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Lucius war es gelungen, Simach aus ihrer Erstarrung zu befreien. Er hatte sie dazu aber stark schütteln müssen. So sehr, dass sie hingefallen war. Er zog sie auf einen Baumstumpf, entschuldigte sich und fragte dann, während er ihr den Schmutz vom Kleid wischte: „Was war denn?“ Simach liefen die Tränen herunter. Schluchzend stieß sie hervor: „Sie hat mit mir kommuniziert. Das Energiefeld, das ich trage, ist noch viel böser, als es Sytania je war.“ Lucius hielt sie ganz fest. „Oh, um Himmels Willen, wie kann denn so etwas passieren?“, fragte er laut. „Ich weiß es nicht.“, entgegnete Simach verzweifelt. „Vielleicht hat Logar bei der Schöpfung etwas falsch gemacht.“ Lucius ahnte, dass es jetzt an ihm war, eine Entscheidung zu treffen. „Wir gehen zu deinem Ausbilder.“, sagte er mit bestimmtem aber gleichzeitig auch sehr tröstendem Ton. „Vielleicht kann Shiran uns helfen.“

„Sag das noch mal, Maron.“, bat Zirell ihren ersten Offizier ungläubig. „Toleas Leiche? Wie kann das denn sein?“ Alle im Konferenzraum sahen als Erstes Shannon an. „Ach, kommt schon, Leute.“, flapste sie. „Irgendwann hab’ ich vielleicht mal fallen lassen, dass nur ein toter Unsterblicher ein guter Unsterblicher is’. Aber das hier, das war ich nich’. Das schwör’ ich bei der toten Leiche meiner Mutter und am Besten bei der meines Vaters noch obendrein. Vielleicht sollte ich noch bei meiner ganzen Familie …“ „Du solltest dir vor allem mal zuhören, Shannon O’Riley.“, fiel Joran ihr ins Wort.

Im Vendarischen gibt es keine Familiennamen, wie wir sie kennen. Unverheiratete Vendar tragen die Namen ihrer Mutter und ihres Vaters hinter dem Eigenen, wie es aus Simachs Vorstellung bei Logar deutlich geworden sein sollte. Verheiratete tragen hinter dem eigenen Namen die Silbe: „ed“, was soviel wie: „gehört zu“ bedeutet und da hinter den Namen des Ehepartners. Ungenauer Weise haben die Sternenflotten-Universalübersetzer daraus aber ein „Von“ gemacht. Deshalb hat Joran auch Schwierigkeiten, bei terranischen Namen zwischen dem Vor- und Nachnamen zu unterscheiden und sagt beides. Auch, weil er mit Sternenflottenrängen nichts anzufangen weis, spricht er Agent Maron zwar mit Rang und Namen an, duzt ihn aber, wie es bei den Vendar üblich ist. Bei den Beschützern bzw. Tindaranern sind ebenfalls alle perdu.

„Niemand macht Ihnen einen Vorwurf, Technical Assistant.“, beruhigte Maron seine Untergebene. Er hatte die Angewohnheit, Shannon und Jenna mit Sternenflottenrängen anzusprechen, obwohl sie ja keine hatten, weil sie schließlich für die Tindaraner arbeiteten. Die einzige Erklärung, die Jenna für das Verhalten des Verbindungsoffiziers zwischen Tindara und der Föderation fand, war, dass er einfach nicht aus seiner Routine heraus konnte und das wahrscheinlich nur, weil die beiden Terranerinnen waren. Dabei kam Shannon noch nicht mal vom Föderations-Terra, sondern war von der Erde im Universum der Tindaraner. Jenna hingegen kam ursprünglich aus dem 21 Jahrhundert und noch dazu vom Föderations-Terra.

„Wenn mir kein Schwein einen Vorwurf macht.“, wollte Shannon wissen, „Dann frag’ ich mich, wieso mich hier alle wie kaputte Shuttles angucken.“ Maron wollte antworten, aber Joran drängte ihn zur Seite und stellte sich direkt neben Shannon. Dann sagte er: „Agent Maron hat gesagt, du wärst die Erste gewesen, die Toleas Leiche gesehen hat. Du sollst uns ja nur sagen, was du gesehen hast, Shannon O’Riley.“ „Seit wann bist du das Sprachrohr von unserem Demetaner, Grizzly?“, brummelte Shannon. „Aber OK, dann leg’ ich mal los. Also, ich mach’ die Luke auf, ja? habt ihr das?“ Alle nickten. Shannon fuhr fort: „Na ja, da poltert s’e mir halt vor die Füße. Mann, hab’ ich’n Schreck gekriecht. Hm tja, das wars, dann hab’ ich nix mehr machen können. Dann haben ja Jenn’ und Maron übernommen.“

Jetzt trat Ishan vor und berichtete: „Toleas Leiche liegt auf der Krankenstation. Sie ist an Maschinen angeschlossen, die ihren Körper künstlich am Leben halten, wie Diran es in der Nachricht verlangt hat, die Joran zugekommen ist.“ Zirell schaute abwartend in das Gesicht des Vendar. „In der Tat.“, bestätigte Joran und gab Jenna sein Sprechgerät. „Telshanach, würdest du?“ Nach dem Tod von Namach, Jorans Ehefrau, waren Jenna und Joran zusammengekommen. Joran hatte wohl Sorge, er würde etwas zerstören, würde er das Sprechgerät selbst an den Hauptrechner der Station anschließen. Jenna würde mit ihrem technischen Sachverstand sicher keinen Fehler machen.

„Sicher.“, lächelte die Terranerin. Voller Bewunderung sah Joran zu, wie sie die Klappe am unteren Ende des Gerätes öffnete und das zum Vorschein kommende Anschlussmodul mit einer Buchse der Hauptkonsole verband. „Das hättest du auch hingekriegt.“, lächelte sie. Langsam schüttelte Joran den Kopf. Fast ehrfürchtig nahm er das Gerät nach dem Überspielvorgang wieder von ihr entgegen.

