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„Ich sehe eine Menge feindlicher Schiffe.“, meldete Crimach. „Wahrscheinlich kamen die Torpedos von denen. Wir werden uns verteidigen müssen. Das bedeutet, Tabran, dass du als ältester Krieger die Führung übernimmst.“ „Einverstanden.“, erwiderte der alte besonnene Vendar. Er wusste allerdings auch nicht so genau, wie er eine erfolgreiche Verteidigung auf die Beine stellen sollte. Da draußen waren hunderte von Nihillanern und sie waren nur zu dritt. Logar würde auch nicht eingreifen können, das wusste der Vendar. Wenn er seine Fähigkeiten in einer mit Rosannium verseuchten Atmosphäre nutzte, dann würden sie ihm auch genommen, oder er würde zumindest in ihrer Benutzung eingeschränkt. Er hatte zwar einen Plan, aber für den mussten sie mindestens zu viert sein.

Plötzlich meldete ihm sein Mishar das Näherkommen eines weiteren Veshels. Das Rufzeichen, das ihm über dessen Transponder übermittelt wurde, kannte er gut. Er ließ den Computer einen Ruf auslösen und begrüßte Iranach erleichtert. „Du kommst genau im richtigen Moment.“, stellte er fest. „Woher wusstest du …“ Iranach drückte die Break-Taste und erwiderte, ihm ins Wort fallend: „Mein Gebieter hat das alles vorausgesehen. Er hat mich geschickt. Wir sollten jetzt aber wirklich etwas tun.“ „Und das werden wir auch!“, sagte Tabran entschlossen. Er ließ den Mishar einen Sammelruf starten. „Verteilt euch so, dass wir sie aus allen vier Himmelsrichtungen unter Feuer nehmen können!“, befahl Tabran. „Diran, du fliegst nach Osten. Crimach, du übernimmst den Süden. Iranach, du fliegst nach Norden. Ich übernehme den Westen. Wenn wir alle die Position erreicht haben, fliegen wir feuernd wieder aufeinander zu. Dadurch bilden wir einen Ring um sie, der immer enger wird. Wenn einer versucht, nach oben oder nach unten abzuhauen, muss dies vorher erkannt werden und derjenige wird mit einem gezielten Schuss in den Antrieb zur Strecke gebracht. Ihre Überzahl wird ihnen dann zum Verhängnis. Aber, behaltet ihre Antriebsimmissionen im Auge, um Steig- oder Sinkflüge rechtzeitig zu erkennen. Wer unseren Gebietern etwas antut, tut es uns an. Also, auf Position!“

Die Veshels stoben auseinander. Evain, die das Ganze aus ihrem Kommandostand beobachtete, sagte abschätzig: „Da seht sie euch an. Ein Haufen aufgescheuchter Hühner.“ „Hoffentlich irren Sie da nicht, Commandara.“, versuchte Kassius, ihren Hochmut zu bremsen.

Mit feuernden Waffen näherten sich die Vendar-Schiffe jetzt den Nihillanern. Da die Kommandanten erst Ausweichmanöver befahlen, gelang es ihnen tatsächlich, sie in die Enge zu treiben. Der Ring um sie wurde enger und enger und irgendwann konnten sie, weil sie zu viele waren, nicht mehr manövrieren, ohne einander zu rammen, oder versehendlich aufeinander zu schießen, statt die Veshels zu treffen. Zu steigen oder zu sinken, um zu entkommen, wagten die Piloten nicht, denn derjenige, der es versucht hatte, war von Iranach derart heftig unter Feuer genommen worden, dass sein Schiff auf der Stelle explodiert war und es ihn ebenfalls in Stücke gerissen hatte.

Blass schaltete Evain den Bildschirm ab. Sie konnte dem Debakel nicht länger zusehen. Diese verdammten Vendar hatten alle Vorteile für sich genutzt, die sie eigentlich auf ihrer Seite wähnte. Durch Atmosphäre und Schwerkraft waren die ohnehin auf so engem Raum schwer zu kontrollierenden schweren Schlachtkreuzer der Nihillaner quasi gelähmt. Die kleinen wendigen Shuttles der Vendar hatten einen Ring um sie gezogen wie Hütehunde um eine Schafherde. So war ihnen auch noch ihre große Zahl, wie Tabran gesagt hatte, zum Verhängnis geworden. „Computer, Ruf an die letzten verbliebenen Schiffe senden!“, befahl sie mit zitternder Stimme. „Verbindung steht.“, kam es sachlich zurück. „An alle.“, begann Evain. „Wir ergeben uns. Rückzug! Wiederhole: Rückzug!“ Sie wusste nicht, wie sie es Ethius beichten sollte. Andererseits waren diese Vendar ja lange Jahre die Elitekrieger der Mächtigen gewesen. Es war also kein Wunder, dass sie solche Strategien drauf hatten. Das würde sie zu ihrer Verteidigung vorbringen.

