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Die Vendar waren mit der arg gebeutelten Lucilla in deren Palast zurückgekehrt. Lucilla hatte den Wachen befohlen, sie und Nedrach, ihre neue Vendar-Vertraute, allein zu lassen. Lucilla lag auf ihrem Bett und Nedrach kniete in Demutspose daneben. „Bitte vergebt meinem Mann, Gebieterin. Er konnte nicht ahnen, dass der Veshan …“, begann sie, aber Lucilla fiel ihr ins Wort: „Joran hat daran sicher keine Schuld. Das stümperhafte Verhalten deines Mannes ist nicht zu entschuldigen. Genau wie Joran eure Strategien vorausahnen kann, weil er das gleiche Wissen in seinen Genen hat, hätte das dein Mann genau so können müssen. Aber mir wurde auch zugetragen, dass diese Mc’Knight bei ihnen sein soll. Sie soll außerordentliche kognitive Fähigkeiten haben. Vielleicht kann sie mir sagen, was ich falsch mache. Bringt sie mir!“ „Aber, Gebieterin.“, widersprach Nedrach. „Ihr dürft euch nicht die Blöße geben, von einer Sterblichen …“ „Genug!“, rief Lucilla außer sich. „Bringt sie mir!“ „Soll ich den Männern sagen, sie sollen sie foltern?“, fragte Nedrach. „Nein.“, antwortete Lucilla lachend. „Einem Genie wie Mc’Knight muss man anders beikommen. Mit Psychospielchen. Sie und einer ihrer Begleiter, den sie selbst wählen darf, werden hier im Palast im wahren Luxus schwelgen, während der Rest in meinem Kerker versauert. Ich werde ihr sagen, dass ihre Leute erst dann freikommen, wenn sie mir das Geheimnis der Schöpfung verrät. Allerdings wird sie jeden Tag mit dem Leid ihrer Gefährten konfrontiert. Ich hoffe, dass der moralische Druck auf sie irgendwann groß genug ist. Erklär’ das den Männern.“ Nedrach nickte und ging.

Ich hatte Joran einen Zettel gegeben, den Clelia mir noch zugesteckt hatte. Er war in Vendar-Symbolschrift verfasst und an Joran adressiert. Deshalb gab ich ihn diesem auch, als wir eine Pause machten. „Was schreibt sie?“, wollte ich wissen, als der Vendar hörbar lächelnd den Zettel wieder zusammengefaltet hatte. „Sie schreibt, dass Valora mir den Tod ihres Sohnes verzeihen würde. Meine Entscheidung sei richtig gewesen. Valora habe dass Leid ihres Sohnes immer gespürt und es sei auch für sie eine Erlösung gewesen.“ „Da fällt dir doch sicher ein Stein vom Herzen, nicht wahr?“ „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Übrigens.“, sagte ich nach einem kurzen Augenblick. „Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich habe deinen Bauch als Kopfkissen benutzt.“ „Dann muss auch ich mich bei dir entschuldigen, Allrounder Betsy.“, antwortete Joran. „Ich habe dein Gesicht als Handschmeichler benutzt.“ „Das macht nichts.“, meinte ich. „Ich habe es sogar gemocht.“ „Mir macht es auch nichts.“, erwiderte Joran. „Ich habe es auch gemocht.“

Shannon und IDUSA hatten uns jetzt unter ständiger Beobachtung. IDUSA hatte über eine Art ständige Verbindung Shannon genau gezeigt, was wir taten und wo hin wir uns bewegten. Plötzlich sagte sie: „Shannon, was ich hier sehe, gefällt mir gar nicht.“ „Na, stell schon durch.“, sagte Shannon. „Oh Mann, was machen die denn da.“, entfuhr es Shannon angesichts der Bilder. „Gib mir sofort den Demetaner.“

Shannon hatte fast allen Mitgliedern der Besatzung der Beschützerstation Spitznahmen verpasst. Sie selbst hielt sich für die dumme Schraubenschlüsselanreicherin, aber, das sollte sich, so hofften zumindest alle anderen, spätestens nach dieser Mission ändern.