Jenna stellte sich jetzt vor ein Mikrofon und sagte: „IDUSA, die gerade eingegangene SITCH-Mail ins Englische übersetzen und abspielen.“

Auch die Rechner der Basen heißen bei den Tindaranern IDUSA. Das ist nämlich eigentlich kein Name, sondern der Begriff setzt sich aus den ersten Buchstaben der Worte: „Interactiv Data Processing Unit for Ships Operations Assistants“, also: „interaktive Daten verarbeitende Einheit zur Assistenz bei der Schiffsbedienung“ zusammen. Das gleiche System wird aber auch auf den Stationen benutzt. Trotzdem bleibt ja das S. Ob nun Stationen oder Schiffe.

Der Computer führte ihren Befehl aus und bald sahen alle Dirans verzweifeltes Gesicht auf dem Schirm. Da IDUSA eine Stimmaufzeichnung Dirans hatte, konnte sie die Übersetzung der Nachricht mit Originalton abspielen: „Hört, meine Freunde. Meine Gebieterin, Tolea, benötigt eure Hilfe. Logar hat sie getötet. Bitte schließt ihren Körper an lebenserhaltende Geräte an, damit er sie über die Verbindung durch die Silberschnur nicht länger schwächt. Ich selbst werde mich aufmachen, ihren Geist zu finden.“

Stocksteif standen alle da. Maron war der Erste, der seine Fassung wieder fand. „Na, das wäre zumindest eine Erklärung für das Dimensionssterben.“, schlussfolgerte er. Joran senkte demütig den Kopf und erwiderte: „Vergib mir, Vertreter meiner Anführerin. Aber ich vermag dir nicht zu folgen.“ „Is’ doch piep einfach, Grizzly.“, tönte Shannon aus dem Hintergrund. „Dat raff’ sogar ich. Also, Logar killt seine Tochter und Tolea will ihm anständig die Löffel lang ziehen. Wegen der Dimensionen und so. Klappt aber nich’, weil er s’e einfach umbringt. Nee ehrlich, wisst ihr, der is’ ja wohl total übergeschnappt!“

Maron fiel ob der zwar richtigen aber dennoch unvermittelt schroff vorgetragenen Theorie seiner irischen Untergebenen die Kinnlade herunter. Er räusperte sich und sagte dann: „Sie haben natürlich Recht, O’Riley. Aber bringen Sie das Mal der Föderationsregierung bei. Die glauben kein Wort davon.“ „Bei allem Respekt.“, platzte es jetzt aus Jenna heraus. „Wie naiv sind die, Sir?“ Zirell, die so einen Ausbruch von der an sich sehr besonnenen Jenna nicht gewohnt war, fuhr zusammen. „Genau.“, pflichtete Shannon bei. „Ich mein’, Logar is’n Mächtiger. Die behaupten immer, höhere Wesen ohne Probleme zu sein, aber in Wahrheit haben die ihre eigenen kleinen … Ach. So einem sollte man nich’ blind über’n Weg trauen. Die sind im Grunde auch nur Menschen.“ Jenna schmunzelte.

„Auf dem Schirm sind soeben Wellenlinien erschienen.“, erklärte mir Data. „Das Gerät ist an die interdimensionale Sensorenphalanx gekoppelt, die der Föderation gehört. Die halten einen Kanal für Hobbyforscher offen. Die gleichmäßigen Muster zeigen den Teil der Schicht, der noch in Ordnung ist. Die unregelmäßigen zeigen den beschädigten Teil. Bis jetzt sind 70 % geschädigt. Nein, korrigiere, 80, nein, korrigiere 90, nein, korrigiere.“ Ich winkte ab. Data stoppte seine Beschreibung und schaltete das Gerät ab. „Oh Backe.“, sagte ich und schlug die Hände über meinem Kopf zusammen. „Die interdimensionale Schicht ist bald total im Eimer und die Regierung will immer noch kein Schiff schicken. Wenn sie zerstört ist, laufen alle physikalischen Gesetze aller Dimensionen ineinander und das Riesenchaos bricht aus. Dann existiert nichts mehr. Ich sollte noch mal so richtig Spaß haben, bevor die Welt unter geht. Davon haben Sie ja leider nichts. Trotzdem würde ich nicht gern allein gehen.“ Data verneinte und wies mich darauf hin, dass er noch was zu erledigen hatte. „Na gut.“, sagte ich missmutig. „Dann gehe ich halt allein.“ „Nehmen Sie aber Ihr Sprechgerät mit.“, insistierte der Android. Auf meine Frage nach dem Warum sagte er nur: „Vertrauen Sie mir.“

Shiran war keine große Hilfe gewesen, so empfand es zumindest Lucius. Er war mit Simach zu ihm gegangen und hatte geschildert, was geschehen war. Der Vendar-Ausbilder hatte sich alles angehört und dann entschieden, dass Simach sicherlich nur alles falsch verstanden hätte. Die Visionen von Energiefeldern seien nicht immer eindeutig und sie solle sich viel lieber freuen, beim Schöpfungsakt einer Neuordnung helfen zu können. Lucius war hierüber wenig begeistert. Wie hörig war dieser Mann Logar? Was würde noch geschehen müssen, damit er wieder zu Verstand käme. Und Simach, seine süße liebe unschuldige Simach, sie sollte für diesen Wahnsinn herhalten.

Auf seiner Stube in der Kaserne überlegte der Rekrut hin und her, wie er dies alles verhindern könne. Wenn Simach schon keine Hilfe von den eigenen Leuten erwarten konnte, dann musste eben er ihr helfen. Sein Plan war, mit ihr durchzubrennen, bis ihr Sifa-Zyklus vorbei war. Er wusste, wenn sie das Energiefeld nicht übertragen konnte, würde es sich irgendwann verflüchtigen und dann hatte es sich was mit Logars Schöpfungsplan. Warum das Wesen böse war, wusste er zwar nicht, aber ihm war klar, dass es auf keinen Fall zum Leben erwachen durfte.

