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Eludeh und Joran waren aus dem Shuttle gestiegen, nachdem der Vendar dieses auf dem zugewiesenen Platz gelandet hatte. „Es ist schön hier.“, stellte die Nihillanerin fest. „In der Tat.“, lächelte Joran, während er mit ihr über die Wiese ging, die sich zwischen dem Landeplatz und einem Joran fremden Haus befand. Joran war jetzt sicher, dass nur Tabran sie eingewiesen haben konnte. Er hatte, als er Dirans Schiff gelandet hatte, Tabrans Schiff nebenan gesehen.

„Seid gegrüßt!“, rief ihnen die Stimme eines alten Mannes aus dem Hauseingang zu. Joran blieb stehen und bedeutete Eludeh, dies auch zu tun. Dann sahen beide Tabran näher kommen, der sich in Begleitung zweier Frauen befand. Eine war Shiranach. Das konnte Joran erkennen. Bei der zweiten Frau musste es sich um die Wächterin handeln. „Willkommen.“, sagte die Mächtige mild. „Ich habe euch erwartet. Hier seid ihr erst mal sicher.“

Eludehs Gesichtsfarbe änderte sich plötzlich. Für Joran sah es aus, als würde ihr gesamtes Gesicht mit einer Art bläulichem Schimmer überzogen. Mit besorgtem Blick deutete er hin. „Das ist Mutarin.“, erklärte Eludeh. „Meine zweite Verwandlung beginnt. Das wird bald auf meiner gesamten Haut sein. Wir müssen mich in eine Wanne oder etwas Ähnliches legen und mir die Kleider ausziehen. Während der Verwandlung bin ich bewusstlos. Später werde ich wie ein Mensch aussehen.“ „Ruhig.“, beruhigte sie Tabran. „Wir wissen das alles. Fass an, mein Schüler. Wir bringen sie ins Bad. Shiranach, du bleibst am Besten bei ihr.“ Joran und Tabran fassten Eludeh und hoben sie hoch. Dann gingen sie mit ihr ins Haus.

Shimar war Telzan einen langen Gang entlang gefolgt. Dieser führte die Männer durch Sytanias Kerkergewölbe. Der Tindaraner hatte sich dieses aber ganz anders vorgestellt, als es sich jetzt für ihn in der Wirklichkeit darstellte. Er sah keine Ketten, keine vergitterten Türen und keine Fesseln. Aber wahrscheinlich war so etwas in Sytanias Augen Primitives ja auch nicht nötig. Schließlich konnte sie als geschulte Telekinetikerin und Telepathin ja einfach die Tür verschwinden lassen, wenn jemand auch nur an Flucht dachte.

Im Vorbeigehen sah Shimar die angestrengten und verzweifelten Gesichter der Zelleninsassen. Er erkannte Telepathen aus sämtlichen Völkern, mit denen die Tindaraner und die Föderation Kontakt hatten. Selbst Aldaner waren darunter, was den tindaranischen Piloten sehr in Erstaunen versetzte. Normalerweise, das wusste er, würden sie sich niemals Sytania unterwerfen, aber die Situation ließ es nicht anders zu und es war in gewisser Weise sicher vernünftig, hier mitzumachen. Shimar wusste, dass die Aldaner sehr vernunftsbetont waren. Er wusste, dass dies nicht ganz so stark bei ihnen ausgeprägt war wie bei den Vulkaniern, aber doch waren sich die beiden Spezies sehr ähnlich.

In seiner Muttersprache rief Telzan einen weiteren Vendar herbei und beide öffneten die schwere Tür zu einer Zelle. Einer von denen ist fünf mal so stark wie ein durchschnittlicher Terraner., rechnete Shimar. Wenn es schon zwei von denen braucht, um diese Tür zu öffnen, möchte ich nicht wirklich einen Fluchtversuch wagen.

Er witschte vor den beiden Männern in die Zelle, die sein Verhalten wohl ziemlich in Erstaunen versetzt hatte. „Vernünftig so.“, lobte Telzan. Dann zog er einen großen Sack mit leeren Kristallen hinter seinem Rücken hervor und legte ihn vor Shimar auf dem kleinen Tischchen, das außer einer Pritsche mit Strohsack das einzige Möbelstück war, ab. Er löste noch den Strick und grinste dann hämisch: „Deine Aufgabe für heute.“ Dann zählten die beiden Vendar auf Telzans Geheiß bis drei und ließen die Tür ins Schloss fallen.

