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Langsam löste sich Diran jetzt aus seiner konzentrierten Haltung. „Wie geht es deinem Feld?“, fragte Tolea mild. „Ich nehme an, recht gut.“, antwortete Diran. Dann drehte er sich zum Computermikrofon: „Mishar, Steuerkontrolle übergeben!“ „Befehl wird ausgeführt.“, kam es nüchtern zurück.

Eine ganze Zeit waren sie jetzt schon geflogen. Tolea war nicht aus dem Kopf gegangen, was Diran gesagt hatte. Er nahm an, dass es seinem Feld gut ging. Was meinte er damit? Hatte er etwa schon einen Verdacht, den sie nicht bemerkt hatte? „Du sagtest, dass du annähmst, dass es deinem Feld gut gehe.“, sprach sie ihn an. „Was meinst du genau damit?“ „Die Nihillaner müssen in der Lage sein, Energiefelder nicht nur so zu erschaffen, dass sie sogar meine Sifa täuschen können, dass sie meint, das Feld sei echt, nein, sie müssen auch in der Lage sein, diese Felder so zu programmieren, dass sie kommunizieren können. Ich verstehe allerdings nicht, was es mir sagen will.“ „Was siehst du denn?“, wollte Tolea wissen. „Es zeigt mir einen Mann hinter Gittern. Er ist damit nicht zufrieden und läuft in seinem Käfig auf und ab wie ein gefangenes Tier. Wenn ich mich ihm zeige, Gebieterin, Ihr wisst, ich kann das während des Rituals kontrollieren, dann lächelt er mir aber zu. Wenn ich frage, wer ihn eingesperrt hat, sagt er nur, das würde ich noch früh genug erfahren.“ „Das ist wahrscheinlich nur ein Programm der Nihillaner.“, log Tolea. Es schmerzte sie, dass sie ihm die Wahrheit noch so lange vorenthalten musste. Sie war immer eine Freundin sterblicher Wesen gewesen und hasste es, wenn sie benutzt wurden. Sie wusste aber auch, dass es in diesem Fall nicht anders ging. Oh, mein armer Diran., dachte sie. Dass es gerade dich treffen musste. „Das war noch nicht alles.“, berichtete Diran weiter. „Ich sehe einen Schlüssel und ein Schloss. Wenn ich versuche, den Schlüssel zu nehmen und das Schloss zu öffnen, um ihn zu befreien, verschwindet beides hinter einer Nebelwand. Die habe ich schon versucht weg zu schieben. Aber es funktioniert nicht.“

Tolea überlegte, ob sie ihm nicht wenigstens einen kleinen Hinweis geben sollte. Sie wusste, sie würde damit gegen alle Grundsätze der Mächtigen verstoßen. Aber das war ihr jetzt egal. Auch wenn sie damit riskieren würde, dass Diran die Wahrheit zu früh herausfinden könnte. Sie wusste, dass wenn man Diran den kleinen Finger gab, er oft bald die ganze Hand hatte. So beharrlich konnte er sein. „Eines Tages wirst du ihn befreien können.“, sagte sie schließlich. „Sicher.“, entgegnete Diran. „Am Ende meines Sifa-Zyklus.“ Tolea atmete auf. Er schien ihren Hinweis doch nicht verstanden zu haben. Sie wusste aber auch, dass dies eine trügerische Sicherheit war. Was sie gesagt hatte, würde Diran nicht in Ruhe lassen und früher oder später würde er darauf kommen. Sie wünschte sich aber insgeheim, dass es eher später als früher passierte.

Sedrin hatte mich abgeholt. Wir saßen jetzt in ihrem Jeep und waren zum Kinderheim unterwegs. Die mitternächtliche Aktion, zu der uns Mikor eingeladen hatte, war mit Mittana abgesprochen. Die celsianische Erzieherin war im Augenblick die einzige Betreuerin, die Nachtbereitschaft machen konnte. Ston, der vulkanische Erzieher, für den sie eingesprungen war, war krank geschrieben. Für Mikor war das aber so ganz OK. Er wusste, dass man mit Mittana in der Hinsicht Pferde stehlen konnte. Außerdem empfand er seine Entdeckung als sehr wichtig.

