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Ich bin´s wieder, Flexy.

So ein Raumschiffkommandant hat es nicht leicht. Von morgens bis abends ist er für das Schiff und seine Crew zuständig. Er ist das Gehirn und das Herz, er ist die oberste Instanz. Ein Job, der der Traum eines jeden Ensigns ist. Ein Alptraum für jene Ensigns, die Captain geworden sind...

***
"Ich kann nicht mehr!" Carters Finger krallten sich in das weiche Kissen, während er neben Chucky und Isolde auf dem Sofa saß. "Diese Crew macht mich noch wahnsinnig!" - "Na, Captain, so schlimm wird es doch wohl nicht sein.", beschwichtigte Chucky. - "Nein, es ist noch schlimmer! Womit habe ich nur diese Crew verdient??"- "Nu erschählen Sisch mal Schucky, wasch los isch.", nuschelte Isoldes Partner.

Carter knüllte das Kissen noch mehr zusammen. "Da ist Soleta mit ihrer ständigen Art, Alles besser zu wissen. Sie widerspricht mir ständig und stets, und das auch noch bevor ich überhaupt noch was gesagt habe! John, dessen Leistungen sich darin spiegeln, dass er versucht, 30 Zuckerkringel gleichzeitig in den Mund zu kriegen. Tr`Vak, der jede Außenmission damit beginnt, dass er erklärt, dass heute ein guter Tag zum Sterben sei - selbst wenn wir nur da unten sind, um Beeren zu sammeln. Flexy...ach Gott ja...stolpert von einem Fettnäpfchen ins nächste...." - "Diese jungen Menschen an Bord des Schiffes müssen erst noch lernen, Captain. Sie sind zu streng mit ihnen." - "Bitte?"

Carter fuhr hoch. "Strenge ist gut. Strenge heißt Disziplin! Aber...es sind ja nicht nur meine Jungen. Meine Senioroffiziere sind es leider auch...stellen Sie sich vor, der Doktor hat tatsächlich fünf Jukeboxen für die Krankenstation beantragt, weil die Patienten sich dann ihre Lieblingsmusik aussuchen könnten. Wo sind wir denn hier? Bei Saturday Night Fever? Mein unsichtbarer Chefingenieur probiert gerade aus, ob man ihn mit Ketchup besser sieht...ihn sieht man nicht besser, aber man sieht die Dreckspur, wo er lang gekommen ist. Hip & Hop habe ich nur mit Mühe klarmachen können, dass es nicht groovy ist, wenn das Schiff sich um 360 Grad dreht, ohne dass man die Trägheitsdämpfer aktiviert hat..."

Isolde nickte. "Ich verstehe, Captain. Und ich glaube, ich kann Ihnen helfen. Was Sie brauchen, ist ein Stresskiller. Was Sie brauchen, ist Karl, die Klückskartoffel." - "Karl, die...was?"

"Karl, die Klückskartoffel. Sie wissen ja, wir verkaufen auch hin und wieder nützliche Dinge an die Crew, um ihre Spiritualität zu fördern. Karl ist eines unserer Produkte." Doppelkopf stand auf und öffnete eine Truhe am anderen Ende des Raumes. Eine Weile kramte das Geschöpf, dann holte es etwas heraus und kam zurück: "So, das ist Karl."

Carter stierte auf das Objekt in der Hand: "Das...öhm...Sie...Sie wissen aber schon, dass das ein Plüschtier ist, ja?" - "Ja, schon. Aber Karl ist kein gewöhnliches Plüschtier. Karl ist Ihr persönlicher unsichtbarer Freund. Wenn Sie wütend werden, können Sie ihn anschreien. Sie können ihn mit der Faust zermalmen, auf ihm herumtrampeln - er ist aus elastischem Material, es macht ihm also nichts aus. Karl ist immer gelassen, Karl ist immer ruhig. Versuchen Sie immer daran zu denken, was Karl tun würde. Sie werden sehen, in rund zwei Wochen werden Sie vollkommen relaxt sein."

Carter zögerte: "Ich...weiß nicht, ich bin ein erwachsener Mann...ich glaube, es kommt nicht so gut, wenn ich mit...Plüschkartoffeln spiele." - "Captain, Ihre Männlichkeit ist hier fehl am Platz. Sie stehen kurz vor dem Burn-Out. Karl wird Ihnen helfen, wenn Sie Karl helfen lassen. Versuchen Sie es doch einfach." -"Na gut...versuchen kann ich es ja..."

