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Shimar und ich hatten Eludeh in unsere Mitte genommen und waren mit ihr aus dem Tempel gegangen. „Du zitterst ja.“, bemerkte ich. „Es ist nichts.“, beruhigte sie mich. „Es tut nur so gut zu wissen, dass da noch etwas Größeres als man selbst sein könnte.“

Nicht alle Planeten der Föderation waren Nuguras Kurs gefolgt. Naru Tjana, die erste Elektorine von Celsius, hatte diesen sogar als Hinrichtung der Demokratie und der Freiheit im Allgemeinen bezeichnet. Deshalb hatte auch sie gedroht, ihren Planeten aus der Föderation zu nehmen. Viele celsianische Sternenflottenoffiziere hätten dann kündigen müssen. Da die meisten von ihnen die fähigsten Techniker waren, welche die Föderation hatte, hoffte Naru, damit ein Druckmittel in der Hand zu haben.

Cenda und Scotty waren Nachbarn. Deshalb hielten sie auch oft einen Plausch über den Gartenzaun. Auch heute trafen sie sich wieder. „Hast du dir schon ’nen zivilen Job gesucht?“, wollte die etwa 1,70 m messende schwarzhaarige Celsianerin mit den für ihre Rasse typischen herzförmigen Augäpfeln in graubrauner Färbung wissen. „Ne.“, schnodderte Scotty zurück. „Kenne mich da ja nich’ so richtig aus.“ „Ich hätte da vielleicht was für uns beiden.“, flapste Cenda. „’n Freund von mir arbeitet bei der Firma, die für die Wartung der öffentlichen Transporter zuständig ist. Das wär’ doch sicher was für dich.“ Scotty nickte. „Na das is’n Wort.“, lobte Cenda und verschwand in ihrer Haustür, um alles zu regeln. Wie wichtig das noch werden würde, ahnte Scotty noch nicht.

Joran tigerte in Jennas und seinem Quartier auf und ab. „Könntest du dich bitte hinsetzen!“, insistierte Jenna. „Du machst mich total nervös.“ Joran drehte sich um und setzte sich neben sie auf das Wohnzimmersofa. „Vergib mir, Telshanach.“, sagte er. „Aber es ist wegen Eludeh. Hast du gesehen, wie sie sich verhalten hat?“, „Allerdings.“, erwiderte Jenna. „Es muss schrecklich sein auf Nihilla. Wenn man einen bestimmten Glauben nicht haben darf, das kennen wir ja alle. Aber wenn man an gar nichts glauben darf, was bleibt einem da noch, bevor man völlig verzweifelt, oder gar größenwahnsinnig wird? Ich musste vorhin zu Maron und er hat mich um meine Expertenmeinung gebeten. Eludeh hat ausgesagt, dass ihre Regierung im Besitz einer so genannten Urknall-Maschine sei und dass Eludeh befürchte, dass sie das gesamte Universum als fehlerhaft ansehen könnten und es vielleicht völlig neu erschaffen wollen könnten.“ „Was hast du ihm gesagt?“, erkundigte sich der sichtlich geschockte Vendar. „Ich habe gesagt, dass es dazu einer extrem hohen Menge an Energie bedürfte, und dass ich mir nicht vorstellen könne, dass diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Besitz der Nihillaner sei. Trotzdem sollten wir vorsichtig sein. Die Nihillaner haben schließlich alle Skrupel über Bord geworfen und man weiß nie, zu was sie fähig sein könnten.“ „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Aber ich habe auch gesagt.“, fuhr Jenna fort. „Dass die Nihillaner etwas übersehen haben. Wenn sie das Universum neu erschaffen wollen, müssen sie das Alte ja erst zerstören. Aber wohin flüchten sie selbst dann?“

Angesichts der politischen Situation musste ich an Scotty denken. Wie würde es ihm jetzt wohl ergehen? Shimar hatte bemerkt, wie aufgeregt ich war. „Ist irgendwas nicht in Ordnung, Kleines?“, fragte er. „Ich würde gern mit Scotty reden.“, entgegnete ich. „Sicher.“, erwiderte er. „Noch geht das ja. Noch zwei Wochen und dann greift das Embargo. Dann sind alle Leitungen in die Föderation dicht. Außerdem, warum fragst du mich, ob du mit deinem Mann sprechen darfst?“ „Ich meinte nur, weil …“, begann ich. „Ach was.“, erwiderte er. „Du weißt doch, dass Scotty und ich sogar befreundet sind und uns wegen dir keine Hahnenkämpfe liefern. Du weißt doch, dass wir alle drei ja zu unserer Dreiecksbeziehung gesagt haben.“ Ich atmete auf. Dann wandte ich mich an IDUSA: „IDUSA, stell mir eine interdimensionale Verbindung mit dem Rufzeichen mbs13, 2, 19.ce her!“ Der tindaranische Rechner führte meinen Befehl aus und bald hörte ich Scottys Stimme. „Hey, Darling! Was verschafft mir die Ehre?“, fragte er gewohnt flapsig. „Ich wollte einfach mal wissen, wie es dir geht.“, antwortete ich. „Wie soll’s einem schon gehen, wenn man demnächst an einen Haufen gottloser Narzissten verhökert wird.“, beschrieb Scotty die Situation zwar schnoddrig aber treffend. „Aber wenigstens du bist in Sicherheit.“, sprach er weiter und zeigte auf das Rufzeichen im Display seines Sprechgerätes. „Du bist bei ihm, aber das macht nichts. „Lass dir bloß was einfallen, um da bleiben zu können, so lange es geht. Komm ja nicht zurück, bevor Naru Celsius nicht endgültig aus der Föderation losgeeist hat. Nugura will natürlich unbedingt, dass wir bleiben. Kein Wunder, wir stellen die meisten und fähigsten Techniker.“ Mir fiel auf, wie sehr Scotty bereits mit seiner Wahlheimat verbunden war. „Keine Angst.“, lächelte ich. „Ich muss dir nur auch noch etwas sagen. Einer der Offiziere hier hat Mist gebaut und ist beurlaubt. Er soll bald zurück nach Demeta. Aber wenn er einmal dort ist, kann er auf legalem Wege nicht nach Tindara zurück. Er ist aber der Einzige, der Bescheid weiß. Kannst du da nicht was drehen?“ „Bets’.“, antwortete Scotty. „Verlass dich auf den alten Scotty! Den alten Problemlöser. Mir fällt bestimmt was ein.“ Damit drückte er die 88-Taste.

