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Eludeh und ich waren in der Bunkerkapsel angekommen. Sie war relativ spartanisch eingerichtet, zumindest im Vergleich zu einem normalen Quartier. Außerdem gab es keine Sprechanlage, denn jede elektronische Aktivität hätte einem Feind ja verraten können, dass sich jemand darin befände. Biozeichen wurden durch die spezielle Bauweise nach außen abgeschirmt. „Warum will Zirell, dass wir uns hier aufhalten, Allrounder?“, fragte Eludeh. „Hier sind Sie am sichersten.“, entgegnete ich. „Sie befürchtet wohl, dass Ihre Leute sie holen kommen könnten.“

Maron und Shimar waren unterwegs. Der Tindaraner hatte das Shuttle auf Marons Befehl dicht bei Khitomer aus dem Interdimensionsmodus genommen. So dicht, wie es sich noch niemand vor ihm getraut hatte. „Jetzt weißt du, warum sie mich mitgeschickt hat.“, sagte Shimar. „Allerdings.“, entgegnete Maron. „Du bist der einzige Pilot, der sich solche halsbrecherischen Dinge traut. Sag IDUSA, sie soll mich direkt in den Konferenzraum beamen.“ „Das kann sie nicht.“, entgegnete Shimar. „Was soll das heißen?“, fragte Maron empört.

Shimar nahm einen zweiten Neurokoppler aus einem Fach unter IDUSAs Steuerkonsole, gab ihn Maron und befahl dem Schiff, dessen Reaktionstabelle zu laden. „Über dem Gebäude.“, begann IDUSA. „Befindet sich ein nihillanisches Militärshuttle mit einem aktiven Transporterscrambler an Bord. Ich kann Sie aber in eine Jeffriesröhre in der Nähe beamen.“ „Auch gut.“, antwortete Maron. „Solange ich dort in einem Stück ankomme, soll es mir recht sein. Den Weg finde ich dann schon.“

Diverse Politiker von Rang und Namen hatten sich im großen Saal eingefunden. Auch Ethius war von Evain dort hin gebeamt worden. Selbstverständlich hatte sie zu diesem Zweck den Transporterscrambler kurzzeitig deaktiviert. Jetzt hatte sie Befehl, mit dem Schiff über Khitomer zu warten. Die Interdimensionsminen, die das nihillanische Militär in der interdimensionalen Schicht ausgelegt hatte, sollte sie nur dann aktivieren, wenn etwas nicht nach Plan lief.

Nugura stand am Rednerpult. „Heute ist ein denkwürdiger Tag.“, begann sie eine Rede. „Heute werden wir Nihilla in die Föderation aufnehmen. Ich bitte daher jetzt Präsident Ethius von Nihilla zu mir, damit wir gemeinsam den Vertrag unterzeichnen können. Lange Verhandlungen liegen hinter uns. Ja, sehr lange, in denen es sicher auch große Klüfte zu überwinden gab. Aber das ist uns jetzt ja gelungen.“

Dass Nugura mit ihrem letzten Satz eigentlich gelogen hatte, war Maron, der inzwischen sehr nah am Ort des Geschehens war, bewusst. Er wusste, dass Nugura sich Ethius geradezu angebiedert hatte. „Beeil dich, verdammt noch mal!“, motivierte er sich. „Zu dieser verdammten Unterzeichnung darf es nicht kommen! Los, such endlich diese verdammte Einstiegsluke!“

Ängstlich saß Eludeh neben mir im Bunker. Sie hielt das Ei fest an sich geschmiegt. Es hatte die Größe eines Straußeneies und seine Schale entsprach auch dieser Dicke.

Plötzlich stieß sie mich an. „Ich glaube, das Kleine will raus!“, rief sie mit sorgenvoller Stimme. Ich überlegte, wie ich das verifizieren konnte. Meinen Erfasser hatte ich nicht bei mir. Aber Gott sei Dank hatte ich ja zwei gesunde Ohren. „Geben Sie mir das Ei.“, sagte ich freundlich aber bestimmt. Eludeh übergab es vorsichtig an mich. Ich legte mein rechtes Ohr an die Schale. Jetzt hörte ich ein gleichmäßiges Ticken. „Eludeh?“, wandte ich mich an sie. „Wo ist bei euren Eiern die dünnste Stelle?“ „An der stumpfen Seite.“, antwortete sie. Dann fügte sie hinzu: „Hören Sie es etwa dort?“ Ich nickte und sie gab einen Angstschrei von sich. „Es ist zu früh!“, rief sie sorgenvoll. „Es ist eine ganze Woche zu früh!“ Ishan., dachte ich. Du musst irgendwie Ishan erreichen. „Hören Sie zu, Eludeh.“, erklärte ich. „Wir haben zwar keine Sprechanlage und IDUSA hat die Türen des Bunkers protokollgemäß verriegelt, aber ich habe mein Handsprechgerät. Damit werde ich jetzt versuchen, Ishan zu erreichen, damit er uns Anweisungen geben kann.“ „OK.“, antwortete Eludeh.

Unter tosendem Applaus war Ethius zu Nugura auf die Bühne vor das Rednerpult getreten. Hier hatte er von Saron das Pad mit dem Vertrag entgegengenommen. „Ethius, Staatsoberhaupt der Nihillaner.“, hatte er seine akustische Unterschrift darunter gesetzt.

