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Wie meistens an Ostern oder um Ostern herum hatte ich auch dieses Jahr wieder rechtzeitig Heimaturlaub eingereicht und war von Cupernica und Data vom Raumflughafen abgeholt worden. Den beiden Androiden konnte ich in der Hinsicht nichts vormachen. Sie kannten meinen Reiseturnus. Aber auch sie hatten einen Besucher. Novus war gekommen. Der geheime Sohn von Data und Cupernica, den es seit jenem denkwürdigen Vatertag vor knapp 1004 Jahren gab, hatte seine Eltern besucht. Ansonsten hielt er sich auf Celsius auf, wo eine Einrichtung für seine Sicherheit garantierte. Er hatte diese aber zum ersten Mal verlassen dürfen, nachdem sicher war, dass das Wissen über diese Art und Weise androider Reproduktionsmöglichkeit wohl nicht in falsche Hände geraten würde. Schließlich hatte man argumentiert, dass die Xylianer es ja schließlich seit Jahrhunderten nicht anders machten und da sei ja auch alles OK.


Novus und seine Eltern hatten mich also vor meinem Haus abgesetzt. Hier wartete ich nun auf Agent Sedrin, mit der ich zum Backen verabredet war. Sedrin hatte sich fest ins Geheimdienstgebäude von Little Federation versetzen lassen. Deshalb war sie jetzt auch immer auf der Erde, außer, wenn eine Mission etwas Anderes verlangte. Jetzt waren wir zwei in gewisser Hinsicht auch auf Mission. Aber diese war etwas anders geartet. Ich hatte mich an ein Rezept für Hundekekse erinnert, das meine Mutter und ich in meinem Heimatjahrhundert einmal mit Mausi ausprobiert hatten. Sie hatte die Kekse geliebt! Eigentlich bestanden sie nur aus Babynahrung und Mehl. Diese Kekse wollten wir nun für die Vierbeiner im Tierheim von Little Federation backen, um einfach mal eine liebe Geste zu zeigen. Schließlich war Ostern.


Die Türsprechanlage piepte. „Wer ist dort?“, fragte ich neugierig. „Föderationsgeheimdienst!“, gab eine bekannte energische Stimme zurück. „Agent Sedrin Taleris-Huxley! Ich fordere Sie auf, die Tür zu öffnen! Sie sind verdächtig, eine Verschwörung zum Keksebacken zur Verbreitung der Osterstimmung angezettelt zu haben! Ich bin befugt, jegliches verdächtiges Material zu beschlagnahmen und habe einen Durchsuchungsbefehl!“ „Ich öffne und gestehe in vollem Umfang.“, gab ich grinsend zurück.


Sie betrat mein Haus und band mir in Windeseile eine Schürze um. Dann sagte sie: „Allrounder Betsy Scott, ich beschürze sie wegen der von mir bereits genannten Verbrechen. Sie haben das Recht zum Teigkneten. Sollten Sie dies nicht tun, kann und wird jeder Keks nicht zum Essen verwendet werden. Sie haben das Recht auf Handschuhe. Sollten Sie sich diese nicht leisten können, werden Ihnen von Staatswegen Pflichthandschuhe gestellt. Haben Sie Ihre Rechte verstanden?“ Ich nickte und wir beide brachen in schallendes Gelächter aus. Auch wenn Sedrins Stimme des Öfteren an die von T’Pol erinnerte, war ich doch sicher, dass diese nie so einen Spaß mit mir gemacht hätte. „Oh, Agent, was sind wir zwei heute albern!“, rief ich. Sie grinste und holte etwas hinter ihrem Rücken hervor. Bei dem Etwas handelte es sich um eine riesige Tasche mit replizierten Gläschen mit Babynahrung und Tüten mit Mehl. „Agent.“, staunte ich. „Sie haben alles …“ „Aber sicher.“, antwortete sie, als sei es das Natürlichste der Welt. „Sie bringen das Rezept und ich das Zeug.“ Sie stellte mit einer betont langsamen Bewegung die Tasche ab. Dann sagte sie: „Haben Sie eine Backschüssel?“ Ich nickte und holte das gesuchte Objekt aus dem Schrank.