Wir bogen auf den Parkplatz ab. „Will Mikor uns hier draußen treffen?“, fragte ich. „Soweit ich mich erinnere, ja.“, erwiderte Sedrin.

Wir stiegen aus dem Jeep und sie wies mich an, erst mal stehen zu bleiben. Dann hörte ich, wie sie den Kofferraum öffnete und etwas Raschelndes herausnahm. Dann hielt sie mir ihren Arm hin und ich hakte mich ein.

Mikor kam uns bereits auf dem Flur entgegen. „Hallo, Agent.“, begrüßte er Sedrin. „Ich bin nicht allein.“, erwiderte sie und wies auf mich. „Hi, Mrs. Scott.“, sagte Mikor. „Was habe ich dir denn gesagt?“, lächelte ich. „Sorry, Betsy.“, berichtigte er sich. Dann wuselte er in Richtung der Turbolifts. „Wir müssen bis in die letzte Etage und von da aus den Rest bis zum Dachboden laufen.“, erklärte Mikor. „Ich nehme an, der Lift fährt nicht bis ganz oben, weil es dort für Kinder im Allgemeinen zu gefährlich ist.“, schlussfolgerte Sedrin. „Stimmt.“, erwiderte Mikor. „Aber Sie beide sind ja bei mir. Eigentlich ist da ja auch nichts Interessantes. Nur die Haustechnik. Aber man kann von da aus alles prima sehen.“

Hinter dem aufgeregten Jungen her laufend kamen wir bald an einem Lift an, der uns in die oberste Etage brachte. Dann zeigte uns Mikor eine Wartungstreppe, die er vor uns hinauf lief. Sedrin und ich blieben erst mal stehen. „Wie machen wir das?“, überlegte sie halblaut. „Ganz einfach.“, löste ich die Situation. „Zeigen Sie mir, wo die Holme sind und ich halte mich einfach an beiden Seiten fest.“ „Na schön.“, erklärte sie sich einverstanden. „Ich gehe aber hinter Ihnen, falls sie abrutschen sollten. Die Stufen sind verdammt schmal.“ Ich nickte und sie führte meine Hände auf die Holme. „Warten Sie bitte noch kurz.“, instruierte sie mich, als ich schon losklettern wollte. Dann rief sie nach oben: „Mikor, Mrs. Scott und ich kommen jetzt! Kannst du ihre Hand nehmen und ihr helfen, wenn sie oben ist?“ „Natürlich!“, kam es zurück. Dass Cardassianer ein sehr großes Selbstbewusstsein haben, wusste ich. Und, dass Demetanerinnen sehr fürsorglich sind, war mir ebenfalls bekannt.

Mikor ergriff meine Hand, als ich fast oben war. Er bemühte sich sehr, mir exakte Informationen zu geben, wie ich meine Füße setzen sollte, damit der Aufstieg für mich so ungefährlich wie möglich wurde. Dass Cardassianer sehr genau waren, wusste ich als ausgebildete Sternenflottenoffizierin. Das machte sie auch zu guten Soldaten. Trotzdem waren sie manchmal zu vorschriftentreu.

Er führte mich zu einer umgedrehten Kiste, die er offensichtlich hier schon bereitgestellt hatte. „Ich nehme an, du hast alles schon vorbereitet.“, kombinierte Sedrin. Sie hatte nämlich noch zwei weitere Kisten gesehen, die rechts neben der standen, auf der ich saß. Mikor nickte. Dann sagte er: „Mir ist aufgefallen, Betsy, dass du Stufen zählst. Das lässt mich schließen, dass du auch sehr genau bist. Du könntest glatt Cardassianerin sein.“ Ich lächelte verlegen. Dann erklärte ich: „Das mache ich nicht aus Genauigkeit, sondern, weil es für mich notwendig ist. So kann ich mir die Zahl vom Hinweg merken und weiß auf dem Rückweg besser, wann die Treppe zu Ende ist. So vermeide ich, ins Leere zu treten oder den Fuß am Ende falsch zu setzen und zu fallen.“ „Interessant.“, bemerkte Mikor. Er hatte wohl nur mit Blinden aus seiner Zeit Kontakt gehabt. Die benutzten alle Visoren. Ich aber hatte dies aus bekannten Gründen abgelehnt.