Lucius schlich in die Waffenkammer. Hier fiel sein Blick zuerst auf den Bogen, den verhassten Bogen, mit dem er Sytania getötet hatte. Er spürte, wie die Wut in ihm aufstieg. „Na schön, du verdammtes Ding.“, dachte er. „Du kommst mit. Aber gewöhn’ dich daran, gewöhnliche Rehe und Hasen zur Strecke zu bringen.“ Er packte noch einige Pfeile und Speere ein. Den besonderen Pfeil, mit dem er Sytania getötet hatte, hatte Gordian ihm längst in einer feierlichen Zeremonie vor all seinen Kameraden übergeben. Lucius hatte aber jede Minute davon gehasst. Er wusste nicht, wem er den Pfeil geben sollte, aber irgendwie hatte er das starke Gefühl, ihn als Beweis mitnehmen zu müssen.

Auf dem Weg zum Pferdestall schreckte er plötzlich durch ein lautes Wiehern hinter sich auf. Als Lucius sich umdrehte, erblickte er den schwarzen Wallach, den er im Kampf geritten hatte. Dieser galoppierte auf Lucius zu. Neben ihm lief eine kleine zierliche aber nicht minder schnelle Fuchsstute, die wiederum von einem stämmigen Braunen begleitet wurde. „Hey?“, fragte Lucius verwundert. „Seid ihr von der Koppel ausgekniffen? Na kommt, ich bringe euch erst mal zurück.“ Als hätten sie ihn verstanden, schüttelten alle drei Pferde gemeinsam die Köpfe. Erst da begriff Lucius, dass die Tiere eigentlich Recht hatten. Simach und er würden zu Fuß nicht weit kommen, wenn Gordians Leute erst mal wüssten, dass sie getürmt waren. Und sie mussten Vorräte mitnehmen. Lucius sagte ruhig: „Steh und bleib.“, Befehle, die die Pferde gern befolgten und holte zwei Sättel, drei Trensen und ein Packgeschirr. Nachdem er die Pferde so vorbereitet hatte, Bestieg er den Schwarzen und lockte die anderen beiden Pferde hinter sich her. So machten sie sich leise ins Vendar-Dorf auf.

Diran hoffte so sehr, die Grenze würde nicht so schnell näher kommen. Er versuchte, seine Schritte zu verlangsamen, aber das gelang ihm irgendwie nicht wirklich. Er wusste, nur auf Sytanias Seite konnte er mit Hilfe rechnen, aber die Dinge, die jeder Vendar lernt, waren ihm im Weg. Niemals hätte er unter normalen Umständen auch nur in Betracht gezogen, mit den Feinden seiner Gebieterin zusammenzuarbeiten. Aber jetzt war wohl ein Punkt erreicht, an dem seine Überzeugungen auf dem Prüfstand standen. Dennoch hoffte er sehr, die Götter würden ihm diese Entscheidung abnehmen.

In dieser Nacht wälzte er sich hin und her. Er wusste, er musste Tolea helfen, aber er konnte doch nicht …

Ein Tumult ließ ihn plötzlich aufschrecken. Es hörte sich an wie Schreie und Wolfsgeheul. Außerdem glaubte Diran, das verängstigte Blöken von Schafen wahrnehmen zu können. Er setzte sich auf und versuchte angestrengt, die Richtung zu erlauschen, aus der die Geräusche kamen. Das gelang ihm auch. Blitzschnell war er aufgesprungen und dort hin unterwegs. Geradeaus – immer nur geradeaus. Dass er jetzt doch die Grenze überschritt, merkte Diran nicht.

Bald war er am Ort des Geschehens angekommen. Er sah ein etwa 13-jähriges imperianisches Mädchen, das verzweifelt versuchte, sich und ihre Schafe mit einer Steinschleuder gegen ein Rudel Wölfe zu verteidigen. Diran wusste, die Steine würden die Wölfe nur noch wütender machen, aber sie keinesfalls verjagen. Alles schien sehr klar vor seinen Augen. Er schien jeden abgemagerten Wolf und jedes panische Schaf einzeln sehen zu können. Nein, so schnell würden die von ihrer Beute nicht ablassen. Als Diran dann auch noch sah, dass das Alpha-Tier sich anschickte, die Kleine anzugreifen, stand seine Entscheidung fest. Er zog sein Sprechgerät aus der Tasche und aktivierte bei voller Lautstärke die Ultraschallfunktion. Fiepend vor Ohrenschmerzen rannten die Wölfe in alle Richtungen davon.

Ultraschall ist für das menschliche Ohr nicht hörbar. Für das von Hundeartigen aber schon. Aber die hochfrequenten Schwingungen bringen die Flüssigkeit in der Hörschnecke derart in Wallung, dass über die Flimmerhärchen, die sich diesen Bewegungen ja anpassen, eine Überlastung des Gleichgewichtsorgans sowie des Hörzentrums gemeldet wird. Dies macht, da es eine Alarmsituation darstellt und das Gehirn überlastet ist, auch jede Konzentration unmöglich und führt zur Ohnmacht, weshalb die Ultraschallwaffe auch gegen Telepathen eingesetzt werden kann, vorausgesetzt, derjenige hat menschliche Gestalt und man befindet sich mit ihm in einem Gebäude oder auf einem Planeten mit einem Schall transportierenden Medium, wie einer Atmosphäre. Bei extremer Intensität kann der hohe Druck auf das Trommelfell hier auch Blutungen auslösen.

