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„Sieht aus, als hätte Ihr Kleines Sytania anständig die Suppe versalzen.“, meldete IDUSA. „Wo hast du denn den Spruch her?“, staunte Shimar, der so etwas von ihr nie gedacht hatte. „Kommt eben davon, wenn die technische Betreuerin eine Assistentin hat, die einer Celsianerin im Punkto Sprücheklopfen in nichts nachstehen würde. Shannon hat neulich meine Sprachroutinen aufgefrischt. Wie finden Sie das?“ „Ungewohnt.“, gab Shimar zu. „Aber erfrischend. Und jetzt zeig mal her.“

Vorsichtig hatte Joran mich auf einer Wiese abgelegt. Dort hielt mir Maron jetzt eine Schüssel vor den Mund, in die ich – zumindest fühlte es sich so an – meine gesamte Tagesration entließ. Nur eben im Rückwärtsgang. „Lass mich raten.“, versuchte Joran mich aufzuheitern. „Du hattest Gemüse und Salat zum Mittag und ein Brötchen mit Schokolade zwischendurch.“ „Ihr Vendar habt echt einen schrägen Humor.“, erwiderte ich. Dann krampfte sich mein Magen erneut zusammen. „Oh, Backe.“, sagte Maron mitfühlend. „Ihnen ist sicher nicht nur schweineübel, sondern auch sauschlecht.“ „Ja.“, antwortete ich leise. Dabei bemerkte ich, dass sich der nächste Schwall genau über seinen Uniformärmel ergoss. „Und ein Ferkel bin ich noch obendrein.“, schämte ich mich. Er aber sagte nur ruhig: „Volltreffer. Sie können ja nichts dafür, wenn ich es nicht gebacken kriege, Ihnen rechtzeitig die Schüssel vorzuhalten.“

Logar kam im Stechschritt auf uns zu. „Ich verlange, dass du mir das Verhalten deiner Untergebenen erklärst.“, wandte er sich an Maron. Der musste sehr aufpassen, dass ihn die Wut nicht übermannte. Logar war ein trainierter Telepath. Er hätte spüren müssen, dass hier etwas nicht stimmte. Statt dessen hatte er sich – wie seine Ritter und Gefolgsleute auch – der Völlerei und somit Sytanias Plan hingegeben. Sicher konnte meine Aktion Valoras Körper nicht wieder herstellen, ich hatte aber alle vor einem schlechten Gewissen bewahrt. An sich waren die Einhörner den Imperianern nämlich heilig und durften nie angetastet, geschweige denn getötet und gegessen werden. Eigentlich war das ja auch nicht möglich, aber …

Maron stand auf und sagte bestimmt: „Das will ich gern tun, Milord. Sie hat uns alle vor einem schweren Fehler bewahrt. Anders war es Euch in Eurem betrunkenen Zustand sicher nicht mehr beizubringen. Aber das alles war Sytanias Plan. Erst füllt sie Euch ab bis Oberkante Unterlippe und dann geht der Rest von allein. Von wegen Rehbock. Da lachen ja die Hühner!“

Ich war meinem Vorgesetzten sehr dankbar. Mir war kein Beispiel geläufig, bei dem sich ein erster Offizier als Leiter eines Außenteams derart für eine seiner Untergebenen eingesetzt hatte. Vor allem nicht gegenüber einem König oder mehr noch gegenüber einem Herrscher mit Logars Fähigkeiten. Diese hatten im Dunklen Imperium ohnehin nur die Herrscherfamilie und der höhere Adel. Das hatte mit den Genen zu tun. Ich konnte nur vermuten, dass es daran lag, dass Maron Demetaner war. Aufgrund ihrer Geschichte hatten die noch nie wirklich Angst vor Königen gehabt.

