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Nein, nach Little Federation hatte mich mein Traum in dieser Nacht nicht geführt. Der Geruch von Frittenfett und gebratenem Fleisch erinnerte mich eher an meinen Stammimbiss. Mir gegenüber am Tisch saß eine offensichtlich amerikanische Touristin, die mit der deutschen Speisekarte kämpfte. Zumindest entnahm ich das den englischen Äußerungen, die sie machte. Englische Äußerungen? Da war was in ihrer Stimme. Etwas, das mich in gewisser Weise an die deutsche Stimme von Ensign Sato erinnerte, aber sie konnte es nicht sein, denn die englischsprachigen Äußerungen enthielten das Wort: Detector“, also „Erfasser“ und nicht „Tricorder“.

„I’ll have to use my Detector, to find out, what the food contains.” Das sagte sie jetzt etwas lauter, aber nicht ganz so laut, dass es alle an den umstehenden Tischen hätten mitbekommen können. Mir wurde heiß und kalt. „Illiane?“, fragte ich. Sie wuselte um den Tisch und setzte sich neben mich. Unsere weitere Unterhaltung werde ich hier übersetzen.

„Betsy.“, begann sie. „Ich bin so froh, dass ich dich treffe und dass du meinen kleinen Code doch verstanden hast!“ „Was ist denn los?“ wollte ich wissen. „Die Geschichte ist verändert worden. Aber ich kann hier nicht reden. Wir brauchen ein scharfes Essen, um sie wieder zu korrigieren.“ Ich verstand nur noch Bahnhof. Nur eines war sicher. Hier musste gründlich was danebengegangen sein, wenn Huxley so etwas erlaubte. Aber warum brauchten sie scharfes Essen?

Gedankenverloren stocherte ich in meiner Currywurst, was zur Folge hatte, dass mir ein Stück über den Tellerrand flutschte und sie es mit einem gehetzten: „Oh, warte.“, wieder in meine Schüssel bugsierte. Allerdings tat sie dies mit den Fingern, die sie sich danach ableckte. Dann saß sie plötzlich da, als sei sie vom Donner gerührt. Irgendwas war mit ihr. Das spürte ich. „Zu scharf?“, fragte ich mit vollen Backen. Einige Sekunden geschah gar nichts. Dann breitete sie plötzlich explosionsartig die Arme aus, umschlang mich damit und dann drückte dieses Eins-Fünfzig-Persönchen mich mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft an sich. Dabei spie ich ihr situationsbedingt einen Regen aus halbzerkauten Wurststückchen und Frittenresten ins Gesicht. Nur mit viel Mühe konnte ich mich aus ihrem Griff befreien, um ein Taschentuch zu suchen, mit dem ich ihr Gesicht abwischen wollte. Sie aber schlug meine Hand weg und stammelte hektisch atmend: „Du hast da die Lösung, die Lösung, die Lösung auf deinem Teller.“

Ich hörte das mir vertraute Geräusch ihres Erfassers und dann ein gequietschtes: „Komm!“

„Warte doch.“, versuchte ich diese wuselige kleine Frau, die mich jetzt auf die Straße zu zerren versuchte, zu beruhigen. „Ich muss noch zahlen.“ Sie zerrte mich unbeeindruckt an der Kasse vorbei, auf die ich noch einen 10-Euro-Schein werfen konnte. Das Wechselgeld flog auf dem gleichen Weg zurück, landete aber nicht in meiner Tasche, sondern klirrend auf dem Boden. „Klatsch, plong, autsch!“ Ich hatte Bekanntschaft mit dem Türpfosten gemacht.