Diran staunte über sich selbst. Er hatte das Gefühl gehabt, alle Zeit der Welt zu haben. Das war ihm noch nie passiert. Noch nie hatte er eine Situation so schnell erfasst. Erst jetzt bemerkte er allerdings die Kleine, die langsam auf ihn zu kam. „Ich danke dir.“, hörte Diran sie sagen. „Die Entscheidung, nicht mit dem Phaser um dich zu schießen, war sehr umsichtig, Vendar. Schließlich hättest du so auch die Schafe oder mich verletzen können.“ Diran atmete auf. Dieses Bauernmädchen schien zumindest zu wissen, welcher Spezies er angehörte. Dann musste er das mindestens nicht mehr erklären. „Ich heiße Diran.“, stellte dieser sich vor. „Angenehm. Ich bin Clelia.“, antwortete das Mädchen. „Gut, Clelia, dann lass uns erst mal deine versprengten Schafe suchen. Ich denke, du solltest den Weidegang für heute beenden. Die Tiere haben genug mitgemacht und sollten in ihren schützenden Stall. Ich helfe dir und dann erzählen wir das Ganze erst mal deinen Eltern.“ Dirans Vorschlag war Clelia sehr willkommen. Sie nickte und dann stellte sie sich auf Dirans Geheiß an das Gatter und er trieb ihr die verlorenen Schafe zu.

Jenna hatte eine Experimentierstrecke in der technischen Kapsel der Station aufgebaut. Shannon, die ihr geholfen hatte, betrachtete ihr gemeinsames Werk und fragte dann: „Sagen Sie mal, Jenn’, wozu ist das?“ „Ich will unseren beiden Vorgesetzten noch einmal etwas verdeutlichen.“, erwiderte sie ruhig. „So, so, etwas verdeutlichen.“, lächelte Shannon. „Na, ob Major Carter ihrem General auch immer …“ Bevor sie ihre Vorgesetzte weiter aufziehen konnte, öffnete sich die Tür der technischen Kapsel. Zirell und Maron betraten den Raum. „OK, was willst du uns zeigen, Jenna?“ Zirells Frage ließ Jenna aufstehen und an den Tisch mit der Versuchsanordnung treten. Maron lächelte, denn der Aufbau erinnerte ihn an die Physikstunden in seiner demetanischen High School.

Jenna sah jetzt kurz Shannon an, die einen kleinen Schalter umlegte. In der Versuchsanordnung begann eine Leuchte zu blinken. „Stellt euch vor, das leuchtende Lämpchen wäre das lebende Dunkle Imperium.“, begann Jenna. „Ihr wisst beide, dass es eines Energieflusses bedarf, damit etwas funktionieren kann. Energie ist Leben und um einen Energiefluss zu gewährleisten, bedarf es aber eines Plus- und eines Minuspols.“ Dabei legte sie eine besondere Betonung in das Wörtchen „und.“ „Ihr wisst, dass Logar und Sytania mit ihrer Dimension verbunden sind. Er stellt den Plus- und sie den Minuspol dar.“, fuhr Jenna fort. „Alte Kamellen, Mc’Knight.“, unterbrach Maron. „Kommen Sie endlich zur Sache!“ „Oh.“, machte Jenna mit ironischem Unterton. „Da bin ich die ganze Zeit, Sir.“ Wenn Maron sie mit einem nicht vorhandenen Sternenflottenrang ansprechen konnte, konnte sie so etwas schon lange, zumal er ja einen hatte. „Noch ist alles in Ordnung, weil Plus- und Minuspol vorhanden sind. Aber jetzt.“ Langsam zog sie das Modul für den Minuspol des Stromkreises heraus. Das Licht erlosch. „Ups.“, machte Jenna. „Assistant, hätten Sie wohl die Güte, das Lämpchen wieder einzuschalten?“ Wie mit ihrer Vorgesetzten vorher abgesprochen, tat Shannon unwissend und bewegte den Schalter hin und her. „Geht nich’, Jenn’, der Minuspol fehlt. Den haben Sie.“, sagte sie dann. „Oh, Backe.“, schauspielerte Jenna. „Wie nachlässig von mir.“ Dann steckte sie das Modul zurück, worauf die Lampe wieder zu leuchten begann.

„Wir haben verstanden, Jenna.“, stellte Zirell fest. Wenn Sytania stirbt, dann stirbt über kurz oder lang auch das Dunkle Imperium. Und das nimmt dann irgendwann alle Dimensionen mit.“ „Genau.“, bestätigte Jenna. „Und deshalb müssen wir etwas tun. Ich habe zunächst eine Nachricht auf den Rechner von Dirans Schiff gesprochen und es zurückgeschickt. Er weiß jetzt, dass Tolea in guten Händen ist und vielleicht braucht er sein Schiff noch, dort, wo er jetzt ist. Ich habe es so programmiert, dass es ihn sucht und dann immer eine Umlaufbahn über seiner Position einnimmt, egal, wo er sich im Dunklen Imperium befindet.“ „Sehr umsichtig, Techniker.“, lobte Maron.

Simach saß auf einem Stein vor ihrem Haus. Sie konnte nicht glauben, was sie sah, als Lucius und die Pferde sich näherten. Als die ganze Prozession dann auch noch vor ihr anhielt, fragte sie verwirt: „Was hast du denn vor?“ Lucius deutete auf den Sattel der rotbraunen Stute und sagte: „Steig auf, Telshanach. Wir haben keine Zeit.“ Erleichtert folgte Simach seiner Anweisung.