Shimar war mein gelöster Gesichtsausdruck nicht entgangen. „Na.“, lächelte er. „Alles in Butter auf Celsius?“ „Jein.“, antwortete ich. „Der Planet wird die Föderation verlassen. Ich habe mit Scotty wegen Maron gesprochen. Ich meine, irgendwann muss Zirell ihm doch mal verzeihen.“ „So weit ich das verstanden habe.“, erwiderte Shimar. „Liegt das nicht mehr in Zirells Entscheidungsgewalt. Chief-Agent Zoômell hat da das letzte Wort und sie ist nicht so leicht umzustimmen.“ „Aber.“, widersprach ich. „Jeder kann doch einmal einen Fehler machen.“ „Kommt wohl ganz drauf an, wie schwerwiegend der ist.“, argumentierte Shimar. „Wenn du ein verzweifelter nihillanischer Flüchtling wärst und dich würde jemand belügen, nur um an Informationen zu kommen. Würdest du dann noch einem Geheimagenten trauen? Zumal dann, wenn du ohnehin keine guten Erfahrungen mit Staatsorganen hast?“ Ich überlegte eine Weile und lenkte dann ein: „Sicherlich nicht.“

Eludeh war nach der Versorgung ihres Sohnes wieder aus dem Gästezimmer gekommen und hatte unser Gespräch am Rande mitbekommen. „Das müsst ihr mir jetzt mal erklären.“, lächelte sie. „Du, Betsy, bist also verheiratet und unterhältst trotzdem eine Beziehung mit Shimar und der ist auch noch einverstanden, beziehungsweise, ihr alle drei seid mit der Sache, wie sie läuft, einverstanden?“ „Lange Geschichte.“, erwiderte ich. „Auf die bin ich gespannt.“, schmunzelte Eludeh.

Bevor ich aber beginnen konnte, machte die Sprechanlage diesem Vorhaben ein abruptes Ende. „Ich antworte schon.“, sagte Shimar und nahm das Mikrofon: „Shimar hier.“ „Hier ist Zirell.“, kam es zurück. „Ich muss euch über etwas informieren.“ „Komm rein.“, erwiderte er.

Die Türen glitten auseinander und die Kommandantin betrat den Flur, um gleich darauf ins Wohnzimmer abzubiegen. „Die Vendar möchten, dass wir jetzt schon auf ihren Planeten kommen.“, begann Zirell. „Es gibt einen alten Brauch, nach dem jeder ein so genanntes Sündengesicht aus der Schale der Schokoladenfrucht schnitzen muss. Dann werden Tonscherben hineingefüllt. Mehr hat Sianach noch nicht verraten.“ Ihr Blick fiel auf mich und ihre nächsten Worte bekamen einen leicht sorgenvollen Ausdruck. „Jeder muss sein Sündengesicht selbst schnitzen.“ „Ich denke.“, bemerkte Eludeh, die verstanden zu haben schien, was Zirell so bedrückte. „Dass man in Allrounder Betsys Fall auch mal eine Ausnahme machen kann. Schließlich würden die Vendar ja auch nicht von einem Kleinkind verlangen, mit den scharfen traditionellen Werkzeugen umzugehen. Gut, Betsy ist keine zwei Jahre alt, aber sie ist nun mal gefährdet.“ „Ich könnte die Schnitzerei übernehmen.“, schlug Shimar vor. „OK.“, erklärte ich mich einverstanden. „Dann mache ich die Tonscherben für uns beide.“ Zirell ließ hörbar erleichtert die Luft aus ihren Lungen entweichen. „Ich sag’s gleich Sianach.“, sagte sie. „Die hat nämlich echt Bedenken gehabt.“ „Wenn wir keine Lösung gefunden hätten.“, scherzte Shimar. „Hätte ich Jenn’ geholt.“ Zirell sah den Patrouillenpiloten fragend an. „Du weißt doch wie es heißt.“, erklärte dieser. „Mc’Knight findet einen Weg.“ Wir alle vier mussten lachen.

