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Cupernica setzte sich mir gegenüber hin. Die etwas schmächtig anmutende 1,70 m große Androidin zog ein Pad und erklärte: „Nun, Betsy, um Ihre Angst kategorisieren zu können, muss ich Ihnen einige Fragen stellen. Später machen wir noch ein paar Tests. Ich habe vor, Sie ins Therapiezentrum nach Betazed zu überweisen, wenn wir hier durch sind. Also, hören Sie genau zu und geben Sie bitte ehrliche Antworten. Geben Sie die Antwort, die Ihnen zuerst einfällt.“ Ich nickte. „OK, fangen wir an.“, sagte sie und las vor: „Sie sind mit jemandem ins Gespräch gekommen und während Ihrer Plauderei sagt er Ihnen, dass er Telepath sei. Was Ist Ihre erste Reaktion?“ „Ich suche nach dem Hypor mit dem zellaren Peptidsenker.“, rutschte es mir heraus. Gleich darauf gab ich einen verschämten Laut von mir. „Alles in Ordnung.“, beschwichtigte mich Oxilon. „Je ehrlicher Sie sind, desto besser kann man Ihnen helfen.“ Unbeeindruckt fuhr Cupernica fort: „Sie gehen auf einem Planeten voller Telepathen über eine Straße und einer berührt Sie. Sie haben Ihre Waffe mit Rosannium-fähiger Fokussionslinse bei sich. Würden Sie sie benutzen?“ „Ja!“, entflog es mir. Dann schrie ich außer mir: „Oh, Gott, was bin ich für ein Monster!!!“ Als wollten Fredy und Caruso dies mit aller Macht verneinen, schnurrten sie laut auf und kuschelten sich noch stärker an mich. „Sie sind kein Monster.“, tröstete Oxilon. „Sie haben nur Angst. Aber das wollten wir ja auch provozieren.“

Mit einem Wink schickte Cupernica ihren Assistenten zurück in die Praxis. Hier sollte Oxilon nun die Tests vorbereiten. „Bereiten Sie die gesichtslosen Puppen so vor, dass die männliche Puppe eine Vulkanier-Maske und die weibliche eine terranische Maske trägt. Dann holen Sie auch noch das übrige nötige Zeug. Sie wissen schon.“, hatte sie ihm gesagt. „Aber.“, mischte ich mich ein. „Es gibt doch auch noch andere Telepathen außer den Vulkaniern.“ „Das stimmt.“, bestätigte sie. „Aber dann können Sie den Telepathen besser taktil von sich unterscheiden.“

Nachdem sie mich wenig später in die Praxis geführt hatte, forderte sie mich auf, mir die Szenerie zunächst anzusehen. Tastend ging ich um den Tisch, an dem die Puppen saßen. Beide trugen Zivilkleidung. Die Frau ein buntes luftiges Sommerkleid, der Mann, zugeknöpft, wie sich die Vulkanier eben meistens geben, einen schwarzen Anzug. Neben der Frau auf dem Boden stand ein offener Koffer mit allerlei Sachen. „Sehen Sie sich den Inhalt des Koffers an.“, wies Cupernica mich an. „Packen Sie ruhig aus und fragen Sie, wenn Sie etwas nicht einordnen können. Merken Sie sich genau, wo Sie welchen Gegenstand hinlegen, denn Sie werden die Sachen gleich noch brauchen.“

Ich zog eine mit Bleischnüren durchflochtene Haube aus dem Koffer. Dann folgte ein Hypor, in dem sich in unserem Rollenspiel zellarer Peptidsenker befinden sollte. Wirklich war er allerdings leer. Ähnlich verhielt es sich mit dem Phaser. Der hatte auch weder eine echte Fokussionslinse noch eine Energiezelle.

„Sind Sie bereit?“, fragte Cupernica nach einer Weile. Ich nickte. „OK, fangen wir an.“ Über eine Fernsteuerung ließ sie die Puppen in die gewünschte Stellung gehen. „Gehen Sie hin und fühlen Sie.“, erklärte sie weiter. Ich tat, was sie mir soeben aufgetragen hatte. Die Puppen saßen mit den Gesichtern zueinander und der Mann hatte die Hand nach dem Kopf der Frau ausgestreckt. Ich nahm die Bleihaube und zog sie ihr über den Kopf. An meinem Gesicht musste Cupernica gesehen haben, dass ich mich noch sehr beherrschte, denn ich hatte das harmloseste Mittel gewählt. Die Stellung der Puppen änderte sich nicht. „Denken Sie daran, die Frau sind Sie.“, erinnerte mich Cupernica. Ich nahm den Hypor und setzte ihn an der rechten Ellenbeuge der Frau an. Immer noch tat sich nichts. „Ihre Gedanken sind immer noch in Gefahr.“, sagte Cupernica. Ich hob den Phaser auf und wollte ihn in die Hand der Frau legen, hielt mich dann aber zurück, denn ich erkannte, dass ich ihn damit durchaus töten könnte. Eine Rosanniumsalve direkt ins Gehirn tötet jeden Telepathen auf der Stelle. „Ich will aufhören!!“, schrie ich. „Ich kann doch nicht … Ich darf doch nicht … Nein, nein … Bitte, halt!!!“ Ich bekam einen Weinkrampf. Oxilon stürzte hinzu und nahm mich fest in den Arm. So führte er mich aus dem Raum.

Wieder auf dem Sessel im Wintergarten gesellten sich gleich auch wieder die Tiere zu mir. „Maaang.“, jammerte Caruso, als er sich auf meinem Schoß niedergelassen und das Häufchen Elend, das ich jetzt war, in Augenschein genommen hatte. „Quietsch!“, bestätigte Fredy seine Äußerung und man konnte fast meinen, er hätte etwas Empörung in seiner Stimme. „Ja, ihr Süßen.“, schmeichelte Oxilon. „Die Betsy hat Angst.“

Cupernica kam hinzu und setzte sich neben mich. „Es tut mir Leid.“, entschuldigte sie sich. „Aber ich musste wissen, woran ich bei Ihnen wirklich bin. Eine Frage zu beantworten oder etwas wirklich zu tun sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Der Beantwortung der Fragen nach sind Sie Kategorie fünf, das heiß unheilbar und dürften mit Telepathen gar nichts zu tun haben. Die Tatsache, dass Sie ihn aber letztendlich doch nicht getötet haben, macht Sie zu einer so genannten Kat. drei. Das Bedeutet, ihnen kann man helfen. Oxilon, bereiten Sie die Überweisung vor.“

Wütend stapfte Cirnach den Gang zu Sytanias Thronsaal entlang. Ihre Augen waren auf das Pad in ihrer linken Hand gerichtet. Ihre rechte Hand bediente ständig ein Tastenfeld mit Vendar-Symbolen, mit denen sie einen Cursor durch die feinsäuberlich vom Geheimdienst nach Themen geordneten Märchen und Sagen wandern ließ. „Nichts als Geschichten.“, murmelte sie vor sich hin. „Die Föderation hat uns …“

