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Es war früh am Morgen, als ich durch die verschlafenen Sträßchen Little Federations schritt. An sich war ich, wenn ich Heimaturlaub hatte, nie so früh unterwegs, aber heute war es etwas anderes.

Eigentlich hätte ich nur einige Straßen weiter gehen müssen, denn das Haus, welches mein Ziel war und das meinige waren quasi in direkter Nachbarschaft zueinander gelegen. Etwas ließ mich jedoch einen langen Umweg quer durch die ganze Stadt machen. Zwar hatte ich beschlossen, meiner Angst vor Telepathie endlich den Kampf anzusagen, aber Andererseits schämte ich mich auch. Eine ausgebildete Sternenflottenoffizierin sollte, so war in jedem Fall meine Meinung, eigentlich dieses Problem nicht haben. Meine Vorgesetzte, Commander Kissara, hatte mich, wenn immer wir telepathischen Wesen begegnet waren, niemals mit zum Außenteam gehören lassen. Sie hatte dann immer gesagt, dass ich doch besser das Schiff weiter fliegen sollte, denn ich könnte prima dafür sorgen, dass die Granger bei der Rückkehr der anderen Offiziere noch in einem Stück sei. Ich aber wusste, dass dies der Autopilot genau so gut hätte erledigen können. Sie wollte wohl nur vor den anderen Besatzungsmitgliedern meine Angst kaschieren. So war es also eines Tages zu jener Situation gekommen, der ich meinen jetzigen verlängerten Urlaub zu verdanken hatte.

Auf der Basis 817 hatte die Nachtphase längst begonnen. Sie würde noch auf sein, das wusste ich. Kissara würde noch auf sein. Als Thundarianerin war sie, wie es terranische Katzen auch sind, dämmerungsaktiv. Das sie viel mit Katzen gemeinsam hatte und ihre Spezies von Laien daher auch als Katzenmenschen bezeichnet wurde, war mehr als offensichtlich, wenn man ihren Kopf betrachtete. Dieser hatte die Größe eines normalen menschlichen Kopfes, sah aber aus wie der einer Katze. Zwischen den spitzen und weichen haarigen Ohren zierte ihn ein tiefschwarz glänzender seidiger Fellbusch. Unterhalb dieses Kopfes sah Kissara aus wie eine durchschnittliche Humanoide von 170 cm Körpergröße und einer schlanken Statur. Eine weitere Besonderheit an ihr war ihre flexible Wirbelsäule.

Diese mir nur aus Beschreibungen anderer bekannten Äußerlichkeiten waren für mich aber nicht das Wichtigste. Viel wichtiger waren mir bei dem, was ich ihr sagen musste, ihre inneren Werte. Kissara war immer sehr verständnisvoll entgegen ihren Untergebenen gewesen und würde mich sicher auch verstehen. Sie war nicht wie einige andere Sternenflottencaptains vor ihr, die mir eine lange Predigt gehalten hätten und mich mit leeren Phrasen fortgeschickt hätten. Mehr noch, die vielleicht sogar Scham geäußert hätten, da ich mit meinem kleinen Problem nun so gar nicht in das Bild eines Sternenflottenoffiziers passen wollte.

Ich schlich also aus meinem Quartier und benutzte ein Computermikrofon auf dem Flur. „Computer, wo ist Commander Kissara?“, fragte ich hinein. „Commander Kissara ist in ihrem Quartier.“, kam es nüchtern zurück. Ich lächelte: „Danke dir.“ Dann schritt ich mit der neuen Information im Gepäck in Richtung der mir soeben genannten Adresse.

Den Computer immer persönlich anzusprechen und mich bei ihm zu bedanken, war zu einer Marotte geworden. Allerdings nicht erst nach meinem Aufenthalt in der Dimension der Tindaraner. Dort stand Technologie rein juristisch auf der gleichen Stufe wie Lebewesen und daher war es unhöflich, sich nicht bei einer IDUSA-Einheit für deren Dienstleistung zu bedanken. Ich fand, die Föderation war auf einem ähnlichen Weg. Androiden hatten bereits die gleichen Rechte wie wir und es war meinem Empfinden nach nur noch eine Frage der Zeit, wann wir dies einem Schiffscomputer auch zugestehen würden. Wegen dieser Marotte und anderer spezieller Dinge war mein Spitzname unter meinen Kameraden bereits „Allrounder Spetsy“.

Jetzt stand ich also vor Kissaras Tür und suchte nach dem Sprechanlagenknopf. Um so überraschter war ich, als sich die Tür öffnete und Kissara mich mit ihrer weichen schmeichelnden Stimme herein bat. „Na, kommen Sie, Allrounder.“, versuchte sie, mir Mut zu machen. Mir fiel die Kinnlade herunter. Woher wusste sie, wer draußen stand? Die Türen waren doch eigentlich schalldicht. Ich hatte das alles ganz anders geplant. Ursprünglich wollte ich wie immer die Sprechanlage benutzen und ganz förmlich gefragt haben: „Ma’am, Allrounder Betsy bittet um Erlaubnis, zwecks Aussprache Ihr Quartier betreten zu dürfen!“ Dies hatte sie mir jetzt vorweggenommen.

Sie hielt eine Hand in die Lichtschranke, da der Sensor die Tür sonst wieder geschlossen hätte. Ich stand nämlich da wie eine Salzsäule und bewegte mich keinen Millimeter. Nach einer Weile wurde ihr aber auch dies zu viel und so drehte sie sich nach innen und befahl in Richtung des Mikrofons auf ihrer Nachtkonsole: „Computer, Tür blockieren!“ Dann flüsterte sie: „Von der Haltung kriegt man ja ’ne Sehnenscheidenentzündung.“

Sie kam in den Türrahmen zurück und zog mich mit einer ihrer weichen pelzigen Hände in den Innenraum. Dann befahl sie dem Computer die Aufhebung der Türblockade, worauf die Tür leise ins Schloss schnappte.

Im Inneren ihres Quartiers sah es nicht anders aus, als in den anderen Quartieren auch. Zumindest der architektonische Grundriss war überall gleich. Rechts vom Eingang ging es ins Bad und links zweigte ein kurzer Gang ab, in dem sich auf der rechten Seite das Wohn- und auf der linken das Schlafzimmer befand. Geradeaus wäre man in ein Gäste- bzw. Kinderzimmer gekommen.