Sedrin war jetzt auch zu uns gestoßen und hatte die große raschelnde Tüte zwischen uns gestellt. Daraus kamen jetzt mehrere Warmhaltekannen mit heißer Schokolade, Kaffee und Schlagsahne zum Vorschein. Auch einige Becher. Dann grinste sie Mikor an und steckte ihm etwas in den Mund. Das konnte sie, weil er gerade in die andere Richtung geschaut hatte und sie die Situation eiskalt ausgenutzt hatte. „Sie haben cardassianische Süßigkeiten?“, schmatzte Mikor. „Wo haben Sie die her?“ „Vitamin B.“, grinste sie.

Mikor schaute auf die Uhr. „Es geht gleich los!“, rief er aufgeregt. „Aber keine Sorge, Ladies, Sie haben einen Logenplatz!“

Dass Sedrins Andeutung mit dem Vitamin B für mich später noch eine Bedeutung haben sollte, ahnte ich noch nicht.

Sedrin stand jetzt mit Mikor vor einem Dachfenster. Beide sahen hinaus in die mondklare Nacht. Von fern konnten sie einen schwachen Schein wahrnehmen. Mikor ließ seine Uhr nicht aus den Augen, als wollte er von irgendwas die Zeit stoppen. „Ich sehe ein Licht.“, beschrieb mir Sedrin. „Es ist weiß und scheint jetzt bereits seit ...“ Sie drehte sich zu Mikor. „Seit einer Stunde.“, flüsterte dieser in ihr rechtes Ohr, das sie ihm zugewandt hatte. „Seit einer Stunde.“, wiederholte sie laut in meine Richtung.

Eine weitere Stunde später änderte sich die Farbe des Lichtes. Es schien auch irgendwie erhöht zu sein. Jetzt war es rot. „Der Lichtschein verändert sich immer im 2-Stunden-Takt.“, erklärte Mikor. „Interessant.“, entgegnete Sedrin. „Was kann man von hier aus sehen?“, erkundigte ich mich. „Den Friedhof.“, antwortete Sedrin. „Genauer, die Stelle, an der das nihillanische Grab … Kommt!!! Mikor, hilf Betsy bitte mit der Treppe!“

Sie musste eine Idee dessen haben, was dort vorgehen könnte. Jedenfalls waren wir ratz-fatz wieder unten im Erdgeschoss und Sedrin und ich waren unterwegs zu ihrem Jeep. Die Picknicktüte hatte sie in Windeseile zusammengepackt und in den Kofferraum geworfen. Einsteigen, Sicherheitskraftfelder aktivieren, Antrieb starten, Losfahren, das war alles eins. Mich erinnerte das an eine Szene aus einem Actionfilm.

Wir rasten durch die halbe Stadt, um abrupt am Friedhof zum Stehen zu kommen. Ich legte meine Hand auf den Türgriff. „Nicht aussteigen.“, zischte Sedrin. „Die Person darf uns nicht bemerken.“ „OK.“, gab ich unsicher zurück.

Sedrin hatte jetzt ihren Erfasser aus dem Handschuhfach geholt und hielt ihn in Richtung des Friedhofes. Jetzt konnte sie genau sehen, was sich dort abspielte. Im Schutze der Dunkelheit hatte sich eine kleine echsenartige Gestalt an dem fremden Grab zu schaffen gemacht. Sie hatte die Tongefäße, die um es herum standen, jetzt auf den Stufen abgestellt und in jedes Gefäß eine kleine flache Kerze gelegt, die sie der Reihe nach anzündete. Nach der weißen und der roten Kerze war jetzt eine braune dran. Sedrin konnte im Erfasserdisplay sehen, dass sie die Lippen bewegte.

Plötzlich legte sie den Erfasser weg. „Können Sie tolerieren, wenn ich Ihre Lippen berühre und bewege?“, fragte sie. Ich nickte. Dann fragte ich: „Wozu soll das gut sein?“ „Sie sind ausgebildete Kommunikationsoffizierin.“, erklärte sie. „Ich denke, Sie werden mir zumindest sagen können, ob sie Englisch spricht.“ „OK.“, sagte ich. „Versuchen wir es.“

Sie legte zwei Finger auf meine Unter- und zwei auf meine Oberlippe und begann, diese zu bewegen und zu verformen. Dabei zeichnete sie sozusagen nach, was der Erfasser ihr gezeigt hatte. Diese Methode war etwas ungewöhnlich, aber Sedrin war für ihre ungewöhnlichen Lösungen bekannt.

