- Schriftgröße +

Cirnach und Telzan hatten das Mitbringsel ihrer Schüler in Augenschein genommen. „Es ist gut, dass der Metzger den Körper bereits zerlegt hat.“, grinste Telzan. „Dann weiß der einfältige Küchenchef zumindest auch nicht, was er da zubereitet. Der hat ja einen Schiss, das glaubt ihr gar nicht.“ „Vielleicht hat er einfach keine Ahnung, Ausbilder, wann Einhornfleisch seinen Garpunkt hat.“, lästerte Serdan. „Recht wirst du haben.“, pflichtete ihm Telzan bei.

Cirnach griff Menach bei der Hand. „Komm, Menach.“, begann sie. „Wir holen jetzt Sytania. Mal sehen, was sie hiervon hält.“

Shimar saß schlafend in IDUSAs Pilotensitz. Er hatte den Neurokoppler nicht abgelegt. Auch das Schiff hielt seine Tabelle in ihrem Arbeitsspeicher. IDUSA wusste, dass sie ihn so leichter wecken konnte, falls es nötig sein sollte. Von ihrer geostationären Umlaufbahn aus hatte sie mit ihren Kurz- und Langstreckensensoren einen guten Überblick über das Geschehen. Das Bild, welches sie wahrnahm, ließ sie plötzlich einen leichten Stimulatorstoß über den Neurokoppler schicken. Sofort war Shimar wach. Er ahnte, sie würde ihn nicht ohne Grund geweckt haben, denn er wusste auch, dass sie unter Umständen eine Entscheidung nicht allein treffen konnte. Zu viel war passiert. Es hatte ja sogar Tindaraner gegeben, die auf Sytanias Seite waren. Einige von denen waren sogar hochrangige technische Offiziere gewesen und die wussten genau, in welchen Rahmen eine IDUSA-Einheit entscheidungsfähig war. Sytania könnte unter Umständen ihre Pläne entsprechend angepasst haben.

Eilig hatte sich Shimar den Schlaf aus den Augen gerieben. „Ich bin da, IDUSA.“, sagte er ruhig. „Was gibt es denn?“ „Ich habe einen von vier Pferden gezogenen Wagen gesehen, der sich auf Sytanias Schloss zubewegt hat.“, antwortete die Angesprochene. „Das Gespann wurde von einem Vendar-Mädchen kutschiert und ein Junge gleicher Spezies begleitete es auf einem weiteren Pferd. Die Ladung des Wagens konnte ich leider nicht scannen. Die Vendar müssen ein Gerät unter der Plane versteckt haben, das eine Strahlung erzeugt, die meine Sensoren blendet. Ich hätte tiefer gehen müssen, um ein Bild zu bekommen, aber dann hätte ich riskiert, dass man uns sieht.“ „Auf keinen Fall.“, erwiderte Shimar ruhig, aber bestimmt. „Agent Marons Befehle waren eindeutig. Du hast dich schon richtig verhalten, indem du mir erst mal Bescheid gegeben hast. Die Vendar können mit Technologie umgehen. Sie könnten uns sehr gefährlich werden. Die Kinder hatten sicher Erwachsene hinter sich, die dir mit ihren Waffen zu Leibe gerückt wären, hättest du dich gezeigt. Wir werden schon noch rauskriegen, was in dem Wagen war. Vorausgesetzt, das wird überhaupt wichtig. Nicht jede Lieferung an Sytania muss Gefahr für uns oder das Außenteam bedeuten. Aber wir sollten versuchen, von hier einen Einblick zu erhalten. Sag mir Bescheid, wenn du wieder etwas Verdächtiges siehst. Dann setzen wir einen Begleitkurs. Halte aber diese Höhe, damit dich niemand sieht.“ „Einverstanden.“, erwiderte IDUSA.

Sytania hatte den zerlegten und ausgebeinten Körper Valoras kritisch in Augenschein genommen. „Gar trefflich.“, wandte sie sich an Telzan. „Dieser Metzger hat ganze Arbeit geleistet. Niemand wird bemerken, dass es sich nicht wirklich um einen Rehbock handelt. Bringt das Fleisch in die Palastküche. Der Koch soll es gut würzen. So bringen wir es dann zu meinem Vater. Drei mal dürft ihr raten, wer das beste Stück bekommen wird.“ Sie ließ erneut ihr hexenartiges Lachen erklingen.