„Einige Vendar sind mit ihren Schiffen auf dem Weg hier her, um uns abzuholen.“, erklärte Zirell das weitere Vorgehen. „Jenna wartet IDUSA. In zwei Stunden sind sie hier. Shimar, du nimmst Betsy, Eludeh, Jenna, Shannon, Maron, Joran, Nidell und mich mit IDUSA mit …“ „Halt.“, mischte sich Eludeh ein. „Ich fliege mit meinem eigenen Schiff, wenn niemand etwas dagegen hat.“ „Eludeh.“, entgegnete Zirell. „Wir haben wirklich nichts dagegen, Sie mitzunehmen.“ „Trotzdem.“, widersprach Eludeh. „Ich möchte einfach niemandem zur Last fallen.“ „Aber das tun Sie nicht.“, bekräftigte Zirell ihre Absicht. „Bitte, Commander, glauben Sie mir.“, fuhr Eludeh fort. „Es wird besser so sein.“ „Na gut.“, lenkte Zirell doch ein. „Ich sage es Jenna.“ Was wirklich hinter Eludehs Plan steckte, sollte noch für ziemlichen Wirbel sorgen.

Jenna und Shannon waren mit der Wartung der IDUSA-Einheit beschäftigt, als Zirell die technische Kapsel betrat. „Jenn’!“, rief sie der Cheftechnikerin zu. „Bitte kümmere dich auch noch um das nihillanische Schiff. Eludeh möchte gern mit ihrem eigenen Schiff fliegen.“ „Das habe ich schon längst überprüft.“, entgegnete die hoch intelligente Halbschottin. „Dann ist ja gut.“, erwiderte Zirell. „IDUSA is’ ihr wohl nich’ fein genuch, he?“, flapste Shannon dazwischen. „Assistant.“, zischte Jenna. „Über Eludehs Motive können wir spekulieren.“, versuchte Zirell die aufkommenden Wogen zu glätten. „Die kenne ich auch nicht. Tut bitte einfach nur, was ich euch gesagt habe. Ich denke, irgendwann kriegen wir es schon raus.“ „OK.“, sagte Jenna und winkte ihrer Assistentin, ihr zum Andockplatz von Eludehs Schiff zu folgen.

Wenig später waren wir alle unterwegs. Shimar und ich hatten in IDUSAs Cockpit eine ziemlich heiße Unterhaltung über Eludehs Motiv. Vor allem mussten wir IDUSA eines Besseren belehren, die, wenn wir es nicht besser gewusst hätten, glatt den Eindruck vermittelte, auf Eludehs Schiff eifersüchtig zu sein. „Es liegt sicher nicht an dir, IDUSA.“, beruhigte Shimar sie. „Vielleicht will sie uns auch einfach nur etwas beweisen.“, pflichtete ich ihm bei. Shimar sah mich fragend an. „Was meinst du damit, Kleines?“, fragte er. Ich machte große Augen und bekam vor Staunen den Mund nicht mehr zu. „Fliegerehre.“, half ich ihm auf die Sprünge. „Eludeh denkt vielleicht, dass sie als Zivilistin uns Militärfutzis zeigen muss, dass sie nicht bemuttert werden braucht. Immerhin hat sie es als Einzige geschafft, einigen fiesen faulen Äpfeln in dem Flüchtlingszug zu entkommen, den das nihillanische Militär unterwandert hatte. Ich gebe zu, daran waren IDUSA und Maron nicht ganz unschuldig, aber trotzdem.“

Shimar bekam plötzlich einen unglaublichen Lachanfall. „Militärfutzis, nein, Kleines!“, prustete er. „Die Sprechweise deines Mannes scheint schon auf dich abzufärben.“ Ich ließ meine letzten Sätze im Kopf durchlaufen. Dann erwiderte ich: „Ups.“

Bald darauf landeten wir auf der Lichtung, die von den Vendar als Raumflughafen genutzt wurde. Nach dem Aussteigen ließ Shimar seinen Blick über die Schiffe schweifen. „OK, sie ist hier.“, sagte er darauf zufrieden, bevor er meine Hand nahm, um mich hinter den Anderen her zu einem großen Platz in der Mitte des Vendar-Dorfes zu führen.

„Könntest du wohl aufhören, Eludeh zu bemuttern?“, flüsterte ich ihm zu, während wir unseren gemeinsamen Weg fortsetzten. „Was hättest du denn gemacht, wenn du ihr Schiff nicht gesehen hättest?“, „Dann hätte ich Zirell um Erlaubnis gebeten, die Strecke noch einmal mit IDUSA abfliegen zu dürfen und nach ihr gesucht.“ „Aber du hast doch selber festgestellt, dass sie prima klar kommt.“, argumentierte ich.

„Betsy!!!“ Eine kleine schrille Kinderstimme, die laut meinen Namen gequietscht hatte, wuselte auf uns zu. Dann warf sich ein weiches Fellknäuel in meine Arme. „Hey, Tchiach-Maus!“, lächelte ich. „Wolltest uns wohl unbedingt begrüßen, was?“ „Ja.“, quietschte Tchiach völlig atemlos. Dann fiel ihr Blick auf Shimar, dem sie nur ein nüchternes: „Hi.“, zuwarf. „Was haben die Kleinen nur mit dir, Kleines?“, fragte Shimar etwas enttäuscht. „Weiß ich auch nicht.“, erwiderte ich etwas peinlich berührt.