Kissara hatte sich ihre kleine „Hütte“ - wie wir Anderen auch - nach ihrem Geschmack eingerichtet. Auf dem blauen weichen Teppich hörte man unsere Schritte nicht. Meine freie Hand streifte an einigen ebenfalls weichen und bunten Wandbehängen vorbei. Die Luft im Wohnzimmer, welches wir jetzt betraten, hatte eine leicht minzige Note, was von einer großen Pflanze Katzenminze kam, die - wie bei Anderen vielleicht der Gummibaum - in der rechten Ecke des Zimmers gegenüber dem Replikator stand.

Mit den Worten: „Setzen Sie sich, Betsy.“, zog sie mich auf ein großes geräumiges Sofa, das mit Blumenmustern verziert war und einen weichen aber unempfindlichen gelben Stoffbezug hatte. Es stand vor einem runden Tischchen, dessen Fuß an einen Baumstamm erinnerte. Das Tischchen hatte eine holzbraune Oberfläche, die wie eine Baumscheibe gemasert war.

Kissara drehte sich zum Replikator und machte einige Eingaben. Dann kam sie mit einem Tablett zurück. Sie stellte das ovale silberne Tablett ab und begann, die darauf befindlichen weißen Teller und Tassen zwischen uns aufzuteilen. Dann goss sie aus einer großen Kanne demetanischen Sommerfruchttee in unsere Tassen und schnitt einen großen lecker nach Käse, Zwiebeln, Tomaten und Gewürzen duftenden celsianischen Sattmacher, ja, so hieß dieses Gebäck wirklich, an. Dabei handelte es sich um eine große köstliche goldgelbe Teigkugel, die mit den eben erwähnten Zutaten gefüllt war. Aufgrund seiner Gestalt hatte das Ding sich im Volksmund aber auch den Spitznamen „Fußball mit Schwesternhäubchen“ eingehandelt, denn obendrauf war eine knusprige Käseschicht.

„Ritz-Ratz, Knitz-knatz!“, fraß sich Kissaras Messer genüsslich durch die Teighülle. Als sie mir mein Riesenstück auf den Teller türmte, ging ihr ein bisschen Füllung daneben. „Oh.“, scherzte sie. „Ein Hüllenbruch. Im Normalfall würde ich jetzt das Aufsuchen der Rettungskapsel befehlen.“ Ich schmunzelte. Dann überlegte ich kurz und konterte: „Keine Sorge, Ma’am, bis Magen-Prime ist es ja nicht weit und das schafft das gute Stück wohl noch. Es muss nur heil durch das Mundwurmloch und die Speiseröhrenausdehnung kommen, bevor die kriegerischen Verdauungsklingonen den Rest erledigen.“ Mit einem lauten Seufzer ließ die bis dahin extrem angespannte Thundarianerin die Luft aus ihren Lungen entweichen. „Ich dachte schon, Sie würden niemals auftauen.“ Mit diesen Worten ließ sie sich erleichtert neben mich auf das Sofa sinken.

Immer noch war mir nicht klar, warum sie wusste, dass ich draußen gestanden hatte. Die Thundarianer waren keine Telepathen. Sie hatte mich also nicht spüren können. Aber dann fiel mir ein, dass ja auch Katzen ein extrem gutes Gehör haben. Deshalb fragte ich: „Sagen Sie bitte, Commander, woher wussten Sie, dass ich draußen war?“ Sie tippte meine Hand an, in der ich die Gabel hatte, was zur Folge hatte, dass ich diese ordnungsgemäß auf dem Tellerrand platzierte. Dann führte sie meine Hand an eines ihrer Pinselohren, die mich an einen Luchs erinnerten. „Verstehe.“, sagte ich. „Aber ich dachte, die Türen wären schalldicht.“ „Oh.“, lächelte sie zurück. „Für menschliche Ohren mag das hinkommen, aber nicht für die einer Thundarianerin.“ „Ach so.“, lautete meine Antwort. „Dann sollte Jannings aber dringend was wegen noch größerer Schalldichte unternehmen. Finden Sie nicht?“ Sie nickte.

Techniker George Jannings war unser oberster technischer Offizier. Ihm hatte ich ebenfalls von meiner Telepathenphobie erzählt, denn mit ihm verstand ich mich ebenfalls gut. Zwar war ich Brückenoffizierin und er arbeitete im Maschinenraum, das kratzte unsere Freundschaft aber kein bisschen. In früheren Zeiten wäre es zwar unmöglich gewesen, dass eine Brückenoffizierin und ein Maschinist mal in Ruhe ein „Kühles Blondes“ zusammen zischten und eine Partie Skat spielten, zu der allerdings Jannings seine androide Assistentin, Technical Assistant Elektra, regelmäßig mitbrachte, aber das hatte sich ja Gott sei Dank geändert. Jannings ärgerte sich nur jedes Mal, dass er gegen Elektras und meine geballte Frauenpower kaum eine Chance hatte. Wir lenkten das Spiel durch geschicktes Reizen nämlich immer so, dass er allein gegen uns spielen musste, auch, oder gerade dann, wenn Elektra sich ausrechnen konnte, dass wir die besseren Karten hatten. Viel Simulationskammerzeit hatte er schon verloren. Oh ja, sehr viel.