Maron hielt Logar meinen Erfasser unter die Nase. „Wenn Eure Fähigkeiten schon dem Met zum Opfer gefallen sind, Milord.“, begann er und tippte rhythmisch auf das Display. „Dann seht Euch mindestens das an!“ Über das Menü hatte Maron das Interpretationsprogramm aktiviert, denn er wusste, mit Zahlen oder einer graphischen Darstellung eines DNS-Stranges konnte Logar nichts anfangen. „Oh, diese Frevlerin!“, rief Logar aus. „Die soll mich kennen lernen!“ „Sie wird uns alle kennen lernen.“, tröstete Maron.

In der Zwischenzeit hatte Joran von mir lassen müssen. „Was ist los?“, hatte ich unsicher gefragt. „Es ist Zeit.“, erwiderte Joran. Ich wollte aufstehen, um nach Argus zu suchen. Er musste entweder das alte Pferd zu uns oder uns zu ihm bringen. „Bleib liegen, Allrounder Betsy.“, sagte Joran. „Dein Kreislauf könnte erneut versagen und dann …“

Ich wollte etwas erwidern, aber ein jähes Geräusch hielt mich davon ab. Ich erkannte einen unregelmäßigen Hufschlag, der sich auf uns zu bewegte. Dann bemerkte ich das alte Pferd, das seinen Kopf zu Joran hinunter beugte und mit den Nüstern seine Stirn berührte. „So geht es auch.“, sagte Joran und konzentrierte sich auf die Übertragung. Wenige Sekunden später bemerkte ich, dass das alte Pferd nicht mehr so schwach schien. Fröhlich galoppierte es von dannen. Sein Hufschlag wurde von jenem Schellenklang begleitet, den ich von den Einhörnern gewohnt war. Jetzt wusste ich, dass es funktioniert hatte.

„Sir!“, rief ich Maron erfreut zu. „Es hat geklappt! Er hat …“ Maron drehte sich mit strengem Blick zu Joran um. „Du hättest Bescheid sagen müssen.“, ermahnte er ihn. „Ich hätte dich mit dem Erfasser überwachen müssen. Das Interpretationsprogramm …“ „Ich glaube, dass ich davon eine ganze Menge mehr verstehe als du, Agent Maron.“, widersprach Joran. „Schließlich mache ich das schon 90 Jahre länger als du.“ „Sehr witzig.“, antwortete Maron. „Als ob ich je …“ „Eben.“, erwiderte Joran triumphierend.

Argus kam angewetzt. „Hey, habt ihr das alte kranke Pferd gesehen?“, fragte er völlig außer Atem. „In der Tat.“, antwortete Joran. „Sie ist jetzt an ihrem neuen Bestimmungsort um …“ „Dann wird ja jetzt alles gut!“, freute sich der Junge. „Nicht so schnell.“, sagte ich. „Wir müssen Sytania noch dazu kriegen, dass sie alles zugibt. Außerdem wird ihre Schöpfung die Führung der Herde sicher nicht kampflos aufgeben.“

Wir konfrontierten Sytania mit meinen Erfasserbildern und den Vorwürfen bezüglich ihrer Kriegstreiberei. „Das mit Valora gebe ich unumwunden zu, Vater.“, gestand sie gegenüber Logar. „Aber das Andere, nun ja, wie wäre es mit einem Urteil des Schicksals. In drei Prüfungen wird jeweils einer von euch gegen einen meiner Leute antreten. Gewinnt ihr mindestens zwei der Prüfungen, will ich auch dies gestehen. Gewinne aber ich, so lasst ihr alle Vorwürfe fahren.“ „Nun gut, Tochter, so soll es sein.“, sagte Logar zuversichtlich und rief seinen Hofschreiber, damit dieser den Vertrag zu Papier brachte. Sytania und Logar verpflichteten sich, Ihre Fähigkeiten nicht zur Einmischung zu benutzen.

