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Cupernica staunte nicht schlecht, als sie an diesem Morgen vor die Tür trat. Die Androidin hatte sich vorgenommen, ihren Ehemann mit einem neuen Beet für seine Orchideen zu überraschen. Hierzu hatte sie alles Notwendige repliziert. Gerade wollte sie den Sack mit Erde in die vorgesehene Mulde am Boden entleeren, als sie eines merkwürdigen Schattens ansichtig wurde. Der Schatten kam langsam näher und Cupernica erkannte ein Pferd, welches sich langsam dem Garten der Androiden von Westen, der Richtung, aus der die Enterprise Lane, die Hauptgeschäftsstraße von Little Federation, in die 42. mündete, näherte.

Sie ließ vom Sack ab. Ihr einziges Augenmerk lag nun auf dem Pferd, dessen Gangbild die gelernte Medizinerin als leicht ataktisch identifizierte. Jedoch dachte sie nicht, dass das Pferd krank sei. Ihre Androidenaugen hatten ihr längst verraten, dass mit dem Gangapparat des Tieres alles in Ordnung war. Viel mehr gewann Cupernica den Eindruck, das Pferd kam mit der Umgebung, in der es sich bewegen musste, nicht zurecht. Es war wohl weniger Schwerkraft oder eine dichtere Atmosphäre gewohnt, in der sein Eigengewicht nicht so hoch war. Jetzt schleppte es sich mehr oder minder voran. Cupernicas hoch auflösende Augen, die wie die Sensoren eines Erfassers funktionierten, sagten ihr aber auch, dass es sich um eine extradimensionäre Lebensform handeln musste. Wenn sie nun all diese Daten zusammensetzte, ließen sie nur einen Schluss zu.

Cupernicas suchender Blick ging über die Beete der Nachbarn. Dann ging sie mit festem Schritt in den Gemüsegarten, den Huxleys für sich wegen Sedrins Replikatorkrankheit angelegt hatten, suchte eine reife Möhre, zog sie aus dem Boden und entfernte Kraut und Wurzel, nicht ohne danach vorschriftsmäßig eine Nachricht im Notizprogramm der Türsprechanlage zu hinterlassen.

Während sie die Möhre in Stücke brach, ging sie dem Pferd entgegen, das sie mittlerweile als Kipana erkannt hatte. „Na komm.“, lockte sie freundlich. „Komm fein mit. Ich habe auch etwas für dich. Hier her, Kipana, komm hier her. Ja fein. Gleich haben wir es geschafft. Dann kannst du ausruhen.“ Dabei verschwand die Möhre stückweise als Motivation in Kipanas Maul.

Data war inzwischen auch aufgefallen, dass seine Frau das Haus lange vor ihrem gemeinsamen Aufstehen verlassen hatte. Er war auf die Terrasse gekommen und hatte jenes Schauspiel von dort beobachtet. Was tut Kipana hier und warum ist sie hier?, übermittelte er seiner Frau in F-14-Code. Sie ist nun einfach mal hier. Warum weiß ich noch nicht., gab Cupernica auf gleichem Weg zurück. Ich möchte mit dir nicht lange diskutieren. Hole bitte Agent Sedrin. Aber sag der SITCHerin nicht, mit wem wir es zu tun haben. Sie soll dich nur mit Sedrin verbinden. Der kannst du dann alles sagen. Data wusste, dass es keinen Zweck hatte, ihr zu widersprechen oder gar eine lange Wortschlacht zu beginnen, bei der sie doch früher oder später die Oberhand gewinnen würde. Allerdings würde dies, wie es für Androiden typisch war, auch sehr höflich und sachlich ablaufen, wie es bisher wohl jeder „Ehestreit“ bei den Beiden getan hatte.

