, dass es schnell gehen muss. Hier sind die Beweise. Oh, Mr. Yetron, würden Sie bitte zum Replikator gehen und einen neuen Erfasser replizieren, der nur die Ausgangsdaten hat? Ich will meinen nicht benutzen, damit man uns nachher nicht vorwerfen kann, wir hätten geschummelt!“ Yetron nickte nur stumm und kam der Bitte seines Vorgesetzten nach.
Den frisch replizierten Erfasser reichte Yetron dann Nugura, die ihn mit zitternden Fingern bediente. Die Ergebnisse ließen sie erblassen. Eilig schob Saron ihr ihren Stuhl hin, von dem sie zum Zweck der Beweisaufnahme aufgestanden war. „Es stimmt also, Time.“, sagte sie. „Aber wie haben Sie Valora dazu bekommen?“ „Sie hat es selbst angeboten.“, sagte der Terraner. „Ich hatte ihr und Invictus vorher scharf ins Gewissen geredet, was ihren Umgang mit Benevideas Angst angeht. Ich denke, das war ihr Teil einer Entschuldigung. Invictus hat Mr. Yetron geholfen mich bei meiner Mission zu überwachen. Ich denke, das war dann sein Part. Scott ist tatsächlich bereit, die Dimension zu zerstören, Madam President. Sie wird sich nur noch einen Plan überlegen müssen, wie sie es am besten anstellt, denke ich. Aber es könnte jeden Moment passieren, Nugura! Jeden Moment!“ „Deshalb beordere ich Sie hiermit zurück zur Erde, Gentlemen. Die Tindaraner gehen davon aus, dass, wenn die Dimension zerstört wird, Scott und Data genau an dem Ort auftauchen werden, an dem sie unser Universum verlassen haben. Sie sollten mit wechselnden Außenteams den Park vor dem Kapitol überwachen.“, sagte Nugura. „In Ordnung, Madam.“, sagte Time und winkte Yetron, der ihn dann auch wieder auf das Schiff begleitete. Dann flog die Electronica in Richtung Erde davon. Eigentlich wäre das ja Aufgabe der Besatzung der Granger gewesen, da ich ja auch auf Kissaras Schiff gehörte. Sie war aber aufgrund ihrer direkten Zusammenarbeit mit den Tindaranern verhindert, da sie an Koordinaten auf ein noch nicht zu definierendes Ereignis wartete, die Zirell ihr zugewiesen hatte. Durch den Austausch über die tindaranische Sonde wusste Nugura das natürlich.
Kapitel 29: Überraschende Verbündete
von Visitor
Ich hatte Data in mein Quartier gebracht und mich dann allein auf den Weg zur Brücke gemacht. Allerdings hatte ich einen Umweg genommen, damit ich genug Zeit zum Nachdenken hatte. Jannings‘ Reaktion war ein extrem gutes Beispiel dafür gewesen, wie obrigkeitsgläubig hier alle waren. Aber in einer absolutistischen Struktur war das wohl kein Wunder. Sytania war die absolute Herrscherin und niemand würde ihren Anspruch anzweifeln. Das bedeutete aber auch, dass alle mit dem Glauben aufwuchsen, dass alles, was von oben kam, nicht angezweifelt werden durfte. Seine Reaktion und die Tatsache, dass er mir jedes Wort geglaubt hatte, waren wohl nur die logische Konsequenz davon. In einer Demokratie wäre das nie vorgekommen, dachte ich mir. Aber im Absolutismus, der dann auch noch mit einer grundlegenden natürlichen Naivität aller Beteiligten gepaart war, musste ich damit rechnen. Ich hoffte nur, dass niemand die Schutzverbindung zwischen Shimar und mir entdecken würde. Wenn das der Fall wäre, dann würde man sicher versuchen sie zu tilgen, denn es durfte ja keinen anderen Telepathen in meiner Nähe geben, als die so genannte Großartige Königin selbst. Jeden anderen würde man sofort als Feind betrachten und seine Spuren müssten beseitigt werden. Das wäre aber für Shimar bestimmt sehr schmerzhaft. Ich, als Nicht-Telepathin, würde davon vielleicht gar nichts merken, aber er sicher schon, denn sie würden bestimmt Rosannium verwenden. Außerdem hatte mir Shimar geschildert, wie es sich für ihn angefühlt hatte, als man mich ermordet hatte. Diese Schmerzen, das hatte ich ihm geschworen, würde ich ihm kein zweites Mal zufügen. Zumindest dann nicht, wenn ich es verhindern konnte. Meine damalige Ermordung hatte ich sicher nicht verhindern können, aber vielleicht fand ich ja einen Weg unsere Verbindung dieses Mal zu retten.
Ich hatte die Brücke betreten und war an Kissaras Sessel kurz stehengeblieben. Dann hatte ich mich gemeldet: „Commander, ich bin hier um meinen Dienst anzutreten!“ „Schön, Allrounder.“, sagte sie und ich hoffte, sie würde mich jetzt auf meinen Posten schicken. Stattdessen aber zog sie ihren Erfasser und Scannte mich. Als Begründung sagte sie nur: „Loridana ist nicht hier um Sie zu untersuchen. Aber ich will keine unangenehmen Überraschungen erleben. Bitte halten Sie still, Betsy. Das Interpretationsprogramm wird mich schon über Ihren tatsächlichen Gesundheitszustand aufklären.“
Sie hielt das Gerät in meine Richtung und aktivierte es. Alsbald aber ertönte ein schrilles Signal und sie sah wie gebannt auf das Display. „Was um Himmels Willen ist das?! Es sieht aus, als hätten Sie das Muster eines fremden Telepathen in Ihrer Hirnrinde, Scott! Ich möchte gar nicht wissen, wer Sie infiziert hat und wie das vonstatten gegangen ist. Sie wissen aber auch, dass das einzige Muster, dass wir tolerieren, das unserer Großartigen Königin Sytania ist! Aber dem kann man abhelfen. Jeder von uns hat immer etwas dabei.“
Sie zog etwas aus ihrer Uniformtasche, das wie ein Zerstäuber für Parfum aussah. Dann hielt sie es mir unter die Nase und befahl: „Tief einatmen, Allrounder! Das ist ein Befehl!“
Im gleichen Moment aber fühlte ich zwei Finger, die mir die Nase zuhielten. Ein Umstand, der mich vor Schreck zunächst den Atem anhalten ließ. Es waren nicht ihre Finger. Das konnte ich sowohl spüren als auch riechen. Aber diese Finger kamen mir sehr bekannt vor. Ihren Geruch kannte ich seit meiner Schulzeit. Dann zischte mir jemand auf Deutsch ins Ohr: „Ruhig! Vertrau mir! Wenn du mir vertraust, dann fragst du nicht und kommst nach dem Dienst in mein Quartier! Aber jetzt keine Fragen! Keine Fragen!“ Dann drückte eine Hand meinen Kopf zur Seite.
Kissara, die das alles mitbekommen hatte, drehte sich ihrem Ersten Offizier zu: „Was soll das, Mikel?!“ „Bei allem Respekt, Commander!“, erwiderte der Terraner jetzt laut auf Englisch. „Erkennen Sie denn nicht die Genialität in Allrounder Scotts Situation? Ich bin sicher, sie hat sich mit Absicht von dem Telepathen infizieren lassen um damit ihrerseits eine Verbindung zu ihm zu schaffen, über die sie ihn ausspionieren kann. Vielleicht hat sie ihm sogar eine Beziehung vorgegaukelt! Der war bestimmt so naiv und hat ihr geglaubt, ohne seine geistigen Fähigkeiten zur Überprüfung einzusetzen. Wenn sie dafür sorgen konnte, dass er sich so richtig in sie verliebt, dann kann ich mir das sehr gut vorstellen und ich denke, so etwas kann unser kleiner schauspielerisch sehr begabter Allrounder sehr gut. Sie hat sich in ihren Handlungen sicher nur von unserer Großartigen Königin Sytania inspirieren lassen. Ist es nicht so, Allrounder? Ist es nicht so?!“ „Ja!“, bestätigte ich fest, die ich verdammt froh war, dass er die Verbindung und mich gerettet hatte. Aber warum hatte er das getan? Ich ahnte, dass ich das nur in seinem Quartier herausfinden würde, wenn ich ihn nach dem Dienst besuchte.
Plötzlich war mir ein tolles Lügenmodell eingefallen, mit dem ich Mikels Geschichte untermauern konnte. Also sagte ich: „Er ist ein Besucher aus einer fremden Dimension gewesen. Während der Abwesenheit meines Mannes kam er immer wieder zu mir und hat mir irgendwann seine Liebe gestanden. Ich dachte mir, wenn er so naiv ist, weil er verliebt ist, dann kann ich das ja auch gleich ausnutzen. Ein verliebter Geist schaut ja schließlich nicht so genau hin. Also spielte auch ich ihm eine Beziehung vor. Er hat es mir buchstabengenau abgenommen. Kein Fitzelchen hat er überprüft. Der arme Tropf weiß also nicht, dass ich das nur tue um genug Informationen zu sammeln um uns irgendwann die Eroberung seiner Dimension zu ermöglichen. Bei unserer Großartigen Königin Sytania und Nugura lief das ja nicht anders ab. Der Agent hat Recht, Commander. Ich habe mich von den Handlungen unserer Großartigen Königin inspirieren lassen.“
Kissara schwieg einen Moment lang. Es war ein kaltes Schweigen, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Dann aber begann sie zu schnurren und sagte weich, aber freudig erregt: „Bravo, Scott! Bravo! Das bedeutet, wir werden irgendwann eine neue Dimension für unsere Großartige Königin Sytania erobern und zwar mit den Waffen einer Frau, wie man so schön sagt. Oh Sie sind großartig. Wenn unsere Großartige Königin nur für alle so ein großes Vorbild wäre, wie sie es für Sie ist. Verzeihen Sie mir! Da hätte ich ja beinahe Ihren schönen Plan kaputtgemacht und uns somit ins eigene Fleisch geschnitten. Wie töricht von mir! Wie töricht! Natürlich dürfen Sie dieses kleine Muster behalten, Betsy. Aber jetzt gehen Sie erst einmal auf ihren Posten und hören sich an, was ich Ihnen allen zu sagen habe. Mikel, das war sehr umsichtig von Ihnen! Ich werde auch Sie gegenüber der Großartigen Königin Sytania lobend erwähnen, wenn es Zeit für die Eroberung ist.“ „Aye, Madam.“, sagte ich erleichtert und ging zum Steuer vor.
Kissara stellte sich in die Mitte der Brücke, so dass sie von allen gut wahrgenommen werden konnte. Dann sagte sie: „Ladies und Gentlemen, ich habe Kontakt zu unserer Großartigen Königin Sytania gehabt! Sie will, dass wir einen Stachel aus ihrem Fleisch entfernen. Es scheint irgendwo in irgendeiner Dimension eine Person zu geben, die angeblich noch viel mächtiger, zumindest aber genauso mächtig ist wie sie selbst. Das ist ein Umstand, den sie auf keinen Fall dulden kann und wir auch nicht. Ich werde Allrounder Scott gleich befehlen den Autopiloten zu aktivieren. Dann geht jeder von Ihnen in sein Quartier und denkt über eine Strategie nach, mit der wir den Kummer der armen Sytania lindern können! Das war’s! Wegtreten!“
Alle folgten Ihrem Befehl. Auch ich, die ich den Autopiloten aktivierte und dann selbst von der Brücke ging. Ich würde aber nicht in mein, sondern in Mikels Quartier gehen, wie er es mir vorgeschlagen hatte. Es tat mir alles so leid, was ich gerade gesagt hatte. Es tat mir so leid, dass ich den armen Shimar als naiven und liebeskranken Trottel dargestellt hatte. Aber es ging ja nicht anders. Er würde mir sicher verzeihen. Aber jetzt musste ich mich zunächst an Mikel halten, der mir mit einem Ticket in die Freiheit zu winken schien, wie es aussah. Ich ließ mich also hinter den anderen Zurückfallen und nahm einen anderen Turbolift um keinen Verdacht zu erwecken.
In diesem traf ich allerdings auf jemanden, mit dem ich nicht im Geringsten gerechnet hätte. Neben mir stand nämlich plötzlich Kang! Jener Kang, von dem ich bisher immer geglaubt hatte, verdeckte Operationen und dergleichen wären für ihn, einen Klingonen, eine sehr unehrenhafte Tätigkeit. Ich wusste, dass Kangs Quartier auf der gegenüberliegenden Seite des Wohndecks lag. Es wäre für ihn also weitaus kürzer gewesen, einen Lift zu nehmen, der näher dran war. Warum fuhr er aber gerade mit diesem? Wollte er auch zu Mikel? Was konnte sein Motiv sein?
Er musste bemerkt haben, dass ich mir einige Fragen stellte, denn mein Verhalten hatte wohl Bände gesprochen. Immer wieder hatte ich mich nachdenklich am Kopf gekratzt. Also sprach er mich an: „Was beschäftigt Sie, Allrounder?“
Ich wandte mich dem Mikrofon für den Computer zu und befahl: „Computer, Turbolift anhalten!“ Dann drehte ich mich zu Kang und sagte: „Wenn ich ehrlich sein darf, dann ist es Ihre Anwesenheit, die mich beschäftigt, Warrior. Wollen Sie auch zu Agent Mikel? Ich denke, verdeckte Operationen und geheime Treffen sind eines Klingonen unwürdig.“ „Da denken Sie in diesem Fall falsch, Allrounder.“, sagte Kang. „Aber über die wahren Motive meinerseits wird Sie der Agent noch früh genug informieren, denke ich. Ich weiß, dass Sie ihm vertrauen. Wenn Sie es also nicht von mir hören wollen, dann sicher umso eher von ihm.“ „OK?!“, stammelte ich unsicher und eher mit einer fragenden Betonung. „Aber dann bin ich auch sehr gespannt.“ „Das können Sie auch sein.“, sagte Kang. „Ich denke, es werden noch einige Überraschungen bei diesem Treffen auf Sie warten. Aber die können Sie nur herausfinden, wenn wir jetzt weiterfahren.“ „Na gut.“, sagte ich und befahl dem Computer die Fahrt fortzusetzen.
Auf dem Wohndeck angekommen bot mir Kang seinen Arm an: „Kommen Sie! Gemeinsam sind wir schneller. Wir haben ohnehin schon etwas Zeit verloren.“ „Weil ich den Lift gestoppt habe.“, gab ich zu und schaute verschämt. „Es tut mir leid. Aber ich …“ „Schwamm drüber.“, lächelte Kang. Dann legte ich meine linke Hand auf seinen rechten Arm und wir gingen los. „Ich hoffe, ich mache das hier richtig.“, sagte er. „Oh wenn nicht, dann würde ich es Ihnen schon sagen, Kang.“, sagte ich freundlich.
In Mikels Quartier hatte sich bereits Techniker Jannings eingefunden. „Denken Sie, er wird sie mitbringen, Sir? Denken Sie, sie wird uns vertrauen?“, fragte er. „Ich denke, sie wird mir vertrauen, George.“, sagte Mikel. „Sie ist unserer Sache gegenüber nicht abgeneigt und sie weiß bestimmt auch, dass es keinen anderen Weg gibt. Wenn Abraham Recht hat, dann ist sie unsere einzige Chance.“ „Aber sie könnte ein Problem mit der obersten Direktive haben.“, wandte der Chefingenieur ein. Ich denke, sie weiß, dass wir alle autarke intelligente Wesen sind und dass wir somit eine eigenständige Entwicklung durchmachen könnten. Sie wird sich nicht darauf einlassen können, denke ich. Ich glaube, Abrahams Interpretation der Heiligen Schrift, also des Buches der Angst, ist falsch. Sie kann nicht die Zerstörerin der Welten sein!“ „Wir werden sehen, Techniker.“, sagte Mikel. „Alles wird davon abhängen, ob Kang sie mitbringt.“
Er hatte kaum ausgesprochen, da öffnete sich die Tür und Kang und ich erschienen im Rahmen. „Hier ist sie, Agent!“, wandte er sich Mikel zu und schob mich durch die Tür. Dann griff Mikel meine Hand: „Komm!“, und zog mich zu einem Stuhl neben sich. Dass er mich in Gegenwart der anderen duzte, war für mich nicht schlimm. Alle wussten schließlich, dass wir uns schon aus der Schule im 21. Jahrhundert gekannt hatten.
Ich setzte mich und Mikel konnte sehr gut spüren, wie angespannt ich war. „Was hast du auf dem Herzen?“, fragte er. „Warum hast du mich auf der Brücke gerettet?!“, fragte ich aufgeregt. „Weil du eine von uns bist.“, sagte Mikel. „Eine von euch?“, fragte ich. „Was soll das heißen?“ „Du bist mit den vorherrschenden Bedingungen genauso wenig einverstanden wie wir.“, setzte er voraus. „Sonst hättest du dich auf Abrahams Deal nie eingelassen. Ich war auch auf der Hochzeit. Ich habe dich beobachtet. Als Kissaras Erster Offizier wäre es ja eigentlich meine Pflicht gewesen sie zu vertreten. Bedauerlicherweise bin ich aber nicht weiblich und so konnte ich nach dem Ritus der Könige auch nie Nuguras Trauzeugin werden. So kam die Reihe an dich. Abraham hatte mit deinem Gewissenskonflikt schon gerechnet und deshalb hat er das mit der Fürbitte arrangiert. Außerdem weiß ich wer du bist! Ich weiß, dass du nicht in unsere Dimension gehörst. Abraham hat mir alles erzählt. Dein Verhalten spricht Bände. Du bist nicht krank. Du bist es nie gewesen. Das war nur eine Schutzbehauptung um deine Wissenslücken zu erklären. Ich hätte es in deiner Situation nicht anders gemacht.“
Ich musste schlucken. Er hatte mich genau erwischt. Aber anscheinend hatte er keine bösen Absichten. Sonst hätte er mich auf der Stelle in die Arrestzelle gesperrt und mich nicht zu so einem Treffen eingeladen. Er schien auf meiner Seite zu sein. Er schien die Dimension genauso zerstören zu wollen wie ich, auch wenn das seinen eigenen Tod bedeutete. Aber er wusste auch, dass das Regime der Angst, das Sytania aufgebaut hatte, auf keinen Fall länger bestehen durfte. Auch die Tatsache, dass die Föderation eine kriegerische Macht geworden war, die nur noch zum Ziel hatte, andere Völker zu unterwerfen und neue Herrschaftsgebiete für Sytania zu erobern, schien ihm zu missfallen. Er war also eindeutig ein Mitglied des Widerstandes. Aber welche Motive hatten Kang und Jannings und was hatte Fletcher damit zu tun. Wenn er auch ein Mitglied des Widerstandes war, dann hatte er das bisher vor mir geschickt verborgen.
Ich setzte mich aufrecht hin, holte tief Luft und sagte: „Ich gebe es zu! Ich stamme aus einer fremden Dimension und muss die eure zerstören um wieder nach Hause zu kommen. Die Existenz eurer Dimension bedroht außerdem das Gleichgewicht aller anderen!“ Von allen dreien erfolgte nur ein erleichtertes einhelliges Seufzen, statt der Standpauke, die ich erwartet hatte. „Moment.“, sagte ich verwirrt. „Ihr seid froh darüber?“ „Oh ja.“, erklärte Mikel. „Weil wir alle wissen, dass die Situation auf keinen Fall so weiter bestehen darf. In der Heiligen Schrift heißt es, dass eines Tages eine Zerstörerin der Welten kommen wird, die unserer Kindlichen Göttin die Angst nimmt und ihre Tränen abwischt. Das bedeutet allerdings das Ende unserer Welt. Du kannst dir denken, dass das nicht gut ankommt bei Sytania, weil es auch ihren Sturz bedeutet. Deshalb hat sie diesen Teil des Buches der Angst, wie unsere Heilige Schrift heißt, verboten. Abraham predigt ihn aber trotzdem jedem, der ihn hören will. Die Fürbitte war ein Test, Betsy. Mit ihr wollte Abraham herausfinden, ob du dich trauen würdest, Zwietracht zwischen Sytania und Nugura zu sähen. Den hast du mit Auszeichnung bestanden! Wir haben dich zu unserer Attentäterin gemacht. Das Attentat, das du auf die zwei verübt hast, war effizienter als jede Bombe. Du hast Zweifel in Nugura geweckt und sie wird sich jetzt nicht mehr so einfach Sytania hingeben. Der Befehl, den Sytania uns gegeben hat, zeigt eindeutig, dass auch sie ins Wanken gerät.“ „Das ist ja schön und gut.“, erwiderte ich. „und ich habe damit auch kein Problem. Im Gegenteil. Ich war gern eure Attentäterin. Aber woher wusste Reltchef Mahabra, als er diese Fürbitte verfasste, dass eines Tages … Verdammt!“
Mir war es wie Schuppen von den Augen gefallen! Reltchef Mahabra war ein Anagramm von Abraham Fletcher! Mikel arbeitete für den Geheimdienst! Er kannte Mittel und Wege, jemandem eine andere Identität zu verschaffen. Drohte diese Aufzufliegen, ließ man sie einfach unglücklicherweise eines natürlichen Todes sterben. So konnte Abraham Fletcher weiterhin das Leben eines unbescholtenen Priesters führen.
„Ich denke, du weißt Bescheid.“, sagte Mikel, der meine Gedankengänge aufgrund meiner Reaktion bereits nachvollzogen hatte. Ich gab nur einen bestätigenden Laut von mir. Ich hatte verstanden. Fletcher war eine Art moderner Martin Luther, der den Mächtigen mit seinem Tun im Weg sein wollte und die Religion reformieren wollte, damit nichts verschwiegen wurde und alle Bescheid wussten. Dann sagte ich: „Dein Motiv und das von Abraham ist mir jetzt klar, Mikel. Aber was hat Jannings und Kang bewogen, dem Widerstand beizutreten?“ „Bei mir waren es die künstlichen Intelligenzen.“, sagte Jannings. „Sie können so viel und dürfen doch so wenig und das nur, weil Sytania ihre Macht aufrechterhalten will. Das habe ich nicht eingesehen. Als einem ausgebildeten Ingenieur tat mir das richtig in der Seele weh.“ „Bei mir ist die Sache komplizierter.“, merkte Kang an. „Kanzler Klark ist der Meinung, dass wir uns gegen Sytania wehren müssen, weil er denkt, sie wird vor den Grenzen der Föderation nicht haltmachen. Genauso denkt übrigens auch der Rest des Hohen Rates der Klingonen und auch Prätora Shashana von den Genesianern. Das klingonische Reich und Genesia Prime sind sich darüber einig, dass ihr Brückenkopf im Universum nichts Gutes bedeutet. Wir denken, sie muss vertrieben werden. Wir wissen, dass Sytania nicht in Gebietsgrenzen denkt, sondern in ganzen Dimensionen. Shashana und Klark glauben beide, es sei nur noch eine Frage der Zeit, wann sie die Sternenflotte auf ihre Schiffe loslässt und uns und den Genesianern den Krieg erklärt. Nur über die Vorgehensweise sind sie sich uneins. Wir Klingonen empfinden die Kräfte der Mächtigen als unehrenhaft. Es ist eine unehrenhafte Art zu kämpfen. Deshalb würden wir am liebsten die Erde, auf der ihr Schloss steht, mit einer Menge Photonentorpedos mit Rosannium beschießen. Das würde die Atmosphäre verseuchen und die Erde wäre vielleicht für Jahrhunderte Sperrgebiet für andere Telepathen, mit denen wir uns, wäre Sytania aus dem Weg, ja jederzeit anfreunden dürften.“ „Aber es gibt doch …“, warf ich ein, korrigierte mich aber sofort wieder, denn ich wusste genau, Meilenstein konnte es nicht geben. Da die Romulaner ja mit den Vulkaniern genetisch verwandt waren, waren auch sie telepathisch und Sytania hatte sie bestimmt längst ausräuchern lassen. Deshalb sagte ich nur leise zu mir: „Vergiss es, Betsy.“ „Ich weiß, woran du gedacht hast.“, sagte Mikel. „Benevidea hat mir das gleiche Wissen gegeben, dass auch dein Mikel hat. Aber du hast Recht. Ein Bündnis zwischen den Romulanern und uns hat es nie gegeben. Sytania hat sie alle töten lassen. Sie waren ihr im Weg. Sie war eifersüchtig auf sie. Da haben wir das übrigens gemacht mit dem Rosannium.“ „Oh mein Gott!“, rief ich aus. „Wieviel Rosannium habt ihr denn verwendet?! „Einige Megatonnen.“, sagte er. „Sytania und Kissara wollten wohl ganz sicher gehen!“ „Das heißt, das romulanische Sonnensystem könnte jetzt über Jahrhunderte Sperrgebiet für Schiffe mit Telepathen an Bord sein!“, erwiderte ich betroffen. „Das war doch echt ein Schuss mit Kanonen auf Spatzen!“ „Du hast Recht.“, seufzte Mikel.
Ich wandte mich Kang zu: „Sie waren noch nicht fertig, Warrior. Was meint Shashana?“ „Die Oberste Prätora der Genesianer bevorzugt eine andere Lösung.“, sagte der Klingone. „Die Genesianer denken, ein Kampf ist so lange ehrenhaft, wie beide Gegner die gleichen Waffen haben. Dazu passt auch ihr Vorschlag. Sie will beide Sytanias aufeinander hetzen, also die Kopie und das Original. Ihr ist bewusst, dass wir alle, Also auch Sytania, nur Kopien sind. Ihr sind auch die interdimensionalen Auswirkungen klar, wenn diese Dimension noch weiter existiert. Sie weiß auch um das Risiko, dass sich beide gegenseitig neutralisieren könnten. Aber sie denkt, das kriegen wir schon hin. Sie glaubt, wir können schon irgendwie dafür sorgen, dass so etwas nicht passiert.“ „Und wie es aussieht, wird wohl alles auf Shashanas Lösung hinauslaufen.“, sagte Mikel. „Abraham und du, ihr habt ja schon alles dafür vorbereitet, Betsy.“ „Stimmt.“, gab ich zu. „Aber wie gehen wir jetzt weiter vor?“ „Wir gehen gleich alle wieder fein an unsere Arbeit.“, sagte Mikel. „Dann werde ich Kissara erneut vorschlagen, dass wir durch deine Heimat ins Dunkle Imperium fliegen.“ „Das geht nicht, Mikel.“, sagte ich. „Solange ich an Bord dieses Schiffes bin, kann es nicht auf direktem Wege in meine Heimat fliegen!“
Er nahm mich in den Arm. „Ruhig!“, sagte er. „Natürlich kann es das nicht. Aber Kissara wird es trotzdem versuchen wollen. Jannings wird feststellen, dass eine wichtige Komponente durchbrennt, die für den Wiedereintritt in eine Dimension unerlässlich ist. Das wird dafür sorgen, dass wir alle das Schiff verlassen müssen. Das gibt Jannings die Gelegenheit, Data und dich an einen Ort zu schaffen, an dem ihr Hilfe bekommen könnt.“ „Was für ein Ort wird das sein, Mikel?“, fragte ich. „Das kann und werde ich dir nicht verraten.“, sagte er. „Es ist besser, wenn du nicht zu viel weißt. Ich frage dich noch einmal: Vertrauest du mir?“ „Ja!“, erwiderte ich fest. „Ich vertraue dir. Aber was ist mit euch allen?“ „Ich habe die Rettungskapseln bis auf eine so programmiert, dass sie in unsere Dimension zurückfliegen.“, sagte Jannings. „Nur Kissara wird auf dem Schiff bleiben wollen, wie ich sie einschätze.“, sagte Mikel. „Sie ist Sytania so treu ergeben, dass sie auf jeden Fall versuchen wird, in deine Heimat zu gelangen, auch wenn ihr dabei das Schiff unter dem Hintern zerbröselt. Genau das wird nämlich passieren, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Techniker.“ „Das haben Sie, Agent.“, sagte George. „Ich könnte die physikalischen Zusammenhänge hier zwar genau erklären, aber ich denke, das führt zu weit.“ „Schon gut.“, sagte ich. „OK, ich mache mit.“ „Fein.“, sagte Mikel. „Dann können wir dieses Treffen ja auflösen.“ Er nahm mich bei der Hand: „Komm schon.“ Dann gingen wir aus der Tür zum Turbolift, der uns zur Brücke bringen sollte. Auch Kang begleitete uns und Jannings ging wieder in den Maschinenraum.
Ich aber musste während der Fahrt über etwas nachdenken, das Mikel gesagt hatte. Kissara sollte eine verblendete Royalistin sein? Sie, eine freiheitsliebende Thundarianerin, die einer terranischen Katze so ähnlich war, die sich ja auch nichts sagen ließ? Andererseits wusste ich aber auch, dass Katzen Opportunisten sein konnten, die dort blieben, wo es ihnen gut ging. Vielleicht war das ja die Erklärung.
Wir hatten die Brücke betreten und Kissara hatte mich auf meinen Posten befohlen. Auch Mikel und Kang hatten die ihren eingenommen. „Lassen Sie uns jetzt am besten keine Zeit verlieren!“, sagte Kissara. „Es ist besser, wir finden so schnell wie möglich heraus, was unsere arme Großartige Königin Sytania daran hindert in der Nacht einen ruhigen Schlaf zu finden. Ich denke, wenn uns das gelingt, wäre am Ende sogar eine Belobigung für uns drin!“ „Sofort, Madam!“, gab ich fest zurück, musste aber gehörig mit einem Lachanfall kämpfen. Ihre doch sehr theatralisch anmutenden Worte fand ich irgendwie fast lustig. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich am liebsten laut losgelacht.