Das Klicken einer Energiewaffe neben sich ließ Cirnach aufhorchen. Fast im gleichen Augenblick hörte sie eine sehr vertraute Stimme von der anderen Seite, die den wohl etwas übereifrigen Wächter zurückpfiff. „Das ist meine Frau, du Narr. Senke sofort deine Waffe, sonst lasse ich persönlich deinen Kopf rollen!“ Der Wächter, ein junger gerade der Ausbildung entsprungener Krieger, ließ die Waffe wieder in seinen Gürtel sinken und machte eine beschwichtigende Geste in Richtung Telzan, dessen Stimme er sehr wohl erkannt hatte. „Na schön.“, sagte Telzan mit hartem Gesicht. „Noch ein einziges Mal vergebe ich dir. Aber schau gefälligst beim nächsten Mal hin, bevor du schießen willst. Sonst …“ Er machte aus seiner linken Hand eine Art Faust, die aber mehr einem Kopf ähnelte und bildete aus Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand eine Art Schwertspitze, die er dann unterhalb der anderen Faust entlang führte. „Kommt nicht mehr vor, Anführer.“, gab der Jugendliche kleinlaut zurück. „Ich dachte nur, dass der Veshan, Joran, sich vielleicht hier …“ „Unsinn!“, schalt ihn Telzan. „Der hat sich doch wie eine feige Ratte im Schoß der Tindaraner verkrochen. Den sehen wir so schnell nicht wieder! Und jetzt marsch zurück in die Reihe mit dir!“ Ein derart rüder Umgangston war bei den Vendar normal. Zumindest wenn Männer unter Männern oder Frauen unter Frauen waren. Zwischengeschlechtlich konnte die Sprache je nach Situation aber auch ganz anders sein.

Telzan drehte sich zu Cirnach, die fast ehrfürchtig vor der Tür des Thronsaales wartete. Sein Gesicht schmolz zu sehr weichen Zügen, als er näher an sie herantrat. „Was hast du herausfinden können, Telshanach?“, fragte er und strich ihr liebevoll über ihr pechschwarzes Fell. „Die Föderation hat es doch tatsächlich geschafft, uns hereinzulegen.“, fauchte Cirnach zurück holte aus und wollte das Pad gegen die Wand werfen. Telzan hielt ruhig, aber bestimmt ihre Hand fest. „Lass los!“, schrie Cirnach. „Ich will diesen Schmutz ein für alle Mal loswerden!“

Telzan griff ihr Handgelenk fester und schnappte mit der anderen Hand ihren Kopf. Dann drehte er diesen zu sich. „Hör mir zu!“, begann er in einem ziemlich bestimmten, aber auf der anderen Seite auch recht ruhigen Befehlston. „Wir sollten das hier erst mal unserer Gebieterin zeigen. Sytania weiß bestimmt, wie wir die vermeintliche Stärke der Föderation wieder in ihre Schwäche umwandeln können.“

Die Tür des Thronsaales wurde von zwei Leibwachen Sytanias geöffnet. „Sagt den beiden Streitlustigen, sie sollen eintreten!“, keifte die Prinzessin ihnen von ihrem Thron aus hinterher. Auf den Wink der Soldaten betraten Cirnach und ihr Mann den Raum. „Dich brauche ich nicht, Telzan.“, schickte Sytania den Genannten fort. „Aber du, Cirnach, du hast da doch etwas in der Hand. Der Inhalt der Sonde. Habe ich Recht?“ Dabei machte Sytania ein Gesicht wie ein Kind, das gerade seine Lieblingssüßigkeit vorgesetzt bekommen hat. Cirnach ging näher an den Thron, kniete sich vor Sytania hin, küsste ihre Schnabelschuhe und sagte mit gesenktem Kopf: „Tut mir Leid, Gebieterin, aber die Föderation hat uns hereingelegt. Dieses Pad enthält nur Märchen und Sagen, aber keine brauchbaren Informationen. Anscheinend sind die Männer auf das Verwirrspiel mit den Sonden reingefallen.“ „Welche Schmach!“, rief die Prinzessin aus und sprang auf.

„Nun gut.“, fuhr sie fort, nachdem sie eine Weile auf und ab getigert war. „Dein Mann und seine Leute mögen versagt haben, aber das bedeutet ja nicht, dass du es auch musst. Suche in diesen Geschichten nach etwas, das wir vielleicht zum Gegenschlag nutzen können. Ich gebe dir einen Kontaktkelch, mit dem du die Geschicke der Föderation und Tindarias beobachten kannst. Vielleicht findest du ja an Hand dieser Informationen einen Weg.“ „Aber Gebieterin?“, fragte Cirnach fast unsicher. „Wie soll ich in Märchen und Sagen einen Weg finden …?“ „Schweig!“, befahl Sytania. Im gleichen Moment gab es einen schwarzen Blitz und vor Cirnach auf dem Boden stand ein Kontaktkelch. „Geh nach Haus, sieh hin und denk nach!“, fügte Sytania ihrem Befehl hinzu. Cirnach hob den Kelch auf, nahm ihn und das Pad an sich, stand auf und ging mit gesenktem Haupt.

Joran hatte Wachdienst im Kontrollraum der Station. Shimar war im Urlaub auf Tindara und aufgrund seiner mangelnden Konzentrationsfähigkeit war auch Joran im Augenblick nicht für Patrouillenflüge zu gebrauchen. Das bedeutete zwar, dass Zirell im Moment keinen Patrouillenpiloten hatte, aber das war im Augenblick auch nicht so wichtig. Die tindaranischen Streitkräfte bestanden aus genug Soldaten und Zirell hatte der Zusammenkunft, also ihrer Regierung, bereits das Problem geschildert. Man hatte auch schon eine Lösung gefunden.

Joran hörte jenes spezifische Geräusch, mit dem die IDUSA-Einheit der Station das Laden seiner Neurotabelle ankündigte. Er setzte den Neurokoppler auf und fragte: „Was gibt es, IDUSA?“ Das Bild der vor seinem geistigen Auge erschienenen Tindaranerin drehte sich zu ihm und IDUSAs Stimme sagte: „Ihren Werten zufolge sorgen Sie sich um etwas, Joran. Darf ich wissen, was es ist?“ Joran atmete erleichtert auf, als er sagte: „Von mir aus, IDUSA. Hast du in letzter Zeit gesehen, wie sich die Föderation verhält? Sie feiern ein Fest nach dem anderen als hätten sie den Sieg bereits in der Tasche. Aber das ist sicher nicht der Fall …“ „Immer noch die gleiche Sorge also, wegen der Sie sich des Nachts in den Laken wälzen und Jenna fast keine Minute Schlaf gönnen, weil Sie ständig mit ihr darüber diskutieren wollen.“, unterbrach der Stationsrechner ihn mit einem fast einem Kriminalisten würdigen Verhörton. „Aber Sie kennen nun mal Sytania fast 90 Jahre und wissen es besser. Sie wissen, im Gegensatz zu Präsidentin Nugura, dass Sytania sicher schon auf Rache sinnt und im weinseligsten Moment, wenn vor lauter Feiern niemand mehr damit rechnet, heimtückisch und niederträchtig zuschlagen wird.“ „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Na mal sehen, was sich da machen lässt.“, grinste IDUSA.