„Kommt schon!“, rief Tchiach und wuselte los. „Die Anderen warten schon!“ „Wir kommen ja, kleiner Weißwirbel.“, lächelte ich. Tchiach drehte sich um. Sie schien etwas traurig. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“, wandte ich mich unsicher an Shimar. „Sie ist nicht mehr weiß.“, erklärte er.

Langsam schritt ich auf Tchiach zu und umarmte sie. „Sorry, Süße.“, entschuldigte ich mich. „Ich weiß ja, wie sehr du an deinem schönen weichen Kinderfell gehangen hast. Aber dein neues Fell ist auch genau so schön weich. Lass dir das von jemandem sagen, die tagtäglich Sachen fühlt.“ „Echt?“, schluchzte Tchiach. „Sicher.“, erwiderte ich und drückte sie an mich. Weil mir gerade nichts anderes einfiel, machte ich: „Mooz.“ Tchiach lachte glucksend. „Na also.“, grinste ich. „Genau das wollte ich.“

Auf dem Dorfplatz herrschte bereits geschäftiges Treiben, als wir ankamen. Einige waren dabei, aus den vorher gepflückten Schokoladenfrüchten durch ein Bohrloch das Fruchtfleisch und den Saft zu entfernen, andere saßen an Töpferscheiben und wieder andere schnitzten bereits an den Gesichtern. „Da seid ihr ja, ihr Nachzügler.“, grinste uns Eludeh zu, die gerade von Shiranach in den Umgang mit den alten vendarischen Schnitzwerkzeugen eingewiesen wurde. „Ich hatte mir schon Sorgen um euch gemacht.“ „Wir haben uns welche um dich gemacht.“, erklärte Shimar. „Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst, ’ne Zivilistin kann das nicht.“, begann Eludeh zu singen. Ich grinste. Ich wusste genau, woher sie das hatte. Dieses, oder zumindest ein ähnliches Lied, war mir des Öfteren durch den Kopf gegangen.

„Komm mit, Allrounder Betsy.“, sprach mich eine bekannte Frauenstimme an. „Ich zeige dir, wie das mit den Scherben geht. Alles Andere ist für dich zu gefährlich.“ Ich hatte Sianach erkannt. „OK, Sianach.“, nickte ich. „Ich töpfere dann aber für zwei. Shimar schnitzt für zwei.“ „Na gut .“, meinte sie. „Aber dann hast du ganz schön was zu zählen. Eure Erdenjahre haben 365 Tage und das tindaranische Jahr hat doppelt so viele, weil Tindara um zwei Sonnen wandern muss. Viel Spaß!“ „Den werde ich haben.“, entgegnete ich.

Sie führte mich zu einem Arbeitsplatz, der aus einem Holzstoß bestand. Davor stand ein Stuhl, der ebenfalls aus Holz war und eine aus Schilf geflochtene Sitzfläche und Lehne hatte. „Setz dich.“, sagte sie und ging kurz weg, um bald darauf mit einem riesigen Klumpen Ton zurückzukehren. Diesen ließ sie mit einem großen lauten: „Flatsch!“ auf das Brett fallen, welches als Tischplatte diente. Dann gab sie mir einen dicken Stiel in die Hand, an dessen unterem Ende sich eine große runde Platte befand. „Den wirst du später brauchen.“, erklärte Sianach. „Aber jetzt stell ihn bitte erst mal dort hin, wo du es dir am Besten merken kannst.“ Ich stellte den Stiel neben meinen Stuhl.

„OK.“, begann ich bald danach und zeigte auf den Tonklumpen. „Was mache ich mit dem Klops?“ „Daraus rollst du jetzt erst mal eine dicke Kugel.“, dozierte Sianach. Das tat ich dann auch, allerdings musste Sianach mir helfen, denn meine Hände waren bei Weitem nicht groß genug, den dicken Klumpen zu umfassen und zu rollen. „Verzeih mir bitte.“, bat sie. „Das habe ich nicht bedacht.“ „Macht nichts.“, erwiderte ich. „Ich habe eben nicht die Riesenpratzen einer Vendar.“ „Dafür sind deine geschickter, Betsy El Taria.“, schmeichelte sie. Wahrscheinlich spielte sie auf die Sache mit meiner Hilfe bei Centus-Shimars Schlupf an, über die inzwischen jeder Bescheid wusste.