„Wohin sollen wir denn?“, fragte Simach, als sie bereits eine Weile unterwegs waren. „Logar ist omnipotent. Der findet uns überall. Ich habe auch das starke Gefühl, dass er sich in den Entwicklungsverlauf des Energiefeldes einmischt. Dajanach hat festgestellt, dass mein Sifa-Zyklus schon sehr weit fortgeschritten ist.“ „Was.“, sagte Lucius alarmiert. „Dann müssen wir auf Sytanias Seite. Vielleicht kann man uns dort helfen.“ Damit legte er sein rechtes Bein hinter den Sattelgurt seines Pferdes und drückte das andere an dessen Bauch. Simach tat das Gleiche und beide Pferde galoppierten los. Das Packpferd, das zwar frei lief, seine Herde aber nicht verlieren wollte, folgte unaufgefordert.

Clelia und Diran hatten Clelias Vater alles berichtet. Die Äußerung des Bauern ließ den Vendar allerdings zunächst stutzen. „Hab’ ich’s doch gewusst. Logar ist verrückt. Das erzählt uns unsere Herrin, Sytania, schon seit Jahren.“ „Heißt das, ich bin …“ Diran wollte nicht glauben, was doch so offensichtlich schien. „Genau das soll es.“, bestätigte der Bauer mit fester Stimme. „Du bist auf Sytanias Seite.“ Dirans bis dahin noch sehr angespannte Gesichtszüge schmolzen auseinander. Habt Dank, ihr Götter!, dachte er.

Minor hatte auf einem Baum gewartet. Er hatte Lucius in der Kaserne und auch jetzt auf Schritt und Tritt begleitet. Er hatte auch gesehen, dass Gordian ihm den Pfeil geschenkt hatte. Daher wusste der Kater jetzt genau, an wen er sich zu halten hatte. Irgendwann, das schwor er sich. Irgendwann würde er eine Gelegenheit nutzen, um den Pfeil mitzunehmen und ihn der Föderationsregierung übergeben. Dann mussten die ja wohl alles glauben, auch, wenn es ihnen nicht gefiele. Minor hatte sein Schiff genau so programmiert, wie Jenna das von Diran programmiert hatte. Nur mit dem feinen Unterschied, das dieses landen sollte, sobald Minor den Pfeil hätte und ihn hochhielte, was die Schiffssensoren wahrnehmen würden.

Da ihr Energiefeld ihr jetzt immer öfter seine wahren Absichten mitteilte, wurde Simach von Tag zu Tag trauriger. Minor spürte das. Er war vielleicht ein Kater der Spezies „Filidea Sapiens“, aber trotzdem fühlte er, wie Katzen eben fühlen und, wenn Katzen einen Menschen, oder wie in diesem Fall, eine kleine Vendar, einmal ins Herz geschlossen haben, lassen sie denjenigen da auch nicht mehr raus. Lucius war auf den Kater schon fast eifersüchtig geworden, weil Simach ihn viel öfter zu streicheln schien, als sie Lucius Zärtlichkeit gab. Aber langsam hatte der imperianische Junge dann doch verstanden und sich mit einem dicken selbst geangelten Fisch aus einem Bach bei Minor entschuldigt. „Ich verstehe dich jetzt.“, sagte Lucius, während er Minor über den Kopf strich. „Du bist nicht mein Rivale, sondern mein Verbündeter. Du willst genau so wenig wie ich, dass Simach weiterhin solche Angst hat. Du bist ein ganz lieber Kater, ja das bist du und so ein hübscher obendrein.“ „Ach so, Lucius, diese Wesen heißen Kater?“, erkundigte sich Simach. Sie kannte keine Katzen, weil es sie auf der Heimatwelt der Vendar nicht gibt. Sie hatte Minor bisher immer als „Meesh“, das heißt so viel wie „sanfte Berührung“ oder umgangssprachlich auch „schmusen“ oder „weich“, bezeichnet.

Lucius wusste, sie mussten bald entweder auf einen Adeligen, der auf Sytanias Seite gewesen war, oder auf eine Vendar-Priesterin treffen, denn Simach spürte von Tag zu Tag mehr, dass die Entwicklung des Energiefeldes mit schier atemberaubender Geschwindigkeit voranschritt. Nur jemand mit telepathischen Fähigkeiten oder dem Heilwissen einer Priesterin konnte ihnen jetzt noch helfen.

Das einfache Volk im Dunklen Imperium hat keine telepathischen Fähigkeiten. Die haben nur die Adeligen und die Herrscher. Das liegt an den Genen.

Minor hatte sich in dieser Nacht neben Lucius gelegt, um besser feststellen zu können, wann er eingeschlafen sei. Er beschloss, sogar noch etwas nachzuhelfen. Er schnurrte laut und gleichmäßig, was den müden Jungen gleich sehr schläfrig machte. So sehr, dass er auf der Stelle ins Land der Träume entglitt. Als Minor sicher war, dass Lucius schlief, schlich er zu dessen Tasche und nahm mit der Schnauze den Pfeil heraus. Er hielt ihn hoch und wie er seinem Schiffscomputer vorher gesagt hatte, beamte dieser ihn an Bord. Zufrieden verstaute Minor den Pfeil dort in einem ballistischen Röhrchen. Dann sagte er: „Computer, setze Kurs auf das Föderationsuniversum. Dann nach Terra.“ Er wusste, dort würde er auf eine gewisse Sternenflottenoffizierin treffen, von der ihm Zora, seine Mutter, viel berichtet hatte. Immer wieder hatte er während seiner Kindheit darauf bestanden, die Geschichte von ihr und Caruso zu hören und auch, wie man gemeinsam einen interdimensionalen Krieg verhinderte.

Diran half Clelia und ihrem Vater bei der Feldarbeit. Er wusste zwar, dass er Tolea finden musste, aber, wollte er sie wirklich in seine Sifa aufnehmen, musste er den Beginn eines neuen Sifa-Zyklus abwarten. Deshalb hatte er das Medikament, das die Beschützer entwickelt hatten, abgesetzt.