Auf der Sprechkonsole sah Joran das Rufzeichen der Föderationsregierung aufleuchten. „Was machst du?“, fragte er allarmiert. „Wollen Sie Nugura von Fedaria nun die Meinung sagen oder nicht?“, fragte IDUSA zurück.

Fedaria nennen die Vendar das Universum der Föderation. Präsidentin Nugura ist in Jorans Augen die Königin dieser Dimension und wird, wie andere Herrscher es auch werden, mit dem Plurales Majestates angesprochen.

Eine ganze Zeit lang sah Joran den Versuchen des Rechners zu, eine Verbindung aufzubauen. Nuguras Sekretär verleugnete sie aber immer wieder. Zumindest gewann der Vendar zunehmend einen solchen Eindruck, je länger es dauerte.

Joran war gänzlich entgangen, dass sich die Tür des Kontrollraumes geöffnet hatte und sich eine kleine ihm wohl bekannte Gestalt von hinten näherte. „Hey, Grizzly.“, flüsterte sie, als sie ihm ihre langen Finger in die Seiten piekste. „Shannon O’Riley.“, staunte Joran. „Was machst du denn hier.“ „Och.“, meinte die blonde Irin flapsig. „Ich dachte, ich besuch’ dich mal in deinem langweiligen Job. Was macht denn IDUSA da?“ Joran erzählte ihr alles. Dann fragte er: „IDUSA, was macht meine Verbindung?“ „Es tut mir Leid.“, antwortete der Computer. „Sie lässt sich immer noch verleugnen.“

Joran überlegte eine Weile. Dann sagte er: „Shannon O’Riley, geh zum Kommandosessel und setz dich drauf. Vielleicht reagiert Nugura ja auf eine kleine scheinbare Revolte.“ „Von mir aus.“, brummelte Shannon. „Aber was ist, wenn Zirell das sieht?“ „Dann ist gar nichts.“, zischte Joran zurück. „Und jetzt geh!“ Auf ihrem Weg brummelte Shannon in ihren nicht vorhandenen Bart: „Grizzly, Grizzly, Grizzly, ob der Typ aus meinem Schmöker solche Ideen gehabt hätte, nur um ein Staatsoberhaupt aus dem Dornröschenschlaf zu holen?“

Shannon hatte auf dem Kommandosessel Platz genommen. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, dass Joran grinsend an seinem Bart spielte. Das tat er immer dann, das wusste sie, wenn er etwas im Schilde führte. Gespannt zwinkerte sie immer wieder aufmunternd in seine Richtung. „IDUSA, sobald du Nuguras Sekretär wieder dran hast, verbindest du mit Shannon O’Riley.“, sagte Joran, nicht ohne ein gewisses gemeines Lachen in der Stimme. „Das wird ihn total aus der Bahn werfen, Grizzly.“, grinste Shannon. „Die rangniederste Offizierin der Station sitzt plötzlich auf dem großen Stuhl. Das wird er Nugura erst mal schonend …“ „Shannon!“, IDUSAs warnender Tonfall ließ die blonde Irin in Hab-Acht-Stellung gehen. Die grüne Lampe auf der Sprechkonsole zeigte an, dass der Rechner sie mit Mr. Saron verbunden hatte. „Halli-Hallo.“, flapste Shannon ihm entgegen. „Also, Mister, ich muss ganz dringend die Obermatrone der Föderation ans Rohr kriegen, lässt sich das machen?“ Saron, Nuguras demetanischer Sekretär, schaute konsterniert und ließ beinahe das Mikrofon fallen. Dann fasste er sich aber doch wieder und gab zurück: „Technical Assistant, seit wann kommandieren Sie die tindaranische Basis?“ „Geht Sie normalerweise nix an, Sie männliche SITCH-Mamsell. Aber ich will Ihnen heute mal ausnahmsweise auf ihre neugierige Frage antworten, weil heute Sonntag ist. Es gab ein paar nich’ unwesentliche politische Veränderungen und jetzt stellen Sie mich auf der Stelle da durch, Mister!“

Saron musste aus Versehen die Dauersendefunktion seines Mikrofons aktiviert haben, denn das nächste, das Joran und Shannon hörten war, dass sich Nuguras Bürotür öffnete und Saron stammelte: „Madam President, ich habe Technical Assistant Shannon O’Riley für Sie. Sie kommandiert anscheinend gerade die tindaranische Basis. Ich verstehe das nicht. Sie will dringend mit Ihnen reden. Darf ich verbinden?“ Nugura fiel die Kinnlade herunter und dann fiel sie selbst fast vom Stuhl. Saron replizierte ihr eilig ein Glas Wasser, dessen Inhalt er auf dem Weg noch zur Hälfte verschüttete, half ihr, sich wieder einigermaßen zurechtzurücken, und wiederholte dann: „Darf ich verbinden?“ Nugura räusperte sich, setzte sich gerade hin und sagte: „Geben Sie schon her, Saron. Ich werde ihr schon die Meinung sagen.“ „Mit Verlaub, Madam President, es klang eher so, als wollte sie Ihnen die Meinung …“ „Es ist nicht Ihre Aufgabe, Saron, dies zu beurteilen.“, unterbrach Nugura ihn fast tröstend. „Und jetzt stellen Sie durch.“ Saron nickte, ging an seinen Arbeitsplatz zurück und tat, was Nugura ihm aufgetragen hatte.

Nachdem die Verbindung stabil war, wandte sich Nugura mit folgenden Worten an Shannon: „Technical Assistant O’Riley, was …“ „Commander O’Riley, Präsidentin, ja, so viel Zeit muss sein.“, unterbrach Shannon sie mit betont übertrieben empörter Stimme. Wenn sie jetzt nicht merkte, dass man ihr etwas vorspielte, fand Shannon, konnte man ihr auch nicht mehr helfen. „Also gut, Commander O’Riley.“, berichtigte sich Nugura. „Was wollen Sie von mir?“ „Oh.“, machte Shannon. „Ich will gar nichts, aber der Grizzly, der will Ihnen erklären, dass seine Ex-Gebieterin sicher noch ein paar Asse im Ärmel hat und die sicher noch gegen uns benutzen wird, wenn wir nich’ auf der Hut sind. Machen Sie sich bitte nich’ ins Höschen. Es gab keine Meuterei, aber unsere kleine Aktion hat Sie zumindest aufhorchen lassen. Ich geb’ Ihnen jetzt mal den Grizzly, der erklärt Ihnen den Rest.“ Auf Shannons Stichwort stellte IDUSA das Gespräch an Joran zurück. Der setzte einen ehrfürchtigen Blick auf und sagte: „Vergebt uns bitte, Nugura von Fedaria. Es war alles meine Idee. Aber irgendwie mussten wir doch Eure Aufmerksamkeit bekommen.“ „Schon gut, Joran.“, tröstete Nugura. Sie wusste, dass sie ihn duzen musste, denn so war es bei den Vendar und den Tindaranern gleichermaßen Sitte. Deshalb sagte sie: „Sei unbesorgt, Joran, es ist alles in Ordnung. Du magst Sytania noch aus einer Zeit kennen, in der sie mehr Macht hatte und vor allem moralisch besser drauf war. Aber das ist jetzt nicht mehr der Fall. Sie ist demoralisiert durch unsere Aktion. Ich denke nicht, dass sie in der Lage ist, so schnell einen Vergeltungsplan zu schmieden.“ „Hoffen wir, dass Ihr Euch nicht irrt.“, erwiderte Joran und betätigte die 88-Taste. Da die Vendar sehr direkt sind, fiel es auch Joran schwer, diplomatisch zu bleiben. Er wusste es besser. Er wusste, Sytania würde irgendwann eine Gelegenheit nutzen, um sich für die Schmach mit der Sonde an der Föderation zu rächen. Sie würde es gerade dann tun, wenn niemand damit rechnete. Warum verstand Nugura dies nicht? Die Föderation hatte doch auch schon Erfahrungen mit Sytania. Weshalb?