„Oh nicht so forsch, Allrounder.“, sagte Kissara. „Ihr Feuereifer in allen Ehren. Aber ich sollte mir doch noch anhören, was sich alle überlegt haben.“ „Das ist mein Stichwort.“, sagte Kang. „Wissen Sie, Commander, Agent Mikel und ich wissen aus sicherer Quelle, dass die Gerüchte um die zweite Mächtige wahr sind. Es ist nicht nur Allrounder Scott, die von ihr weiß. Aber da sie uns alle Informationen bestätigt hat, wissen wir auch, dass es jetzt in der Dimension, in der diese Person wohnt, Nacht ist. Es werden also alle schlafen. Wenn wir dann auch noch die Passage nutzen, die Ihnen der Agent bereits einmal vorgeschlagen hat, sollte es uns möglich sein, alle dort zu überraschen. Seit die Sternenflotte interdimensionale Antriebe benutzt, rechnet niemand mehr damit, dass jemand auf dem konventionellen Weg kommen könnte. Laut Scott und auch laut Mikels weiterer Quelle könnte es also sehr gut sein, dass die zweite Sytania ihre Wachen von den Wirbeln zurückgezogen hat. Sie sind ein direkter Zugang zum Dunklen Imperium aus einer anderen Dimension heraus, in die wir zuerst fliegen müssen. Das wäre zwar ein Umweg, aber wie ich schon sagte. Niemand wird damit rechnen, dass wir ihn gehen.“ „Das klingt sehr gut, Warrior.“, schnurrte Kissara. „Obwohl ich Ihnen so eine Strategie nicht zugetraut hätte. Ich habe immer geglaubt, solche Pläne seien Ihrem Volk zuwider.“ „Das wäre auch der Fall, wenn diese Person eine ehrenhafte Kriegerin wäre, Commander.“, sagte Kang. „Aber sie ist selbst hinterlistig wie ein Romulaner. Warum zeigt sie sich nicht? Stattdessen quält sie unsere arme unschuldige Großartige Königin mit ihrer telepathischen Anwesenheit. So etwas kann ich beim besten Willen nicht ehrenhaft nennen, Madam.“ „Nun, wenn Sie es so betrachten, Mr. Kang.“, sagte Kissara. „Dann bleibt mir nichts anderes übrig als der Strategie, die sich der Agent und Sie da zurechtgelegt haben, aus vollem Herzen zuzustimmen. Mikel, ich denke, Sie haben unserem Allrounder die Koordinaten der anderen Dimension bereits gegeben. Jedenfalls würde ich Sie so einschätzen. Sie sind ja immer sehr fleißig, was Ihre Arbeit angeht.“ „Das habe ich, Kissara.“, sagte der Erste Offizier. Dann zischte er mir auf Deutsch zu: „Du weißt, was du zu tun hast.“
Ich rief die Eingabemaske für den interdimensionalen Antrieb auf und gab die Koordinaten meines heimatuniversums ein. Dann sagte ich: „Bereit auf Ihren Befehl, Madam!“ „Na dann!“, sagte Kissara und klang dabei sehr kämpferisch. „Aktivieren!“
Ich bestätigte meine Eingabe und der interdimensionale Antrieb aktivierte sich. Alsbald wurden wir aber von einer seltsamen Kraft zurückgeworfen. Ich musste alle meine fliegerischen Register ziehen, um das Schiff, das wie ein von einem Schläger getroffener Ball hin und her hüpfte, wieder zu stabilisieren. „Was zur Hölle passiert hier gerade, Allrounder?!“, wandte sich eine ziemlich verwirrt anmutende Kissara mir zu. „Es scheint eine Störung in der Dimension zu geben, die verhindert, dass wir in sie vordringen können, Commander.“, erwiderte ich, nachdem ich den Computer konsultiert hatte. Mein Hilfsmittel hatte mir das Phänomen als Energiebarriere beschrieben. „Gibt es irgendeine Möglichkeit, das Phänomen zu überwinden?!“ „Das kann ich Ihnen nicht beantworten, Madam!“, sagte ich aufgeregt. „Das Phänomen ist weder dem Computer noch mir bekannt!“ Dabei hatte ich definitiv gelogen, denn ich wusste genau, was der Grund dafür war. Aus der Kommunikation über die tindaranische Sonde, die zwischen Shimar und mir stattgefunden hatte, war ich schließlich über alles im Bilde. Ich wusste, dass Benevidea eine Mauer geschaffen hatte, über die es unmöglich war, dass ich direkt wieder in meine Heimat kommen konnte, oder dass jemand mich auf direktem Wege befreien konnte. Solange ich an Bord dieser Granger wäre, würde also auch sie nicht in meine Heimat vordringen können. Jetzt aber durfte ich niemanden wissen lassen, wie gut ich Bescheid wusste, wenn ich sicherstellen wollte, dass unser Plan funktionieren sollte. Also schwieg ich.
„Ich will verdammt sein, wenn eine Energiebarriere uns stoppen kann, wenn wir eine Mission zum Wohl der Großartigen Königin ausführen wollen!“, sagte Kissara. Erneut fiel mir ihre theatralische Sprechweise auf und ich musste mich sehr zusammennehmen. Aber anscheinend konnten das alle hier recht gut. Wenn ich ehrlich sein sollte, dann erinnerte mich ihre Sprechweise sehr an die von Sytania selbst. Aber wenn ich ihr das sagte, dann würde sie das vielleicht sogar noch als Kompliment auffassen. Aber für sie und auch für alle anderen schien das ja ohnehin völlig normal zu sein. Also würde auch ich mir nichts anmerken lassen. „Sie halten unseren Kurs, Allrounder!“, sagte sie. „Das ist ein Befehl!“
Die Sprechanlage auf ihrer Konsole piepte. Am anderen Ende der Verbindung war Jannings. „Commander, der interdimensionale Antrieb kommt an seine Belastungsgrenze!“, ermahnte er sie. „Der Feldgenerator ist auf kritischem Niveau! Wenn das so weitergeht, wird er durchbrennen und wir werden keine strukturelle Integrität haben, wenn wir wieder in eine Dimension eintreten. Der Computer empfiehlt eine Notabschaltung! Wenn wir nicht bald eine Entscheidung treffen, tut er es auch!“ „Können Sie das Sicherheitsprogramm umgehen, Techniker?!“, fragte Kissara. „So etwas dürfte für Sie doch ein Leichtes sein. Schließlich sind Sie ausgebildeter Ingenieur.“ „Natürlich könnte ich das.“, sagte Jannings. „Aber ich glaube, bei allem Respekt, dass Ihnen die Konsequenzen nicht klar sind, wenn ich das täte, Commander. Wenn ich das tue, dann wird das unser aller Tod sein! Das Schiff wird in seine Einzelteile zerfallen, sobald es wieder in eine Dimension eintritt. Wenn es sich um ein Universum handelt, haben wir dort keinen Sauerstoff und keinen positiven Druck. Das Vakuum wird uns alle töten!“
Er hatte gerade seinen Satz beendet, als ein gewaltiger Kurzschluss durch die Systeme des Schiffes fuhr. Da ich das Knistern der elektrischen Ladung bereits gehört hatte, hatte ich mich aber rechtzeitig von der Konsole fortdrehen können. Trotzdem hörte ich Mikel zu Jannings sagen: „Techniker, beamen Sie Allrounder Scott auf die Krankenstation!“ „Aye, Sir!“, kam es zurück und dann wurde ich von einem Transporter erfasst. Ich stellte keine Fragen. Schließlich hatte ich ihm versprochen ihm zu vertrauen.
Dass es an allen Ecken und Enden der Brücke zu zischen und zu knallen begonnen hatte, war darin begründet, dass die Systeme aufgrund der fehlenden strukturellen Integrität bereits zu versagen begonnen hatten. Wo nichts mehr zusammengehalten wurde, war ja auch ein reibungsloser Ablauf nicht mehr möglich. „Also gut.“, sagte Kissara. „Anscheinend hatte Jannings doch Recht. Mikel, sagen Sie allen, sie sollen die Rettungskapseln aufsuchen! Ich werde nicht mitkommen. Ich werde zum Wohl unserer Großartigen Königin versuchen, diese Person allein aufzuspüren!“ „Aber wäre es nicht besser, wenn …!“, gab Mikel vor ein Veto einlegen zu wollen. „Sie nehmen die Crew und verlassen mit ihr das Schiff, Agent!“, befahl Kissara. „Das ist ein Befehl, Agent!“ „Aye, Madam.“, sagte Mikel und wandte sich ab um zu gehen.
Kissara sah ihrem Ersten Offizier und ihrem Strategen noch nach, als sie gemeinsam die Brücke verließen. Dann begab sie sich selbst zum Steuerpult. „Computer, ich übernehme!“, befahl sie. „Steuerkontrolle wird übergeben.“, kam es nüchtern zurück. „Deaktivierung des Autopiloten ist erfolgt.“
Sie legte ihre Hände auf die Kontrollen. Dabei fiel ihr auf, dass es weitaus besser wäre, wenn sie das Schiff per Handsteuerung fliegen würde, als nur bloße Zahlen einzugeben. Diesen Trick hatte sie sich von mir abgeschaut. Erneut wandte sie sich also dem Rechner zu: „Computer, manuelle Steuerung aktivieren!“ „Befehl wird ausgeführt.“, sagte der Rechner und alsbald meldete ihr ein Lämpchen, dass die manuelle Steuerung jetzt bereit zur Bedienung war. „Na gut.“, sagte Kissara und griff fest nach den beiden Joysticks. „Dann wollen wir mal sehen, ob wir diese Barriere nicht doch kleinkriegen.“ Sie sah starr auf den Bildschirm, der ihr den Kurs anzeigte, als wollte sie allein durch ihren Blick verhindern, dass das Schiff ihn verließ.
Der Rechner meldete ihr wenig später, dass alle Rettungskapseln gestartet waren. Da auch die gestartet war, in die Jannings Data und mich gebeamt hatte, änderte sich die Situation schlagartig. Die Barriere verschwand, aber der Computer warnte Kissara trotzdem vor dem Eintritt in mein Heimatuniversum: „Warnung! Der interdimensionale Antrieb hat erhebliche Fehlfunktionen! Beim Eintritt in diese Dimension besteht eine 100-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass die strukturelle Integrität nach der Rematerialisierung nicht mehr vorhanden ist. Ein Abbruch des Interdimensionalfluges wird empfohlen.“ „Verdammt!“, sagte Kissara. „Ich dachte, Mr. Jannings hätte dieses verfluchte Programm umgangen! Interdimensionalflug fortsetzen, Computer! Sicherheitsprotokoll nicht ausführen! Sicherheitsgenehmigung: Kissara, K12120 Alpha!“ „Sicherheitsgenehmigung bestätigt.“, gab der Rechner nüchtern zurück. „Befehl wird ausgeführt.“
Die Kopie der Granger flog tatsächlich in unser Universum ein. Allerdings kam sie so unglücklich an, dass sich ihre Hülle verformte und auch einige Teile einfach abfielen. Das Schiff flog buchstäblich auseinander, als hätte jemand vergessen einige Schrauben nachzuziehen. Das war ein Ereignis, das der originalen Granger, die an den ihr von Zirell zugewiesenen Koordinaten gewartet hatte, nicht entgangen war. Ribanna, die Mikel, der das Kommando zu jener Zeit hatte, den Vorgang gemeldet hatte, starrte immer nur fassungslos auf ihren Bildschirm. „Was ist da passiert, Ribanna.“, fragte der Erste Offizier, der aus ihrem merkwürdigen Gestammel nicht schlau geworden war. Auch sein Hilfsmittel, das ja Mikel und ich normalerweise gleichermaßen benutzten, hatte ihm die Situation nicht beschreiben können. Für den Rechner musste das auch ein absolutes Novum gewesen sein, was er dort sah.
„Ich kann nicht glauben, was ich da gerade gesehen habe, Sir.“, stammelte Ribanna. „Aus der interdimensionalen Schicht ist ein Schiff ausgetreten, das genauso aussieht wie wir. Zumindest sah es so aus, bis, … bis, … bis.“, „Nun sagen Sie es schon.“, drängte Mikel. „Ich bin einiges gewohnt.“ „Bis es vor meinen Augen in seine Einzelteile zerfiel, Sir.“, sagte Ribanna und erwartete wohl eine Standpauke, wenn man den Ausdruck in ihrem Gesicht betrachtete. Mikel aber sah sie nur ruhig an und fragte: „Könnten Sie das noch einmal wiederholen, Allrounder?“ „Ich sagte, dass diese Granger buchstäblich in ihre Einzelteile zerfallen ist, Agent. Das geschah gleich nach ihrem Austritt aus der interdimensionalen Schicht. Agent, im Inneren der völlig verformten Hülle befindet sich ein Lebenszeichen! Es ist thundarianisch und sehr schwach. Der Erfasser identifiziert es als das von Commander Kissara.“
Wie auf Stichwort öffnete sich die Tür der Brücke und die eben noch schwach und krank Geglaubte stand hinter Mikel. „Das kann nicht sein, Ribanna.“, sagte sie, die den letzten Satz des indianischen Allrounders bereits mitbekommen hatte. „Ich stehe doch hier und fühle mich großartig!“ „Vielleicht kann es doch sein.“, überlegte der Erste Offizier laut. „Wir wissen, dass es eine Kopie unseres Universums da draußen gibt. Warum sollte es nicht auch eine Kopie der Granger dort geben und somit vielleicht auch eine Kopie von jedem von uns einschließlich Ihrer Person, Kissara. Ribanna, mussten Sie irgendwelche Anzeigen durch den Computer filtern lassen, damit er ihre Lebenszeichen erkennen kann?“ „Ja, das musste ich allerdings, Agent.“, gab meine Vertretung zu. „Das war merkwürdig. Die Grundfrequenz ihrer Hirnwellen entspricht der von Benevidea.“ „Natürlich tut sie das.“, sagte Kissara, die sich inzwischen auf ihren Platz gesetzt hatte. „Alle Gegenstände und Personen in dem kopierten Universum sind ihre Schöpfungen. Das Merkmal, das natürliche Geschöpfe von denen Mächtiger unterscheidet, ist die Tatsache, dass die Geschöpfe Mächtiger immer die Grundfrequenz der neuralen Energie ihres Schöpfers irgendwo aufweisen. Ich wette mit Ihnen allen, wir werden sie sogar in den Antrieben der Kopie unseres Schiffes finden. Aber darum soll sich Mr. Jannings kümmern. Allrounder, sagen Sie ihm, er soll meine Kopie da rausholen und sie auf die Krankenstation beamen. Sie wird ein DekompressionTrauma erlitten haben. So wie das Schiff aussieht, wird da an Bord ja nichts mehr funktionieren, also auch nicht die Lebenserhaltung. Von der künstlichen Schwerkraft und den anderen Umweltkontrollen ganz zu schweigen. Mikel, sobald sie vernehmungsfähig ist, werden wir beide mit ihr sprechen. Es sind noch diverse Fragen offen, die geklärt werden müssen.“ „Sofort, Madam.“, sagte Ribanna und auch Mikel nickte die Befehle seiner Vorgesetzten ab.
Die Thundarianerin wendete sich ihrem Strategen zu, der auch die Konsole für den Traktorstrahl bediente: „Warrior, nehmen Sie diesen Schrotthaufen da in den Traktorstrahl! Techniker Jannings und Elektra sollen ihn genauestens unter die Lupe nehmen. Sie sollen herausfinden, was dazu führen kann, dass ein Schiff einfach in seine Einzelteile zerfällt, als hätte man sämtliche Bolzen und Verbindungen auf einmal gelöst. Meine Kopie kann im Moment aufgrund ihres Gesundheitszustands sicher keine Antworten liefern, aber vielleicht kann es das Schiff.“ „Das will ich hoffen, Madam.“, sagte der Klingone und erfasste die Kopie der Granger, oder zumindest das, was noch von ihr übrig war, mit dem Traktorstrahl. „Ich kann nämlich keine Hinweise auf Waffenfeuer, Explosionen oder dergleichen finden.“
Ribanna wandte sich Kissara zu: „Madam, Techniker Jannings meldet, er hat Ihre Kopie auf die Krankenstation gebeamt.“ „Sehr gut.“, sagte Kissara. „Dann sagen sie ihm gleich einmal, er soll seinen besten Raumanzug anziehen und zusammen mit seiner Assistentin die andere Granger aufsuchen. Mich würde brennend interessieren, was da drüben geschehen ist.“ „Ja, Commander.“, nickte die junge Indianerin und führte ihren Befehl aus.
Mikel hatte sich Kissara zugedreht: „Denken Sie, dass Zirell das meinte, als sie uns hierhergeschickt hat?“ „Dessen bin ich mir sicher, Agent.“, sagte Kissara. „Sie wird exakt das hier gesehen haben und wollte wohl, dass wir zur rechten Zeit am rechten Ort sind.“ „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte der junge Terraner. „Wenn wir einmal von der Tatsache ausgehen, dass Loridana gerade dabei ist, Ihrer Kopie das Leben zu retten. Dann darf keine Minute zu viel vergehen.“ Kissara nickte nur beifällig.
Kapitel 30: Entscheidende Schritte
von Visitor
Ich hatte mich in einer Rettungskapsel wiedergefunden. Das war mir aber erst bewusst geworden, nachdem ich mich kurz orientiert und um mich getastet hatte. Neben mir saß Data. Jannings und Mikel hatten also wortgehalten.
Datas bekannte und vertraute Stimme sprach mich an: „Sind Sie in Ordnung, Allrounder?“ „Ich denke schon.“, sagte ich. „Jedenfalls tut mir nichts weh und auch sonst scheint alles ok zu sein. Wo sind wir, Commander?“ „Den Daten nach, die ich bei einem Blick aus dem Fenster sammeln konnte, befinden wir uns im Dunklen Imperium.“, sagte Data. „Also nichts mit Krankenstation.“, sagte ich. „Ich habe Mikel so etwas sagen hören. Aber offenbar war das nur ein Zeichen für Jannings. Er muss gewusst haben, dass ich den Kurzen hören und mich wegdrehen würde.“ „Davon gehe ich aus.“, sagte Data. „Dieser Mikel wird das gleiche Wissen und die gleiche Intelligenz haben, die auch der originale Agent Mikel hat. Benevidea wird während des Schöpfungsaktes dafür gesorgt haben. Mir ist aufgefallen, dass viele unserer Freunde und Bekannten hier nur in den Dingen abweichen, die für die Geschichte der duplizierten Dimension relevant sind.“ „Das habe ich auch schon gemerkt.“, bestätigte ich. „Aber alle dort sind so schrecklich naiv!“ „Korrekt.“, sagte Data knapp. „Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass auch dies von Benevidea beabsichtigt war. Sie wollte uns offensichtlich einen Spiegel vorhalten, da sie Angst hatte, wir könnten jetzt Sytania anheimfallen.“ „Um Himmels Willen!“, rief ich aus. „Warum haben ihre Eltern nicht mit ihr geredet?! Ihnen muss doch aufgefallen sein, dass es ihrer Tochter nicht gut ging!“ „Ängste und Sorgen könnten den Mächtigen fremd geworden sein.“, stellte Data eine Theorie auf. „OK.“, sagte ich zögernd, da ich im gleichen Moment angefangen hatte über ebendiese nachzudenken. „Das könnte tatsächlich sein, Commander.“, sagte ich dann. „Wenn man sich vorstellt, dass sie theoretisch jede Unbill mittels ihrer Kräfte aus dem Weg räumen können, dann müssen sie ja vor nichts mehr Angst haben und sich um nichts mehr sorgen. Ihnen konnte also gar nicht in den Sinn kommen, dass Benevidea Angst haben könnte. Es passt einfach nicht mehr in ihr Denken.“ Data nickte nur. Dann sagte er: „Sie selbst stellten einmal die Theorie auf, dass Mächtige oft nur aus dem Grund so verklausuliert mit uns kommunizieren, da sie nicht mehr zur vergleichsweise einfachen Kommunikation mit uns vergleichsweise primitiven Wesen in der Lage sind. Sie sagten, sie täten es nicht um uns zu ärgern, sondern sie täten es, weil sie nicht mehr anders können. Ihre und unsere Entwicklung in der Kommunikation und auch in anderen Dingen klaffe zu weit auseinander. Sie führten damals als Beispiel an, dass Sie dies bereits in der Kommunikation zwischen Erwachsenen und Kindern beobachtet hätten. Ihre Beobachtungen ließen sich zweifelsfrei auf die anderen genannten Situationen übertragen und wer bin ich schon, dass ich in Sachen Kommunikation das Urteil einer ausgebildeten Kommunikationsoffizierin in Zweifel ziehe.“ Ich musste lächeln.
Vorsichtig hatte ich mich in Richtung des Steuerpultes gedreht. „Wo wir gerade von Kommunikation reden.“, sagte ich. „Ich finde, jemand von uns sollte dieser Kapsel mal klarmachen, wohin wir wollen!“ Damit berührte ich die Kontrollen.
Kaum hatte ich dies aber getan, spielte der Computer eine Nachricht ab: „Hallo, Betsy, Hallo, Commander Data. Wenn einer von Ihnen die Kontrollen berührt, wird diese Nachricht automatisch aktiviert. Ihr müsst versuchen bei Logar Hilfe zu finden. Ihr müsst ihm sagen, was hier passiert ist. Aus dem Dunklen Imperium heraus könntet ihr jederzeit nach Hause fliegen, aber die Dimension würde es trotzdem noch geben. Bitte denkt daran. Bitte tut das Richtige. Bitte lasst uns nicht im Stich! Der Autopilot wird sich deaktivieren, sobald diese Nachricht endet. Sie wird sich danach selbst löschen und es wird aussehen, als hätte sie nie existiert.“ Die Nachricht endete. „Keine Sorge, Mikel.“, flüsterte ich, die seine Stimme und damit auch ihn einwandfrei als Verfasser der Nachricht identifiziert hatte. „Ich werde euch nicht im Stich lassen.“
Ein Signal machte mich darauf aufmerksam, dass der Autopilot deaktiviert war. „Ich denke, wir sollten uns mit Iranach in Verbindung setzen.“, sagte ich. „Sie ist Logars Vertraute und seine Oberste Vendar. Ich denke, Sie wird die Situation am ehesten verstehen.“ „Bestätigt.“, sagte Data. „Während Sie mit Iranach sprechen, werde ich das Steuer übernehmen.“ „OK.“, sagte ich und wandte mich der Tastatur des Sprechgerätes zu um dort das Rufzeichen von Iranachs Garnison einzugeben, das mir sehr wohl bekannt war und das ich auch auswendig konnte. Überhaupt hatte ich viele Rufzeichen auswendig gelernt. Vielleicht war das auch nur eine Marotte von mir, aber ich wollte mich eben nicht allein auf die Technologie verlassen. Außerdem trainierte ich so mein Gedächtnis, wie ich fand.
Mein Ruf wurde von der mir ebenfalls sehr gut bekannten Stimme Talans beantwortet, der anscheinend gerade Dienst in der Kommandozentrale der Vendar zu haben schien: „Ich grüße dich, Betsy El Taria. Wo bist du? Deinem Rufzeichen nach ist das nicht die Granger.“ „Das stimmt, Talan.“, sagte ich. „Ich bin in einer Rettungskapsel. Data ist auch bei mir. Wir brauchen eure Hilfe und müssen euch eine unglaubliche Geschichte erzählen! Wo ist deine Ausbilderin? Hol sie bitte. Ich muss mit ihr reden.“ „Ich hole sie.“, sagte der Novize und legte mich in die Warteschleife. Dann ging er hinüber in den Nebenraum, wo sich Iranach aufhielt. Sie besprach gerade etwas mit ihrem Stellvertreter.
Das Gesicht ihres Schülers im Türrahmen ließ sie kurz von den Unterlagen aufblicken. „Was gibt es, Talan?“, fragte sie mild. „Ausbilderin, ich habe Kontakt zu Betsy El Taria.“, sagte Talan. „Sie sagt, sie sei in einer Rettungskapsel unterwegs. Data El Omikron-Theta sei auch bei ihr. Sie müsse uns eine unglaubliche Geschichte erzählen und sie benötigt unsere Hilfe. Sie hat dringend nach dir verlangt, Ausbilderin.“
Mit einem Schlag hatte er Iranachs vollständige Aufmerksamkeit. „Was hast du gerade gesagt?!“, fragte die Vendar hektisch. „Du hast Kontakt zu wem?! Geh wieder nach nebenan und schalte mir das Gespräch auf diese Konsole!“ „Sofort, Ausbilderin!“, sagte Talan zackig und verließ den Raum.
Für mich hatten sich die Sekunden in der Warteschleife wie Stunden angefühlt. Deshalb war ich auch so froh, als ich seine Stimme wieder hörte: „Betsy El Taria, ich verbinde dich jetzt mit meiner Ausbilderin.“ „OK, Talan.“, antwortete ich und wartete ab, bis ich Iranachs Stimme hörte: „Ich höre dich, Betsy El Taria! Wir alle glaubten, wir würden dich nicht wiedersehen. Wie ist es dir und Data El Omikron-Theta in der fremden Dimension ergangen?“ „Und da wird es kompliziert, Iranach.“, sagte ich. „Ich werde dir alles erzählen. Aber das würde ich lieber in einer ruhigeren Atmosphäre tun. Ich benötige vielleicht auch die Hilfe deines Gebieters Logar. Aber darüber können wir reden, wenn du alle Fakten kennst. Nur so viel: Wir sollten keine Zeit verlieren!“ „Dann suche dir einen Platz zum landen und aktiviere die Positionslichter deiner Kapsel!“, instruierte sie mich. „Dann finde ich dich schon. Talan wird mich begleiten. Nach allem, was ich hier sehe, sieht deine Kapsel auch etwas mitgenommen aus. Wenn wir dich gefunden haben, wird Talan an deinem Aufenthaltsort verbleiben und die Techniker einweisen, die dann nachkommen werden. Wir beide fliegen zu Logar und du informierst ihn!“ „Sekunde, Iranach.“, sagte ich. „Hast du gerade fliegen gesagt?“ „In der Tat!“, bestätigte die Vendar. „Ich muss dir nämlich auch noch einiges erklären.“ Sie beendete die Verbindung und ich vermied es genauer nachzufragen, denn ihre Stimmlage hatte sich hektisch verändert. Sie schien es plötzlich sehr eilig zu haben.
Die Kapsel senkte sich plötzlich. Data, der ja alles mitgehört hatte, da ich das Sprechgerät auf Lautsprecher geschaltet hatte, musste einen Platz zum Landen gefunden haben. „Ich habe die Positionslichter aktiviert.“, sagte er. „Lassen Sie uns hier warten.“ „Gute Idee.“, sagte ich. „So kann uns Iranach auch besser vom Shuttle aus orten.“ Ich ahnte ja nicht, womit sie wirklich zu uns kommen würde und was das noch für mich bedeuten würde.
Shimar war aus seinem Bett hochgeschreckt. Seit langer Zeit hatte er wieder von mir geträumt. Ich hatte zwar schon länger wieder den Kaffeebecher benutzt, den mir Korelem geschenkt hatte, aber offenbar hatte Benevideas Barriere eine Art Siegel auf unsere Verbindung gelegt, das erst dann gebrochen worden war, als ich im Dunklen Imperium angekommen war. Noch im Halbschlaf hatte er nach seinem Sprechgerät getastet um auf seinem Display die Zeit abzulesen. Dabei war ihm aufgefallen, dass er um ca. eine halbe Stunde verschlafen hatte, was bei ihm nur sehr selten vorkam.
Schnell war er aus dem Bett und unterzog sich ebenso schnell einer Katzenwäsche, bevor er seine Uniform anlegte. Angesprochen zu werden war das Letzte, das er sich jetzt wünschte, aber genau das passierte nun. Über den Simulator im Raum zeigte sich plötzlich der Avatar des Stationsrechners: „Shimar, sind Sie OK?“ „Was?!“
Ihr plötzliches Auftauchen hatte ihn irritiert. „Ja, IDUSA.“, sagte er. „Es geht schon. Ich habe nur verschlafen. Stell dir vor! Ich habe endlich wieder von Betsy geträumt. Ich weiß, dass sie den Becher schon seit einem Monat wieder benutzt, aber seit zwei Nächten habe ich schon nichts mehr von ihr gehört, wenn man so sagen will. Es hat sich angefühlt, als wäre da ein Pflaster oder so etwas.“ „Bestätigt.“, sagte der Rechner. „Sie haben in der letzten Nacht Ihren Neurokoppler getragen und er war angeschlossen. Das war für mich das Zeichen, dass ich die Verbindung zu Ihnen aufrechterhalten sollte. Ich habe Ihren Traum gesehen. Möchten Sie, dass ich Commander Zirell die Daten übermittle?“ „Tu das!“, sagte mein Freund entschlossen. „Ich komme gleich nach.“ „Wenn Sie es so eilig haben Zirell von der Situation zu berichten.“, schlug der Rechner vor. „Dann könnte ich Sie auch in die Kommandozentrale beamen. Sie wären dann genauso schnell bei Zirell wie die Daten.“ „OK.“, sagte Shimar und stellte sich gerade hin. Sofort erfasste ihn IDUSA mit dem Transporter und aktivierte diesen.