Die Kugel, die bereits die Größe eines mittleren Kürbis erreicht hatte, war fertig. Sianach hob sie auf den Holzstoß. „Nimm jetzt bitte den Stiel mit der Scheibe.“, instruierte sie mich freundlich. Das tat ich und sie führte meine Hand direkt in die Mitte der Kugel. „Jetzt drückst du das Ganze herunter.“, erklärte sie weiter. Der Tonklumpen gab ein nasses: „Matschschsch!“ von sich, als er dem Druck nachgab. Das, was ich bald vor mir liegen hatte, konnte man getrost als Riesenpizza bezeichnen. Sianach gab mir einen in Form eines Tortenstückes gebogenen Metallstreifen. „Die Spitze muss zur Mitte des Fladens zeigen.“, erklärte sie. „Achte außerdem bitte darauf, dass der Kreisbogen genau am Rand ist. Dann hast du später keinen Abfall.“ Ich nickte und drückte das Metall in den Ton. Dies erinnerte mich an das Backen mit meiner Mutter in meiner Kindheit. Die dabei entstehenden Stücke legte ich feinsäuberlich auf einen Haufen und zählte sie dabei. Eigentlich machte ich viele kleine Häufchen zu je zehn Stück, von denen ich auch wieder jeweils zehn in einer Reihe aufschichtete. Dann zehn Reihen untereinander. So würde ich sicher gehen können, dass später auch die Menge ausreichte. Sianach konnte ihren Blick kaum von meinen Stapeln lösen. „Ich habe dich wohl unterschätzt.“, meinte sie mit einem fast ehrfürchtigen Tonfall. „Hast du echt geglaubt, ich zähle die Dinger einzeln?“, schnodderte ich nicht ganz ernst gemeint zurück.

„Ach.“, meinte Sianach nach einer Weile. „Wo ist eigentlich Ishan?“ „Der ist auf der Station geblieben.“, antwortete ich. „Als Androide hat er ja nichts mehr von Feierlichkeiten und hat, soweit ich Zirell verstanden habe, freiwillig Dienst auf der Station schieben wollen.“ „Schon klar.“, lächelte Sianach.

Einige Stunden danach waren alle mit dem Schnitzen ihrer Gesichter fertig. Zumindest dachte ich das, denn die provisorischen Arbeitstische waren weggeräumt worden.

Shimar holte mich ab. Wir spazierten durch die Wälder und tauschten unsere Erfahrungen aus. „Wie hat sich eigentlich Maron angestellt?“, wollte ich wissen. Mir war bekannt, dass er in handwerklichen Dingen oft zwei linke Hände hatte. Shimar lachte laut auf. „Der? Oh, Backe!“, rief er aus. „Der hat mehr Früchte verschnitzt, als du zählen kannst. Wenn nicht die Verletzungsgefahr für dich so groß wäre, Kleines, dann hättest du das sogar noch besser hingekriegt. Aber alle seine Versuche hatten irgendwie Ähnlichkeit mit Ethius.“ „O-O.“, machte ich. „Ja.“, erwiderte Shimar. „Das Ganze mutiert für ihn zu so ’ner Art Therapiesitzung.“ „Wer hat denn dann für ihn weiter gemacht?“, erkundigte ich mich. „Tabran.“, entgegnete Shimar nüchtern. „Oh, ha.“, meinte ich. „Das hat ihm bestimmt nicht geschmeckt, dass ihm ein alter Mann helfen musste und vielleicht sogar noch besser war, als er selbst.“ „So schlimm fand Maron das gar nicht.“, beschwichtigte Shimar. „Er weiß ja, dass er zwei linke Hände hat.“

Diran saß vor seinem Haus. Er war nicht gerade fröhlich gestimmt. Immer noch hatte er das Gefühl, die Seele seines Energiefeldes gefangen zu halten. Leider war aber der Zeitraum, in dem er es noch willentlich irgendwohin übertragen konnte, überschritten und er hätte warten müssen, bis sein Sifa-Zyklus ein natürliches Ende fand. Er dachte sich aber, dass er trotzdem einen Weg finden müsste, dieses Martyrium für das Bewusstsein zu beenden, denn in der Welt der Lebenden zu bleiben, so dachte Diran, würde es sehr viel Energie kosten und ihm sicherlich auch Schmerzen bereiten. Diran überlegte hin und her, wie er es doch noch befreien konnte. Wenn es nicht anders ging, würde er sich sogar selbst verletzen müssen.

Shimar und ich saßen auf einem Baumstumpf und waren in ein Gespräch vertieft. „Hast du vielleicht in der Zwischenzeit rausbekommen können, warum Eludeh so gut mit Schiffen umgehen kann?“, fragte er. „Ja.“, entgegnete ich. „Sie ist Hobbypilotin.“ „Interessant.“, erwiderte Shimar.

In der Ferne wurde er eines näher kommenden Schattens ansichtig. „Da kommt Jenn’.“, erklärte er. „Sie hat’s ziemlich eilig.“ Jetzt hörte auch ich die rasch näher kommenden Schritte der Cheftechnikerin. „Da seid ihr also, ihr zwei hoffnungslosen Romantiker.“, schmunzelte sie uns zu. „Sianach schickt mich. Ich soll euch holen, damit wir gemeinsam die Samenkapseln des Kugelgrases auspulen können, um etwas zu haben, mit dem der Wind uns die Zukunft vorhersagen kann.“

Shimar zog mich auf die Beine und wir folgten Jenna. „Glauben Sie an so etwas, Jenn’?“, fragte ich neugierig. „Ob ich daran glaube, ist unwichtig.“, lächelte sie zurück. „Die Vendar glauben daran und das allein zählt. Wenn es Sie zufrieden stellt, Betsy, dann denken Sie doch einfach, dass ich um Jorans Willen mitmache.“ Da war er wieder, der rote Faden um Glauben, Aberglauben und Glaubensfreiheit, der sich im Moment durch mein ganzes Leben zu schlängeln schien.