Wir waren in Logars Schloss angekommen. Agent Maron hatte sich von Logar selbst die strategische Situation schildern lassen. Ich war im Hof geblieben. Etwas hatte mich zu den Stallungen gezogen. Jenna, die mich begleitet hatte, musste von dem gleichen Gefühl angezogen worden sein. Bald fanden wir auch den Grund, oder mindestens einen der Gründe dafür. Argus saß nämlich weinend auf einem der Zaunpflöcke der Koppel, auf die er Kipana gebracht hatte. Etwas musste die extrem liebe und kluge Stute derart traumatisiert haben, dass sie sogar ihre eigene Herde nicht mehr erkannt hatte und deshalb allein gehalten werden musste.

Als Argus mich sah, rannte er mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. „Betsy!!!“, rief er. „Du bist wieder da!!! Jetzt wird sicher alles gut.“ „Und mich begrüßt du gar nicht?“, fragte Jenna und machte einen übertriebenen Schmollmund. „Sorry.“, quietschte Argus eilig. „Hi, Jenn’.“ Er gab ihr flüchtig die Hand.

Kipana hatte mich gesehen. Sie kam zum Zaun getrabt und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Dabei atmete sie tief und sog meinen Geruch ein, als sei es das Süßeste, das sie je gerochen hatte. Sie öffnete dabei leicht ihr Maul, woraus ihre Zungenspitze hervortrat. Damit kitzelte sie mich am Ohrläppchen. Ich gab einen zwar unartikulierten, aber auf sie beruhigend wirkenden Laut von mir: „Mooz.“ Jenna musste lachen. „Es ist nicht wichtig, was man sagt.“, erklärte ich. „Wichtig ist nur, dass es beruhigend klingt. Pferde mögen O-Laute.“ Kipana begann zu schmatzen.

Jenna beobachtete uns eine Weile. Dann sagte sie: „Kipana scheint mit Ihrer Anwesenheit etwas Positives zu verbinden. Anscheinend haben Sie das Dunkle Imperium schon öfter gerettet, als wir wissen.“ Ich nickte. „Das stimmt, Jenn’.“, erwiderte ich dann. „Ich war schon oft mit Time und seiner Crew hier. Wir haben …“

Maron und Logar erschienen auf der Bildfläche. Auf dem traurigen Gesicht des Herrschers machte sich ein Lächeln breit, als er Kipana und mich in trauter Zweisamkeit erblickte. „Du scheinst ihr wieder Freude und Mut gegeben zu haben.“, sagte Logar anerkennend. „Das war nicht schwer, Majestät.“, erwiderte ich bescheiden. „Aber wir sollten wahrmachen, was sie sich von uns erhofft. Sie weiß, wenn wir da sind, wird alles wieder gut.“ „Das stellen Sie sich einfacher vor, als es ist, Allrounder.“, meinte Maron. Auch Kipana wich zurück und stellte die Ohren auf. „Hör nicht auf ihn, Dicke.“, flüsterte ich. „Er ist der geborene Pessimist.“ „Das will ich nicht gehört haben, Allrounder!“, ermahnte mich Maron energisch. Für einen Demetaner war er wirklich sehr pessimistisch. Aber es gab eben in jeder Rasse auch mal jemanden, der aus der Art schlug. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er ziemlich ins kalte Wasser gestoßen worden war, was seine Tätigkeit als Verbindungsoffizier anging. Viele Aspekte der tindaranischen Rechtsprechung hatten ihm Kopfschmerzen bereitet. Und dann gab es da noch die Tatsache, dass Joran ihm bei jeder Gelegenheit selbige Thematik aufs Brot schmierte. Das führte wiederum dazu, dass er sich selbst tierisch unter Druck setzte. Zirell hatte da weitaus mehr Geduld mit ihrem ersten Offizier. Sie fand, dass er, obwohl er ein ausgebildeter Sternenflottenoffizier war, auch das Recht auf Eingewöhnung und sogar auf Schwierigkeiten mit fremden Sitten hatte.

Argus hatte das Gespräch mitbekommen und mischte sich jetzt auch noch ein. „Das wirst du aber hören müssen, weil es so ist.“, sagte er frech. „Und komm mir jetzt nicht mit Strafe. Ich bin Zivilist, ich darf das sagen.“ „Ich werde sie ja auch nicht bestrafen.“, erklärte Maron. „Es ist nur … Ach, vielleicht hat sie ja Recht.“

„Bei ein bisschen Zerstreuung wird es uns allen bald besser gehen.“, schlug Logar vor. „Kürzlich sind ein paar Gaukler an meinen Hof gekommen, die ein lustiges Stück aufführen wollen. Der Theaterdirektor meint, sie seien jetzt mit den Proben so weit, dass sie es spielen könnten. Heute ist der große Tag. Kommt.“ Damit schritt er uns voran in den von Säulen gesäumten Innenhof.