Das Medikament gaukelt der Sifa eines Vendar das Tragen eines Energiefeldes vor. Würde dies nicht geschehen, könnten die Vendar auch ihren telepathischen Freunden gegenüber unabsichtlich sehr gefährlich werden, weil das Verlangen, Energie zu nehmen, irgendwann unkontrollierbar würde. Dann würde der Telepath bis zum Tod ausgesaugt.

Die zellneutrale Schleimhaut seiner Sifa hatte sich abgebaut und Diran wusste, dass es jeden Tag wieder so weit sein konnte. Deshalb testete er sich jeden Morgen mit einem dafür geeigneten Kristall. Er wusste, dass er den Zeitpunkt auf keinen Fall verpassen durfte.

Clelia und er wollten an diesem Morgen gerade mit dem Pflügen eines Feldes beginnen. Clelia hatte den alten treuen Ackergaul bereits angeschirrt. Sie hatte beschlossen, Diran eine kleine Falle zu stellen. Irgendwie konnte sie nicht so recht glauben, dass er sich gleich gut mit Technologie und der sehr mittelalterlich anmutenden Lebensweise der Imperianer auskannte. Als Clelia die Zugkette durch die Stränge ziehen wollte, hielt Diran sie zurück: „Halt, wenn du ihn so anspannst, liegt die Kette zu hoch und er könnte sich die Luft abpressen beim Ziehen. Die Kette muss genau in der Mitte des Brustblattes am Geschirr liegen, siehst du?“ Clelia lächelte und löste die Schleifen, mit denen sie die Stränge hochgebunden hatte. Dann sagte sie: „Du kennst dich aber gut aus.“ „Das ist kein Kunststück.“, erklärte der Vendar. „Unsere Gebieter spielen manchmal mit unseren Genen, weil sie wollen, dass wir in jeder Lebenssituation zurechtkommen.“ „Stark.“, meinte Clelia. „Dieses Wissen ist also angeboren.“ Diran nickte.

Das Pflügen ging gut voran. In einer kurzen Pause zog Diran plötzlich den Testkristall aus der Tasche. „Ich habe mich heute Morgen noch nicht getestet.“, erklärte er auf Clelias fragenden Blick. „Kann ich zusehen, oder dir vielleicht sogar helfen?“, fragte Clelia neugierig. „Wenn du willst.“, antwortete Diran und drehte ihr den Rücken zu, nachdem er ihr den Kristall gegeben hatte. „Scheitle mein Nackenfell.“, wies er sie an. „Dann musst du den Kristall ungefähr eine Minute lang auf meine Haut legen und festhalten. Dann sag mir bitte, ob er schwarz wird und bis wo hin. Oder zeig ihn mir einfach.“

Um sich die Wartezeit zu vertreiben, verwickelte Clelia Diran in ein Gespräch. „Sag mal.“, wollte sie wissen. „Warum hast du die Wölfe eigentlich nicht getötet? Dass ich mit meinen Schafen im Weg war, war sicher nicht der einzige Grund für die Wahl deiner Waffen.“ „Nein.“, erklärte Diran. Dann machte er ein weises Gesicht. „Du weißt, Clelia, dass die Wölfe den Wildbestand in der Natur regulieren. Dein Vater und du, ihr seid Obstbauern, nicht wahr? Was würde dein Vater also sagen, wenn seine ganzen jungen Bäume durch Verbiss so stark beschädigt würden, dass sie sterben würden. Rehe und Hirsche lieben nämlich die zarten jungen Triebe. Mit meiner Energiewaffe hätte ich das Wolfsrudel derart stark dezimiert, dass es sich nicht mehr erholt hätte. Du erinnerst dich vielleicht, dass ich dir immer Gesellschaft geleistet habe, wenn du mit den Schafen auf die Weide gingst und Du weißt auch, was geschehen ist, als sich doch einmal ein Wolf zu nah zu uns gewagt hatte.“ „Du hast wieder …“, begann Clelia. „Genau.“, bestätigte Diran mit fester Stimme. „Das machen wir jetzt so lange, bis die Wölfe mit deinen Schafen den gemeinen Ton meiner Waffe verbinden. Dann werden sie euch für immer in Ruhe lassen.“

„Die Zeit müsste um sein.“, stellte Clelia nach einer weiteren Weile fest und nahm den Kristall fort. „Und?“, erkundigte sich Diran. „Ist er schwarz?“ „Schwarz.“, lachte Clelia fast spöttisch. „Er ist pechschwarz. Von oben bis unten pechschwarz.“ „Oh.“, entgegnete Diran. „Dann darf ich keine Zeit verlieren. Du kannst mich nicht zufällig zum Wald der Steine führen?“ „Doch klar.“, lachte Clelia. „Für wie dumm hältst du mich? Ich bin Imperianerin. Wir alle wissen, wo der Wald der Steine ist. Deine Herrin wollen wir ja wohl nicht enttäuschen. Und jetzt geh packen, sonst gibt’s Ärger.“ Geplättet zog Diran ab. So ein forsches Mundwerk hatte er Clelia nicht zugetraut.