Wir kamen wieder auf dem Dorfplatz an. Hier lag auf einem Holzstoß, um den alle herumsaßen, ein großer Sack. Dieser war voll mit den genannten Samenkapseln. Wie alle anderen auch bekamen wir drei von Sianach je eine Tonschüssel und wurden aufgefordert, uns einen Platz zu suchen. Während des Laufens knirschte es unter den Füßen, denn die Reste der Kapseln wurden einfach auf den Boden geworfen, wo sie dann langsam verrotten sollten. Die Samenkörner wurden in den Schüsseln aufgefangen. „Ich liebe Fisseln!“, rief ich aus und schnappte mir eine Kapsel aus dem Sack. Diese hatte die Größe einer durchschnittlichen irdischen Pflaume und war grün und weich. Nur in der Mitte hatte sie eine leichte Taille, an der sie sich leicht auseinander ziehen ließ. Jetzt konnte ich die Kerne, die dreieckig und braun waren, aus den Hälften pulen.

Eines der kleineren Vendar-Kinder, ein kleiner Junge von ca. fünf Jahren, kam zu uns und schaute mir fasziniert auf die Hände. Dass ich mit denen eine Menge anfangen konnte, hatten die Vendar-Kinder schon längst festgestellt. Während meiner ganzen Anwesenheit hatten sie unentwegt mit mir: „Sag wer das ist“, spielen wollen. Das war ein Tastspiel, das Tchiach sich ausgedacht hatte. Alle Kinder stellten sich hierzu in einen Kreis. Nur eines stand in der Mitte und forderte ein anderes stumm durch Anticken dazu auf, mir seine Hand hinzustrecken. Das Kind in der Mitte sagte dann: „Sag wer das ist.“ Hatte ich die kleine Hand dem richtigen Namen zugeordnet, musste das erkannte Kind den Platz in der Mitte einnehmen. Das konnten sie Stunden lang mit mir spielen. Ich hatte erkannt, dass jedes Fell eine eigene Struktur hatte. Daran hätte ich auch die erwachsenen Vendar voneinander unterscheiden können. Jorans Fell zum Beispiel erinnerte mich an einen Teddybären. Sianach hingegen hatte ein Fell wie eine Hauskatze. Dirans Fell erinnerte mich an einen Schäferhund und so weiter.

Shimar hatte plötzlich aufgehört, an seiner Kapsel zu pulen. Er musste etwas Interessantes beobachtet haben. „Der kleine Knopf hat die Augen zu und versucht, so eine Kapsel auszupulen.“, flüsterte er mir zu. „Knuffig.“, flüsterte ich zurück.

Eine Vendar mittleren Alters kam auf uns zu. Sie schien die Mutter des Kleinen zu sein. Jedenfalls wandte sie sich zu ihm, sagte ihm etwas in ihrer Muttersprache, das ich nicht verstand und nahm ihn mit sich fort. Sie schien aber nicht argwöhnisch zu sein. „Der Kleine wird jetzt sicher ’ne Menge zu erzählen haben.“, lächelte Shimar. „Das glaube ich auch.“, pflichtete ich ihm bei.

Zirell und Maron hatten sich etwas abseits getroffen, um sich über Dienstliches zu unterhalten. „Ich habe gerade mit Ishan gesprochen.“, begann die Tindaranerin mit betrübtem Gesicht. „Er sagt, dass die Föderation wohl auseinander brechen wird.“ Irritiert sah ihr erster Offizier sie an. „Was genau meint Ishan damit?!“, fragte Maron etwas alarmiert. „Ishan sagt, viele Planeten hätten sie bereits verlassen. Darunter Terra, Celsius, Platonien und Zeon. Demeta wird unter Umständen noch folgen, aber Nitrin will versuchen, Nugura zuerst umzustimmen. Die Stationen 818 und 817 haben sich für unabhängig erklärt und noch etwas: Die Zusammenkunft geht davon aus, dass es Krieg geben wird. Sie haben der Restföderation ein Ultimatum gestellt. Entweder, sie löst sich wieder von Nihilla, oder Tindara ist gezwungen, dieses in seine Schranken zu weisen.“ Maron senkte den Kopf und schlug die Augen nieder. „So weit ist es also gekommen.“, seufzte er. „Kannst du mir mal verraten, was Ethius Nugura versprochen haben könnte, dass sie nihillanische Zustände auch in der Föderation einführen will?“, erkundigte sich Zirell. Der demetanische Agent überlegte eine Weile. „Ich kann mir nur denken, dass die Nihillaner irgendeinen uralten Traum verwirklichen wollen. Irgendwas, das so groß ist, dass sie sofort angebissen hat.“, vermutete er dann. „Was kann das sein?“, fragte Zirell. „Ich kann mir etwas denken, Sea Tindarana.“, fuhr Maron fort, allerdings sah er sie dabei in einer Weise an, die ihr signalisierte: „Ich werde dich auffangen.“ „Ich denke, dass die Nihillaner der Föderation die Unsterblichkeit versprochen haben. Das ist meines Wissens noch der einzige uralte Traum, der noch immer einer ist. Zu den Sternen fliegen, das können wir längst. Auch haben wir den Hunger und die Krankheit im Griff. Nur den Sensenmann, den konnten wir bisher nicht überwinden.“ Zirell schrak zusammen. „Um Himmels Willen!“, stieß sie hervor. „Wenn sie das auf wissenschaftlichem Wege erreichen wollen, gibt es dafür meines Wissens nach nur eine Lösung und die könnte unerwünschte Nebenwirkungen haben!“ Maron nickte. Er wusste genau, welche unerwünschten Nebenwirkungen seine Vorgesetzte meinte. „Ich muss bleiben.“, plädierte er. „Bitte, Zirell. Ich bin der Einzige, der dir in dieser Situation helfen kann. Ich bin der einzige mit den richtigen Kontakten. Die Föderation hat seit mehr als 800 Jahren gute Beziehungen zu guten Mächtigen. Ich kann …“ „Leider entscheide das nicht ich.“, unterbrach Zirell ihn. „Das letzte Wort hat Zoômell.“ „Dann sprich bitte mit ihr.“, bat Maron. „Das habe ich schon.“, erklärte Zirell. „Sie hat abgelehnt.“