Joran fühlte eine wohl bekannte weibliche Hand auf seiner Schulter. Er drehte langsam den Kopf und erkannte im schwachen Licht des Kontrollraumes Jenna. „Telshanach, was gibt es denn?“, fragte er überrascht. „Ich suche eigentlich meine Assistentin.“, entgegnete Jenna. „IDUSA sagt, sie sei …“ Sie hatte Shannon erspäht. Leichtfüßig tänzelte sie auf den Kommandostuhl zu. „Das ist ja mal was ganz Neues, Shannon.“, kommentierte sie die Situation, die sie dort vorfand. „Sorry, Jenn’.“, flapste Shannon zurück. „Ohne meinen kleinen Schildbürgerstreich mit dem Kommandowechsel hätte Nugura nie mit uns geredet. Aber, war so wie so rausgeworfene heiße Luft. Nugura glaubt kein Wort wegen Sytania und feiert einfach weiter. Aber, wenn se irgendwann besoffen unterm Tisch liecht, wird se hoffentlich noch mal an unser Gespräch denken, wenn Sytania die Föderation hopp nimmt.“ Joran nickte bestätigend, dann sagte er: „Du sprichst mir aus der Seele, Shannon O’Riley.“

Jenna begann, Jorans Schultern zu massieren. „Du tust mir so Leid, Telshan. Du versuchst alles, um Nugura und die Föderation davon zu überzeugen, wie gefährlich Sytania ist, aber niemand glaubt dir.“ „Oh, Jenn’.“, frotzelte Shannon. „Ob Major Carter dem Typen aus meinem Schmöker auch gleich immer ’ne Massage verpasst hat, wenn irgendeine Regierung ihm irgendwas über den fiesen Apophis nich’ glauben …“

Vergeblich hatte IDUSA versucht, alle Anwesenden auf Zirells Betreten des Raumes aufmerksam zu machen. Hinter ihr ging Maron, der sich zunächst über ihr plötzliches Stehen bleiben wunderte. „Na das sind ja ganz neue Methoden.“, staunte Zirell über die Situation. „Die technische Assistentin kommandiert meine Basis und die Cheftechnikerin macht einen Massagesalon auf. Na ja, macht nichts. So ähnliche Befehle haben wir ohnehin.“ Alle sahen Zirell perplex an. Dann sagte Joran: „Ich vermag dir nicht zu folgen, Anführerin.“

Shannon machte den Platz wieder für Zirell frei, die darauf erklärte: „Na, das ist doch ganz einfach, Joran. Die Zusammenkunft will, dass wir die Föderation beim Wort nehmen. Wenn die meinen, es sei alles in Ordnung, dann ist alles in Ordnung. Wir haben alle Befehl, unseren Vergnügungen nach zu gehen und, sollte Sytania die Föderation doch angreifen, wird es eine ganze Weile dauern, bis sie von uns Hilfe erwarten können, denn wir müssen ja dann schließlich erst mal wieder diensttauglich werden. Bis dahin befehle ich Party bis zum Abwinken oder was ihr sonst so machen wollt.“ Alle verließen den Raum.

Mitten in der Nacht war Tabran erwacht. Er hatte gefühlt, dass der Platz neben ihm auf dem Lager leer war. Wo war Shiranach? Ihr würde doch wohl nichts zugestoßen sein. Er stand auf und ging aus dem Haus. Tatsächlich! Da war ihre Spur. Durch ihr leicht krankes linkes Knie war Shiranach sehr im Gang eingeschränkt und zog das linke Bein hinter sich her. Tabran folgte der Spur und fand seine 200-jährige Freundin bald am Fuß eines Wasserfalles am Flussufer, das ein Teil des Flusses war, dem sie zu Tabrans Haus gefolgt waren. In einiger Entfernung blieb der 190-jährige Vendar-Mann stehen und betrachtete seine traurig dreinschauende Freundin. Wenn er doch nur wüsste, warum sie sich so grämte. Eigentlich hatte er vor gehabt, ihr eine Frage zu stellen, die sie sicher erfreuen würde. Aber jetzt, so fand er, passte das gar nicht.

Tabran sah, wie Tränen über Shiranachs Gesicht rollten. Seine Shiranach, seine fröhliche liebe Shiranach, wie sah sie jetzt nur aus? Was konnte so schlimm sein? Er fasste sich ein Herz und ging näher. Vorsichtig nahm er ihren Kopf in die Hände. Shiranach hatte die Augen geschlossen, denn sie hoffte, so ihre Tränen verbergen zu können. Sie hatte ihn nicht angesehen, aber der ihr wohl bekannte Geruch seiner Hände hatte Tabran verraten.

Tabran kniete sich neben sie und drückte vorsichtig ihren Kopf an seine Brust, bevor er mit leiser mitleidiger Stimme fragte: „Telshanach, was ist dir?“ „Es wird Krieg geben.“, schluchzte die alte Vendar. „Ich habe eine Vision von der Wächterin empfangen. Sie warnt uns alle. Eine zarte Freundschaft wird zerbrechen. Eine verheiratete Frau, ein junger Mann, eine unbeabsichtigte Liebe, oh, Tabran!“ Wieder schüttelte sie ein Weinkrampf. Tabran spürte jede von Verzweiflung heiße Träne auf seinen Händen. Er wünschte, sein Fell könne sie alle aufsaugen und er könne irgendwie ihre Trauer wieder in Freude verwandeln. Er fühlte sich so schrecklich hilflos! Dies war ein Gefühl, welches Vendar-Krieger ohnehin nicht gern hatten, aber am Schlimmsten war es immer dann, wenn sie diese Hilflosigkeit gegenüber ihren Lieben verspürten. Das einzige, was Tabran jetzt noch einfiel war, ihr die Frage aller Fragen doch noch zu stellen. Vielleicht würde es sie ja doch erfreuen. „Durch diese und alle schlimmen Zeiten, aber auch durch gute Tage möchte ich mit dir gehen, Shiranach, Tochter von Nabrach, Ehefrau von Timan und Timan, Ehemann von Nabrach.“, setzte er mit dem Brustton der Überzeugung an, nachdem er vorsichtig ihren Kopf wieder ins Gras sinken gelassen hatte und aufgestanden war. Shiranach holte einige Male tief Luft. Dann stand auch sie auf und warf ihre Arme um Tabran. Sie küsste sein Brustfell wieder und immer wider. Tabran hatte langsam den Eindruck, sie wollte jedes Haar einzeln küssen. „Durch diese und alle schlimmen Zeiten, aber auch durch gute Tage möchte auch ich mit dir gehen, Tabran, Sohn von Sumach, Ehefrau von Miran und Miran, Ehemann von Sumach. Jetzt und für immer da.“ Beide fielen ins Gras und schliefen dort ein.