Data war noch eine Weile bei Scotty geblieben. Er stand in ständiger Verbindung mit Cupernica, die er über alles, was medizinisch wichtig war, informierte. „Ich denke, du kannst ihn allein lassen, Data.“, diagnostizierte Cupernica nach Datas letztem SITCH. „Er ist stabil und hat Sytanias Angriff besser verwunden, als wir alle angenommen haben.“ „In Ordnung.“, antwortete Data. „Ich werde den nächsten Liner nehmen und zurückkehren.“

Er hatte das Sprechgerät im Wohnzimmer benutzt. Scotty hatte durch die offene Terrassentür alles mitbekommen. Er kam jetzt ins Haus zurück. „Sie wollen mich alten armen Strohwitwer einfach hier allein lassen, alter Knabe?“, kokettierte Scotty mit seiner Situation. „Sie sind sowohl von den tindaranischen Psychologen als auch von meiner Frau gesund geschrieben und bedürfen meiner Aufsicht nicht mehr.“ Stellte der Android korrekterweise fest. „Ich meinte ja nur, wir könnten vielleicht noch ein paar mal um die Häuser ziehen.“, schlug Scotty vor. „Ich könnt’ Ihnen da ’n paar schöne Ecken zeigen.“ „Die Ecken celsianischer Häuser sind mir bekannt.“, flachste Data. „Es gibt davon meistens vier und sie bilden die Schnittstelle zwischen zwei Wänden von 8,5 m Höhe, von denen eine durchschnittlich 9,00 m breit und die andere durchschnittlich 10,00 m lang ist. Ihre Winkelung beträgt fast immer 90 Grad und sie sind alle gleich. Also kann eine nicht schöner oder hässlicher sein als die andere. Ich bezweifle allerdings auch, dass um Häuser herum zu laufen wirklich einen Spaßfaktor beinhaltet. Die meisten Spezies, die ich kenne, würden dieses eher als langweilig empfinden. Aber vielleicht sind die Schotten da ja anders.“ „Hey.“, erwiderte Scotty, der schon wieder mit einem Lachanfall kämpfte. „Ich bin hier für den Humor zuständig. Nein, wissen Sie, immer, wenn man nich’ damit rechnet. Immer, wenn man nich’ damit rechnet.“ Dann brach er in schallendes Gelächter aus.

Logar sollte Recht behalten, was das Theaterstück anging. Jenna beschrieb mir alles. Auch die Tatsache, dass Sytania von einer 4-Jährigen gespielt wurde. „Man beachte die Ironie, Techniker, nicht wahr?“, flüsterte ich ihr zu. „Sie haben Recht.“, erwiderte Mc’Knight. „Sie benimmt sich ja oft genug wie ein kleines Kind. Ich meine, so verantwortungslos, als wären das Universum und alle Dimensionen ihre Spielwiese.“ „Mit dem Stück könnten die Gaukler aber unter Umständen auch dafür sorgen, dass sie herkommt.“, mischte sich jetzt Maron ein. „Richtig, Sir.“, bestätigten Jenna und ich wie aus einem Mund. „Man beachte die Macht der Medien. Sytania wird das hier als Pamphlet bezeichnen und wird wissen wollen, wie sich ihr Vater erdreisten kann, so ein Stück zuzulassen.“

Maron zerrte mich plötzlich näher zur Bühne, die durch einen abgesteckten Teil des Innenhofes gebildet wurde. „Ich benötige Ihre Hilfe, Allrounder.“, erklärte mir mein momentaner Vorgesetzter sein Verhalten. „Ich kann mich irren. In ihrer Verkleidung sehen alle so fremd aus, aber ich glaube, die erzählende Sängerin ist O’Riley und Telzan wird von Joran verkörpert.“ Ich lauschte eine ganze Zeit intensiv. Als gelernte Kommunikationsoffizierin war ich das genaue Hinhören ja gewohnt. Maron wusste auch, dass man mir durch meine Behinderung bedingt im Punkto Hören so leicht nichts vormachen konnte. Nachdem ich sicher war, drehte ich den Kopf in seine Richtung und nickte drei mal zur Bestätigung. „Das dachte ich mir.“, sagte der demetanische Agent. „Die finden eine Möglichkeit zum Überleben.“

Das Stück war kaum beendet, da stürmte Joran von der Bühne. Auch Shannon folgte ihm. Sie mussten auch uns irgendwie ausgemacht haben. Joran schlug seine Arme um Jenna. „Telshanach!“, rief er überglücklich. Dann küsste er sie. „Jetzt, wo du da bist, können wir einen gemeinsamen Schlachtplan ersinnen.“ „Seh’ ich genau so, Grizzly.“, bestätigte Shannon, die uns auch ausgelassen begrüßt hatte.