Ich erwachte aus meiner Ohnmacht in einer Rettungskapsel. Neben mir stand Huxley und strich mir mit einer seiner „großen amerikanischen Cowboypratzen“, wie er seine Hände gern selbst scherzhaft bezeichnete, über mein Gesicht. „Hey, Dornröschen.“, lachte er. „Sie haben uns sehr geholfen. Tak programmiert jetzt den Replikator mit den Daten aus St. Johns Erfasser und dann machen wir die Zeitreise und ersetzen das Essen der Fremden durch ’ne extra scharfe Currywurst. Vielleicht akzeptieren sie uns dann und versuchen nich’ mehr …“ Aus dem Hintergrund erklang Sedrins Stimme. „Lassen Sie mich ihr erst mal alles erklären, Jaden.“ „Sie?“ Hatte sie gerade „Sie“ gesagt? Oh Backe. Die Geschichte musste doch mehr mitgenommen sein, als ich dachte und zwar zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Eclypse-Mission. „Agent!“, rief ich benommen. „Bitte kommen Sie doch her und erklären Sie mir, was hier los ist.“

Die Demetanerin folgte bereitwillig meiner Bitte. Sie setzte sich neben mich auf den Boden und begann: „Vor einigen Tagen durchquerten wir ein Sonnensystem, dessen Grenzpatrouillen uns erst dann weiterfliegen lassen wollten, wenn wir sie zum Essen auf unser Schiff eingeladen hätten. Sie seien ein kriegerisches Volk und würden aufgrund der Würze unseres Essens entscheiden, ob wir würdig seien, mit ihnen das Universum zu teilen, oder ob wir aus der Geschichte ausgelöscht werden sollten. Wir sahen allerdings keine Waffen. Deshalb hielt Huxley das für einen Bluff. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass sie die Zeit selbst als Waffe benutzen würden. Sie müssen eine Möglichkeit kennen, Ereignisse gezielt zu verändern, damit sie genau das erreichen, was sie erreichen wollen. Tressa denkt sogar, sie könnten in die Zukunft sehen. Illiane und ich hatten ein komisches Gefühl und sprachen mit Tressa ab, sie solle uns beim geringsten Anzeichen von Problemen sofort in diese Rettungskapsel beamen und dann würden wir in die interdimensionale Schicht wechseln. Huxley ließ das replizieren, was im Allgemeinen als die feine Küche gilt. Das war …“ „Lassen Sie mich raten, Agent.“, unterbrach ich sie. „Das war ihnen zu lasch und für die seid ihr jetzt die Luschen der Nation und sie haben die Eclypse-Mission gar nicht erst stattfinden lassen.“ „Doch, doch.“, sagte sie. „Aber mit ein paar Änderungen, wie Sie schon festgestellt haben dürften.“

Ich hörte das Schrillen eines Erfasseralarms. Dann präsentierte Tak eine replizierte Currywurst. „Laut Interpretationsprogramm.“, begann der Japaner stolz. „Ist sie für uns viel zu scharf. Aber für unsere Freunde sicher gerade richtig.“

Die demetanische erste Offizierin und der terranische Kommandant musterten den Teller, auf dem sich offenkundig mehr Curry als Wurst befand, kritisch und nickten ihn aber dann doch ab.

Illiane initiierte die Zeitreise. Bald tauchten wir neben der Eclypse auf. Neben ihr lag außerdem ein kleines Patrouillenschiff. „Super Timing!“, lobte Sedrin Illianes Flugkünste. „Das können Sie ruhig wörtlich nehmen.“, pflichtete Huxley ihr bei. Per Transporter ersetzte Tak nun die Teller und Illiane brachte uns hinter einen Mond, wo man uns nicht sehen konnte. Dann schaltete sie das Komm-System der Kapsel auf die internen Sensoren des Mutterschiffes auf.

Einer der Fremden, ein komisch aussehender Typ mit zotteligem Bart, hatte gerade einen Bissen von der Currywurst, die Tak verändert hatte, zu sich genommen. Sedrin, die die ganze Zeit an meinem Ohr hing, flüsterte: „Halten Sie sich besser bereit, Betsy. Wahrscheinlich gibt es gleich eine …“ Weiter kam sie nicht, denn der Fremde hatte seinen Teller in die Luft geworfen und lachte jetzt: „Fabelhaft! Fa-ha-ha-ha-belhaft! Anscheinend können Sie genau so viel vertragen wie wir. Dieses Essen ist eines Temporalkriegers würdig. Wir akzeptieren Sie neben uns und werden Sie nicht aus der Geschichte löschen.“

Sausen, alles drehte sich, der Boden der Kapsel wich meiner Matratze. Faszinierend!, dachte ich, Man braucht manchmal nur eine Currywurst, um die Geschichte zu berichtigen!

ENDE

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