Ich hatte die Granger durch die Wirbel geflogen. Wir waren auf dem Weg ins Dunkle Imperium, wo Prinzessin Eldisa quasi formell zur Thronfolgerin und Kronprinzessin der erwähnten Dimension und der Dimension Zeitland gekrönt werden sollte. Eldisa war die leibliche Tochter von Logar und einer zeitländischen Adeligen, mit der der Herrscher einmal eine Beziehung gehabt hatte. Da sie aber damals im Dunklen Imperium sehr stark durch ihre Halbschwester Sytania gefährdet war, hatten Dill und seine Gemahlin Messalina sie adoptiert. Obwohl Eldisa jünger war als Sytania hatte Logar ihr den Thron zugesprochen. Sytania konnte er ihn nicht geben. Die Gründe hierfür sollten allen hinlänglich bekannt sein.

„Sind Sie nervös, Allrounder?“, wollte Kissara von mir wissen, als wir allein auf der Brücke waren. Mikel und Kang hatten sich schon zum Transporterraum begeben. „Warum sollte ich, Ma’am?“, fragte ich zurück, während ich der Granger eine fixe Umlaufbahn über Logars Palast eingab. „Als Dills Nennsohn hätte allerhöchstens Mikel einen Grund dafür, aber ich nicht. Ich bin ja nur Mikels beste Freundin.“ „Das sind Sie.“, bestätigte Kissara. „Aber, Betsy, eine solche Antwort hatte ich mir von Ihnen erhofft. Dann habe ich keine zwei nervösen Hemden von Offizieren, die ich beruhigen muss. Mikel tut ja gerade, als sollte er den Thron besteigen.“ Ich nickte lächelnd. „Loggen Sie sich aus und kommen Sie!“, befahl Kissara und drehte sich zur Tür der Brücke. Ich aktivierte den Autopiloten, meldete mich ordnungsgemäß aus dem System ab und folgte.

Kelly Davis, die Koordinatorin von Polizei- und Geheimdienstnotruf von Little Federation, staunte über die seltsame Schilderung, die Data ihr am Sprechgerät gab. Da der Androide nur erwähnt hatte, dass ein Pferd im Garten sei, lächelte sie nur: „Für entlaufene Tiere ist zunächst die Polizei zuständig. Ich verbinde Sie mit Detectiv Rainolds’ Revier. Bitte bleiben Sie in der Leitung.“ „Das geht nicht.“, widersprach Data. „Bitte, ich muss mit Agent Sedrin Taleris-Huxley sprechen. Es ist enorm wichtig.“

Die gerade Erwähnte hatte mit fliegenden Kleidern das Gebäude betreten. Sie hatte heute aus irgendeinem Grund verschlafen. Miss Davis, die in ihrem Häuschen saß, winkte ihr kurz zu. „Bitte warten Sie einen Moment, Agent.“, rief ihr die junge zierlich gebaute SITCHerin hinterher. Sedrin drehte sich um und bemerkte den Ohrhörer in Kellys Ohr. „Was haben Sie denn da?“, fragte die Agentin führsorglich. „Ich habe hier einen Bürger, der unbedingt mit Ihnen sprechen will. Er behauptet, bei ihm und seiner Frau im Garten stünde ein Pferd. Aber für entlaufene Tiere ist doch meines Wissens die Polizei …“

Sedrins Blick hatte das Display gestreift. Sie hatte Datas und Cupernicas Rufzeichen erkannt. „Geben Sie her, Kelly!“, sagte die Demetanerin bestimmt. „Und vertreten Sie sich die Beine oder trinken Sie einen Kaffee oder so etwas. Jedenfalls kann ich Sie hier im Moment nicht brauchen. Es gibt Dinge, die Zivilisten nicht unbedingt wissen müssen. OK?“ Kelly nickte und verließ ihren Arbeitsplatz.

Sedrin forderte den Computer auf, ihr das Gespräch auf den Lautsprecher zu stellen. Dann nahm sie das Mikrofon in die Hand und fragte: „Was gibt es, Commander Data?“ „Kipana ist hier.“, gab Data nüchtern zurück. „Cupernica und ich wissen weder, wie sie hier her gekommen ist, noch was sie hier tut und …“ Sedrin drückte die Break-Taste und sagte: „Ich bin unterwegs. Mein neuer fester Partner, Agent Karl Peters, wird mich begleiten. Dann kann der sich gleich mal daran gewöhnen, dass wir hier oft ein ziemliches Kabinett der Merkwürdigkeiten haben.“ Sie drückte die 88-Taste, hängte das Mikrofon ein und witschte aus der Tür.