Maron und Zirell waren in einer Besprechung vertieft. So hatten sie nicht bemerkt, was sich hinter ihrem Rücken abgespielt hatte. Ihre volle Aufmerksamkeit war auf die virtuellen Bildschirme gerichtet, die der Rechner ihnen vor ihre geistigen Augen projiziert hatte. Hier hatten sie unter anderem auch die von Jenna selbstgeschriebenen Updates für den Interdimensionalen Antrieb von Shimars Schiff gesehen. „Ich finde es gut, dass McKnight die Updates nicht gelöscht hat, Zirell.“, stellte Maron fest. „Dass wir sie gut brauchen konnten, das hast du ja gesehen.“ „Das stimmt.“, nickte die ältere Tindaranerin. „Wir sollten sie auf jeden Fall behalten, falls noch einmal so etwas passiert. McKnight sagt, es sei für sie ein Leichtes, sie jetzt, da sie vorhanden sind, an jede dimensionäre Veränderung anzupassen.“ „Sie ist die Physikerin, Maron.“, sagte Zirell. „Ich werde ihr da bestimmt nicht reinreden. Aber wir sollten mit der Zusammenkunft besprechen, dass die Updates ohnehin nicht gelöscht werden. Das sollte für alle tindaranischen Stationen und Schiffe gelten.“ „Du hast Recht.“, sagte Maron. „Wir sollten sie aber auch unseren Verbündeten zur Verfügung stellen.“ „Darüber werde ich natürlich auch mit Darell sprechen.“, sagte Zirell. „OK.“, meinte der Erste Offizier. „Dann lass uns …“
Aus dem Augenwinkel hatte Maron plötzlich eine Gestalt wahrgenommen, die sich aufgeregt gestikulierend seinem Platz genähert hatte. Er hatte allerdings erst recht spät erkannt, wer da um seine Aufmerksamkeit buhlte. „Shimar!“, rief er aus und warf dem jungen Tindaraner einen tadelnden Blick zu. „Erst kommst du zu spät und dann machst du hier einen solchen Alarm! Verrate mir bitte sofort, was der Grund für dein Verhalten ist!“ „Ich habe von Betsy geträumt!“, stieß er atemlos hervor. „Sie ist im Dunklen Imperium! IDUSA hat meinen Traum gesehen! Sie kann es beweisen! Sie müsste euch die Daten schon gegeben haben.“
Über ihren Neurokoppler hatte Zirell dem Stationsrechner einige Gedankenbefehle gegeben. Dann sagte sie: „Es stimmt, Maron. Hier ist ein Protokoll von Shimars Traum. Betsy befand sich zu dem Zeitpunkt, zu dem es entstanden ist, an Bord einer Rettungskapsel. Data war auch bei ihr.“ „Eine Rettungskapsel!“, rief Maron fast panisch aus. „Mutter Schicksal! Allrounder Scott muss etwas passiert sein! Aber wie soll sie ins Dunkle Imperium gekommen sein?! Haben wir nicht festgestellt, dass sie die Kopie des Föderationsuniversums nicht verlassen kann?!“ „Sie kann sie nicht auf direktem Wege in ihre Heimat verlassen, Maron.“, korrigierte Zirell. „Aber genau wie ihre Kommunikation kann sie anscheinend in jede andere Dimension. Auf diesem Umweg könnte sie zwar auch wieder in ihre Heimat gelangen, aber ich denke, das wird sie nicht tun. Sie weiß viel zu genau, dass es die Kopie dann immer noch gebe und welche Auswirkungen ihre Existenz auf alle anderen Dimensionen hat. Die Konsequenzen sind ihr bewusst, Maron. Wenn sie das nicht wären, dann hätte sie sofort die Wirbel angesteuert und wäre in ihr Universum zurückgeflogen. Aber das hat sie, zumindest demnach, was ich hier sehe, noch nicht einmal in Betracht gezogen.“ „Das muss ich sehen, Zirell!“, sagte Maron. „Oh kein Problem.“, sagte die tindaranische Kommandantin und befahl dem Rechner ihrem Ersten Offizier genau das zu zeigen, was sie auch selbst sah.
Der Demetaner machte ein erleichtertes Gesicht, nachdem die Aufzeichnung geendet hatte. Ihm war nämlich aufgefallen, mit wem ich gesprochen hatte. „Iranach!“, stellte er erleichtert fest. „Wenn sie sich einmischt, wird bestimmt alles gut. Aber ich finde trotzdem, Du solltest deiner Freundin als Verstärkung unter die Arme greifen, Shimar. Nimm dein Schiff und flieg hin. Wer weiß, was du und sie gemeinsam mit Data und Iranach alles ausrichten könnt.“ „Da hast du schon Recht, Maron.“, bestätigte Zirell. „Aber ich finde, er sollte auch Scotty mitnehmen. Der langweilt sich doch sowieso nur im Gästequartier und hält sicher nichts von der Order die Füße stillzuhalten. Er würde sicher genauso gern zur Rettung seiner Frau und der Dimensionen beitragen.“ „Scotty, ach ja.“, erinnerte sich Maron und gab zu: „In meinen Augen gilt er aus irgendeinem Grund immer noch als Zivilist, Zirell. Ich scheine immer wieder zu vergessen, dass auch er eine Ausbildung bei der Sternenflotte genossen hatte und somit das gleiche Recht hat an einer Mission teilzunehmen wie jeder von uns, auch wenn das schon fast 1000 Jahre her ist. Mein Fehler! Tut mir leid.“ Er sah sie verschämt an. „Schon gut, Maron.“, sagte Zirell und warf einen milden Blick zurück in seine Richtung. „Ich kann mir vorstellen, woher das kommt. Schließlich arbeitet er für eine zivile Firma auf Celsius, wenn er nicht gerade durch Zufall in unsere Abenteuer gerät.“ Sie grinste. „Und du bist mit Urteilen manchmal sehr schnell bei der Hand.“
Sie wandte sich Shimar zu: „OK, Shimar. Gib Scotty Bescheid und brecht so schnell wie möglich auf! Ich sage Jenna, sie soll deine IDUSA-Einheit überprüfen.“ „Danke, Zirell!“, strahlte Shimar und verließ lächelnd die Kommandozentrale.
Sein erster Weg führte ihn zum Gästequartier, wo Scotty tatsächlich nervös von einem Bein auf das andere stieg. Er hatte es wirklich satt einfach nur herumzusitzen! Er hatte es so satt! Deshalb versetzte ihn das Geräusch der Sprechanlage auch in große Erleichterung. „Scotty hier!“, sagte er, als er das nächste Mikrofon aufgesucht hatte. „Hey, Kumpel, hier ist Shimar!“, kam es zurück. „Pack deine Sachen! Ich habe das OK von Zirell und Maron. Wir fliegen zu Betsy!“
Scotty war fast das Mikrofon aus der Hand gefallen. „Zu, zu, zu wem?!“, stammelte er. „Aber das geht doch nich‘! Habt ihr denn ganz vergessen, dass wir nich’ in die Dimension, in der sie jetzt is’ …“ „Da ist sie nicht mehr!“, unterbrach ihn Shimar. „Aber ich erkläre dir alles auf dem Flug. Beeil dich bitte! Sie könnte uns sehr brauchen!“ „Na gut.“, sagte mein Mann. „Obwohl ich das nich’ ganz verstehe. Aber du wirst mich schon aufklären, wie ich dich kenne. Es kann sich nur noch um Minuten handeln. Ich bin gleich so weit.“ „In Ordnung.“, sagte Shimar. „Jenn’ muss ja auch noch mein Schiff checken. Das macht sie bestimmt, während du packst. Ich warte.“ Damit beendete er die Sprechanlagenverbindung und Scotty machte sich an das Packen einer kleinen Tasche, die ihm samt ihres Inhalts von IDUSA repliziert wurde, da er ja selbst keine dabei hatte.
Auf der Krankenstation der originalen Granger standen Learosh und seine Vorgesetzte Loridana am Bett ihrer Patientin und beobachteten ihre Fortschritte beim Erwachen. Sie hatten Kissaras Kopie operieren müssen und ihr eine neue frisch replizierte Lunge einsetzen müssen, denn ihre eigene war durch das Vakuum des Weltraums, dem sie temporär ausgesetzt gewesen war, sehr stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Ihre Funktion hatte sie nicht mehr aufrechterhalten können. Deshalb hatte man Kissara eine Gewebeprobe entnommen und auf Basis dieser Daten eine neue Lunge repliziert und sie ihr eingesetzt.
Jetzt kam sie langsam wieder zu sich, was Learosh am Monitor erleichtert zur Kenntnis genommen hatte. Den medizinischen Assistenten hatte aber eine Sache stutzig werden lassen, was auch der Grund dafür war, warum er seine Vorgesetzte zu sich gebeten hatte. „Sehen Sie die Grundfrequenz ihrer Hirnwellen, Scientist Loridana?“, fragte er und deutete auf eine bestimmte Zeile auf dem Schirm. „Der Computer sagt, sie stimmt mit der von Benevidea überein. Wie kann das kommen?“ „Das kommt, weil sie eine Schöpfung von Benevidea ist, Mr. Learosh.“, erklärte Loridana. „Das ist auch das Merkmal, das sie von uns unterscheidet. Holen Sie einen Erfasser und halten Sie ihn bereit. Wenn sie aufwacht, werden wir ihr beweisen müssen, wer wir sind.“ „Aye, Madam.“, nickte Learosh und ging zu dem Regal mit den mobilen Geräten hinüber um den Erfasser aus dem Fach zu holen.
In diesem Augenblick schlug Kissara die Augen auf. Sie war sehr überrascht, in die Gesichter ihrer Ärztin und deren Assistenten zu sehen. Zumindest glaubte sie das. „Was tun Sie noch hier?!“, fragte sie unwirsch. „Ich hatte allen den Befehl erteilt das Schiff zu verlassen!“ Sie sah sich um: „Und was tue ich auf der Krankenstation?“
Sie versuchte sich aufzusetzen, aber Learosh drückte sie sanft, aber bestimmt in die Kissen zurück. „Erschrecken Sie bitte nicht.“, warnte er sie. „Aber was ich Ihnen jetzt sage, könnte unglaublich für Sie klingen. Hier haben Sie einen Erfasser. Damit können Sie für sich selbst meine Worte verifizieren. Zu allererst: Sie befinden sich nicht mehr auf Ihrem Schiff. Dies ist unsere Granger. Ihr Schiff befindet sich in unserem Traktorstrahl. Zumindest das, was noch davon übrig ist. Es ist nur noch ein Haufen Trümmer. Ihnen muss beim Eintritt in unsere Dimension ordentlich was zugestoßen sein. Aber darum kümmern sich die Ingenieure. Sie haben eine neue Lunge. Ihre war zu sehr geschädigt. Sie hatten ein Dekompression-Trauma. Hier! Scannen Sie mich. Sie werden feststellen, dass weder ich noch meine Vorgesetzte Geschöpfe der Kindlichen Göttin Benevidea sind.“
Müde nahm Kissara den Erfasser von Learosh entgegen und begann ihn und Loridana damit zu scannen. Dann scannte sie sich selbst. „Sie haben Recht.“, stellte sie fest. „Sie beide sind keine Geschöpfe der Kindlichen Göttin Benevidea. Also können Sie auch keine Untertanen der Großartigen Königin Sytania sein. Wo bin ich?“ „Sie befinden sich in einem parallelen Universum.“, sagte Loridana. Das entsprach ja auch der Wahrheit. Dass sie eine Kopie war, wollte die Ärztin ihrer Patientin wohlweißlich nicht verraten. Sie wollte sie ja schließlich nicht von einem Schock in den nächsten werfen. „Es ist wahr.“, sagte sie. „Wir sind keine Untertanen Ihrer Großartigen Königin Sytania. Aber den Rest wird Ihnen unser Commander sicher gern erklären. Mr. Learosh, geben Sie auf der Brücke Bescheid! Commander Kissara soll wissen, dass ihr Gegenstück wach ist.“ „Ja, Madam.“, nickte Learosh und ging zur Sprechanlage.
Auch Jannings und Elektra waren der Lösung ihres Rätsels ein gutes Stück näher gekommen. Sie hatten sich den Maschinenraum der kopierten Granger als Ziel für ihren Transport ausgesucht. Jannings dachte sich, dass die Ursache für das Problem wohl am ehesten dort zu finden sein würde.
Bei ihrer Ankunft war es dort schwarz wie die Nacht. Nur die Beleuchtung der Displays der Messgeräte ihrer Raumanzüge und die Lampen auf ihren Helmen warfen Lichtscheine in das Dunkel. Auch Elektra trug einen Raumanzug. Als Androidin benötigte sie zwar keinen Sauerstoff zum Atmen, ihre Systeme durften dem Vakuum aber auch nicht ungeschützt ausgesetzt werden, denn auch bei ihr gab es pneumatische und hydraulische Schläuche, die ohne einen Druckausgleich von außen durchaus platzen konnten. Sie ermöglichten zum Beispiel die Bewegung ihrer Gliedmaßen oder transportierten Schmierflüssigkeiten, ohne die ihre Funktionalität unmöglich war. Von den Auswirkungen der Kälte ganz zu schweigen. Jannings und sie konnten sich nur durch ihre Helmsprechgeräte verständigen.
"Normalerweise beginnt man mit der Wiederherstellung der Lebenserhaltung.“, sagte Jannings. „Aber das können wir hier wohl vergessen, Assistant. Dieses Schiff wird nur noch vom reinen Glück zusammengehalten, wie mir scheint. Ich frage mich, was hier passiert sein kann.“ „Ich denke, ich habe da bereits eine Idee, Sir.“, sagte Elektra und ging zu der Stelle hinüber, an der sich auch auf der originalen Granger der Feldgenerator für den interdimensionalen Antrieb befand. „Wie kommen Sie darauf, Elektra.“, fragte der Terraner. „der Verlust der strukturellen Integrität erfolgte unmittelbar nach dem Eintritt in unsere Dimension.“, sagte Elektra. „Es erscheint mir daher völlig logisch, dass der Grund hier zu suchen ist.“
Sie wartete, bis ihr Vorgesetzter sie erreicht hatte und entfernte dann eine Abdeckung. Was darunter zum Vorschein kam, entlockte George nur ein mitleidiges Stöhnen. „Bestätigt.“, sagte Elektra. „Ich denke, das war einmal ein Feldgenerator für einen interdimensionalen Antrieb.“ „Ja.“, sagte Jannings. „Der ist jetzt aber gut durchgebraten. Woran kann das liegen, Elektra? Wie kann so etwas passieren? Lassen Sie uns mal zusammen überlegen!“
Er trat einige Schritte zurück und kratzte sich am Kopf. Es war schließlich Elektra, die eine Lösung präsentierte: „Widerstand.“, warf seine androide Assistentin kurz ein. „Können Sie sich vorstellen, was geschieht, wenn eine unbändige Kraft auf einen unverrückbaren Gegenstand trifft?“ „Natürlich.“, sagte Jannings, dem es wie Schuppen von den Augen gefallen war. „Die Barriere! Jeder elektrische Widerstand erzeugt Wärme. So wird es hier auch gewesen sein. Ich schätze, mein Gegenstück wird den Befehl erhalten haben, die Sicherheitsprogramme zu umgehen. Deshalb kam es nicht zu einer Notabschaltung, in der das Feld noch kontrolliert deaktiviert werden konnte und das Schiff wieder normal an seinem Ausgangspunkt materialisiert werden konnte. Ich nehme an, die Reste des Feldes haben es noch gerade bis hierher getragen und dann … Das Ergebnis sehen wir ja.“ Elektra nickte. Dann fügte sie hinzu: „Ich finde das unverantwortlich von dieser Kissara, wenn Sie mich fragen.“ „Ich auch.“, sagte Jannings.
Er zog sein Sprechgerät und ließ sich und Elektra vom Computer zurück auf die originale Granger beamen. Hier würden sie ihrem Commander von den Dingen berichten, die sie an Bord der Kopie vorgefunden hatten.
Auf der Brücke hatten sich Mikel und Kissara über die jüngsten Vorkommnisse unterhalten. „Denken Sie, es war richtig Ihre Kopie auf unser Schiff zu holen, Commander?“, fragte Mikel. „Die Situation, in der sie sich befindet, könnte sie doch sehr verwirren.“ „Das ist mir klar, Agent.“, sagte Kissara. „Aber was wollte sie in unserem Universum? Ihr Lebenszeichen war das einzige an Bord. Sie kann also Scott nicht zurückbringen gewollt haben. Mr. Kang, sind die Rettungskapseln noch vorhanden?“ „Soweit ich das beurteilen kann, sind sie es nicht, Madam.“, antwortete der Klingone. „Aber da das ganze Schiff wie ein einziges Puzzle aussieht, dessen Teile man ungeordnet auf einen Haufen gelegt hat, vermag ich es nicht wirklich zu beurteilen.“ „Schon gut, Warrior.“, hakte Mikel ein. „Vielleicht kann uns ja die Kopie des Commanders einige Fragen beantworten.“
Wie auf Stichwort piepte plötzlich die Sprechanlage. „Kissara hier.“, beantwortete diese den Ruf von ihrer Konsole aus. „Commander, hier ist Scientist Loridana.“, kam es zurück. „Ihr Gegenstück ist wach. Ich musste sie operieren. Ich musste ihr eine neue Lunge einsetzen. Aber jetzt ist sie schon wieder so weit, dass man sie vernehmen könnte, wenn es notwendig wäre.“ „Oh ja, Scientist.“, sagte Kissara. „Es ist sogar sehr notwendig…“
Ribanna hatte die Hand gehoben. „Ja, Allrounder.“, sagte Kissara, deren scharfem Katzenblick das nicht entgangen war. „Die Techniker sind auch zurück.“, meldete die junge Indianerin. „Mr. Jannings und seine Assistentin sagen, sie müssen Ihnen dringend etwas erklären.“
„Es wird am besten sein, ich gehe in den Maschinenraum und Sie auf die Krankenstation.“, bot Mikel an. „Dann sieht Ihre Kopie zumindest ein bekanntes Gesicht.“ „Sehr gut, Agent.“, lobte Kissara. Dann wandte sie sich Ribanna zu: „Sie haben die Brücke, Allrounder. Danach standen sie und ihr Erster Offizier auf und verließen gemeinsam die Brücke um sich erst bei den Turbolifts zu trennen.
Data hatte die Kapsel gelandet und er und ich waren ihr entstiegen. Irgendwie war es recht kalt hier. Die sommerliche Atmosphäre, die ich im Dunklen Imperium auf Logars Seite eigentlich gewohnt war, war nicht mehr zu spüren. Ich führte dies auf die interdimensionalen Störungen zurück. Deshalb dachte ich mir auch, dass wir uns mit der Entwicklung und Ausführung eines Plans vielleicht sehr beeilen mussten.
„Haben Sie die Positionslichter aktiviert?“, fragte ich an Data gewandt, der mich ein Stück von der Kapsel weggeführt hatte. „Das habe ich, Allrounder.“, antwortete der Androide. „Dann ist ja gut.“, sagte ich erleichtert. „Dann wird Iranach uns bestimmt leicht …“
Ich konnte meinen Satz nicht beenden, denn ein Geräusch hatte meine gesamte Aufmerksamkeit an sich gebunden. Eigentlich waren es mehrere Geräusche, die sich immer wieder wiederholten. Diese Geräusche hatten mich auch unwillkürlich meinen Kopf nach hinten werfen und nach oben deuten lassen. „Was hören Sie?“, fragte Data, an dessen Ohren die Geräusche offenbar noch nicht gedrungen waren. Vielleicht hatte er sie aber auch als nicht relevant erachtet und mit Absicht ignoriert. „Es macht flapp.“, beschrieb ich. „Dann ist einige Sekunden lang Pause und dann macht es wieder flapp. Es klingt wie der Flügelschlag eines großen fliegenden Tieres. Einen Vogel schließe ich aber aus. Bei denen macht es eher flatter und nicht flapp. Die Pausen zwischen den einzelnen Flapps lassen mich auch auf ein Wesen schließen, das des Gleit- oder Segelfluges mächtig ist. Das Flapp lässt mich auch eher ein Wesen mit großen Flughäuten als Flügel vermuten, wie sie zum Beispiel Fledermäuse besitzen. Aber es muss eine sehr große Fledermaus sein.“
Auch Data hob den Kopf und suchte den Himmel optisch ab. Die Dinge, die ich ihm berichtet hatte, mussten bei ihm bereits als Suchparameter angekommen sein. Dann sagte er plötzlich: „Faszinierend! Sie haben nur anhand Ihrer akustischen Eindrücke mir gerade genau das Wesen beschrieben, das ich jetzt auf uns zukommen sehe. In der Tat bewegt sich über uns in der Luft ein Wesen, das die Flügelspannweite eines Kleinflugzeugs besitzt. Es hat Hufe wie ein Pferd, einen recht stromlinienförmigen Körper und einen flachen Kopf wie eine Fledermaus. Die Länge seiner Beine lässt ein Stockmaß von 1,64 m im Stand vermuten. Im Augenblick hat es die Beine allerdings angewinkelt. Ich schließe daraus, dass es landen will oder besser soll. Es trägt nämlich einen Sattel mit zwei Sitzen und wird von Iranach und ihrem Novizen Talan geritten. Außer dem Sattel trägt es einen Ring um den Nacken, von dem …“ „Halt, Data!“, unterbrach ich ihn. „Bitte nicht so viele Informationen auf einmal. „Ich werde mir das am besten gleich selbst ansehen, wenn sie gelandet sind.“ „OK.“, sagte der Androide. „Die Informationen über die Fellfarbe des Wesens habe ich übrigens mit Absicht weggelassen, da sie für Sie ohnehin uninteressant wäre.“ „Verstehe.“, sagte ich und grinste. „Sie wollten meine Systeme nicht mit irrelevanten Daten blockieren.“
Die Abstände zwischen den einzelnen Flapps waren größer geworden und ich vermutete, dass das Wesen jetzt bereits langsamer flog. Das musste es ja tun, wenn es sanft landen wollte. Auch einen Luftzug spürte ich jetzt. Die Situation war mir so unheimlich, dass ich erneut Datas Arm fasste. „Sie tun gut daran dies zu tun.“, sagte er. „So kann ich Sie stützen, falls Sie sich gleich aufgrund der unbekannten Situation erschrecken sollten. Das Wesen wird vermutlich den Boden leicht erschüttern und wir müssen vielleicht sogar ausweichen. Das können wir viel besser, wenn Sie Körperkontakt zu mir halten.“ „Das dachte ich mir genauso.“, erwiderte ich.
Das Wesen war neben uns gelandet. Tatsächlich hatte sein Aufkommen eine leichte Erschütterung im Boden verursacht. Aber die war nicht schlimmer gewesen als die von einem Pferd, das nach dem Sprung über ein Hindernis wieder auf dem Boden gelandet war. Das hatte ich ja schon oft gehört und deshalb machte es mir auch nichts aus.
Ich bekam mit, wie Iranach und Talan dem Sattel entstiegen und Talan führte das Wesen an einem langen Strick, der offenbar an dem Ring um den Nacken befestigt war, wie ich später herausfinden sollte, zu einem in der Nähe stehenden Baum um es dort anzubinden. Iranach kam inzwischen auf Data und mich zu und sprach mich an: „Betsy El Taria, du glaubst gar nicht wie froh ich bin zu sehen, dass es dir gut geht. Es waren die abenteuerlichsten Gerüchte über dich im Umlauf. Aber wie ist es dir eigentlich gelungen die Dimension zu verlassen?“ „Ich kann offenbar überall hin, außer direkt in meine Heimat, Iranach.“, erklärte ich. „Sicher könnte ich so auch nach Hause, denn ich hätte ja mit meiner Kapsel einfach die Weltraumwirbel ansteuern und wegfliegen können. Aber die Dimension würde dann noch weiter existieren und die anderen in ein ziemlich gemeines Ungleichgewicht bringen, soweit ich das verstanden habe. Das kann ich nicht zulassen. Das habe ich jemandem versprochen. Was sagt dein Gebieter dazu?“ „Logar El Imperia ist der gleichen Meinung wie du.“, sagte die Vendar. „Benevideas Schöpfung hat nämlich auch dafür gesorgt, dass es ein Problem zwischen Sytania El Imperia und ihrem Vater gibt. Du weißt vielleicht, dass sie ihren Vater gern für all ihre Probleme verantwortlich macht, auch dann, wenn er es gar nicht ist. Deshalb hat sie ihr Schloss als Machtdemonstration mittels ihrer geistigen Kräfte in die Höhe gehoben. Mein Gebieter wollte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und hat seinerseits das Gleiche auch mit seinem Schloss getan. Das kostet ihn natürlich sehr viel mentale Energie, wie du dir sicher denken kannst. Die müssen wir ihm natürlich von anderen Telepathen besorgen. Wir sind da vorsichtig. Aber Sytanias Vendar, für die das natürlich auch gilt, sind da skrupellos. Sie werden …“ „Oh ich kann es mir denken, Iranach.“, sagte ich. Aber ich denke, da kann ich euch helfen. Wir müssen Sytania und Logar erklären, was hier Sache ist. Wenn dein Herr in meinen Geist schaut, wird er die Beweise dort finden. Für Sytania habe ich einen anderen Vorschlag. Bring mich aber erst einmal zu Logar. Wenn ich dir geholfen habe, dann kannst du hoffentlich auch mir helfen. Aber die Sache mit den fliegenden Schlössern erklärt natürlich auch dein fliegendes Reittier. Du hättest sicher auch mit einem Schiff kommen können, aber das wäre sicher Energieverschwendung gewesen.“ „In der Tat.“, pflichtete sie mir bei. „Raumschiffe eignen sich besser für die Überwindung weiterer Strecken.“
Sie gab mir ihre weiche pelzige Hand und führte mich auf den Baum und das Wesen zu. „Ich möchte, dass du jemanden kennen lernst.“, sagte sie und führte meine freie Hand an das Fell des Tieres. Dieses war sehr dicht. Es bestand aus kurzen weichen Haaren, die mich in ihrer Weichheit an die Federn einer ausgestopften Gans erinnerten, die ich einmal angefasst hatte. Das Wesen drehte ob meiner Berührung sofort seinen Kopf an seinem kurzen runden Hals in meine Richtung und seine weiche warme Nase beschnupperte mich. „Hi.“, sagte ich leise und freundlich. „Wie weich bist du denn?! Ich bin die Betsy und wie heißt du?“ „Sein voller Name lautet Reshan Venid.“, antwortete Talan, der seine Hand unterhalb des Rings am Strick platziert hatte. Offenbar wollte er eine zu ungestüme Begrüßung verhindern.“ „Bruder der Winde.“, übersetzte ich. „Klingt sehr poetisch.“ „Du sprichst Vendarisch?!“, staunte der Novize. „Einige Worte.“, sagte ich bescheiden. „Das gehört zu meiner Ausbildung zur Kommunikationsoffizierin dazu. Ich sollte mindestens die Grundbegriffe der Sprache eines neuen Alliierten kennen. Ich muss dazu regelmäßige Fortbildungen besuchen. Aber sein Rufname ist sicher nicht so kompliziert. Er ist ein Tier. Die können sich allerhöchstens Namen aus zwei Silben merken und sie auf sich beziehen, soweit ich weiß. Ich bin ja auch Hobbyverhaltensforscherin. Nicht wahr, Reshan?“ Das Wesen hatte tatsächlich eines seiner runden Ohren in meine Richtung gewandt, als ich Reshan gesagt hatte. Dann war seine lange weiche warme nasse Zunge aus seinem recht langen spitzen Maul hervorgetreten und hatte meine Hand abgeleckt. „Er mag dich.“, sagte Talan. „Wir nennen seine Rasse übrigens Evrolid. Dafür gibt es keine Übersetzung. Sie leben in den Bergen. Lass dich aber bitte nicht täuschen. Trotz ihrer Ähnlichkeit mit irdischen Fledermäusen sind sie tagaktiv. Wir Vendar wissen seit Jahrhunderten, wie man sie zähmt. Sein Fell ist übrigens grau.“ „Die Information hättest du dir schenken können!“, tadelte ihn Iranach. „Sie interessiert Betsy El Taria nicht!“ „Bitte, Iranach.“, sagte ich. „Das konnte er doch nicht wissen.“ Dann scherzte ich: „Aber noch mal zu Reshan zurück. Er könnte auch deshalb tagaktiv sein, weil seine Mutter vermutlich ein Pferd war.“ „Iranach musste lachen. „Nein, Betsy El Taria!“, rief sie aus und klopfte sich auf die Schenkel. „Sie sehen zwar aus wie eine Mischung aus Fledermaus und Pferd, sind es aber nicht! Nein, allein die Vorstellung der Paarung! Oh ihr Götter, helft mir!“ Auch Talan musste lachen, aber das war ja auch genau das, was ich mit meinem Scherz auslösen wollte. Die von mir heimlich angefertigten Scans mit dem Erfasser hatten längst bestätigt, dass dieses Wesen weder die DNS eines Pferdes noch die einer Fledermaus, sondern eine ganz eigene hatte.