Sedrin hatte sich mit der Datei ins Wohnzimmer ihres Hauses zurückgezogen, um sie sich dort noch einmal anzusehen. Froh war sie, dass ihr Mann, von dem sie diese geistige Leistung eigentlich nicht erwartet hatte, ihr die Sache mit ihrem Expartner gesagt hatte. Auch Huxley war dieses mal bei der Ansicht des Materials zugegen. „Eigentlich darf ich dir das gar nicht zeigen.“, meinte die Agentin ernst. „Als ob das jetzt noch eine Rolle spielt.“, antwortete Huxley. „Allrounder Betsy weiß doch auch Bescheid und sie ist keine Agentin.“ „Das stimmt.“, räumte Sedrin ein. „Aber ich benötigte ihre Hilfe.“ Sie drehte sich zum Computermikrofon: „Computer, Standbild!“ Dann zeigte sie auf mein Bild auf dem Schirm und erklärte: „Diese Frau hat in nur einer Nacht das geschafft, woran sich der tindaranische Geheimdienst seit Monaten die Zähne ausbeißt. Ohne sie wüssten wir heute nicht, was wir eben heute wissen. Vielleicht bedurfte es auch mal jemandem von außen. Wir ausgebildeten Agenten sind vielleicht manchmal zu betriebsblind.“ „Dann wird dir jetzt mal noch ein Außenstehender etwas sagen.“, erwiderte Huxley. „Nugura muss nicht mehr alle Latten am Zaun haben, wenn sie zulässt, dass Nihilla in die Föderation kommt.“ „So krass wollte ich es zwar nicht gesagt haben.“, begann Sedrin. „Aber du hast Recht. Deshalb ist die Info ja auch schon längst auf dem Weg nach Tindara. Die Tindaraner sind zwar die Verbündeten der Föderation, aber sie können sich durchaus von ihr lösen, sollte Nugura den Vertrag unterschreiben. Commander Zirell hat mal mir gegenüber so etwas angedeutet.“ „Das war wegen Sytania.“, versuchte Huxley die Situation zu verharmlosen. „Ob nun Sytania oder Ethius.“, verglich Sedrin. „Die Grundsituation ist die gleiche. Beide wollen etwas, das sich nicht mit unseren Prinzipien vereinbaren lässt.“ „Mit einem Prinzip schon.“, meinte Huxley zynisch. „Wir nehmen alles auf, was schnelle Schiffe unter dem Hintern hat.“ „Jineron!“, rief Sedrin fast bewundernd aus. „Du lernst dazu. Bisher dachte ich immer, im Punkto Zynismus sei ich ungeschlagen. Aber ich muss mich wohl warm anziehen.“ Sie klopfte ihm auf die Schulter.

Auf Tabrans Bitten hin hatte die Wächterin, die sich in der Zwischenzeit wieder von dem Rosannium-Anschlag erholt hatte, ihn noch einmal im Traum mit Joran zusammengebracht. Diesem hatte Tabran von der glorreichen Schlacht berichtet. „Nicht schlecht, alter Mann.“, lobte Joran seinen Lehrer. „Du hast das Führen einer Streitmacht immer noch nicht verlernt, obwohl du jetzt im friedlichen Tembraâsh lebst.“ „Ein Vendar-Krieger verlernt das Kämpfen nicht, mein Schüler.“, erwiderte Tabran. „Das wirst du später, wenn du einmal so alt bist wie ich, auch noch erfahren.“

Joran wechselte das Thema: „Wie soll es jetzt weiter gehen?“ „Wir werden wie geplant zu Logar fliegen und mit ihm beratschlagen.“, erläuterte Tabran. „Von so einem Zwischenfällchen lassen wir uns nicht schrecken.“