Atemlos zwängte sich Maron unter großen Anstrengungen aus der Jeffriesröhre. Morgen fange ich eine Diät an., dachte er. Dann stürzte er auf Nugura, die inzwischen das Pad in der Hand hielt, zu. „Nein, Madam President!“, begann er. „Die Nihillaner wollen unsere Grundordnung vernichten. Sie sind Terroristen, Feinde. Nein, Nugura, nein, unterschreiben Sie nicht! Ich habe Beweise! Bitte, un-ter-schrei-ben-Sie-nicht!“ „Nugura, Präsidentin der Föderation der vereinten Planeten.“, hörte Maron sie sagen. Jetzt wusste er, dass seine und Shimars Mission gescheitert war.

Er hörte das Surren eines Transporters und stand bald im Cockpit neben dem auf seinem Platz sitzenden Shimar. „Die Nihillaner haben den Scrambler abgeschaltet.“, erklärte der tindaranische Pilot. „Warum nicht.“, entgegnete der demetanische Spionageoffizier niedergeschlagen, bevor er sich setzte. „Jetzt haben sie ja, was sie wollen.“ „Soll das heißen …“, setzte Shimar an. „Ja verdammt!“, bestätigte Maron. „Sie hat unterschrieben. Unsere Mission ist gescheitert. Bring uns nach Hause.“

Ich hatte Ishan erreicht, allerdings hatte mich mein Sprechgerät darauf aufmerksam gemacht, dass die Verbindung sehr schlecht sein würde. Durch die vielen Panzerungen, die den Bunker umgaben, war dies aber kein Wunder. Der Computer hatte mir außerdem mitgeteilt, dass eine Bildverbindung gar nicht möglich sei und mich gefragt, ob ich die Verbindung trotzdem aufbauen möchte. Dies hatte ich bejaht. Mir war es ohnehin egal, ob Bild oder nicht Bild und das, was wichtig war, würde ich Ishan schon beschreiben können. Das Rauschen und Knacken der Verbindung erinnerte mich tatsächlich an die alten Funkgeräte in meinem Jahrhundert und nicht an unsere hier im 30. Jahrhundert verbreitete SITCH-Kommunikation. Als gelernte Kommunikationsoffizierin wusste ich aber, wie ich mich jetzt verhalten musste. Langsames und deutliches Sprechen war jetzt angesagt, jawohl. Außerdem würde ich Zahlen Ziffernweise durchgeben müssen. „Was ist, wenn es zwischen Ishan und Ihnen Missverständnisse gibt?“, fragte Eludeh besorgt. „Dazu werde ich es nicht kommen lassen, haben Sie verstanden?“, entgegnete ich.

„Welche Art ist Ihr medizinisches Problem?“, hörte ich Ishan fragen. „Eludehs Kind schlüpft!“, erklärte ich bestimmt. „Sie sagt, es sei noch eine ganze Woche zu früh.“ „Meinen Berechnungen zufolge ist das korrekt.“, erwiderte der Androide. „Finden Sie heraus, ob es bereits die Schale mit seinem Eizahn bearbeitet.“ „Tut es.“, bestätigte ich. „Suchen Sie die angefangene Fuge. Sagen Sie mir, ob sie einen regelmäßigen Kreis bildet und wie viel Grad dieser bereits beträgt. Wenn Sie die Fuge nicht ertasten können, soll Eludeh Ihnen optisch helfen.“, wies er mich an. Die ruhige Stimme des Arztes hatte auch Eludeh etwas beruhigt. Sie führte meine Hand auf die Fuge an der flachen Seite des Eies. Ich folgte der Fuge mit meinem Finger. Sie war bereits zu drei Vierteln geschlossen, aber regelmäßig. Ich nahm das Mikrofon meines Sprechgerätes wieder in die Hand und sagte: „Ishan, der Kreis beträgt 270 Grad und ist regelmäßig. Wiederhole: 2, 7, 0 und regelmäßig.“ „Sehr schön.“, entgegnete Ishan ruhig. „Wie ist die Aktivität des Kleinen?“ „Rege!“, antwortete ich. „Es macht weiter und weiter.“ „In Ordnung.“, erwiderte Ishan. „Sagen Sie sofort Bescheid, wenn sich etwas verändert.“

Evain und Ethius warteten in der interdimensionalen Schicht. Die Generalin hatte die Minen aktiviert. „Durch diese hohle Gasse müssen sie kommen.“, lachte sie schadenfroh. „Nach Hause kommen sie nicht. Wir werden sie vernichten und die Beweise gegen uns obendrein.“

Ein jäher Ruck ging durch IDUSA, gleich nachdem Shimar den interdimensionalen Antrieb aktiviert hatte. Er musste sämtliche Fliegertricks aus dem Ärmel zaubern, um das Schiff zu stabilisieren. „Was war das denn?“, erkundigte sich Maron. „Wir sind auf eine Interdimensionsmine gelaufen.“, erklärte IDUSA. „50 % meines Interdimensionsantriebes sind zerstört. Die anderen 50 werden durch eine Sonde, die sich daran geheftet hat, so mit Energie versorgt, dass eine Hälfte von mir außer Phase ist und die andere nicht, egal, ob Shimar den Antrieb deaktiviert oder nicht. Fortbeamen kann ich die Sonde nicht, weil die Auflösung meines Transporters nicht ausreicht. Ich würde Gefahr laufen, einen Teil der Spule mitzunehmen. Bitte lassen Sie sich etwas einfallen. Sonst erledigen die Scherkräfte meine Hülle.“