Shimar sah sich an, was in dem Sack war. „Wenn ich die alle mit Energie füllen soll, bin ich morgen tot.“, flüsterte er. Aber im gleichen Moment erinnerte er sich an eine seiner Missionen mit IDUSA und daran, dass das Schiff damals durch ein ca. 5000 Jahre altes zeitländisches Computervirus bedingt ihm etwas beigebracht hatte. Damals hatte er in seinem Geist Energie sammeln sollen, um sie auf einmal gezielt abgeben zu können. Außerdem erinnerte er sich an eine der unzähligen Physikstunden mit Jenna, die ihnen allen immer wieder Weisheiten zum Thema Energie mitgegeben hatte. Eine dieser Weisheiten war: „Energie fließt immer dort hin, wo keine ist.“ Wie IDUSA es ihm damals gesagt hatte, musste er sich also nur vorstellen, einen Feind bekämpfen zu wollen, dem er noch nicht, aber wohl bald, gegenüber stehen würde. Erst wenn er es nicht mehr aushielt, würde er sich einen Kristall schnappen und die überschüssige Energie in seinem Geist einfach hineinfließen lassen. Energie, die zu viel war, würde er für das nächste Mal verwenden. So hatte er schon wieder einen Grundstock. Jetzt musste das mit dem Energieerzeugen und -sammeln nur noch klappen. Bei dem Rest würde ihm die gute alte Physik helfen.

Shimar stellte sich vor, bald einem bösen mächtigen Wesen gegenüber zu treten. Noch war dieses Wesen nicht da. Aber es würde bald da sein, was Energie in seinem Telepathiezentrum notwendig machte. Er fühlte, wie sich sein Zentrum auflud. „Du kannst es ja doch noch.“, motivierte er sich halblaut. Er versuchte, den Moment der Entladung so weit wie möglich herauszuzögern. Schließlich aber bemerkte er, dass es keinen Zweck mehr hatte. In diesem Augenblick legte er beide Hände auf einen vorher bereit gelegten Kristall aus dem Sack und entspannte sich. Zuerst überkam ihn das Gefühl, als würde der Kristall ihn aussaugen. Aber gleichzeitig fühlte Shimar eine große Erleichterung. „Das ist es.“, flüsterte er atemlos. „Lass sie fließen. Lass die Energie einfach fließen. Oh, Gott, IDUSA, wenn du wüsstest, wenn du wüsstest, Jenn’, ich werde nie deine Vorträge schwänzen, niemals.“

Auf diese Weise hatte Shimar bereits zehn Kristalle innerhalb von fünf Stunden gefüllt, als die Wächter zurückkehrten. „Hofgang.“, erklärte Telzan knapp und führte ihn aus der Zelle. Der Vendar schien überrascht, weil sein Gegenüber nicht die gleichen Erschöpfungssymptome aufwies, die er bei allen Anderen gesehen hatte. Trotzdem hatte er weitaus mehr Kristalle gefüllt. „Du machst dich gut, Tindaraner.“, sagte Telzan in seiner süffisanten Art. „Das wird dir bessere Verpflegung einbringen.“ „Wenn du meinst.“, erwiderte Shimar bescheiden. Er hatte keineswegs vor, seinen Trick für sich zu behalten. Er musste nur noch jemanden unter den Telepathen finden, der bereit war, ihn von ihm zu lernen und ihn den Anderen beizubringen.

Telzans Kollege zeigte auf eine Lithianische Jugendliche, die in der Ecke des Gefängnishofes saß und einen Kristall in der Hand hielt. Dann sagte er etwas auf Vendarisch, wonach Telzan und er in schallendes Gelächter ausbrachen. Die ist ja noch ein halbes Kind., dachte Shimar. Aber vielleicht ist sie ja lernwilliger als so mancher Erwachsene hier.

Die Wächter ließen Shimar los. „Du darfst dich hier im Hof frei bewegen.“, erklärte Telzan. Dann reihten er und sein Kollege sich in die Wachen ein, die rings umher standen. Shimar wusste, dass eine Flucht unmöglich war. Er hatte jeden Gedanken daran verworfen, auch deshalb, weil da dieses Mädchen war. Er spürte, dass sie insgeheim nach einer vielversprechenderen Methode als der Eigenen suchte, zumal die Wächter sie wegen der schlechten Leistung oft drangsaliert hatten. Zwar waren diese Drangsalierungen immer nur durch Telzan geschehen, weil er der Einzige unter Sytanias Vendar zu sein schien, der des Englischen, also der Amtssprache der Föderation, mächtig war, aber das machte keinen wirklichen Unterschied.