Das Wecksignal der IDUSA-Einheit holte Joran aus seinem Traum. Er erkannte, dass er einen Neurokoppler trug. Neben seinem Bett standen Jenna und Ishan. „Ich gestehe besser gleich.“, sagte die Cheftechnikerin. „IDUSA hat ein Traumprotokoll von dir angefertigt, Joran.“ „Wir wissen.“, fügte der androide Arzt hinzu, „dass du von Tabran träumst und, dass die Wächterin des Tembraâsh das ermöglicht.“ „Ich hatte mir nur solche Sorgen gemacht.“, nahm Jenna alle Verantwortung auf sich. Eigentlich erwartete sie jetzt ein Donnerwetter. Um so erstaunter war sie, als er sie an sich zog und zärtlich sagte: „Meine kleine besorgte Telshanach. Dass du mir früher oder später draufkommen würdest, habe ich mir schon gedacht. Außerdem ist das ja genau genommen nicht wirklich schlimm. Tabran hat mir nämlich nur verboten, etwas zu sagen. Dass du mir nicht von allein draufkommen darfst, davon hat er nie etwas gesagt.“ „Haarspalter.“, lächelte Jenna. „Wir müssen nur noch abwarten, wann wir Zirell und die Anderen informieren dürfen. Ishan, bei dir ist das Geheimnis ja so wie so sicher. Du stehst unter ärztlicher Schweigepflicht.“ „Und ich sage erst mal auch nichts.“, erwiderte Jenna.

„Drei Schiffe!!!“, brüllte Ethius so laut durch sein Büro, als Evain ihm ihr Debakel mitteilte, dass die Kaffeetassen im Schrank barsten. „Da waren nur drei Schiffe und Ihre Truppen, die zu hunderten waren, werden mit denen noch nicht mal fertig!!! Eher umgekehrt!!! Was für eine Offizierin sind Sie eigentlich?!!!“ „Genau genommen, Allverstehender Präsident.“, versuchte Evain, sich kleinlaut zu verteidigen. „Genau genommen waren es vier Schiffe.“ „Ob nun drei oder vier!!!“, schrie Ethius voller Zorn. „Laut mathematischer Wahrscheinlichkeit hätten wir sie mindestens viertausend mal besiegen müssen. Das ist aber nicht geschehen. Sie haben uns besiegt. Wessen Fehler war das wohl, he?!!! Sie können froh sein, wenn ich Sie nicht Ihres Postens enthebe und Sie zum Müllfliegerkommando versetze!!!“ Ich will ja noch mal gnädig sein und erlaube Ihnen, das selbst wieder gut zu machen. Nehmen Sie ein Schiff, suchen Sie sich eine Truppe zusammen und dann fliegen Sie in die Dimension der Föderation und fangen Sie diese Eludeh ein. Sie muss auf jeden Fall mundtot gemacht werden!!!“ „Ja, Allverstehender Präsident.“, antwortete Evain.

Sedrin hatte mich erneut abgeholt und wir waren zum Friedhof gefahren. In der Nähe des Grabes stellte sie den Jeep ab. Dann stiegen wir aus. Auch Sedrin hatte Zivilkleidung angelegt, wie ich dem weichen Stoff, der ihren Arm umschmeichelte, an dem ich mich eingehakt hatte, entnehmen konnte. Sie trug rote geländetaugliche Schuhe, eine braune Winterhose und eben jenen braunen weichen Pullover, über den ich gestolpert war und der so rein gar nichts mit dem üblichen Stoff, aus dem Sternenflottenuniformen sind, gemeinsam hatte.

Sie blieb plötzlich stehen und nahm eine angespannte Haltung ein. „Was ist?“, entgegnete ich alarmiert. „Fühlen Sie.“, zischte sie und zog mich in die Hocke. Vor mir im Boden klaffte ein großes Loch. „Ist das die richtige Stelle?“, fragte ich ungläubig. „Ja.“, bestätigte sie. „Leider.“ „Denken Sie, die haben das Grab samt Inhalt?“, fragte ich. „Was denn sonst.“, flüsterte sie zurück. In mir breitete sich eine riesige Wut aus. „Dann hätten die zumindest ihre Spuren besser verwischen sollen. Finden Sie nicht?“, fragte ich frustriert. Sedrin nickte.

Evain hatte sich eine Crew zusammengestellt und war mit einem der Schlachtschiffe nun auf dem Weg in unsere Dimension. Kassius hatte sie zu ihrem ersten Offizier gemacht, obwohl er sich noch in der Ausbildung befand. Aber sie hatte ja schon gesagt, dass er bereits jetzt ihr Strategieverständnis hätte. Also stand dem ja nichts im Wege.