Weder die tindaranische Kommandantin noch der demetanische Spionageoffizier hatten Eludeh bemerkt, die sich leise hinzu geschlichen hatte. Sie hatte das ganze Gespräch mit angehört und schloss daraus, dass der Vorkriegszustand, in dem sich Tindara jetzt befinden musste, wohl ihre Schuld war. Nur durch sie hatten die Geheimdienste ja überhaupt erst die Bestätigung der grausigen Informationen bekommen. Sie beschloss, in ihre Heimat zurückzukehren und sich den dortigen Behörden zu stellen, egal welche Konsequenzen das für sie haben würde. Einen Krieg wollte sie auf keinen Fall verursachen. Die Tindaraner waren so gut zu ihr und den anderen Flüchtlingen gewesen! Auf keinen Fall wollte sie, dass sie jetzt dafür so etwas Grausames wie einen Krieg führen mussten. Nur richtig anstellen musste sie es. Würde sie mit ihrem eigenen Schiff türmen, würde jeder Verdacht schöpfen. Außerdem war sie auch dem nihillanischen Widerstand noch etwas schuldig. Wenn sie denen ein heißes schnelles waffenstarrendes Vendar-Schiff besorgen könnte, würden sie sich auch besser gegen das Militär wehren können. Aber welcher der Vendar wäre am Wenigsten argwöhnisch, wenn sie ihn um Flugstunden bitten würde? Um für Verwirrung zu sorgen, würde sie aber später auch nicht sein Schiff, sondern irgendeins stehlen. Schließlich fiel ihre Wahl auf Tabran. Der alte Mann würde sicher keinen Verdacht hegen. Dazu hatten sich die Beiden zu gut verstanden und er gehörte zu den gutmütigsten Wesen, die Eludeh je kennen gelernt hatte.

Shimar und ich befassten uns gerade mit Centus-Shimar. Shimar hatte mir erklärt, dass er immer noch Schwierigkeiten damit hatte, den Kleinen zu füttern. Allerdings lag das nicht daran, dass der Kleine nicht essen wollte, wie manche leidgeprüfte Mütter jetzt vielleicht denken könnten, nein, es lag viel mehr daran, dass Shimar selbst sein Ekelgefühl gegenüber der Insektennahrung nicht überwinden konnte. Er konnte die Heuschrecken und Käfer einfach nicht ansehen, ohne auf der Stelle leichenblass zu werden und sich fortdrehen zu müssen, um den Inhalt des eigenen Magens gleich wieder von sich zu geben. Ich hingegen konnte die Tiere sogar anfassen, was ja auch notwendig war, damit ich sie in die Pinzette schieben konnte, da ich sie ja nicht sah. Im Stillen beneidete mich Shimar wohl um diese Fähigkeit. „Wieder ein Vorteil auf deiner Seite, Kleines.“, lächelte er. „Ist schon manchmal echt gut, wenn man nichts sehen kann, was?“, grinste ich.

Eludeh kam zu uns herüber. „Könntet ihr wohl noch eine Weile auf den Kleinen aufpassen?“, fragte sie. „Ich habe gleich eine Verabredung.“ „Oh, klar.“, entgegnete ich freundlich und Shimar fügte hinzu: „Dann werde ich hoffentlich ein noch besserer Patenonkel.“

Eludeh ging zu der Stelle hinüber, an der sie Tabran zuletzt gesehen hatte. Tatsächlich saß er noch immer in dem kleinen Wäldchen auf dem Baumstumpf. Aufmerksam beobachtete der Vendar die kleine zierliche Gestalt, die sich ihm näherte. „Hallo, Eludeh El Nihilla.“, lächelte er. „Was führt dich zu mir?“ Sie blieb vor ihm stehen und begann: „Eigentlich habe ich eine etwas ungewöhnliche Bitte. Ich möchte wissen, wie es ist, ein Vendar-Schiff zu fliegen.“

Tabran nahm vorsichtig ihre Hand und zog sie neben sich. Er fühlte sich geehrt, dass sie gerade ihn als Fluglehrer ausgesucht hatte. „Und du glaubst, dass ein alter Mann wie ich das noch hinkriegt, dir so etwas beizubringen?“, fragte Tabran. „Ach, hör auf zu kokettieren.“, grinste Eludeh. „So schwer kann das ja wohl nicht sein und dein Augenlicht und Gehör sind ja wohl auch noch gut genug. Außerdem habe ich im Fliegen von Raumschiffen im Allgemeinen schon Erfahrung. Das wird also ein Sonntagsspaziergang, wenn du mich fragst. Außerdem hast du Erfahrung im Ausbilden von Leuten. Joran ist sehr redselig.“