„Ihre Verbindung, Shannon.“, sagte IDUSA und stellte Marons Bild durch. „Agent.“, sprach Shannon ihren Vorgesetzten an. „Was machen Sie denn da. Wenn Sie die Richtung beibehalten, laufen Sie direkt in die Arme von Lucilla, der alten Hexe!“ „Sie dürfen sich wieder beruhigen, Technical Assistant.“, antwortete der Demetaner ruhig. „Nichts anderes habe ich vor. Genauer hat Ihre Vorgesetzte nichts anderes vor.“ „Jenn’.“, fragte Shannon mit aufgeregter Stimme. „Was hat die denn … Ich mein’, die kann doch nich’.“ Maron drückte die Breake-Taste. „Doch, sie kann.“, sagte er. Dann beendete er das Gespräch.

Shannon musste das Geschehene erst mal sacken lassen. Nach einer weiteren Weile fragte sie: „IDUSA, wie kann man nur so blauäugig sein? Ich hätt’ unsern Demetaner nie so eingeschätzt. Und unser Jenn’-nie, die erst recht nich’. Erzähl’ mir bitte nich’, das hätt’ alles ’n tieferen Sinn.“

IDUSA beobachtete Shannons Puls, wie er in die Höhe schnellte. „Ich kann nicht verantworten, dass Sie hier noch hyperventilieren.“, sagte sie. „Deshalb werde ich ab jetzt keine Verbindungen mit dem Außenteam für Sie schalten beziehungsweise entgegennehmen, bis Sie sich beruhigt haben. Ich bin ein Beschützerschiff und muss auch auf die Gesundheit meiner Crew achten und alles tun, um diese zu gewährleisten.“ Schmollend nahm Shannon den Neurokoppler ab.

Jenna hatte uns ihre genauen Pläne erläutert und wir waren alle damit einverstanden. Kurz vor den Toren des Palastes wurden wir allerdings durch eine Gruppe Vendar aufgehalten. „Welche der Frauen ist Jenna Mc’Knight.“, fragte Dishan, ihr Anführer. „Ich.“, sagte Jenna entschlossen und trat vor. „Höre mir dann genau zu, Jenna Mc’Knight. Unsere Gebieterin, Lucilla, will, dass du ihr das Geheimnis der Schöpfung verrätst.“ „Ach.“, lachte Jenna. „Wie kommt sie darauf, dass ich es kenne?“ „Du sollst außergewöhnlich klug sein, wurde uns zugetragen.“, antwortete Dishan. „Du und einer deiner Begleiter, den du selbst wählen darfst, werden uns in den Palast begleiten. Der Rest wandert in den Kerker. Solltest du dich weigern, ihr das Geheimnis zu nennen, wird Lucilla dafür sorgen, dass es den Gefangenen schlecht geht. Also, wen wählst du?“ Jenna überlegte kurz und sagte dann: „Ich wähle sie!“ Damit zog sie mich an ihre Seite. „Gut.“, lachte Dishan dreckig. „Dann soll es so sein. Das Letzte, was wir von Joran und Maron sahen, war, wie sie ins Gefängnis geführt wurden. Jenna und ich wurden in reich ausgestattete Gemächer begleitet.