Eludeh hielt das Ei, aber ich hatte, wie Ishan es mir gesagt hatte, immer eine Hand auf der Fuge. Plötzlich fiel mir auf, dass der Kreis sich nicht weiter schloss. Ich erkannte aber, dass das Kleine versuchen musste, die Kappe abzusprengen, obwohl dies noch gar nicht funktionieren konnte. Dies teilte ich Ishan mit. „Erinnern Sie Eludeh, dass sie Berührungstelepathin ist!“, befahl Ishan mir. Ich war zwar eigentlich Brückenoffizierin, aber in medizinischen Angelegenheiten hatte automatisch der anwesende Arzt den höchsten Rang. „Sie muss dem Kleinen Ruhe vermitteln. Das geht, wenn sie das Ei hält.“ „Aye, Sir.“, erwiderte ich. Dann wendete ich mich an Eludeh: „Sie sind Berührungstelepathin und Sie halten das Ei. Sie müssen versuchen, Ihre Angst weg zu schieben und ihrem Kind Ruhe zu vermitteln. Im Augenblick hat es selbst solche Panik, dass es nicht weiß, was es tut. Die vergebliche Anstrengung kann es töten. Es verbraucht zu viel Sauerstoff, von dem es im Ei ohnehin nur etwas in der Luftblase über seinem Kopf hat.“ „Ich versuche es.“, antwortete Eludeh.

„Es gibt nur eine Möglichkeit.“, erklärte Shimar. „IDUSA muss den Interdimensionsantrieb abkoppeln.“ „Bist du wahnsinnig!“, empörte sich Maron. „Wenn sie das tut, fallen wir ins Föderationsuniversum zurück und verglühen in der Atmosphäre von Khitomer, weil du es mit Sicherheit nicht schaffst, den normalen Antrieb rechtzeitig zu aktivieren. Die Vorlaufzeit ist zu lang.“ „Nicht für die Atmosphärentriebwerke.“, antwortete Shimar. „Das klappt nie!“, rief Maron aus. „Dazu müssten wir ja in der Atmosphäre sein und ich habe gerade gesagt, dass wir verglühen werden, wenn wir …“ „Nicht, wenn ich die Trägheitsdämpfer hochdrehe, sobald wir anfangen zu fallen.“, fiel ihm Shimar ins Wort. „Das verlangsamt uns. Wenn wir hier noch lange diskutieren, brauchen wir das so wie so nicht mehr zu versuchen. IDUSAs Hülle weist bereits Mikrorisse auf. Also, entscheide dich! Sterben, oder mir vertrauen!“ „Ich hasse es, wenn man mich unter Druck setzt!“, erwiderte Maron. „IDUSA, was meinst du dazu?“ „In 99,999 % der Fälle.“, begann das Schiff. „Haben Shimars Manöver funktioniert, auch, wenn sie sicher in keinem Flughandbuch stehen. Aber ich finde, man sollte sie reinschreiben. Deshalb stimme ich zu.“ „Na gut.“, sagte Maron. „Geht doch.“, entgegnete Shimar. „IDUSA, Magnetverriegelungen für Interdimensionsantrieb freigeben. Befehlscode: Shimar, S, 6, 5, 3, 2, 9, 0, Freigabe.“ Klickend löste sich das Schiff von ihrem interdimensionalen Antriebsmodul, von dem bald in der Atmosphäre von Khitomer nur noch ein heller Feuerschein übrig war. „Dann will ich mal dafür sorgen, dass es uns nicht genau so geht.“, sagte Shimar motivierend und erhöhte langsam die Leistung der Trägheitsdämpfer.

Beruhigt hatte ich festgestellt, dass Eludehs Kind sich angeschickt hatte, doch lieber die Fuge zu Ende zu picken. „Es ist fast rum, Eludeh.“, informierte ich sie. „Wenn es anfängt, die Schale abzusprengen, müssen wir …“ Eludeh begann zu weinen. „Es ist dafür zu erschöpft, Allrounder.“, schluchzte sie. „Es wird sterben. Oh, es wird sterben.“ Ich nahm das Mikrofon meines Sprechgerätes: „Ishan, wir benötigen Hilfe. Ishan, Ishan!“ Die ohnehin schlechte Verbindung war zusammengebrochen. Jetzt waren Eludeh und ich auf uns gestellt, denn der Computer würde sie nicht wieder aufbauen können.

Shimar hatte konzentriert auf einen Punkt gesehen, um durch den plötzlichen schnellen Fall nicht die Orientierung zu verlieren. Die G-Kräfte drückten beide so sehr in den Sitz, dass Maron sich eine Tüte replizierte, in die er seinen gesamten Mageninhalt entließ. „Hochziehen!“, befahl er. „Zieh sie endlich hoch, verdammt. Wir treffen gleich auf die Atmosphäre! Mach was!“ „Es ist noch zu früh!“, erwiderte Shimar konzentriert. „Und hör gefälligst auf, hier so eine Hektik zu verbreiten. Wer hat denn hier wohl Ahnung vom Fliegen, he, ich oder du?!“ Maron deutete in seine Richtung. „Na also. Finde ich gut, dass du das einsiehst!“

„OK, Eludeh.“, sagte ich, nachdem ich erneut über die Fuge getastet hatte. „Der Kreis ist geschlossen. Leider macht das Kleine keine Versuche, die Kappe abzusprengen. Ich habe auch keinen Gegenstand, mit dem ich unter die Kappe haken könnte.“

Sie setzte das Ei ab und gab einen verzweifelten Schrei von sich, nach dem sie mich fest umarmte. „Bitte, bitte sorgen Sie dafür, Allrounder, dass mein Kind auf Tindara beerdigt werden kann!“, schluchzte sie. „Dort wäre es zumindest sicher.