Abseits allen Trubels arbeiteten Argus und ich weiter mit Kipana. Logar hatte uns gegenüber zwar widerwillig zugegeben, was wirklich los war, ich konnte mir aber gut vorstellen, dass Kipana vielleicht wegen ihres „Fehlers“ Angst hatte, getadelt zu werden oder gar sein Vertrauen ganz zu verlieren. Solche Pferde, die derart auf ihre Reiter achteten, kannte ich gut. Neben Kipana, der ich sogar mein eigenes Leben anvertrauen würde, hatte ich dies schon bei einem Pferd in meinem privaten Umkreis erlebt. Der arme dicke Knopf und ich wurden auch durch die Fliegkraft voneinander getrennt und er wollte danach nur unter viel gutem Zureden schneller laufen als Schritt. Allerdings hatte sich das schlagartig wieder geändert, nachdem er bemerkt hatte, dass ich mich, wenn ich wusste, worum es ging, doch sehr gut halten konnte. Von meinem Schock hatte ich mich schnell erholt. „Ich verstehe nicht, was sie hat.“, resignierte Argus. „Logar hat ihr doch längst verziehen.“ „Aber sie sich nicht.“, erwiderte ich. „Wir müssen etwas finden, wie wir ihr beibringen können, dass sie in so einer Situation die sein kann, die mit dem richtigen Verhalten dafür sorgen kann, dass das nicht wieder passiert. Aber erst mal müssen wir das Geschehen weiter eingrenzen. Hol doch bitte den Rossharnisch und stell ihn auf.“ Argus folgte meinem Vorschlag, obwohl er noch nicht genau wusste, was ich wollte. Im aufgebauten Zustand sah der Harnisch ja auch wie ein Pferd aus und wir würden damit herausbekommen, ob Kipana Angst vor dem Kampfplatz an sich entwickelt hatte und vor allem was damit zusammenhing.

Ich hielt sie an einem Führstrick, den wir an ihrem Halfter befestigt hatten, bis Argus mit dem Aufbau fertig war. „Mach sie los, Betsy.“, sagte er. „OK.“, entgegnete ich und löste langsam den Verschluss. „Geh aber besser in Deckung. Ich kann dir nicht genau sagen, wie sie reagieren wird.“, schlug ich ihm vor. Argus kam zu mir hinter den Zaun. Ich lockerte meinen Griff. Kipana ging neugierig um den „Blechkameraden“ herum, beschnupperte ihn kurz und drehte sich dann genau so ruhig, wie sie gekommen war, um und nahm sich ein Maul voll Klee. „Sie hat keine Angst.“, stellte Argus fest. „Gott sei Dank nicht.“, bestätigte ich. Sonst müssten wir ganz anders anfangen.“

Shannon kam herüber und fragte: „Hey, wisst ihr, was Logar vorhat?“ „Nein, Technical Assistant.“, erwiderte ich. „Da müssen Sie schon konkreter werden.“ „Logar hat sich von Sytania zu einem Turnier überreden lassen.“, begann die blonde Irin. „Sie will, dass ihr größter Kämpfer gegen unseren größten Kämpfer antritt. Das soll auch schon eine der Prüfungen sein. Sie hat ’n Riesen Namens Monostatos auflaufen lassen. Der Typ is’ drei Meter groß. Um die Taille herum ist er eher schmal, aber einen Brustkorb hat der, oh, Backe. Da passt unser Vendar drei mal rein.“ Sie schaute – zumindest laut Argus – sehr ernst. Ich wusste, jetzt machte sie ausnahmsweise keine Scherze.

Jenna musste alles mitbekommen haben. Jedenfalls stand sie plötzlich neben uns und erklärte: „Das der so einen hohen Schwerpunkt hat, ist doch eigentlich gut für uns. Um so leichter wird er aus dem Sattel fallen. Und zwar durch seinen eigenen Schlag.“ Shannon sah ihre Vorgesetzte fragend an. „Das ist doch ganz einfach, Assistant.“, antwortete Jenna. „Alles, was oben dicker oder breiter ist als unten, verliert schneller das Gleichgewicht. Betsy, könnte Kipana lernen, in dem Moment, wo der Riese zuschlägt, rückwärts zu gehen?“ Ich hatte verstanden. Joran würde somit die Energie des Schlages auspendeln und Kipana würde ihm durch ihre Tendenz in die gleiche Richtung dabei helfen. So würden, wie Jenna es ausdrückte, Reiter und Pferd nicht durch die Fliegkraft getrennt. Das Kipana auch Joran vertraute, wusste ich schon.

