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Hinweise zur Geschichte:

Star-Trek-Kurzgeschichte

Alle hatten sich in der großen Aula der Akademie versammelt, um der Vereidigung der diesjährigen Auszubildenden beizuwohnen. Auch Mikels und meine Klasse gehörten dazu. Genauer waren es in diesem Jahr nur die Spionage- und SITCH-Offiziers- und Pilotenklasse. Fast alle hatten anstandslos auf die Fahne der Föderation geschworen und nun war die Reihe an mir. Merin, meine demetanische Klassenkameradin und beste Freundin, führte mich auf die Bühne vor den Tisch, an dessen anderem Ende Präsidentin Nugura nebst unserem vulkanischen Direktor Namens Tuvok saß und flüsterte mir ins Ohr, wann ich zu salutieren hatte. Das Staatsoberhaupt der Föderation befahl dem Computer, mir die ersten Sätze vorzusprechen. Da der Rechner wusste, wer jetzt dran war, hatte er die Namen immer schon eingefügt. „Ich, Allrounder ehrenhalber Betsy, schwöre auf die Fahne der Föderation der vereinten Planeten.“, begann die elektronische Stimme. Brav wiederholte ich alles. Dann kam es allerdings zu einer denkwürdigen Situation. „Jede Lebensform zu achten und zu schützen, ihre Rechte und ihre Unversehrtheit in keiner Weise anzutasten, mich niemals in ihre natürliche gesellschaftliche Entwicklung einzumischen und auch im Verteidigungsfalle nicht von der Verhältnismäßigkeit meiner eingesetzten Mittel abzuweichen.“, wurde mir weiter vorgesagt. Ich aber presste demonstrativ meine Lippen zusammen und sprach kein Wort mehr. Stattdessen verließ ich den Raum. Zwischen Tür und Angel kriegte ich gerade noch mit, dass ein erschrecktes Raunen durch die Anwesenden ging. „Das ist noch nie passiert.“, hörte ich ein Flüstern. „Nein, noch nie hat jemand die Vereidigung derart gestört.“

Was die anderen über mich dachten, interessierte mich nicht mehr. Frustriert ging ich meinen Weg in Richtung Wohngebäude.

„Kleene!“, rief es plötzlich hinter mir. „Bleib ma’ steh’n!“ Diese Sprechweise konnte nur eins bedeuten, Professor Cendus war im Anmarsch. Ich tat, was er sagte, denn ich wusste, würde ich ihm alles erklären, würde er sicher auf meiner Seite sein. Er schlappte schlacksig heran, stellte sich neben mich und fragte: „Wieso hasst de denn Nugura und Tuvok so sauber abserviert, Kleene, he?“ „Weil ich nicht bereit bin, eine Lüge zu schwören.“, sagte ich mit leicht wütendem Unterton.

Er zog mich auf eine nahe Bank und erkundigte sich weiter: „’ne Lüge? Na komm, erzähl deinem alten Fluglehrer ma’ wat de meenst.“ „Das stimmt einfach nicht.“, begann ich. „Jede Lebensform zu achten, das tun wir gar nicht.“ Dass ich immer aufgeregter wurde, merkte sogar er. „Mach ma’ ruhich.“, sagte Prof. Cendus. „Wovon redest de denn.“ Dann berichtete ich alles von Anfang an.

Mikel und ich hatten uns einige Tage vor der Vereidigung in der Pause getroffen und uns über den unterschiedlichen Lehrstoff und unsere Lehrer unterhalten. Dabei hatten wir uns jeder eine Tasse heiße Schokolade replizieren wollen. Stattdessen war aber eine schleimige Masse aus dem Replikator gequollen. Von anderen Replikatoren war der Haustechnik etwas Ähnliches gemeldet worden. Später hatte man herausgefunden, dass es sich um terranische Schleimpilze handelte. Diese einzelligen Wesen mussten irgendwie ihre Sporen im Replikatornetzwerk verteilt haben. Allerdings war das „Wie“ bald geklärt. Die Untersuchung meiner Kleidung hatte ergeben, dass ich die Sporen an eben dieser gehabt hatte und bei der Nutzung eines Replikators mit dem Ärmel über den Rand des Auswurffaches gestreift war. Jetzt wollte man die Schleimpilze mit einem Stromschlag töten, dabei wäre es doch so einfach gewesen. Da sie aus meiner Zeit unabsichtlich mitgekommen waren, hätte man sie doch einfach nur zurückbringen können, wenn man wirklich dem Eid Folge geleistet hätte, den jeder schwören musste. Ich hatte mir Vorwürfe gemacht und einen entsprechenden Antrag auf Rückverbringung einer versehentlich entführten Lebensform gestellt, aber den hatte die Regierung abgeschmettert. Sie hatten das damit begründet, dass diese Möglichkeit nur für Vielzeller galt, die intelligent wären und es sich bei Schleimpilzen ja nur um nicht intelligente Einzeller handle. Den entsprechenden Paragraphen hatte man dem Antwortschreiben beigefügt. Ich hätte beweisen können, dass die Schleimpilze über Intelligenz verfügten, aber das war jetzt wohl müßig.