Shimar schlich zu ihr hinüber. Er setzte sich neben sie auf den Fußboden. Vorsichtig tippte er die konzentriert dreinschauende seiner Schätzung nach ca. 15-Jährige an. Erschrocken drehte sie sich um. Jetzt konnte Shimar gut ihr übernächtigt wirkendes Gesicht sehen. Er musste lächeln, denn ihm fielen sofort ihre rechts und links an ihrem Hinterkopf hin und her pendelnden schwarzen Zöpfe auf. „Ich bin der Meinung, du gehst das falsch an.“, begann er ohne Umschweife. „Ach ne, du tindaranisches Militärfliegerass.“, schnodderte sie zurück. „Glaubst du nicht, das hätte ich nicht auch schon selbst gemerkt? Aber, was soll ich machen?“ „Du könntest mir erst mal zuhören.“, erwiderte Shimar. „Das wäre zumindest ein Anfang.“

Das Mädchen ließ den Kristall, den sie immer noch festgehalten hatte, sinken. „Na schön.“, zischte sie dann. „Wenn du ’ne bessere Methode weißt, Shimar, dann raus damit. Tu nicht so überrascht! Ich weiß, wer du bist. Alle hier wissen, wer du bist. Du bist total berühmt.“ „OK, du weißt also, wie ich heiße.“, sagte Shimar. „. Wäre es nicht besser, wenn ich auch wüsste, wer du bist? Ich meine, dann könnten wir wesentlich besser kommunizieren.“ „Ich heiße N’Cara.“, sagte sie schließlich. „Also gut, N’Cara.“, antwortete Shimar. „Und jetzt zeige ich es dir. Stell dir vor, du willst einen Feind bekämpfen, der noch nicht vor dir steht, aber bald vor dir stehen wird. Dein Telepathiezentrum wird sich aufladen. Wenn du es nicht mehr aushältst, nimmst du dir den Kristall und entspannst dich. Dann fließt die Energie automatisch hinein. Ja, genau so! Du bist ein Naturtalent.“

Nicht nur an der telepathischen Verbindung, die Shimar mit N’Cara hatte, auch an ihrem Gesicht wurde ihm deutlich, dass die Methode auch bei ihr funktionierte. „Es ist fantastisch, Shimar.“, flüsterte die kleine Lithianerin aufgeregt. „Ich muss gar nichts tun. Die Energie fließt ganz von allein. Das müssen wir den Anderen zeigen. Du den Jungs und ich den Mädels, OK?“ Shimar nickte. „Wenn wir das hinkriegen, habe ich auch noch eine wichtige Information für dich.“, sagte N’Cara noch, bevor die polternde Stimme Telzans den Hofgang wieder beendete. Shimar konnte warten. Er war ihrer sicher.

Sedrin saß dem Mann gegenüber, den sie zwar kannte, aber der ihr trotzdem eine Menge Rätsel aufgab. Es war für sie höchst ungewohnt, in das bekannte Gesicht Marons zu blicken, aber trotzdem völlig andere Personalien gesagt zu bekommen. Am Meisten stolperte sie über seinen Scherz, was den jetzigen Wohnort anging. „Bald im Jenseits.“, hatte er gelächelt. Dadurch wollte er sie wohl erinnern, dass sie eigentlich gerade einen Toten verhörte.

Sedrins Gesicht wurde immer blasser und blasser, während sie sich einen Drink replizierte. Am Zischen der Flüssigkeit im Glas konnte Gajus hören, dass es sich um ein Kohlensäure enthaltendes Getränk handeln musste. „Aber doch nicht im Dienst!“, empörte er sich. „Maron sagt, eure Rasse verträgt das nicht gut. Es wirkt auf euch wie auf andere Alkohol.“ „Es ist nur ein kleines Gläschen.“, erwiderte Sedrin. „Angesichts der Zustände kann man ja nicht anders. Ich habe schon vieles gesehen, aber dass ich mal einen Toten verhören muss, hätte ich mir nie träumen lassen.“

Gajus setzte sich ihr gegenüber hin und lächelte sie an. „Genau genommen vernehmen Sie ja noch keinen wirklich Toten. Solange ich im Körper von Maron stecke, lebe ich ja quasi noch. Das habe ich nur ihm und Diran zu verdanken, der mich so gut stabilisiert hat, dass ich jetzt die Kontrolle übernehmen kann. Haben Sie bitte keine Sorge um Maron. Es geht ihm gut und wenn er mit einer meiner Handlungen, zu denen ich seinen Körper benutzen will, nicht einverstanden ist, kann er jederzeit eingreifen.“ „Ist Maron hier?“, fragte Sedrin, für die das alles auch eine völlig neue Erfahrung darstellte. „Ja.“, antwortete Gajus. „Er ist hier und er kann alles hören und sehen, was hier geschieht.“ „Könnten Sie mich kurz mit ihm sprechen lassen?“, fragte Sedrin.