Kissaras grünäugiger Katzenblick ging ständig zum Display des sich auf dem Tisch befindenden Sprechgerätes. Hier konnte sie die sogenannte Zentrale Allzeit, einen Richtwert für Urzeit und Datum ähnlich der früher verwendeten Sternzeit, ablesen. Daher machte sie mich einige Augenblicke später darauf aufmerksam. „Es ist schon spät, Allrounder.“, stellte sie fest. „Ich weiß genau, dass Sie nicht nur hier sind, um mit mir zu essen. Also, was bedrückt Sie?“ Ich nahm einen großen Schluck aus meiner Tasse, als wollte ich mir Mut antrinken und sagte dann: „Ma’am, ich möchte nicht mehr, dass Sie mich ständig beschützen müssen.“ Ich sprach nicht weiter, sondern wartete zunächst ihre Reaktion ab. „Was meinen Sie damit, Betsy?“, fragte sie zurück. „Nun.“, setzte ich erneut an. „Vor den Anderen kaschieren Sie meine Angst vor Telepathie und allem, was damit zusammenhängt. Dabei wissen es eigentlich schon längst alle. Trotzdem möchte ich diesen Zustand ändern. Nach Möglichkeit sollte das aber nicht in meiner Dienstakte auftauchen, weshalb ich Sie hiermit um so genannten Genesungsurlaub bitte, um mir privat ein Therapiezentrum suchen zu können.“ Kissara legte mir ihre Hand auf die linke Schulter. Dabei berührten ihre Schnurrhaare mich, denn sie saß ja direkt neben mir und war mir auch mit dem Gesicht näher gekommen. „Erst mal.“, begann sie. „Sind wir nicht auf einem Klingonenschiff, Allrounder, wo Sie beim ersten Äußern von Angst gleich umgebracht würden. Zum zweiten haben schon Offiziere mit weit aus stärkeren Ängsten große Heldentaten vollbracht. Denken Sie doch nur mal an Barclay, der mithalf, die Voyager heimzubringen. Der hatte doch quasi vor allem und jedem Angst und das stand sogar in seiner Dienstakte. Sie sehen also, Betsy, Sie wären in guter Gesellschaft.“ Ich wich ihrer zweiten sich nähernden Hand aus. „Nein, Ma’am, bitte nicht. Ich möchte das privat für mich regeln. Kennen Sie Scientist Cupernica? Mit ihr habe ich bereits gesprochen und sie will mir einen Platz in einem zivilen Zentrum besorgen.“ Kissara stand auf und sagte: „Nun gut, wenn das so ist. Trotzdem muss unsere Ärztin Ihren Antrag auf Genesungsurlaub unterschreiben. Aber, wie ich Loridana einschätze, haben wir die Unterschrift eher, als Sie Unterschrift sagen können. Also, Sie essen jetzt auf und gehen dann ins Bett. Das ist ein Befehl. Schließlich sollen Sie ja ausgeschlafen sein, wenn die Flugbereitschaft Sie morgen nach Terra bringt.“ „Vielen Dank, Commander.“, lächelte ich. „Offen gesagt, mit so viel Verständnis hätte ich nicht gerechnet.“ Sie lächelte mir schweigend zu.

So war es also dazu gekommen, dass ich jetzt eine Allee in der Nähe des sogenannten Captainsviertels entlang ging und nicht darauf achtete, dass ich bei meinem Spatziergang die gesamte Stadt einmal von Norden nach Süden durchquert hatte. Längst hätte ich bei meinem Arzttermin sein müssen, damit Cupernica alles mit mir besprechen und die Überweisung ausstellen konnte. Aber irgendwie schämte ich mich schon wieder.

Ich kam an einem Kinderspielplatz vorbei, der zum Stadtpark von Little Federation gehörte. Hier setzte ich mich zwischen die wartenden und Aufsicht führenden Elternteile und Großeltern und beobachtete mit ihnen die Kinder beim Spielen. Mir war jedes Mittel recht, um den Moment der Wahrheit so lange wie möglich herauszuzögern.

Wie ein schwarzer Spiegel schien der Weltraum für Serdan, einen Vendar-Novizen, der neben Telzan, seinem Lehrer und Anführer, in dessen Shuttle saß. Gemeinsam mit allen anderen Vendar, die Sytania dienten, warteten sie in der Deckung eines Planetenpols auf ihre Beute. Ihre Shuttles, die übrigens im Vendarischen Veshels heißen und jedes die Form eines Speeres haben, bildeten gemeinsam die Form eines Zuckerhutes.

Diese Formation fliegen Vendar meistens, wenn sie ein Schiff zur Strecke bringen sollen. Sie hat sich als die effizienteste herausgestellt. Wo sein oder ihr Platz ist, weiß jeder Pilot und jede Pilotin genau, denn das legt sich durch die Rangfolge fest, die wiederum vom Alter und somit vom Ausbildungsstand eines jeden Vendar abhängig ist. Mann und Frau haben bei den Vendar gleichberechtigte Positionen. Den Boden des Zuckerhutes bilden die jüngsten Novizen. Im Kreis darüber fliegen die älteren und darüber die bereits ausgebildeten. Die Kreise werden naturgemäß immer kleiner bis nach oben zum Anführer, der allein die Spitze bildet.

Telzan hatte seinen Schüler das Shuttle allein ins Versteck fliegen lassen. Dass Serdan mit im Veshel seines Anführers sitzen durfte, hatte Sytania Telzan nur erlaubt, weil dieser seiner Gebieterin von den herausragenden Leistungen seines Schützlings beim Kampftraining und auch sonst vorgeschwärmt hatte. Genervt hatte die Prinzessin Telzans Antrag schließlich stattgegeben.

„Du hast mich nicht korrigiert, Anführer.“, stellte Serdan fest. Telzan, ein Vendar mittleren Alters von einer selbst unter seiner Spezies ungewöhnlichen Körpergröße von 2,40 m, muskulöser Statur und einem antrazithfarbenen Fell, grinste süffisant aus seinem großen Mund und entgegnete mit seiner tiefen gemein klingenden Stimme: „Warum soll ich dich korrigieren, wenn du doch alles richtig machst. Wenn wir wieder daheim sind, werde ich unserer Gebieterin berichten, was für ein geschickter Pilot du mittlerweile bist.“ Der für Vendar-Verhältnisse mit seinen 1,90 m eher kleine und im Vergleich zu Telzan eher schmächtige aber drahtige Jugendliche mit weißem kurzem Jugendfell fühlte sich geschmeichelt. „Ich danke dir, Anführer.“, gab er ehrfürchtig zurück.

Das nervös anmutende Piepen eines Sensorenalarms ließ beide aufhorchen. „Frag den Mishar, was er gesehen hat!“, befahl Telzan.

Mishar ist der Ausdruck der Vendar für Maschine oder in diesem Fall für Schiffscomputer.