Während wir Mehl und Brei in der Schüssel zusammenmischten, unterhielten wir uns. „Ich hörte, die Granger ist auf einer Mission nach Canis drei, oder?“, begann Sedrin. „Das stimmt.“, bestätigte ich. „Sie bringen den terranischen Präsidenten und auch die demetanische Präsidentin dort hin. Die beiden sollen versuchen, wieder Frieden zwischen dem Königspaar zu stiften. Das ist deshalb so wichtig, damit das Volk nicht auseinander bricht. Die Föderation hat Erstkontakt mit dem canisanischen Volk und nicht nur mit einer Gruppe. Einige haben sich auf Seiten Der Königin und andere auf Seiten des Königs geschlagen. Es droht eine Spaltung, weil der König an seinem alten Glauben an viele Götter festhalten will, während die Königin behauptet, eine Erscheinung von nur einem Gott gehabt zu haben, an den sie jetzt glaubt.“ „Sie haben ein sehr gutes Nachrichtenverständnis.“, lobte Sedrin. „Kunststück.“, erwiderte ich. „Das muss ich als Kommunikationsoffizierin ja haben.“


„Die Canisaner sehen aus wie Wölfe.“, stellte Sedrin fest. „Ihr Commander wird es sicher nicht leicht haben.“ „Kissara beteiligt sich nicht an den Verhandlungen.“, informierte ich sie. „Das machen die Politiker allein. Ich denke nur …“


Ein Geräusch aus dem Wohnzimmer ließ mich aufhorchen. „Mein Sprechgerät.“, erklärte ich. Dann drehte ich mich zum Gehen und schaute noch einmal kurz im Bad vorbei, um meine Hände, die über und über mit Teig bedeckt waren, zu säubern. Danach setzte ich meinen Weg ins Wohnzimmer fort. Nachdem ich mich vorschriftgemäß gemeldet hatte, war ich sehr überrascht, Mikels aufgeregte Stimme zu hören. „Die Sache geht voll in die Hose, Betsy.“, informierte er mich salopp. „Ich hatte mir ja schon gedacht, dass Diplomatie mit Quadropoden schwierig ist, aber das! Oh, Backe. Wäre Kang nicht auf Kissaras Befehl dazwischen gegangen, hätten sich die beiden Majestäten gegenseitig zerfleischt. Nitrin und Johns glauben beide nicht, dass das hier noch was wird. Wir bringen Nitrin nach Demeta und kommen dann zur Erde. Uff, ich brauche dringend Urlaub! Dabei gibt es trotz der unterschiedlichen Religionen doch noch viele Gemeinsamkeiten …“ „Warte, Mikel.“, ging ich dazwischen, nachdem ich die Break-Taste gedrückt hatte. „Bitte bleib kurz dran. Ich muss mal an die Tür.“ Er bejahte und ich ging zur Tür, wo ich das Piepen der Sprechanlage gehört hatte. Dort stand Novus. „Hi.“, begrüßte ich ihn freundlich. „Was möchtest du, Novus?“ „Ich hörte, dass Sie backen.“, sagte der inzwischen 4-jährige Androide, den man aber beileibe nicht mit einem normalen 4-Jährigen vergleichen konnte. „Ich würde gern einmal assistieren.“


Data hatte mir von seinen Erfahrungen mit Lal berichtet. Auch sie hatte in ihrem kurzen Leben vieles durch Erfahrungen gelernt. Deshalb sagte ich: „OK.“, lächelte und führte ihn zu Sedrin in die Küche. „Wir haben einen Lehrling.“, erklärte ich ihr. „Na schön.“, erwiderte sie. „Du kannst beim Formen der Kekse helfen, Novus.“ Der Androidenjunge nickte und Sedrin teilte den fertigen Teigkloß in drei gleiche Stücke. Dabei klatschte sie genüsslich auf dem Teig herum. „Das muss klatschen!“, sing-sangte sie und ließ jeden Kloß auf ein Brett fallen. „Wenn es klatscht, dann ist der Teig richtig. Erst macht es klatsch, dann macht es matsch!“ Im Normalfall hätte mir ihre Äußerung einen Lachanfall entlockt. Aber ich war zu sehr mit den Gedanken an die Mission der Granger beschäftigt, die wohl schiefgehen würde.“ „Mir fällt auf, dass Sie ein nachdenkliches Gesicht machen.“, erklärte Novus. „Darf ich wissen, warum?“ Ich erklärte ihm alles. Bei einem Androiden würden diese Dinge in Sicherheit sein. Auch, wenn dieser erst vier Jahre alt war. Aber er war eben nicht mit einem 4-jährigen Menschen zu vergleichen. „Sie sprachen von religiösen Gemeinsamkeiten.“, sagte Novus. „Meinen Sie wie bei Ostern?“


Ich stutzte. Er hatte ja recht! Ostern war auch ein Fest, das die alten germanischen Religionssymbole um Frühling und Fruchtbarkeit mit den christlichen verband.