Kassius und seine Freundin Kalpurnia waren auf die Brücke gekommen. Kalpurnia arbeitete in der technischen Abteilung von Evains Schiff. Hier hatte sie etwas gebaut, das sie nun voller Stolz ihrer Commandara präsentierte. „Es ist eine Sonde mit fataler Wirkung.“, erklärte die rotschuppige Jugendliche. „Was soll so fatal an dieser kleinen Sonde sein, die nicht größer als meine Hand ist?“, lachte Evain. Kalpurnia wollte antworten, aber Kassius drängte sich dazwischen: „Dieser Flüchtling, den wir suchen, hat sicher ein Schiff im terranischen Orbit. Wenn wir dieses Schiff unschädlich machen wollen, oder verhindern wollen, dass sie damit flüchtet, brauchen wir diese kleine Sonde. Das Baby wird es finden und sich an seinen Antrieb heften. Dort beamt es einen Sprengsatz direkt an den Warpantrieb. Wenn sie es nach außerhalb des Sonnensystems schaffen sollte, bevor wir sie kriegen, geht die Bombe hoch und dann hatten die Tindaraner mal eine Zeugin.“ „Vorausgesetzt.“, fügte Kalpurnia noch hinzu. „Wir erschießen sie nicht vorher.“ „Gute Arbeit.“, grinste Evain. „Weitermachen!“ Kassius setzte sich auf seinen Platz neben Evain und Kalpurnia verließ lächelnd wieder die Brücke.

Shimar und IDUSA hatten das terranische Sonnensystem erreicht. Gerade hatten sie den Interdimensionsflug hinter sich. „Warum glauben Sie, hat uns Agent Maron hierher geschickt?“, fragte das Schiff. „Ich weiß es nicht.“, antwortete der tindaranische Patrouillenflieger. „Ist es richtig, dass er zu Ihnen am SITCH gesagt hat, dass er wegen Schmerzen im großen Onkel vermutet, dass wir bald Schwierigkeiten bekommen werden?“, vergewisserte sich IDUSA. „Ja, das stimmt.“, erwiderte Shimar. „Eine höchst merkwürdige Art, einen Alarm anzukündigen, finden Sie nicht?“, fragte IDUSA. „Das ist schon wahr.“, gab Shimar zu. „Und es gibt sicher keine verifizierten Daten über die zusammenhänge von Zehenschmerzen bei Demetanern und dem Befehl für Alarmstufen, aber, zu 80 % müssten die Daten dir doch auch sagen, dass er Recht haben könnte.“ „Sie haben mir gerade den Wind aus den Segeln genommen.“, beschuldigte IDUSA ihn. „Schuldig im Sinne der Anklage.“, lachte Shimar und stutzte, denn er hatte mich telepathisch wahrgenommen. Das Schiff, für welches seine Gedanken durch den Neurokoppler und die geladene Tabelle wahrnehmbar waren, hatte dies durchaus mitbekommen. „Was macht sie hier?“, wunderte sich Shimar halblaut. „Vielleicht hat sie Heimaturlaub.“, vermutete IDUSA. „Das kann nicht sein.“, korrigierte Shimar. „Darüber hätte sie mich informiert.“

Er begann, sich darauf zu konzentrieren, mir das Gefühl zu übersenden, wenn man mich im Nacken kraulte. Dies war unser kleines geheimes Zeichen, mit dem er ankündigte, wenn er Verbindung zu mir aufnahm. Piep, piep! Kann dich hören., dachte ich und lächelte. Noch wusste ich nicht, warum er hier war.

Sedrin war mein Verhalten aufgefallen. „Sagen Sie bitte nicht, er ist hier.“, sagte sie. „Doch.“, antwortete ich. „Er ist …“

Sie zerrte mich so schnell beiseite, dass ich fast hinfiel. „Ich sehe Eludeh.“, flüsterte sie mir zu. „Sie darf nicht zum Grab gehen. Mutter Schicksal, nein!“

Es war zu spät. Eludeh hatte gesehen, was das nihillanische Militär angerichtet hatte. Verzweifelt sank sie neben dem Loch nieder. „Nein, nein!“, hörte ich sie schluchzen. „Nicht das Grab meiner Kinder! Oh, meine armen Kinder! Jetzt ist es zu spät! Jetzt darf ich auch nicht mehr leben! Oh, ihr Götter, wenn es so etwas wie das Jenseits gibt, dann gebt mir einen Platz bei meinen Kindern!“

Ich hörte Geräusche, die mir sehr bekannt waren. „Agent, sie hat ein Sprechgerät.“, informierte ich Sedrin. „Ich denke, dass sie damit irgendwas fernsteuern kann .“ „Wie kommen Sie darauf?“, fragte Sedrin hektisch. „Ich höre so etwas.“, erwiderte ich. Sie wusste, dass ich nicht das absolute Gehör hatte, aber, dass ich doch einiges interpretieren konnte. Schließlich bestand meine gesamte Welt aus Gerüchen, Tasteindrücken und akustischen Reizen. Ich war also darin geübt. „Wenn Sie mir jetzt noch sagen, was sie eingegeben hat, fresse ich einen Besen.“, staunte Sedrin. „Ihre Beißerchen können heil bleiben.“, versuchte ich einen Scherz zu machen. „Die müssen Sie sich nicht an einem Holzstiel kaputtmachen. Ich weiß nur, dass sie eine Reihe von Befehlen eingegeben und dann abgeschickt hat. Alle Tasten machen piep. Außer die Sendetaste, die macht klick.“ „Was können das für Befehle sein?“, fragte Sedrin. Dann sah sie auf die Stelle, an der sie Eludeh zunächst noch gesehen hatte. „Verdammt, wo ist sie!“