Auf dem Kampfplatz gab es eine Art Drehkreuz, von dem eine Kugel an einer schweren Kette herunterhing. Damit konnte man den Schlag eines Gegners simulieren. Kipana und Joran waren bald mit Rossharnisch und Rüstung vorbereitet. Ich wollte, dass die Situation für Kipana so echt wie nur möglich war.

Aufmerksam folgte Kipana jedem Kommando. Sie wusste zwar noch nicht genau, was wir von ihr wollten, aber Lernen hatte ihr schon immer Spaß gemacht. Mit einem Seilzug konnte Argus den künstlichen Ritter, so wurde das Drehkreuz genannt, in Gang setzen.

Joran ritt auf das Drehkreuz zu. „Zieh!“, rief ich Argus zu. Joran sah die Kugel auf sich zu kommen. Er hielt den Schild in ihre Richtung, nahm mit der anderen Hand Kipanas Zügel auf und sagte ruhig aber bestimmt: „Zurück!“ Genau so ruhig folgte sie seinem Befehl und war ziemlich erstaunt, dass er nach dem Anhalten nicht von ihrem Rücken gefallen war. Ich ging hin und gab Kipana ein Leckerchen. Joran patschte ihr mit seiner großen Hand über den Hals und sagte mit dem Brustton der Überzeugung: „Fein, ganz fein gemacht!“ Diese Übung wiederholten wir jetzt einige Male. Am Ende hatte sich auch bei mir ein seltsames Verhalten etabliert. Immer, wenn das Wort fein fiel, griff ich in meine Tasche. Ich fragte mich, wer hier außer Kipana noch dressiert worden war. Kipana benötigte inzwischen auch Jorans Kommando nicht mehr. Sie verband bereits mit der Andeutung des Schwertschlages, wann sie rückwärts zu gehen hatte. „Sie ist so weit.“, strahlte Argus. Ich nickte und Joran bestätigte: „In der Tat.“ „Man könnte eine Strohpuppe in die Rüstung stecken und auf sie setzen.“, freute ich mich. „Sie würde alles ganz allein machen, unser schlaues dickes Mädchen. Aber, wir wollen ja fair bleiben.“

Am nächsten Tag sollte das Turnier beginnen. Mit großer Spannung sahen wir alle zu, wie die beiden Kontrahenten in die Bahn kamen. Maron, der von unserer Arbeit mit Kipana noch nichts wusste, flüsterte Jenna aufgeregt zu: „Oh, Gott, Mc’Knight, Joran hat gegen den doch keine Chance. Der macht Vendar-Brei aus ihm.“ „Abwarten.“, flüsterte die Technikerin zurück. „Ich hoffe nur, Mc’Knight, die benutzen keine unlauteren Mittel.“, ermahnte er sie jetzt für uns alle gut hörbar. „Wo denken Sie hin, Sir.“, sagte sie. „Nur die Gesetze der Physik.“

Sytania hatte das Taschentuch fallen lassen, ein allgemein übliches Zeichen für den Beginn eines Kampfes. Joran und der Riese ritten aufeinander zu. Der Riese hatte sein Schwert gezückt, Joran aber ließ seine Waffe wo sie war. „Zieh endlich deine Waffe, du Hänfling!“, verhöhnte Monostatos Joran. Dieser tat unverständig und meinte nur: „Warum sollte ich? Das hast du doch schon erledigt.“

Kipanas Ohren wackelten aufmerksam nach Vorn und nach hinten. Sie versuchte offensichtlich an Hand der Geräusche herauszubekommen, wann es so weit wäre. „So ist fein.“, ermunterte Joran sie. „Immer schön aufpassen.“

Der Riese holte aus und Kipana blieb kurz aus vollem Galopp stehen, womit Joran gerechnet hatte, weshalb er trotz ihrer Vollbremsung sicher im Sattel blieb. In Bruchteilen von Sekunden später machte sie vier bestimmte Schritte Rückwärts. Der Schlag des Riesen ging ins Leere. Das hatte zur Folge, dass dieser, durch seinen hohen Schwerpunkt bedingt, sofort das Gleichgewicht verlor und mit lautem Geschepper vom Pferd fiel.