Cupernica stand neben Kipana, die mit dem Hinterteil zur Mulde gedreht war, in der das neue Beet entstehen sollte. Die Androidin hatte begonnen, ihr Gegenüber mit kurzen weichen Bewegungen zwischen den Ohren zu kraulen und die Stute fand, dass Cupernica gut kraulen konnte. Zumindest konnte man dies am stetig tiefer werdenden See aus Pferdespeichel messen, den Kipana Cupernica vor lauter Wonne vor die Füße sabberte. Ihre anfängliche Angst, die Cupernica an Kipanas medizinischen Werten abgelesen hatte, war einer wohligen Entspannung gewichen. Jetzt holte das schwarze Pferd mit der weißen Blässe sogar tief Luft und gab einen wohligen Schnauber gefolgt von einem ebensolchen Grunzer von sich. „Dir scheint es ja wirklich gut zu gehen.“, stellte Cupernica fest. „Wichtig ist jetzt nur, dass wir dich so schnell wie möglich wieder nach Hause bekommen.“

Sedrin und Peters waren in die Garage des Geheimdienstgebäudes gegangen und standen nun vor einem schwarzen elektrischen Jeep mit Fließheck, der nicht anders als ein Zivilfahrzeug aussah. Das war auch genau so beabsichtigt. Schließlich durfte ja bei Geheimoperationen niemand wissen, dass hier oder dort der Geheimdienst parkte. „Ich fahre!“, sagte die Demetanerin energisch und bedeutete dem hoch gewachsenen Terraner mit kühlem hanseatischen Aussehen, zur Beifahrertür zu gehen. „Aber sicher doch.“, meinte Peters. „Ich bin ja erst neu hier und kenne mich noch nicht aus. Merkwürdige Stadt ist das. Erst steckt man mich mit einer Außerirdischen zusammen, mit der ich Dienst schieben soll und dann erzählt uns so’n Androide einen vom Pferd. Ich dachte immer, die können nicht lügen.“ „Ich bin sicher, dass Commander Data nicht gelogen hat!“, erwiderte Sedrin ernst und startete den Jeep.

„Betsy!!!“ Eine schrille Kinderstimme hatte meine Aufmerksamkeit erlangt. Dann näherte sich Kissara und mir der kleine völlig aufgeregte Argus. „Oh, Mann!“, rief er. „Bin ich froh, dass ihr da seid. Stellt euch vor: Kipana ist weg und Eldisa auch. Die hat sogar Dill schon versucht, mit seinen seherischen Fähigkeiten zu finden, aber weder Logar noch er schaffen das. Kipana war bis vor zehn Minuten noch auf der Weide. Ich bin hingegangen, weil die Pferde so unruhig waren und …“ „Langsam, Argus.“, beruhigte ich ihn. „Wir sehen uns das mal an.“

Ich nahm die Hand des Jungen und winkte Mikel und Kang, die mir folgten. „Es gibt keine Spuren.“, erklärte Argus hektisch. „Sie kann also nicht weggelaufen sein.“ „Wir finden das schon raus.“, meinte Mikel und zog – ganz Ermittler – seinen Erfasser, als wir vor dem Weidezaun standen.

Sedrin parkte den Jeep außerhalb der Grundstücke und Peters und sie gingen den Rest zu Fuß. Die demetanische Agentin hatte Peters in der Zwischenzeit über Kipana und alles, was mit ihr zusammenhing informiert. „Sie haben die Situation ja gut im Griff, Scientist.“, wendete sich Sedrin beim Näherkommen an Cupernica. „Bisher ja, Agent.“, erwiderte die Androidin bescheiden. „Aber nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätte ich Kipana nicht gesehen.“ „Da mögen Sie Recht haben.“, sagte Sedrin und fügte hinzu: „Obacht!“