Data hatte mit den Mitarbeitern des celsianischen Raumflughafens gesprochen. Es war wie verhext. Heute würde kein Shuttle mehr nach Terra fliegen. Nachdem er Scotty sein Problem geschildert hatte, meinte dieser nur: „Na um so besser, alter Knabe. Dann können wir ja doch noch einen Zug durch die Gemeinde machen.“ Data vermied es, genauer nachzufragen. „Also schön, Mr. Scott.“, sagte er nur. „Sie werden sich nur damit abfinden müssen, dass ich so zu sagen als Ihre Anstandsdame fungieren werde. Jemand muss ja auf Sie aufpassen, wenn Sie total betrunken unter dem Tisch liegen und zu nichts mehr in der Lage sind.“ „Dass Sie nicht betrunken werden können, stimmt einfach nicht.“, lachte Scotty. „Zumindest kann man bei Ihnen etwas Ähnliches erreichen, wenn man Sie der Strahlung einer etwas beschädigten genesianischen oder zadorianischen Energiezelle aussetzt. Zumindest geht das bei Ihrer Frau und wenn diese Aliens Sie in weiser Voraussicht ihr ähnlich gemacht haben, dann dürfte es bei Ihnen auch klappen.“ „Also gut.“, sagte Data. „Ich wäre bereit, mich auf ein solches Experiment einzulassen.“ Scotty replizierte die benötigte Zelle und die beiden machten sich in die nächste Kneipe auf. Data würde die Zelle berühren, wenn Scotty ihm zuprosten würde.

Sytania formierte ihren Tross im Schlosshof. Sie selbst würde allen mit einer weißen Fahne voranreiten. Dann würden ihre persönlichen Leibwachen folgen. In der Mitte sollte sich der Wagen mit dem Fleisch befinden. Da hinter folgten wieder einige von Sytanias zugetansten Rittern. Die Vendar würde sie nicht mitnehmen. Zwischen ihren und den Vendar ihres Vaters könnte naturgemäß ein Streit entbrennen und das wäre das Letzte, was sie gebrauchen könnte. Deshalb kutschierte auch ein imperianischer Soldat den Wagen. „Wohlan denn.“, sagte Sytania. „Lasst uns also gen Westen ziehen, um meinem Vater das Geschenk zu bringen.“ Sie schnalzte Lancelot zu und der gesamte Tross setzte sich in Bewegung.

Shimar und IDUSA waren die Vorgänge nicht verborgen geblieben. Das Schiff konnte die Bilder, die sich ihren Sensoren boten, nur schlecht einordnen. „Was halten Sie davon, Shimar?“, fragte IDUSA und stellte ihrem Piloten die Bilder auf den Neurokoppler. „Wie soll ich das denn finden?“, meinte Shimar zynisch. „Sytania macht ihrem Vater ein Friedensangebot. Ich glaube nicht, dass sie ehrliche Absichten hat. Wir sollten ihnen folgen. Ich übernehme aber besser, IDUSA. Falls Sytania etwas vor hat, habe ich das telepathisch vielleicht eher wahrgenommen. Du kannst ja erst reagieren, wenn die Waffen der Vendar dich erfassen und dann kann es zu spät sein.“ „Es befinden sich keine Vendar unter Sytanias Begleitern.“, informierte IDUSA ihn. „Aber ich fühle mich wirklich sicherer, wenn Sie mich steuern, zumal wir es hier mit einer starken Telekinetikerin und Telepathin zu tun haben.“ „Dachte ich mirs doch.“, sagte Shimar. „Na komm, zeig mir die Steuerkonsole.“