Maron hatte das Gefühl, als sei er auf einem Trampolin gelandet. Shimar hatte endlich IDUSAs Atmosphärentriebwerke gezündet und das Schiff mit einer großen ruhigen Aufwärtsbewegung abgefangen. Jetzt steuerte er es langsam in den Weltraum zurück. „Na Glückwunsch.“, gratulierte Maron. „Aber, wie kommen wir jetzt nach Hause. Es gibt keine interdimensionale Pforte in die Tindara-Dimension.“ „IDUSAs Interdimensionstransceaver funktioniert.“, antwortete der völlig abgekämpfte Shimar. „Ich werde einen Notruf absetzen.“

Eludeh stieß mich plötzlich weg. „Das Ei bewegt sich.“, begründete sie. Laut meinem physikalischen Verständnis konnte dies nur zwei Dinge bedeuten. Eludehs Baby lebte und hatte noch nicht aufgegeben. Die Physik würde uns jetzt auch eine große Hilfe sein. Ich griff nach dem Ei und hielt es so, dass die stumpfe Seite schräg nach unten zeigte. „Was machen Sie da!“, rief Eludeh entsetzt. „Ich sorge dafür, dass die Schwerkraft dem Kleinen hilft, die Kappe abzusprengen.“, erklärte ich. „Halten Sie Ihre Hände drunter. Sie müssen es auffangen, sonst landet es Kopf voran auf dem Boden und bricht sich vielleicht noch das Genick.“ Kaum hatte ich ausgesprochen, drang ein Knacken an mein Ohr. Dieses verriet mir, dass die Kappe abgesprengt war. Eludeh fing das kleine amphibische Wesen, das dem Ei entschlüpft war, auf. „Ich habe einen Sohn.“, lächelte sie. „Oh, Sie waren eine wunderbare Schlupfhelferin, Allrounder.“

Die Bunkertüren entriegelten sich. Herein kam Zirell. Ihrer Miene nach war sie nicht sehr fröhlich gestimmt. „Ich habe schlechte Nachrichten.“, begann sie. „Maron und Shimar konnten nicht verhindern, dass Nugura den Vertrag unterschreibt. IDUSA musste ihren interdimensionalen Antrieb opfern. Sie wird von einem Rettungsschiff nach Hause geschleppt. Es gibt noch eine kurze Frist, dann löst sich Tindara offiziell von der Föderation.“ Ihr Blick fiel auf das, was gerade geschehen war. „Na, euch bringe ich erst mal auf die Krankenstation.“, sagte sie.

IDUSA kreiste in der Umlaufbahn um Khitomer. Hier waren sie mit dem Schleppschiff verabredet. „Danke.“, sagte Maron. „Für was bedankst du dich?“, fragte Shimar verwundert. „Ich bedanke mich dafür, dass du dich nicht von meiner Panik hast anstecken lassen, sondern dein Ding durchgezogen hast. Wir haben zwar IDUSAs Interdimensionsantrieb verloren, aber das kriegt Mc’Knight schon wieder hin. Sie hat schließlich guten Kontakt zu Werften.“ „Das stimmt.“, bestätigte Shimar.

Eine kurze Zeit verging, als IDUSA plötzlich beide Tabellen lud und sagte: „Gentlemen, da kommt was auf uns zu.“ Shimar saß auf der Stelle kerzengrade in seinem Sitz. „Was siehst du?“, fragte er. „Ist es das Schleppschiff?“, „Nicht direkt.“, antwortete der Schiffsavatar und zeigte ihm die Sensorenbilder. „Das sieht aus wie ein Wurmloch, das sich auf uns zu bewegt.“, stellte Maron, der auch alles sehen konnte, was das Schiff ihnen zeigte, fest. „Es ist ein interdimensionales Wurmloch.“, analysierte IDUSA. „Es scheint von einer Neuralsignatur gesteuert zu werden.“ „Kannst du sie identifizieren, IDUSA?“, wendete sich Maron an das Schiff. „Sie nicht.“, erwiderte Shimar und gab IDUSA den Gedankenbefehl zum Aktivieren ihres Antriebs. „Aber ich schon.“ „Warte mal!“, rief Maron. „Das Schleppschiff wird uns doch suchen.“ „Das werden sie.“, erwiderte Shimar. „Aber wir müssen auf jeden Fall diesem Ding entkommen.“ „Warum?“, fragte der Demetaner. „Weil es sich um Sytanias Signatur handelt.“, sagte der telepathische Patrouillenpilot erschauernd. „Das hat uns gerade noch gefehlt.“, stellte der Ermittler fest. „Hol alles aus IDUSA raus, was geht!“

Wieder ging ein Ruck durch das Schiff. „Das Phänomen hat mein Heck erfasst.“, erklärte IDUSA. „Schon gut.“, entgegnete Shimar und drosselte ihren Antrieb. „Was machst du denn?!“, entsetzte sich Maron. „Das will ich dir sagen.“, erwiderte der Tindaraner. „Ich rette unser Leben. Sich mit einem Phänomen anzulegen, ist der falsche Weg. Ich kann nur versuchen, IDUSA stabil zu halten. Alles andere wäre glatter Selbstmord. Ihre Hülle würde das nicht aushalten, geschweige denn ihr Antrieb. Drück mir bloß die Daumen, dass ich sie in diesem Wirbel halten kann, jetzt, wo ihr etwas von ihrem Rumpf fehlt.“ „Ich wünschte, ich wäre Lione.“, entgegnete Maron. „Dann hätte ich vier Daumen, die ich dir drücken könnte.“ „Deine zwei demetanischen müssen reichen.“, sagte Shimar und fügte hinzu: „Festgehalten!“