Über meinen Aufenthalt auf Betazed ließ sich nicht viel berichten, weil er nicht wirklich lang dauerte. Schon nach der ersten Therapiesitzung war mir klar, dass aus Professor Lwaxana Sudor und mir im Punkto Arzt-Patientenbeziehung nichts werden würde. Sie war ein Beispiel an Überheblichkeit, von dem sich sogar ihre bekannte Namensvetterin, zumindest, was den Vornamen anging, noch eine Scheibe hätte abschneiden können. Sie führte ihre Gespräche grundsätzlich telepathisch, was wohl ihre absolute Lieblingsmethode war. Anscheinend setzte sie auf Angstbekämpfung durch Konfrontation. Bei mir war das aber eher kontraproduktiv. Also ging ich am nächsten Morgen mit meiner aldanischen Lieblingskrankenschwester zum Sekretariat und ließ mich dort gegen ärztlichen Rat entlassen.

Wohin sollte ich jetzt gehen? Würde ich nach Terra zurückkehren, würde die ganze Tretmühle wieder von vorn beginnen. Eines stand fest: Ich benötigte dringend einen Tapetenwechsel. Mein Weg führte mich mit öffentlichen Transportmitteln zum Raumflughafen. In der Abflughalle mit den unzähligen Schaltern kam ich mir etwas verloren vor. Erst einmal würde ich eine öffentliche Sprechstelle aufsuchen und Cupernica von der Sache berichten müssen. Sie musste als meine behandelnde Ärztin ja schließlich wissen, dass das mit ihrem tollen Zentrum tierisch in die Hose gegangen war.

Data beantwortete den Ruf, was mich zunächst etwas wunderte, denn ich hatte eigentlich das Rufzeichen der Praxis eingegeben. „Bitte wundern Sie sich nicht, Betsy.“, erklärte mir der Android die Situation. „Der SITCH ist umgeleitet. Meine Frau arbeitet mit Fredy und Caruso. Die Platonierin ist hier und …“ „Verstehe.“, gab ich zurück. „Können Sie Cupernica bitte trotzdem holen, Data? Es ist sehr dringend.“ „Einen kurzen Augenblick bitte, Allrounder.“, sagte Data und hängte das Mikrofon ein, ohne die Verbindung zu beenden.

Wenig später hörte ich Cupernicas bekannte Stimme. „Was ist denn passiert, Betsy?“, fragte die Androidin fast mitleidig. „Warum sind Sie nicht mehr in der Klinik? Laut Rufzeichen sprechen Sie von einer öffentlichen …“ Bevor sie weiter reden konnte, platzte es aus mir heraus: „Oh, Scientist, ich habe das Gefühl, meine Ärztin hat ihre Approbation im Lotto gewonnen. Sie hat grundsätzlich mit mir telepathische Gespräche geführt. Dabei ist das genau das, vor dem ich solche Angst habe. Ich habe Angst, dass jemand unbefugt in meinen Geist eindringt und dann …“ „Das kann doch nicht wahr sein!“, rief Cupernica aus und ich hätte fast meinen können, wäre sie keine künstliche Intelligenz, ziemliche Wut in ihrer Stimme zu hören. „Wie gründlich lesen die eigentlich Vorberichte? Ich hatte ausdrücklich geschrieben, dass Sie keine Kandidatin für die Konfrontationstherapie sind.“ „Das K haben die wohl geflissentlich überlesen.“, schluchzte ich ins Mikrofon. „Wir müssen wohl eine andere Möglichkeit finden.“ „Bestätigt.“, antwortete Cupernica. „Aber erst mal sollten Sie sich von dem Schock erholen. Über einen neuen Therapieversuch können wir später noch einmal reden. Jetzt sind Sie zu so etwas nicht in der Lage. Sie machen erst mal medizinisch verordneten Urlaub.“ Damit beendete sie die Verbindung.

Ich machte die Kabine für jemanden aus der Schlange hinter mir frei, die mittlerweile schon sehr lang geworden war. Immer noch stand ich verloren zwischen den Schaltern. Plötzlich krähte eine Kinderstimme durch die gesamte Abflughalle: „Da ist Betsy! Mum, Dad, guckt mal, da ist Betsy!“ Auch ich hatte jetzt die Stimme des kleinen David Handerson erkannt und ging vorsichtig in die Richtung, aus der sie gekommen war.

Endlich hatte ich die Handersons erreicht. „So schnell sieht man sich wieder, Allrounder.“, lächelte Mrs. Handerson. Überrascht erwiderte ich: „Was tun Sie denn hier auf Betazed? Ich meine, es ist die Heimat Ihres Mannes, aber …“ „Wir besuchen Grandma und Grandpa.“, quietschte David, der offensichtlich sehr erfreut war, mich wiederzusehen. Es schien dem kleinen Jungen nicht das Geringste auszumachen, dass ich jetzt nicht mehr die coole Betsy war, die ihm im Park von Little Federation bei den Hausaufgaben geholfen hatte, sondern ein Häufchen Elend. Jetzt schien er aber doch gemerkt zu haben, dass es mir nicht gut ging. „Du brauchst nicht traurig zu sein, Betsy. Meine Mum und mein Dad sagen, dass wir noch ganz viel Urlaub übrig haben, aber wir wissen nicht, wo wir noch hin sollen. Vielleicht kannst du ja was aussuchen, wo wir alle vier hinfliegen können. Du wirst sehen, das wird bestimmt lustig.“ Irgendwo hatte David Recht. Spontane Urlaube waren immer noch die Besten und wenn man schon mal eingeladen wurde …

Ich ging voran zu einem der Schalter und fragte den dortigen Mitarbeiter, einen Terraner mit Bierbauch und von ca. einem Meter achtzig: „Entschuldigen Sie bitte, Mister, wo haben Sie noch spontan etwas für eine Vierergruppe frei?“ Er ließ seinen Blick über einige Listen schweifen und brummelte schließlich: „Interdimensionsliner nach Tindara, Gate 10. Geht in einer halben Stunde.“ Anscheinend hasste er Last-Minute-Touristen, da diese ihm wohl seinen ganzen wohl geplanten Ablauf durcheinander brachten. Ich bedankte mich höflich und winkte meinen drei Mitreisenden dann, mir zu folgen.