Nach einer Weile tippte ich sie an, denn mir war klar geworden, welche Sprache die Person am Grab sprechen musste. Sie ließ mich los und fragte: „Wissen Sie es?“ „Ja.“, bestätigte ich. „Es ist Nihillanisch.“

Alle Kommunikationsoffiziere mussten einen Kurs in Nihillanisch belegen, seit Nugura vorhatte, es in die Föderation zu holen. Deshalb wusste ich auch, welche Bewegungen die Lippen bei Lauten aus dieser Sprache machten.

„Sind Sie sicher?“, fragte sie. „Ja, Ma’am.“, antwortete ich. „Verdammt sicher.“ „OK.“, sagte sie. „Dann passen Sie jetzt mal auf.“

Sie öffnete das Handschuhfach und gab mir etwas in die Hand. „Das ist eine 2-Wege-Wanze.“, erklärte sie. „Ich möchte, dass Sie morgen Nacht hier her kommen. Aber tragen Sie Zivil. Wenn es stimmt, was ich vermute, dann wird sie sehr große Angst vor Uniformen haben. Vielleicht redet sie mit Ihnen. Über einen Kanal der Wanze kann ich Ihnen Instruktionen erteilen, was Ihr Vorgehen bezüglich Spionage angeht. Über den anderen höre ich alles.“ Sie zeigte mir den Empfänger. Dann gab sie mir noch etwas, was wie ein künstliches Ohr aussah. „Was ist denn das?“, fragte ich irritiert. „Passen Sie auf.“, flüsterte sie. Damit zog sie das Ding über mein eigenes rechtes Ohr. Es lag eng an, war aber weich. Sie ließ die Wanze, mit der es über ein fast unsichtbares Kabel verbunden war, ein kurzes Signal von sich geben. „Einen Stöpsel würde sie vielleicht sehen, auch, wenn er fleischfarben wäre.“, erklärte sie. „Verstehe.“, sagte ich.

Sie brachte mich noch nach Hause. Dann verabredeten wir uns für die kommende Nacht. Sie schien genau zu wissen, was für einen Effekt ich oft auf manche Leute hatte. Oft war beobachtet worden, dass manche in meinem Beisein plötzlich ihre Seele erleichterten, ohne, dass ich etwas dazu getan hatte. Diesen Wasserfalleffekt wollte sie jetzt wohl auch ausnutzen. Sie ahnte wohl schon, dass es sich um einen nihillanischen Flüchtling handelte, der sicher froh war, sich erleichtern zu können.

Maron hatte sich mit dem Briefbeschwerer in sein Quartier zurückgezogen. Hier hatte er das Video aktiviert. Er sah eine lesbische Hochzeit zwischen Sytania und Nugura auf einem x-beliebigen Standesamt. Die Borgqueen stand beleidigt vor der Tür. Der Standesbeamte war ein terranisches Schaf, die Protokollführerin eine Kuh, der Brautführer eine Schlange und die Trauzeugen ein Maulwurf und ein Fisch. Maron war der Zynismus durchaus klar, der hinter diesen Bildern steckte. Böse, böse, böse., dachte er. Dumm und Dümmer führen die Trauung durch und der Rest der Gesellschaft, na ja. Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Bin mal neugierig, was da noch kommt. Maron bewunderte den tindaranischen Zeichner für seine Art und Weise, Informationen von fremden Planeten einzuholen und zu nutzen. Er dachte sich, dass Nivar oft sehr gut dem Volk aufs Maul schaute und dass er genau wusste, welchen Stellenwert diese Tiere im Volksmund hatten.