IDUSA schlängelte sich durch die Wirbelspirale. Dabei versuchte Shimar, keine schnellen oder hektischen Steuerbewegungen zu machen. Mit langsamen großen Bewegungen ließ er das Schiff den Windungen folgen. Er wusste, zu schnell zu steuern, oder gar das genaue Gegenteil der Windungsrichtung zu wollen, würde in die Hose gehen. Endlich gab der Interdimensionswirbel sie wieder frei. „Koordinatenfeststellung, IDUSA.“, befahl Maron. „Wo sind wir?“ „Laut dem grundenergetischen Level, das hier herrscht, sind wir in der tindaranischen Dimension.“, antwortete das Schiff. „Kannst du dir vorstellen, dass Sytania uns geholfen hat?“, fragte Maron Shimar. „Eigentlich nicht.“, erwiderte dieser. „Aber es scheint ja so gewesen zu sein. Über ihre Motive kann man sicher spekulieren, aber …“ „Wir sollten Zirell nichts davon sagen.“, schlug der Demetaner vor. „Sie würde uns sicher nicht glauben.“ Shimar nickte.

Zirell, Eludeh und ich waren auf dem Weg zur Krankenstation. Zirell marschierte uns voran, dann kam Eludeh mit ihrem Kind auf dem Arm, das in seiner Gestalt leicht an einen Salamander erinnerte, nur eben um einiges größer. Ich bildete das Schlusslicht mit der Eierschale in der Hand. Dass Zirell uns persönlich in der Bunkerkapsel aufgesucht hatte, wunderte mich nicht wirklich. Wahrscheinlich war dieses Verhalten bei tindaranischen Stationskommandanten normal. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Sternenflottencommander – auch in der heutigen Zeit – so etwas tun würde.

Wir betraten Ishans Sprechzimmer. Der androide Arzt warf einen kurzen Blick auf die Prozession, die seinen Arbeitsraum betreten hatte. „Dann haben Sie es ja wohl allein hingekriegt, Allrounder.“, wendete sich Ishan an mich, bevor er zu Eludeh sagte: „Legen Sie den Kleinen bitte auf diesen Behandlungstisch.“ Meine nihillanische Freundin tat, was Ishan ihr gesagt hatte. Dieser begann auch sofort, den Kleinen zu untersuchen. „Sie haben einen gesunden kleinen Jungen, Eludeh.“, erklärte er. „Die Woche, die er zu früh geschlüpft ist, scheint ihm nicht wirklich etwas ausgemacht zu haben, aber ich werde ihn in jedem Fall noch diese Nacht zur Beobachtung hier behalten.“ Eludeh nickte verständig.

„Ich muss euch leider allein lassen.“, sagte Zirell, nachdem sie auf ein Signal ihres Sprechgerätes reagiert hatte. „Aber ich denke, ihr kommt schon zurecht.“ Damit verließ sie die Krankenstation.

Mir war aufgefallen, dass der Kleine eine Unmenge hoher kurzer Quaklaute von sich gab. „Wie süß er quakt!“, rief ich entzückt aus. „Ja!“, bestätigte Eludeh nicht weniger angetan. „Das ist so etwas wie bei euch Babygeschrei.“ „Solange er das tut.“, klärte mich Ishan auf. „Ist er bei Bewusstsein und das heißt, sein Zustand ist unkritisch.“ „Möchten Sie ihn mal halten, Betsy?“, fragte Eludeh. „Wenn ich darf?“, fragte ich höflich zurück. „Wenn Sie nicht dürften, hätte ich es sicher nicht angeboten.“, lächelte Eludeh. Dann gab sie mir das kleine Wesen auf den Arm. Seine Haut war kühl und feucht, wie es eben bei Amphibien der Fall ist. Sein Aussehen erinnerte mich wie gesagt an einen übergroßen terranischen Salamander. Einige würden sicherlich meinen nächsten Ausspruch befremdlich finden, aber ich konnte nicht anders als „Wie süß!“ zu rufen. „Sie sind eine echte Sternenflottenoffizierin.“, stellte Ishan fest. „Sie können sich so gut in andere Kulturen einfinden, dass eigene Befindlichkeiten in den Hintergrund geraten. Gerade bei Terranern ist dies statistisch gesehen wirklich sehr selten beobachtet worden.“ Aus dem Mund des Androiden klang dies wie ein großes Kompliment und ich war sicher, er hatte es auch als ein solches gemeint.