„Ich will bei Betsy sitzen!“, quietschte David dem celsianischen Flugbegleiter entgegen, der uns zu unseren Plätzen brachte. „Aber klar doch, kleiner Mann!“, gab der Celsianer schmissig zurück und verfrachtete David in meine Sitzreihe. Dann schickte der etwas untersetzte schätzungsweise 1,60 m große Witzbold sich an, uns wieder zu verlassen, um sich um andere Passagiere zu kümmern.

Ich war mit einem Unterhaltungsmedium beschäftigt, als David mich vorsichtig in die Seite piekste. „Was ist, wenn wir abstürzen, Betsy?“, fragte er ängstlich. Ich glaubte zunächst, mich verhört zu haben. Er hatte doch auch den Flug von Terra nach Betazed hinter sich gebracht und nun hatte er auf einmal Flugangst? „Da wird schon nichts passieren, David.“, beruhigte ich ihn. „Der Start geht sicher glatt und wenn wir erst mal im Weltraum sind …“ „Wenn es doch nur schon so weit wäre.“, weinte David. Jetzt war es mir klar. Er hatte keine Angst vor dem Flug, sondern vor dem Start. Die Umweltkontrollen in Passagiershuttles des 30. Jahrhunderts konnten zwar die meisten Dinge kompensieren, dennoch waren gerade Kinder für eine so genannte Startängstlichkeit sehr anfällig. Das Phänomen kannte ich. Ich selbst hatte bereits mehrere Kurse gegen dieses Problem geleitet, in denen die Teilnehmer ausschließlich Zivilisten waren. Auch viele Kinder waren darunter. Wegen des komischen Gefühls beim Start glaubten viele dieser Kinder, das Schiff kippe um oder sie würden vom Sitz schweben und nie wieder auf den Boden kommen. Ich tippte auf den Knopf an der linken Seitenlehne von Davids Sitz. „Drück mal drauf.“, lächelte ich. Vertrauensvoll tat David, worum ich ihn gebeten hatte. Mit einem leisen Summen aktivierte sich das Sicherungskraftfeld. „Jetzt lass dich mal ganz schnell nach vorn fallen.“, instruierte ich ihn weiter. David tat dies und spürte, wie das Feld ihn in den Sitz zurück drückte. „Ui, Betsy, das hat Spaß gemacht.“, freute er sich. „Siehst du?“, erklärte ich. „Das Feld macht, dass du nicht aus dem Sitz fällst und das Schiff kippt auch nicht um. Erst geht die Nase hoch, denn sie ist das Leichteste. Deine Nase ist ja auch ganz leicht!“ Dabei griff ich ihm schelmisch an selbige. David musste lachen. „Aber genau wie du auch, merkt auch das Schiff, dass es nicht im Gleichgewicht ist. Da gibt es ein Programm, das heißt elektronische Trimmung. Die macht, dass der Rest bald ganz schnell hinterher kommt.“, erklärte ich weiter. „Danke, Betsy.“, sagte David erleichtert. „Jetzt habe ich keine Angst mehr.“ Techniker Handerson atmete erleichtert auf. „Gut, dass Sie vom Fach sind, Allrounder. Ich hätte nicht gewusst, wie ich es ihm noch erklären sollte und meine Frau hat auch nichts Anderes gewusst, als ihm Medikamente zu geben. Heute morgen haben wir die aber leider vergessen. Aber jetzt haben wir ja Sie, Fliegerin.“ Ich lächelte gewinnend.

Zirell flanierte auf der obersten Ebene ihrer Station entlang. Plötzlich hörte sie hinter sich eine bekannte männliche Stimme. „Zirell, auf ein Wort.“ Sie drehte sich um und erkannte Maron, der sich ihr schnellen Schrittes näherte. „Komm, wir gehen in meinen Bereitschaftsraum.“, wies sie ihren ersten Offizier an.

Sie gingen einige Schritte geradeaus, um dann rechts um die Ecke zu biegen und schließlich in einen hellen Raum mit freundlichen Vorhängen und einem großen Schreibtisch mit zwei weichen Sesseln zu gelangen. „IDUSA, Tür verriegeln und ich bin nicht zu erreichen. Ach ja, Agent Maron auch nicht!“, befahl Zirell dem Stationscomputer. Sie ahnte wohl schon, dass dies eine längere Diskussion werden würde. Mit den Worten: „Setz dich.“, deutete sie auf einen der Sessel, bevor sie sich auf den anderen setzte.

Maron und sie saßen sich jetzt schweigend gegenüber. Schließlich fragte Zirell: „Wo drückt denn nun der Schuh?“ Der Demetaner nahm einen großen Schluck Kaffee aus der vor ihm stehenden Tasse und antwortete dann: „Zirell, es liegt mir fern, über deine Entscheidungen oder die der Zusammenkunft zu urteilen und diese lang mit dir zu diskutieren, aber …“ „Warum?“, unterbrach sie ihn. „Dir als meinem ersten Offizier steht es frei, über meine Entscheidungen mit mir zu diskutieren. So ist das tindaranische Recht. Das mag zwar bei der Föderation anders gewesen sein, irgendwie absolutistischer, aber hier darfst du das.“ Bei ihren letzten Worten konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie hoffte, dass Maron merken würde, dass sie reichlich übertrieben hatte. Er wusste, dass sie auf den Umstand anspielte, dass Maron seit einem hier nicht zu erwähnenden und zu weit führenden Zwischenfall nicht mehr für den Geheimdienst der Föderation, sondern für den der Tindaraner arbeitete.

Maron versuchte krampfhaft, den verlorenen Faden wieder zu finden. Sie hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Sie hatte ihn völlig aus dem Konzept gebracht. Das gelang ihr eigentlich jedes Mal. Als Demetaner hatte sich Maron eigentlich für schlagfertiger gehalten. Aber irgendwie gelang es ihm fast nie, ihr etwas entsprechendes entgegen zu setzen. Maron war die steife und oft unflexible Art der Föderationsführung gewohnt, die Sytania auch schon oft zum eigenen Vorteil und zum Nachteil der Föderation ausgenutzt hatte. Was musste Sytania die Tindaraner hassen! Sie waren nicht nur ebenfalls Telepathen und Telekinetiker, nein, sie waren auch noch flexibel und boten somit für ihren Psycho-Krieg keine Angriffsfläche. Im Stillen bewunderte Maron die Zusammenkunft, also die tindaranische Regierung, dafür.