Ein kurzer Ausschnitt stellte die Feier dar. Dann kam es zu einer Schlafzimmerszene. Gerade in diesem Moment piepte die Sprechanlage und Zirell begehrte Einlass. Maron versuchte, so schnell es ging den Ausknopf zu finden, aber das war ihm, weil er sehr nervös war, leider nicht möglich. Er stellte das Ding des Anstoßes nur schnell unter den Glastisch, an dem er saß. Leider hatte er nicht bedacht, dass dieser eine Spiegelwirkung hatte und alles voll auf die weiße Wand am anderen Ende des Raumes projiziert wurde. Unwissend dessen bat Maron seine Vorgesetzte herein. Diese blieb kurz im Türrahmen stehen. Ihr Blick streifte das Geschehen und dann sagte sie nur: „Interessant.“, bevor sie sich auf einen Stuhl neben ihm setzte. „Du hast kein Problem damit?“, wunderte sich Maron. „Ach was.“, erwiderte die Tindaranerin. „Ich sehe so etwas im Moment öfter. Ich bin mit dem Verursacher liiert. Wir haben uns in meinem letzten Heimaturlaub kennen gelernt. Ging ganz schön hoch her zwischen uns beiden.“ „Was?“, wunderte sich Maron und wurde blass. „Ja.“, gab Zirell zu. „Nächsten Sommer wird geheiratet.“ Maron fiel fast vom Stuhl. Von Zirell, die sonst immer so tugendhaft war, hätte er das nicht gedacht. „Aber, kommen wir zum Dienstlichen.“, sagte die Tindaranerin und zog ein Pad. „Ich habe etwas mit dir zu besprechen.“

Joran fand sich auf einer dicht bewaldeten Ebene wieder. Er verstand nicht, wie er dort hingekommen war. Er erinnerte sich nur, dass er ins Bett gegangen war. Er beschloss, sich hier einmal umzusehen, wählte eine Richtung und ging los. Alles hier erinnerte ihn irgendwie an die Heimatwelt der Vendar. Aber wie sollte er dort hingekommen sein?

„Warte, mein Schüler!“ Eine heisere Altherrenstimme hatte ihn von Fern angesprochen. Joran blieb stehen. Bald erkannte er die Gestalt von Tabran, seinem alten Lehrer, der sich jetzt langsamen Schrittes auf ihn zu bewegte.

Joran zog seine Schuhe aus, was bei den Vendar eine Bezeugung von Respekt Älteren gegenüber bedeutet. Dann wartete er, bis der Alte ihn erreicht hatte. „Was tun wir hier, alter Mann?“, wollte Joran wissen. „Die Wächterin ermöglicht mir im Traum Kontakt zu dir.“, antwortete Tabran. „Sie will, dass du informiert bist. Aber du darfst niemandem hiervon erzählen. Auch nicht deiner Telshanach. „Wir werden dir schon sagen, wann du mit der Sprache herausrücken kannst. Bitte vertrau mir, mein Schüler.“

Joran ließ die angenehm nach blühenden Pflanzen und Gräsern riechende Luft und das Gezwitscher der Vögel noch eine Weile auf sich wirken. Dann sagte er: „Das alles ist also das Werk der Wächterin?“ „Korrekt.“, antwortete Tabran. Dann fügte er hinzu: „Ich befinde mich an Bord eines Veshel. Die Wächterin ist bei mir. Wir fliegen in die Dimension Imperia, um dort an einer Konferenz teilzunehmen. Dies ist sehr wichtig. Aber, mein Schüler, du darfst noch nichts sagen, bevor du nicht von mir das Zeichen bekommen hast. Merke dir dies gut.“ Den Blick, den der Alte ihm zugeworfen hatte, kannte Joran gut. Er wusste, dass Tabran es verdammt ernst meinte.

Jenna stand vor Jorans Bett und hatte seine Schultern gefasst. Sie rüttelte und schüttelte ihn, aber er schien nicht zu erwachen. Sein Atem ging zwar ruhig, genau wie sein Herz, aber er hätte längst wach sein müssen. Sie hatte festgestellt, dass er im Schlaf geredet hatte.

„Jenna?!“ Die etwas aufgeregt anmutende Stimme des Stations-Avatars hatte sie aus ihrem Tun gelöst. IDUSA war nicht verborgen geblieben, was geschehen war. Mit den internen Sensoren hatte sie alles unter Beobachtung.