Ich löste meine Hand aus der ihren und fasste nun mit beiden Händen das weiche Fell von Reshan an. Dabei tastete ich mich an seinem Körper entlang. Dies schien ihn nicht zu stören. Er schien es sogar zu genießen. Jedenfalls wiesen seine Lautäußerungen, ein tiefes wohliges Grunzen im Wechsel mit einem ebenso lauten Schmatzen, daraufhin. „Er liebt es gestreichelt zu werden.“, erklärte Iranach. „Deine Handbewegungen sind für ihn wahrscheinlich genau das.“ „Das denke ich auch.“, antwortete ich, die ich inzwischen beim Sattel und dem Ring, den Reshan um den Nacken trug, angekommen war und mir auch diese Dinge genau im wahrsten Sinn des Wortes begreiflich machte. Der Sattel bestand aus einem mit Leder überzogenen Gestell, das mit einem breiten Gurt um den Bauch von Reshan fixiert war. Es gab zwei hintereinander liegende Sitze. Vor beiden Sitzen befanden sich jeweils zwei große Handgriffe. An den Seiten des Sattels gab es Fußschlaufen, die mit einem System aus Ösen und Haken in ihrer Höhe verstellt werden konnten. Dieses System reichte aber nur bis zu Reshans Bauch. Ich schloss daraus, dass man wohl mit leicht angewinkelten Beinen reiten würde um durch herunterhängende Beine keinen zu hohen Luftwiderstand zu bieten. Auch den Ring, der um seine Schultern lag, schaute ich mir an. Das Leder, mit dem das Metall umfasst war, war unterfüttert. Der Ring war durch zwei Riemen, einer unten und einer oben, durch Schnallen mit dem Sattel verbunden. Auf Höhe von Reshans Flügeln, die links und rechts aus den Schulterblättern gewachsen waren, gingen von ihm aber auch zwei Paar dünne Stangen ab, an denen eine Art Bürsten befestigt waren, deren Borsten jeweils der Flughaut zugewandt waren. Eine für oberhalb und eine für unterhalb der Flughaut. Damit konnte man prima kitzeln, fiel mir auf. Die Borsten waren sehr weich. Zum Putzen eigneten sie sich also wohl nicht. An der Oberseite des Rings gab es außerdem zwei Handschlaufen, die dem Griff des vorderen Sitzes zugewandt waren. Vielleicht hatte dieser Ring etwas mit der Art und Weise zu tun, wie das Wesen gelenkt wurde.
„Hast du dich informiert, Betsy El Taria?“, fragte Iranach. Ich nickte. „Gut.“, sagte die Vendar. „Talan, du wirst mit Data El Omikron-Theta hierbleiben und die Techniker einweisen, die sich um das Schiff kümmern werden. Sie sind ja bereits unterwegs. Ich habe ihnen unsere Position gegeben. Betsy El Taria und ich reiten zum Schloss!“ „Ja, Ausbilderin.“, nickte der Novize.
Iranach gab fest, aber nicht zu streng, ein Kommando in Vendarisch von sich, auf welches hin sich Reshan in eine Hockstellung begab. Dann fasste ich den hinteren Griff und stellte meinen linken Fuß in die linke Fußschlaufe um mich dann hochzuziehen. Da sein Rücken mir sozusagen entgegengekommen war, fiel mir das recht leicht. So landete ich auf dem hinteren Sitz und stellte auch meinen rechten Fuß in die Schlaufe. „Du begreifst schnell!“, lobte Iranach, während sie es mir gleichtat und den vorderen Platz einnahm. Dann schnalzte sie und tat auch etwas mit den Schlaufen an dem Ring, wie ich durch die Geräusche vermutete. Ich würde aber bei Gelegenheit genauer nachfragen. Jetzt spürte ich nur, wie sich das Wesen abdrückte und sich in die Luft erhob. Wir winkten Data und Talan noch zu, bevor wir in Richtung von Logars Schloss abdrehten.
Kapitel 31: Waffe Wahrheit
von Visitor
Kissara hatte die Krankenstation ihres Schiffes betreten. Gleich am Eingang war sie allerdings von Loridana aufgehalten worden: „Oh, Commander! Ich hatte eigentlich gehofft, dass Agent Mikel diese Aufgabe übernimmt.“ „Warum, Scientist?“, fragte die Thundarianerin irritiert. „Hat mein Gegenstück etwa ein Verbrechen zu gestehen?“ „Nein, das nicht.“, sagte die Medizinerin. „Ich befürchte allerdings, sie könnte angesichts Ihrer Person etwas verwirrt sein.“ „Das ist vielleicht genau das, was wir benötigen, Loridana.“, erklärte Kissara. „Laut Scotts Daten ist die Kissara in der kopierten Dimension eine überzeugte Royalistin. Sie ist von ihrer so genannten Großartigen Königin Sytania so überzeugt, dass sie im Normalfall nichts neben ihr gelten lässt und uns mit Sicherheit nicht zuhören würde, würden wir versuchen sie zu überzeugen. Etwas Verwirrung kann da manchmal wahre Wunder wirken. Dem müssten Sie aufgrund Ihrer Ausbildung eigentlich zustimmen können.“ „Das kann ich auch.“, sagte Loridana. „Manchmal muss man einen Patienten erst aus seiner geistigen Festung holen um mit ihm arbeiten zu können und das mit der Festung meine ich sehr wörtlich. Wenn Scotts Daten richtig sind, dann ist diese Kissara, die dort auf dem Biobett liegt, in ihrer Überzeugung gefangen wie in einer Festung, da die Überzeugung auch sehr fest ist. Aber von was wollen wir sie eigentlich überzeugen, Madam? Verstoßen wir nicht gegen alle Prinzipien der Föderation und somit auch der Sternenflotte, wenn wir ihr vom Dunklen Imperium und der anderen Sytania erzählen?“ „Im Normalfall sicher, Loridana.“, sagte Kissara. „Im Prinzip haben Sie Recht. Sie ist eine Frau aus einer fremden Dimension und wir dürfen unsere Geheimnisse nicht einfach mit jedem teilen. Aber andererseits greift das hier nicht, weil sie über die gleiche Technologie verfügt wie wir. Nur ihr Glaube, ihre so genannte Großartige Königin Sytania sei die Einzige ihrer Art, ist falsch. Wir dürfen auch Scott nicht vergessen, Scientist. Sie muss die Kopie zerstören und schafft das vielleicht nicht allein. Wir müssen ihr vielleicht entgegenkommen. Das bedeutet, ich werde den Glauben meines Gegenstücks wohl erschüttern müssen. Man sagt, die Wahrheit sei das erste Opfer eines jeden Krieges, Loridana. Ich aber beabsichtige sie zu einer Waffe zu machen.“ „Sie meinen, wir beweisen Ihrem Gegenstück, das es Sytania im Dunklen Imperium tatsächlich gibt und dann schicken wir sie mit diesem Wissen zurück. Sie gibt es an ihre Sytania weiter und Sie hoffen, dass die dann so eifersüchtig wird, dass sie mit der originalen Sytania kämpfen will und …“ „Richtig!“, schnurrte Kissara.
„Es gibt das Risiko, dass sich beide gegenseitig neutralisieren.“, sagte Kissara auf den Ansatz der Medizinerin noch etwas zu sagen. „Aber ich vertraue da ganz auf Scott und Data. Ich bin sicher, sie finden das Kraut, das dagegen gewachsen ist. Sie sind beide sehr gut darin Verbindungen aufzubauen. Beide wissen genau, welche Fragen sie wem stellen müssen. Sie werden das hinbekommen. Aber wir müssen auch unseren Teil erfüllen. Laut der letzten Mail von den Tindaranern sind Betsy und Data im Dunklen Imperium. Da gibt es die Vendar. Die sind und waren seit Jahrtausenden die Elitekrieger der Mächtigen. Scott und Data wissen beide, dass die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass Iranach oder einer ihrer Untergebenen ihnen helfen können. Wenn die Vendar die Geheimnisse der Mächtigen nicht kennen, wer kennt sie dann? So und nun möchte ich gern zu Ihrer Patientin, Scientist!“
Loridana winkte ihrem Assistenten, der Kissara zu dem Biobett führte, auf dem ihre Kopie im Halbschlaf lag. Leise sprach Learosh sie an: „Commander Kissara, Sie haben Besuch.“ Dann trat er einige Schritte zurück und ließ Kissara vor sich treten.
Diese beobachtete nun, wie sich ihr Gegenstück langsam umdrehte und einen Laut des Erschreckens von sich gab. Kissara aber bewegte nur langsam ihre Augenlieder auf und ab. Dies war auch bei irdischen Katzen das Signal für: „Ich komme in Frieden.“, und dies hatten auch die Thundarianer in ihre Sprache übernommen. „Bitte erschrick nicht.“, schnurrte Kissara ihrem Gegenstück zu. „Ich kann mir denken, dass dir die Situation ziemliche Kopfschmerzen bereiten muss. Du befindest dich auf meinem Schiff und das fliegt durch mein Heimatuniversum. Durch meines und durch das von Allrounder Scott, die du bestimmt kennen gelernt hast. Wir haben dein Schiff gefunden und dich gerettet. Die andere Granger sah ziemlich mitgenommen aus. Meine Ingenieure kümmern sich darum. Aber es gibt einige Fragen, die vielleicht nur du mir beantworten kannst. Meine erste Frage lautet zum Beispiel: Was habt ihr hier in meiner Heimat gewollt?“
Die Fremde warf Kissara einen skeptischen Blick zu. Sie konnte immer noch nicht verstehen, was hier eigentlich gerade passiert war und von Kissaras Geschichte hielt sie ziemlich wenig. Aber da alles nur dann irgendwie einen Sinn zu ergeben schien, wenn sie deren Wahrheitsgehalt zumindest in Betracht zog, sagte sie schließlich: „Na gut. Ich werde mal versuchen dir zu glauben, Kissara. Deshalb werde ich dir deine Frage auch beantworten. Mein Agent Mikel fand, dass dein Universum ein sehr guter Zugang zu einer Dimension wäre, in der es angeblich eine Person gibt, die genauso mächtig ist wie unsere Großartige Königin Sytania. Stell dir das mal vor! Dabei ist jeder von uns doch so erzogen, dass Sytania die absolut Mächtigste ist!“ „Nun, dann werde ich dir helfen die Wahrheit herauszufinden.“, sagte Kissara.
Damit zog sie ihr Sprechgerät und gab das Rufzeichen von Ribannas Arbeitsplatz ein um ihr zu befehlen: „Allrounder, setzen Sie Kurs in Richtung Weltraumwirbel!“ „Sofort, Madam.“, antwortete die junge Indianerin und führte Kissaras Befehl aus.
„Jetzt wirst du bald sehen, ob die Gerüchte der Wahrheit entsprechen.“, sagte Kissara wieder zu der anderen Kissara. „Ich danke dir, Kissara.“, antwortete die Fremde und sank in die Kissen Zurück um dort sofort einzuschlafen. Irgendwie vertraute sie ihrem Gegenstück. Das war vielleicht auch ihrem momentanen geschwächten körperlichen Zustand geschuldet. Dass sie damit allerdings fleißig am Sarg ihrer so genannten Großartigen Königin Sytania zimmerte, ahnte sie nicht.
Unter den interessierten Blicken ihres Vorgesetzten hatte Elektra im Maschinenraum der Granger damit begonnen etwas aufzubauen. Sie hatte drei Tische aufgestellt. Auf zweien von ihnen hatte sie Modelle der Granger platziert. Eines davon war aus Holzklötzen zusammengesetzt, die ohne wirkliche Verbindung einfach nur aufeinandergestapelt waren. Das zweite Modell jedoch war aus Bausteinen, die mittels einer Verbindung aus Löchern und Noppen zusammengehalten wurden. Dies war einem im 21. Jahrhundert noch sehr gut bekannten Kinderspielzeug nachempfunden. Der dritte Tisch war leer.
Jannings hatte sich die Konstruktion seiner Assistentin jetzt sehr genau angesehen. „Was beabsichtigen Sie damit, Elektra?“, fragte er. „Nun, ich denke, dass wir hiermit sehr gut in der Lage sein werden den Brückenoffizieren zu erklären, was auf der anderen Granger geschehen ist.“, antwortete die Androidin. „Ich denke speziell an die Situation, falls Agent Mikel derjenige sein wird, der uns bezüglich dessen besucht. Allrounder Scott und er müssen aufgrund ihrer kleinen Behinderung die Dinge oft im wahrsten Sinne des Wortes mit ihren Händen begreifen um sie zu begreifen. Mit graphischen Schemata auf Bildschirmen können sie nichts anfangen, auch wenn ihre Hilfsmittel ihnen diese sicher beschreiben könnten. Aber sie haben nicht die technische Ausbildung, über die wir verfügen. Das ist mit ein Grund, aus dem ich die Erklärung mit Hilfe von Modellen favorisiere. Aufgrund ihrer Ausbildung hätte ich aber bei Commander Kissara nicht anders agiert. Die Wahrscheinlichkeit ist aber sehr hoch, dass sie den Agenten schicken wird, denn sie wird ihr Gegenstück wohl selbst zu der Situation vernehmen wollen, wie ich vermute.“ „Verstehe.“, sagte Jannings. „Sehr gut, Assistant!“
Die Tür zum Maschinenraum, die Elektra die gesamte Zeit über im Blick hatte, öffnete sich und so fiel ihr Blick auf Mikel, der gerade im Begriff war den Raum mit Hilfe seines Taststocks zu betreten. „Bitte warten Sie, Sir!“, rief sie ihm freundlich, aber bestimmt zu. „Dieser Arbeitsplatz ist nicht ungefährlich für Sie, zumal ich einiges verändert habe. Bitte bleiben Sie stehen. Ich werde Sie abholen!“ „In Ordnung, Technical Assistant.“, gab Mikel zurück und stellte seinen Stock aufrecht vor sich hin, wie er es gelernt hatte um sein Warten anzuzeigen.
Elektra drehte sich in seine Richtung und machte sich zu ihm auf den Weg. Dann stellte sie sich neben ihn und sagte: „So, hier bin ich, Agent.“, bevor sie ihm ihren angewinkelten rechten Arm hinstreckte: „Kommen Sie.“ „Sie sagten, Sie hätten einiges verändert, Elektra.“, sagte Mikel, während er sich bei ihr einhakte und beide ihren Weg zu Elektras taktilem Schaubild antraten. „Das zeige ich Ihnen jetzt.“, sagte sie und führte Mikels freie Hand auf den ersten Tisch. Dann führte sie ihn zu dem zweiten und dem dritten Tisch.
Mikel hatte sich bald alles genau betastet. „Was wollen Sie mir damit zeigen, Technical Assistant?“, fragte er. „Nun, Sir.“, begann sie. „Mein Vorgesetzter und ich gehen davon aus, dass der Generator für den interdimensionalen Antrieb auf der anderen Granger durchgebrannt ist. Der Grund dafür könnte sein, dass sie auf Benevideas Barriere getroffen ist, solange Scott noch an Bord war. Laut ihrer letzten Nachricht ist sie das aber nun nicht mehr. Das hat dem Schiff wohl den Eintritt in unsere Dimension ermöglicht. Ihre Freundin hat es irgendwie ins Dunkle Imperium geschafft. Aber das ist für unsere Situation jetzt nebensächlich.“
Sie führte Mikel wieder in die Mitte zwischen die Tische. „Meinen Sie, es war nur noch der Rest eines Feldes Vorhanden, als die andere Granger in unsere Dimension eintrat?“, fragte Mikel. „Genau das meine ich.“, sagte Elektra. „So ein Rest kann nicht dafür sorgen, dass die erneute Anpassung an unsere Dimension reibungslos gelingt. Sie wissen, ein interdimensionaler Antrieb funktioniert ähnlich wie ein großer Transporter. Nur werden bei der Materialisierung alle Werte der Zieldimension angepasst. Der Verlust der strukturellen Integrität ist die unausweichliche logische Folge, wenn das nicht funktioniert. Ich werde versuchen es Ihnen zu verdeutlichen. Stellen Sie sich bitte vor, Sie seien ein Antriebsmodul für den interdimensionalen Antrieb. Ihr Gehirn ist der Rechner und Ihre Hände sind die Spulen. Die Tische, auf denen die Schiffe jetzt stehen, sind Dimensionen, aus denen sie kommen und der leere Tisch ist eine Dimension, die sie anfliegen sollen. Welches der beiden Schiffe wird Ihrer Ansicht nach dort heil ankommen, wenn Sie es bewegen? Sie dürfen ruhig ausprobieren.“
Mikel betastete noch einmal beide Schiffe und drehte sich dann entschlossen dem aus den miteinander verbundenen Steinen zu um es auf den dritten Tisch zu tragen. „Interessant.“, bemerkte Elektra. „Sie haben das andere Schiff noch nicht einmal in Betracht gezogen. Warum nicht?“ „Ich kann mir denken, dass Sie mir gerade eine Fangfrage gestellt haben, Technical Assistant.“, sagte Mikel. „Aber ich werde Ihnen gern erklären, warum ich das andere Schiff nicht wollte. Bei der kleinsten Bewegung wäre es zusammengefallen und hätte sozusagen seine strukturelle Integrität eingebüßt. Als Rechner eines interdimensionalen Antriebs hätte ich den Dienst verweigern müssen und eine Fehlermeldung herausgeben müssen. Es sei denn, jemand würde meine Sicherheitsprogramme umgehen.“ „OK.“, sagte Elektra. „Prüfen wir Ihre Theorie. Stellen Sie sich jetzt bitte vor, jemand hätte Ihre Sicherheitsprogramme umgangen.“ „Gut.“, sagte Mikel und begab sich zu dem Tisch, auf dem das Schiff aus aufgeschichteten Holzklötzen stand. Elektra hatte es vorsichtshalber in eine Kiste gestellt und Mikel würde gleich auch sehen, warum sie das getan hatte. Kaum hatte er die Kiste nämlich angehoben, da fiel es krachend in sich zusammen. Erschrocken stellte er die Kiste wieder hin. „Bitte entschuldigen Sie, Sir.“, sagte Elektra freundlich. „Es lag nicht in meiner Absicht Sie zu erschrecken.“ „Entschuldigung angenommen, Technical Assistant.“, sagte Kissaras Erster Offizier förmlich. „Ich hätte mit dem Krach rechnen müssen.“
Seine Hände glitten über den Trümmerhaufen in der Kiste. „Ich nehme an, das Gleiche ist mit der Granger da draußen auch passiert.“, sagte er. „Korrekt.“, bestätigte Elektra. „Mit dem einzigen Unterschied, dass die Trümmer, hätten wir die andere Granger nicht im Traktorstrahl, sich früher oder später aus ihrem lockeren Verbund lösen und quer durch den Raum treiben würden. Jetzt allerdings haben wir sie sicher.“ „Genau wie in dieser Kiste.“, sagte Mikel. „Ich denke, ich habe verstanden, was da drüben geschehen ist. Sie können ebenfalls sehr gut erklären, Elektra. Aber unter uns, Ihre Methode hat mich gerade sehr an die von Allrounder Scott erinnert. Sie erklärt auch oft Dinge auf außergewöhnliche Weise.“ „Bestätigt.“, sagte Elektra. „Aber die Methoden des Allrounders haben sich oft genug als sehr effizient herausgestellt. Warum sollte ich also etwas nicht übernehmen, das so effizient ist?“ „Das stimmt allerdings.“, stimmte Mikel zu.
Er wandte sich zum Gehen: „Ich werde dem Commander die Ergebnisse mitteilen und mich mit ihr austauschen. Dann werden wir gemeinsam über das weitere Vorgehen beraten.“ „In Ordnung, Agent.“, sagte Elektra. „Ich werde Sie aber noch zur Tür begleiten.“ „Tun Sie das.“, sagte Mikel und hakte sich wieder bei ihr ein. So gingen sie gemeinsam zum Ausgang, wo sie sich voneinander verabschiedeten. Elektra kehrte an ihren Arbeitsplatz zurück und Mikel ging wieder auf die Brücke.
Mit großer Verärgerung saß die originale Sytania in ihrem Schloss vor ihrem Kontaktkelch und sah hindurch. So war sie auch Data und mir ansichtig geworden. „Scott!“, zischte sie. „Die hat mir gerade noch zu meinem Unglück gefehlt! Und offenbar hat sie sich auch noch mit Iranach getroffen. Das wird wohl bedeuten, dass sie zu meinem Vater will. Ich frage mich, was die zwei wohl zusammen aushecken werden. Am Ende hat sie geheime Befehle von der Sternenflotte und Logar soll mich weiter piesacken, indem er sein Schloss vielleicht noch höher hebt. Aber wie ist sie aus der Dimension entkommen?“
Telzan hatte sich seiner Herrin genähert. Der Vendar hatte gespürt, dass Sytania von etwas umgetrieben wurde. „Kann ich Euch helfen, Gebieterin?“, fragte er und hielt einen ehrfürchtigen Abstand. „Das kannst du vielleicht tatsächlich.“, sagte die imperianische Königstochter. „Komm näher und schaue mit mir durch den Kelch.“ „Ja, Herrin.“, sagte der Vendar und trat an den kleinen Audienztisch heran, an dem auch Sytania saß. Dann setzte er sich rechts neben sie auf einen Stuhl, legte seine rechte Hand auf den Fuß des Kelches und gab die linke Hand in Sytanias rechte.
Auch der Vendar verzog skeptisch das Gesicht, als er meiner ansichtig wurde. „Was kann sie vorhaben, Telzan?“, fragte Sytania. „Du bist mein bester Stratege, Telzan. Du müsstest mir das eigentlich beantworten können. Ich werde nicht so töricht sein und selbst in ihrem Geist nachsehen. Sie steht immer noch unter dem Schutz dieses Tindaraners und der kann, obwohl er vielleicht geistig lange nicht so stark ist, mir doch manchmal schon sehr gefährlich werden. Das werde ich nicht riskieren.“ „Kraft ist eben nicht immer alles, Milady.“, sagte der Vendar beruhigt, denn er hatte schon befürchtet, Sytania könnte aufgrund ihrer Machtgier und ihrer Ungeduld schon wieder einen Fehler machen. Er dankte jedem seiner Götter einzeln dafür, dass sie dies verhindert hatten, wie er glaubte.
Telzan überlegte eine Weile. Nachdem er alle Eventualitäten seiner Meinung nach in Betracht gezogen hatte, sagte er: „Meiner Ansicht nach, Hoheit, halte ich es für wahrscheinlich, Dass sie Euren Vater besuchen will um das Problem mit der Dimension, die Benevidea geschaffen hat, zu lösen. Sie will sich bestimmt nicht in den internen Konflikt zwischen Euch und Eurem Vater einmischen. Sie ist immerhin Offizierin der Sternenflotte und die haben ein eisernes Gesetz, an das sie sich alle halten. Gerade Betsy El Taria hält sich oft buchstabengenau daran. Habt Ihr Euch die Dimension eigentlich schon einmal genauer angesehen?“ „Das kann ich nicht, Telzan!“, sagte Sytania. „Jemand oder etwas hindert mich daran. Es mag daran liegen, dass sie von einem Einhorn erschaffen wurde, das anscheinend nicht wollte, dass ich hineinsehe. Aber da ist auch noch dieser Störfaktor, der mich nächtelang nicht in den Schlaf kommen lässt. Er lähmt meine Konzentration, Telzan! Es fühlt sich nach wie vor an, als würde ich auf mentaler Ebene in mein eigenes Spiegelbild sehen. Ich verstehe das nicht, Telzan. Ich verstehe es einfach nicht!“ „Dann lasst mich und meine Leute Betsy El Taria und Iranach aufbringen, Prinzessin.“, schlug Telzan vor. „Wenn wir sie in unserem Gefängnis haben, dann werden wir schon sehen, was das alles hier zu bedeuten hat. Ich bin sicher, Betsy El Taria weiß mehr als sie zugibt.“ „Tu das, Telzan.“, sagte Sytania, die über seinen Vorschlag sehr froh war. Die seltsame Situation mit ihrem mentalen Spiegelbild hatte sie mehr und mehr verwirrt und sie war kaum noch in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Vorschlag versprach hier endlich Abhilfe! „Aber lass Iranach laufen! Ich will keinen Krieg mit meinem Vater riskieren. Ihn beim Heben unserer Schlösser nicht gewinnen zu lassen verlangt mir schon eine Menge ab. Wenn ich mir an seiner Obersten Vendar noch die Finger verbrennen würde, wäre ich schön dumm. Ich werde ihm keinen Anlass geben mich anzugreifen!“, erklärte Sytania.
Sie gab dem Kontaktkelch die nötigen mentalen Befehle, die ihn dazu brachten ihr und Telzan die nähere Zukunft zu zeigen. Dann befahl sie: „Begebt euch zu den Felsen, die in der Nähe von Logars Schloss sind. Dort könnt ihr euch gut verstecken. Eure Schiffe braucht ihr nicht. Es wäre nur Treibstoff- und Energieverschwendung, wenn ihr sie innerhalb einer Dimension benutzen würdet. Zu Pferd seid ihr schnell genug. Wartet aber ab, wenn ihr in eurem Versteck seid, bis ihr von mir den telepathischen Befehl zum Eingreifen bekommt. Es wird nämlich noch etwas geschehen, das uns der Lösung unseres Rätsels entscheidend näher bringen wird! Sammle deine Truppen und dann los!“ „Ja, Herrin!“, sagte Telzan, stand zackig auf und marschierte im Stechschritt davon.
Iranach und ich hatten davon natürlich keine Ahnung. Wir waren auch in ganz andere Gespräche vertieft. Die Vendar hatte sich nämlich gewundert, warum ich Reshans Rücken beim Start entlastet hatte, ohne dass sie es mir sagen musste. Auch über die Tatsache, dass ich meine beiden Fußschlaufen auf Anhieb so eingestellt hatte, dass meine Sohlen eine Ebene mit dem Bauch des Evrolids bildeten, hatte sie doch sehr gewundert. Also drehte sie sich zu mir und fragte: „Woher hast du gewusst, was du tun musst, Betsy El Taria, um ihm beim Start zu helfen und warum konntest du deine Fußschlaufen korrekt einstellen, ohne dass ich dich korrigieren musste. Die meisten meiner Reitschüler aus meiner Rasse machen das erst einmal beides falsch. Mir ist bekannt, dass du ein Raumschiff fliegen kannst und ein Pferd reiten kannst. Aber …“ „Da bist du schon auf dem richtigen Weg, Iranach.“, strahlte ich. „In gewisser Weise hat mein Verhalten damit zu tun, dass ich vom Fach bin. Ich weiß, dass man ein Fluggerät am besten starten kann, wenn es leicht ist. Das Gleiche gilt beim Reiten. Wenn man schneller werden will, entlastet man sein Reittier zuerst ja auch. Außerdem weiß ich, dass lang herunterhängende Beine den Luftwiderstand erhöhen, wie ausgefahrene Landestützen eines Shuttles in einer Atmosphäre. Das würde es für den armen Reshan viel zu anstrengend machen uns zu tragen, nicht wahr? Aber wenn wir uns schwer machen und unsere Beine herunterhängen lassen würden, könnten wir ihn so sicher verlangsamen, denke ich.“
Ich erhielt von ihr zunächst keine Antwort. Meine Worte mussten sie sehr in Erstaunen versetzt haben. Schließlich aber stammelte sie doch: „Das ist korrekt, Betsy El Taria. Alles, was du gerade gesagt hast, ist korrekt. Ich bin sehr erstaunt, an was du alles denkst und was du für Schlüsse ziehen kannst.“ „Danke, Iranach.“, sagte ich, die ich an ihrer Sprechweise regelrecht hören konnte, dass ihr der Mund sperrangelweit offen stand. „Aber ich kann noch nachlegen. Du hast etwas mit den beiden Handschlaufen gemacht, die sich an den Stangenpaaren befinden, die rechts und links von dem Nackenring abgehen, den Reshan trägt. Ich habe mir die Dinger mal genau angesehen. Mit Ihnen kann man prima seine Flügel kitzeln. Das erreicht man, indem man einen oder beide mittels der Schlaufen bewegt, was? Er mag das Kitzeln wohl nicht und fängt an mit den Flügeln zu schlagen, wenn man das tut. Damit hast du dein Startkommando unterstützt und lenken kannst du ihn sicher so auch. Ich nehme an, wenn du den rechten Flügel kitzelst und er damit schlägt um das Kitzeln loszuwerden, drückt ihn der Schwung nach links und andersherum. Mit deinem Gewicht gleichst du aus. Das Gleiche gilt sicher auch umgekehrt. Wenn du willst, dass er landet oder langsamer fliegt, musst du nur beide Schlaufen nach vorn drücken und so halten, bis er getan hat, was du verlangst. Wenn die Stangen auf den Flügeln liegen, kann er sie ja nur schwer bewegen. Am Boden, wenn er läuft, reitest du ihn sicher auch nur mit Schenkel- und Gewichtshilfen!“ „Ich mache dir einen Vorschlag.“, sagte Iranach und grinste. „Da du ja offenbar so gut Bescheid weißt, sitzt du auf dem Rückweg vorn. Ich werde dich selbstverständlich dirigieren.“ Verdammter Mist!, dachte ich. Da komme ich jetzt nicht mehr raus! Warum musste ich auch so dick auftragen? Da ich mir aber vor ihr, einem Mitglied einer kriegerisch betonten Rasse, keine Blöße geben wollte, sagte ich nur: „Na schön, Iranach! Hand drauf!“
Kapitel 32: Ein Wiedersehen, das Wege weist
von Visitor
Dank Jennas Updates hatten es Shimar und Scotty tatsächlich mit IDUSA ins Dunkle Imperium geschafft. Die interdimensionalen Störungen hatten stark zugenommen und Jenna hatte mit Hilfe des Stationscomputers ein Modell erstellt, mit dem sie die eventuellen Auswirkungen berechnen konnte. Dies hatte auch erst einen reibungslosen Flug durch die interdimensionale Schicht für die drei ermöglicht.