Prof. Cendus pfiff verächtlich durch die Zähne. „Oh, Backe, Kleene.“, sagte er. „Und für so ’n scheinheiligen Verein arbeite ich ooch noch. Was willst denn du jetz’ machen, hm?“ „Am Liebsten.“, stieß ich hervor. „Am Liebsten würde ich die Föderation verklagen!“ „Dann komm!“, erwiderte er und zog mich auf die Beine. „Ich kenn’ ’n juten Anwalt.“

Ratz-Fatz waren wir mit seinem Jeep vor einer Anwaltskanzlei und er zerrte mich in ein Büro. Vor uns saß jetzt eine celsianische Empfangsdame, der er etwas in ihrer gemeinsamen Muttersprache zugehaucht hatte und die uns jetzt zu ihrem Chef, einem Betazoiden, durchwinkte. Auch mein Professor und der Anwalt schienen sich zu kennen. Sie duzten sich nämlich. Dann wurde ich aufgefordert, die ganze Geschichte zu erzählen. Ich berichtete auch von dem Beweis, den es für die Intelligenz der Schleimpilze gab. Bereits in meinem Jahrhundert hatte ein japanischer Wissenschaftler dies nachgewiesen, indem er ein Labyrinth aufgebaut hatte. An zwei Punkten hatte er Futter für die Schleimpilze versteckt und der schleimige Proband hatte alle Wege erkundet und am Schluss alle Fühler aus den Sackgassen abgezogen, so, dass nur noch die kürzeste Verbindung übrig war. Diesen Bericht fand man sogar im Netzwerk der Föderation. Nach einem längeren Studium der Unterlagen sagte Mr. Temm, der Anwalt, schließlich: „OK, Cendus. Ich vertrete dich und deine Schülerin. Ich denke sogar, dass wir gute Chancen haben. Warten Sie’s nur ab, Ms. Betsy, Sie kriegen Ihre Rückführungserlaubnis.“

Einige Wochen später war auch klar, wer der Richter sein würde. Es handelte sich um König Logar aus dem Dunklen Imperium. Dill war wohl verhindert.

Mr. Temm hatte unsere Klageschrift vorgetragen. Danach wurde ich von T’Pring, der vulkanischen Regierungsanwältin, vernommen. „Sie halten es also für notwendig.“, begann sie. „Eine einzellige Lebensform, die uns angegriffen hat und die noch nicht mal intelligent ist, nach Hause zurück zu bringen? Sie wollen dafür wirklich die Energie eines Shuttles verschwenden?“ „Ja.“, sagte ich fest. „Die Vulkanierin wollte wohl etwas über typisch menschliches von Gefühlen gesteuertes Handeln sagen, aber Richter Logar hatte alle Parteien vorher eindringlich davor gewarnt, beleidigend zu werden. Ich wollte noch weiter reden, aber Temm zupfte mich am Uniformärmel und zischte mir zu: „Ich mache das schon.“ Dann stand er auf und sagte zur Gegenseite gewandt: „Merken Sie eigentlich, verehrte Kollegin, dass Sie sich gerade selbst widersprochen haben? Sie behaupten, eine nicht intelligente Spezies habe eine intelligente und damit überlegene Spezies angegriffen, ja sogar erfolgreich angegriffen. Kann so etwas denn, wenn man rein logisch dächte, überhaupt funktionieren? Wäre nicht ein Angriff einer nicht intelligenten Spezies automatisch zum Scheitern verurteilt? Und, woher wissen Sie überhaupt, dass es ein Angriff war? Ein Angriff bedarf doch einer Organisation. Also, können nicht intelligente Wesen, zu denen Sie die Schleimpilze ja zählen, überhaupt organisiert vorgehen?“ T’Pring schien zu überlegen und Temm setzte nach: „Wo, frage ich Sie, wo wollen wir denn die Grenze setzen? Aus jedem Einzeller kann sich irgendwann doch eine vielzellige Spezies entwickeln. Schließlich fangen auch wir im Mutterleib als Einzeller an und niemand käme auf die Idee, uns in diesem frühen Stadium zu töten. Wer sagt also, dass Einzeller kein Recht auf Leben haben. Meine Mandantin möchte mit dieser Klage außerdem erreichen, dass ein ebenfalls hohes Gut, die Zeitlinie nämlich, unversehrt bleibt. Auch deshalb möchte sie die Schleimpilze zurückbringen. Es gibt auch noch den Präzedenzfall Lyra 5. Hier wurde ebenfalls einer vergleichsweise niederen Lebensform das Recht auf Leben eingeräumt. Also, warum nicht auch hier.“ T’Pring fasste sich an den Kopf und bat um eine Pause. Lyra 5. Immer wieder Lyra 5. König Dills damaliges Urteil würde jetzt in all solchen Fällen herangezogen werden. Außerdem hatte es Temm doch tatsächlich geschafft, ihr eine Lektion in Logik zu erteilen.

Nach den Schlussansprachen verkündete Logar sein Urteil: „Im Fall, Allrounder Betsy gegen die Föderation der vereinten Planeten lautet das Urteil wie folgt: Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein zeitreisetaugliches Shuttle zwecks Rückverbringung einer unabsichtlich entführten Lebensform zur Verfügung zu stellen. Das Töten der erwähnten Lebensform ist hiermit untersagt.“ Die Begründung hörte ich mir nicht mehr zu Ende an, denn ich freute mich viel zu sehr für die Schleimpilze. Prof. Cendus und ich brachten sie am nächsten Tag zurück. Ich war zwar sehr aufgeregt, denn ich flog zum ersten Mal ein richtiges Shuttle, aber mein Professor konnte mir auf seine gewohnt lockere celsianische Art meine Angst nehmen.

Ich ging an diesem Abend mit einem guten Gewissen ins Bett. Auch im 30. Jahrhundert waren Eide und Gesetze eben nicht perfekt.

ENDE

 

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