Kipana drehte sich plötzlich zielgenau zum Beet und erleichterte sich im hohen Bogen, was Data ein lautes tiefes fast freudiges „Fein!!!“, entlockte. Peters schaute ob dieses Umstandes sehr bedient. Auch Sedrin warf ihm einen irritierten Blick zu. „Der Allrounder sagt, man muss das Verhalten eines Tieres, sei es nun erwünscht oder unerwünscht, sofort quittieren. Nach Möglichkeit noch während der Handlung oder unmittelbar danach, um in seiner Erziehung erfolgreich zu sein. Pferdedung enthält große Mengen an Stoffen, die für Pflanzen sehr gesund sind. Vor allem dann, wenn er noch frisch ist. Kipana hat mir so eine Menge Arbeit abgenommen und mir noch dazu ein sehr nützliches Geschenk gemacht. Dieses würde ich als sehr erwünschtes Verhalten bezeichnen.“, referierte der Androide mit Unschuldsmiene und griff sich einen Spaten, um Kipanas Hinterlassenschaft sogleich mit der Krume zu vermengen. „Oh, Scheiße.“, kommentierte Peters das Geschehene trocken. „Das ist korrekt.“, erwiderte der immer noch eifrig grabende Data.

Sedrin konnte nicht mehr. „Ihr Androiden seht die Welt so furchtbar praktisch und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, Sie haben endlich das Konzept des Humors erlernt, Mr. Data.“ Sie bekam einen fürchterlich lauten Lachanfall. Dann prustete sie heraus: „Mutter Schicksal, nein! Jeder andere hätte geschimpft, dass sich die Haare kräuseln. Aber Sie, Sie hihihi. Huch!“ Sie fiel rücklings auf den Boden. Japsend versuchte sie, sich wieder aufzurappeln. Kipana, die Sedrin auch gut kannte und ihr vertraute, drehte sich zu ihr und schleckte ihr durch das Gesicht. „Ja, meine dicke Maus.“, sagte Sedrin mit schmeichelnder Stimme. „Ist ja gut. Jetzt müssen wir nur noch herauskriegen, was dir passiert ist und wie wir dich wieder nach Hause kriegen.“

Argus, Kang, Mikel und ich waren an der Stelle angekommen, wo der Junge sein und mein Lieblingspferd unter Logars Rössern zuletzt gesehen hatte. Kang und Mikel zogen ihre Erfasser und scannten die Umgebung, während ich versuchte, den total aufgeregten Argus davon zu überzeugen, dass ihn an dem Ganzen hier keine Schuld traf.

Plötzlich flüsterte Kang Mikel zu: „Unter vier Augen, Sir.“ Der klingonische Stratege und der terranische erste Offizier gingen ein Stück von Argus und mir weg, aber nicht weit genug, um vor mir verbergen zu können, worüber sie sprachen. „Hat Ihr Erfasser auch eine interdimensionäre Pforte registriert, die sich auf der Weide befunden hat?“, wollte der Klingone wissen. „Genau das.“, bestätigte Mikel. „Aber damit nicht genug. Ich habe auch Wellen aus dem Neurobandbereich gesehen, die das Gerät eindeutig Eldisa zuordnen konnte. Kipana muss in die Pforte geraten sein, die Eldisa geschaffen hatte.“ „Aber, warum sollte die Prinzessin so etwas tun, Sir?“, fragte Kang. „Es gibt sowohl in Zeitland als auch im Dunklen Imperium eine Tradition.“, begann Mikel. „Der Thronfolger muss dem einfachen Volk gegenüber eine Demonstration seiner Macht abgeben. Heute ist das reine Show, aber …“ „Wir sollten die Monarchen mal fragen, was da passiert ist.“, schlug Kang vor. Mikel nickte.