Scotty sah seinen Kumpel erleichtert an, als sich ihm, der aus dem Fenster gesehen hatte, der Anblick der violetten Ebene bot. „Puh! Das hätten wir!“, stellte er fest. „Vertraust du der Arbeit deiner Kollegin etwa nicht, Scotty?“, wollte Shimar wissen. „Oh doch.“, erwiderte Scotty. „Ich vertraue Jennas Arbeit sogar sehr. Aber was is’, wenn die IDUSA-Einheit der Station sich verrechnet hat? Was is’ wenn die Störungen so schnell zunehmen, dass wir nicht mehr hinterherkommen. Shannon hat so was erwähnt.“
Der Tindaranische Pilot neben Scotty gab ein genervtes Stöhnen von sich und antwortete dann: „Oh nein! Shannon schon wieder! Du glaubst doch wohl nicht alles, was unsere geborene Schwarzmalerin so von sich gibt, oder? Hör mal, Scotty, sie ist nur Technical Assistant. Sie hat nur die Hälfte der Ausbildung, die du genossen haben wirst. Also, wer von euch beiden weiß es wohl genauer, he? Du oder sie? IDUSA, sag doch auch mal was dazu!“
Das Schiff lud Scottys Reaktionstabelle. Dann sagte sie: „Shimar hat Recht, Scotty. Sie sollten sich wirklich von Ms. O’Rileys Schwarzmalerei nicht herunterziehen lassen. Ihre Aufmerksamkeit sollte viel eher auf unsere Mission gerichtet sein. Commander Zirell hat uns befohlen Allrounder Scott, also Ihrer Frau, unter die Arme zu greifen, wenn es notwendig sein sollte. Ich denke, genau das sollten wir tun. Um den Rest wird sich Jenna kümmern.“ „Das is’ nur leichter gesagt als getan für mich, Schiffchen.“, erwiderte Scotty. „Ich kann meine Sorgen nich’ so einfach abstellen. Ich bin kein Computer.“ „Ich bin irritiert, Scotty.“, sagte IDUSA nüchtern. „Sie haben gerade nicht Ihre, sondern Shannons Sorgen geschildert. Ihr Wissen sollte eigentlich verhindern, dass diese zu Ihren Sorgen werden. Shimar, bitte helfen Sie mir.“ „Pass auf, IDUSA.“, sagte Shimar. „Wir biologischen Organismen handeln oft unlogisch. Scotty ist in einer besorgten Grundstimmung und da ist es sehr wahrscheinlich, dass er von Sorgen anderer auch wider besseres Wissen angesteckt werden kann. Das wäre ähnlich, als würde Jenna deinen Virenschutz nicht oft genug aktualisieren.“, sagte Shimar. „Verstanden.“, sagte das Schiff. „Warum hat sie sich an dich gewendet, anstatt die Sache mit mir selbst zu besprechen?“, fragte Scotty. „Weil das ihrer Grundprogrammierung in Situationen entspricht, die sie nicht versteht.“, antwortete Shimar. „Die Lex Technologica befiehlt ihr sich in solchen Situationen zunächst an ihren Piloten oder dessen Commander zu wenden.“ „Stimmt ja auch.“, sagte Scotty. „Und ich dachte schon, es wäre etwas Persönliches.“ „Den Eingeschnappten hätten dir weder IDUSA noch ich abgenommen.“, grinste Shimar.
IDUSA hatte plötzlich beiden einen Ausschnitt der Umgebung in der Nähe ihrer Position gezeigt. „Sehe ich das richtig?“, fragte Scotty. „Is’ das Logars Schloss? Fliegt das etwa mitsamt seinem Schlosspark?“ „Meinen Daten zur Folge ja, Scotty.“, sagte IDUSA. „Aber das stimmt auch mit den Forschungsergebnissen der Electronica überein. Aber da ist noch etwas. Es kommt auf uns zu.“ „Ein Schiff?“, fragte Shimar. „So würde ich es nicht direkt bezeichnen.“, sagte IDUSA und zeigte ihnen einen weiteren Bildausschnitt.
Scotty wurde angesichts des Bildes kreidebleich und Shimar hatte auch zu kämpfen um sich auf die richtigen Befehle an IDUSA zu konzentrieren, denn das, was die beiden Männer jetzt sahen, waren Iranach und ich auf Reshan, ein Anblick, der meinem Mann und meinem Freund gleichermaßen einen kalten Schauer über den Rücken gejagt hatte. Das Faktum, welches das Schiff daran gehindert hatte das Steuer zu übernehmen, war allerdings, dass es sich bei dem Verursacher der Schwierigkeiten auch um ein biologisches Wesen handelte, wie sie festgestellt hatte. Da sich biologische Wesen oft unlogisch verhielten, wie ihr gerade ihr eigener Pilot erklärt hatte, bedeutete dies für sie, dass sie wohl ohne seine Hilfe nicht zurechtkommen würde.
Scotty hatte nervös das Gesicht verzogen und konnte seinen Blick nicht mehr vom virtuellen Schirm vor seinem geistigen Auge lösen, was dem Schiff nicht verborgen blieb. Auch seine medizinischen Werte waren schlagartig in die Höhe geschnellt, was für sie ein eindeutiges Zeichen war, dass er sehr aufgeregt sein musste. „Ich möchte Sie bitten sich zu beruhigen, Scotty.“, bat IDUSA freundlich. „Shimar wird die Situation sicher unter seine Kontrolle bekommen. Wenn Sie aber weiterhin so aufgeregt sind, sinkt die Wahrscheinlichkeit dessen erheblich.“ „Du hast gut Reden, Schiffchen!“, rief Scotty. „Du hast keine Gefühle. Du musst dir keine Sorgen darum machen, dass sich deine Frau den Hals brechen könnte, wenn dieses Vieh sich erschreckt oder so! Shimar, bitte halt IDUSA auf Abstand! Oh Gott! Dass sich Betsy auf so was überhaupt eingelassen hat!“ „Für mich ist das auch nicht gerade angenehm zu sehen!“, sagte Shimar, der sich seine ebenfalls sehr stark steigende Nervosität nicht anmerken lassen wollte. Dass er sie seinem Schiff gegenüber nicht verheimlichen konnte, das wusste er. IDUSA hatte seine medizinischen Werte ja ständig auf den Sensoren. Aber wenigsten Scotty gegenüber versuchte er einen souveränen Eindruck zu hinterlassen.
Ich hatte die Geräusche von IDUSAs atmosphärentriebwerken in unserer Nähe durchaus wahrgenommen, wunderte mich aber, wie gelassen Reshan mit der Situation umging. Er schien sogar neugierig auf das seltsame Ding zu sein, das da vor ihm herflog. Immer wieder musste Iranach ihn durch ein scharfes: „Aish!“, also nein auf Vendarisch, gleichzeitig mit einem energischen Kommando zum Richtungswechsel nach links dazu anhalten Abstand zu IDUSA zu bewahren. Das war auch richtig so, denn ihre Triebwerke hätten sowohl ihn als auch uns schwer verletzen können. „Er ist sehr neugierig, Betsy El Taria.“, erklärte sie in meine Richtung gewandt. „Das habe ich festgestellt, Iranach.“, sagte ich. „Für ihn scheint alles erst einmal spannend zu sein. Er entscheidet wohl erst später, ob man davor Angst haben muss.“ „In der Tat.“, antwortete die Vendar. „Vor dem tindaranischen Schiff scheint er allerdings keine zu haben.“
Da sich Reshan IDUSA immer weiter näherte und Shimars Konzentration langsam nachließ, wurde auch er zunehmend nervöser. „Hältst du wohl Abstand, IDUSA!“, zischte er. „Das würde ich gern tun, Shimar.“, antwortete das Schiff. „Aber unser Gegenüber scheint davon gar nichts zu halten. Wir sollten landen, bevor es doch noch zu einem Unfall kommt. Ich könnte meine Positionslichter langsam aufblenden und sie auf das Signal schalten, das ich üblicherweise gebe, wenn ich vorhabe zu landen. Allrounder Scott kann es zwar nicht sehen, aber Iranach ist bei ihr. Durch die langsame Erhöhung der Helligkeit erhoffe ich mir, dass auch das Wesen nicht erschrickt. Die Wahrscheinlichkeit dafür wäre erheblich größer, würde ich die Lichter gleich mit voller Stärke einsetzen.“ „Mein OK hast du, IDUSA.“, sagte Shimar völlig abgekämpft. „Meins auch.“, nickte Scotty. „Also gut.“, sagte IDUSA und begann ihren eigenen Vorschlag auszuführen.
Tatsächlich hatte Iranach das Signal bald gesehen. „Ein tindaranisches Landesignal, Betsy El Taria.“, erklärte sie. „Mach dich schwer und halt dich fest. Wir werden es deinem Freund und deinem Mann gleichtun. Vorhin waren wir so nah dran, dass ich sehen konnte, wer an Bord des tindaranischen Aufklärers ist.“ „OK, Iranach.“, sagte ich und tat, worum sie mich gerade gebeten hatte.
Die Männer waren bald IDUSA und Iranach und ich Reshans Sattel entstiegen, nachdem wir alle gelandet waren. Die Vendar hatte das Wesen mit einem langen Strick an einen Baum in der Nähe gebunden. Das war aber fast der einzige Baum, denn um uns herum waren sonst nur Felsen. Diese felsige Lichtung in der Nähe von Logars Schloss kannte ich. Ich wusste also genau wo wir waren.
Scotty und Shimar kamen jetzt auf uns zu. „Tu so was bitte nie wieder, Darling.“, stammelte ein sehr bedient dreinschauender Scotty. „Shimar und ich hatten richtig Angst um dich.“ „Er hat Recht, Kleines.“, pflichtete ihm Shimar bei. „IDUSAs Triebwerke hätten das Wesen, Iranach und dich schwer verletzen können.“ „Nun macht mal nicht gleich aus einer Mücke einen Elefanten.“, flapste ich. „Iranach war doch da. Die Situation war nicht so schlimm. Natürlich weiß ich, dass das nicht ungefährlich war. Aber ich war von mindestens drei Personen umgeben, die einen Unfall verhindern konnten. Was sollte denn da schon geschehen?“ „Du redest von Iranach und uns.“, meinte Scotty. „IDUSA und das Wesen waren damit sicher überfordert. Es handelt ja nur nach seinem Instinkt, wie ich es einschätze und IDUSA braucht in solchen Fällen auch biologische Hilfe.“ „Können solche hoch intelligenten Schiffe diese Art von Konflikten wirklich nicht lösen, indem sie für euch denken, Shimar El Tindara?“, fragte Iranach. „Die IDUSA-Einheiten denken nicht für uns, sie denken mit uns, Iranach!“, berichtigte Shimar. „Und das ist nicht nur eine Frage der korrekten englischen Präposition, sondern eine Lebenseinstellung! Noch Fragen?!“ „Bitte verzeih, wenn ich dich verärgert habe.“, sagte die Vendar, der durchaus bewusst war, dass sie Shimar gerade gehörig auf den nicht vorhandenen Schlips getreten hatte. „Ich glaube, das Problem haben viele.“, sagte ich diplomatisch um die Wogen zu glätten. „Viele denken, einer künstlichen Lebensform den gleichen rechtlichen Status wie uns zu gestatten bedeutet, dass wir gar nicht mehr denken und sie vollautomatisch alles für uns übernimmt. Das kann aber nicht gehen, weil sie nicht über Instinkte und ein Bauchgefühl verfügt. Es gibt Situationen im Leben, die mit Logik nicht zu lösen sind. Wenn diese künstlichen Lebensformen das versuchen, machen sie zwangsläufig Fehler. Um dies zu vermeiden haben die Tindaraner einen sehr guten Mittelweg gefunden, wie ich finde. Sie helfen ihnen in solchen Situationen. So arbeiten sie mit ihren künstlichen Kameraden sozusagen zusammen!“ „Bitte vergib mir, Shimar El Tindara.“, sagte Iranach. „Schon gut.“, sagte mein Freund. „Betsy ist so ziemlich die einzige, die das in der Sternenflotte kapiert zu haben scheint. Selbst ihre Kameraden haben damit manchmal noch ihre Schwierigkeiten.“ Mir war klar, dass es sich bei seinem letzten Satz auch um einen Seitenhieb auf Maron gehandelt hatte.
Shimars Sprechgerät hatte gepiept. „Ja, IDUSA.“, sagte er, nachdem er es aus der Tasche gezogen und das Rufzeichen im Display abgelesen hatte. „Bitte erlauben Sie mir zu starten, Shimar.“, sagte das Schiff ernst. „Von oben habe auch ich einen besseren Überblick und kann Sie alle warnen, falls etwas Unvorhergesehenes passiert.“ „Warte, IDUSA!“, befahl Shimar. Dann wandte er sich Iranach zu: „Sind diese Wesen schreckhaft? Wenn IDUSA gleich startet, wird es laut. Ich will nicht, dass es sich mit seinem Strick stranguliert.“ „An laute Geräusche ist er gewöhnt.“, gab die Vendar zurück. „Seit neue Bedingungen herrschen, reiten wir die Evrolids auch in der Schlacht. Da kann es zuweilen recht laut werden, würde ich sagen.“ „Verstanden.“, sagte Shimar und wandte sich wieder an sein Schiff: „OK, IDUSA. Starte, aber sei dabei vorsichtig!“ „Bestätigt.“, gab das Schiff zurück und startete langsam. Reshan schaute zwar kurz herüber, widmete sich dann aber gleich wieder dem Genuss von Scottys Krauleinheiten, die mein Mann ihm inzwischen zuteilwerden ließ. „Mann, bist du weich!“, hörte ich Scotty sagen. „Betsy mag dich bestimmt sehr gern, hm?“ „In der Tat mag sie ihn, Scotty El Taria.“, bestätigte Iranach. „Aber warum seid ihr beide hier?“ „Mein Commander meint, wir sollten Betsy bei ihrer Mission etwas unter die Arme greifen.“, erklärte Shimar. „Lieb von dir, Srinadar.“, sagte ich und schaute ihn verschämt an. „Aber die Hilfe habe ich gar nicht verdient. Ich habe dich als ziemlichen naiven Trottel gegenüber der Kissara aus Benevideas Schöpfung darstellen müssen um die Schutzverbindung zu retten. Sonst hätten sie mich mit Rosannium behandelt und …“
Ich konnte nicht aussprechen, denn plötzlich umfingen mich zwei tindaranische Arme von der linken und zwei terranische von der rechten Seite. Dann wurde ich von zwei Lippenpaaren geküsst und Shimar flüsterte mir zu: „Hast du eine Ahnung, wie schmerzhaft das für mich gewesen wäre, Kleines? Du hast schon richtig gehandelt. Ich erinnere mich noch gut an die Schmerzen, als du ermordet wurdest. Das wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht! Also, was immer du tun oder sagen musstest, war völlig ok.“ „Genau.“, pflichtete Scotty ihm bei. „Ich will ja auch nich’, dass man ihm wehtut. Er is’ schließlich auch mein Kumpel. Also, Darling. Alles is’ gut. Komm, wir wissen, was dir jetzt hilft.“ Sie schmiegten vorsichtig ihre Wangen an meine. Das war eine Situation, die ich sehr genoss. Ich war heilfroh, dass Shimar mir die Sache nicht übelgenommen hatte.
„Kelbesh!“ Iranachs Fluch hatte plötzlich die romantische Stimmung zerrissen. Sie musste etwas gesehen haben. Das Etwas war wohl das Aufblitzen eines vendarischen Schildes in der Sonne gewesen. Wem der gehörte, wusste sie genau. Sie kannte schließlich Telzans Feldzeichen. Dann hörten wir das Feuern von vendarischen Phasern in die Luft und Telzan stand vor uns. „Betsy El Taria, betrachte dich als Gefangene Sytanias!“, sagte er. „Nich’, wenn ich es verhindern kann!“, erwiderte Scotty und stellte sich gemeinsam mit Shimar schützend vor mich. „Ich schlage dir einen Deal vor, Telzan! Lass sie gehen und du bekommst ihn hier und mich dafür!“
Er zeigte auf Shimar, der ihm nur konspirativ zuzwinkerte und nickte. Der junge Telepath hatte genau gesehen, dass im Geist seines Gegenübers ein Plan reifte. Es verstand sich aber von selbst, dass er dies Telzan nicht verriet.
„Denk nach!“, manipulierte Scotty Telzan weiter. „Was kann deine Herrin schon mit ihr wollen? Sie müsste in einer Situation sein, in der sie viel mentale Energie braucht. Wir haben das mit dem Schloss gesehen. Als Ingenieur weiß ich, dass so was viel Energie benötigt und die kann nur ein Telepath ihr geben. Betsy kann das nich’. Und ich, ich habe Wissen über Sternenflottentechnik, von dem ihr Vendar nur träumen könnt!“
Scotty wusste genau, was für Brocken er Telzan hingeworfen hatte. Er wartete geduldig ab. Seine Rede würde bei dem gierigen und ruhmsüchtigen Vendar ihre Wirkung nicht verfehlen. Das wusste er. Das war auch der Grund, aus dem ich mich der Diskussion vollständig enthielt. Montgomery Scott, ich will Meier heißen, wenn du keinen Plan hast!, dachte ich.
Telzan hatte sich die Sache nicht lange überlegen müssen. Seine Gier hatte wieder einmal über seinen Verstand gesiegt. „Also gut.“, sagte er geifernd. „Tindaraner, wenn du noch letzte Befehle an dein Schiff hast, dann gib sie ihr!“ „OK.“, sagte Shimar und hob sein Sprechgerät: „IDUSA, informiere Zirell über alles, was hier passiert ist!“ „Verstanden!“, gab der tindaranische Aufklärer zurück und beendete die Sprechverbindung. Dann hörten wir erneut zwei Schüsse und Shimar und Scotty fielen neben mir hin. Sofort schnappten sie zwei Vendar, fesselten sie und packten sie auf zwei Pferde. Dann gab Telzan den Befehl zum Abzug und sie ritten davon.
Iranach führte mich zu Reshan und setzte mich wieder am hinteren Sattel ab, während sie nach vorn ging um ihn loszubinden. Dann saß sie selbst auf, was ich inzwischen schon selbstständig getan hatte. „Bist du traurig, Betsy El Taria?“, wollte die Vendar wissen. „Nein, Iranach.“, sagte ich. „Mein Mann hat bestimmt eine Idee und das freut mich. Shimar und er werden schon einen Weg finden Sytania in die Schranken zu weisen. Aber wir sollten auch unseren Teil erfüllen. Sonst ist der Seine vielleicht ganz umsonst.“ „Das ist der Geist einer wahren Kriegerin.“, sagte Iranach und schnalzte Reshan zu, der sich sofort mit uns wieder in die Luft erhob. Aus ihrem Mund war das sicher ein großes Lob gewesen, dachte ich mir.
Auch die originale Granger hatte das Dunkle Imperium erreicht. Mikel hatte Kissara noch einmal auf die Situation angesprochen, in der sie jetzt waren. „Finden Sie es wirklich richtig, Commander, dass wir die andere Kissara über Sytania informieren?“, fragte er. „Wir haben keine Wahl, Agent!“, sagte die Thundarianerin fest. „Wenn wir die Dimensionen wiederherstellen wollen, dürfen wir ihr die Information nicht vorenthalten, auch wenn das ihren Glauben an die Allmacht ihrer Großartigen Königin Sytania erschüttern sollte. Viel Zeit um darüber nachzudenken wird sie sowieso nicht haben. Wenn alles so eintritt, wie wir vermuten, wird die Dimension sowieso zerstört und sie mit ihr.“ „Aber was ist, wenn die beiden Sytanias nicht gegeneinander kämpfen wollen, weil jede weiß, dass dies das Risiko der gegenseitigen Neutralisation ihrer Kräfte birgt?“, fragte der Erste Offizier. „Ich nehme an, Sie haben mit Techniker McKnight gesprochen.“, sagte Kissara. „Irgendwann einmal habe ich das tatsächlich.“, sagte Mikel. „Und sie hat mir erklärt, dass dies durchaus passieren kann, wenn zwei gleichstarke Kräfte aufeinandertreffen.“ „Ich weiß, dass wir ein Risiko eingehen, Agent.“, tröstete Kissara. „Aber ich vertraue da ganz auf Sytanias Machtgier. Beide Sytanias teilen nicht gern, Agent. Jede wird die Macht für sich wollen und keinen gleichwertigen Teil neben sich akzeptieren. Sie werden kämpfen! Verlassen Sie sich darauf. Aber ich denke, es wird an Scott sein, die Gleichheit ein wenig zu Gunsten des Originals zu verschieben.“ „Wenn die Gründer der Föderation wüssten, wie sehr wir gerade verbal und auch praktisch die Oberste Direktive mit Füßen treten, Kissara.“, sagte Mikel und in seiner Stimme schwang eine Menge Sorge mit. „Dann würden sie in ihren Gräbern rotieren.“ „Die haben mit Sicherheit nicht an so einen Fall gedacht, wie er jetzt vorliegt, Agent.“, sagte die Kommandantin. „Das konnten sie damals ja auch noch gar nicht. Aber ich finde es gut, dass Sie mich daran erinnern und hoffe, dass dies auch ein Einzelfall bleiben wird. Mir fällt das auch nicht leicht, Agent. Aber wenn wir die Dimensionen Retten wollen, können wir nicht anders handeln.“
Der blinde Agent seufzte und wechselte das Thema: „Wie beabsichtigen Sie eigentlich die andere Kissara zurückzuschicken, Commander? Jannings sagt, ohne eine Werft kann er ihr Schiff nicht wieder zusammenbauen.“ „Wir werden ihr ein Shuttle von uns geben.“, sagte Kissara. „Dann hat sie auch gleich einen Beweis für unsere Existenz, den sie ihrer Großartigen Königin Sytania vorlegen kann.“ „Verstehe.“, sagte Mikel und lehnte sich in seinem Sitz zurück.
Ribanna hob die Hand. „Ja, Allrounder.“, sagte Kissara. „Wir sind in einer hohen geo-stationären Umlaufbahn über Sytanias Schloss, Commander. Wir sind so hoch, dass die Vendar uns nicht erkennen können. Sie sehen nur einen Punkt am Himmel. Da es auf dieser Seite wohl schon dämmert, wird man uns für einen Stern halten.“ „Sehr gut, Ribanna!“, lobte Kissara. „Ich sehe aber auch noch etwas, dass Sie interessieren könnte, Agent Mikel.“, sagte die junge Indianerin. Auf den Zinnen der Mauer hat sich ein Schwarm von imperianischen Hahnenschwanzpfeifern, einer dort heimischen Singvogelart, zum Schlafen niedergelassen. Eine Zinne aber ist noch frei. Sie befindet sich genau gegenüber von Sytanias Fenster.“ „Schön gesehen, Ribanna.“, sagte Mikel. „Das kann ich tatsächlich gut gebrauchen.“
Er gab seine geheimdienstliche Kennung in seine Konsole ein. Dann befahl er dem Replikator ihm eine Sonde zu replizieren, die wie einer der etwa drosselgroßen Vögel aussah. Auch sie hatte einen gebogenen Schwanz und das gleiche rotbraune Gefieder und auch den gelben Schnabel. Nur steckte in ihr eine Menge Technik.
Er ließ sich von Ribanna die genauen Koordinaten der freien Zinne auf seine Konsole schalten und schickte die Sonde mittels einiger Befehle an den Computer dorthin. Dann wartete er auf Ribannas Meldung: „Die Sonde übermittelt die ersten Bilder, Sir. Ich sehe Sytania. Sie läuft vor ihrem Fenster auf und ab.“ „In Ordnung, Ribanna.“, sagte Mikel und drehte sich Kissara zu: „Ich denke, jetzt sind Sie dran, Commander.“
Die Thundarianerin wandte sich dem Mikrofon der Sprechanlage zu und drückte den Knopf, der sie direkt mit Loridanas Arbeitsplatz auf der Krankenstation verband: „Scientist, ich hoffe, Ihre Patientin ist wach. Ich habe einige interessante Bilder für sie!“ „Sie ist wach, Commander.“, gab Loridana zögerlich zurück. „Sie können von mir aus mit ihr reden. Obwohl ich nicht weiß, was die Informationen für psychische Auswirkungen auf sie haben werden. Vielleicht erleidet sie einen Schock, der sie aufgrund ihrer geschwächten allgemeinen Konstitution vielleicht umbringen kann. Dann haben wir niemanden mehr, der den Beweis in die andere Dimension bringen kann.“ „Da wäre ich nicht so sicher, Loridana.“, sagte Kissara. „Laut den neuesten Daten der Tindaraner haben Shimar und Scotty Betsy getroffen. Sie ist hier. Vielleicht kann sie es ja im Zweifel tun. Aber ich glaube kaum, dass es dazu kommen wird. Geben Sie mir jetzt bitte mein Gegenstück. Ich werde sie schonend darauf vorbereiten.“ „Also gut, Madam.“, sagte Loridana und schluckte, während sie ihrer Patientin das Mikrofon übergab.
„Was gibt es, Kissara?“, fragte die Fremde. „Du wolltest doch einen Beweis für die Existenz der anderen Mächtigen.“, sagte Kissara. „Hier ist er! Aber bitte erschrick nicht. Sie sieht deiner Großartigen Königin Sytania zum Verwechseln ähnlich. Ribanna, legen Sie die Bilder von Agent Mikels Sonde auf meine Sprechverbindung!“ Ribanna nickte und tat, was Kissara ihr soeben befohlen hatte. Auch sie tat das nicht bedenkenlos, hoffte aber, es würde niemals wieder notwendig werden.
„Ich kann nicht glauben, was ich hier sehe, Kissara!“, rief die Fremde aus, nachdem sie die Bilder gesehen hatte. „Sie sieht tatsächlich aus wie unsere Sytania! Sie scheint sogar noch mächtiger zu sein. Sie kann ihr Schloss sogar schweben lassen. Das hat unsere Großartige Königin nie vermocht, soweit ich es beurteilen kann! Oh, Kissara! Wie wird unsere Großartige Königin wohl reagieren, wenn ich ihr diese Nachricht überbringe?!“ „Das kann ich dir nicht beantworten, Kissara.“, setzte sie ihrem jetzt sehr ängstlich dreinschauenden Gegenüber zu. „Aber es wird wohl deine Pflicht sein ihr diesen Umstand trotzdem mitzuteilen, nicht wahr? Du hast kein Schiff mehr. Aber ich bin nicht so. Du bist schließlich nicht unsere Gefangene. Du bekommst ein Shuttle. Damit kannst du in deine Dimension zurück. Ich denke, das wird dir ein kleiner Trost sein für den Schrecken, den ich dir einjagen musste. Aber du wolltest es ja nicht anders. Sobald meine Ärztin dich entlässt, kannst du deiner Wege fliegen.“ „Danke, Kissara.“, sagte die andere Kissara und beendete das Gespräch.
Kissara blickte sich auf der Brücke unter ihren Leuten um. Die sorgenvollen Gesichter, die alle machten, sah sie sehr wohl. „Ich habe all Ihre Sorgen zur Kenntnis genommen, Ladies und Gentlemen.“, sagte sie. „Auch ich tue so etwas nicht gern. Aber es ist eine Ausnahme und wird auch hoffentlich eine bleiben. Unter normalen Umständen hätte ich den Glauben dieser Frau nicht so erschüttert. Aber wir müssen auch Benevidea zeigen, dass sie keine Angst zu haben braucht. Sie muss sich nicht darum sorgen, dass wir Sytania eines Tages anheimfallen werden. Das können wir nur erreichen, indem wir die andere Dimension, die ja das Symbol für ihre Angst ist, zerstören und das erreichen wir nur so. Aber ich finde Ihre Bedenken auch völlig in Ordnung, denn wenn Sie keine äußern würden, würde ich mir ernsthaft Sorgen um Ihrer aller moralische Gesinnung machen. Das wär’s mit der Ansprache zum Sonntag! Weitermachen!“ Erleichtert nahmen Kissaras Offiziere ihre Worte zur Kenntnis und widmeten sich wieder ihrem Dienst.
Iranach und ich waren inzwischen bei Logars Schloss angekommen. Wir waren abgestiegen und einer ihrer Untergebenen hatte Iranach Reshan abgenommen. Ich hatte aber darauf bestanden mich noch einmal ausgiebig bei ihm zu bedanken, was ich mit einem festen Strich meiner rechten Hand über seine Nase tat. Die Vendar hatte mir verraten, dass diese Wesen das sehr gern mochten. Dabei war mir auch klargeworden, warum er nicht mit einer Trense über den Kopf gelenkt wurde wie ein Pferd. Seine Kopfform ließ das nicht zu, denn er hatte einen zu flachen Kopf, der noch dazu in einem fast schnabelartigen spitzen Maul endete. Seine lange Zunge machte außerdem das Einführen einer Beißstange unmöglich.
Ich hatte mich bei Iranach eingehakt. „Lass uns gehen, Iranach!“, sagte ich fest. „Ich denke, dass ich den Wahnsinn, dem sich dein Gebieter und seine Tochter gerade hingeben, tatsächlich beenden kann! Was sie da tun ist nämlich Wahnsinn!“ „Du sprichst mir aus der Seele, Betsy El Taria.“, seufzte die Vendar und wir setzten uns in Bewegung. Sie war sicher, dass ich ihr meinen Plan früher oder später verraten würde. Deshalb stellte sie mir auch keine weiteren Fragen dazu.