Die terranische Cheftechnikerin war froh, dass IDUSA so reagiert hatte. „Schick mir Ishan!“, befahl Jenna. IDUSA ließ ihren Avatar nicken und löschte Jennas Reaktionstabelle wieder. Sie fand es besser, wenn sie jetzt nicht mehr Mäuschen spielen würde.

Wenige Sekunden später betrat der androide Arzt das Schlafzimmer. „Ich bin jetzt hier, Jenna.“, sprach er beruhigend auf die völlig verstörte Terranerin ein. „Bitte geh zur Seite.“

Er holte einen mobilen Stimulator aus seinem Koffer und hielt ihn in Jorans Richtung. In diesem Moment wachte der Vendar auf. „Was ist los?“, fragte er mit unschuldigem Blick. Jenna gab einen erleichterten Seufzer von sich. „Du hast total tief geschlafen.“, sagte sie. „Deshalb habe ich Ishan holen lassen. Außerdem hast du im Schlaf geredet. Du hast Tabrans Namen gesagt.“ „Das hat keine Bedeutung.“, log Joran.

„Intensive Träume können auch eventuell mit deinem neuen vorgetäuschten Sifa-Zyklus zusammenhängen.“, spekulierte Ishan. „Wenn das so weiter geht und du deine Dienstfähigkeit einbüßen solltest, müssen wir ihn vorzeitig beenden. Ich habe dir ja so wie so immer verschiedene Mengen des Medikamentes mitgegeben, damit es einem natürlichen Zyklus so ähnlich wie möglich ist. Es hängt ja normalerweise auch davon ab, wann ihr ein Energiefeld übertragt. Außerdem vermeiden wir so eine Gewöhnung. Dein Körper darf schließlich nicht merken, dass wir ihm etwas vorspielen.“ „In der Tat.“, entgegnete Joran, dem Ishans Theorie ganz recht war.

Tabran erwachte auf dem Pilotensitz seines Schiffes. Ein kurzer Befehl an den Mishar und er hatte die Steuerkontrolle wieder übernommen. Die Wächterin, die neben ihm saß, lächelte ihm zu. „Habe ich mein Versprechen gehalten, oder nicht?“, fragte sie mit leicht schelmischem Blick. „Das hast du.“, erwiderte Tabran.

Er sah kurz auf die Instrumente, um sich zu orientieren. „Wir werden noch heute durch die Wirbel gehen.“, berichtete er dann. „Wahrscheinlich heute Abend.“ Die Wächterin nahm dies beruhigt zur Kenntnis.

Die drei Vendar hatten sich abgesprochen, was das AnSITCHen von Sternenflotten- oder Föderationsrufzeichen allgemein anging. Deshalb war jetzt auch die Reihe wieder an Tabran. „Der Mishar meldet eine letzte Station vor den Wirbeln.“, informierte Tabran seine mächtige Begleiterin. „Es ist die Basis von Commander Peter Time und Commander Cinia. Beide gelten als sehr zugänglich, was unsere Information angeht. Sie betrachten Nuguras Tun sehr oft mit Argwohn.“

Die Besatzung der 818 war Tabrans letzte Hoffnung. Bei allen anderen waren sie bisher abgeblitzt. Auch Kissara hatte ihnen gesagt, sie würde ohne Beweise erst mal nichts davon glauben. Aber das hatte sie wohl nur gesagt, um mich zu schützen. Deshalb „schnurrte“ sie Nugura besser noch eine Weile um die Beine und machte vor ihr den Bückling, um sie abzulenken. Davon wussten die Vendar aber nichts.

„Wenn sich diese Stationsbesatzung als unsere Verbündeten herausstellen könnten, ruf sie!“, befahl die Wächterin. Tabran führte den Cursor auf das inzwischen im Display erschienene Rufzeichen der Basis und drückte die Entertaste, was einen sofortigen Ruf auslöste. Alsbald erschien das lächelnde Gesicht einer Androidin auf dem Schirm. „Ich bin Allrounder Sulla von Sternenbasis 818.“, stellte sie sich vor. „Wie kann ich behilflich sein?“ „Sei gegrüßt, Allrounder Sulla.“, entgegnete Tabran. „Du kannst mir behilflich sein, indem du dir meine Informationen anhörst oder mich mit deinen Vorgesetzten verbindest, damit ich ihnen die Informationen direkt geben kann.“ „Commander Time und Commander Cinia sind leider gerade beschäftigt.“, entgegnete Sulla. „Aber ich kann dich mit Agent Yetron verbinden. Er ist Commander Times erster Offizier.“ Natürlich hatte Sulla erkannt, welcher Spezies Tabran angehörte und deshalb auch sofort die richtige Anredeweise auf den Lippen. „Dann tu das.“, sagte Tabran. „Einen kurzen Augenblick.“, lächelte Sulla und schaltete die Verbindung.