Shannons Versuche, sich zu beruhigen, hatten endlich Erfolg. Sie setzte den Neurokoppler wieder auf und sagte: „Geht schon wieder, IDUSA. Sorry, dass ich mich so aufgeregt hab’. War alles ’n bisschen viel für mich.“ „Schon gut, Shannon.“, sagte IDUSA ruhig. „Dennoch muss ich anmerken, dass eine Untergebene von Major Carter dieser sicherlich mehr vertraut hätte, als Sie es gegenüber Jenna soeben gezeigt haben.“ „Witzig, witzig, witzig.“, brummelte Shannon. „Was machen unsere Leute eigentlich, IDUSA?“ IDUSA ließ ihren Avatar peinlich berührt schauen und sagte dann: „Ich glaube kaum, dass Sie das sehen wollen, Shannon.“ „Ach was, Schnickschnack.“, erwiderte Shannon trocken. „Eine Shannon O’Riley haut so schnell nichts um. Da muss Lucilla schon früher aufstehen. Also, zeig schon.“ „Na gut.“, meinte das Schiff. „Aber nicht wieder aufregen, sonst …“ „Ich weiß.“, sagte Shannon. Dann stellte IDUSA ihr abwechselnd die Bilder von Joran und Maron sowie von Jenna und mir durch. „Wie jetz’.“, fragte Shannon. „Der Grizzly und der Demetaner sitzen und Jenn’ und Betsy haben Spaß? Wie soll ich denn das verstehen und was soll das fürn bescheuerter Plan sein. Ne, echt, IDUSA, so was Fieses hätte ich von Jenn’ nich’ gedacht. Ich mein’, der arme Grizzly. Die liebt den doch. Wie kann s’e nur.“ IDUSA ging sich räuspernd dazwischen: „Schauen Sie doch mal weiter, Shannon.“ IDUSA schaltete ihr ein Bild auf den Neurokoppler, auf dem ich gerade den Mundschenk wegen einer Rosine im Müsli ziemlich zur Schnecke machte. „Jetzt raff’ ich das.“, rief Shannon begeistert aus. „Die zwei empfinden den Luxus nich’ als Luxus und versuchen, Lucilla dadurch zu verwirren. Die hatte wahrscheinlich geplant, sie im Luxus schwelgen zu lassen und ihnen das Leid von Joran und Maron vor Augen zu führen, aber das klappt nich’. Zumindest nich’ von Betsys und Jennas Seite. Fehlt nur noch, dass Joran und Maron ihr Leid nich’ als Leid sehen. Dann schnallt Lucilla völlig ab. Komm, fliegen wir über dem Palast ein paar Runden. Du brauchst Bewegung und ich mal was anderes vor den Augen. Außerdem können wir Lucilla somit auch einschüchtern, wenn wir ihr zeigen, dass wir auch noch da sind. Schmeißfliegen können ganz schön nerven, weißt du das? Nimm das aber bitte nicht persönlich.“ „Summ, summ.“, antwortete IDUSA. „OK, kleben wir also am Palast wie die Schmeißfliege am Kuhmist.“

„Genau so habe ich mir das vorgestellt.“, lobte Jenna mich, als wir wieder allein in unseren Gemächern waren. „Habe ich mir gedacht, Jenna.“, antwortete ich. „Ich hoffe nur, dass die Männer Ihren Plan genau so gut verstanden haben.“ „Das denke ich schon, meine Prinzessin auf der Rosine.“, entgegnete sie. „Wer hätte gedacht, dass Ihnen Ihr Lebensmittel-Trauma mal zum Vorteil gereichen würde?“ „Ich sicher nicht.“, lautete meine Antwort.

Maron und Joran hingen unter der Decke des Palastkerkers in einer Art Netz, das aus Pflanzenphasern bestand. Die dazugehörige Pflanze war ein Geschöpf Lucillas. Joran beobachtete, dass Maron seine Augen geschlossen hatte und offensichtlich irgendeiner Tätigkeit nachging. Allerdings dachte er sich schon, dass, was immer Maron versuchte, sicher gegen Jennas Plan sein würde. Der Vendar hatte den Plan durchaus verstanden. Er ahnte, dass sie auf keinen Fall versuchen dürften, sich zu befreien, denn sie mussten Lucilla verdeutlichen, dass sie ihr Leid keinesfalls als solches empfanden. Jeder Befreiungsversuch würde also Jennas Plan sabotieren. Joran verstand außerdem genau, worüber sich die Vendar-Wachen unterhielten, wenn sie vorbei gingen. Da war von zwei Tarianach, also, Terranerinnen, die Rede, die ihrer armen Gebieterin ja so gar nicht nach der Nase tanzen wollten. Dieser Umstand erfüllte Joran mit Stolz. Er durfte die, die sich diesen Plan ausgedacht hatte, seine Gefährtin nennen. Sie, die eine schier unverwundbare Mächtige an deren einzigem verwundbaren Punkt zu fassen hatte und sie sicherlich nie wieder loslassen würde. „Sei standhaft, Telshanach.“, hatte er ihr zugeflüstert, wenn immer die Wachen Jenna und mich zu den beiden Gefangenen geführt hatten. „Hab keine Angst, Telshan.“, hatte Jenna jedes Mal erwidert. „Die Wahrheit ist auf unserer Seite.“ Dieses Ritual hatte sich immer und immer wieder wiederholt.