„Die Oberste Vendar Iranach und die Sternenflottenoffizierin Allrounder Betsy Scott!“, wurden wir bald darauf von Logars Herold ihm gegenüber angekündigt, der auf seinem Thron saß. In gebührendem Abstand hatten Iranach und ich angehalten. „Kommt näher!“, befahl Logar und Iranach zog mich näher zu seinem Thron. Dann sagte sie: „Gebieter, Betsy El Taria sagt, sie könne den Wahnsinn zwischen Sytania und Euch beenden!“, sagte die Vendar fest. „Sie bittet aber darum, dass Ihr dann auch ihr helft.“
Der König wandte sich in meine Richtung: „Sprich!“ „Ich weiß um die Sache mit den Schlössern, Majestät!“, sagte ich fest und mit aufrechter Haltung. „Und wie willst du uns helfen?“, fragte Logar. „Ihr wisst, dass Eure Tochter in dem Irrglauben lebt, Ihr würdet sie hereinlegen wollen.“, setzte ich voraus. „Das ist richtig.“, bestätigte der König. „Aber wie kann ich ihr beweisen, dass sie sich irrt?“ „Ich denke, das ist ganz einfach.“, erwiderte ich. „Ihr seid der Sternenflotte als der Vernünftigere bekannt. Als der besonnene Teil der imperianischen Herrscher. Wenn Ihr so genau wisst, dass sich Eure Tochter irrt, warum beweist Ihr es ihr dann nicht?! Warum senkt Ihr Euer Schloss nicht wieder und beweist ihr somit, dass Ihr nicht der Schuldige sein könnt?! Warum habt Ihr, wenn Ihr doch ein Sinnbild an Vernunft seid, Euch auf dieses kindische Spiel ihrerseits eingelassen?! Warum habt ihr Euch verhalten, als wärt Ihr ein gleichaltriger Spielkamerad für Eure Tochter und nicht der vernünftige Erwachsene?! Bitte erinnert Euch, Milord! Bitte erinnert Euch, dass Ihr nicht nur ein Kriegsherr und König seid, sondern auch ein Vater!“
Ich schwieg und gab Logar Gelegenheit über meine Worte zu reflektieren. Dann spürte ich plötzlich, wie das Schloss sich langsam senkte und wieder in seinem Fundament aufsetzte. „Dein Plädoyer für Vernunft, Diplomatie und Logik hätte jede vulkanische Diplomatin erblassen lassen.“, lobte der imperianische Herrscher. „Ich weiß sehr wohl, dass mir als Vater auch erzieherische Pflichten gegenüber Sytania obliegen. Aber ich kenne auch dich und weiß, dass du so etwas nie sagen würdest ohne einen Plan zu haben. Also, Betsy Scott, wie lautet er?“
Ich wandte mich Iranach zu: „Iranach, deine Novizen lernen doch sicher nicht gleich am lebenden Objekt, oder? Wenn du jeden Anfänger gleich auf einen lebenden Telepathen loslässt, dürften Unfälle doch an der Tagesordnung sein und das willst du doch bestimmt nicht.“ „In der Tat.“, bestätigte die Vendar. „Mit beidem hast du Recht. Es gibt Zylinder, in denen wir Energieproben von Freund und Feind aufbewahren.“ „Gut.“, sagte ich. „Dann sollten wir sie holen, aber die Symbole abkleben, die verraten, wessen Energie in ihnen ist. Einer sollte darunter sein, der auch Sytanias Energie enthält. Iranach, bitte nimm mich mit in deine Garnison, damit ich dort Schilder in meiner Gebrauchsschrift replizieren kann, die wir auf die Zylinder kleben. So weiß nur ich, welchen wir Sytania geben. Wir zitieren sie her und stellen ihr die Frage, welche Energie es ist, die ihr den Schlaf raubt.“ „Aber sie könnte es sehr leicht in deinem Geist lesen, Betsy El Taria.“, wandte Iranach ein. „Dass das nicht geschieht, dafür werde ich höchstpersönlich Sorge tragen!“, sagte Logar und stand sogar von seinem Thron auf. „Ich werde auch verhindern, dass sie sich einfach nur wünschen kann deine Gebrauchsschrift lesen zu können. Aber nun sage auch mir, was dein Begehr ist. Eine Hand wäscht schließlich die andere.“ „Wie Ihr wünscht, Majestät.“, sagte ich und warnte: „Es könnte aber etwas heikel werden. Ihr wisst, dass es seit kurzem eine Dimension gibt, die meiner Heimat sehr gleicht. Diese muss aber zerstört werden, weil sie das Gleichgewicht aller anderen stört. Schuld daran trägt eine Kopie Eurer Tochter, die nicht nur hier einen gefährlichen dritten Pol bildet, sondern die auch mit der genannten Dimension verbunden ist. Wir müssen die beiden Sytanias aufeinanderhetzen, damit die Dimension zerstört werden kann. Aber dann bestünde theoretisch die Gefahr der gegenseitigen Neutralisierung. Gibt es einen Weg das mit Sicherheit zu verhindern?“
Logar runzelte nachdenklich die Stirn, aber Iranach sagte plötzlich und fest: „Ja, Betsy El Taria! Den gibt es!“ Dafür wurde sie aber von Logar mit einem Blick gestraft, mit dem er sie durchbohren hätte können. „Ich werde es ihr sagen, Gebieter!“, sagte sie fest zur Antwort. „Wenn wir alle überleben wollen, haben wir keine Wahl! Ihr nicht und erst recht ich nicht. Höre mir genau zu, Betsy El Taria! Du weißt, dass der Ring der Macht von Schriftzeichen umschlossen ist. Es sind alte Schriftzeichen, mit denen die Quellenwesen seinen Träger an etwas erinnern. Der Text ist in Vendarisch, damit auch wir Vendar ihn verstehen und unsere Gebieter von Zeit zu Zeit an seinen Inhalt erinnern können. Ich werde ihn für dich übersetzen! Er lautet: Wirst du nicht mein rechter Träger sein, so zerstöre ich das Liebste dein!“ „Tolle Sicherheitseinrichtung!“, sagte ich. „Danke, Iranach. „Die falsche Person wird sich, wenn sie vernünftig denkt, also zweimal überlegen, was sie tut, bevor sie den Ring anlegt und riskiert, dass seine Macht alles in ihrer Umgebung zerstört, was ihr lieb und teuer ist. Wie lange dauert das, bis der Ring das merkt?“ „Es dauert schon einige Minuten.“, sagte Iranach. „Aber höchstens zwei oder drei. Dann weiß der Ring mit wem er es zu tun hat.“ „OK.“, sagte ich und rechnete. Dann fuhr ich fort: „Bitte gebt mir den Ring mit, Milord. Ich beabsichtige ihn mit in das kopierte Universum zu nehmen. Bei dem Kampf werde ich ihn, wenn ich denke, es sei der richtige Zeitpunkt, der Kopie Eurer Tochter geben. Dann …“ „Bist du von allen guten Geistern verlassen?!“, fiel mir Logar so harsch ins Wort, dass ein paar imperianische Raben, die außen auf der Schlossmauer vor dem offenen Fenster gesessen hatten, verschreckt aufflogen. „Ist sie nicht, Gebieter!“, rettete Iranach mich. „Bitte denkt nach! Was habe ich denn gerade gesagt?“
Logar schien tatsächlich nachzudenken. Dann lächelte er plötzlich und erwiderte: „Du hast Recht. Bitte verzeih. Ich verstehe allmählich, was du sagen willst. Weder das Original noch die Kopie meiner Tochter sind die rechtmäßigen Trägerinnen des Rings. Und beide sind sich selbst das Liebste. Wenn die Kopie also den Ring trägt, wird er sie töten und somit auch die Dimension zerstören, weil sie ja durch ihre Hochzeit mit Nuguras Kopie nach dem Ritus der Könige direkt mit ihr mental verbunden ist. Wie genial! Oh was war ich für ein Narr! Bitte verzeih, dass ich dich so angegangen habe, Betsy.“
Demonstrativ zog er sich vor aller Augen den Ring vom Finger und gab ihn mir. Dann sagte er: „Iranach, hole die Schatulle, in die der Ring gehört. Betsy soll ihn der Kopie meiner Tochter schließlich in einem angemessenen Rahmen präsentieren können. Dann kehre zurück und nimm sie mit in deine Garnison, damit ihr den Rest ihres Plans ausführen könnt. Ich kontaktiere meine Tochter!“ „Ja, Herr!“, sagte die Vendar und marschierte davon.
Logar kam auf mich, die ich geduldig gewartet hatte, zu. „Bitte speise mit mir, Betsy Scott.“, sagte er. „Ich will mich bei dir dafür entschuldigen, dass ich so töricht war.“ „Ich fürchte, für ein opulentes Mahl wird die Zeit nicht reichen, Majestät.“, sagte ich diplomatisch. „Aber einen kleinen Umtrunk können wir gemeinsam zu uns nehmen.“ „Also gut.“, sagte Logar, führte mich persönlich zu dem kleinen Audienztisch in der Ecke des Thronsaals und winkte dann einem imperianischen Diener, der ein Tablett mit imperianischem Tee und Gebäck auftrug. Ich bat ihn aber auch noch etwas für Iranach zurücklegen zu lassen.
Kapitel 33: In aufschlussreicher Gefangenschaft
von Visitor
Shimar und Scotty waren in Sytanias Gefängnis, einem Felsen, in den sie die Beiden mit Hilfe ihrer Fähigkeiten eingesperrt hatte, wieder zu Bewusstsein gekommen. Der junge Tindaraner hatte zuerst entdeckt, dass die Vendar sie zwar von ihren Fesseln befreit hatten, sie aber durch einen Energieschleier innerhalb des Felsens festgehalten wurden, der Sytanias mentale Prägung aufwies. Mittels seiner Kräfte wäre es ihm also nicht möglich gewesen sich und Scotty zu befreien. Aber auch die Luft wurde langsam stickig und er begann sich Sorgen zu machen, ob sie die Gefangenschaft hier überhaupt überleben würden.
Viel Zeit zum Nachdenken über seine Situation hatte er aber nicht, denn im nächsten Moment geschah etwas, das seine volle Aufmerksamkeit forderte. Ein schwarzer Blitz fuhr durch die Decke und zwei Vendar standen vor ihm. Sie hatten etwas über ihre Schultern gelegt, das sie wie einen nassen Sack auf den harten Boden der Zelle fallenließen. Dann warf einer, offenbar der jüngere der Beiden, dem Etwas noch einen verächtlichen Blick zu und machte offenbar einen Witz in Vendarisch, denn der Ältere klopfte sich vor Lachen auf die Schenkel. Dann warf auch er dem Etwas noch einen ebenfalls verächtlichen Blick zu und trat es in eine Ecke. Dann verschwanden die zwei wieder auf dem gleichen Weg, auf dem sie gekommen waren. Shimar nahm an, dass Sytania sie geschickt hatte. Ohne ihre Hilfe hätten sie die Felsmauer ja nicht überwinden können.
Er schloss und öffnete seine Augen einige Male um die Gewöhnung an das Halbdunkel zu beschleunigen. Dann ging er vorsichtig auf das Etwas in der Ecke zu. Dabei erkannte er im Rest des Lichtes, das der Schwarze Blitz hinterlassen hatte, einen älteren Vulkanier in Sträflingskleidung. Aber auch er trug die gleiche Kleidung. Die Vendar mussten Scotty und ihn umgezogen haben.
Sofort überprüfte Shimar eigenhändig, ob der Fremde noch atmete. Er bewegte sich nämlich nicht und lag noch genauso zusammengekauert da, wie die Vendar ihn hinterlassen hatten. Erleichtert nahm er zur Kenntnis, dass er offenbar sein Leben noch nicht ausgehaucht hatte. Dem Soldaten der tindaranischen Streitkräfte war in diesem Moment herzlich egal, ob die Vulkanier es mochten berührt zu werden oder nicht. Er hatte ein Leben zu retten! Das Leben eines alliierten Zivilisten, wie er vermutete. Da konnte und durfte er auf solche Ressentiments keine Rücksicht nehmen. Er hoffte nur, dass auch Scotty das gesehen hatte.
Endlich hatte sich auch mein Mann bewegt. „Was machst du da, Junge?“, fragte er. „Na endlich bist du wach!“, antwortete Shimar leicht hektisch. „Komm hierher und hilf mir!“ „Na gut.“, sagte Scotty mürrisch und schlurfte herüber. Dabei war auch ihm aufgefallen, dass sie nicht mehr gefesselt waren.
Jetzt sah auch er den Vulkanier. „Was macht der denn hier?“, fragte er. „Er scheint genauso ein Gefangener zu sein wie wir.“, sagte Shimar. „Zwei Vendar haben ihn hier abgeladen. Sie haben ihm wohl ziemlich zugesetzt. Wir müssen ihn drehen und lang hinlegen. Sonst stirbt er uns noch! Los! Fass an!“ „OK, ok.“, sagte Scotty etwas lustlos und fasste die Füße des Bewusstlosen, während Shimar am Kopf blieb. Dann drehten sie ihn und legten ihn lang auf den Boden. Erst jetzt konnten sie in sein Gesicht sehen. Daran erkannten sie, dass es sich um einen älteren Mann mit roten kurzen Haaren handelte. Er war von hagerer Statur und maß ca. 180 cm.
Gemeinsam brachten ihn Shimar und Scotty in die stabile Seitenlage. Kaum war ihnen das aber gelungen, bemerkte der junge Tindaraner, dass sich die Muskeln des Fremden stark verkrampften, er eine Reihe von seltsamen Lauten von sich gab und seine Zunge drohte in seinen Rachen zu rutschen. Auch spuckte er Schaum. „Verdammt!“, stieß er hervor. „Die müssen ihm ganz schön zugesetzt haben!“ „Was?!“, fragte Scotty irritiert. „So was geht? Ich dachte immer, die Spitzohren sind unverwüstlich.“ „Ich glaube, da verwechselst du was!“, sagte Shimar nervös, der mit beiden Händen die Kiefer des Fremden aufgebogen und seine Zunge gefasst hatte. „Sie können Schmerz und Gefühle unterdrücken, aber das bedeutet nicht, dass sie unverwundbar sind. Irgendwann ist auch bei ihnen das Ende der Fahnenstange erreicht. Irgendwann macht auch deren Körper nicht mehr mit. Das siehst du ja hier. Bitte bring mir einen der Säcke da aus der Ecke. Ich bin überzeugt, wir sollen sie als Bett benutzen, aber jetzt brauche ich hier einen.“ „Na schön.“, sagte Montgomery und ging los.
Als er mit dem Sack zurückkam, war Shimar immer noch dabei die Zunge des Fremden festzuhalten. Der Anfall dauerte jetzt schon mehrere Minuten und er machte sich ernsthafte Sorgen. Wenn der Fremde nicht bald erwachen würde, durfte es für ihn zu spät sein! „Hier is’ dein Sack!“, sagte Scotty und präsentierte Shimar den gewünschten Gegenstand. „Mach ein Knäul mit einem Knoten draus!“, befahl Shimar. Wortlos folgte Scotty der Aufforderung und hielt ihm das Knäul hin. Shimar nahm es ihm ab und stopfte es zur Hälfte zwischen die Zähne des Fremden. Jetzt konnte er sich zumindest nicht mehr auf die Zunge beißen.
Scotty schnappte sich Hände und Füße des Fremden und hielt sie fest, damit er sich nicht weiter verletzen konnte, denn einiges an Beulen und Wunden hatte er sich bereits in seinem Anfall zugefügt. Es war für Shimar und Scotty allerdings unmöglich zuzuordnen, welche der Wunden davon und welche von einer eventuellen Folter durch die Vendar stammen konnten. Sie hätten ein Königreich für ihre Ausrüstung gegeben, wenn sie diese noch gehabt hätten.
Shimar hatte das Gefühl, dass zwischen seinem Auffinden des Fremden und jetzt bereits sehr viel Zeit verstrichen war. Viel zu viel Zeit, wie er fand. „Er kommt aus dem Anfall nicht heraus!“, stellte er fest. Wenn das so weitergeht, wird der Stress ihn umbringen. Sein Herz macht das sicher nicht mehr lang mit. Von seinem Gehirn ganz zu schweigen. Ishan sagt, auch bei denen sterben bei so was Gehirnzellen ab. Wir haben keine Medikamente, also mache ich das jetzt anders!“
Er konzentrierte sich auf das Gesicht des Fremden um einen Kontakt herzustellen. Dann stellte er sich vor, wie er seine eigene Energie in den Geist des Fremden schickte. Tatsächlich gelang es ihm so ihn zu stabilisieren. Er stellte aber auch fest, dass der Fremde seine Kontrollzentren erheblich überlastet haben musste, was die Symptome wohl ausgelöst haben musste.
„Er is’ auf dem Weg in den Wachzustand, wie mir scheint.“, stellte Scotty fest, der bemerkt hatte, dass sich der Muskeltonus des Fremden wieder normalisierte. „Pass auf, dass er dir deine Aktion nich’ verdammt krumm nimmt.“ „Wenn du wüsstest, wo mir das gerade ziemlich weit vorbeigeht!“, zischte Shimar erschöpft. „An einem großen finsteren Loch!“ „Hey!“, gab Scotty zurück. „Fluchen is’’ mein Job!“
Der Fremde hatte sich bewegt. Jetzt schlug er die Augen auf. „Na, da sind Sie ja, Mister!“, begrüßte ihn Scotty gewohnt flapsig. „Willkommen im Hotel zur schwedischen Gardine! Ich bin Scotty, das is’ Shimar.“ „Semvok.“, sagte der Fremde nur knapp. „Warum haben Sie mich gerettet? Die Logik hätte geboten, dass Sie mich sterben lassen. Ich war schon zu schwach und jetzt haben Sie noch jemanden, mit dem Sie die Luft hier teilen müssen und das wenige Essen, das die Vendar uns geben.“ „Ich scheiße auf die Logik!“, sagte Scotty. „Wir sind keine wilden Tiere, die einen Schwächeren einfach umbringen! Außerdem könnten Sie bei meinem Plan gut mitmachen, Mr. Semvok!“ „Und wie lautet Ihr Plan, Scotty?“, fragte Semvok. „Ihr wisst beide, dass Sytania einen bösen Charakter hat.“, erklärte mein Mann. „Also würden negative Gedanken sie stärken. Positive Energie müsste genau das Gegenteil bewirken, nicht wahr?“ „Shimar nickte und Semvok sagte: „Da stimme ich zu. Es klingt logisch. Aber wie wollen Sie so viel positive Energie erzeugen und wie wollen Sie diese zu Sytania bringen? Sie wird ihren Geist abschirmen. Daran dürfte Ihr Plan scheitern.“ „Wenn wir die Energie direkt an Sytania adressieren, dann ganz bestimmt.“, sagte Scotty. „Wenn wir sie aber einfach in der Atmosphäre verteilen, müsste das schon anders aussehen. Wer achtet schon ständig auf zufällig vorbeifliegende Gedanken?“ „Hey!“, lächelte Shimar. „Für einen Nicht-Telepathen nicht schlecht! Aber wir müssen viel Energie erzeugen um einen flächendeckenden Erfolg zu haben. Wie willst du das machen?“ „Was is’ mit dieser Technik, mit der ihr auch Traumata behandelt?“, fragte Scotty. „Wenn du mich zu einem Punkt zurückbringst, an dem ich mich total gefreut habe und du diese Gefühle bei mir verstärkst, dann könnten wir das zusammen in die Luft werfen. Semvok, was is’ mit Ihnen? Sie haben doch bestimmt auch einige Dinge erlebt, über die Sie sich in Ihrem Leben schon mal so richtig gefreut haben. Machen Sie doch mit! Zu dritt erreichen wir sicher viel mehr als zu zweit! Wie wär’s?“ „Diese Art von Plan ist mir zu primitiv.“, sagte der Vulkanier und sah Scotty abschätzig an. „Ich werde mir eine eigene Idee überlegen. Aber ich werde irgendwann auch meinen Beitrag zu unserer Befreiung leisten. Ich werde Ihnen dann helfen, wenn ich meine, dass es dafür Zeit ist.“ „Was?!“, schimpfte Scotty und drohte fast aus der Haut zu fahren. „Zu primitiv?! Ich gebe Ihnen gleich primitiv, mein Bester! Mein Kumpel hier hat sich gerade total geistig abgerackert um Ihnen das Leben zu retten. Sie sollten ein bisschen dankbarer sein!“
„Scotty!“ Shimars Ausruf hatte ihn verstummen lassen. „Dann machen wir es eben allein! Aber gib mir bitte einige Minuten. Ich brauche erst einmal eine Pause, sonst kriege ich das nicht so gut hin, wie du es gewohnt bist.“ „Auch ok.“, sagte Scotty. „Wer nich’ will, der hat schon. Vielleicht würde er das ja noch nich’ mal hinkriegen. Hat ja mit Gefühlen zu tun.“ „Hör auf zu provozieren!“, ermahnte ihn Shimar. Dann drehte er sich um: „Ich packe mich da drüben hin und ruhe mich aus.“ „OK.“, sagte Scotty. „Aber weißt du, worüber ich noch nachgedacht habe? Ich dachte mir, wir könnten Sytania auch etwas nerven. Wenn wir öfter mal daran denken, dass es in dieser anderen Dimension eine andere Sytania gibt, die mindestens genauso mächtig ist wie sie, dann dürfte sie das zur Verzweiflung bringen. Vergiss bitte nich’, dass wir auch Betsy helfen müssen, damit sie …“ „Klasse, Scotty!“, sagte Shimar. „Gib mir zehn Minuten. Dann legen wir los! Was willst du erst machen. Erst freuen, oder erst nerven?“ „Das sage ich dir in zehn Minuten.“, sagte Scotty. „Kann mich nämlich gerade nich’ entscheiden. Dürfte nämlich beides sehr viel Spaß machen, solange es gegen Sytania geht!“ „OK.“, sagte Shimar, nahm sich einige Säcke aus der Ecke und legte sich Scotty gegenüber auf den Boden. Dann schloss er die Augen und schlief ein.
Der tindaranische Aufklärer hatte ihre Crew lokalisiert und war in eine geo-stationäre Umlaufbahn über dem Gefängnis eingeschwenkt. Dabei hatte sie keineswegs gegen die Befehle ihres Piloten verstoßen. Shimar hatte ihr ja lediglich befohlen Commander Zirell zu informieren und das konnte sie auch über SITCH tun. Sie hatte inzwischen außerdem festgestellt, dass ihre Sensoren ihr einen Einblick in das Schicksal von Scotty und Shimar erlaubten, sie die Beiden aber auf keinen Fall hochbeamen konnte. Wenn immer sie den Transporterstrahl auf die Beiden richtete, reagierte der Energieschleier mit einer Art Blockade, die wie ein Zerhacker wirken würde. Das hatte sie erkannt. Würde sie jetzt versuchen sie zu beamen, würden sie in Stücken an Bord ankommen. Das würde bedeuten, dass sie sterben würden und das wollte sie nicht. Aber der dritte Insasse der Zelle warf für IDUSA auch einiges an Rätseln auf. Wenn er ein vulkanischer Zivilist war, wie es schien, dann war er Bürger einer alliierten Macht und fiel somit auch in die Kategorie von Personen, die ihren Schutz genießen würden. Wenn es ihr also gelingen sollte, eine stabile Transportererfassung zu etablieren, müsste sie auch ihn befreien. Sie fragte sich aber, was ein vulkanischer Zivilist in Sytanias Gefangenschaft tun sollte. Laut ihren bisherigen Daten war die Königstochter nicht dafür bekannt, einzelne Zivilisten zu entführen. Wenn sie das täte, dann würde sie auch über kurz oder lang einen Krieg mit der Föderation riskieren und solche hatte sie schon oft verloren. Dem stand allerdings auch gegenüber, dass Sytania in diesen Fällen unbelehrbar war. Vielleicht würde sie aber mehr über den Vulkanier erfahren können, wenn sie die Sternenflottendatenbank mit seinem Bild fütterte. Das Rufzeichen kannte sie ja. Jedes tindaranische Gerät kannte es.
Ihre Recherchen waren aber leider nur bedingt von Erfolg gekrönt, denn sie bekam lediglich heraus, dass es zwar eine Akte über ihn geben musste, diese aber durch ein Siegel des Geheimdienstes verschlossen war. Sie wusste aber schon, an wen sie sich jetzt wenden würde.
Zirell, Maron und Joran waren in der Kommandozentrale der Station zugegen, als ihr Ruf einging. „Agent Maron, ich habe Shimars IDUSA-Einheit für dich.“, sagte der Vendar an der Kommunikation. „Sie will ausdrücklich mit dir sprechen.“ „Dann gib sie her, Joran.“, sagte der Erste Offizier und schloss seinen Neurokoppler an die Arbeitskonsole an, vor der er gesessen hatte. Da er vorher Zirell seine gesamte Aufmerksamkeit gewidmet hatte, die mit ihm die normale Morgenbesprechung abgehalten hatte, hatte er diesen aus Höflichkeit noch nicht eingestöpselt.
Das Bild des Avatars erschien vor Marons geistigem Auge. „Was gibt es, IDUSA?“, fragte der Erste Offizier interessiert. Es kam ihm zunächst etwas seltsam vor, dass IDUSA ausgerechnet mit ihm reden wollte. „Ich benötige Ihre Hilfe, Agent.“, sagte der Schiffsrechner nüchtern. „Ich habe einen mittleren Datenkonflikt.“ „Oh bei so was solltest du dich lieber an Techniker McKnight wenden.“, schlug Maron vor. „Ich halte für unmöglich, dass sie mir bei dieser Art von Datenkonflikt helfen kann.“, sagte IDUSA. „Er ist nämlich nicht funktionaler Natur.“
Jetzt sah Maron auch das Bild des Vulkaniers im Hintergrund. „Er ist ein Gefangener Sytanias.“, erklärte das Schiff. „Genau wie Shimar und Scotty. „Ich kann sehen, was im Gefängnis der drei geschieht, kann sie aber nicht befreien. Der Vulkanier scheint auf den ersten Blick ein Zivilist zu sein. Das bedeutet, er wäre ein Bürger einer alliierten Macht und fiele somit auch unter meinen Schutz. Das bedeutet, ich müsste auch ihn befreien, sobald es mir möglich wäre. Aber was würde Sytania mit einem einzelnen Vulkanier wollen?“ „Warte, IDUSA!“, befahl Maron und aktivierte die Stummschaltung. Dann wandte er sich Joran zu: „Würde deine ehemalige Gebieterin einzelne Individuen einer Rasse entführen, hinter der ein so großes Netzwerk wie die Föderation steht? Gut, die Vulkanier sind Telepathen. Aber ihre Energie ist im Vergleich zu anderen doch eher was für den hohlen Zahn.“ „In der Tat, Agent Maron.“, sagte der Vendar. „Meine ehemalige Herrin würde das nicht riskieren. Aber lass IDUSA bitte weiterreden. Ich hatte den Eindruck, sie war noch nicht fertig.“ „OK.“, sagte Maron und hob die Stummschaltung wieder auf: „Hier bin ich wieder, IDUSA. „Joran hält es für unwahrscheinlich, dass Sytania einzelne Leute entführt. Die Theorie ist also schon mal gestorben. Aber du warst noch nicht fertig.“ „Als ich versuchte mittels der Sternenflottendatenbank etwas über ihn herauszubekommen, fand ich eine geheimdienstlich versiegelte Akte vor. Er könnte also auch ein verdeckter Ermittler sein, der sich vielleicht mit Absicht gefangen nehmen lassen sollte um was auch immer zu tun. Aber ich benötige eine Bestätigung.“ „Ich denke, die kannst du haben, IDUSA.“, sagte Maron. „Warte auf meinen Rückruf!“ Damit beendete er die Verbindung.
Zirell sah ihn an und lächelte. „Ich kann mir denken, dass du mit deinem ehemaligen Chief-Agent reden willst.“, sagte sie. „Dafür werde ich dir jetzt noch eine Trumpfkarte in die Hand geben, die du gegenüber ihr ausspielen kannst, falls sie mit der Information nicht herausrücken will. Wenn IDUSA ihren Datenkonflikt nicht lösen kann, wird sie nach ihrer Grundprogrammierung handeln. Das bedeutet, sie wird den Vulkanier als das ansehen, was sie sieht, einen Zivilisten einer alliierten Macht in Not. Das bedeutet, sie wird ihn auch befreien. Damit kann sie allerdings seine Operation gefährden. Das kann Tamara ja nicht wollen, nicht wahr?“ „Pfui, Zirell!“, rief Maron aus. „Du kannst ja richtig mit schmutzigen Tricks arbeiten! Aber gut. Joran, ich komme jetzt zu dir und flüstere dir ein Rufzeichen ins Ohr. Verbinde mich bitte damit.“ „Wie du wünschst, Agent Maron.“, sagte der Vendar und sah Erwartungsvoll zu Marons Platz hinüber, von welchem der Agent aufstand um sich zu seiner Konsole zu begeben.
Bald hatte Joran die Verbindung für seinen Vorgesetzten hergestellt, der sie mit dem unschuldigsten Gesicht, das ein Demetaner machen konnte, entgegengenommen hatte. „Maron!“, wunderte sich die lockenköpfige Halbklingonin. „Es ist lange her.“ „Das ist es, Chief-Agent.“, gab Maron zu. „Aber jetzt benötige ich Ihre Hilfe. Einer unserer Aufklärer hat in Sytanias Gefängnis einen vulkanischen Zivilisten gefunden, von dem wir glauben, dass es keiner ist. Laut den Daten des Schiffes hat er nämlich eine durch den Geheimdienst versiegelte Akte. Das Schiff ist in einem Datenkonflikt. Es weiß nicht, ob es ihn befreien soll oder nicht. Es kann im Moment keine Hilfe von seinem Piloten bekommen, der das ja auch nicht beantworten könnte.“ „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.“, leugnete Tamara kalt. „Tamara, Sie müssen reden. Falls es einen verdeckten Ermittler gäbe, wäre seine Operation gefährdet, wenn Sie es nicht tun!“, insistierte Maron. „Das Schiff handelt sonst nach seinem Grundprogramm und nach dem, was es sieht und das ist ein vulkanischer Zivilist in Not, die in feindlicher Gefangenschaft besteht!“ „Also gut, Maron.“, sagte die Geheimdienstchefin. „Bei Ihnen weiß ich das Geheimnis ja in guten Händen. Ich habe Ihnen schon immer vertraut, auch als Sie noch für uns arbeiteten. Ihre Spürnase war richtig. Es gibt einen verdeckten Ermittler. Sein Deckname ist Semvok. Er sollte sich in Sytanias Gefängnis werfen lassen um die dortigen vendarischen Wachen unentdeckt ausspionieren zu können. Von einem Gefangenen würden sie das am wenigsten erwarten. Er musste dazu extra einen Kurs in Vendarisch belegen. Ich werde alles tun, damit das Schiff meine Operation nicht gefährdet. Deshalb rede ich mit Ihnen auch so offen. Semvok hat nämlich schon große Fortschritte gemacht. Wenn er jetzt befreit würde, wäre alles umsonst. Reicht Ihnen das?“ „Ich denke schon, Tamara.“, sagte Maron diplomatisch. „Vielen Dank.“ „Oh ich habe nur im eigenen Interesse gehandelt, Maron.“, sagte Tamara und beendete das Gespräch.