Jetzt schoss es mir durch den Kopf. Eludeh musste irgendwo ein Schiff haben. Bei Tag war sie nie in Little Federation gesehen worden. Wenn sie sich also nicht unsichtbar machen konnte, musste sie sich irgendwo verstecken. Und der beste Ort hierfür war ein im terranischen Orbit verstecktes Schiff. Wahrscheinlich lag es hinter unserem Mond. Aber es gab noch ein Problem. Wenn sie ein Schiff hatte, dann könnte sie damit in die Sonne fliegen wollen. Schließlich hatte sie gerade ihren Selbstmord angekündigt.

Auf Evains Schiff hatte man durchaus gesehen, dass sich Eludeh mit ihrem kleinen Shuttle aufgemacht hatte. Auch der Kurs, den sie gesetzt hatte, war Kassius und Evain nicht verborgen geblieben. „Sehen Sie, Commandara, sie fliegt in die Sonne!“, frohlockte Kassius. „Damit macht sie sich selbst ein Ende. Dann müssen wir ja unsere Waffen gar nicht benutzen.“ „Nein.“, entgegnete Evain schadenfroh. „Sie richtet sich schließlich selbst.“

„Verdammt, Allrounder!“, fluchte Sedrin. „Wenn sie ein Schiff hat, brauchen wir auch eines. Aber so schnell können Sie doch die Tindaraner auch nicht verständigen!“ Ratlos sah sie mich an.

Kleines, ich bin hier. Wisch über deine Stirn, wenn du mich brauchst. IDUSA sieht das. Shimars Stimme in meinem Geist ließ mich ein extremes Gefühl der Erleichterung empfinden. „Ein Raumschiff?“, lächelte ich Sedrin zu. „Gut, wie Madam wünschen.“ Damit wischte ich mir über die Stirn. Augenblicklich wurden wir an Bord von IDUSA gebeamt.

Irritiert sah Sedrin sich um. Ich konnte nicht sagen, ob sie Flugkonsolen und anderes erwartet hatte, oder, was sie sonst so irritiert hatte.

Shimar griff meine Hand und zog mich neben sich auf den Sitz. Sedrin drehte sich zur Tür der Achterkabine. „Ich störe Sie beide sicher nur.“, erklärte die demetanische Agentin ihr Verhalten. Da IDUSA aber Sedrins DNS nicht kannte, blieb die Tür verschlossen.

„Wie soll ich verfahren.“, fragte der verwirrte Schiffsavatar. „Lass den Agent in die Achterkabine!“, befahl Shimar. „Aber lass die Tür offen, damit sie hören kann, was hier vorn geschieht!“ „Verstanden.“, gab IDUSA zurück und öffnete die Tür.

Shimar reichte mir einen Neurokoppler und schloss ihn an den zweiten Port an. Dann befahl er IDUSA, meine Reaktionstabelle zu laden. Jetzt konnte auch ich mich mit ihr verständigen, ohne das Mikrofon benutzen zu müssen. „Hast du das Schiff eures Flüchtlings schon mal gesehen, Kleines?“, fragte Shimar mich. Ich schüttelte den Kopf.

Sedrin hatte in der Zwischenzeit ihre Verwirrung verdaut und kam zurück ins Cockpit. „Ihr Tindara-Flieger ist immer da, wenn man ihn braucht, nicht wahr?“, flüsterte sie mir ins Ohr. Ich nickte nur verschämt.

„IDUSA, such nach Schiffen nihillanischer Bauart.“, befahl Shimar. „Ausgezeichnet, Mister!“, lobte Sedrin. „Damit decken wir auch gleich eine eventuelle Feindberührung ab.“ „Dass Sie das sagen, Agent.“, wunderte sich Shimar. „Ich dachte, die nihillanischen Militärs wären Ihre Verbündeten.“ Sedrin wurde blass. „Allrounder, bitte sagen Sie mir, dass er gerade gescherzt hat.“ „Er hat gescherzt, Ma’am.“, erwiderte ich.