Sie beobachtete, wie sich Marons Augen kurz schlossen, nachdem er vorher mit einem abwesenden Blick fast durch sie hindurch geschaut hatte. Fast im gleichen Moment aber öffneten sie sich wieder. „Mach dir keine Sorgen, Amikrin.“, sagte Marons Stimme. „Gajus behandelt mich gut. Wir sind sozusagen miteinander verbunden. Er weiß, was ich denke und tue und ich weiß das auch von ihm. Wenn er wirklich etwas zu verbergen oder böse Absichten hätte, würde er jetzt sofort wieder die Kontrolle übernehmen, denn ich könnte ja etwas verraten oder um Hilfe rufen.“

Sedrin beobachtete jede Regung seines Gesichtes, aber es war ruhig und ausgeglichen. Da war kein Anhalt für einen krampfartigen Zustand, in welchen es sicher geraten würde, wenn Maron und Gajus hinter der Stirn des Demetaners um die Kontrolle kämpfen würden. Sedrin wusste jetzt, dass Maron nicht in Gefahr war. Einen Beweis dafür, dass er und Gajus gleichberechtigt waren, hatte er ihr geliefert. Amikrin, also Freundin, hatte er sie genannt. Das konnte nur Maron wissen und korrekt aussprechen. Sedrin und Maron waren Freunde seit ihrer gemeinsamen Zeit auf der High School auf Demeta. Man konnte sagen, es war eine typische Pausenbrotfreundschaft. Sedrin hatte aufgrund der so genannten Replikatorkrankheit, an der sie litt, kein repliziertes Essen zu sich nehmen dürfen. Das hätte sie nicht verdauen können und sein Nährwert für sie wäre dadurch gleich null gewesen. Gern hatte Maron in die natürlichen Zutaten ihres Frühstücks gebissen. Er hatte damals schon gemeint, dass sie viel besser als die Replizierten schmeckten. Im Gegenzug hatte er ihr witzige Bildschirmschoner für ihr mobiles Sprechgerät besorgt.

Sedrin räusperte sich, denn sie war schon wieder in ihre Schulzeit abgeglitten. „Sei mir bitte nicht böse, Amikron.“, sagte sie. „Aber bitte gib Gajus jetzt die Kontrolle, damit er uns sagen kann, was er uns sagen muss. Ich habe dich erkannt und weiß, dass er mir kein Theater vorgespielt hat.“

Maron nickte und erneut konnte Sedrin das Spiel mit den Augen beobachten. „Habe ich Ihnen etwas vorgelogen, Agent?“, fragte Gajus bald mit Marons Stimme. „Das haben Sie nicht.“, antwortete Sedrin fest. „Aber jetzt wüsste ich gern, was so wichtig ist, dass Sie es uns unbedingt sagen müssen, Gajus.“ „Ich war ein Spion des Widerstandes, der sich in ein wissenschaftliches Labor eingeschlichen hatte. Dort habe ich auch Eludeh kennen gelernt.“ Bei seinen letzten Worten wurde er traurig. „Oh, meine arme Eludeh. Sie hat keinen anderen Ausweg gewusst, als uns alle zu töten. Können Sie mir sagen, ob es ihr gut geht und wo sie ist?“

Sedrin überlegte. Sie konnte ihn nicht belügen, aber ihm die Informationen geben, die sie durch mich und Joran bekommen hatte, durfte sie auch nicht. Deshalb sagte sie nur: „Ich weiß es nicht. Aber ich hoffe, dass es ihr gut geht. Übrigens, Gajus, Sie haben einen Sohn.“ „Einen Sohn?“, fragte Gajus irritiert. „Wo ist er?!“ „Er ist im Kinderheim auf Tindara.“, antwortete Sedrin. „Wenn Sie wollen, können wir ihn dort besuchen.“ „Oh, Agent!“, rief Gajus aus. „Das ist die beste Nachricht, die ich seit Monaten bekommen habe! Aber jetzt zu der Information. Wie gesagt, ich arbeitete in einem Labor. Hier haben sie nach einem Stoff geforscht, der die Wurmlochwesen, Ihnen auch als die Propheten bekannt, töten kann. Es ist wegen der Bajoraner. Die nihillanische Regierung konnte sich genau das denken, was jetzt passiert ist. Sie wissen, dass die Bajoraner sowohl an ihrem Glauben, als auch an ihrer Mitgliedschaft in der Föderation festhalten, weil ihre Götter die Einzigen sind, die wahrhaftig existieren. Wenn die Nihillaner sie als normale Aliens entlarven würden, die mit dem richtigen Mittel auch zu verwunden oder gar zu töten sind, dann hoffen sie, dass die Bajoraner endlich aufgeben.“

Sedrin fuhr zusammen und sprang auf. Gajus aber zog sie am Ärmel auf ihren Stuhl zurück. „Ruhig, nur ruhig.“, flüsterte er. „Die Vendar unter Sianach wissen Bescheid. Diran, in dessen Sifa ich war, hat seiner Frau alles gesagt, was ich auch ihm gesagt hatte. Sie wissen, dass die Vendar mit den Geistern, die sie tragen, kommunizieren können. Sianach wird eine Möglichkeit finden.“ „Das bezweifle ich nicht!“, sagte Sedrin hektisch. „Es ist nur, meine verdeckte Ermittlerin hat ihnen gerade vor einigen Tagen den Stoff geliefert, nach dem sie gesucht haben. Sie werden …“ „Ruhig, nur ruhig.“, wiederholte Gajus und strich ihr durch das Haar. Sedrin sah ihn erstaunt an. „Entschuldigen Sie.“, sagte sie dann. „Einen Augenblick lang klangen Sie wie Maron.“ Gajus lächelte.