Scotty und Data waren in der Kneipe auf Cenda und Tressa getroffen. Tressa lebte ursprünglich in Little Federation auf Terra. Sie war aber nach Celsius gekommen, um dort mal wieder Urlaub in der Heimat zu machen und ihre langjährige Schulfreundin zu besuchen. Cenda und sie kannten sich bereits von Kindesbeinen an. „Guck mal, wer da kömmt.“, frotzelte Cenda, als sie Scotty und Data durch die Tür kommen sah. „Scotty mit Anstandswauwau.“, antwortete Tressa. „Da kommt sicher keine richtige Freude auf.“ „Sie irren sich, Techniker Tressa.“, erwiderte Data, nachdem er sich ruhig an ihren Tisch gesetzt hatte. „Heute werde ich mich auch mal so richtig betrinken.“ Die beiden Frauen rissen die Münder auf und begannen herzhaft zu lachen. „Wie soll das denn gehen?“, wollte Cenda wissen. „Ich dachte immer, Androiden könnten nich’ ...“ Tressa flüsterte ihr etwas auf Celsianisch zu, das Data aufgrund der Raumakustik und ihrer geringen Lautstärke nicht verstehen konnte. Das Celsianische hatte er seiner linguistischen Datenbank zwar hinzugefügt, aber, wenn die Grundbedingungen derart schlecht waren, konnte er auch nichts verstehen. „Echt?“, fragte Cenda erstaunt, allerdings auf Englisch. Sie war es gewohnt, sich in der Amtssprache der Föderation zu unterhalten, zumal sie die einzige Celsianerin an Bord von Times Schiff war. „Oh, Mann! Wenn das auch bei Data klappt, fress’ ich ’n Besen quer.“ „Dann mach schon mal ’n paar Dehnübungen für deine Futterluke.“, entgegnete Tressa herausfordernd. Sie hatte Cenda von jenem Zwischenfall erzählt, bei dem sich Cupernica ebenfalls wie eine Betrunkene benommen hatte.

Data wurde tatsächlich an diesem Abend richtig lustig, was sich durch die Strahlung der Energiezelle bedingte. Er ließ sich sogar zu folgendem Trinkspruch hinreißen: „Mögen Allrounder Betsy und die Tindaraner Sytania derart in den Arsch treten, dass sie nicht mehr weiß, wie sie heißt und ob sie Männlein oder Weiblein ist!“ „Sehr richtig.“, bestätigten alle am Tisch. „Na denn dann prost!“

Am nächsten Tag hatte Scotty einen gewaltigen Kater. Der Whisky, gemischt mit celsianischer so genannter Süßmilch, war ihm nicht bekommen. „Ich beneide Sie, Data.“, jammerte Scotty. „Sobald Sie der Strahlung nicht mehr ausgesetzt sind, ist bei Ihnen alles vorbei.“ „Ich beneide Sie keineswegs.“, erwiderte der Android fast mitfühlend. „Aber bei mir ist auch nicht alles eitel Sonnenschein. Meine moralischen Unterprogramme müssen auch erst mal mit so einigem fertig werden, was ich mir gestern so geleistet habe.“ Dann replizierte er Scotty noch alles, was dieser für ein anständiges Katerfrühstück brauchte und verließ ihn mit den Worten: „Leider muss ich gehen, sonst verpasse ich den Liner. Ich werde mich nach Ihrem Befinden erkundigen, sobald ich wieder auf Terra bin.“ Scotty nickte gequält.

An einer aus mehreren Kutschzügeln von Argus provisorisch zusammen geschnallten Longe ließ ich Kipana um mich herum laufen. Ich wusste zwar noch nicht, was sie genau erlebt hatte, dachte mir aber, dass es etwas mit Logar zu tun haben musste. Wenn immer Kipana nämlich an ihm vorbei ging, blieb sie eine ganze Weile mit weit aufgerissenen Augen, angespannter Körperhaltung und nervös zuckenden Ohren stehen und spulte die gesamte Palette von Beschwichtigungsverhalten ab. Was war hier nur geschehen? Was hatte dafür gesorgt, dass so ein großes Tier solch eine furchtbare Angst vor dem Menschen empfand, mit dem es sich doch eigentlich immer sehr gut verstanden hatte. Argus, der mich bei dieser Aktion unterstützte, konnte, wollte oder durfte mir nichts sagen. Agent Maron, dem auch einige Unstimmigkeiten aufgefallen waren, hatte bei seiner Befragung der Höflinge genau so wenig Glück. Mir gegenüber hatte er gescherzt: „Wenn auch hier keiner redet, Allrounder, so bin ich doch sicher, dass Sie es aus dem Pferd herauskriegen.“ Ich hatte mit den Schultern gezuckt. Kipanas Verhalten würde dazu führen, dass ich Logar vielleicht auf etwas ansprechen müsste, was ihm sicher unangenehm sein könnte. Das könnte diplomatische Konsequenzen haben, denn das Leiden meines Lieblingspferdes und der Umgang damit könnten bei mir zu einer ziemlich drastischen Wortwahl führen. Argus schien zu bemerken, dass es mir mit der Situation immer schlechter ging. „Oh, Mann, ob diese deinen Pferdeverstand gehabt hätte?“, versuchte er mich aufzuheitern. „Weiß ich nicht.“, antwortete ich knapp.