Geduldig hörte sich der Demetaner die Verdächtigungen gegen die Nihillaner an. Dann sagte er: „Deine Aussage, Tabran, passt exakt zu den Berichten der Tindaraner. Da du ein mächtiges Wesen bei dir hast, das im Zweifel alles mit Hilfe seiner Kräfte beweisen könnte, glaube ich dir. Ich werde das Ganze mit meiner Kollegin, Agent Indira, besprechen und mit Time und Cinia. Sie werden es sicher nicht anders sehen. Unsere Unterstützung hast du auf jeden Fall.“ „Ich danke dir, Agent Yetron.“, antwortete Tabran und beendete das Gespräch.

Zirell hatte auf einem Stuhl Platz genommen, den Maron ihr mit einem Fingerzeig angeboten hatte. Geduldig wartete der erste Offizier jetzt, bis sie die Datei auf ihrem tindaranisch eingestellten Pad gefunden hatte, nach der sie suchte. Peinlich berührt musste der Demetaner zugeben, dass er noch kein einziges Wort der Sprache seiner neuen Arbeitgeber gelernt hatte, also konnte er ihr auch nicht helfen. Bisher waren sie aber auch mit Englisch gut zurechtgekommen.

Endlich schien Zirell erfolgreich gewesen zu sein. Sie legte das Pad in die Mitte des Tisches. „Was sagt dir der Planet Mineria?“, fragte Zirell. Maron kratzte sich am Kopf und antwortete: „Liegt das nicht sehr weit außerhalb der Tindara-Galaxie?“ „Stimmt.“, bestätigte Zirell. „Die Minerianer sind ein zwergenartiges Volk, das vergleichsweise primitiv lebt. Aber das tun sie nicht, weil sie noch nicht so weit sind, sondern, weil sie sich aus religiösen Gründen dafür entschieden haben. Allerdings sind sie Telepathen wie wir. So konnten sie mit der Zusammenkunft Kontakt aufnehmen. Sie haben ihnen den Vorschlag gemacht, nihillanische Flüchtlinge aufzunehmen. Wir können das bald nicht mehr. Die Lager auf Tindara platzen jetzt schon aus allen Nähten. Hätten die Minerianer diesen Vorschlag nicht gemacht, hätten viele Flüchtlinge wieder nach Hause gemusst.“ „Puh!“, machte Maron. „Dann hoffe ich, dass unter denen mindestens einer ist, der endlich reden will. Wenn ich nicht bald mit physischen Beweisen oder einer stimmigen Aussage dienen kann, kann deine Zusammenkunft die Vorwürfe gegen die Nihillaner ja auch nicht mehr aufrecht halten und sie fallen zusammen wie ein Kartenhaus.“ Zirell nickte. Dann sagte sie: „Es gibt aber noch einen Haken. Die Minerianer wollen uns einer Prüfung unterziehen. Unser Team soll geprüft werden, ob es ohne Vorbehalte an einem ihrer religiösen Rituale teilnehmen wird, egal, wie lächerlich es erscheinen mag. Damit wollen sie herausfinden, ob wir tolerant genug sind, oder, ob wir über Religion genau so denken, wie unter Umständen die Nihillaner. Du hast mir berichtet, dass du vermutest, dass Religion auf Nihilla ein Grund für politische Verfolgung ist.“ „Das habe ich gesagt.“, seufzte Maron. Er erinnerte sich an die vielen fruchtlosen Vernehmungen nihillanischer Flüchtlinge, die solche Angst haben mussten, dass sie sich nicht trauten, selbst gegenüber ihm, der ihnen ja eigentlich helfen wollte, den Mund aufzumachen. „Wer soll gehen?“, fragte Maron. „Jenna und Joran.“, erwiderte seine tindaranische Vorgesetzte. „Warum schickst du gerade sie.“, wollte Maron wissen. Zirell, für die seine Gedanken jetzt ein offenes Buch waren, konnte sehr gut die beleidigten Gefühle lesen, die ihr entgegenschlugen. „Ich weiß, dass du ausgebildeter Sternenflottenoffizier bist.“, versuchte sie ihn zu beschwichtigen. „Aber gerade das könnte dir genau so gut im Weg sein.“ „Was meinst du damit?!“ Maron wurde ziemlich aufgeregt. Er hatte doch gelernt, sich auch primitiven Kulturen anzupassen. Warum schickte sie ihn nicht. Warum diesen ehemaligen Telepathenjäger und Jenna, die ursprünglich aus einem primitiven Jahrhundert gekommen war. Gut, Das mit Jenna konnte er noch tolerieren. Aber warum durfte er nicht an ihrer Seite sein. Seine Ausbildung würde ihn doch dazu befähigen. Unter seinen entsprechenden Instruktionen würden sie die Prüfung der Minerianer leicht bestehen. Ein Telepathenjäger jedoch würde denen vielleicht eher Angst machen. Was war nur los? Hatte sie denn kein Interesse daran, dass mehr Flüchtlinge kamen? Sollte die Sache mit Absicht in die Hose gehen?