Tabran stand behäbig auf. „In der Tat.“, sagte er. „Erfahrung darin, meinen Schülern etwas beizubringen, die habe ich.“

Er kramte in seiner Tasche und holte einen glänzenden Schaltschlüssel hervor. „Dann lass uns gehen, meine Schülerin.“, lächelte er. „Noch ist etwas Zeit. Sianach will uns heute Nacht das erste Mal versammeln, damit uns das Element Luft die Zukunft deuten kann. Sie sagt, es gebe heute Nacht sicher einen Frühjahrssturm. Das sind die besten Voraussetzungen. Aber bis dahin können wir noch ein Paar Platzrunden mit meinem Schiff drehen.“ Um so besser., dachte Eludeh. Dann ist heute Nacht sicher niemand bei den Schiffen.

Sie betraten die Lichtung, die jetzt als Massenparkplatz für die Schiffe diente. Zwar hatte jedes Schiff noch genug Platz, im Notfall starten zu können, aber trotzdem hätte ein Laie nicht unbedingt das eine Schiff vom anderen unterscheiden können. Tabran aber steuerte zielsicher auf eines zu.

Eludeh wollte auf die andere Seite gehen, aber Tabran hielt sie zurück. „Nein, nein.“, sagte er. „Links ist dein Platz. „Ich gebe mich gern damit zufrieden, die zweite Geige zu spielen. Lass mich nur noch vorher etwas programmieren, damit ich im absoluten Notfall eingreifen kann.“

Beide stiegen ins Cockpit und Tabran gab dem Mishar einige Befehle auf Vendarisch, die Eludeh nicht verstehen konnte. Aber sie wusste, dass er den Schiffsrechner nur auf Flugschulmodus programmiert haben konnte. Zuletzt stellte er das Bedienmenü noch auf Englisch um. Diese Sätze merkte sich Eludeh allerdings genau. Sie würde sie später noch brauchen.

Mittels Symbolen auf der Tastatur stellte Tabran einen Menüpunkt ein. Dann drehte er vorsichtig Eludehs Kopf zum Bildschirm. „Ich darf nicht laut mit dir sprechen.“, flüsterte er in ihr rechtes Ohr. „Sonst ist der Rechner verwirrt. Lies jetzt bitte einfach die Worte, die auf dem Bildschirm stehen, laut ins Mikrofon. Sprich aber normal, wie du sonst auch sprichst. Nicht übertrieben deutlich, aber auch nicht zu leise oder nuschelig.“ Eludeh nickte und begann: „Eins zwei drei vier fünf sechs sieben acht neun zehn. Finale, Frühling, Sommer, Herbst, Winter, Umsicht, Sofa, Suppentopf, Schulanfang.“ Auf den ersten Blick machten diese Worte vielleicht keinen Sinn, aber Eludeh wusste, dass die in ihnen enthaltenen Laute die meisten Befehle abdeckten und sie sich somit gut zum Anfertigen eines Stimmabdruckes eigneten. „Stimmabdruck erstellt.“, meldete der Rechner. „Bitte nennen Sie den Erkennungsnamen.“ „Eludeh.“, sagte diese. „Stimmabdruck mit Frequenzprofil gekoppelt und gespeichert.“, erwiderte der Rechner. „Du kennst dich ja gut aus.“, lobte Tabran.

Er steckte den Schaltschlüssel auf einen Zapfen über den Joysticks. „Das ist ein Drehschalter, mit dem das Hauptenergiesystem aktiviert wird.“, erklärte er. „Bis jetzt lief das Schiff nur auf Reserveenergie, um den Rechner in Bereitschaft zu halten. Der Antrieb braucht davon aber etwas mehr.“ „Schon klar.“, lächelte Eludeh. „Das ist bei allen Veshels standardisiert.“, erklärte Tabran weiter. Er ahnte nicht, was Eludeh mit dieser Information noch anfangen sollte.

„Darf ich jetzt den Antrieb starten, oder wollen wir hier noch länger Maulaffen feilhalten?“, fragte Eludeh forsch. Dabei erinnerte sie Tabran stark an Joran während dessen Jugend. Joran war gar nicht zögerlich gewesen. Er hatte auch immer alles auf einmal lernen wollen. „Wenn du dir das schon zutraust.“, lächelte Tabran. „Wirst du ja gleich sehen.“, antwortete Eludeh, grinste und drehte den Schaltschlüssel nach rechts. Das Schiff vibrierte leicht und gab ein leises fast wohlig anmutendes: „Bsss“, von sich, das langsam lauter und höher wurde und schließlich Tonhöhe und Lautstärke in einem angemessenen Rahmen hielt. Gleich darauf drang aber ein nervöses Piepen an Eludehs Ohren. Sie sah Tabran alarmiert an. „Sie weiß nicht, ob du da bist.“, übersetzte er lächelnd. „Leg deine rechte Hand auf den Höhenjoystick und deine linke auf den für die Richtung. So. Siehst du?“ Das Piepen verstummte und die nervösen Blinklichter auf der Instrumententafel erloschen.

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