Ich hielt mich bereits jetzt für ein „böses Mädchen“, denn ich hatte kurzer Hand einer Gruppe bajoranischer Jugendlicher geholfen, in eine Disco zu kommen, für die sie eigentlich noch viel zu jung waren. Ich hatte mich einfach zu ihrer Aufsichtsperson erklärt, obwohl sie mich und ich sie gar nicht kannte. Wir hatten schnell eine Absprache getroffen und diese kleinen Lügen dem klingonischen Türsteher präsentiert. Der hatte sie uns ohne Prüfung abgenommen. Vorspiegelung falscher Tatsachen war eigentlich eine Straftat, das wusste ich und meine Karriere bei der Sternenflotte war vorbei, würde man das rauskriegen. Aber morgen war die Welt so oder so einmal gewesen. Also, was sollte es. Wenn immer einer der Sicherheitsleute hinüber schaute, ließ ich die eine oder andere erzieherische Bemerkung fallen, wie zum Beispiel: „Nerys, trink nicht so viel.“ Oder „Felor, hör auf zu pöbeln. Die Tanzfläche gehört nicht nur dir allein.“ Die Jugendlichen schauten dann immer betreten und nickten. Ich wusste ja nicht, zu was für illegalen Taten ich noch fähig sein würde, wenn es darauf ankäme. Als meine Schutzbefohlenen zu Ende gefeiert hatten, brachte ich sie noch nach Hause. Als ich mich vor dem Haus des Letzten umdrehte und mich anschickte, wieder nach Hause zu gehen, wurde ich plötzlich auf einen kleinen grauen Kater aufmerksam, der mir lieb um die Beine schnurrte. „Hey, Miez’.“, lächelte ich. „Wo kommst du denn her?“ Er machte ein kurzes „Meck“ wobei ihm etwas klirrend aus der Schnauze fiel. Ich hob den Gegenstand auf und betastete ihn. Das war ja ein Röhrchen, wie es Agenten zur Spurensicherung benutzten. Wo hatte das Kätzchen es her?

Da fiel es mir siedendheiß ein. Das war Minor, Zoras Sohn. Zora und ich hatten SITCH-Mail-Kontakt und sie hatte mir erzählt, dass ihr Sohn für den Geheimdienst von Terra Gata arbeitete. Was immer in diesem Röhrchen war, konnte vielleicht alles beweisen. „Minor?“, fragte ich, um meine Theorie zu stützen. „Mau.“, entgegnete der kleine graue Kater.

Ich zog mein Sprechgerät aus der Tasche und gab Datas Rufzeichen ein. Als dieser sich meldete, erzählte ich ihm sofort, was ich gerade gesehen hatte. „Trifft sich sehr gut, Allrounder.“, sagte Data. „Kommen Sie bitte her, ich habe etwas für Sie.“ Ich bejahte und machte mich auf den Weg.

Logar saß in seinem Palast vor einem Kontaktkelch und sah hinein. Ihm gefiel sehr, was er sah. Die Schwangerschaft der Bäuerin, die das tote Kind gebären sollte, ging mit der gleichen hohen Geschwindigkeit voran wie der Entwicklungsverlauf des Geistwesens in Simachs Sifa. Zufrieden mit sich lehnte der Herrscher sich zurück. Davon, dass er sich da eigentlich eine große Gefahr für sich und andere heranzüchtete, ahnte er nichts, oder wollte es nicht wissen. Nur der alte treue Nestor, sein Kammerdiener, hatte versucht, ihn auf diese Gefahr hinzuweisen. Logar hatte ihn aber dafür enthaupten lassen, Einen Wesenszug, den man an sich eher Sytania zugetraut hätte.

Zirell wartete in ihrem Bereitschaftsraum, als Maron diesen mit betretenem Gesicht betrat. Begleitet wurde der Demetaner von Joran. Dem Vendar war aufgefallen, dass Maron in letzter Zeit sehr niedergeschlagen wirkte. „Es darf nicht wahr sein.“, seufzte Maron resignierend. „Es darf einfach nicht wahr sein.“ „Wo von redest du?“, fragte Zirell ernst. „Meine Regierung.“, begann der Demetaner. „Sie behaupten, ihnen seien die Hände gebunden. Sie sagen, sie würden wohl gern zur Rettung der Dimensionen beitragen, aber die Lex Föderatio ließe dies nicht zu.“ Zirell lachte verächtlich auf. Dann befahl sie: „Erkläre mir das!“ „Sie sagen, wir müssten ja dann einen Angriffskrieg führen. Das dürfe die Föderation ja nicht. Außerdem führten wir dann Krieg gegen einen politischen Freund.“ Zirell fiel ihm harsch ins Wort: „Angriffskrieg? Wo würdet ihr denn einen Angriffskrieg führen? Logar hat doch angegriffen, indem er durch Sytanias Ermordung ein Ungleichgewicht geschaffen hat, dem alle Dimensionen zum Opfer fallen werden, wenn nichts getan wird. Alle Bewohner aller Dimensionen haben das verdammte Recht, sich dagegen zu wehren. Auch ihr! Und wenn Logar hundertmal euer Freund ist. Eine Freundschaft muss auch einmal einen Sturm aushalten können. Ich habe heute Morgen mit der Zusammenkunft, meiner Regierung, gesprochen. Sie geben uns freie Hand und du bist Verbindungsoffizier. Solltest du dich mir anschließen wollen, begrüße ich das sehr. Solltest du gehen wollen, weil deine Regierung Angst hat, werde ich dich auch nicht aufhalten.“

Maron sah Joran an. Der Vendar nickte langsam mit dem Kopf. Dann sagte er: „Es ist ganz einfach, Agent Maron. Du musst nur entscheiden, ob du nichts tun und untergehen willst, oder mit uns die Fluten eindämmen möchtest.“

Der Demetaner wurde blass: „Ich soll gegen meine Regierung rebellieren?“ „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Ganz genau.“, erwiderte Zirell. Dann sagte sie zu dem breit grinsenden Vendar gewandt: „Joran, zeig ihm, wie es geht!“