Stunden hatte Shiranach neben Eludeh verbracht. Sie hatte die Nihillanerin ständig mit dem ihr von Tabran überantworteten Erfasser gescannt. Sie wollte ihr später eine Art Photostrecke ihrer Verwandlung zeigen und schenken. Aber auch ihre Biozeichen hatte sie unter Beobachtung, obwohl es dort wirklich keinen Grund zur Besorgnis gab. Eludeh war planmäßig in die Bewusstlosigkeit gefallen, nachdem ihr Körper vollständig mit jener harzigen Substanz bedeckt war, die sie als Mutarin bezeichnet hatte. Shiranach wusste, dass Eludeh unter der Schicht nur sehr wenig Sauerstoff zur Verfügung hatte, aber das machte nichts, denn sie atmete nur noch ein Mal pro Minute.

Die alte Vendar fragte den Erfasser immer wider nach dem Zustand der Schicht, denn sie hatte gesehen, dass diese stetig an Feuchtigkeit verlor und langsam abblätterte, was das Gerät bestätigte.

Nach fünf Stunden geduldigem Warten sah Shiranach, dass sich Eludehs Atmung wieder beschleunigte. Bei ihrer ersten Bewegung brach die Schicht, die so dünn wie Papier geworden war, auf und gab eine zwar nackte aber ca. 170 cm große humanoide Frau mit schlanker Statur und roten Haaren frei. „Danke, dass du während meiner Verwandlung auf mich aufgepasst hast, Shiranach.“, lächelte Eludeh. „Das habe ich doch gern getan.“, antwortete die alte Vendar, die von dem, was sie gerade gesehen hatte, sehr fasziniert war. „Wir müssen mich abspülen und dann brauche ich Kleidung.“, sagte Eludeh, die augenscheinlich ob ihres noch immer vom Mutarin feuchten Körpers sehr fror. „Natürlich.“, lächelte Shiranach. Sie hatte längst verstanden, dass Eludeh wohl nicht mehr in die auf die Bedürfnisse eines Reptils zugeschnittene Kleidung passen würde, die sie mitgebracht hatte.

Joran und Tabran saßen mit der Wächterin am Feuer in der Küche, als Eludeh und Shiranach schließlich das Zimmer betraten. „Mit deinem neuen Aussehen wird dich niemand erkennen, der nicht um die Geheimnisse deiner Spezies weiß.“, erklärte Tabran. „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Wo wir schon vom Aussehen sprechen.“, mischte sich jetzt auch die Wächterin ein. „Es wird Zeit, Joran, dass du deines zurückbekommst.“

Es gab einen weißen Blitz und Joran stand mit seinem eigenen Gesicht vor ihnen. „Das Beste wird sein, Joran, du und Eludeh, ihr nehmt auf der Stelle Dirans Schiff und fliegt nach Tindara.“, sagte die Wächterin ernst. „So, wie sich die Zukunft entwickeln wird, duldet das keinen Aufschub.“ Joran nickte. Er wusste, wenn eine Mächtige so etwas sagte, wurde es höchste Zeit. Schließlich konnte die Wächterin in die Zukunft sehen. Er ging also hinaus, um das Schiff zu warten. Eludeh würde später nachkommen und dann würden sie losfliegen, sobald es ging. Joran wusste, die Wächterin würde den Eingang für sie öffnen.

Shimar hatte mittlerweile den gesamten Sack geleert. Der Vendar-Novize, der seine Zelle bewachte, hatte dies staunend zur Kenntnis genommen. Aber glauben konnte er es nicht wirklich. Jedenfalls interpretierte Shimar dies aus seinem verwirrten Blick, den er dem Tindaraner zugeworfen hatte. „Wie wär’s mal mit Nachschub?“, fragte Shimar und versuchte ihm durch seinen Blick zu signalisieren: „Ich könnte das noch Stunden lang.“ „Wenn du mir nicht auf der Stelle noch welche besorgst, melde ich dich.“, drohte Shimar. Es war ihm durchaus bewusst, dass er nur einen unschuldigen jungen Novizen vor sich hatte, aber dieser arbeitete trotzdem für Sytania, die ja eigentlich die Feindin der Tindaraner war. Dies sollten sie und ihre Leute seiner Ansicht nach ruhig spüren. Sie sollten ruhig wissen, dass er ihnen nicht auf den Leim gegangen war, was die plötzliche Kehrtwende ihrer Herrin anging. „Und wenn ich dich melde, dann …“, erklärte Shimar weiter und machte ein Zeichen, das der Novize gut kannte. Er wusste, dass diese Stellung der Hände das Zeichen für Enthauptung war. Joran hatte Shimar dies beigebracht.