„Ich weiß, was du denkst.“, sagte Zirell ruhig. Maron schrak zusammen. Diese Worte waren aus dem Mund einer Telepathin durchaus wörtlich zu nehmen. „Die Minerianer haben Jorans Seitenwechsel längst akzeptiert. Sie wissen, dass er es ehrlich meint. Dafür hat er unsere gesamte Dimension oft genug gerettet. Außerdem ist die Religion der Minerianer der vendarischen sehr ähnlich. Bei dir würden die Minerianer sehr schnell darauf kommen, dass du nur ein gelerntes Programm abspulst. Bei Joran käme es eher von hier.“ Vorsichtig berührte sie seine Brust. „Und Jenna, die ist meiner Meinung nach so wie so tolerant genug.“ „Entschuldige, Zirell.“, gab sich Maron einsichtig. „Das habe ich nicht berücksichtigt.“ „Schon gut.“, verzieh sie. „Aber jetzt weißt du, dass es ziemlich abträglich gewesen wäre, wenn sie gemerkt hätten, dass du nur Theater spielst.“ Maron nickte. Dann wünschten sich beide gegenseitig eine gute Nacht und Zirell ging. Schließlich war es weit nach Mitternacht.

Sedrin hatte mich am späten Abend des folgenden Tages abgeholt. Sie führte mich zu einer Bank in der Nähe des nihillanischen Grabes. „Bleiben Sie hier sitzen.“, instruierte sie mich. „Ich informiere Sie, sobald unsere Zielperson den Friedhof betritt.“

Sie betrachtete die Zivilkleidung, die ich angelegt hatte. „Hübsch.“, sagte sie. „Nur leider etwas unpassend für die Örtlichkeit.“ „Was meinen Sie damit?“, fragte ich etwas verwirrt. „Sie tragen eine weiße Bluse und eine bunt geblümte Hose.“, beschrieb sie. Ich machte ein peinliches Gesicht. „Schon gut.“, meinte sie. „Jetzt ist es eh zu spät. Wenn Sie mich brauchen, bin ich im Jeep.“ Damit drehte sie sich um und ging in Richtung Parkplatz.

Ich holte das künstliche Ohr aus meiner Blusentasche und zog es über mein rechtes. Dann schaltete ich die Wanze ein. Da diese laut Sedrin an den Empfänger dabei ein kurzes Signal sendete, wusste ich, dass sie dies bemerkt haben musste. Ich steckte die Wanze genau so an meine Bluse, wie Sedrin es mir am Vortag gezeigt hatte. „In Ordnung.“, hörte ich bald ihre beruhigende Stimme. „So kann ich alles gut sehen.“ Ich vermied eine verbale Antwort, denn ich musste vermuten, dass ich bereits nicht allein war. Verdacht erregen durfte ich nicht. Deshalb nickte ich nur kurz.

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