„Ich zähle bis drei!“, sagte Zirell sehr bestimmt. „Wenn du bis dahin nicht redest, hole ich mir die Informationen, indem ich deinen Geist um und um drehe. Ich habe mir sagen lassen, dass dies nicht sehr angenehm ist, wenn ich das mache!“ „Dieser Befehl.“, unternahm Maron einen zarten Versuch. „Er ist doch irgendwie unklug. Was ist, wenn Sytania Tindara angreift und niemand da ist, der es verteidigen kann. Wenn alle Befehl haben, zu feiern bis die Schwarte kracht, ist doch kein Pilot nüchtern genug um zu …“ Zirell schlug beruhigend die Augen nieder und fasste langsam nach seiner linken Schulter. „Ruhig Blut, Maron. Ach, so seid ihr Demetaner eben. Immer müsst ihr euch um alles sorgen. Aber keine Angst, dafür ist vorgesorgt.“, sagte sie und legte mit der anderen freien Hand einen Datenkristall in IDUSAs Laufwerk. Dann befahl sie dem Rechner etwas auf Tindaranisch, das Maron nicht verstehen konnte. Alsbald erschien das Gesicht der Vorsitzenden der Zusammenkunft auf dem Schirm und deren Stimme sagte ebenfalls tindaranische Worte. Dann verschwand das Gesicht wieder. „Was war das denn, Zirell?“, fragte ein völlig fassungsloser Maron. „Spezialbefehle für die Führungskräfte.“, erklärte Zirell. „Die Zusammenkunft will, dass ich zum Beispiel die Patrouillen mit IDUSA selbst fliege. Damit rechnen wahrscheinlich weder deine Föderation noch Sytania. Bei euch hätten Stationskommandanten so etwas ja nicht nötig, stimmt das?“ Maron pfiff staunend durch die Zähne. So eine Hinterlist hätte er noch nicht einmal seinem eigenen Staatsoberhaupt zugetraut. „Ich habe die Befehle doch auch gelesen.“, wunderte er sich. „Warum bin ich da nicht dran gekommen?“ „Weil du kein Tindaranisch sprichst.“, grinste Zirell.

Jenna hatte in ihrem Quartier den Ohrhörer im Ohr. Sie war über SITCH mit Shimar verbunden, dem sie wohl gerade etwas auseinandersetzte. „Vielleicht kannst du mir erklären, Genie, warum die Zusammenkunft für uns alle den Heimaturlaub verlängert hat.“, forderte der tindaranische Patrouillenpilot mit ziemlichem Nachdruck. „Das kann ich allerdings.“, sagte Jenna mit extrem übertriebener Sachlichkeit in der Stimme. „Wir nehmen die Föderation beim Wort. Wenn die glauben, es sei alles OK, dann ist alles OK. Zumindest lassen wir sie das glauben. Es gibt da ’n paar Heimlichkeiten im Hintergrund, aber das wissen die ja nicht. Gut, ich gebe zu, dass ich oder besser Joran und ich an diesem Plan nicht ganz unschuldig sind. Jetzt sag bitte nicht, dir fällt zu Hause die Decke auf den Kopf.“ „Ne, ne, Jenn’.“, grinste Shimar ins Mikrofon. „Ich habe nur Sehnsucht nach IDUSA.“ „Warte ab, Fliegerass.“, frotzelte Jenna zurück. „Die siehst du schon früh genug wieder.“

„Telshanach?“, fragte eine Stimme hinter Jenna. Sie drehte sich langsam um und erblickte Joran. „Mit wem hast du gesprochen?“ „Mit deinem besten Kumpel Shimar.“, entgegnete Jenna. „Ach so.“, sagte der Vendar und die Terranerin glaubte sogar, etwas Enttäuschung in seiner Stimme wahrnehmen zu können. „Ich dachte, du würdest mit der Zusammenkunft über …“ „Über deren Befehle?“, wollte Jenna wissen. „Dazu habe ich erst mal gar nicht die Berechtigung und zum Zweiten ist der Befehl der Zusammenkunft doch eigentlich Wasser auf deine Mühle. Du wolltest doch schon immer mal, dass wir der Föderation ihre Naivität vor Augen führen, oder?“ „Ja.“, bestätigte Joran. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass wir das wirklich einmal tun.“ „Dann müsstest du ja eigentlich positiv überrascht sein, hm … Oh.“, sagte Jenna und wandte sich IDUSAs Bildschirm zu, auf dem gerade eine SITCH-Mail eingegangen war. Jenna überflog diese flüchtig und sagte dann: „Dein bester Kumpel will, dass wir zu ihm kommen. Bezüglich Unterkunft hat er schon alles arrangiert. Aber, wir kommen auch nicht mit leeren Händen. Ich warte IDUSA und dann bringen wir sie mit. Sie möchte sich bestimmt auch mal wieder mit anderen Einheiten auf einer Werft austauschen. Ich rede mit Zirell und dann hoffe ich, dass wir in drei Tagen abfliegen können.“ „OK, Telshanach.“, stimmte Joran zu.

„So komm doch ins Bett, Cirnach.“, beschwerte sich Telzan. Seit vielen Nächten hatte seine Frau mehr Zeit mit dem Pad verbracht, als sie ihm Zärtlichkeit gegeben hatte. Mittlerweile war Cirnach bei den griechischen Sagen hängen geblieben. Dort hatte ihr es insbesondere die Geschichte von Troja angetan. Sie fühlte, dass hier der Schlüssel liegen musste. Viel war ja auch nicht mehr da. Alles andere hatte Cirnach schon als nicht geeignet aussortiert. „Gib mir noch eine Nacht, Telzan.“, bat sie. „Dann werde ich wissen, ob sich diese Geschichte für einen Vergeltungsplan eignet. Nur noch eine Nacht, eine Nacht.“ Telzan hatte Vertrauen zu seiner Frau. Sytania hatte ihm zwar sein Versagen vorgeworfen, hatte ihm aber gleichzeitig Wiedergutmachung durch Cirnach in Aussicht gestellt. Sie würde seinen Kopf dann nicht rollen lassen, wenn Cirnach eine Möglichkeit finden würde, das wusste der Vendar. Also konnte er auch noch eine Nacht warten, wenn er im Gegenzug dazu sein Leben behalten durfte.

Shiranach und Tabran erwachten wieder auf ihrem Lager in ihrem Haus. Neben ihnen auf einem Schemel saß die Wächterin. Sie lächelte freundlich, als sie sah, dass beide fast gleichzeitig die Augen aufschlugen. „Na, seid ihr wieder bei uns?“, fragte sie mild. Tabran setzte sich auf und fragte irritiert: „Wie kommen wir wieder in unser Haus?“ „Das habt ihr mir zu verdanken.“, antwortete die Wächterin. „Ich fand euch und teleportierte euch her. Hat euch wohl ziemlich umgehauen, die Sache mit dem Heiratsantrag, was?“ „Nicht nur das.“, antwortete Tabran etwas vorwurfsvoll. „Warum hast du meiner armen Shiranach so eine schreckliche Vision gesendet?!“ „Weil es die Wahrheit ist.“, erwiderte die Wächterin ungerührt. „Ich will, dass ihr wisst, was demnächst auf uns alle zukommen wird. Warnt die Betroffenen, denn nur so könnt ihr es verhindern!“ Bei ihren letzten Worten hob die Wächterin warnend die rechte Hand und streckte ihren Zeigefinger aus.