Blass und schnellen Fußes machte sich der Novize auf den Weg. „Lauf!“, lästerte Shimar ihm noch hinterher. „Schnell schnell! Du weißt ja, sonst …“

Er versuchte telepathisch N’Cara wahrzunehmen, die seiner Wahrnehmung nach gerade dabei war, einer ziemlich unmotivierten Vulkanierin die von Shimar erlernte Methode zu zeigen. Lass sie, N’Cara., mischte er sich ein. Wer nicht will, der hat schon. Das ist die Letzte., entgegnete N’Cara. Trotzdem., meinte Shimar. Die Terraner haben ein Sprichwort. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Wenn sie sich weiter umsonst quälen will und Energietropfen für Energietropfen aus ihren Hirnwindungen pressen will, ohne ein wirkliches Ergebnis zu erzielen, dann ist sie unbelehrbar. Sie wird schon sehen, was sie davon hat. Wenn du meinst., gab sie zurück. Aber ich will ihr doch nur etwas Gutes …

Ein Geräusch an der Tür hatte Shimar so erschreckt, dass er die Verbindung unbewusst getrennt hatte. Vor ihm stand Telzan. „Essen fassen.“, sagte der Vendar knapp. Dann führte er Shimar aus der Zelle.

Im großen Speiseraum hielt Shimar sofort nach N’Cara Ausschau. Was sie ihm telepathisch erzählt hatte, ließ ihn nicht in Ruhe. Er wusste, dass ihr das Schicksal der Vulkanierin sehr ans Herz ging. Sie konnte bestimmte Dinge ja nicht wissen. Wäre sie Absolventin der Sternenflottenakademie oder einer Ausbildungsstätte der tindaranischen Streitkräfte gewesen, hätte er bestimmtes Wissen voraussetzen können. Aber sie war nur eine Zivilistin, eine High-School-Schülerin, die ja wirklich nicht unbedingt wissen konnte, wie das mit den Vulkaniern war.

Endlich hatte er sie gefunden und setzte sich mit seinem Tablett zu ihr an den Tisch. Traurig sah sie aus. Das hätte auch ein Nicht-Telepath feststellen können. Shimar sah sie an. Dabei streifte sein Blick auch die umstehenden Tische und die Tabletts der Anderen. Alle hatten bessere Verpflegung bekommen, seitdem sich ihre Leistungen bei der Energiegewinnung gesteigert hatten. Er war zufrieden. Nur in der hintersten Ecke saß einsam und allein die Vulkanierin, die von einer Vendar-Wächterin gerade ein Tablett mit Wasser und jenen undefinierbaren äußerst geschmacksneutralen Teigfladen vorgesetzt bekam, wie es alle Anderen vorher auch bekommen hatten. Aus dem Augenwinkel hatte Shimar bemerkt, dass N’Cara seinen Augen mit den ihren gefolgt war. Aber dann hatte sie wieder traurig weggesehen. Er streckte seine rechte Hand nach ihr aus und berührte sie mit dem Zeigefinger an der Wange. „Hey, Miss Schwingzopf.“, scherzte er. „Was haben wir denn für ein Problem?“ N’Caras Gesicht verkrampfte sich und sie begann zu schluchzen. „Sie könnte es so gut haben.“, stieß sie hervor. „Aber sie will es nicht. Ich habe versucht, ihr zu helfen, aber sie hält nichts davon. Sie hat mich ziemlich abblitzen lassen, diese arrogante Ziege. Deine Methode bringt uns allen doch nur Vorteile. Warum rafft sie das nicht? Weißt du, was ich glaube, Shimar, Ich glaube, die Spitzohren sind alle ein Bisschen sadomaso.“ Shimar lächelte freundlich über ihre letzte Äußerung hinweg. Dann sagte er: „Das kannst du nicht wissen, aber die mögen alles nicht, was mit Gefühlen zusammenhängt. Meine Methode hat eine vergnügliche Komponente und …“ „Und vor der hat s’e Schiss.“, unterbrach N’Cara ihn frech. „Genau.“, lachte Shimar. „Du kannst ja richtig locker sein.“, stellte N’Cara fest. „Warum nicht?“, fragte Shimar erstaunt. „Na ja.“, setzte sie an. „Ich dachte, in militärischen Einrichtungen herrscht ein anderer Ton.“