„Das ist es!“, rief Sedrin aus, die alles mitgehört hatte. „Novus, kannst du Eier, Hasen und Kreuze aus dem Teig formen?“ „Ich denke, es wird mir möglich sein, die von Ihnen genannten Formen zu reproduzieren.“, antwortete Novus. „Allrounder.“, wendete sich Sedrin an mich. „Rufen Sie Ihr Schiff und machen Sie denen klar, dass sie sofort zur Erde kommen müssen. Wir werden mit ihnen einfach ein wenig Ostern feiern. So lernen sie, dass man Religionen auch gut verknüpfen kann und man hat auch noch Spaß dabei. Wir wollen ja nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auftreten.“ „Deshalb Symbole aus beiden Religionen, was, Agent.“, schlussfolgerte ich. „Genau.“, grinste sie. „Und jetzt wegtreten!“ Ich nickte und folgte ihrem Befehl. Dass ich Mikel noch in der Leitung hatte, verschwieg ich ihr mit Absicht.


Ich war zu meinem Sprechgerät zurückgekehrt und hatte das Gespräch wieder angenommen. „Was war bei dir los?“, erkundigte sich Mikel. „Ich habe nur Besuch bekommen.“, antwortete ich. „Wir treffen Vorbereitungen für Ostern.“ „Du Glückliche.“, sagte Mikel. „Wir werden hier wohl noch eine Weile festsitzen. Die beiden sind zu keiner Einigung zu bewegen und Canis steht kurz vor einem religiös motivierten Bürgerkrieg. Kissara muss Johns und Nitrin schon ständig trösten.“ Bei seinen letzten Sätzen grinste er zwar, aber dennoch konnte ich eine gewisse Anspannung in seiner Stimme hören.


Plötzlich schrillte auf der Granger das mir wohl bekannte Zeichen für den roten Alarm auf. „Ich muss auf die Brücke, Betsy.“, sagte Mikel noch hektisch, bevor er das Gespräch beendete.


Mikels Weg führte ihn zum nächsten Turbolift und damit auf die Brücke. Hier erwarteten ihn und Kissara, der er im Turbolift begegnet war, bereits Kang und Ribanna. „Sowohl von der Nord- als auch von der Südseite des Planeten sind Kriegsschiffe aufgestiegen.“, berichtete der klingonische Stratege. „Anscheinend meint man es ernst.“, fügte die indianische SITCH-Offizierin und Pilotin hinzu. „Sie reagieren nicht auf SITCH und wenn, dann sagen sie, dass nur der König bzw. die Königin dafür sorgen können, dass ihre Waffen schweigen.“ „Beide Seiten machen sich feuerbereit.“, erklärte Kang in Kissaras Richtung. „Na schön.“, sagte diese. „Dann fahren wir eben dazwischen! Kang, Schilde hoch! Ribanna, bringen Sie uns rein, dann das Schiff um 45 Grad anschrägen!“ Diese Befehle gab Kissara wahrscheinlich nur, weil ihr Mikel vorher im Turbolift, in dem sich die Beiden begegnet waren, von meinem Vorschlag erzählt hatte. „Das wird ihre Schüsse an unseren Schilden abprallen und auf sie zurückfallen lassen.“, meldete Ribanna Bedenken an. „Sicher.“, sagte Kissara. „Aber genau das wollen wir ja. Zeigen wir ihnen, dass wir diesen Streit nicht zulassen. Die sind ja von Sinnen.“ Ribanna nickte verständig und sie und Kang führten Kissaras Befehle aus.


