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Ich war mit einer ganz anderen Sache beschäftigt. Mir war Evain aufgefallen, die angesichts der Bilder schreiend zusammengebrochen war. „Ich habe an ihn geglaubt!!!“, schrie sie immer wieder. „Ich habe an ihn und seine Idee geglaubt. Kann man sich denn so irren?“

Ich ging hinüber und half ihr auf. Sie mochte zwar lange meine Feindin gewesen sein, aber jetzt war sie gestrandet und benötigte Hilfe. Eine wahre Sternenflottenoffizierin, als die mich Ishan kürzlich bezeichnet hatte, musste dies erkennen. Eine wahre Sternenflottenoffizierin unterschied nicht nur zwischen schwarz und weiß. In ihrem Denken musste genug Platz für Graustufen sein.

Die zitternde Kommandara erkannte mein Gesicht. „Connors“, schluchzte sie. „Was machen Sie denn …“ Ich warf einen kurzen Blick zu Sedrin. „Ist OK.“, erlaubte die Agentin. „Ich bin nicht Connors.“, gestand ich. „Mein Name ist Star Fleet Allrounder Betsy Scott. Ich hatte Ihr Militär infiltriert, um an Informationen zu gelangen.“ „Das ist egal!“, schrie Evain. „Es ist alles egal! Wir werden alle sterben und ich hatte ihm vertraut!“

„Kleines.“, Shimars flüsternde Stimme ließ mich den Kopf wenden. Ich bemerkte, dass sich alles zu stabilisieren begann. Gleichzeitig spürte ich, wahrscheinlich durch die Schutzverbindung bedingt, dass es etwas mit Shimars Energie zu tun hatte.

IDUSA meldete sich. „Sie werden nicht glauben, was ich sehe.“, sagte das Schiff. „Mach’s nicht so spannend!“, sagte Sedrin energisch, die immer noch an der Konsole stand. „Ich stelle durch.“, sagte IDUSA nüchtern, denn eine visuelle Verbindung war wieder möglich geworden. „Was ist das denn?“, fragte Sedrin irritiert. „Ein Schild aus Zebrastreifen. Ein … Ein … Ein Zebraschild. Lauter schwarzweiße …“ Sie fiel in Ohnmacht. Ich stutzte. Sogar Agent Ich-komme-mit-jeder-Situation-klar-Sedrin war mal überfordert. „Das ist die normale Art, die Energie von Freund und Feind darzustellen.“, sagte IDUSA nüchtern. „Übrigens, die nihillanischen Bojen sind alle zerstört. Sie haben der Energie wohl nicht Stand gehalten.“

Ich war immer noch mit Evain beschäftigt. Sie hatte gerade erfahren, dass Nihilla der letzte Planet war, der der Zerstörung anheim gefallen war. „Wie konnten wir uns das anmaßen?“, fragte sie verzweifelt. „Wie konnten wir glauben, wir würden überleben und eine neue Ordnung schaffen können? Für wen haben wir uns nur gehalten? Oh, wir haben uns so respektlos gegenüber der Natur benommen! Warum nur?! Warum?!“ „Ich denke, das kann ich Ihnen beantworten.“, sagte ich. „In dem Moment, in dem Sie die Natur nicht mehr als Schöpfung gesehen haben, haben Sie den Respekt vor ihr verloren.“ „Aber was sollen wir denn machen?“, fragte Evain. „Wir haben doch gelernt, dass Götter nicht existieren.“ „Niemand verlangt, dass Sie an einen alten Mann mit weißem Bart glauben, der auf einer Wolke sitzt.“, tröstete ich. „Sie sollten nur etwas mehr Respekt gegenüber der Natur zeigen. Anscheinend ist eine Urknallmaschine nicht alles. Wenn Sie etwas respektvoller mit der Natur umgehen, kommen Sie auch nicht wieder so schnell auf so größenwahnsinnige Ideen. Sie können mir diesbezüglich glauben. Ich komme aus einem Jahrhundert, in dem es ähnlich war.“