In Minors Begleitung hatte ich Datas Bastelschuppen betreten. Der Android sah zunächst mich an und dann den kleinen grauen Kater. Da Androidenaugen wie Erfassersensoren funktionieren, erkannte Data gleich, dass es sich um Carusos und Zoras Sohn handelte. „Na sowas.“, sagte er. „Die Filidea Sapiens mischen sich jetzt also auch ein.“ Ich nickte bestätigend und ließ mich von Data erneut ins Freie führen. Dort blieben wir vor einem großen Gegenstand stehen. Ich legte meine rechte Hand auf den Gegenstand und lief um ihn herum. An den Umrissen erkannte ich ein Shuttle. „Wo haben Sie …?“, wollte ich fragen, aber Data unterbrach mich: „Schönen Gruß von Ihrem Ehemann.“ Datas Satz ließ mich verunsichert fragen: „Ehemann? Welcher Ehemann denn?“ „Ach.“, machte Data. „Haben Sie in der Zwischenzeit etwa noch öfter geheiratet, meines Wissens nach geht das nur auf Genesia und da waren Sie ja wohl nicht.“ „Also wirklich, Sir.“, entgegnete ich leicht wütend. „Überprüfen Sie mal Ihre Datenbank. Ich bin gar nicht verheiratet!“ „Meine Datenbank arbeitet korrekt, Allrounder ehrenhalber Betsy Scott.“ Als der Android, der dem Rang nach mein vorgesetzter Offizier sein konnte, dies sagte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich war ich mit Scotty verheiratet. Die Sache mit seiner Aufenthaltsgenehmigung damals. Da ich ein intertemporaler Flüchtling war, durfte mein Nachname nirgendwo auftauchen, aber das bedeutete nicht, dass es ihn nicht gab. „Scheibenkleister!“ Mein Ausruf ließ Data schmunzeln. „Es gibt keinen Kleister in Scheiben.“, meinte er nüchtern. „Aber vielleicht könnte man das erfinden. Die Konsistenz müsste nur so verändert werden …“ „Ach, Data.“, unterbrach ich ihn. „Das ist nur ein Spruch. Aber jetzt sagen Sie mir doch bitte mal, Sir, wie das Shuttle so schnell von Celsius …“ „Gar nicht.“, sagte Data. „Scotty hat mir lediglich die Dateien für den Replikator geschickt. Das Shuttle habe ich dann aus den replizierten Teilen selbst zusammengebaut.“ Dabei schwang in seiner Stimme fast etwas Stolz mit. „Schließlich kenne ich mich mit Technologie aus als Android.“ „Frankenstein war auch Arzt und hat trotzdem ein Monster erschaffen.“, scherzte ich. „Ihr Vergleich hinkt, Allrounder.“, erwiderte Data. „Sein Vater war …“ „Dann verstehen wir uns ja.“, lächelte ich, rief Minor und stieg mit ihm ins Shuttle. „Taks Software zum Verständigen mit Minor habe ich übrigens auch aufgespielt. Das Gleiche gilt für Ihr Spezialprogramm!“, rief Data mir noch hinterher. „Und hier haben Sie noch eine Sicherheitskopie. Man weiß ja nie.“ Ich lächelte Data noch kurz an, schloss die Luke und startete den Antrieb.

Clelia und Diran ritten an der Grenze zwischen Sytanias und Logars Reich entlang. Clelia hatte beiden bei benachbarten Bauern zwar Pferde leihen müssen, aber das machte ja nichts. Im schnellen Jagdgalopp preschten sie voran. „Ich bewundere deine Reitkunst, Clelia!“, rief Diran ihr zu. „So so, tust du das?“, kam eine freche Antwort zurück. „Du denkst wohl, ein Mädchen kann das nicht.“ „Keinesfalls.“, sagte Diran. „Du bist nur so ein Fliegengewicht und ich dachte, du fällst beim ersten Sprung aus dem Sattel.“ „Ach.“, lachte Clelia. „Mach dir darüber doch keine Sorgen.“ Dann hielt sie plötzlich abrupt ihr Pferd an, stieg ab und zeigte auf einige Kristallmassive, die in der Ferne zu sehen waren. „Da.“, sagte sie. „Das ist der Wald der Steine. Ab hier müssen wir zu Fuß gehen. Die Tiere könnten die Schwingungen der verzweifelten Seelen, die hier eingekerkert sind, spüren und nervös werden. Ich schlage vor, ich pass’ hier auf und du holst deine Herrin, verstanden?“ Diran nickte und stieg ebenfalls vom Pferd. Er wusste, eine Diskussion mit ihr würde er so oder so verlieren.

Stunden war Diran jetzt bereits im Wald der Steine herumgeirrt. Seine Ausrüstung, die er bei sich hatte, konnte ihm leider nicht helfen, denn, wenn immer er ein Energiemuster mit seinem Erfasser scannte, sah es wie Toleas aus. Wahrscheinlich spürten alle, dass hier eine wandelnde Fahrkarte in die Freiheit unterwegs war. Diran war sterblich und er war ein Vendar. Das würde auch ermöglichen, dass sie wieder zu Kräften kämen, denn die Kristalle nahmen ihnen ihre Energie.

Diran hörte unaufhörlich ihre Stimmen in seinem Geist. „Diran, ich bin hier! Ich bin deine Gebieterin. Nein, hör nicht auf sie, ich bin es, die du suchst. Komm hier her, ich bin’s. Nein, ich bin Tolea.“ Das war zu viel. Er hatte versucht, sich zusammenzunehmen und sich erinnert, wie sich die Anwesenheit seiner Gebieterin für ihn anfühlte, aber es war ihm unmöglich geworden, sich zu konzentrieren. Plötzlich spürte der zitternde Diran eine kleine zarte Hand in seiner, die ihn fort zog. „Clelia.“, sagte er erleichtert, als sie ihn zurück zu dem Platz führte, an dem sie die Pferde an einen Baum gebunden hatte. „100 Punkte.“, lächelte die Imperianerin. „Wohl voll überfordert, was? Na ja, morgen ist auch noch ein Tag.“ „Morgen!“, herrschte der verzweifelte Diran sie an. „Morgen ist es zu spät. Zu spät, verstehst du? Meine Sifa …“ „Abwarten.“, fiel sie ihm ins Wort. „Schlaf erst mal.“ Diran wollte widersprechen, aber im gleichen Moment überkam ihn eine bleierne Müdigkeit.

 

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