Sedrin und Novus waren ins Plaudern gekommen. „Wenn man es genau nimmt, bist du bereits 1004 Jahre alt, nicht wahr?“, fragte sie. „Im Prinzip haben Sie recht.“, antwortete der junge Androide. „Ich kam in Allrounder Betsys Heimatjahrhundert zur Welt und meine Mutter brachte mich ins 30. Jahrhundert. Aber die Temporalwissenschaftler sind sich ja immer noch nicht einig, ob eine zurückgelegte Zeitreise zu meinem Alter addiert werden soll, oder nicht. Bis dahin gelte ich als 4-jährig.“


Sedrin hatte die Kekse in den Replikator geschoben und diesem den Befehl zum Backen erteilt und war danach zu mir gekommen. „Wir sollten all Ihre Freunde einladen, damit es nicht so offensichtlich ist, was wir vorhaben.“, sagte sie mit konspirativem Unterton. „Das hatte ich ohnehin vor.“, erwiderte ich. „Wie Sie schon sagten, wir wollen ja nicht mit erhobenem Zeigefinger …“ „Ich liebe es, wenn Sie mitdenken.“, lächelte sie. „Immerhin wollen wir ja nichts Anderes, als ein kleines Bisschen Ostern feiern.“


„Was haben Sie mit unseren Soldaten gemacht?“, empörten sich König Lupus und Königin Lupina gleichermaßen vor Kissara, in deren Bereitschaftsraum sie sich getroffen hatten. „Wir haben Ihnen nur deutlich gemacht, dass die Föderation keinen Bürgerkrieg auf Canis zulassen wird. Aber ich denke, wir haben uns alle etwas Entspannung verdient. Auf Terra findet in diesen Tagen ein Fest statt. Das sollten wir feiern. Vielleicht kommt danach auch wieder frischer Wind in die Verhandlungen.“ Missmutig willigten beide ein. Kissara ließ mir ihre Antwort per SITCH-Mail zukommen.


Wenige Stunden später war die gesamte Besatzung der Granger samt den Zivilisten in meinen Garten gebeamt, wo bereits alle meine Freunde saßen und feierten. Sedrin hatte die Tischordnung so arrangiert, dass das Königspaar von Canis zwischen Cupernica, Data und Novus saß. Würden bei den Majestäten Fragen über die Symbolik der Kekse auftreten, dann würde niemand dies so sachlich erklären können, wie ein Androide. Eine ebenso gute Erklärung würde vielleicht ein Vulkanier abgeben können, aber ich hatte keine vulkanischen Freunde. Tatsächlich waren sie wohl extrem angetan von der Tatsache, dass es uns Terranern gelungen war, die Symbole aus zwei Religionen in einem Fest zu vereinen. Jedenfalls zog sich das Königspaar nach einer Weile zurück. „Läuft doch ausgezeichnet, was?“, zischte mir Sedrin zu, als sie mir zum Schein eine Tasse heiße Schokolade eingoss. Ich nickte nur.


Plötzlich kam das Herrscherpaar zurück und man schleckte sich demonstrativ gegenseitig durchs Gesicht. „Wie ich sehe, herrscht zwischen Ihnen Beiden ja wieder Einigkeit.“, stellte Kissara erleichtert fest. „Das stimmt.“, sagte Lupina und wedelte mit ihrem langen seidigen Schwanz. „Das Beispiel der Terraner sollte Schule machen.“, pflichtete ihr Lupus bei.“ „Bitte bringen Sie uns wieder zurück, Commander Kissara. Wir werden alle Kriegshandlungen begraben und jedes Jahr an diesem Tag auf unserem Planeten ein Fest einführen, das die Gemeinsamkeiten unserer Religionen nach dem terranischen Beispiel verbindet. Dieses Fest wird Novus-Fest heißen, denn wir hörten, dass der kleine Novus es gewesen ist, der Sie alle auf die Gemeinsamkeiten aufmerksam gemacht hat.“


Kissara erklärte sich einverstanden und man beamte wieder an Bord der Granger, die dann ihren Kurs nach Canis aufnahm. Für das Tierheim backten wir neue Kekse, denn die anderen waren alle geworden. „Haben wir doch gut hingekriegt, nicht wahr?“, fragte ich Sedrin beim Aufräumen. „Wovon reden Sie?“, fragte die Demetanerin scheinheilig grinsend. „Es war doch nur ein kleines bisschen Ostern.“


ENDE

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