Shimar schüttete sich aus vor Lachen. „Du glaubst im Ernst, wir schreien uns den ganzen Tag an? Denkst du nicht, dann wären wir alle abends stockheiser?“, fragte er lachend. Sie nickte, um dann fort zu fahren: „Ich habe ja noch ’ne Info für dich. Also, hier gibt es ’ne zeitländische Adelige. Du weißt ja, dass die in die Zukunft sehen können. Sie hat gesehen, dass die Nihillaner die Propheten töten wollen und das Universum zerstören wollen.“ „Oh Mann.“, erwiderte Shimar. „Das muss ich meinem Commander sagen, wenn ich wieder frei bin.“

„Übrigens.“, sagte N’Cara mit vollem Mund, nachdem sie in ein Stück Obst gebissen hatte. „Den Wächter hast du aber zusammengeschissen, dass es eine wahre Freude war. Der heult sich jetzt bestimmt bei Telzan aus.“ „Das glaube ich auch.“, erwiderte Shimar. „Aber wenn schon. Soll mir egal sein. Sytania und ihre Leute sollen ja nicht glauben, wir hätten vergessen, dass sie eigentlich unsere Feinde sind.“ Die junge Lithianerin nickte. „Gut, dass ich dich an meiner Seite habe, Militärfliegerass.“, sagte sie dann. „Sonst wäre ich hier ziemlich allein.“ Wieder wurde sie sehr traurig. „Was meinst du damit?“, fragte Shimar. „Wo sind deine Eltern? Sind sie nicht mit entführt worden?“ „Sytanias Vendar haben mich auf dem Weg von zu Hause zur Schule entführt.“, sagte N’Cara traurig. „Meine Eltern wissen bis heute nicht, wo ich bin.“ Shimars Magen zog sich zusammen. „Oh, shit.“, sagte er und kitzelte sie erneut. Dann kratzte er sich überlegend am Kopf. Die Methode zum Kristallefüllen, die er allen gezeigt hatte, sorgte dafür, dass mehr Kristalle gebraucht wurden, als die Wächter auf ein Mal heran schaffen konnten. Vielleicht würden die Schürfer auch bald keine mehr finden und dann musste Sytania alle frei lassen, denn die Gefangenen waren dann nur noch unnütze Esser. Sicherlich hatte sich auch schon Sytanias Mundschenk bei ihr beschwert, weil die Vorräte langsam zur Neige gingen. Aber laut ihrem eigenen Befehl bekam man für gute Leistung auch gutes Essen. Gern hätte er gewusst, ob sich noch Kristalle im Boden um das Schloss herum befanden. Aber das konnte er nicht rausbekommen. Von seiner Ausrüstung hatten die Vendar ihm nichts gelassen. Er hätte also IDUSA nicht verständigen können auch, wenn sie noch in der Nähe gewesen wäre. Wo bist du, wenn ich dich brauche, IDUSA?, dachte er. „Wer ist IDUSA?“, fragte N’Cara, die sich unbemerkt in seinen Geist geschmuggelt hatte. „Mein Schiff.“, antwortete Shimar. „Ich bin Patrouillenpilot. Sie hat mir diese Methode beigebracht.“ „Was?“, quietschte die Jugendliche. „Dein Schiff hat dir das gezeigt? Woher wusste sie das denn?“ „Von einem 5000 Jahre alten Computervirus.“, erklärte Shimar, als sei es das Normalste der Welt. „Jetzt spinnst du Astronautengarn.“, grinste N’Cara. „Tue ich nicht.“, erwiderte Shimar. „Ich zeige es dir.“ Er übermittelte ihr telepathisch, was damals auf der bestimmten Mission passiert war.

Telzan stand mit traurigem Blick gemeinsam mit dem Mundschenk vor Sytania. „Wir müssen uns etwas einfallen lassen, Milady.“, sagte er. „Dieser verdammte Tindaraner hat allen etwas beigebracht, womit sie schneller Kristalle füllen können, als wir sie heran schaffen können. Die Sklaven in den Mienen finden keine mehr.“ „Die Vorratskammer ist leer.“, jammerte der Mundschenk, ein untersetzter Imperianer mit dickem Bauch. „Euer Befehl, Hoheit, lautete, sie gut zu versorgen, wenn sie uns gut versorgen und das …“ „Hör auf zu winseln!“, kreischte Sytania dazwischen. „Wir haben eh genug Energie und für die Gefangenen keine Verwendung mehr. Ich werde dafür sorgen, dass sie uns nicht länger zur Last fallen.“

Es gab einen schwarzen Blitz und Shimar fand sich auf der Station wieder. Hoffentlich ist N’Cara genau so gut angekommen., dachte er, bevor er sich auf den Weg in die Zentrale machte, um Zirell zu informieren.