***

Und so befolgte Carter den Rat. Zunächst verheimlichte er die Puppe vor uns seiner Crew, er ließ seinen Frust und Ärger im Quartier aus. Aber nach gut zwei Wochen tat er dies nicht mehr. Karl durfte nun mit, wenn er seinen Dienst tat. Zunächst als Anhänger, dann auf seiner Schulter. Carter hielt sich an Doppelkopfs Ratschläge - wann immer die Situation schwierig war, fragte er sich, was Karl tun würde.

*** 

Es waren vier Wochen vergangen, als die Brückencrew am "Bordmorgen" ein Alarm weckte. Ein Shuttle war ohne Befugnis von der Hippo gestartet, jemand hatte das System kurzfristig sabotiert. Die Überraschung erwartete uns, als wir Kontakt zu dem Shuttledieb aufnahmen.

"Hallo...!" Carters grinsendes Gesicht erschien auf dem Schirm. - "Captain....Sie...was tun Sie da? Kommen Sie sofort zurück?" - "Hmmm...nein, nein..." Carter schüttelte den Kopf und grinste. "Karl hat gesagt, wenn ich keine Lust mehr habe, Kommandant zu sein, dann muss ich das auch nicht. Ich fliege jetzt zur Erde zurück und bleibe da." - "Captain...wir sind in der Nähe von Bajor unterwegs...wissen Sie, wie lange Sie mit dem Shuttle fliegen?" - "Ist mir egal. Karl, meine Klückskartoffel wird mich führen. Karl weiß alles."

Der Doktor knurrte. "Verdammt noch mal, der ist ja völlig durchgedreht. Ich werde mir Chucky und Isolde Doppelkopf mal vorknöpfen. Und ihr haltet den Captain auf."

Den Captain aufhalten war leichter gesagt als getan. Der Captain sauste nämlich mit dem Shuttle davon, bevor der Traktorstrahl einsatzfähig war. Also begannen Hip & Hop mit einer Verfolgungsjagd. Währenddessen schnauzte T.Enor Isolde und Chucky zusammen: "Was habt ihr euch gedacht? Euer Karl die Klückskartoffel hat den Captain zu einem verblödeten Teenager gemacht, der gerade das Schiff verlassen hat und in seinem Kartoffeltrip sich noch den Hals brechen wird. Es scheint gerade so, als habe euer Spielzeug ihn hypnotisiert." - "Hypo...?" Isolde wurde bleich. "Oh..nein...nein..." Sie rannte zur Truhe. "Das ist alles unsere Schuld.", jammerte sie, als sie wieder herumgekramt hatte. "Wir haben ihm nicht Karl, die Klückskartoffel gegeben. Wir haben ihm Hypno, die hypnotische Kartoffel gegeben. Hypno ist mit einem Duftgel eingerieben, das dem Besitzer vorgaukelt, die Plüschkartoffel könnte sprechen. Wir nutzen es manchmal, wenn wir in spirituelle Sitzungen eintauchen wollen." - "Karl? Hypno? Wie viele Plüschkartoffeln habt ihr denn?" - "27."

***

Irgendwie gelang es uns doch, den wilden Kommandanten einzufangen, nachdem er - weil Karl/Hypno es ihm gesagt hatte - fünf Befehle gleichzeitig in den Computer eingegeben und damit den Antrieb überlastet hatte. Carter wanderte in die Obhut von T.Enor, der seine Mühe hatte, ihn von seiner geliebten Klückskartoffel zu trennen, um ein Serum zu entwickeln, das Carter wieder normal machen würde. Carter verhielt sich wie ein kleines Kind. Er schrie und tobte, warf Mobilar herum und drohte T.Enor mit hunderten von Qualen. Eineinhalb Wochen dauerte die Behandlung, bis Carter wieder halbwegs auf den Beinen war - und auf die Brücke zurück durfte.

"Ich hoffe, das mit Karl war Ihnen eine Lehre.", sagte Soleta zu ihm. - "Das war es." - "Dann haben Sie also gelernt, dass man geistige Reinheit nicht mit Götzen erwirkt und dass man sich seinen Problemen stellen sollte?" - "Das sowieso.", erwiderte Carter. "Vor allen Dingen aber habe ich genug, das diese Plüschkartoffeln nicht gut für mich sind." - "Sehr gut, Captain...sehr.."- "Und deswegen..." Carter lächelte und öffnete seine Hand. "...habe ich mir ein neues Plüschtier geholt, das garantiert harmlos ist. Wolki, das Plüschwölkchen.."

Bis zum nächsten Mal.  

 

 

 

 

 

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