„Eines steht zweifelsfrei fest.“, sagte Sedrin, nachdem sie sich wieder von ihrem Lachkrampf erholt hatte. „Kipana muss wieder in ihre Heimat. Das können wir nur mit einem Shuttle erreichen.“ „Ich werde bei der hiesigen Shuttlevermietung nachfragen, ob sie uns einen Frachter zur Verfügung stellen können.“, schlug Data vor. „Aber ein ziviles Shuttle schafft nur Warp eins, weil es gedrosselt ist.“, mischte sich Peters ein. „Bis zu den Wirbeln brauchen Sie dann Monate.“ „Einen Monat, zwei Wochen, vier Tage, acht Stunden, zwanzig Minuten und zehn Sekunden.“, berichtigte Data. „Aber diesen Umstand kann man ändern. Ich werde es selbst tun. Schließlich habe ich ja dafür auch das geheimdienstliche OK.“ Bei seinen letzten Worten sah er Sedrin an, die bestätigend nickte. „Wir werden inzwischen alles Andere vorbereiten.“, sagte die Agentin dann. „Cupernica, wir werden mit Ihrem Replikator Stroh, Heu und eine Tränke mit Wasser replizieren. Data, wenn Sie das Shuttle mieten, achten Sie bitte darauf, dass es an der Außenluke zum Frachtraum keine Schwelle gibt. Manche Pferde haben Angst vor Schwellen. Wir könnten Kipana natürlich auch hineinbeamen, aber der plötzliche Ortswechsel könnte sie erschrecken und ich weiß nicht, was sie dann tut. So einen hat sie vermutlich schon hinter sich. Cupernica, falls wir sie doch beamen müssen, weil sie nicht freiwillig ins Shuttle geht, ziehen Sie ein Sedativum auf, was ich ihr geben kann. Ich werde hinten bei ihr im Frachtraum bleiben. Data, Es wäre nett, wenn Sie das Schiff fliegen könnten.“ Sedrin war schon unter Huxley als Organisationstalent aufgefallen. Ihre bittende Art gegenüber Data hatte sie an den Tag gelegt, da der Androide prinzipiell, währen sie an Bord eines Raumschiffes, ihr Vorgesetzter hätte sein können. Da wollte sie nicht zu fordernd auftreten.

Wie von Kang vorgeschlagen hatten Mikel und er versucht, Dill und Logar zu den Geschehnissen zu vernehmen. Allerdings gaben sich die beiden Könige sehr verschlossen. Nur ich schien mit meinen Fragen mehr Glück zu haben. Lady Messalina, die an meinem Tisch saß, schien sogar ein regelrechtes Bedürfnis zu verspüren, mir und Kissara, die ebenfalls am Tisch saß, mitzuteilen, was geschehen war, als sie Eldisa zuletzt gesehen hatte. „Meine Adoptivtochter ist jetzt ein Teenager.“, begann die zeitländische Herrscherin. „Ui!“, stöhnte Kissara auf. „Schwieriges Alter.“ „Allerdings.“, bestätigte Messalina. „Sie wollte unbedingt eine Interdimensionspforte erschaffen. Aber Dill und ich hielten davon gar nichts. Wir haben ihr versucht klar zu machen, dass sie so eine große Macht noch nicht unter Kontrolle hat. Aber wer hört in diesem Alter schon auf Eltern? Eines der Mädchen, die dem Mundschenk zur Hand gehen, will gesehen haben, dass Eldisa fortgeritten ist. Das war nach Kipanas Verschwinden.“

Salutierend stand ich auf und sagte: „Commander Kissara, bitte um Erlaubnis, Prinzessin Eldisa zu suchen. Gegen die Art der Mächtigen, sie zu suchen, mag sie sich abschirmen, aber das gilt sicher nicht für eine Hundenase.“ Kissara, der ich genügend Hinweise gegeben hatte, nickte und führte mich sogar zu Argus, der mir half, alles vorzubereiten.

Data war zur Shuttlevermietung am Stadtrand von Little Federation gegangen. Diese gehörte einem Verwandten von Aries, den Data und ich gut kannten. Da sie sich am Stadtrand befand, hatte sie sogar einen eigenen Raumflughafen. Demira, die Chefin, staunte nicht schlecht, als Data ihr erzählte, was sie vorhatten. Als Celsianerin war sie sehr pragmatisch veranlagt und wusste daher sofort, was zu tun war. Sie ließ sich von dem Androiden vorschriftgemäß seine Erlaubnis zum Fliegen eines Shuttles zeigen und führte ihn dann zu einem Frachtschiff am Ende des Flugfeldes. Data hatte besser verschwiegen, dass er es noch „frisieren“ würde. Er hatte inzwischen gelernt, dass es manchmal gut sein konnte, nicht all zu ehrlich zu sein. Das Ausbauen des Drosselmechanismus würde er auf meinem Grundstück übernehmen, denn dort gab es eine Wiese, die groß genug war, dass er das Schiff darauf landen konnte.