Kipana stellte sich plötzlich hin und begann zu zittern. Ihre Ohren waren spitz gen Osten gerichtet. Sie gab jenen schnorchelnden Laut von sich, den ich von Pferden nur dann kannte, wenn sie große Angst hatten. Ihre Angst musste so groß sein, dass sie es noch nicht mal mehr schaffte zu flüchten. „Um Gottes Willen, Argus, rede endlich!“, zischte ich dem Stallburschen zu. „Oder kannst du zulassen, dass ein Wesen wegen des Geltungsbedürfnisses deines Herren leidet?“ „Ich bin es, der leiden würde, wenn ich reden würde.“, erklärte Argus. „Logar würde mich bei lebendigem Leibe vierteilen lassen.“ Kipana sah uns beide Hilfe suchend an. „Kannst du wirklich in diese treuen Pferdeaugen blicken, ohne auch nur die geringste Spur von Mitleid?“, setzte ich ihn weiter unter Druck. Argus begann zu weinen. Kipana drehte sich um und kam zu uns. Rasch wickelte ich die jetzt immer lockerer werdende Longe auf. Kipana leckte Argus die Tränen vom Gesicht. „Oh, du Liebe.“, schluchzte Argus. „Du tröstest mich und wie bin ich zu dir? Aber OK, ich werde euch jetzt sagen, was hier passiert ist. Auch, wenn es Logar nicht passt.“ Dann erzählte er die ganze Geschichte.

Ich trennte die Longe von Kipanas Halfter, legte sie aufgewickelt auf einen Pflock und begann, Kipanas Ohren mit leichtem Druck durch meine Hände gleiten zu lassen. “Das sieht aus, als wolltest du ihr die Ohren abreißen.“, scherzte Argus. „Aber nein.“, erklärte ich. „Das ist nur so etwas wie den Stress abmelken. Habe ich von einer Freundin gelernt. Die hat damit schon viel Erfolg gehabt.“ Kipana holte auf einmal tief Luft, öffnete ihr Maul und gab einen lauten kräftigen langen Schnauber von sich. Dann senkte sie schmatzend den Kopf in meine Richtung. „Hast du aber kluge Freundinnen.“, staunte Argus.

Maron war hinüber gekommen. „Das Sie offensichtlich einen Erfolg zu vermelden haben, Allrounder, war ja nicht zu überhören.“, stellte mein vorgesetzter Offizier fest. „Wie man’s nimmt, Sir.“, erwiderte ich. „Ich weiß jetzt, dass Logar sich wie ein eingebildeter Affe verhalten hat. Er hat uns doch glatt verheimlichen wollen, dass Sytania ihm den Hintern versohlt hat.“ Argus räusperte sich. „Dann stimmt das alles tatsächlich nicht, was er mir erzählt hat.“, stellte Maron fest. „Logar hat gemeint, es wäre zu einer Pattsituation zwischen seiner Tochter und ihm gekommen. Aber die Dimensionalphysik und das Bild hier sprechen eindeutig eine andere Sprache. Das wollte ich nur bestätigt wissen. Ich habe getan, als fräße ich Logar aus der Hand, aber, wie gesagt, nur so getan. Mir kam nämlich einiges spanisch vor. Wir sind doch Logars Freunde und trotzdem belügt er uns. Wahrscheinlich ist das bei Königen so. Aber jetzt zu Ihnen, Allrounder. Was haben Sie herausgefunden?“

Ich hatte ihm gerade zu Ende berichtet, da piekte mich Argus in die Seite. „Da kommt ein riesiger Tross.“, staunte er. Maron sah hinüber. „Tatsache.“, meinte er mit leicht frustriertem Tonfall. Das hatte dem Ermittler gerade noch gefehlt! „Sytania allen voran mit weißer Flagge.“, beschrieb er weiter. „Die und Frieden wollen. Das ist ja lachhaft. Ich glaube ihr kein Wort, noch bevor sie den Mund aufmacht.“ „Sollten wir nicht zunächst ihr Spiel mitmachen, Sir?“, flüsterte ich ihm zu. „Nur bis wir wissen, was sie tatsächlich will?“ „Guter Vorschlag.“, flüsterte Maron zurück und klopfte mir auf die Schulter.