Eludeh und Joran hatten den Wirbel durchflogen, den die Wächterin für sie geöffnet hatte, damit sie vom Tembraâsh ins Universum der Tindaraner gelangen konnten. „Ich hoffe, dass ich Allrounder Betsy bald wiedersehe.“, sagte Eludeh. „Ich kann mir denken, warum du das willst.“, erwiderte Joran. „Du willst dich sicher bei ihr entschuldigen.“ „Das ist richtig.“, bestätigte die Nihillanerin. „Ich habe ihr Unrecht getan. Ich konnte ja nicht ahnen, dass sie mir mit deiner Hilfe ermöglichen wird, aus dem Gefängnis auszubrechen. Übrigens, die Zeit in deiner Sifa habe ich sehr genossen, auch wenn sie nur wenige Stunden gedauert hat. Einmal hast du dieses Fütterungsritual durchgeführt. Das hat sich total gut angefühlt. Ich glaube, dass deine und meine geistige Energie hervorragend harmonieren.“ „Freut mich, dass es dir gefallen hat.“, lächelte Joran.

Das Piepen des Sprechgerätes beendete ihre Konversation. „Wir werden gerufen.“, erklärte Joran. Dann sah er auf das Display und erkannte das Rufzeichen der Station, um dann weiter zu sprechen: „Es ist Zirell persönlich. Wahrscheinlich ist niemand sonst in der Kommandozentrale. Der Ruf kommt von ihrem Arbeitsplatz.“ „Dann würde ich ihr an deiner Stelle mal antworten.“, scherzte Eludeh. „Sonst gibt es noch ein Donnerwetter. Schließlich ist sie dein Basecommander.“

Joran nickte und betätigte die Sendetaste: „Hier ist Joran.“, sagte er ruhig. „Den Göttern sei Dank.“, erwiderte Zirell. „Ich hatte schon Sorge, dich nie wieder zu sehen. Wo ist Allrounder Betsy? Die Frau neben dir kann es nicht sein. Wer ist das?“ „Du wirst es nicht für möglich halten, Anführerin.“, antwortete der Vendar. „Aber das ist Eludeh El Nihilla. Sie hat ihre letzte Transformation hinter sich.“

Eine kurze Zeit verging, in der Zirell telepathisch den Wahrheitsgehalt seiner Worte überprüfte. Dann sagte sie: „Es stimmt. Aber diejenigen, die das Geheimnis der Nihillaner nicht kennen, werden Eludeh nicht erkennen können. Das ist ganz gut so. Ishan sagt, dass die humanoide Schicht in der DNS die letzte ist. Durch einen Erfasser ist sie also auch nicht mehr von einer normalen Humanoiden zu unterscheiden.“ „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Ich denke, das hat die Wächterin vorausgesehen, als sie …“ „Die Wächterin!“, rief Zirell aus. „Na, am Besten wird sein, ihr dockt erst mal und dann erzählst du alles von Anfang an. IDUSA wird euch einweisen.“ „Großzügig von dir, Anführerin Zirell.“, sagte Joran. „Ich werde dir alles berichten. Aber ich möchte auch von Agent Sedrin El Demeta vernommen werden.“ „Darum kümmere ich mich.“, versicherte Zirell. „Folge du am Besten erst mal IDUSAs Positionslichtern.“

Auch ich war mit einem Shuttle unterwegs. Die Nihillaner hatten mir erlaubt, diejenige zu sein, welche die tindaranische Dimension in ihren Grundfesten erschüttern sollte. Dazu hing hinter meinem Shuttle eine Boje am Traktorstrahl, die ich in der interdimensionalen Schicht aussetzen sollte. Über ihre Funktion wusste ich nicht viel. „Ihr Flieger braucht das alles nicht zu wissen!“, hatte der Kommandant der Basis mich angefahren, als ich genauer nachgefragt hatte. Aber es war mir auch egal, ob ich über die Funktionsweise der Boje Bescheid wusste oder nicht. Meine Frage an ihn hatte viel eher zu meiner Tarnung gehört. Als begeisterte Soldatin der nihillanischen Streitkräfte musste ich ja schließlich tun, als sei ich mit allem einverstanden, was deren obere Zehntausend so verzapften und so heuchelte ich Interesse. Zum Glück hatte mich der Typ nicht berührt, sonst hätte er noch drauf kommen können.

Der Staffelführer gab uns Signal, in eine bestimmte Formation zu gehen. Dann gingen wir in den Interdimensionsmodus. „Auf Position!“, hörte ich die schnarrende Stimme des Staffelführers im Ohrhörer meines Sprechgerätes.

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