„Ich habe zwei nihillanische Schiffe wahrgenommen.“, meldete IDUSA. „Eines ist ein kleines Shuttle. Das Andere ist ein Schlachtkreuzer, der das Shuttle verfolgt.“ „Oh, nein!“, begann Sedrin. „Eludeh! Sie dürfen sie nicht kriegen! Kann Ihr Schiff noch einen Zahn zulegen, Shimar?“ „Allerdings.“, erwiderte Shimar und befahl IDUSA einige wilde Manöver, an deren Ende wir direkt hinter Eludehs Schiff auftauchten. „Wir müssen Eludeh warnen.“, erläuterte die demetanische Agentin ihren weiteren Schlachtplan. „Allrounder, Ihnen vertraut sie. Ihr Freund soll irgendwie ermöglichen, dass Sie mit ihr sprechen können.“

IDUSA, die alles mitbekommen hatte, hatte bereits einen Ruf an Eludehs Schiff gesendet und mir die Sprechkonsole gezeigt. „Eludeh.“, begann ich. „Wir wollen Ihnen helfen. Wir beamen Sie jetzt gleich auf unser Schiff und …“ Die Verbindung war zusammengebrochen. „Wir sind zu nah an der Sonne.“, erklärte IDUSA dieses Phänomen. „Sie muss umkehren!“, skandierte Sedrin. „Lasst euch verdammt noch mal etwas einfallen!“ „Ich wüsste schon etwas.“, sagte Shimar und an seiner Stimme konnte ich gut hören, dass er damit selbst erhebliche Bauchschmerzen haben musste. Aber was sein musste, musste nun mal sein. „Festhalten, Ladies!“, rief er Sedrin und mir zu, bevor er IDUSA den Befehl erteilte, auf Warp eins zu gehen und unmittelbar vor Eludehs Schiff wieder zu verlangsamen. „Donnerwetter!“, staunte die Agentin. „Das kriegen die meisten unserer Piloten nicht hin.“ „Ist kein Wunder, Ma’am.“, erklärte ich. „Sternenflottenschiffe werden mit den Händen geflogen. Das bedeutet, wenn man ein Manöver fliegen will, muss der Gedanke zur Hand und von dort quasi zum Schiff über Joysticks oder Tastaturen. Bei tindaranischen Schiffen geht der Gedanke des Piloten den direkten Weg. Das macht Operationen um ein Vielfaches schneller.“ Mit vor Staunen offenem Mund setzte sich Sedrin in der Achterkabine auf einen Sitz. „Ich glaube, es ist besser, wenn ich sitze, falls noch einmal so etwas passiert.“, gab sie zu.

Evain hatte unser Manöver, das Eludeh tatsächlich zum Wenden gezwungen hatte, durchaus registriert. „Na schön.“, meinte sie und betätigte den Sprechanlagenknopf, der sie mit der technischen Kapsel verband. „Startet die Sonde!“, befahl sie.

„Shimar.“, meldete IDUSA. „Eludeh ruft uns.“ „Verbinde mit Allrounder Betsy.“, gab Shimar zurück. „Warum haben Sie mich geschnitten?!“, hörte ich Eludeh ernst fragen. „Ich werde nicht zulassen, dass Sie sich töten, Eludeh!“, antwortete ich bestimmt. „Denken Sie an Ihre Flucht und an den Grund, warum Sie all diese Mühen auf sich genommen haben. Soll das alles umsonst gewesen sein?“

Eludeh vollführte ein paar wilde Manöver, um uns abzuschütteln. „Dranbleiben, Shimar!“, befahl Sedrin von hinten. „Lassen Sie sich nicht abschütteln!“ „Ich werde tun, was ich kann.“, entgegnete Shimar.

Gegen seinen Befehl verlangsamte IDUSA plötzlich. „Ich nehme an, dafür hast du einen guten Grund.“, forderte der Tindaraner sein Schiff auf, ihr Verhalten zu erklären. „Den habe ich.“, sagte IDUSA sachlich und zeigte ihm die kleine fiese Sonde, die ihr Ziel inzwischen erreicht hatte. „Wenn wir sie drängen, geht sie auf Warp und dann geht die Bombe los.“, erklärte das Schiff nach eingehender technischer Analyse des Sprengkörpers.

„Kannst du die Bombe fortbeamen, IDUSA?“, mischte ich mich ein. „Die Sonnenflecken erlauben mir zwar die Erfassung und die Dematerialisierung, aber ich kann sie nirgendwo wieder materialisieren.“, antwortete das Schiff. „Das sollst du ja auch nicht.“, erwiderte ich. „Wenn du sie hast, leerst du deinen Puffer einfach in den Weltraum. Energie kann ja nicht explodieren.“ „Verstanden.“, sagte IDUSA und führte meinen Befehl aus. „Ein Transporter ist ein gutes Mittel zur Bombenentschärfung.“, stellte Sedrin fest.