Joran hatte solche Bilder von Maron schon des Öfteren dann gesehen, wenn dieser sich auf eine Discrapula vorbereitete. In ihm stieg die Wut auf, denn er wusste, das durfte nicht passieren. Er konnte sich denken, dass Maron seine Biochemie auf die der Pflanze abstimmen wollte und sie dann dazu bringen würde, sie los zu lassen, aber das durfte ja aus bekannten Gründen nicht passieren. Deshalb tat er alles, um Marons Vorbereitungen zu stören. Er rezitierte laut Vendar-Gebete, sang vor sich hin – manchmal ziemlich falsch und das mit voller Absicht – und lachte sich laut über die Kommentare seiner ehemaligen Kampfgefährten schlapp.

„Wenn du nicht auf der Stelle damit aufhörst, meine Versuche, uns zu befreien, zu stören.“, begann Maron. „Dann bringe ich dich bei nächster Gelegenheit um!“ Joran, der gerade wieder einen Lachkrampf hinter sich hatte, sagte ernst: „Dann gehe ich mit Freuden in den Tod, Vertreter meiner Anführerin.“ Maron stutzte. So hatte er das doch nicht gemeint. „Na.“, sagte Joran zufrieden mit sich und der Reaktion seines Gegenübers. „Jetzt hörst du mir wenigstens zu. Also, wir dürfen auf keinen Fall zeigen, dass wir befreit werden wollen. Meine Telshanach hat ihre Begleitung nicht ohne Grund gewählt. Allrounder Betsy findet aufgrund ihres Traumas sicher jedes Haar in der Suppe. Also tun sie nicht das, was Lucilla will, verstehst du. Sie empfinden den Luxus nicht als Luxus. Wir dürfen unser Leid auch nicht als Leid empfinden und ich werde alles dafür tun. Wenn du nicht mitmachst, werde ich alle deine Befreiungsversuche sabotieren.“ „Das klingt ja wie eine Kampfansage.“, sagte Maron. Joran machte das entschlossenste Gesicht, das er je gemacht hatte und schmetterte heraus: „In der Tat.“

Lucilla hatte zu unseren Ehren ein Fest gegeben. Auch auf diesem hatten wir uns über diverse Dinge, waren sie nun wirklich schlimm oder hatten wir maßlos übertrieben, beschwert. Der Met war Schal, die Lammkeule zäh genug, dass man damit jemanden hätte verprügeln können usw.

„Gebieterin.“, hatte sich Dishan verzweifelt an Lucilla gewandt. „Ich fürchte, unser Plan funktioniert nicht. Die Frauen empfinden ihr Leben nicht als Luxus. Sie beschweren sich dauernd. Die Moral des Mundschenks und auch die aller anderen ist am Ende. Nichts kann man denen recht machen. Sogar das Turnier feinster Kampfkunst, das Ihr veranstaltet habt, finden sie langweilig. Jenna Mc’Knight bezeichnete es sogar als einschläfernd und die Ritter als lahm. „Hör auf zu winseln!“, empörte sich Lucilla, die ob der Situation mittlerweile sehr angespannt war. Sie spürte nämlich auch langsam, dass ihr Plan ihr langsam aber sicher von uns aus der Hand genommen würde.