Logar hatte durch seinen Herold ebenfalls von Sytanias Ankunft erfahren. Er hatte seine Tochter zu sich in den Thronsaal bringen lassen. Da Sytania sich als trainierte Telepathin ebenfalls gegen ihren Vater abschirmen konnte, wusste Logar genau, dass er auf mentalem Wege die Wahrheit nie finden würde. „Was führt dich zu mir, Tochter?“, fragte er. „Mein Vater.“, begann Sytania. „Ich will Euch endlich meine Hand zum Friedensschluss darreichen. Deshalb haben meine Jäger in meinen Wäldern den trefflichsten Rehbock geschossen, den sie finden konnten. Ich hege wirklich lautere Absichten. Lasst uns diesen neuen Frieden feiern. Euch soll das beste Stück gehören. Auch will ich Euch Euren Thron so zu sagen zurückgeben. Nach dem Fest bin ich bereit, mich in mein Gebiet zurückzuziehen.“ „Nun gut.“, antwortete Logar. „Dann soll es so sein.“

„Logar gibt ein Fest.“, informierte IDUSA Shimar. „Anscheinend will Sytania ihm weiß machen, dass sie Frieden will. Aus irgendeinem Grund ist er drauf eingegangen. Es hat wohl auch mit dem geheimnisvollen Wagen zu tun, dessen Inhalt ich immer noch nicht zu scannen vermag. Das Vendar-Gerät ist immer noch aktiv und ich müsste, wollte ich etwas sehen, schon im Raum sein, damit meinen Sensoren die Strahlung nichts ausmachen kann. Ich bezweifle aber, dass selbst Sie so ein großes Schiff wie mich heil durch einen zum Bersten gefüllten Festsaal fliegen könnten.“ „Käme auf einen Versuch an.“, scherzte Shimar. „Nein, das kann ich nicht glauben.“, erwiderte IDUSA und ließ ihren Avatar die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. „Keine Sorge.“, beschwichtigte der tindaranische Pilot sie. „Ich werde schon keine Kollision zwischen dir und einem von Logars Kronleuchtern riskieren.“ „Darum möchte ich auch gebeten haben.“, entgegnete IDUSA. „Verbinde mich mit Agent Maron!“, befahl Shimar dann. „Vielleicht kann uns jemand im Festsaal sagen, was in dem Wagen war und was Sytanias plötzliches Friedensgesäusel soll. Ich traue ihr nicht über den Weg und glaube, dass sie etwas ziemlich Fieses vor hat.“ „Versuchen Sie bitte nicht, telepathisch etwas heraus zu bekommen.“, bat das Schiff sorgenvoll. „Sie wissen, Sytania kann auch Ihnen sehr …“ „Ich bin zwar mutig, aber nicht lebensmüde.“, tröstete Shimar. „Und jetzt mach mir meine Verbindung.“

Wir hatten uns unter den Feiernden verteilt. Maron tanzte mit Jenna, die ihm aufgeregt zuflüsterte: „Sir, warum haben Sie allen befohlen, ihre Waffen offen zu tragen. Sytania könnte uns leicht telekinetisch entwaffnen.“ „Stellen Sie sich nicht so an wegen eines lächerlichen Phasers, Mc’Knight. Solange sie Ihnen Ihre schärfste Waffe nicht nimmt, bin ich guter Dinge.“ „Welche Waffe meinen Sie, Sir?“, fragte sie. Maron machte ein enttäuschtes Gesicht. „Sie enttäuschen mich, Mc’Knight. Welche Waffe könnte ich wohl meinen, hm?“ Sie schaute immer noch unverständig. „Na Ihren Verstand.“, löste Maron das Rätsel auf. „Der hat uns schon aus mehr Situationen gerettet, als stumpfe Ballerei.“