„Eludeh kann jetzt auf Warp gehen.“, analysierte IDUSA. „Aber wir sollten dafür sorgen, dass ihre Verfolger das nicht können.“ „Wie stellst du dir das vor?“, wollte Shimar wissen. „Das ist ein waffenstarrendes Militärschiff. Bevor wir schießen können, haben die uns drei mal zerstört. Du glaubst doch wohl nicht, dass sie uns einfach so auf ihren kostbaren Warpantrieb feuern lassen.“ „An Waffen hatte sie, glaube ich, weniger gedacht.“, erklärte ich. „Sie haben Recht, Betsy.“, fuhr das Schiff fort. „Wenn sich ein Gegenstand in einem werdenden Warpfeld befindet, kann es sich nicht aufbauen, oder die Fluglage des Schiffes wird instabil. Wir müssten in dem Moment in ihr Feld fliegen, wenn sie versuchen, auf Warp zu gehen. So wirken wir wie ein Stolperstein. Bin mal gespannt, wie der Pilot damit klar kommt. Damit wir nicht zu Schaden kommen, müssen wir rechtzeitig abtauchen. Das machen wir solange, bis Eludeh weit genug weg ist, um den Interdimensionsantrieb gefahrlos zünden zu können. Aber ich brauche dabei Ihre Hilfe, Shimar. Meine Sensoren könnten durcheinander geraten und ich brauche jemanden, der auch mal nach Hosenboden und Gefühl fliegen kann. Eigentlich benötige ich eine Mischung aus Ihnen beiden. Sie, Shimar, haben funktionierende Augen und der Allrounder ein exzellentes Tastempfinden.“ „Ich weiß schon, was du meinst.“, erwiderte Shimar. „Kleines, bist du bereit?“ Ich nickte und er vertiefte die geistige Verbindung zwischen uns so weit, dass ich sah, was er sah und er fühlte, was ich fühlte. So gelang es uns tatsächlich, das feindliche Schiff aufzuhalten. Ich hoffte, dass Eludeh ihren Vorsprung genutzt hatte.

„Wir können nicht auf Warp gehen, Commandara.“, erklärte der völlig fertige Pilot des Schlachtkreuzers seiner Vorgesetzten. „Immer, wenn ich es versuche, wird unser Schiff instabil und macht fast einen Überschlag. Dieser verfluchte Tindaraner traut sich was. Eludeh ist längst außer Sensorenreichweite. wir sollten uns ergeben. Es ergibt sich sicher noch eine Gelegenheit, bei der er nicht zugegen ist.“ „Na schön.“, schnarrte Evain missmutig. „Fliegen wir erst mal nach Hause.“

Auch wir hatten außerhalb des Sonnensystems gestoppt und IDUSA hatte uns gemeldet, dass Eludeh in die tindaranische Dimension geflogen war. Auch den Abzug des feindlichen Schiffes hatten wir mit Genugtuung zur Kenntnis genommen.

„Alles Weitere ist Ihr Job.“, sagte Sedrin noch zum Abschied, bevor IDUSA sie wieder auf die Erde beamte. „Meine Befugnis endet hier. Ich bin wenigstens so anständig und sehe ein, wann für mich Schluss ist. Jetzt fällt Eludeh in tindaranische Zuständigkeit. Passen Sie mir gut auf sie auf, Shimar und Sie helfen ihm dabei, Allrounder! Das ist ein Befehl!“ Dann bedeutete sie Shimar, IDUSAs Transporter zu aktivieren.

Die Mächtigen und die Vendar hatten in der Zwischenzeit ihren Zielort erreicht. Sie hatten einen großen Konferenzraum betreten, der wie eine Art Amphitheater aufgebaut war. In der Mitte befand sich ein großer schwerer Holztisch mit allerlei Verzierungen. Daran standen vier Stühle. Rund um den Tisch gab es eine Art Stufen, vor denen sich kleine weniger prunkvolle Tischchen befanden.

Logar, Tolea, Dill und die Wächterin nahmen an dem großen Tisch in der Mitte Platz. Die Vendar setzten sich auf die Stufen an die kleineren Tischchen und das jeweils so, dass sie ihren jeweiligen mächtigen Begleiter jederzeit im Auge hatten und gut auf ihn achten konnten.