„Plong!“, kommentierte ich das Geschehen ziemlich schadenfroh. „Ein Punkt für uns.“ Kipana hatte das laute Geräusch nichts ausgemacht. Sie vertraute uns und wusste, wenn wir in ihrer Nähe waren, konnte nichts passieren. Auch der Kampfrichter erklärte Joran zum Sieger, was Sytanias Laune nicht gerade hob.

Für die zweite Prüfung bedurfte es einiger Vorbereitungen. Argus musste den so genannten „Sack“, ein Hasenfell, das an drei Seiten zusammengenäht war, mit Rindfleisch füllen. Dann sollte Horatio, Logars treuester Diener, den Sack im Wald verstecken.

Wir hatten ausgelost, wer diese Prüfung ablegen sollte und das Los hatte entschieden, dass ich es sein sollte. Jenna würde mich begleiten. Sytania hatte dies zur Kenntnis genommen. „Um so besser.“, sagte sie mit einem zynischen Tonfall. „Dann werden wir uns in einem Sport messen, der zweier Ladies würdig ist. Last meinen Jagdfalken herbringen!“ Ihre Dienerschaft, die sie mitgebracht hatte, stob auseinander. Bald kam einer mit einem großen schweren Käfig zurück, in dem ein großer weißer Falke saß. Arrogant sah Sytania mich an. „Nun wähle auch du deinen tierischen Begleiter. Ich bin sicher, du wirst hinter ihm her reiten wollen, weil du keine seherischen Fähigkeiten hast. Das brauche ich nicht. Es reicht mir, wenn ich von Zeit zu Zeit mal mit meinem Geist nachsehe, wo sich der Falke befindet.“ Ich stellte mich aufrecht vor sie und sagte: „Euer Habitus schreckt mich nicht. Ich wähle Slick!“ Logar wurde angesichts meiner Worte leichenblass. „Aber sie ist meine schlechteste Fährtensucherin. Glaubst du wirklich, dass sie dir helfen wird?“ Argus piekte mich in die Seite. Er wusste sehr wohl, was ich einmal über Slicks Verhalten bei der Jagd herausgefunden hatte. Er wusste, dass ich damals erklärt hatte, dass Slick mit den anderen Hunden, den Jagdhörnern und den Waffen das Töten ihrer wilden Freunde verband. Wenn sie allein mit einem Menschen, dessen Pferd und vor allem mit einem von uns unterwegs war, wusste sie dass dies nicht passieren würde. Außerdem war: „Such den Sack!“, ihr liebstes Spiel. „Also gut.“, erklärte sich Logar schließlich doch einverstanden. „Ich gebe dir Kipana.“, informierte mich Argus. „Ihr versteht euch ja so toll und Slick und Kipana verstehen sich auch.“

Ich musste an eine Szene denken, die ich schon des Öfteren zwischen den beiden beobachtet hatte. Argus hatte Kipana ein Halfter mit einem Strick angelegt. Dann wurde Slick auf die Koppel gelassen. „Slick, bring Kipana in den Stall!“, hatte Argus dem Hündchen dann zugerufen. Slick hatte das Ende des Strickes in die Schnauze genommen und war einige Schrittchen getippelt. Dadurch hatte sich der Strick gespannt. Kipana war ihr vorsichtig gefolgt. Wenn immer Slick stehen blieb und sich setzte, blieb auch Kipana stehen. Argus hatte mir verraten, dass er dies den Tieren nicht hatte beibringen müssen. Irgendwann sei es von selbst dazu gekommen. Slick hätte sich schon immer für alles interessiert, was herunterbaumelte. Allerdings war Kipana das einzige Pferd, das für dieses Spiel geduldig und ruhig genug war.