Maron ließ sich von Joran erneut mit Shimars Schiff verbinden: „IDUSA, hör zu! Du darfst den Vulkanier nicht befreien. Er ist ein verdeckter Ermittler des Sternenflottengeheimdienstes. Ich habe die Bestätigung vom dortigen Chief-Agent.“ „Verstanden.“, sagte das Schiff nüchtern. „Danke für die Lösung meines Datenkonfliktes, Agent.“ „Immer wieder gern.“, lächelte Maron und beendete die Verbindung seinerseits.
Erneut wandte er sich Zirell zu: „Ich kann immer noch nicht fassen, dass du mir gerade einen Trick an die Hand gegeben hast, mit dem ich von meiner ehemaligen Arbeitgeberin ein Geheimnis erpressen konnte.“ „Bist du mein Erster Offizier oder ihrer?“, fragte die Tindaranerin listig. Maron deutete nur auf sie und lächelte sie an.
Grinsend war Shimar erwacht. Er fühlte sich, als hätte er gerade einige Stunden ruhig und gut geschlafen, dabei waren es nur Minuten gewesen. Er fühlte sich mental aber so stark, dass er sich wohl auch mit Sytania persönlich angelegt hätte, hätte seine Vernunft es ihm nicht verboten. In gewisser Weise hatten Scotty und er das ja auch vor, wenn es auch nicht direkt war. Aber eben nur in gewisser Weise.
„Na, es scheint dir ja schon wieder sehr gut zu gehen, Shimar.“, stellte mein Mann fest. „Oh ja.“, grinste mein Freund. „Oh, Scotty, das war der beste kurze Schlaf, den ich je hatte. Wer immer da auch die Finger im Spiel hatte, ob es nun die Götter oder das Schicksal waren, ist wohl auf unserer Seite. Ich wünschte, wir könnten IDUSA fragen, ob sie fremde Energie bei mir feststellt. Aber ich habe mein Sprechgerät nicht und sie ist sicher schon längst außerhalb dieser Dimension. Ich habe sie ja nach Hause geschickt.“ „Hast du nich’!“, sagte Scotty. „Du hast ihr befohlen Zirell zu informieren. Mehr hast du nich’ gesagt.“ „Aber IDUSA kennt mich.“, sagte Shimar. „Sie weiß genau, wie sie meine Befehle zu interpretieren hat.“
„Scotty hat Recht.“, mischte sich Semvok ein. „Da ich annehme, das von einem tindaranischen Schiff die Rede ist, gehe ich davon aus, dass sie, wenn sie logisch handelt, aus deinem Befehl nicht interpretiert hat, dass sie nach Hause fliegen soll. Es gibt andere Wege, deinen Commander über die Situation zu informieren, die sie mit Sicherheit wählen wird, da eines ihrer obersten Gebote auch lautet ihren Piloten in einer gefährlichen Situation nicht allein zu lassen. Wenn der Wortlaut deines Befehls also nur lautete deinen Commander zu informieren, dann wird sie noch hier sein! Dessen bin ich sicher.“ „Aber das ändert nichts an unserer Situation.“, sagte Shimar. „Wir können ja nicht mit ihr reden.“ „Das stimmt.“, sagte Semvok. „Aber sie wird euch nicht alleinlassen. Darauf würde ich sogar wetten!“ „Sieh an, sieh an.“, sagte Scotty. „Ein Spitzohr, das wettet!“ Shimar warf ihm einen mahnenden Blick zu. „Is’ ja schon gut, Junge.“, beschwichtigte Scotty.
Shimar drehte sich ihm zu: „Ich nehme dir übrigens nicht ab, dass du ihn nicht magst. Deine Ausbildung müsste dir doch eigentlich sagen, dass er nichts dafür kann, wie er ist. Auch wenn sie schon mehr als 1000 Jahre her ist. Aber du müsstest doch auch wissen, dass er nicht aus seiner Haut kann. Er ist eben so erzogen, dass Gefühle für ihn etwas Primitives sind und deshalb kann nicht sein, was nicht sein darf und er verurteilt deinen Plan nur deshalb zum Scheitern. Das ist nichts Persönliches. So ist er halt erzogen. So würde zumindest unsere Betsy das sehen, denke ich und ich neige dazu ihr zuzustimmen.“ „Unsere Betsy.“, sagte Scotty leise. „Unsere liebe süße Betsy. Die geborene Diplomatin. Immer im Zweifel für den Angeklagten. Ich wünschte, ich könnte das auch. Aber vielleicht hat mich sein Verhalten auch gerade zu sehr an Spock erinnert. Mit dem hatte ich auch oft so meine Schwierigkeiten. Aber du hast Recht. Wenn sie jetzt hier wäre, würde sie es bestimmt viel lieber sehen, wenn wir das Kriegsbeil begraben würden. Er hat ja auch gesagt, dass er helfen wird, wenn die Zeit dafür reif is’. Also gut. Für Betsy!“ „Für Betsy!“, bekräftigte Shimar.
Er hatte sich gegenüber seinem Kumpel hingesetzt, der sich jetzt auch auf den Boden der Zelle gesetzt hatte. „Wie is’ es?“, fragte Scotty. „Kannst du?“ „Aber wie!“, sagte Shimar. „Ich muss nur wissen, was du zuerst machen willst.“ „Lass uns Sytania erst mal etwas nerven!“, schlug Scotty vor. „Irgendwie bin ich dazu eher in Stimmung.“ „Geht klar.“, sagte der Tindaraner. „Wie hast du dir das denn genau vorgestellt?“ „Du bist der Telepath.“, sagte Scotty. „Sag du’s mir. Aber ich habe durchaus eine eigene Vorstellung. Ich weiß nur nich’, ob du sie umsetzen kannst.“ „Und wie sieht sie aus, deine Vorstellung?“, fragte Shimar. „Ich habe einen Spruch auf Lager.“, sagte Scotty. „Den würde ich gern in die Atmosphäre schicken.“ „Ich denke, das kriegen wir hin.“, sagte Shimar. „Ich zähle bis drei und dann baue ich die Verbindung zu dir auf. Wenn ich das getan habe, denkst du einfach deinen Spruch. Oder nein. Ich mache das anders.“
Scotty sah am Ausdruck in seinem Gesicht, dass sich Shimar auf etwas konzentrierte. Im nächsten Moment sah er vor seinem geistigen Auge eine kleine Kapsel, die eine nach vorn gerichtete Öffnung hatte. „Bist du das?“, fragte er. „Bist du schon drin in meinem Kopf?“ „Ja.“, sagte Shimar. „Stell dir vor, du hast ein Pad mit dem Spruch, das du in die Kapsel legst. Ich denke, mit diesem Bild wird es für dich leichter.“ „OK.“, sagte Scotty und stellte sich das kleine silberne Pad vor, in das er eingab: Sytania, Ihr seid die Mächtigste hier, aber hinter der Schicht und den Wirbeln, die sich dort zwirbeln, gibt es eine Frau, die ist noch tausendmal mächtiger als Ihr! Dann legte er das Pad in die Kapsel und verschloss sie. Das war das Signal für Shimar, seine Hand zu visualisieren, welche die Kapsel wegwarf. Da die Verbindung zwischen ihm und Scotty aber noch stand, sah dies auch mein Mann und tat es ihm gleich. Das kam für den jungen Tindaraner sehr überraschend. „Hey, das war gut, Scotty!“, sagte er lächelnd. „Na ja.“, meinte Montgomery bescheiden. „Im Sprücheklopfen war ich schon immer ganz passabel.“ „Nicht das!“, sagte Shimar. „Damit habe ich ja schon gerechnet. Aber dass du mithilfst die Nachricht zu senden, ohne dass ich dir erkläre wie es geht, das hätte ich nicht gedacht.“ „Das liegt nur an deinen Bildern.“, sagte Scotty. „Die sind so, dass man sie gar nich’ falsch interpretieren kann. Wie viele von diesen kleinen Flugobjekten kriegst du deiner Meinung nach noch hin?“ „Oh da geht sicher noch einiges.“, sagte Shimar. „Du machst es mir ja leicht.“ „Ich vertraue dir.“, sagte Scotty. „Und hey, ich will es ja auch!“ Shimar grinste: „Das habe ich gespürt! Oh ja! OK. Machen wir also weiter!“
Kapitel 34: Die Hetze trägt Früchte
von Visitor
Aufgeregt war Sytania vor dem Tischchen in ihrem Thronsaal auf- und abgelaufen. Sie hatte den Kontaktversuch ihres Vaters durchaus wahrgenommen, versuchte aber ihn zu ignorieren. Sie war von einem merkwürdigen Gefühl getrieben, das sie immer und immer wieder aufstehen und herumgehen lassen hatte, als wollte sie sich vergewissern, dass alles in Ordnung war. Auch Telzan, der sie immer bewachte, war das aufgefallen. Er trat nun näher und stellte sich ihr in den Weg: „Was ist Euch, Herrin?“ „Ich kann es dir nicht sagen, Telzan.“, sagte Sytania nervös. „Etwas scheint hier zu sein, das mich wirklich nervt. Ich habe ständig das Gefühl, dass mich jemand versucht darauf aufmerksam zu machen, dass es noch jemanden geben könnte, der mindestens genauso mächtig ist wie ich! Aber so jemanden darf es nicht geben, Telzan! So jemanden kann und darf es hier nicht geben!“
Der Vendar beschloss sich ihr in den Weg zu stellen und sie in Richtung ihres Throns zurückzudrängen. Normalerweise war das nicht seine Art und er hätte sich das unter normalen Umständen auch nie herausgenommen. Jetzt befürchtete er aber, sie könnte aufgrund ihrer emotionalen Situation eine falsche Entscheidung treffen, wie sie es schon oft getan hatte, was dann auch immer zwangsläufig zu ihrer Niederlage geführt hatte. „Ich versichere Euch, dass es hier auf dieser Seite des Dunklen Imperiums niemanden gibt, der mächtiger ist als Ihr.“, versuchte Telzan sie zu beruhigen. „Auf der anderen Seite gibt es selbstverständlich Euren Vater, aber das wisst Ihr ja. Aber sonst gibt es hier wirklich niemanden, Milady! Niemanden!“ „Und warum scheinen selbst die Wände mir das zuzuflüstern, Telzan?!“, fragte Sytania hoch erregten Zustands. „Geht es immer noch um die fremde Wahrnehmung, die Ihr habt?“, fragte der Vendar. „Ja, Telzan!“, rief Sytania. „Genau um die geht es. Sie lässt mich einfach nicht in Ruhe! Und jetzt will auch noch mein Vater etwas von mir!“
Telzan überlegte: „Vielleicht wäre es ganz gut, wenn Ihr auf das Gesuch Eures Vaters eingingt, Hoheit. Ich könnte Euch begleiten und dann würden wir schon herausfinden, ob er der Schuldige für Euer Martyrium ist. Ich glaube es zwar nicht, denn wenn er es wäre, würde er sich mit Sicherheit nicht selbst ans Messer liefern, aber so oder so, Ihr würdet mit Sicherheit etwas herausfinden können.“ „Also gut, Telzan.“, sagte Sytania. „Nimm meine Hand!“
Sie begann damit sich auf sein und ihr Bild zu konzentrieren. Beide Bilder flogen durch die Luft in Richtung von Logars Schloss. Dann waren Telzan und sie in einem schwarzen Blitz verschwunden.
Auch Iranach und ich hatten unsere Vorbereitungen abgeschlossen. In ihrer Garnison hatte sie mir einen Replikator zur Verfügung gestellt, mit dem ich die nötigen Schilder in meiner Gebrauchsschrift replizieren konnte. Welche das waren, hatte sie mir diktiert, was auch für die Schreibweise galt, wenn ich derer nicht sicher war. Wir hatten auf jeden Fall auch dafür gesorgt, dass es eines mit dem Namen Sytania darauf gab. Scherzend hatte mich die Vendar gefragt, ob sie diesen Namen auch buchstabieren müsse, was ich ebenfalls scherzend bejaht hatte. Dann hatte ich mich total übertrieben dummgestellt, was sie zum Lachen brachte. „Du scheinst sehr guter Stimmung zu sein, Betsy El Taria.“, stellte sie fest. „Du gehst wohl tatsächlich davon aus, dass dein Mann und dein Freund Sytania zusetzen werden!“ „Oh ja, Iranach!“, sagte ich fest. „Darum würde ich sogar wetten!“
Wir hatten bald alle Schilder auf ihre Zylinder geklebt und waren wieder in Logars Thronsaal zurückgekehrt. Iranach hatte das weiße Tablett mit den silbernen Zylindern auf dem kleinen Audienztisch abgestellt. Dann hatten wir uns auf zwei Stühle gesetzt. Logar war auf seinem Thron geblieben. Er würde die Aktion von dort aus überwachen.
„Jetzt warten wir nur noch auf den Star des Spiels.“, sagte ich und wie auf Stichwort erschienen Sytania und Telzan auf der Bildfläche. „So, hier bin ich, Vater.“, sagte die Prinzessin und wandte sich Logar zu. „Warum wolltest du mich …?“
Ihr Blick war auf mich gefallen: „Tindaranermieze!“, stieß sie verächtlich hervor. „Ich hätte mir denken können, dass du dahintersteckst! Aber wie konntest du aus Benevideas Schöpfung fliehen?!“ „Ja, es ist ihr Plan, Tochter.“, sagte Logar streng. „Aber dieser Plan ist die einzige Methode dir zu beweisen, dass mich an deinen schlaflosen Nächten keine Schuld trifft und auch dir zu zeigen, wer der wahrhaft Schuldige an deiner Misere ist.“ „Und wie wollt Ihr mir das zeigen, Vater?!“, fragte sie genervt. „Indem du dich zu Allrounder Scott und meiner Obersten Vendar setzt und ihnen eine Frage beantwortest.“, sagte Logar und seine Blicke ließen keinen Zweifel daran, wie ernst es ihm war. „Ach, also gut.“, sagte Sytania mürrisch und setzte sich zu uns. Dabei fiel Iranach und mir sofort auf, wie fahrig und nervös sie war. „Wie lautet denn nun die Frage aller Fragen, die du mir stellen willst, Betsy Scott, he?!“, rief sie verächtlichen Tons aus. „Sie lautet: Wer trägt die Schuld an der Schlaflosigkeit Eurerseits, Prinzessin? Dazu möchte ich Euch bitten jeweils einen dieser Zylinder in die Hand zu nehmen und mir zu sagen, ob der sich darin befindende Inhalt mentaler Energie die Quelle für Eure Schlaflosigkeit ist! Prüft ruhig gründlich und ehrlich! Wir haben Zeit!“ „Wie kommst du dazu mir helfen zu wollen?“, fragte Sytania misstrauisch. „Du musst es mir wohl sagen, denn mein Vater, der ja um einiges mächtiger ist als ich, hat den Weg zu deinem Geist für mich versperrt.“ „Weil meine Präsidentin und ich dieses kindische Spiel mit den Schlössern sehr albern finden, Hoheit!“, sagte ich selbstbewusst. „Deshalb hat auch Euer Vater das Seine wieder abgesetzt. So. Ich werde Euch jetzt einen Zylinder geben und Ihr prüft ihn! Dann sagt Ihr mir, ob seine Energie mit der übereinstimmt, die Euch den Schlaf raubt oder nicht. Wenn Ihr dabei nicht mitmachen wollt, ist das auch ok. Aber damit nehmt Ihr Euch jede Chance auf …!“ „Ach, gib her!“, keifte Sytania und griff mit langen Spinnenfingern nach dem ersten Zylinder, den ich ihr bereitwillig hinhielt.
Sie prüfte ihn lange und ausführlich, bevor sie ihn wieder hinstellte und sagte: „Diese Energie ist es nicht.“ „Dann kommt hier der nächste Kandidat.“, lächelte ich und gab ihr einen neuen Zylinder. Auch dieser, er enthielt Logars Energie, wurde von ihr genau geprüft. Aber genau wie die erste, die Energie eines Betazoiden, war diese Energie ebenfalls die falsche. So ging es fort, bis wir zu dem letzten Zylinder kamen. In ihm war ihre eigene Energie.
Sytania wurde blass, wie mir Iranach beschrieb, als sie die Prüfung des Zylinders hinter sich gebracht hatte. Sie verlor sogar die Kontrolle über ihr noch immer in der Ferne über seinem Fundament schwebendes Schloss, was Logar aber sofort kompensierte, indem er sie übernahm und es vorsichtig wieder dort absetzte. „Deine Dienerschaft soll nicht für deine Fehler leiden, Tochter.“, sagte er. Dies hatte er auch in dem Bestreben getan ihr zu zeigen, dass er der Vernünftigere war. „Ich danke Euch von ganzem Herzen, Vater.“, sagte eine völlig irritierte Sytania. „Aber trügt mich meine Wahrnehmung, oder habt Ihr mir gerade wirklich geholfen, indem Ihr mein Schloss gerettet habt?“ „Prüfe selbst, Sytania!“, sagte Logar. „Oder lass deinen Obersten Vendar das tun.“
Sie winkte Telzan, der sofort sein Sprechgerät zog, um seine Frau zu rufen, die in seiner Garnison sein Amt übernommen hatte. Auch Cirnach bestätigte die weiche Landung des Schlosses und dass sie Logars Einfluss gespürt hatte. „Es stimmt also.“, gab Sytania zu und sagte aber gleich um nicht ganz so geschlagen zu wirken: „Aber ich habe jetzt den Zylinder gefunden, der mir den Schlaf raubt. Es ist dieser hier!“ „Gut.“, sagte Logar mild. „Dann wird uns Allrounder Scott jetzt vorlesen, wessen Energie er enthält.“
Ich nahm den Zylinder von ihr zurück und räusperte mich. Dann legte ich meine Finger auf das Schild und las laut und deutlich: „Prinzessin Sytania!“ „Aber das kann doch nicht …! Das darf doch nicht …!“, stammelte Sytania außer sich. „Das bedeutet ja, das Flüstern in meinem Schloss ist die Wahrheit! Na warte! Diese Frau soll mich kennenlernen! Ich bin die einzige und mächtigste Sytania hier! Ich! Ich ganz allein! Telzan, wir reisen ab!“ Damit waren sie und ihr Oberster Vendar in einem schwarzen Blitz verschwunden.
„So weit, so gut.“, atmete ich auf. „Das stimmt.“, sagte Logar. „Aber ihr solltet euch jetzt anschicken wieder zu deiner Kapsel zu kommen. „Du hast schließlich noch eine Mission durchzuführen, Betsy Scott!“ Ich nickte und Iranach nahm mich bei der Hand: „Komm, Betsy El Taria. Meine Techniker werden deine Kapsel sicher längst repariert haben.“ „OK, Iranach.“, sagte ich und folgte ihr.
Aus dem Augenwinkel hatte Scotty die Reaktionen von Semvok beobachtet. Dieser hatte ihm und Shimar ab und zu zugezwinkert, was für einen Vulkanier eigentlich eine ungewöhnliche Reaktion war. Aber er dachte sich, dass dieser Mann vielleicht seine Gründe haben würde. Er wurde aus Semvok nicht wirklich schlau. Mein Mann fragte sich nämlich langsam, was Sytania mit einem einzelnen vulkanischen Zivilisten wollte. Seines Wissens waren sie Berührungstelepathen. Sie produzierten also noch nicht einmal annähernd die Menge an Energie, die Sytania in ihrer jetzigen Situation benötigen würde. Vulkan oder gar die Föderation erpressen zu wollen konnte auch nicht ihr Motiv sein, denn sie wusste ja, dass sie sich an der Föderation und ihren Verbündeten schon oft die Finger verbrannt hatte. Vielleicht hatte sie das aber auch schon längst wieder vergessen. Das passierte ihr ja gern einmal. Aber vielleicht war sie auch nur dankbar für jeden Telepathen, den ihr ihre Vendar anbrachten. Das brachte Scotty auf den Gedanken, dass die Prinzessin bereits recht verzweifelt sein musste. Zählte er jetzt seine Vermutungen mit Semvoks Tun zusammen, so kam dabei heraus, dass sie auf einem guten Weg sein mussten. Offenbar verstand der Vulkanier nämlich jedes Wort, das die vendarischen Wachen untereinander beim Schichtwechsel vor dem Felsen wechselten. Das fand mein Mann sehr merkwürdig. Ein Vulkanier, der Vendarisch konnte. Das musste doch alles irgendwelche Gründe haben.
Er wandte sich Semvok zu: „Hey, Semvok, könnte es sein, dass Sie die Vendar verstehen? Ich meine, Sie verhalten sich irgendwie seltsam und ich glaube, dass Sie Shimar und mir vorhin sogar konspirativ zugezwinkert haben.“ „Ihre Annahme ist absolut logisch, Scotty.“, sagte der Vulkanier fast tonlos. „Na aus Ihrem Mund is’ das bestimmt ’n Kompliment.“, sagte Scotty und beschloss nicht länger nachzufragen. Semvok würde sein rätselhaftes Verhalten nicht aufgeben. Das war ihm klar.
Shimar hatte sich ihm zugewandt. „Ist was, Scotty?“ „Also, ich weiß nich’. Ob du das gesehen hast.“, antwortete Montgomery. „Aber unser vulkanischer Mitgefangener scheint die Vendar zu verstehen. Er hat mir zwar nich’ übersetzt, was sie gesagt haben, aber es muss etwas sein, das gut für uns is’. Er hat mir nämlich konspirativ zugezwinkert. Ich weiß, das is’ ungewöhnlich für einen von seiner Rasse, aber …“ „Das kann ich nur bestätigen, Scotty.“, sagte Shimar. „Wir sind auf einem guten Weg, wie mir scheint. Wir haben den Schleier schon richtig gut ausgedünnt. Ich denke, Sytania kommt damit gar nicht klar.“ „Du meinst, sie rafft nich’, was wir hier machen?“, fragte der ehemalige Chefingenieur der Enterprise. Shimar nickte und grinste ihn an. „Deine Idee war klasse!“ „Dann lass uns ihr jetzt mal ’ne richtige Dosis verpassen!“, schlug Scotty vor. „Das Nerven war ja noch harmlos. Erinnerst du dich noch an den Moment, als sogar ihre Vendar mit uns zusammengearbeitet haben? Das hat sie ja richtig fertiggemacht.“ Er grinste breit. „Ok, Scotty.“, sagte Shimar. „Bleib so! Bleib in der Stimmung! Vertrau mir!“
Scotty spürte, wie er in einen schlafähnlichen Zustand abglitt. Das machte ihm aber nichts aus. Er hatte das ja schon mindestens einmal mitgemacht und wusste, was jetzt auf ihn zukam.
Jetzt sah er die Höhle von Akantus vor sich und ihn und mich. Außerdem waren da noch Cirnach und Telzan sowie Shimar. Letzterer schien ihn jetzt genau in den Moment gebracht zu haben, als Telzan und er die Verbindungen zwischen dem angeflickten Teil und dem ursprünglichen Teil des Webstuhls des Schicksals gelöst hatten und die beiden ursprünglichen Teile wieder zusammenfügten. Dies sah Scotty jetzt in Großaufnahme und fast in Zeitlupe, was ihn die Situation sehr genießen ließ. Dann sah er auch noch, wie Cirnach und ich ebenfalls zusammenarbeiteten. Auch Sytanias Auftauchen und ihre damalige Reaktion versetzten ihn in große Freude, auch wenn es nur Schadenfreude war.
Shimar ließ jede emotionale Kontrolle fallen, als er Scottys Freude spürte. Somit ließ er sie zu seiner eigenen Freude werden. Diese schickte er dann wie einen Ball wieder an Scotty zurück, wo sie sich erneut verstärkte. Auch diesem Gefühl ließ er wieder freien Lauf und das wiederholte sich einige Male, bis seine Überlebensinstinkte das Ganze beendeten, denn zu viel Freude ist auch für jeden Organismus Stress. Das Herz-Kreislauf-System und die Biochemie wurden schließlich sehr beansprucht. Shimar hatte zwar versucht das Ende so lange wie möglich herauszuzögern, irgendwann ging das aber nicht mehr.
Beide waren völlig erschöpft. „Ich hoffe, das hat Sytania gereicht.“, sagte Scotty. „Na, ich denke, wir werden ihr schon einen schönen Dämpfer verpasst haben.“, sagte Shimar und drehte sich zufrieden um. „Wir konnten uns zwar noch lange nicht befreien, aber ich denke, sie wird bereits den Tag verfluchen, an dem sie uns gefangengenommen hat.“ „Das wäre ja heute!“, scherzte Scotty und tat darüber sehr erstaunt. „Schade! Dabei war heute so ein schöner Tag. Die Sonne schien, die Vögel haben gezwitschert und …“ Shimar musste lachen: „Hör auf!“
Scotty hatte ihn fragend angeschaut. „Sag mal, Kumpel, wie machst du das eigentlich genau? Wie verstärkst du meine Gefühle?“ „Zuerst baue ich die Verbindung zu dir auf.“, erklärte Shimar, der sich sicher war, Scotty würde aufgrund seiner Intelligenz schon verstehen. „Dann suche ich in deinen Erinnerungen nach einer Situation, die bei dir Freude ausgelöst hat. Wenn ich die gefunden habe, spule ich deinen Geist sozusagen dorthin zurück, indem ich selbst versuche sie festzuhalten. Sobald du dich freust, lasse ich meine Kontrolle fallen, damit deine Freude zu meiner Freude werden kann. Weil wir uns dann beide freuen, wird die Freude verdoppelt. Weil wir verbunden sind, kriegst du das auch mit und ich schicke sie zurück zu dir. Weil du dich immer noch freust, wird sie verdreifacht und so geht es weiter und weiter, bis unsere Körper ein P davorsetzen. Zumindest dann, wenn ich die Verbindung nicht vorher abbreche.“ „Ich denke, das habe ich verstanden.“, sagte mein Mann und überlegte. „Worüber denkst du nach?“, fragte Shimar. „Ich weiß, dass du derjenige bist, der die Verbindung aufbauen muss.“, sagte Scotty. „Aber sobald wir verbunden sind, müsste ich doch auch die Kontrolle übernehmen können, oder? Ich meine, ich könnte doch dann auch in deinem Geist suchen, oder? Wenn ich dann eine Erinnerung gefunden habe, die dich erfreut, dann müsste ich dich doch auch immer und immer wieder durch diese Schleife schicken können, wenn du es zulässt. Ich könnte dann doch auch deine Freude zu meiner werden lassen und der Umstand, dass wir verbunden sind, macht den Rest! Das müsste doch gehen, oder?“ „Das kann ich dir so nicht beantworten.“, gab Shimar zu. „Wir lernen es nur so, dass der Behandelnde die Kontrolle übernimmt. Von einem Wechselspiel haben unsere Ausbilder mir nie etwas gesagt. Aber gut. Ich habe verlangt, dass du mir vertraust, also kann ich ja wohl auch mal dir vertrauen. Wenn irgendwas ist, kann ich die Verbindung ja immer noch abbrechen. Aber lass uns das bitte später machen, Scotty. Ich kann nicht mehr!“ „Schon ok, Kumpel.“, lächelte Scotty mild. „Ich will ja auch nich’, dass die Sache in die Wicken geht, nur weil wir zu müde sind.“ „Stimmt.“, grinste Shimar. „Dann schon lieber in die Rosen!“ „Ha-ha!“, lachte Scotty und beide legten sich auf den Boden und schlossen die Augen um sich auszuruhen.
Kapitel 35: Ouvertüre zum doppelten Spiel
von Visitor
Einer von Iranachs Untergebenen hatte Reshan erneut für uns gesattelt. Der Vendar hatte seiner Anführerin zwar die Frage gestellt, warum er, der uns noch bis zum Schluss geholfen hatte, mich zu dem vorderen Sattel führen sollte, hatte aber wohl ihre Antwort akzeptiert, dass es ihn nichts anging. Mir war bekannt, das Iranach zuweilen ein strenges Regiment führte, aber ich dachte mir auch, dass die Einzelheiten über unseren Deal nichts waren, über das sie und ich uns diesem mir völlig fremden Mann gegenüber lange auslassen mussten. Das hätte zu viel Zeit gekostet und die hatten wir nicht. Nur Iranach selbst hatte zwei lange Stricke an den unteren Enden der Handschlaufen für die kitzelnden Pinsel befestigt, die sie dann entlang meiner beiden Körperseiten zu sich nach hinten geführt hatte. So hatte sie sichergestellt, dass sie im Notfall von hinten eingreifen konnte, was schließlich auch den Soldaten beruhigt hatte.
„Bist du bereit, Iranach?!“, frotzelte ich und lächelte, während ich meinen Kopf in ihre Richtung drehte. „Wenn du es bist, Betsy El Taria!“, sagte sie. „Also gut!“, sagte ich, stellte mich in die Fußschlaufen, so dass mein Hinterteil nicht mehr so fest im Sattel saß, zupfte an den Handschlaufen und sagte mit motivierendem Tonfall: „Reshan, dshah, dshah!“, was so viel wie: „Los! Na komm! Oder: auf geht’s!“, bedeutete.