Serdan drehte sich in Richtung des Computermikrofons und sagte: „Mishar, nenne den Grund für den Sensorenalarm!“ „Ein mit den Suchmerkmalen übereinstimmendes Objekt ist gerade in Sensorenreichweite gekommen.“, meldete eine männliche Computerstimme nüchtern. „Zeig es uns!“, befahl Serdan. Auf dem Bildschirm erschien eine kleine Sonde. „Das ist sie!“, skandierte Telzan und ihm wollte schier das Wasser vor Aufregung aus dem Mund laufen. „Genau so hat unsere Gebieterin die Sonde beschrieben, die sie mit ihren seherischen Fähigkeiten wahrgenommen hat. Sie soll angeblich auf dem Weg zu Logar sein, um ihn mit Informationen aus der Föderation zu versorgen. Aber …“ Die Augen des Teenagers begannen zu leuchten, als Serdan seinen Anführer unterbrach: „Aber dazu wird es nicht kommen, nicht wahr, Anführer?“ „Genau!“, gab Telzan nicht minder erfreut zurück. „Gib das Signal!“ „Möchtest du nicht lieber wieder das Steuer übernehmen, Anführer?“, fragte Serdan respektvoll. „Nein.“, grinste Telzan. „Wir beide wissen, das kannst du viel besser.“

Menach, eine Novizin, die noch dazu Serdans Freundin war, meldete sich nervös über SITCH im Shuttle der beiden. „Laut den Antriebswerten versucht die Sonde, unter uns durchzutauchen.“, teilte Menach mit. „Dann verhindert das.“, war Serdans klare und knappe Antwort. „Die Hälfte deiner Leute fliegt nach rechts, die andere nach links. So bildet ihr einen vermeintlichen Korridor für die Sonde. Dann geht ihr in den Sinkflug, bis ihr unter ihr seid. Dort kommt ihr wieder zusammen und bildet eine nach unten für die Sonde undurchdringliche Wand. Wir sind gleich da!“

Der Boden des Zuckerhutes löste sich scheinbar ab und auch scheinbar auf. Der Rest setzte sich synchron in Bewegung.

„Recht so, Mikel.“, lobte Kissara Mikels letzte Aktion. Er saß vor einer Konsole im Kontrollraum, auf deren Bildschirm „Pilot 1“, das zur Fernsteuerung von Sternenflottenschiffen und Sonden gebräuchliche Autopilotprogramm, geladen war. „Machen Sie aus unserer Sonde einen noch attraktiveren Köder für die Vendar.“ Der Terraner von ca. 160 cm Körpergröße, durchschnittlicher Figur und blonden Haaren nickte und ließ die Sonde ein paar Wendemanöver vollführen.

„Schau, Anführer, wie sie sich windet und versucht, unserem Griff zu entkommen.“, spottete Serdan. „Recht hast du.“, bestätigte Telzan. „Also dann, fangen wir sie endlich ein!“ Serdan ließ die Positionslichter des Veshel eine kurze Abfolge von langen und kurzen sowie dunklen und hellen Sequenzen in den Weltraum malen. Die Anderen, auch Menach und ihre Novizentruppe, verstanden sofort. Alle Shuttles rückten zusammen, sodass sie Bug an Bug flogen. Dann ging der obere Teil des Zuckerhutes in Sinkflug über. Sie stülpten sich sozusagen über die Sonde.

Mit im Kontrollraum der Basis 817 war auch Warrior Kang, unser klingonischer Stratege. Er war für einen Klingonen ebenfalls durchschnittlich gebaut. Seine Besonderheit war jedoch, dass er immer dann, wenn ihm etwas nicht gefiel, mit dem rechten Auge rollte. Dieses Phänomen hatten unsere Mediziner bisher auch noch bei keinem anderen Klingonen entdecken können. Normalerweise rollt man mit beiden Augen.

Kangs Missfallensäußerung war Kissara aufgefallen. Aber nicht nur ihr. Ribanna, meine Vertretung, eine Terranerin indianischer Abstammung, die für die Überwachung der SITCH-Verbindung zur Sonde zuständig war, hatte sie bemerkt. Die dunkelhäutige schwarzhaarige Frau drehte sich zu Kissara um, die darauf nur sagte: „Ich hab’s gesehen, Ribanna.“

Menach hatte gegenüber der Situation ein leichtes Bauchgrummeln verspürt. Deshalb griff sie zum Sprechgerät und gab das Rufzeichen von Serdans und Telzans Schiff ein. „Was gibt es, Telshanach?“, erkundigte sich Serdan bei seiner Freundin. Die Novizin setzte sich aufrecht hin und fragte mit ernstem Blick zurück: „Bist du sicher, Telshan, dass dies keine Falle der Föderation ist? Ich meine, es war sehr leicht, die Sonde einzufangen. Am Ende enthält sie gar nicht die gewünschten Informationen. Falls wir Sytania eine wertlose Sonde bringen, wird sie uns töten. Möchtest du das?“ Serdan wechselte einen kurzen Blick mit seinem Anführer und Lehrer. „Sie hat Recht.“, überlegte Telzan halblaut. „Also gut, Serdan, sag den Anderen, wir lösen die Formation auf und lassen sie frei. Unsere Gebieterin hat nämlich noch eine zweite Sonde gesehen. Vielleicht ist sie die richtige. Leider kann Sytania den Sonden ja nur vor das Gehäuse schauen und nicht hinein, weil die Sonden Technologie sind und somit für Telepathie nicht empfänglich. Sie wusste nur, eine von ihnen muss ein Köder sein, aber nicht welche. Du aber hast die Föderation entlarvt, mein Schüler. Du und Menach, ihr ganz allein. Sag dem Mishar, er soll einen Sammelruf starten. Wir wenden und kümmern uns um die andere Sonde. Telzan, Anführer der Vendar der glorreichen Sytania, lässt sich nicht aufs Glatteis führen.“

„Verdammt!“ Kissaras Ausruf ließ alle Anwesenden kurz erschauern. Sogar Kang verspürte eine leichte Gänsehaut. „Los doch, Agent, machen Sie unseren Köder wieder attraktiver. Täuschen Sie ein Antriebsleck vor oder so etwas. Nur, tun Sie was. Die Vendar dürfen nicht merken, welches die echte Sonde ist!“ Mikel warf einen hilflosen Blick zu Kang herüber, der sich dem Platz seines Vorgesetzten, Mikel war Kissaras erster Offizier, zügigen Schrittes näherte. Dann setzte sich der klingonische Stratege neben Mikel und sah sich die Situation von nahem an. Bevor er dann allerdings seinen Kopf grübelnd in seine großen haarigen Hände fallen ließ, sagte er so zuversichtlich er konnte: „Das werden wir gleich haben, Sir!“