Logar ließ seinen Mundschenk Getränke und Kleinigkeiten zum Essen für alle darreichen. Dann fragte er: „Hat irgendjemand von euch schon etwas erreichen können, was die Föderation angeht?“ Dill und Tolea schüttelten die Köpfe. Nur die Wächterin stand auf und sagte: „Meinem Vertrauten ist es gelungen, die Aufmerksamkeit von Commander Peter Time und seinem ersten Offizier zu erlangen.“ Logar schaute gelangweilt in die Runde. Das war für ihn nichts Neues. Time und Yetron waren dafür bekannt, Nugura ab und zu im richtigen Moment auf die Finger zu klopfen.

„Nun gut.“, meinte der Herrscher nach einer Weile des Nachdenkens. „Lasst uns sehen, ob dies bereits positiven Einfluss auf die Zukunft hatte.“

Er winkte einem seiner Diener, der mit einem großen Kontaktkelch den Raum betrat und diesen vor den Mächtigen abstellte, die sich alle an den Händen fassten. Nur Logar und Tolea, die jeweils ein Ende der Kette bildeten, legten ihre zweite Hand auf den Fuß des Kelches, wodurch der Kreis geschlossen wurde. Dann konzentrierten sich alle darauf, die Zukunft sehen zu wollen.

Die Vendar beobachteten jede Regung. Trauer und Bestürzung konnten sie in den Gesichtern ihrer Gebieter sehen. Dennoch trauten sie sich nicht, diese direkt darauf anzusprechen. Nur Iranach hatte ihren Gefährten etwas in ihrer gemeinsamen Muttersprache zugeflüstert, worauf sie schleichend den Raum verließen, um die Schiffe startbereit zu machen. Sie kannte ihren Herrscher und wusste, wenn er so schaute, wie er jetzt eben schaute, war anständig was im Busch.

„Es hilft wohl nichts, edle Gevattern.“, meinte Logar, als sie ihre Hände wieder vom Kelch genommen und einander losgelassen hatten. „Wenn wir Schlimmeres verhindern wollen, werden wir die Föderation massiver warnen müssen. „Heute Nacht wird Nugura von mir träumen.“ Tolea schrak zusammen. „Um Himmels Willen, teurer Gevatter, tut das nicht! Ihr werdet die Föderation dann erst recht in die Arme der Nihillaner treiben. Die Sterblichen lassen sich heute nicht mehr so einfach diktieren, was sie tun sollen. Das ist ja auch prinzipiell richtig so. Sie sollen ja auch selbstständig sein. Aber wenn ihr Nugura sagt, dass sie die Nihillaner nicht einbürgern soll, erreicht ihr genau das Gegenteil. Die Sterblichen der Föderation sind keine primitiven Bauern, Kaufleute und Handwerker wie hier. Sie sind viel zu selbstbewusst, als dass ihnen ein Traum von Euch eine Weisung sein könnte. Wie ich Euch bereits sagte: Ihr erreicht damit nur das genaue Gegenteil!“ Ihre flammende Rede beeindruckte Logar nicht wirklich. Solange Ihr keine bessere Idee habt, Gevatterin, wird es genau so sein, wie ich gesagt habe.“, erklärte Logar. Dill und die Wächterin stellten sich geschlossen neben Tolea. „Harte Zeiten erfordern nun mal harte Maßnahmen.“, rechtfertigte Logar sich. „Hiermit ist diese Konferenz beendet.“

Niedergeschlagen verließen die drei Gäste den Raum, um im richtigen Moment von ihren Vendar in Empfang genommen zu werden.

„Er ist so halsstarrig!“, sprach sich Tolea gegenüber Diran aus. „Er behauptet, ein Freund der Sterblichen zu sein. Dabei hat er immer noch nicht gelernt, dass es auch zwischen ihnen große Unterschiede gibt.“ „Seid ohne Sorge, Gebieterin.“, tröstete Diran. „Jenna Mc’Knight sagt immer, dass sich ein falsches System irgendwann selbst reinigt. Logar wird sehen, was er von seinem Tun hat und die Nihillaner sicher auch.“ „Hoffentlich irren du und Techniker Mc’Knight da nicht.“, sorgte sich die Mächtige.

„Vielleicht wird es Zeit, dass wir uns alle ein Bisschen entspannen.“, schlug Diran vor. „Mein Volk feiert in einer Woche die Jahreswende. Wenn ich darf, wäre ich gern dabei.“ Tolea nickte. „Du würdest ja sicher auch gern einmal deine Frau wiedersehen.“, lächelte sie, bevor sie in einem weißen Blitz verschwand. Ähnliches hatte sich auch auf den anderen Schiffen abgespielt. Die Veshels formierten sich und flogen geschlossen in Richtung Wirbel.

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