Ich gab Eludeh vorsichtig den Kleinen zurück. Nidell war mit einem Pad, in dem sie bereits ein Formular geladen hatte, an ihren Vorgesetzten herangetreten und hatte es ihm übergeben. „Ach ja. Der gute alte Papierkrieg.“, sagte Ishan darauf. „Danke, Nidell.“ Er machte einige Eintragungen. Dann fragte er: „Wie soll Ihr Sohn denn heißen, Eludeh?“ Die Angesprochene überlegte angestrengt. Dann fragte sie: „Gibt es eine männliche Form von Betsy?“ Auch ich musste jetzt scharf nachdenken. „Mhm, tja, nein.“, stammelte ich. „Nicht, dass ich wüsste. Warum?“ Eludeh setzte ein Grinsen auf. Dann entgegnete sie: „Sind Sie so begriffsstutzig, oder tun Sie nur so. Ohne Sie wäre der Kleine jetzt sicher nicht mehr am Leben und ich erst recht nicht. Sie, Betsy, haben mich vor dem Selbstmord bewahrt und Sie waren auch diejenige, die das Richtige getan hatte, als mein Sohn Gefahr lief, im Ei zu ersticken.“ „Da hatte ich wohl einfach nur ein glückliches Händchen.“, antwortete ich bescheiden. „Ich habe so etwas nie gelernt. Ich bin gelernte Kommunikationsoffizierin und Raumschiffpilotin. Ich bin weder Psychologin noch Schlupfhelferin. Das waren alles Zufallstreffer. Ich weiß nicht, ob ich mir da wirklich so sehr was drauf einbilden sollte.“ „Tut mir leid.“, mischte sich Ishan ein. „Das mit dem Zufallstreffer ist O’Rileys Spruch. Außerdem, was ist gegen Glück eigentlich zu sagen. Sie waren eben zur richtigen Zeit am richtigen Ort und taten das Richtige. Das ist doch nichts, für das man sich schämen müsste.“ „Er hat Recht.“, stimmte Eludeh zu. „Na schön.“, lächelte ich. „Ich gebe mich geschlagen. Aber trotzdem glaube ich nicht, dass es zu Betsy einen männlichen Namen gibt.“

„In jeder Familie gab es bei uns, als wir noch eine Tradition haben durften, traditionelle Namen, die den Kindern gegeben wurden. Einer davon ist Centus. Das wird sein erster Name sein. Nur wegen eines zweiten Namens bin ich am Überlegen.“, erklärte Eludeh. Dann flüsterte sie plötzlich: „Centus-Shimar aus der Familie der Eludeh und des Gajus.“ Sie fuhr in normaler Lautstärke fort: „Ja, Centus-Shimar aus der Familie der Eludeh und des Gajus. So soll er heißen.“ Ich sah sie erstaunt an. „Sie wollen Ihren Sohn nach meinem Freund benennen?“, fragte ich. „Oh ja!“, erwiderte Eludeh bestimmt. „Schließlich hat er ihnen dabei geholfen, mich vom Selbstmord abzubringen. Er hat schließlich das Raumschiff gesteuert, mit dem ich geschnitten wurde und dem ich ausweichen musste. Wären Shimar und Sie nicht gewesen, wären Centus-Shimar und ich jetzt tot, weil ich in die Sonne geflogen wäre.“

Langsam flog IDUSA auf die Station zu. „Ich kann es immer noch nicht glauben.“, äußerte Maron. Sytania sollte uns geholfen haben, das wäre ja was ganz Neues.“ „Ich kann nichts anderes sagen, als das, was ich telepathisch wahrgenommen habe.“, verteidigte sich Shimar. „Wenn ich nur wüsste, wie ich es beweisen soll.“ „Diese so genannte Schutzverbindung zwischen Allrounder Betsy und dir.“, schlug der demetanische Spionageoffizier vor. „Versuch doch mal, ob du sie spüren kannst.“ „Das muss auch nichts bedeuten.“, erwiderte Shimar. „Wenn Sytania sie gefangen genommen hat, und uns jetzt in die gleiche Dimension gezogen hat, nehme ich Betsy trotzdem wahr.“ „Wenn Sie sich schon gegenseitig nicht glauben, Gentlemen, dann glauben sie doch wohl hoffentlich mir, einer Maschine, die nicht für telepathische Trugbilder empfänglich ist.“, mischte sich IDUSA ein und zeigte ihnen wiederholt ihre Sensorenbilder. „Sytania kann Dimensionen erschaffen.“, erklärte Maron skeptisch. „Sie könnte eine erschaffen haben, die auf den ersten Blick wie die tindaranische aussieht.“ „Meinen Daten zufolge.“, widersprach IDUSA. „Hätte sie sich dann schon längst bei Ihnen gemeldet und schadenfroh über ihren Triumph abgelästert. Die Disziplin, sich dann zurückzuhalten, besitzt sie nämlich nicht. Dafür freut sie sich zu sehr, wenn ihr jemand in die Falle gegangen ist.“ „Du wirst bestimmt Recht haben.“, sagte Shimar. „Moment.“, wandte Maron ein. „Was ist, wenn …“ „Das haben wir gleich.“, fiel ihm Shimar ins Wort. Dann befahl er dem Schiff, auf Automatik zu schalten. „Was hast du vor?!“, fragte Maron alarmiert, als er Shimars konzentrierten Blickes ansichtig wurde. „Ich werde meinen Geist jetzt für alle Eindrücke öffnen, die es in dieser Dimension gibt. Dann nehme ich Sytania bestimmt wahr, wenn sie hieran Schuld haben sollte. Würde ich sie gezielt suchen, könnte sie sich sicher verbergen, aber ich suche ja nur nach ihrer Prägung.“ Damit holte er tief Luft und entspannte sich. Den Neurokoppler hatte er nicht abgenommen, um dem Schiff die Möglichkeit zu lassen, im Notfall Störwellen in sein Gehirn schicken zu können und um dafür Sorge zu tragen, dass sie seinen Gesundheitszustand überwachen konnte. Er konnte sich auf IDUSA verlassen. Sie würde schon das Richtige tun.

Zirell hatte die Kommandozentrale betreten. Hier erwartete sie bereits Joran, der ein trauriges Gesicht machte. „Was ist los?“, fragte die tindaranische Kommandantin. „Ich habe eine traurige Mitteilung für dich, Anführerin Zirell.“, antwortete der Vendar.