Im nächsten Augenblick hörte man Jenna und mich laut auflachen. Einer der Ritter hatte seine Rüstung sozusagen verloren, allerdings war ich daran nicht unschuldig gewesen. Unter einem Vorwand hatte ich mich genähert und einige Bolzen, die die einzelnen Teile zusammenhielten, gelöst. Das hatte dazu geführt, dass die Rüstung auseinander gefallen war und er jetzt splitterfasernackt da stand. „Oh, Sie gemeines kleines Ding.“, flüsterte Jenna. „Super aufgepasst, wenn Ihnen Ihr Großvater etwas über Technik beigebracht hat, wirklich.“ Dann schrie sie: „Ach wie süß, guckt mal, man kann den kleinen Ritter sehen. Jetzt klärt sich zumindest die Frage, was der Ritter unter der Rüstung trägt. Gar nichts!“ Natürlich wussten wir, dass dies einer der höchsten Lords in Lucillas Reich gewesen war, aber das machte es nur noch lustiger. Wir ahnten, dass Lucilla nie ihre Macht gebrauchen würde, um uns zu gefährden, denn sie wollte ja noch was von Jenna und das würde die ihr dann bestimmt nicht geben.

„Na schön.“, sagte Maron nach einer Weile resignierend. „Hilf mir!“ „Was war das.“, grinste Joran ob seines moralischen Sieges zurück. „Ich gebe auf, ich streiche die Segel. Ich hau’ in den Sack.“, verdeutlichte Maron seine Absichten. „Endlich.“, antwortete Joran. „Aber wobei soll ich dir helfen?“ „Das weißt du ganz genau.“, erwiderte Maron genervt. „Du scheinst unsere Gefangenschaft als Wahnsinn in Tüten zu empfinden. Jetzt sag mir doch bitte, was deine Landsmänner und du so lustig finden. Ich glaube nämlich, mein Vendarisch ist etwas eingerostet.“ „Du hast meine Muttersprache nie gesprochen, Agent Maron.“, entgegnete Joran. „Aber ich will dir gern alles übersetzen. Dann verstehst du sicher auch Jenna Mc’Knights Plan besser. Die beiden haben es fast …“ „Halt, halt, halt, nicht alles auf einmal.“, bremste Maron ihn. „Wenn ich eins von euch Vendar gelernt habe, dann ist das, alles Schöne zu genießen und in die Länge zu ziehen. Du willst doch jetzt nicht etwa von einer eurer größten Tugenden abweichen, oder?“ „In der Tat nicht.“, grinste Joran. „Aber jetzt rede endlich, damit ich mich auch so herrlich wegschmeißen kann.“, forderte Maron. „Für das Wegschmeißen von Leuten bin eigentlich ich zuständig.“, entgegnete Joran.

In dieser Nacht wurden Jenna und ich zu Lucilla bestellt. „Sie sieht nicht gut aus.“, beschrieb mir Jenna die Szenerie. „Jetzt gebe ich ihr gleich den Rest. Halten Sie sich fest.“

„Bist du nun endlich bereit, mir das Geheimnis der Schöpfung zu nennen, Jenna Mc’Knight?“, fragte Lucilla, die aufgrund ihrer Schwäche bereits von zwei Vendar gestützt werden musste. „Ich werde Euch nichts anderes sagen, als ich Euch gestern schon gesagt habe und davor auch. Es hat sich nichts an den Tatsachen geändert. Aber, wenn Ihr mir nicht glaubt, dann macht nur weitere Fehlversuche, die Euch auspowern werden. Es ist immer noch das Gleiche. Entweder, Ihr schafft Euch einen Gegenpol, oder ihr löscht Eure Existenz aus, und zwar so, dass Ihr nie geboren wurdet oder noch besser, dass Sytania nie getötet wurde. Dann könnt ihr …“ Lucilla erwiderte wütend: „Einen Gegenpol werde ich nie akzeptieren. Eher lösche ich mich …“