Per Interdimensionsantrieb hatten die Vendar zwischenzeitlich die Stelle erreicht, an der Sytania die zweite Sonde mittels ihrer seherischen Fähigkeiten ausgemacht hatte. Serdan sah sich den Vektor der Sonde an. Etwas störte ihn gewaltig. Diese Sonde schien in Wartestellung zu sein. Sie schien, im Gegensatz zu der Sonde, die sie gerade verlassen hatten, keine Anstalten zu machen, ins Dunkle Imperium zu fliegen. „Ich bin verwirrt, Anführer.“, äußerte der Novize. „Vielleicht ist das der Köder.“ „Nein, Serdan.“, sagte Telzan mit einer Gewissheit, die Serdan das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Die Andere, das war der Köder. Schau mal, diese hier macht keine Versuche, uns zu entkommen. Aber die erste Sonde hat es damit reichlich übertrieben. Also, welche sollte uns wohl in die Falle locken, hm?“ Serdan ließ die Worte seines Anführers eine Weile auf sich wirken und sagte dann: „Du bist sehr weise, Anführer und du hast Recht.“ Dann nahm er das Mikrofon und befahl über die Sammelverbindung, bei der alle vorher festgelegten Rufzeichen angesprochen werden: „In Formation!“

Die Türen des Kontrollraumes glitten auseinander und im Türspalt erschien das symmetrische Androidengesicht Elektras. Sie wurde von Chief-Agent Tamara, einer 170 cm großen Halbklingonin mit rabenschwarzen Locken, begleitet. Kissara warf ihr ein kurzes: „Danke, Elektra, wegtreten!“ zu. Elektra wandte sich auf dem Absatz um und ging. Kissara winkte die Geheimdienstchefin der Sternenflotte zu sich heran. „Kommen Sie, Tamara. Die Musik hat gerade zu spielen begonnen.“ Dieses geflügelte Wort benutzte Kissara oft, wenn es spannend wurde. Es war eines der englischen Sprichworte, die ihrer Meinung nach den Nagel immer auf den Kopf trafen.

Die Veshels hatten die Sonde in der Zwischenzeit eingekreist. Dicht an dicht flogen sie jetzt und machten Anstalten, sie mit in ihr Interdimensionsfeld zu nehmen, um mit ihrer Beute im Schlepp zurück zu Sytanias Schloss zu fliegen. „Unsere Gebieterin wird uns belobigen, nicht wahr, Anführer?“, wollte Serdan wissen. „In der Tat.“, antwortete Telzan zuversichtlich. Allerdings schüttelte es ihn bei dieser Antwort stark, denn es handelte sich dabei ursprünglich um den Lieblingsspruch seines Rivalen, Joran, der gegen Sytania rebelliert hatte, was Telzan zwar mit Genugtuung hingenommen hatte, da er jetzt Jorans Posten besetzte, aber die Tatsache an sich hatte ihn beschämt. Ein Verräter gilt unter den Vendar als vogelfrei.

„Haben Sie mich nur geholt, damit ich zusehe, wie Ihr Plan scheitert, Kissara?“, fragte Tamara erbost, nachdem sie gesehen hatte, dass die Vendar wohl gänzlich das Interesse am Köder verloren hatten. „Bitte geben Sie uns noch einen Moment, Ma’am.“, versuchte Mikel seine direkte Vorgesetzte, Mikel war Agent und Tamara die oberste Agentin, zu beschwichtigen. „Wir finden einen Weg.“ „Davon sehe ich nichts!“, schäumte Tamara, mit der langsam ihr klingonisches Temperament durchzugehen drohte. „Das einzige, was ich hier bereits vor mir sehe, ist das Gesicht unserer größten Feindin, wie sie und diese Vendar-Feiglinge über uns lachen. Wollen Sie uns wirklich diese Blöße geben?“

Kang fluchte leise auf Klingonisch und raufte sich die zu Hauff vorhandenen Haare. Ihm fiel auch nichts ein. In Anwesenheit dreier Frauen, von denen eine sogar ein hoch dekoriertes Mitglied des Oberkommandos war, wollte er sich lieber nicht so sehr danebenbenehmen.

Ribanna war es, die uns wieder ins Spiel brachte. Über Computer-SITCH gab sie dem Köder den Befehl, einen Notruf abzusetzen. Dabei wurde jedes Rufzeichen in Reichweite angesprochen, was ja auch die Natur eines SITCH-Notrufes ausmacht. Dann ließ sie die Sonde so tun, als übersende sie ein riesiges Datenpaket an das Rufzeichen von Logars Palast. Die Vendar, deren Sprechgeräte ebenfalls angesprochen wurden, nahmen an, dass die Sonde Logar jetzt die politisch relevanten Informationen geben würde. „Also war doch diese der Köder.“, zischte Telzan. „Volle Wende, alle Mann. Die Andere holen wir uns jetzt!“

Auf der 817 sah man den Zuckerhut um sich selbst kreisen und eine Sekunde später wieder bei den Koordinaten unseres Köders auftauchen. Dann nahmen die Vendar diesen in Schlepp. Ribanna befahl unserer echten Sonde die Aktivierung des Interdimensionsantriebes, worauf diese im Dunklen Imperium verschwand. Tamara lächelte der jungen Indianerin zu und meinte: „Ausgezeichnet, Reserve-Allrounder Ribanna! Ich werde Sie bei Präsidentin Nugura für die Tapferkeitsmedaille vorschlagen!“ Ribanna lächelte verlegen. Dann wandte sich Tamara an Kissara und Mikel: „Unter sechs Augen!“ Damit verschwanden die drei erwähnten Personen in Kissaras Bereitschaftsraum.