Zirell setzte sich auf ihren Platz. „Nun rede schon.“, drängte sie. Wortlos stellte Joran ein SITCH-Gespräch an sie durch. Zirell erkannte das Gesicht einer Tindaranerin auf dem virtuellen Bildschirm, nachdem sie ihren Neurokoppler aufgesetzt hatte und IDUSA ihre Reaktionstabelle geladen hatte. „Ich bin Commander Marell vom tindaranischen Schleppschiff Tindara II.“, sagte die Fremde. „Es tut mir leid, aber eure vermissten Offiziere sind nicht mehr auffindbar. Meine Leute und ich haben alles im Umkreis der vereinbarten Koordinaten abgesucht, aber wir konnten weder eure IDUSA-Einheit noch Rettungskapseln finden. Es gibt allerdings Hinweise, dass etwas in der Atmosphäre von Khitomer verglüht ist. Sie haben es wohl nicht geschafft. Ich gebe zu, wir haben nur einen Schlepper, dessen Sensorenleistung sicher nicht mit der eines Patrouillenschiffes zu vergleichen ist, aber wenn deine Offiziere noch leben würden, hätten meine Crew und ich sie bestimmt telepathisch wahrgenommen. Es tut mir leid, Zirell.“ Sie drückte die 88-Taste. Niedergeschlagen sah Zirell Joran an. Der Vendar stand auf und legte ihr seine große pelzige Hand auf die Schulter. „Gräme dich nicht, Anführerin. Ich könnte meinen Leuten Bescheid sagen. Unsere Schiffe haben mit Sicherheit bessere Sensoren als ein Schlepper und noch dürfen wir uns ja im Universum der Föderation aufhalten. Wie lang ist die Frist, die man gesetzt hat?“ „Drei Wochen.“, antwortete Zirell traurig. „Aber ihr dürftet ja ohnehin hinfliegen, wo ihr wollt. Ihr liegt ja nicht mit der Föderation im Streit.“ „In der Tat.“, grinste Joran. „Also, was denkst du über meinen Vorschlag, Anführerin Zirell?“ Sie nickte langsam. Hoffnung hatte sie keine mehr. Wenn Shimar und Maron selbst telepathisch nicht mehr wahrzunehmen waren, so meinte sie, wären sie sicher längst tot. Dennoch rechnete sie es Joran hoch an, dass er sie trösten wollte.

Es war mir gelungen, Eludeh von der Krankenstation loszueisen. Wir waren wieder in unser Quartier gegangen. „Ishan und Nidell achten gut auf Ihren Sohn.“, hatte ich ihr gesagt. „Sie wollen nur sicher gehen, dass alles in Ordnung ist.“ „Schon gut, Betsy.“, antwortete Eludeh. „Ich dachte nur, weil er ja eine Woche zu früh geschlüpft ist.“ „Wenn da etwas wäre, dann hätte Ishan sicher schon längst Bescheid gesagt.“, tröstete ich. „Kann ich mir denken.“, bestätigte sie. „Ich finde es nur erstaunlich, dass er so gut drauf ist.“ „Ihr Sohn ist eben ein kleiner Kämpfer.“, erwiderte ich lächelnd.

Ich ging zum Replikator und replizierte zur Feier des Tages erst mal eine Flasche Sekt und zwei Gläser. Dann ging ich zu Eludeh zurück. „Ihre Spezies stillt ja meines Wissens nach nicht.“, stellte ich fest. „Stimmt.“, erwiderte Eludeh. „Na also.“, entgegnete ich. „Dann dürfen Sie ja auch.“ Damit öffnete ich die Flasche, die ich absichtlich geschlossen replizieren lassen hatte, um sie sicherer transportieren zu können. Dabei gab es leider eine heftige Fontäne, die mir direkt ins Gesicht sprühte. „Igitt!“, quietschte ich. „Verdammtes Kribbelwasser!“ Kleines, bitte benimm dich. Was war das denn?! Ich hatte den Eindruck, Shimars Stimme in meinem Geist gehört zu haben. Hatte er etwa doch überlebt? Hatte Zirell falsche Informationen? Was war hier los?

Eludeh hatte mein verdutztes Gesicht gesehen. „Was haben Sie, Allrounder?“, fragte sie. „Nichts, oder, doch, irgendwas ist … Oh, Shimar lebt!“, stammelte ich. „Das kann nicht sein.“, erwiderte sie. „Commander Zirell hat doch gesagt …“ „Ich weiß.“, fiel ich ihr ins Wort. „Aber das eben war ganz sicher er. Die Schutzverbindung. Berühren Sie mich bitte, Eludeh. Dann werden Sie es auch spüren!“ Die Nihillanerin nahm meine Hand. „Tatsächlich.“, wunderte sie sich. „Der letzte Kontakt zwischen Ihnen ist noch total frisch. Wir müssen zu Zirell. Kommen Sie!“ Sie zerrte mich aus dem Raum.