Maron hatte sich mit Logar getroffen. Etwas schien den Demetaner gewaltig an dessen Verhalten zu stören. Maron ahnte wohl bereits etwas von dem, was noch auf uns warten würde. „Ich hoffe, Majestät, Ihr vertraut meinen Untergebenen und Slick.“, begann der demetanische Agent mit strengem Blick ein Gespräch. „Ich versichere dir, dass nichts geschehen wird, Maron.“, tröstete Logar. Maron ließ es zunächst dabei bewenden, aber sein Misstrauen war noch nicht verflogen. Er sorgte sich, dass Logar seiner Tochter die Sache mit den Einhörnern noch heimzahlen wollte und wenig Vertrauen in Sterbliche hatte. Seine Rachegelüste könnten ihn zu Dingen verleiten, die Logar später bitter bereuen könnte.

Shimar war in IDUSAs Cockpit eingedöst. Mit Hilfe eines sanften Stimulatorstoßes über den Neurokoppler weckte das Schiff ihn. „Was gibt es denn, IDUSA.“, fragte Shimar an. „Ich habe gerade so schön geträumt.“ „Agent Maron möchte Sie sprechen.“, erfolgte IDUSAs nüchterne Antwort. Shimar setzte sich aufrecht hin und erwiderte: „Na verbinde schon.“ IDUSA führte den Befehl aus. Bald sah Shimar das Gesicht seines demetanischen Vorgesetzten vor seinem geistigen Auge. „Shimar, ich möchte, dass du und IDUSA ein Auge auf Techniker Mc’Knight und Allrounder Betsy haltet. Logar hat die Sache mit Valora nicht verdaut, fürchte ich und er wird vielleicht doch seine Fähigkeiten einsetzen. Den Vertrag zwischen Sytania und uns habt ihr ja auch.“ Maron hatte den Vertrag mit seinem Erfasser abgescannt und die Datei dann an IDUSA überspielt. „Warte bitte kurz, Maron.“, sagte Shimar. „IDUSA, Stummschaltung und zeig mir die Passage über Vertragsstrafen.“ Ohne zu antworten folgte sie seinem Befehl. Jetzt sah Shimar die gesuchte Passage vor sich. Er schrak zusammen. „Oh, Mann, wenn Logar sich wirklich herablässt und seine Fähigkeiten benutzt und das nachgewiesen werden kann, gewinnt Sytania die entsprechende Prüfung automatisch.“, stellte Shimar fest. „Einen eventuellen Beweis unter den Tisch fallen lassen können wir auch nicht. Das wäre auch unfair und hätte das Gleiche zur Folge.“, Maron staunte über Shimars Weitsicht. Der Tindaraner war in dem Alter, in dem in früheren Zeiten Sternenflottenfähnrichs gerade die Akademie verlassen hatten. Da hatte er eigentlich etwas anderes erwartet. Dem demetanischen Agenten fiel vor Begeisterung die Kinnlade herunter. „Ich wusste, wir verstehen uns.“, sagte Maron, nachdem er sich wieder gefangen hatte. „Verlass dich auf IDUSA und mich.“, Tröstete Shimar. Er beendete das Gespräch und wandte sich an die soeben Erwähnte: „Du hast den Gentleman gehört. Halte also deine Sensoren ja online, klar?!“ „Sonnenklar.“, erwiderte IDUSA.

Jenna und ich waren abreisebereit. „Ich muss meinem Vater leider zustimmen.“, versuchte Sytania uns zu demotivieren. „Slick wird euch kein bisschen bei der Suche helfen können. Außerdem fliegt mein Falke viel schneller und kann aus der Luft einen viel größeren Raum übersehen.“ „Das muss gar nichts heißen.“, erwiderte ich ruhig gegenüber Sytania. Dann sagte ich zu Slick: „Slick, such den Sack!“ und zu Kipana: „Komm!“ Auch Jenna schnalzte ihrem Pferd zu.