Bucefalus, der weiße Wallach, den mir Argus gegeben hatte, trug mich nun hinter der vor uns her laufenden Slick her. Dieser hatte Argus ein Kleidungsstück Eldisas unter die Nase gehalten, nachdem er ihr ein Halsband mit Schellen verpasst hatte. Binnen noch nicht mal zwei Minuten hatte das hoch intelligente Pferd kapiert, dass es dem Schellenklang folgen sollte. Argus hatte mir erzählt, dass Kipana und Bucefalus oft gemeinsam abseits der Anderen auf der Weide standen, während diese durch die Gegend tobten. „Vielleicht führen die Beiden dann ja tief schürfende Gespräche.“, hatte ich gescherzt.

Plötzlich beschleunigte Slick ihren Schritt. Das konnte ich an dem stetig schneller werdenden Tipp-Tipp ihrer Füßchen auf dem Waldboden hören und an dem sich ebenfalls ändernden Klingeling der Schellen. Bucefalus hob den Kopf leicht, spitzte die Ohren und machte eine Bewegung, als wollte er antraben. Ich ließ die Zügel locker und flüsterte bestätigend: „Komm.“ Nicht nur ihm war klar, dass unsere kleine Führerin eine heiße Spur haben musste.

Data hatte das Shuttle auf der Wiese gelandet und war herüber gekommen. Sedrin, die für Kipana ein Halfter repliziert hatte, kam ihm bereits mit ihr entgegen. Von der anderen Seite kam Peters mit dem Jeep, in dessen Kofferraum sie das Stroh und alle anderen Dinge geladen hatten. „Ich hoffe, dieses Schiff entspricht Ihren Erwartungen, Agent.“, sagte Data, als er die Luke des Cockpits geöffnet hatte. Dann drückte er einen Knopf, der die Außenluke zum Frachtraum öffnete und im offenen Zustand blockierte. Sedrin musterte das Shuttle kurz und nickte. Dann sagte sie zu Peters: „Karl, bitte hilf Mr. Data, das Stroh zu verteilen. Dann solltet ihr die Tränke in die rechte vordere Ecke stellen und auffüllen. Lasst mir aber bitte einen Strohballen als Sitzgelegenheit.“ Sie ließ ihren Blick erneut schweifen. „Platziert den Ballen bitte in der Nähe des Sprechanlagenterminals dort. Es könnte sein, dass ich Data plötzlich über einen Zwischenfall informieren muss. Cupernica, bitte untersuchen Sie noch einmal Kipanas Herz. Ich will nicht, dass sie in Stress gerät.“ „Soweit ich das sehe, ist Kipana kerngesund.“, sagte Cupernica, nachdem sie die Stute mehrere Sekunden lang angesehen hatte. Die Männer hatten inzwischen auch die anderen Arbeiten verrichtet. „Also schön.“, meinte Sedrin und nahm Kipana an den kurzen Führstrick. „Versuchen wir es. Hoffentlich geht sie freiwillig.“ „Davon gehe ich aus.“, grinste Peters, der gesehen zu haben glaubte, dass Cupernica im Vorbeigehen etwas in die Raufe mit dem Heu geworfen hatte.

Als hätte sie noch nie etwas Anderes gemacht, ging Kipana neben der staunenden Sedrin in den Frachtraum des Shuttles und grub mit dem Maul ein Stück Möhre aus dem Heu, das sie sich mit lautem Schmatzen schmecken ließ. „Braves Mädchen!“, lobte Sedrin erleichtert und winkte Data, der per Stimmkommando den Computer aufforderte, die Außenluke zu schließen und dann ins Cockpit stieg, um das Schiff zu starten.