Alles schien stark zu schwanken. Dann spürte ich etwas wie eine Art Wirbel, in den wir gezogen wurden. „Jenna!“, rief ich panisch. „Was ist los?“ „Vertrauen Sie dem Wirbel, Betsy.“, kam es zurück. „Wehren Sie sich nicht. Lucilla muss das mit dem Auslöschen so intensiv gedacht haben, dass es passiert ist. Ihre Kräfte sind ihr außer Kontrolle geraten. Nichts anderes wollten wir erreichen!“ „Soll das bedeuten, sie hat sich gerade selbst besiegt?“, fragte ich zurück. „Richtig! Man muss eben aufpassen, was man sich wünscht!“, antwortete Jenna, bevor der Wirbel uns völlig verschlang.

Ich fand mich auf Datas Terrasse in Little Föderation wieder. Die heiße Schokolade, die ich bei unserem ersten Gespräch getrunken hatte, stand vor mir. Es war nie passiert! Alles war nie passiert! Sytania musste noch leben. Data würde mich auch nicht nach der politischen Situation, sondern nach irgendetwas anderem fragen, wenn überhaupt. Er würde sich an nichts erinnern, aber ich, als unmittelbare Beteiligte schon.

Data kam aus dem Haus und setzte sich mir gegenüber hin. Dann fragte er: „Stehen Sie noch in SITCH-Mail-Kontakt mit Zora?“ Ich atmete erleichtert auf. Die Geschichte war tatsächlich verändert. Ob meiner Reaktion schien Data etwas verwirrt. Ich wusste, ich musste dringend ein paar Gespräche führen. „Oh, Data.“, sagte ich. „Dürfte ich mal Ihr Sprechgerät benutzen?“ Der Android nahm meine Hand und führte mich ins Haus. Hier gab ich das Rufzeichen des interdimensionären SITCH-Relais über Platonien ein und beorderte dieses, mich der Reihe nach mit Zora und mit der Beschützerbasis zu verbinden. Zora hatte wenig Zeit und sagte mir nur kurz, dass es ihr und ihren Kindern gut ging. Auch Zirell reagierte auf mein: „Gott sei Dank lebt ihr alle noch.“ Sehr seltsam. Dann aber sagte sie: „Joran hat mir alles erzählt. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Shannon hat darüber sogar ein irisches Volkslied gedichtet. Es handelt von einem König, der wahnsinnig geworden ist, von den daraus resultierenden Konsequenzen und vier glorreichen Helden, die sich ihm gemeinsam mit ihrem tapferen Raumschiff namens IDUSA entgegengestellt haben. Sie wird es Ihnen sicherlich gern schicken.“ „Raumschiff.“, echote ich lächelnd. „Eigentlich nicht der Stoff, aus dem irische Volkslieder sind.“ Zirell erwiderte: „Na, ja, es ist eben eine Shannon-Komposition. Da ist alles möglich. Joran liebt dieses Stück. Er findet es extrem tanzbar. Er sagt, neulich hätten Jenna und er so wild dazu getanzt, dass das Fußbad, in das sie wegen ihrer qualmenden Socken gestiegen wären, so laut gezischt hätte, dass sie ihr eigenes Wort nicht mehr verstanden hätten.“ Dann drückte sie lächelnd die 88-Taste.

Auch Time bestätigte mir gegenüber, dass Sytania noch lebte, denn Agent Yetron hatte geheimdienstliche Kontakte zur Leiterin eines demetanischen Spionageprojektes, dass das Dunkle Imperium beobachtete. Als Letztes sprach ich mit Nugura und sandte ihr meinen Missionsbericht zu. Sie aber empörte sich: „Allrounder! So etwas von Logar zu behaupten, nein wirklich. Das ist unvorstellbar. So etwas würde er nie tun.“ Schweigend drückte ich die 88-Taste. Die Klügere gab eben nach. Aber was sollte ich denn auch erwarten, sie war Politikerin und die tun sich manchmal sehr schwer damit, Dinge dazuzulernen.

ENDE

 

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