„Sie sind unterwegs.“, meldete IDUSA. „OK.“, antwortete Shimar. „Beobachten wir sie. Bleib in dieser Höhe und setze Kurs hinter ihnen her.“ „Glauben Sie ernsthaft, dass Logar sich einmischen wird?“, wollte IDUSA wissen. „Ich weiß es nicht.“, erwiderte ihr Pilot. „Was sagt denn deine Datenbank darüber aus?“ „Bisher hat Logar sich in 99,99999 % der Fälle immer herausgehalten.“, erklärte das Schiff nach Konsultation ihrer Datenbank. „Aber, Maron wird uns den Befehl nicht umsonst gegeben haben. Im Schloss muss irgendwas geschehen sein, das ihn denken lässt, dass Logar von seinem bisherigen Verhalten abweichen würde.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Shimar. „Lass mich übernehmen, mir ist langweilig.“ Das Schiff zeigte ihm die Steuerkonsole.

Jenna und ich folgten Slick, die mit am Boden schleifender Nase vor uns her lief. „Kipana scheint sehr auf Slick zu achten.“, stellte Jenna fest. „Das stimmt.“, bestätigte ich. „Slick ist Kipanas kleine Freundin und sie ist Slicks große. Ich glaube, dass …“ Wir spürten beide einen einzelnen Windstoß, den wir uns nicht erklären konnten. „Haben Sie irgendetwas gesehen, dass Sie schließen lässt, dass ein Sturm aufkommt, Jenn’?“, fragte ich unsicher. „Nein.“, erwiderte sie ruhig aber doch etwas verwundert. „Merkwürdig, jetzt ist keine Wolke am Himmel.“ „Wie könnte ein einzelner so starker Windstoß zustande kommen?“, wollte ich wissen. „Ich weiß es nicht.“, antwortete sie Schulter zuckend. „Ich bin Dimensionalphysikerin, aber keine Wetterexpertin.“

Kipana war plötzlich stehengeblieben und hatte ihren Kopf in eine bestimmte Richtung gedreht. Ihre Ohren wackelten hin und her, als wolle sie ein Geräusch orten. Jenna hatte ihr Pferd neben uns angehalten. Dass Kipana sehr empfindlich war, was Geräusche anging, hatte ich Jenna längst erklärt. „Ihre Dickmaus ist alarmiert.“, beschrieb mir Jenna Kipanas Gesichtsausdruck. Ich hielt den Atem an und lauschte ebenfalls. In der Ferne konnte ich ein hohes Bellen wahrnehmen. Wenn es das war, das Kipana gehört hatte, dann hatte Slick etwas entdeckt. Ich ließ die Zügel locker und Kipana drehte sich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. „Bitte folgen Sie mir, Techniker!“, rief ich Jenna zu.

In der Nähe einer Baumgruppe hielten wir an, stiegen ab und banden die Pferde an zwei Stämme. Dann führte mich Jenna zum Ort des Geschehens. Slick wuselte aufgeregt um etwas herum, das am Boden lag. Immer wieder machte sie: „Wiff, wiff.“ und sprang in die Luft. Das Etwas bewegte sich und stieß Schreie aus. Slick beschnupperte es immer wieder und stupste es mit der Nase an, als wollte sie es zu einer Handlung animieren. Als sie mich sah, wuselte sie auf mich zu und sprang mit noch einmal: „Wiff, wiff.“, an mir hoch, als wollte sie sagen: „Guck mal, was hier passiert ist!“