Reshan schlug mit den Flügeln und erhob sich. Dabei fiel mir auf, dass es jetzt doch recht zügig war. Das war kein Wunder, denn ich saß ja direkt hinter seinen Flügeln. Iranach, die jetzt in meinem Windschatten saß, bekam davon nicht viel mit, wie ich auch zuvor davon nicht viel mitbekommen hatte. „Ihr müsst ein sehr gutes Immunsystem haben.“, stellte ich fest. „So schnell erkältet ihr euch sicher nicht.“ „Das haben wir sowieso.“, erklärte Iranach. „Unsere Gebieter haben ja wohl wenig Interesse daran, dass wir krank werden.“ „Verständlich.“, sagte ich. „Wer zieht schon gern mit einem halben Lazarett in die Schlacht?“ „Das ist korrekt.“, antwortete die Vendar.
Ich hatte festgestellt, dass wir schon eine ganze Weile geradeausgeflogen sein mussten. „Sind wir noch auf dem richtigen Kurs, Iranach?“, fragte ich. „In der Tat.“, antwortete sie. „Sonst hätte ich dir schon längst Anweisungen zum Korrigieren gegeben. Ah, da unten sind meine Techniker und Data El Omikron-Theta. Reite einen Bogen nach links und dann landen wir direkt neben ihnen. Keine Angst. Ich sage dir schon, wann du was zu tun hast.“ „Mache ich den Eindruck, dass ich Angst hätte?!“, fragte ich. „Nein.“, sagte sie. „Aber das ist ein Umstand, der mich angesichts der Tatsache, dass du kein Augenlicht besitzt, sehr erstaunt.“ Wieso denn?!“, antwortete ich schon fast etwas frech. „Hier sind doch mindestens zwei Augenpaare, die das für mich übernehmen können.“ „In der Tat!“, stellte Iranach fest. „Ich denke, wir müssen damit aufhören dich immerfort bemuttern zu wollen. Du sagst schon Bescheid, wenn du Hilfe benötigst und wenn wir eine Gefahr sehen, die du nicht siehst, dann sollten wir mit dir darüber reden, sobald es die Situation zulässt. Auch wenn es erst nachher ist, aber wir müssen dich ernster nehmen, auch wenn du keinen Visor trägst, der deine Augen ersetzt. Deshalb bist du ja nicht weniger wert.“ „In der Tat!“, grinste ich.
Ich verlagerte mein Gewicht leicht nach rechts und zupfte an der rechten Handschlaufe, was Reshan dazu brachte mit dem rechten Flügel zu schlagen. Der Schwung drückte ihn nach links. Da ich durch meine Rechtstendenz die Fliehkräfte ausgeglichen hatte, geriet ich nicht ins Rutschen. Aber das wäre ohnehin nicht passiert, da ich mich ja außerdem an den Griffen des Sattels mit der freien Hand gut festgehalten hatte. So hatte ich Reshan tatsächlich dazu gebracht eine 45-Grad-Drehung hinzulegen. „OK.“, sagte Iranach. „Jetzt nimm deine Füße aus den Schlaufen und streck die Beine. Wir müssen ihn verlangsamen. Gleichzeitig musst du ihm sagen, dass er den Sinkflug einleiten soll. Weißt du noch, wie das geht?!“ „Beine nach unten strecken, fest hinsetzen und die beiden Schlaufen für die Pinsel nach vorn drücken, damit sie auf seinen Flügeln liegen.“, entgegnete ich knapp. „Na dann!“, sagte sie, was für mich das eindeutige Signal zum Beginnen war.
An Reshans Reaktionen merkte ich bald, dass er mich sehr gut verstanden haben musste. Er wurde nämlich langsamer und reduzierte auch langsam seine Flughöhe. Ich hatte die Bewegung seiner Flügel allerdings nur so weit eingeschränkt, wie es unbedingt nötig war. Abstürzen wollten wir schließlich alle drei nicht.
Dann setzten seine Hufe langsam auf dem Boden auf und er sortierte seine Beine. Dann holte er tief Luft und gab einen Laut von sich, der seine Flanken erbeben ließ. Der Laut erinnerte mich stark an das Schnurren einer Katze. Nur war es, bei dem großen Resonanzkörper wohl kaum verwunderlich, um ein Vielfaches lauter. „Wieso erzählt mir keiner, dass die schnurren können?!“, fragte ich etwas erschrocken, aber gleichzeitig angenehm überrascht. „Weil du nicht gefragt hast.“, sagte Iranach. „Aber dazu bestand bisher ja auch keine Veranlassung. Aber das war auch ein großes Kompliment an dich, Betsy El Taria. Das macht er nicht für jeden. Er hat sich unter deiner Kontrolle sehr sicher und sehr wohl gefühlt.“ „Interessant.“, sagte ich. „Dabei bin ich eine komplette Anfängerin. Na ja. Jeder hat mal Glück im Leben.“ „Das war kein Glück!“, sagte sie fest. „Du bist immer viel zu bescheiden. Du hast einfach ein sehr gutes Feingefühl für ihn.“ „Danke, Iranach.“, sagte ich. „Aber er ist auch ein ganz Lieber. Wie sage ich ihm, dass er das ganz toll gemacht hat? Ein Pferd würde ich klopfen und streicheln. Aber …“ „Auch ihn kannst du streicheln.“, sagte die Vendar. „Vor allem mag er es zwischen den Flügeln. Dort, wo sie seinen Schulterblättern entspringen. Da kommt er nämlich bei der eigenen Körperpflege nicht hin. Du solltest allerdings darauf gefasst sein, dass er wieder schnurren könnte.“ „Macht nichts.“, sagte ich, die ich bereits mit dem Streicheln begonnen hatte. „Ich höre das ja gern. Ich war nur etwas irritiert.“ „Verständlich.“, sagte Iranach. „Du bist das Sitzen auf einem schnurrenden Reittier sicher nicht gewohnt.“
Ich hatte ihre Worte schon nicht mehr wahrgenommen und war vollauf damit beschäftigt gewesen, Reshans weiches Fell zu kraulen. Er schnurrte uns dabei tatsächlich etwas vor. „Feiner Junge!“, flüsterte ich dabei mit fiel Überzeugung in der Stimme. Das Wesen schloss genießerisch die Augen.
Zwei Füße waren in der Ferne zu hören. Füße, die jemandem gehörten, den ich sehr gut kannte. „Commander Data, wir sind hier!“, rief ich ihm zu, den ich längst erkannt hatte. Der Androide kam näher und musterte uns. „Faszinierend.“, stellte er dann fest. „Sie scheinen das Reiten eines solchen Tieres sehr schnell gelernt zu haben, Allrounder. Auch wenn du, Iranach, sicher noch deinen Beitrag leistest um ihr behilflich zu sein. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich das überhaupt zutrauen, Betsy. Die Wahrscheinlichkeit dafür betrug laut meinen Berechnungen weniger als 20 %.“ „Mathematik ist eben nicht alles im Leben, Commander.“, sagte ich und lächelte. „Das ist korrekt.“, sagte Data. „Zumal mir meine Erfahrungen mit biologischen Wesen oft gezeigt haben, dass sie häufig von den berechneten Parametern abweichen können. Statistisch betrachtet sind gerade Sie dafür ein sehr gutes Beispiel, Allrounder. Deshalb neige ich bereits dazu etwas in meine Berechnungen einzufügen, das ich den Allrounder-Scott-Faktor nenne.“ „Faszinierend.“, sagte dieses Mal ich und lachte laut auf. „Eine mathematische Größe wird nach mir benannt. Dabei war das Rechnen nie meine Stärke.“ „Das ist dafür unerheblich.“, sagte Data. „Na ja.“, meinte ich. „Wir werden sicher noch genug Zeit haben über den Allrounder-Scott-Faktor zu philosophieren. Aber ich denke, wir müssen langsam los.“ „Korrekt.“, sagte der Androide knapp. „Bitte lassen Sie mich Ihnen beim Abstieg helfen.“ „OK.“, sagte ich und hob mein rechtes Bein über Reshans Rücken. Dann ließ ich mich an seiner linken Flanke herabgleiten, während Data seine Hand auf meinen Rücken legte um mir mehr Sicherheit zu geben. Dann führte er mich zur Kapsel, die von Iranachs Technikern tatsächlich erfolgreich repariert worden war. Von der Vendar, die uns noch begleitete, verabschiedeten wir uns und stiegen ein um dann loszufliegen. Auch Iranach, die Reshan vorher ein Kommando zum Warten gegeben hatte, stieg wieder in den Sattel und ritt ihrer Wege. Ihre Techniker und Talan stiegen auch wieder in das Shuttle, mit dem sie gekommen waren. Sie benötigten es, da sie ja auch die schweren Ersatzteile und ihre Ausrüstung transportieren mussten.
Shimar war erneut erwacht. Darauf hatte Scotty schon gewartet. Er hatte sich schon sehr auf das Experiment gefreut, das meine beiden Jungs jetzt machen würden. Er erhoffte sich davon nämlich einen ziemlichen Riss in Sytanias Schleier, oder gar dessen vollständige Entfernung.
„Bist du soweit?“, fragte er in Shimars Richtung. „Und wie ich das bin!“, sagte mein Freund. „Darauf kannst du ganz gepflegt einen lassen!“ „Das lassen wir mal lieber!“, grinste Scotty. „Die Luft hier is’ eh schon so stickig. Die Vendar könnten ruhig mal das Fenster öffnen, wenn sie einen von uns das nächste Mal holen!“ „Du Witzbold!“, rief Shimar aus. „Als ob es hier Fenster gäbe! Aber ich weiß schon, dass du das als Spruch gemeint hast um mich aufzuheitern. Das ist dir auch gelungen.“ „Na klasse!“, frotzelte mein Mann. „Dann können wir ja die gute Stimmung gleich mit in unser Experiment nehmen, was?!“ „Ganz deiner Ansicht.“, sagte Shimar und drehte sich ihm so zu, dass er ihm gut in die Augen sehen konnte.
„Wie hättest du’s denn gern?“, fragte er. „Soll ich bis drei zählen, bevor ich die Verbindung aufbaue? Ich meine, sonst hättest du ja keine Möglichkeit festzustellen, wann es so weit ist.“ „Kannst du mir nich’ irgendein Zeichen geben?“, fragte Scotty. „Ich meine, bei Betsy hast du das ja genauso gemacht.“ „Ach.“, lächelte Shimar. „Meinst du etwa so?“
Scotty sah kurzfristig mein Gesicht vor sich, obwohl er es sich gar nicht vorgestellt hatte. „Ja, so in etwa.“, sagte Scotty. „Dann is’ sie jetzt wohl stabil, was? Du weißt schon, wovon ich rede.“ „Ja, das ist sie.“, sagte Shimar. „Du kannst loslegen.“ „Na gut.“, sagte Scotty und dachte: Zeig mir die Erinnerung, die dich am stärksten erfreut hat und die dich am stolzesten gemacht hat! Dann glitten Scotty und er in jenen schlafähnlichen Zustand ab.
Shimar fand sich in mitten seiner Klassenkameraden aus seiner Zeit auf der Akademie der tindaranischen Streitkräfte wieder. Auch er selbst trug die Uniform eines Kadetten. Sie waren aber nicht im Gebäude der Akademie, sondern befanden sich auf einer Raumwerft, die sie unter der Leitung von Professorin Inell, ihrer Flugprofessorin, besichtigt hatten. Shimar erinnerte sich sehr genau an diese Situation. Gleich würden sie einen der Räume betreten, in denen die Fertigung der Schiffe überwacht wurde und Amnell, eine der Angestellten der Werft, würde den Werftleiter Namens Tenvar auf etwas Bestimmtes ansprechen. Das geschah dann auch, denn eine kleine Gestalt hinter einer Konsole hatte ihm tatsächlich ihre winkende Hand entgegengestreckt: „Warte bitte kurz, Tenvar!“ Er, ein für einen Tindaraner ungewöhnlich großer Mann von hagerer Statur mit einer Größe von 1,80 m und schwarzen Haaren in einem roten Anzug und roten Sicherheitsschuhen, drehte sich zu der kleinen schmächtig wirkenden Frau um und sagte im Flüsterton: „Hast du Neuigkeiten, Amnell?“ Sie nickte und sagte dann: „Die Zusammenkunft hat uns die Einstellung der Serie genehmigt. Bezüglich des vorhandenen Prototypen prüfen sie noch.“
Shimar hatte sich an allen anderen Kadetten und seiner Professorin vorbei in die erste Reihe gedrängt und die Hand gehoben. „Ja.“, sagte der Werftleiter und sah ihn erwartungsvoll an. „Geht es um das Schiff, das angeblich von niemandem zu kontrollieren ist, weil sie so diskussionsfreudig und ungewöhnlich in ihrem Verhalten ist?“, fragte er. „Ja, darum geht es.“, sagte der Werftleiter. „Du scheinst gut informiert zu sein, Kadett … em …“ „Shimar.“, stellte sich selbiger vor. „Du scheinst gut informiert zu sein, Kadett Shimar.“, lobte Tenvar. „Ich lese Zeitung.“, sagte mein Freund bescheiden. „Das Schicksal dieses Schiffes spaltet die Nation.“
„Da hast du Recht.“, mischte sich jetzt auch die Technikerin vor der Konsole mit ihrer leisen hellen Stimme ein. „Wir haben uns wohl etwas weit aus dem Fenster gelehnt und werden sie wohl demontieren müssen. Es kommt ja kein noch so gut ausgebildeter Pilot mit ihr zurecht.“
Ihre letzte Äußerung hatte Shimar ein Grinsen entlockt. „Dann lasst mich mal ran.“, flapste er. „Kadett Shimar!“, rief Inell ihn zu sich und zur Ordnung. „Bist du denn schon ein ausgebildeter Pilot?!“ „Nein.“, grinste Shimar ihr frech ins Gesicht. „Aber gerade deshalb würde ich es gern versuchen.“ Allen blieb vor Erstaunen der Mund offen. Schließlich aber war es Tenvar, der sagte: „Inell, deine Schüler kennen ja alle das Risiko, das sie eingehen, wenn sie sich zum Militär melden. Deshalb habe ich damit auch kein Problem. „Komm, Kadett, ich bringe dich persönlich zu ihr. Amnell, du überspielst das Programm für das Manöver und startest die vendarische Sonde aus der letzten Kriegsbeute, die wir …“ „Ja, Tenvar.“, nickte die Angestellte und sah zu, wie ihr Chef und Shimar unter den staunenden Augen seiner Klasse und seiner Professorin den Raum verließen.
Shimars Erinnerung machte einen Sprung und er fand sich im Cockpit des Schiffes wieder. Sie waren über dem Gelände der Werft. Das konnte er sehen. Vor ihnen flog eine vendarische Sonde. Das Schiff hatte ihm bereitwillig alles gezeigt, was die Techniker, die alles auf der Werft überwachten, bereits sehr wunderte. Aber über den Neurokoppler hatte das Schiff bereits erfahren, dass Shimar dafür berühmt und berüchtigt war auch mal von den starren gelernten Dingen abzuweichen, wenn es nötig war. Sie kannte seine Gedanken und wusste, dass sie in ihm wohl endlich den richtigen Piloten gefunden hatte, denn auch sie war so programmiert, dass sie selbst auch andere unkonventionelle Lösungen favorisierte, wenn die konventionellen nicht zu einem wünschenswerten Ergebnis führten.
„Das gibt es nicht.“, staunte Amnell und deutete auf den Monitor. „Das hat sie vorher bei sonst keinem gemacht.“ „Inell sagt, Shimars Tests weisen darauf hin, dass er auch sehr spontan ist.“, erklärte Tenvar. „Vielleicht passen die Beiden ja zusammen.“ „Das wäre die letzte Chance für das Schiff.“, sagte Amnell und Tenvar nickte.
„Shimar, die feindliche Sonde hat die Werft ins Visier genommen und lädt ihre Waffen.“, meldete Das Schiff. „Ihre Schilde sind oben. So dicht über Grund mit dem Phaser oder gar einem Photonentorpedo zu reagieren halte ich für zu gefährlich. Es könnten zu viele Zivilisten zu Schaden kommen.“ „Da stimme ich dir zu, IDUSA.“, sagte Shimar. „Aber du weißt auch, dass niemand zielen kann, wenn er nicht mehr weiß, wo er ist. Ich wette, auf eine bekannte und für sie freundliche Frequenz des Traktorstrahls wird sie positiv reagieren. Kannst du die Frequenz deines Strahls so anpassen, dass sie wie ein vendarischer Strahl aussieht?“ „Ja, Shimar.“, sagte das Schiff und tat es.
Tatsächlich ließ die Sonde ihren Schild fallen und IDUSA konnte sie somit in den Traktorstrahl nehmen. „Und jetzt machen wir ihr Navigationssystem fertig!“, sagte Shimar. „Ich hoffe aber, Sie achten dabei auf Ihre Gesundheit.“, warnte das Schiff. „Da mach dir mal keine Sorgen.“, sagte Shimar. „Ich habe eine Kunstflugausbildung angefangen und das medizinische OK dafür kriegt man nicht, wenn man einen schwachen Magen hat. Komm jetzt!“
Er flog eine Reihe wilder Kunstflugmanöver, mit deren schneller Abfolge selbst die Software des Kontrollprogramms überfordert war. Auch war diese Variante im Programm nicht vorgesehen, was Amnell zwang manuell einzugreifen. Schließlich kreiselte die Sonde hilflos und wehrlos vor ihnen herum. Ihr Navigationssystem hatte sich aufgehängt. Hätte Amnell ihr nicht den Befehl zum Neustart aller Systeme übermittelt, wäre sie abgestürzt.
Sofort ließ sich Tenvar im Beisein von Inell zu Shimar durchstellen. „Du hast gewonnen, Kadett!“, sagte er fest und fast feierlich. „In zweierlei Hinsicht.“ „Zuerst das Manöver und dann auch noch, weil du dieses Schiff vor der Demontage bewahrt hast. Sie und du, ihr seid beide Freunde außergewöhnlicher Entscheidungen. Wir werden bei der Zusammenkunft anfragen, ob sie dir nicht eine spezielle Erlaubnis geben können, damit du sie behalten kannst.“
Er gab das Mikrofon an Inell weiter, die noch sagte: „Ich hoffe, dir ist klar, Kadett, dass du gerade in gewisser Weise ein Leben gerettet hast, denn die künstlichen Intelligenzen sind uns rein rechtlich ja gleichgestellt! Komm zurück! Ich denke, wir haben heute noch etwas zu feiern!“ „Ja, Professorin!“, erwiderte Shimar und lenkte das Schiff zurück ins Dock.
Mit zufriedenem Ausdruck im Gesicht hatte Shimar wieder die Augen geöffnet. „Das hätte ich jetzt nicht erwartet, Scotty.“, sagte er und gab einen zufriedenen Seufzer von sich. „Oh.“, machte mein Mann und tat enttäuscht. „So mies?“ „Im Gegenteil.“, grinste Shimar. „Ich hätte nur nicht gedacht, dass du mich so weit zurückführst. Das hat mich total umgehauen! Deshalb waren wohl auch meine Reaktionen etwas heftig. Entschuldige. „Ach, ’n guten Schotten haut nix um!“, flapste Scotty. „Aber wenn dich die Vendar gleich holen und du noch die ganze Freude in dir hast, dann müsste deine Energie Sytania doch auch schwächen, weil sie positiv is’.“ „Oh ja.“, sagte Shimar. „Das weiß ich und deshalb freue ich mich schon. Ich hoffe nur, dass Lady Raffzahn nicht misstrauisch wird, wenn ich sie ihr freiwillig gebe.“ „Dann wirst du dich eben ’’n bisschen zieren müssen.“, sagte Scotty. „OK.“, sagte Shimar. „Hoffentlich reichen meine schauspielerischen Kenntnisse dafür aus.“
Über meine schauspielerischen Kenntnisse und Fähigkeiten musste ich auch gerade nachdenken, denn Data und ich hatten mit unserer Kapsel wieder Benevideas Schöpfung erreicht. Jetzt war es an mir Kissara von unserem Plan zu überzeugen. Allerdings würde ich mir eine Geschichte ausdenken müssen, wie ich an den Ring der Macht gekommen war. Die Wahrheit durfte ich ihr auf keinen Fall sagen, denn dann hätte ich ihr ja auch gleichzeitig gesagt, dass ich für einen anständigen Weltuntergang sorgen würde und das würde sie ja auf keinen Fall zulassen wollen. Sicher würde man mich ins Gefängnis werfen, wenn das herauskäme. Wie ich die Situation allerdings einschätzte, würde die originale Sytania mir in die Hände spielen. Sicher würde sie ihr Gegenstück bedrohen und dann könnte ja ich als Heldin mit dem Ring um die Ecke kommen. Diese Theorie hatte ich auch Data unterbreitet, der sie bestätigt hatte.
„Sie werden Ihren Commander belügen müssen.“, warnte er mich. „Das ist mir klar, Data.“, sagte ich. „Aber sie ist nicht wirklich mein Commander. Sie ist nur eine Kopie. Mir ist längst klar, dass sie sterben muss. Ich weiß, dass sie und all die anderen Kopien sterben müssen. Nur so können wir Benevidea beweisen, dass sie keine Angst davor haben muss, dass die Föderation eines Tages Sytania gehört.“ „Ich hoffe nur, dass sie auch in der Lage sein wird, Ihre Inszenierung zu sehen, Allrounder.“, sagte Data. „Sie kennen die Daten.“ „Das stimmt.“, sagte ich. „Aber Time hätte Valora ja sicher nicht überreden können ihm zu helfen, wenn es Benevidea nicht schon viel besser gehen würde. Ihre Sorge um ihr Stiefkind wäre bestimmt zu groß gewesen. Sie hätte bestimmt keine Zeit dafür gehabt. Aber offenbar ist mit der Kleinen ja wieder alles in Butter. Das bestätigen ja auch unsere Daten. Commander, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Um einige der Kopien tut es mir mehr leid als um andere. Sie wissen, ich bin keine kaltblütige Mörderin, aber …“ „Es muss sein, Allrounder!“, rief er mir die Situation in Erinnerung. „Sonst können wir es gegenüber Benevidea nie beweisen, wie Sie selbst sagten. Von den Konsequenzen für die Dimensionen ganz zu schweigen.“ „Ich weiß.“, beschwichtigte ich. „Ich werde es ja auch tun. Ich weiß, wir haben keine Wahl, aber das macht es für mich nicht leichter.“ „Sie können sich glücklich schätzen über ein derartiges Gewissen zu verfügen.“, sagte Data. „Als Logar Ihnen den Ring der Macht anvertraute, wusste er, dass Sie ihn nicht missbrauchen würden. Sie sind zwar keine Mächtige, könnten ihn also nicht direkt missbrauchen, aber Sie könnten ihn dem falschen Mächtigen geben, falls es Ihnen beliebt. Durch den Umstand, dass er jetzt in Ihrem Besitz ist, könnten Sie sogar die Mächtigen erpressen. Sie könnten damit drohen, ihn einer vernichtenden Dosis Rosannium auszusetzen, wenn sie nicht täten, was Sie wollen. Aber so jemand sind Sie nicht. Das weiß ich und das weiß auch Seine Majestät. Sie werden Logar nicht enttäuschen. Das können Sie gar nicht. Ihre Entscheidung wird die richtige sein. Dessen bin ich sicher.“ „Vielen Dank, Commander.“, sagte ich. „Aber ich bin ein Mensch. Meine Rasse ist dafür bekannt und prädestiniert sich ziemlich leicht von der Macht korrumpieren zu lassen.“ „Das mag auf bestimmte Exemplare Ihrer Rasse zutreffen, Allrounder.“, sagte Data. „Das Exemplar jedoch, das hier neben mir sitzt, hat noch nie so ein Verhalten gezeigt. Meiner Analyse ihres Verhaltens nach wird sie das auch nie!“ „Hoffentlich haben Sie sich da nicht verrechnet, Data.“, sagte ich. „Ich habe Ihre Berechnungen ja schon oft genug lügengestraft. Sie sollen es ruhig wissen! Ich habe verdammte Angst!“ „Verständlich.“, sagte er. „Aber gerade diese verdammte Angst wird Sie vor dem Treffen einer falschen Entscheidung bewahren!“
Wir waren an der Basis 817 angekommen und ich hatte die Kapsel gedockt. Dann waren Data und ich ihr entstiegen. Nur eines war mir seltsam vorgekommen. Sowohl der Computer als auch Data hatten mir gegenüber bestätigt, dass auch sonst nur Rettungskapseln an den Schleusen waren. Wo war die Granger?
„Betsy!“ Eine bekannte Stimme hatte mich anhalten lassen. Ich drehte mich in die Richtung, aus der sie gekommen war und erkannte Mikel, der mich sofort bei der Hand nahm und mit sich in eine Nische zog. Dann sagte er: „Hast du Logar informieren können?“ Ich gab nur einen bestätigenden Laut von mir. „Ich habe sogar mehr als das.“, sagte ich und zog die Schatulle aus meiner Brusttasche: „Fühl mal.“ „Du erzählst mir jetzt nicht, dass da drin der Ring der Macht ist.“, sagte Mikel. „Mach sie auf, dann weißt du’s.“, zischte ich.
Er öffnete die Schatulle, fasste kurz hinein und gab sie mir danach mit zitternden Händen samt Ring zurück. „Ich hätte nicht gedacht, dass Logar das wirklich macht.“, sagte Mikel. „Ich hätte nie gedacht, dass er dir wirklich den Ring anvertraut.“ „Das habe ich in gewisser Weise auch nur Iranach zu verdanken.“, sagte ich. „In dem Ring gibt es eine vendarische Inschrift. Sie lautet: Wirst du nicht mein rechter Träger sein, zerstöre ich das Liebste dein. Was ist Sytania wohl das Liebste, he?“ „Sie selbst.“, antwortete Mikel. „Genau.“, sagte ich. „Und weder die Kopie noch das Original von Sytania sind die rechtmäßigen Trägerinnen des Rings. Er wird die Kopie also töten, wenn ich ihn ihr gebe. Das bedeutet zwar auch euren Tod, aber …“ „Darüber haben wir doch schon gesprochen.“, erinnerte Mikel mich. „Aber du kannst Kissara unseren Plan jetzt gut als die tatsächliche Rettung unterjubeln. Sie ist in ihrem Quartier. Dort kontaktiert sie gerade Sytania und erzählt ihr von der anderen Sytania. Sie hat es tatsächlich in deine Heimat geschafft und deine Kissara hat …“ „Alles klar.“, sagte ich. „Aber dabei hat sie wohl das Schiff geschrottet, was? Na ja. Auch egal. Ich bringe Data in mein Quartier und gehe dann zu ihr, um als vermeintliche Retterin der Situation aufzutreten. Wenn ich nur wüsste, wo ich mein weißes Pferd und die strahlende Rüstung hingelegt habe.“ „Sehr emanzipierter Spruch!“, grinste Mikel und ging mit einem unschuldigen Gesicht in die andere Richtung. Auch Data und ich machten uns zu meinem Quartier auf, wo ich ihn, der inzwischen wieder in seine Rolle als stummes befehlsabhängiges Hilfsmittel geschlüpft war, absetzte. Dann schlüpfte auch ich wieder in meine Rolle als königstreue Offizierin und machte mich auf den Weg zu Kissara.
Diese saß tatsächlich in ihrem Quartier vor dem Kontaktkelch. Allerdings hatte nicht sie Sytania, sondern Sytania Kissara kontaktiert.
Oh, Kissara, es ist etwas Schreckliches geschehen!, hatte Sytania ihrer Lieblingskommandantin ihr Herz auf telepathischem Wege ausgeschüttet. Stell dir vor! Ich werde bedroht! Es gibt jemanden, die behauptet ich zu sein. „Wie habe ich das zu verstehen, Majestät.“, sagte Kissara und sprach dabei in Richtung des Kelches. Wie ich es gerade gesagt habe, Kissara., gab Sytania zurück. Sie sagt, sie sei das Original und ich sei nur eine Kopie! Dabei bin ich die einzige Sytania hier. Die erste und einzige Sytania! Sie behauptet, sie könne spüren, dass ich schwächer bin als sie! Sie meint, meine Macht sei von minderer Qualität als ihre! Gelacht hat sie über mich, Kissara! Gelacht! „Bitte beruhigt Euch, Majestät.“, beschwichtigte mein Commander sie. „Ich muss Euch etwas sagen. Ihr müsst jetzt sehr stark sein. Aber ich finde besser, Ihr erfahrt es von mir, als wenn Ihr es von irgendjemandem sonst erfahrt. Es gibt diese Frau. Ich habe sie gesehen. Ob nun sie eine Kopie ist, oder ob Ihr es seid, vermag ich allerdings nicht zu sagen.“ Das werden wir im Zweifel ja sehen!, gab Sytania wütend zurück. Ich werde ihre Herausforderung annehmen! Sie soll nur kommen. Sie hat mir allerdings erlaubt, dass ich den Ort für unseren Kampf auswählen darf. Ich dachte mir, Nuguras Schloss auf der Erde sei gut geeignet. Findest du nicht? „Da kann ich Euch nur zustimmen, Majestät.“, sagte Kissara. „Ach, einen Augenblick.“
Endlich war sie auf die Sprechanlage aufmerksam geworden, die ich schon seit geraumer Zeit zum Piepen gebracht hatte, indem ich den entsprechenden Knopf gedrückt hatte. Das Piepen hatte sie bereits ziemlich genervt und auch ihre Konzentration auf das Gespräch mit Sytania beeinträchtigt. Das war etwas, das ihr gar nicht gefiel.
Sie drehte sich der Anlage zu: „Was gibt es denn?“ Erst jetzt sah sie mein Gesicht: „Scott! Wo waren Sie? Als die anderen hier eingetroffen waren, sagte man mir, dass Sie niemand gesehen h