Maron saß in IDUSAs Cockpit und die beiden kreisten um einen Planeten. „Die schwarze Wolke, die wir abgehängt hatten, verfolgt uns wieder.“, meldete die Einheit ihrem Piloten nüchtern. „Kannst du eine Neuralsignatur erkennen?“, fragte der demetanische Spionageoffizier. „Positiv.“, war IDUSAs sachliche Antwort. „Es handelt sich um Sytania. Offensichtlich versucht sie, den Planeten anzugreifen.“ „Das genügt!“, rief Maron aus. „Flieg in die Atmosphäre und aktivier den Rosannium-Strahler!“ „Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass dieser Planet ebenfalls von einer telepathischen Spezies bewohnt wird. Sie würden ebenso ihre Fähigkeiten verlieren, ja sogar unter Umständen sterben. Alternativ schlage ich den Einsatz des Ultraschalls vor, sobald Sytania in der Atmosphäre ist.“ „Nein!“, erwiderte Maron streng. „Du weißt, IDUSA, dass laut der Lex Technologica der Befehl deines Piloten für dich bindend ist. Also, der Strahler, na los!“

Die Umgebung um Maron verschwand und Joran trat an ihn heran. „Herzlichen Glückwunsch, Agent Maron. Du hast gerade an einer ganzen Spezies Körperverletzung begangen.“, sagte der stattliche muskulöse 2,30 m messende Vendar ironisch. „Das hat Mc’Knight mit Absicht so programmiert, stimmt das?“, wollte Maron wissen. „In der Tat.“, antwortete der Vendar genervt. „Aber, wenn du lernen willst, IDUSA nicht immer zu übergehen, sondern ihre Meinung auch mal gelten zu lassen, müssen wir so vorgehen. Die Lex Technologica ist dafür gemacht, wenn Situationen auftreten, die Technologie wie IDUSA nicht verstehen kann, diese von uns entscheiden zu lassen. Ironie zum Beispiel. Aber sie ist nicht dazu da, per Winkelzug unbedingt immer unsere Entscheidungen durchzudrücken. Im Grunde weißt du, dass sie gerade Recht gehabt hat, nicht wahr?“ Maron nickte. „Also, dann läuft es ja hoffentlich in Zukunft anders.“ Maron spürte, dass die Geduld seines Freundes bereits arg überstrapaziert war. Mit beschwichtigendem Gesichtsausdruck drehte er sich zu dem schon innerlich vor Wut schäumenden Vendar und sagte: „Es tut mir Leid, Joran. Ich dachte nur, weil sie doch nur ein Computer ist …“ Joran schnaubte verächtlich durch die Nase, bevor er ansetzte: „Nur ein Computer, nur ein Computer, wenn ich das schon höre. Technologie ist auf Tindara den Lebewesen gleichgestellt. Sie hat die selben Rechte und darf somit auch Einspruch erheben. Wann begreifst du das endlich!“ Joran hatte große Mühe, seine aufkeimende Wut zurückzuhalten. „Heute kapiere ich es bestimmt nicht mehr.“, resignierte Maron. „Lass uns für heute aufhören.“ Joran nickte und beide verließen die Simulationskammer.

„Wie konnten Sie das meinem armen alten kranken Herzen antun, Kissara?“, fragte Tamara vorwurfsvoll. „Sie wissen doch genau, dass ich so viel Spannung in meinem Alter nicht mehr vertrage.“ „Das war nicht unsere Absicht, Chief-Agent.“, beschwichtigte Kissara sie, nachdem sie für Mikel ein Glas Kölsch und für sich einen saurianischen Brandy repliziert hatte. Tamara bekam ein Glas Blutwein, das sie allerdings mit den Worten: „Im Dienst trinke ich nicht!“ von sich schob. Mikel, der die angespannte Situation zwischen den Frauen zu spüren schien, mischte sich ein: „Ladies, es gibt doch eigentlich keinen Grund zur Sorge. Dank Ribanna ist doch alles wieder im Lot. Außerdem wird Sytania bald merken, dass sie die falsche Sonde hat. Diese wird ihr nämlich nur Märchen erzählen und das im Wortsinn. Sie enthält ja nichts als Märchen und Sagen. König Logar hat mich gerade telepathisch kontaktiert und mir gesagt, dass die echte Sonde wohlbehalten bei ihm angekommen ist. Also, es ist alles OK.“ Tamara ließ die Worte des ersten Offiziers eine Weile auf sich wirken. Dann nahm sie sich doch das Glas Blutwein und sagte: „Also gut, Kissara. Auf die gelungene Mission.“ Alle drei stießen miteinander an.

Joran war in Jennas und sein Quartier zurückgekehrt. Die für eine Frau von der Erde überdurchschnittlich große schlanke und brünette Amerikanerin mit schottischen Wurzeln empfing ihn bereits an der Tür. Sie lächelte, aber als sie seinen resignierten Gesichtsausdruck sah, schwenkte ihr Gesicht in Mitleid um. „Du hattest einen miesen Tag, Telshan, he?“, fragte sie mitfühlend. Joran ließ sich auf einen Stuhl sinken und seufzte: „In der Tat, Telshanach. Ich weiß nicht, was ich mit ihm noch machen soll. Dein Programm löst er jedes Mal falsch. Selbst der Tod einer ganzen Spezies schreckt ihn nicht. Was ich eigentlich gern tun würde, darf ich nicht, denn es würde von Schwäche zeugen. Wir Vendar-Krieger lernen von Kindesbeinen an, niemals aufzugeben. Aber ich fürchte …“ „Hey, schschsch.“, unterbrach Jenna ihn und begann, mit ihren ausgestreckten Zeigefingern seine Schläfen zu massieren. Sie wusste, dass es für einen Vendar Schande bedeutete, das Wort Aufgeben überhaupt auszusprechen. Sie wusste auch, dass diese Massagetechnik den Einstieg ins Fütterungsritual begünstigte. Joran trug zwar kein echtes Energiefeld, allerdings sorgte das Medikament der Tindaraner dafür, dass seinem Körper dies glaubhaft dargestellt wurde. Deshalb glitt er bald darauf in diesen Zustand ab. „So ist es recht, mein stolzer Krieger. Manchmal muss man einfach mal loslassen.“, flüsterte Jenna und küsste seine Nase, bevor sie sich beobachtend auf einen zweiten Stuhl setzte.