Wieder brach Evain in Tränen aus. „Sie sind eine echte Diplomatin, Star Fleet Allrounder Betsy Scott.“, schluchzte sie. „Aber, warum helfen Sie mir? Ich bin doch der Feind.“ „Nein.“, entgegnete ich fest. „Sie sind eine gestrandete Mitläuferin, die eingesehen hat, dass sie umkehren muss. Warum sollte ihnen die Föderation in Form von meiner Person also nicht die Hand reichen?“ Sie umarmte mich. Ihre Tränen durchdrangen den Stoff meiner Uniform, aber das machte mir nichts aus. „Wo soll ich jetzt hin, als einzige Überlebende meiner Rasse?“, fragte sie. „Es wird eine Möglichkeit gefunden werden.“, versicherte ich. „Sie müssten wahrscheinlich nur akzeptieren, in einer Gesellschaft zu leben, in der es Religionen gibt. Das ist nämlich in der Föderation so. Aber, Sie sind nicht allein. Es gibt noch die Flüchtlinge. Vielleicht wird irgendwo ein Planet gefunden, auf dem Sie alle neu anfangen können.“ „Ich akzeptiere alles!“, rief Evain aus. „Vielleicht finde ich sogar noch selbst zum Glauben.“

Wenige Tage nach der Beseitigung aller Trümmer, bei der auch ich tatkräftig mitgeholfen hatte, kehrte ich nach Terra und Little Federation zurück. Ich hatte festgestellt, dass alle Weissagungen der Vendar wahr geworden waren, denn die irrende Königin, die ich aus dem Labyrinth geführt hatte, war Nugura gewesen. Sie hatte eingesehen, dass sie auf dem Holzweg gewesen war. Es erfreute mich zu sehen, dass alle meine Freunde den beinahen Weltuntergang überlebt hatten. Mein erster Weg führte mich zu Data und Cupernica. Mit ihnen würde ich den Neuanfang gebührend feiern.

Data rückte mir auf seiner Terrasse einen Stuhl zurecht. Caruso und Fredy schnurrten mir um die Beine. Caruso um mein Linkes und Fredy um mein Rechtes. In der Mitte trafen sie sich. Dann standen sie sich gegenüber und schnurrten sich gegenseitig etwas vor. Data hatte vermutet, dass es sich hierbei um eine Art Schnurrcode handelte, mit dem die Beiden geheime Botschaften austauschten. Eine andere gemeinsame Sprache hatten der Kater und der Tribble ja nicht. „Haben Sie heute schon Nachrichten gehört, Allrounder?“, fragte er, während er mir eine Tasse Tee eingoss. „Nein.“, entgegnete ich. „Habe ich etwas verpasst?“ „Allerdings.“, übernahm Cupernica die weitere Beantwortung meiner Frage. „Die nihillanischen Flüchtlinge und auch Evain sind im vulkanischen Sonnensystem untergekommen. Präsidentin Eludeh hat sich sehr über die vulkanische Gastfreundschaft gefreut. Und Evain ist nach wie vor ihre militärische Führerin. Aber sie hat sich sehr gemäßigt. Sie will auf keinen Fall …“ „Warten Sie mal, Scientist.“, unterbrach ich sie. „Sagten Sie gerade Präsidentin Eludeh?“ „Das ist korrekt.“, antwortete die Androidin. „Dann ist Centus-Shimar jetzt der erste Sohn im Staate.“, schloss ich. „Das wird wohl stimmen.“, sagte Data. „Übrigens.“, fuhr er fort. „Die Nihillaner wollen ihren neuen Planeten nicht mehr Nihilla nennen. Er soll jetzt wieder Basiria heißen, wie vor dem Amtsantritt von Ethius. Sie glauben auch wieder an ihre alten Götter, von denen nach der Überlieferung auch dieser Name stammt.“ „Und die Basirianer haben die Föderation gebeten, sie bei ihrer Demokratisierung zu unterstützen. Soweit ich hörte, soll die Granger eines der Schiffe sein, die dort hin fliegen.“ Ich lächelte. Das würde vielleicht bedeuten, dass ich Eludeh bald wiedersehen würde. „Dann sollte ich mal dringend meine SITCH-Mails abfragen.“, lächelte ich. „Unter Umständen ist schon der Marschbefehl für mich dabei.“ Damit verabschiedete ich mich.

Tatsächlich musste ich einige Tage später wieder anmustern und wir flogen nach Basiria. Es freute Commander Kissara sehr, wie gut der Prozess der Demokratisierung voranging. Deshalb konnten wir auch bald wieder abfliegen. Vor dem Einschlafen in meiner letzten Nacht in der Umlaufbahn des Planeten dachte ich noch: Wie froh bin ich, dass die Föderation trotz allem Fortschritt den Respekt vor der Natur doch nie ganz verloren hat. Eines stand für mich fest. Wenn die Wissenschaft, wie Tabran gesagt hatte, ein neugieriges kleines Kind war, dann sollte die Moral vielleicht so etwas wie die große Stiefschwester sein, die auf sie achtete.

ENDE

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