„Mal unter uns, meine Beste.“, wendete sich Peters an Cupernica. „Was haben Sie mit der Möhre gemacht? Ich habe nur gerochen, dass es nach Möhrensaft …“ „Ich hatte sie in meiner Hosentasche.“, erklärte Cupernica. „Dann habe ich meiner Hüftpartie mit Hilfe meines Temperaturregelungssystems etwas eingeheizt. Nur so viel, dass sich das Aroma entfalten konnte.“ Peters pfiff anerkennend durch die Zähne. „So etwas hätte ich einer Androidin nicht zugetraut.“, meinte er dann, bevor er in den Jeep stieg, um diesen zurückzufahren.

Slick hatte sich plötzlich hingesetzt und uns mit lautem Bellen auf sich aufmerksam gemacht. Ich hatte die Zügel aufgenommen und Bucefalus war stehen geblieben. Dann stieg ich ab und band ihn an einen Baum. Dabei bemerkte ich ein zweites Pferd, das neben uns stand. Ich tastete es ab und erkannte, dass es einen Damensattel trug. Es musste also Lucinda sein, die Eldisas Lieblingspferd war.

Slick sprang an mir hoch. „Ja, ja, Süße.“, sagte ich. Dann nahm ich eine mitgeführte Leine aus meiner Tasche, befestigte sie an Slicks Halsband und sagte: „Zeig’s mir!“ Slick wuselte los und ich stakste so gut es ging hinter her. Gehen in Dickicht und Gestrüpp war noch nie meine Stärke gewesen.

„Geht weg!“, schrie uns bald eine bekannte Stimme entgegen. „Ich bin ein großes Mädchen! Ich kann mir selbst helfen.“ Ich kannte diese Stimme. Sie gehörte Eldisa, die in meinen Gedanken gelesen haben musste, was meine Absicht war. Zum Schein drehte ich mich in die andere Richtung und nahm die laut fiepende Slick auf den Arm. Ich wusste, Slick mochte es nicht, wenn jemand traurig war. „Ich mache das schon.“, flüsterte ich dem Hündchen zu. Dann stellte ich mich hinter den Baum, an den die Pferde gebunden waren und begann zu singen. Das tat ich meistens in solchen Situationen, was mir auch den Spitznamen „Allrounder Singvogel“ eingebracht hatte. Ob Uhurah oder Sato etwas Ähnliches gemacht hätten, wusste ich nicht. Aber Singen macht ja bekanntlich die Stimme weich und eine weiche Stimme bedeutet Freundlichkeit. Ich zitierte aus einem Musikstück des 21. Jahrhunderts, das meiner Meinung nach die Situation perfekt traf. Damit konnte ich Eldisa sogar spiegeln. In dem Lied ging es um eine Frau, die davon sprach, dass sie schon ein großes Mädchen sei und gut allein in der großen weiten Welt zurecht käme. Aber sie würde einen Freund doch sehr vermissen, wenn er ginge, was an sich keine große Sache wäre. Aber …

Plötzlich hörte ich ein leises Schluchzen neben mir. „Bitte verlassen Sie mich nicht, Allrounder Betsy.“, bat Eldisa. „Es wäre nämlich eine große große Sache, wenn Sie das täten und sehr vermissen würde ich Sie auch. Ich hatte so gehofft, dass Sie kommen würden. Meine Eltern sind sicher stinksauer und ich selbst habe mich wohl überschätzt. Die Beiden hatten Recht. Ich habe noch versucht, Kipana zurückzuholen, aber …“ Ein erneuter Weinkrampf schüttelte sie.