Auch Joran befand sich in weiblicher Gesellschaft. Allerdings war diese vierbeinig, klein, wuselig, weiß und hörte auf den Namen Slick. Das Hündchen wurde an Logars Hof eigentlich nur geduldet. Slick war nämlich seine schlechteste Jagdhündin. Sie wollte lieber mit den Tieren spielen, als sie zur Strecke zu bringen. Nichts anderes verlangte der Wirbelwind jetzt auch von Joran. Der Vendar zog ein Stofftaschentuch aus der Tasche, machte einen dicken Knoten hinein und warf es ihr hin. Überglücklich mit dem Schwänzchen wedelnd wuselte Slick damit durch den Raum, setzte sich schwungvoll hin und warf den Kopf zurück, so, dass das Tuch quer durch den Saal flog, sprang freudig bellend hinterher, drehte sich in der Luft um sich selbst, versuchte vor Übermut den eigenen Schwanz zu fangen und rannte hinter Joran her, der das Tuch auch mal, wenn er es denn zu fassen kriegte, hinten in seinen Hosenbund steckte und dann auf allen Vieren vor ihr her kroch. Dabei animierte er sie ständig mit den Worten: „Das ist ja mein Fetzen!“ Oder: „Wo ist der Fetzen? Hol ihn dir!“ Dazwischen wurde er immer von heftigen Lachanfällen geschüttelt, die in Verbindung mit Slicks hoher Quietsch-Bellen ein niedliches Klangbild abgaben. Bei Slick machte es nicht Wuff, sondern Wiff. Sie musste aus einem mir unbekannten Grund ihr Welpenstimmchen behalten haben.

Nach Stunden langem Spiel war es Joran tatsächlich gelungen, den kleinen Hund derart zu ermüden, dass Slick sich nur noch in eine Ecke legte. An ihrem Schmatzen und dem Lecken ihrer Pfoten konnte Joran erkennen, dass sie sichtlich zufrieden war. Den „Fetzen“ durfte sie behalten. Joran würde sich ein neues Taschentuch replizieren lassen.

Auch ich hatte ein merkwürdiges Schauspiel beobachtet. Logars Mundschenk füllte seine Ritter richtig gehend ab. Jenna saß mit an meinem Tisch. Immer, wenn der Mundschenk zu mir kam, und im Begriff war, mein Trinkhorn nachzufüllen, sagte sie: „Sie haben da was.“ Das war für mich das Zeichen, selbiges zu verstecken. Ich wollte an diesem Abend definitiv nüchtern bleiben. Schließlich hatten wir es hier mit Sytania zu tun und ihr gegenüber konnte eine Portion gesundes Misstrauen nicht schaden, auch, wenn sie jetzt vorn herum Honig versprach. Servieren würde sie bestimmt hinten herum nur bittere Kräuter.

Dann wurde das Mahl aufgetragen. „Vergiss nicht.“, impfte Sytania dem Mundschenk ein. „Mein Vater erhält das beste Stück.“ „Sehr wohl, Milady.“, antwortete der Mundschenk mit einer unterwürfigen Geste.

Misstrauisch hielt ich meinen Erfasser in Bereitschaft. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Das spürte ich wie Liebeskummer im kleinen Zeh. Als die Reihe an mir war, Fleisch zu bekommen, scannte ich den Inhalt meines Tellers. Das Gerät erkannte Valoras DNS. Sofort hatte ich geschaltet. Sytania wollte, dass keiner merkte, dass sie alle Valoras Körper aßen und es ihr somit unmöglich machten, dort hin zurückzukehren. Das würde allen verdeutlichen, dass sie tot war. Ich schnappte mein Stück Fleisch und warf es mit aller Gewalt in Richtung Tanzfläche, denn dort würde es jeder sehen können. Dann grapschte ich mir jedes Stück, an das ich noch kommen konnte - auch Logars - und verfuhr ebenso damit. Es war mir egal, dass ich die Party sprengte. Wichtig war mir nur, dass Sytania auf keinen Fall mit ihrem Plan durchkommen durfte. Entgeistert sahen alle ihrem Fleisch hinterher. „Guckt nicht so buttig!“, schrie ich. „Versoffenes Ritterpack! Fressen und saufen ohne Nachdenken, das könnt ihr. Aber rafft ihr denn nicht, dass ihr Sytania damit in die Hand spielt? Morgen habt ihr dann ein schlechtes Gewissen und seid völlig demoralisiert. Wollt ihr das?“

Zuerst ging mein Kreislauf in die Knie und dann ich selbst. „Sie hat einen Schock!“, rief Maron. „Joran, hilf uns mal!“ Dann fiel sein Blick auf meinen Erfasser, der mir auch heruntergefallen war. „Aber sie hat Recht.“

Joran war hinzu gekommen. „Fass an!“, befahl Maron. „Bringen wir sie an die Luft!“ „Die Daten müssen zu IDUSA.“, flüsterte ich benommen. „Shimar muss wissen …“ „Sei ohne Sorge, Allrounder Betsy.“, tröstete Joran, der mich lässig über seine Schulter gelegt hatte. „Wir machen das schon.“

 

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.