Jenna fasste das strampelnde panische Etwas und hob es hoch. „Das ist ja Sytanias Jagdfalke!“, rief sie aus. Dann beäugte sie ihn von oben bis unten und sagte: „Er hat sich all seine Schwungfedern gebrochen. Der Windstoß muss ihn voll erfasst haben. Er hat ihn wohl aus dem Gleichgewicht gebracht, dadurch ist er ins Trudeln gekommen und abgestürzt. Kein Wunder, dass er Angst hat. Vor der nächsten Mauser wird das nichts mehr mit dem Fliegen.“ Sie hielt den Vogel in meine Richtung. Vorsichtig betastete ich ihn. „Sie haben Recht, Jenn’.“, bestätigte ich. „Könnte es sein, dass Maron uns hiervor warnen wollte?“ Ich hatte eins und eins zusammengezählt. Ein einzelner Windstoß konnte nur bedeuten, dass ein Mächtiger am Werk war, der auch das Wetter kontrollieren konnte und wer hätte da wohl im Moment das stärkste Motiv? Außerdem arbeitete ein Windstoß, der natürlichen Ursprungs war, nie so gezielt. Ich zückte meinen Erfasser und scannte die Umgebung. „Das wird nichts nützen, Betsy.“, erklärte Jenna. „Logars Energie ist hier überall. Wir sind schließlich in seinem Machtbereich. Das hat er wirklich geschickt eingefädelt. Mit dem Erfasser können wir ihm nichts beweisen. Wir können nur den armen Vogel hier einpacken und ein paar von seinen Schwungfederresten noch dazu. Den Sack lassen wir sein, wo der Pfeffer wächst.“ Wir polsterten die Satteltasche hinter meinem Sattel mit Laub aus und legten den armen Vogel und einige Federstücke hinein. Dann ging es in Richtung Palast zurück.

Shimar hatte nicht auf die Daten geachtet, die sein Schiff ihm übermittelt hatte. Er war mit einer anderen Sache beschäftigt gewesen. Telepathisch hatte er gespürt, dass Logar sich eingemischt hatte. Mit aller Konzentration hatte er dies zu verhindern versucht. IDUSA musste Störwellen auf den Neurokoppler schicken, um zu verhindern, dass er sich überforderte. „Sie wissen doch, dass Sie gegen Logar nicht ankommen.“, erklärte sie. „Eigentlich ja.“, meinte Shimar total außer Atem. „Aber einen Versuch war es wert. Ich hoffe, du konntest aufzeichnen.“ „Daher weht also der Wind.“, erkannte das Schiff. „Sie wollten, dass ich alles aufzeichne, damit wir Logars Einmischung nachweisen können.“ „Richtig.“, bestätigte Shimar. „Der mentale Kampf zwischen Logar und mir hat ja auch einen Neuralabdruck von ihm und von dem, was er vor hatte, in meiner Hirnrinde hinterlassen und das konntest du über meine Tabelle und den Neurokoppler sehen und aufzeichnen. Das war alles, was ich erreichen wollte. Natürlich wusste ich, dass ich gegen Logar keine Chance habe und seine Aktion mit dem Windstoß nicht verhindern konnte. Gib Jenna und Betsy den Beweis und überspiele ihn auch an unsere Heimatbasis. Sicher kann Ishan ihn auch interpretieren und unserem Kriminalisten sein Gutachten schicken. Dann kann Maron Logar festnageln.“ „Habe ich alles schon in die Wege geleitet.“, beschwichtigte IDUSA seinen Tatendrang. „Du kleines umsichtiges Schiff du.“, lächelte Shimar.

Das Gutachten war schnell geschrieben und der androide Mediziner hatte es Shimar und IDUSA gesendet. Diese hatten es an Maron weiter gegeben, der inzwischen auch im Besitz unserer Beweise war. „Ausgezeichnete Arbeit von Ihnen allen.“, lobte Maron. „Hätten wir diese unfaire Handlung unter den Teppich gekehrt, wären wir keinen Deut besser als Sytania gewesen. So haben wir zwar diese Prüfung verloren, aber das macht nichts. Es gibt ja noch eine und wenn es eins zu eins steht, wird das Ganze nur noch spannender. Allerdings werde ich Logar mit seinem Fehlverhalten konfrontieren müssen.“

 

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