Wir setzten uns auf den Waldboden und ich nahm ihr Gesicht an meine Brust. Zwar war mir bewusst, dass ich es hier mit einem späteren Oberhaupt eines Königreiches zu tun hatte, aber dieser Umstand war mir herzlich egal. Mit dieser Einstellung hätte ich zwar unter Picard einen Rüfffel geerntet und er hätte mir sicher etwas von diplomatischen Verwicklungen vorgehalten, aber das war mir so was von schnurz. Der war ja meiner Meinung nach zum Zwischenmenschlichen nicht fähig gewesen. Kissara sah das ja Gott sei Dank anders. Außerdem sah ich jetzt kein Staatsoberhaupt vor mir, sondern nur ein junges Mädchen, das Hilfe brauchte. „Ist doch nicht so schlimm, Eldisa.“, tröstete ich. „Wenn Ihr mit mir zurückkehrt, kann ich meinen Leuten Bescheid geben und wir suchen nach Kipana mit unserem Schiff. Es gibt eine interdimensionale Sensorenplattform, mit der wir Kontakt aufnehmen können.“ „OK.“, nickte Eldisa. „Aber, Allrounder, könnten Sie das mit dem Erklären übernehmen? Ich habe so viel Angst.“ „Indianerehrenwort.“, lächelte ich.

Sedrin hatte festgestellt, dass sie viel nervöser war als Kipana. Das Pferd schien sich immer mehr zu entspannen, je länger der Flug dauerte. Staunend sah Sedrin bald, dass Kipana sich sogar hinlegte und die Augen schloss, was bei Fluchttieren nur dann passiert, wenn sie uneingeschränktes Vertrauen haben. „Ach, Kipana.“, seufzte Sedrin. „Du bist ja ruhiger als ich. „Vielleicht sollte ich das Narkosemittel nehmen.“ „Davon würde ich abraten.“, ermahnte sie Datas Stimme aus der Sprechanlage, die Data vom Cockpit aus entsprechend eingestellt hatte, damit er alles hören konnte, was sich hinten im Schiff abspielte. „Die Rezeptur, die meine Frau aufgezogen hat, ist auf einen Organismus ausgerichtet, der 750 Kilogramm wiegt. Das ist weit oberhalb Ihrer Gewichtsklasse.“ „Schmeichler.“, gab Sedrin zurück. Dann sagte sie noch: „Ich glaube aber, dass ich eine Erklärung für Kipanas Ruhe gefunden habe. Ich glaube, es ist der Warpantrieb. Das Wummern der Maschine erinnert sie vielleicht an den Herzschlag ihrer Mutter während der Trächtigkeit. Wenn man genau hinhört, könnte man meinen, es handle sich um den Herzschlag eines großen Tieres.“ „Dass Sie glauben, dass sich Kipana im Mutterleib wähnt, könnte uns gleich sehr helfen.“, erwiderte Data. Dann ging das Shuttle durch die Wirbel. Allerdings kam es Sedrin so vor, als mache es eine wiegende Bewegung dabei. „Wie um alles in der Welt haben Sie das gemacht, Sir?“, lächelte Sedrin. „Ich schaltete die Trägheitsdämpfer auf Maximum und vollführte große Steuerbewegungen, die die Bewegungen einer tragenden Stute im Schritt simulierten. Dazu hat mich Ihre Theorie inspiriert.“, antwortete der Androide.

„Das ist ungeheuerlich!“, empörte sich Dill, als ich ihm Eldisas Trotzreaktion auseinandergesetzt hatte. „Bei allem Respekt, Majestät.“, schlug Kissara in meine Kerbe. „Waren wir nicht alle mal in dem Alter? Wir können da sicher was machen und Eldisa ist ja einsichtig. Sie braucht jetzt eher Hilfe als Strafe.“

„Seht mal!“, quietschte Argus und zeigte nach oben. Im gleichen Moment landete das Shuttle im Schlosshof und Sedrin führte Kipana aus dem Frachtraum. „Majestät.“, wendete sich die Agentin an Logar. „Ich habe hier jemanden für Euch.“ „Wo war sie denn?“, erkundigte sich Logar. „Und wie kommst du an …“ „Lange Geschichte.“, sagte Sedrin. „Aber ich will sie Euch gern erzählen.“

Nachdem sich Eldisa noch einmal entschuldigt hatte, nahmen alle ihre Plätze ein, um an der Krönungsfeier Teil zu nehmen. Sedrin erzählte die aufregende Geschichte, der alle gespannt lauschten.

ENDE

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