Tabran spürte, dass das Gespräch die immer noch neben ihm liegende Shiranach sehr ängstigte. Deshalb hielt er es für besser, schnell ein erfreulicheres Thema anzuschneiden. „Vergib mir, Wächterin.“, setzte er an. „Shiranach und ich würden gern zwar nach vendarischem Ritus, aber mit tarianischen Elementen und auf der Station von Anführerin Zirell heiraten. Um dort hin zu gelangen, brauchen wir allerdings ein Schiff …“ Bevor er weiter sprechen konnte, gab es einen weißen Blitz und die Wächterin sagte: „Einmal Raumschiff! Kommt sofort!“ Dann verschwand sie. Ungläubig staunend schlich Tabran vor das Haus. Hier stand auf der Wiese tatsächlich ein nagelneues Veshel. Das hatte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemahlt. Auch Shiranach war jetzt langsam hinzugekommen, blieb aber in einiger Entfernung stehen. „Komm ruhig näher, Telshanach.“, ermunterte Tabran sie. „Es ist kein Traum. Es ist echt.“ Er berührte den Türsensor, worauf die Tür zur Seite glitt. Dann warf er einen kurzen fachkundigen Blick über die Steurkonsole. „Sie hat sogar einen Interdimensionsantrieb. Damit kommen wir sicher nach Tindaria. Na komm, lass uns keine Zeit verlieren!“ Zögernd ob der Situation stieg Shiranach zu ihm ins Cockpit. Sie hatte ihm einen Großteil ihrer Vision verschwiegen. Es würde allein an ihr sein, die Betroffenen zu warnen.

„Ach, das ist ja so süß von euch!“, entgegnete Zirell, als Jenna ihr Jorans und ihren Plan mitteilte. „Natürlich kriegt ihr IDUSA dafür! Du hast schon Recht. Sie wird es sicher sehr erholsam finden, mal wieder unter ihresgleichen zu sein. Auch sie hat ja schließlich ein Recht auf Urlaub. Übrigens, wo hast du Joran gelassen?“ Jenna lächelte. „Ah, verstehe.“, sagte Zirell. „Den hast du zum Kofferpacken abkommandiert.“

Ein plötzliches nervöses Blinklicht auf der Konsole ließ Zirell und Jenna ihre Neurokoppler aus der Tasche holen und anschließen. Die IDUSA-Einheit der Basis lud ihre Reaktionstabellen. „Was ist los, IDUSA?“, fragte Zirell. „Das interdimensionale Sensorengitter hat ein kleines Schiff ausgemacht, das kein Transpondersignal sendet. Seiner Bauart nach könnte es Vendar sein. Aber alle Vendar-Rebellen und ihre Schiffe sind auf New-Vendar-Prime. Die Zusammenkunft glaubt, es handelt sich um einen feindlichen Vendar, der so tun soll, als sei er einer unserer Freunde. Sie haben Abfangjäger aufsteigen lassen, die ihn zur Strecke bringen sollen. Wir kennen aber doch noch eine andere Möglichkeit, nicht wahr?“ Der konspirative Ton des Rechners ließ für kurze Zeit ein Lächeln über das Gesicht der Stationskommandantin huschen. Dann wurde Zirell aber sofort wieder ernst und befahl: „Wenn du ein Bild vom Inneren des fremden Schiffes hast, IDUSA, dann zeig es uns!“ IDUSA kam ihrem Befehl nach. „Um Himmels Willen!“, rief Zirell aus. „Tabran!“ Dann wandte sie sich an Jenna: „Unterziehe das Schiff einem Schnellcheck! Ich muss denen unbedingt klar machen, auf wen die da schießen. Notfalls werde ich unseren Freund auch verteidigen!“ Jenna nickte und die Frauen stürzten aus der Tür des Bereitschaftsraumes in Richtung eines Turboliftes, der sie zur Shuttlerampe brachte.

Tabran versuchte alles, um den auf sein Schiff schießenden Shuttles auszuweichen. Noch wollte er die Waffen nicht einsetzen. „Bitte, Telshan.“, bat Shiranach, der es angesichts der Gefahr doch etwas mulmig wurde. „Lass mich ans Waffenpult gehen und uns verteidigen.“ „Nein.“, erwiderte Tabran bestimmt. „Wir müssen ihnen zeigen, dass wir keine Aggressionen gegen sie hegen. Du musst einfach nur Geduld haben. Irgendwann werden sie mich hoffentlich erkennen und aufhören, uns für den Feind zu halten. Vielleicht hätte besser ich am SITCH um Einflugerlaubnis in die Dimension gebeten. Meine Stimme kennen sie, deine nicht. War wohl mein Fehler.“

Jenna hatte ihr Arbeitspad entfernt. „IDUSA geht es gut, Zirell.“, diagnostizierte sie. Dann verließ sie das Cockpit. Jetzt waren Zirell und IDUSA allein. „Starten wir!“, befahl Zirell. Das Schiff kam ihrer Aufforderung nach.

„Sollten wir nicht doch schießen?“, fragte Shiranach ängstlich. „Nein.“, erwiderte Tabran. „Wenn wir schießen, stärken wir nur ihre Vermutung, wir seien ein Feind. Ich hoffe immer noch auf die Vernunft der Tindaraner. Die sind ja sonst nicht so. Halt dich fest, Telshanach!“ Tabran aktivierte die Schubumkehr und drückte das Schiff herunter. Dann schaltete er den Antrieb wieder auf Geradeausflug um. So gelang es ihm gerade noch, unter einem herannahenden Torpedo hindurch zu tauchen. „Der Wächterin sei Dank ist dieser Antrieb extrem reaktionsfreudig.“, stellte er fest.

„Ich sehe eine große Anzahl tindaranischer Jäger, die ein kleines Veshel verfolgen.“, gab IDUSA Zirell einen knappen Bericht. „Verbinde mich mit dem Führungsschiff!“, befahl die tindaranische Kommandantin. IDUSA ließ ein paar kurze Schaltketten durchlaufen und sagte dann: „Sie können sprechen.“ „Commander der Abfangstaffel, hier ist Commander Zirell von Basis Alpha 281. Der Vendar-Pilot ist ein Freund. Ich weiß nicht, wer die Frau ist, die neben ihm sitzt, aber ich kenne Tabran und weiß, dass wir von ihm nichts zu befürchten haben. Lass sofort das Feuer einstellen. Ich wiederhole, lass sofort das Feuer einstellen!“ „Es erfolgt keine Reaktion auf Ihren SITCH.“, analysierte IDUSA. „Na schön.“, schnippte Zirell. „Dann müssen jetzt wohl Taten folgen. Volle Wende und Schilde hoch. Zeigen wir ihnen, dass mit mir nicht gut Kirschenessen ist, wenn man einen Freund von mir bedroht!“ „Habe ich Sie richtig verstanden, Zirell?“, fragte das Schiff. „Sie wollen auf Ihre eigenen Kameraden …“ „Klar!“, bestätigte Zirell. „Wenn die Hornochsen noch nicht mal in der Lage sind, Freund und Feind zu unterscheiden, muss es jemanden geben, der ihnen mal wieder etwas Verstand in die Birne schießt. Oder, was meinst du?“ „Bestätigt.“, antwortete IDUSA und führte die Befehle aus. Dann sagte sie: „Haben Sie bemerkt, dass Sie gerade wie Shannon klangen?“ Ihr Satz entlockte Zirell nur ein müdes: „Ups.“

 

 

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