Geduldig hatte Maron neben Shimar ausgeharrt. Wenn sein Untergebener und Freund schon etwas von Sytania wahrgenommen hätte, dann hätte er es ihm sicher schon gesagt. Maron hatte nur gesehen, dass Shimar einmal über beide Ohren gegrinst hatte. Der Demetaner wunderte sich, wer ihm wohl telepathisch einen Witz erzählt haben könnte. „Lass dich nicht ablenken!“, versuchte Maron, Shimar zu motivieren. „Vielleicht war es ja sogar Sytania höchst persönlich, die sich dir als charmante tindaranische Witze-Erzählerin gezeigt hat, aber du darfst dich davon nicht reinlegen lassen! Du musst hinter die Fassade blicken! Streng dich an!“

IDUSA sendete eine massive Salve von Störwellen in Shimars Gehirn. Blitzschnell danach lud sie auch Marons Tabelle und sagte bestimmt: „Shimar, Sie übernehmen sich noch, wenn ich jetzt nicht einschreite und für Sie, Agent Maron, habe ich auch noch etwas. Er kann nichts wahrnehmen, das es nicht gibt! Lassen Sie mich versuchen, an der Station zu docken. Dann werde ich diese kurz mit einer Mini-Phaser-Salve aus meinem Rosannium-Phaser beschießen. Wenn es sich um eine Schöpfung Sytanias handeln sollte, wird sie leicht an Integrität einbüßen. Keine Angst. Die Salve wird noch nicht mal Manöverstärke haben.“ „Also gut.“, meinte Maron. „Mach es so, IDUSA!“

Joran hatte sich nach Beendigung seines Dienstes in Jennas und seinem Quartier mit seiner Freundin getroffen. Die Beiden wollten etwas ausprobieren und waren zur Vorbesprechung zunächst mal dort geblieben. Joran hatte Jenna vor langer Zeit einmal gebeten, für ihn ein Programm zu schreiben, an dem er das Leben auf einem Planeten in dessen Gesellschaft und Kultur trainieren konnte. Irgendwann, so hoffte der Vendar, würde Sytania die Tindaraner ja in Ruhe lassen und sein Dienst als Informant würde dann nicht mehr benötigt. Dann müsse er nicht mehr auf Zirells Station sein und könnte sich in eine Gesellschaft integrieren. Da er durch das tindaranische Medikament auch keine Gefahr mehr für Telepathen darstellte, musste es auch nicht zwingend eine Gesellschaft von Nicht-Telepathen sein. Shannon hatte Jenna beim Schreiben des Programms über die Schulter geschaut. Sie hatte gewitzelt: „Na, wenn Major Carter für den Typen mit der Schlange im Bauch auch so ein Trainingsprogramm geschrieben hätte, wäre die Sache sicher nicht so schief gegangen.“ Jenna hatte erwidert: „In Ihrem Lieblingsroman, Assistant, gab es mit Sicherheit noch keine Simulationskammern.“

In selbige waren Joran und Jenna jetzt gegangen und Jenna hatte ihr Programm gestartet. In der Simulation war Joran zunächst allein in einer terranischen Wohnung in einem durchschnittlichen Wohnhaus des 30. Jahrhunderts. Ihm wurde eine Situation gezeigt, als sei er gerade aufgestanden. Jenna würde gleich von der Nachtschicht in einem Energieversorgungswerk nach Hause kommen. Das wusste er.

Er ging in die Küche und replizierte erst mal ein reichhaltiges Frühstück, bei dem man von allem etwas finden konnte. Ausgehungert würde sie sein, oh ja.

Jenna, der alles im so genannten Zuschauermodus gezeigt wurde, konnte sich schon jetzt ein Grinsen nicht verkneifen, aber sie beschloss, noch nicht einzugreifen. Gelassen sah sie zu, wie Joran einen Korb mit mindestens 20 Brötchen, eine riesige Schüssel mit Butter, zwei riesige Dosen mit Wurst und Käse, Eine 10-Liter-Kanne mit Kaffee, eine weitere mit heißem Tee, eine mit heißer Schokolade und eine mit Orangensaft auf dem Tisch verteilte. Darauf folgten drei Riesenteller mit geschnittenem Obst, Flaschen mit Milch und zwei dicke Schüsseln mit Frühstücksflocken sowie ein Eimer Joghurt, zum Schluss zwei Teller, Tassen und Besteck. Zufrieden ließ der Vendar seinen Blick noch einmal über den Tisch schweifen. Dabei kreuzte dieser auch das Display des Sprechgerätes auf dem Regal, das ihm anzeigte, dass es bereits sechs Uhr war. Jetzt würde Jenna die Übergabebesprechung mit der Tagesschicht durchführen und dann nach Hause kommen.

Er trat auf den Balkon. Von hier würde er sie gut sehen können, wenn sie die Straße herunter kam. In der Ferne konnte er sie bereits erspähen. „Guten Morgen, meine über alles geliebte, wunderbare, hart arbeitende Telshanach!“, rief er erfreut aus.

In der Wohnung unter seiner öffnete sich ein Fenster und ein Nachbar schrie: „Verfatz dich!!!“ Joran, der diesen Begriff für einen englischen Freudenschrei hielt, rief freudig zurück: „Ja, Verfatz dich auch!“

Jenna konnte nicht mehr. Sie schaffte es gerade noch, IDUSA deutlich zu machen, dass diese das Programm einfrieren sollte. Dann platzte es aus ihr heraus: „Oh, nein! Du bist so ein witziges liebes Wesen!“ „Habe ich etwas falsch gemacht, Telshanach?“, fragte Joran unsicher. „Jein.“, lachte Jenna. „Eigentlich nicht, wenn man berücksichtigt, dass Joran Ed Namach eben so ist. Aber von dem Frühstück könnten locker 20 Mann satt werden und Verfatz dich ist kein Freudenschrei, sondern eine nicht gerade höfliche Aufforderung zum gehen. Mein Volk schätzt leider keine Fröhlichkeit am frühen Morgen, obwohl ich persönlich finde, dass sich dies grundlegend ändern sollte.“ Sie küsste ihn und fügte hinzu: „Aber das ist alles nicht so schlimm. Das lernst du schon noch.“

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