Zwei Stunden, in denen sie nicht von seiner Seite gewichen war, waren vergangen, als Joran die Augen wieder öffnete. „Mich so zu überfallen, Telshanach.“, lächelte er. „Das war so etwas von unfair. Sag bitte deiner Assistentin nichts hiervon. Sie macht dann sicher wieder einen Spruch bezüglich Major Carter und so.“ „Soll sie doch.“, lächelte Jenna zurück. „Ich halte das aus. Aber, wie das genannte Genie auch habe ich für Marons und dein Problem eine Lösung, die ich bereits ins Programm eingefügt hatte, während du sozusagen beschäftigt warst.“ Dabei verhehlte sie ihre Schadenfreude über ihr geglücktes Überraschungsmanöver nicht. „Ich weiß, dass ich dir körperlich kaum etwas entgegenzusetzen habe. Deshalb muss ich schon so vorgehen, um mein Ziel zu erreichen.“ „Bestimmt werde ich dir dafür einst sehr dankbar sein, du genialstes aller Wesen.“, flüsterte Joran müde, aber zufrieden. Er wusste zwar nicht, was sie hinzugefügt hatte, dachte sich aber, dass es mit Sicherheit etwas Hilfreiches sein würde, mit dem niemand gerechnet hatte. Auch seine Versuche, vom Bildschirm ihrer Arbeitskonsole etwas abzulesen, hatte Jenna vereitelt. Sie hatte IDUSA befohlen, selbigen zu löschen und auf Jorans fragenden Blick nur geantwortet: „Das sind Programmiergleichungen. Davon verstehst du nichts.“

Die Nachricht über den geglückten Coup der Besatzung der 817 hatte in der Zwischenzeit auch Commander Zirell erreicht. „Bravourös!“, hatte sie geantwortet. „Sagen Sie Ihrem Agent Mikel, dass ich mich über seine geniale Idee sehr gefreut habe. Hoffen wir, dass das doppelte Sondchen bei den Vendar und auch bei Sytania noch eine Weile für Verwirrung sorgen kann. Ich freue mich schon auf ihren Gesichtsausdruck, wenn sie Schneewittchen zu Ende gelesen hat.“ Dann lachte sie laut auf, bevor sie die 88-Taste drückte.

„Zirell?“, die Angesprochene hatte das Eintreten ihres demetanischen ersten Offiziers nicht bemerkt. Jetzt warf sie den Kopf herum. „Maron, entschuldige, ich war mit der Tatsache beschäftigt, dass Sytania auf uns hereingefallen ist.“ Sie übergab ihm einen Datenkristall mit der Aufzeichnung des zwischen ihr und Kissara geführten Gespräches. Der vollschlanke Demetaner mit oranger Haut roten Haaren und einer Größe von 1,90 m ließ den Kristall auf seine Arbeitskonsole sinken. „Später, Zirell. Ich muss mit dir über das Problem reden, das IDUSA und ich haben. Joran und ich kommen einfach nicht weiter. Ich werde nie lernen, dass das Schiff mit einem Lebewesen gleich zu behandeln ist, was die Meinungsfreiheit angeht. Ich behandle sie immer noch wie einen Sternenflottencomputer. Nein, sogar noch schlimmer und weißt du, manchmal wünschte ich, ich wäre eine Frau.“ „Warum?“, lachte die tindaranische Telepathin, die sich sein Bild gerade in weiblicher Form vorstellte. „Dann wäre er geduldiger mit mir.“, erklärte Maron. „Mir ist auch schon aufgefallen, dass er unsereinen sehr sanft und seine Geschlechtsgenossen oft sehr hart anfasst.“, entgegnete Zirell. „Aber du wolltest es ja so. Also, dann wundere dich nicht. Gestern hast du noch zu mir gesagt, dass die sanfte Methode, dir das beizubringen, nicht fruchten würde. Also.“ Geknickt setzte sich Maron auf seinen Platz.

Prinzessin Sytania saß auf ihrem Gold verzierten Thron und sah aus dem Fenster ihres Palastes. Die schwarzhaarige und schwarzäugige Königstochter von schlanker ja fast dürrer Statur und ca. 170 cm Größe trug ein wallendes Kleid, welches ebenfalls Gold durchwebt war. Ihren Kopf zierte eine silberne Prinzessinnenkrone mit jeweils einem Diamanten an der Spitze jedes Zackens, von denen es zehn gab. Ihren Hals schmückte eine Perlenkette mit einem Drudenfußanhänger. Dergleichen sah man am Ringfinger ihrer rechten Hand. Außerdem trug sie Schnabelschuhe mit Juwelen besetzter Spitze.

Freudig erregt strich sie bei dem Gedanken an die Beute der Vendar, die ihr Telzan bereits mit Hilfe des Kontaktkelches telepathisch angekündigt hatte, mit den Fingerspitzen über den Brokat an ihrem Thronsessel. Wo blieben sie denn? Längst hatten ihre vier treuesten Soldaten den Platz im Schlosshof mit Fackeln markiert, an dem die Vendar mit ihren Schiffen landen sollten. Sytania beschloss, ihre seherischen Fähigkeiten einzusetzen, um herauszubekommen, was Telzan und seine Leute ihrer Meinung nach so lange aufhielt.

Per Transporter hatte Telzans Lieblingsnovize die Sonde in den kleinen Frachtraum des Veshels geschafft. Etwas nervös war Serdan aber doch. Ehrfürchtig schlich er zu seinem Anführer und Ausbilder, der das Schiff jetzt wieder flog und fragte: „Bist du sicher, Anführer, dass wir die richtige Sonde haben? Ich meine, das war ein ganz schönes Hin und Her. Vielleicht …“ „Das werden meine Frau und ihre Leute herausfinden.“, tröstete Telzan.

Cirnach, Telzans Ehefrau, leitete eine Gruppe von Vendar, die eine technische Ausbildung hatten. Auch Menach war eigentlich Cirnachs Schülerin, hatte aber auch ein sehr großes Talent im Shuttlefliegen, weshalb sie ausnahmsweise Telzan und die Anderen begleiten durfte.

Sinnierend sah der Novize aus dem Fenster, als sie im Dunklen Imperium angekommen waren. Bald würde er sicher Sytanias Palast mit seinem hohen Schlossturm, der Drudenfußfahne und den reich mit Schmucksteinen ausgestatteten Zinnen sehen. Das würde ihn sicher alle Zweifel vergessen machen.

Telzan spürte den Kontaktversuch seiner Gebieterin. „Sie ist ungeduldig.“, stellte er fest. „Ich denke aber, dass sie sich noch mehr freuen wird, wenn sie noch etwas warten muss. Das Schiff hat außerdem viel Energie verloren und wenn wir noch ankommen wollen, muss ich unsere Geschwindigkeit drosseln. So.“ Damit zog er einen Schieberegler auf dem Steuerpult in seine Richtung.

Nach der Landung verließen Telzan und sein Novize das Cockpit. Sie waren die einzigen, die mit ihrem Schiff im Hof gelandet waren. Alle Anderen hatten schon vorher den Weg zu den weit vom Schloss abgelegenen Vendar-Kasernen eingeschlagen. Später würde Telzan das Schiff auch dort hinbringen. Auf Geheiß seines Lehrers berührte Serdan einen Sensor an der Außenluke des Frachtraumes. Der Mishar erkannte seinen biologischen Fingerabdruck und öffnete die Luke. Per Stimme ließ der Novize dann die offene Tür blockieren. „Da liegt sie in ihrer ganzen Pracht.“, stellte Serdan mit Genugtuung fest. Telzan nickte nicht ohne Stolz auf ihrer beider Tat. „Sytania wird sich freuen!“, rief er voller Freude aus. „Fass an!“ Damit wuchteten sie die Sonde aus dem Frachtraum. Diese wog zwar einiges und ein Mensch wäre sicher nicht in der Lage, sie zu heben, aber Vendar-Männer haben das 5-fache der Muskelkraft eines durchschnittlich trainierten Terraners. Das gilt auch schon für jugendliche.

„Komm, Joran, vergiss mal, dass ich dein Vorgesetzter bin.“, begann Agent Maron ein Gespräch, als die Beiden die Simulationskammer betraten. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass du das wirklich willst.“, erwiderte der Vendar-Rebell im Hinblick auf die vergangenen Trainingseinheiten. „Ich denke nämlich, wenn ich dies wirklich vergessen würde, würdest du deinen Satz von eben bitter bereuen.“ Maron musste an Shannon denken, die kurz bevor die beiden zur Simulationskammer gegangen waren, ihnen noch einen Spruch hinterher geworfen hatte. „Passen sie gut auf, was sie tun, Sir.“, hatte sie gesagt. „Sonst schlägt der Grizzly Sie noch zu Brei, so geladen wie der is’.“ Mittlerweile wusste die gesamte Station über Marons Problem Bescheid.

„Bist du bereit, Agent Maron?“, fragte Joran, als beide auf den Sitzen Platz genommen hatten und ihre Köpfe in die da hinter befindlichen Mulden gelegt hatten. „Leg los.“, antwortete der Demetaner fast gelangweilt, denn er ahnte ja von Jennas Änderung nichts. Auch Joran wusste ja nur, dass sie etwas geändert hatte, aber nicht was. „IDUSA, Programm starten!“, befahl Joran, dem alles, was Maron erleben sollte, im sogenannten Zuschauermodus gezeigt wurde. Das bedeutete, er konnte zwar alles sehen, konnte aber nicht aktiv eingreifen, ohne, dass das Programm beendet oder eingefroren wurde. Der tindaranische Stationsrechner kam der Aufforderung nach. Maron wurde wieder das Cockpit simuliert. Aber jetzt sah er nicht die ursprüngliche Simulation des Avatars, sondern eine Androidin, die auf dem Pilotensitz saß und die Uniform eines Sternenflottenallrounders trug. Er selbst saß auf dem Nebensitz und hatte keine Steuerkonsolen vor sich. Die schwarze Wolke, die Sytania darstellte, verfolgte sie immer noch. Maron befahl der einen Rang unter ihm stehenden Androidin ein paar wilde Flugmanöver, um die Wolke abzuschütteln. Das gelang auch. Verwundert war Maron allerdings darüber, dass sich die Fremde als IDUSA vorstellte. Grinsend sah Joran zu, wie gut Maron und die Fremde zusammenarbeiteten. Er hatte insgeheim geahnt, was Jenna schon längst sicher festgestellt hatte. Maron hatte ein Problem mit der Tatsache, dass ihm zwar als Schiffsavatar eine Tindaranerin simuliert wurde, er aber eigentlich niemanden mit zwei Armen und zwei Beinen neben sich sitzen hatte. Die Entscheidungen des Mediziners, Ishan, würde Maron ja auch nicht in Frage stellen. Allerdings wäre das wahrscheinlich anders, wäre auch er eine Simulation des Stationscomputers.

Maron bemerkte nicht, dass sich die Umgebung langsam still und heimlich wieder in die aus der alten Simulation verwandelte, denn das ging für seine Augen zu schnell. Mit Absicht hatte Jenna dafür gesorgt, dass er sich nicht wirklich an ein Bild gewöhnen konnte. Am Ende saß er wieder auf dem Pilotensitz und hatte den Neurokoppler auf. Das schien er aber immer noch nicht bemerkt zu haben, als er IDUSAs Vorschlag bejahte.

„Das ist der Durchbruch, Agent Maron.“, sagte Joran erleichtert, nachdem er das Programm beendet hatte. Maron, der anscheinend immer noch nicht realisiert hatte, was gerade passiert war, fragte verwundert: „Was meinst du damit, Joran? Warum sollte ich Allrounder IDUSAs Vorschlag nicht annehmen?“ Der Vendar grinste breit und entgegnete: „Weil dir Allrounder IDUSA diesen Vorschlag nicht gemacht hat. Es war unsere waschechte IDUSA. Aber du hast ihn trotzdem angenommen. Und? War das jetzt denn so schwer?“ „Nein.“, gab Maron zu. Er wusste schon längst, dass Joran und Jenna sein Problem erkannt hatten. „Ich glaube, ich hab’s kapiert.“, sagte Maron. „Im Prinzip kann es uns doch egal sein, ob sie zwei Arme und zwei Beine hat. Sie ist und bleibt unsere IDUSA.“ “Korrekt.“, gab Joran zurück, bevor sie nebeneinander und stolz auf ihren gemeinsamen Erfolg die Simulationskammer verließen.

Auf dem Korridor begegneten sie Zirell. Die aufgrund ihres kristallinen Ursprungs perlmutthäutige und 1,60 m große Kommandantin der Station lächelte ihnen zu. „Ihr seht aus wie zwei Kater, die gerade einen Sahnetopf ausgeschleckt haben.“, scherzte sie. „Das haben wir zwar nicht, Anführerin.“, begann Joran. „Aber dein Stellvertreter hat endlich verstanden, dass IDUSA auch das Recht auf eine freie Meinung hat und das ihre Vorschläge etwas gelten.“ „Wie hast du das gemacht?“, fragte Zirell fast mit Bewunderung. „Eigentlich war das nicht er, sondern Techniker Mc’Knight. Sie ist ein intelligentes fieses kleines Ding. Weißt du das?“, fragte Maron. Zirell grinste und ging nickend vorbei.

 

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