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King war nach erfolgreichem Unterricht zufrieden in seine Wohnung zurückgekehrt. Hier hatte er Scotty zum ersten Mal wirklich angetroffen. In den letzten Tagen hatten die Männer eher aneinander vorbeigelebt. Jetzt saßen sie sich im gemeinsamen Wohnzimmer bei Kaffee, beziehungsweise Whisky, gegenüber. „Nun ma’ raus damit.“, schnodderte Scotty. „Was sind S’e für einer?“ „Über mich gibt es nicht viel zu erzählen.“, sagte King. „Ich bin neu nach Little Federation gezogen. Vorher wohnte ich in New York.“ King war über sich selbst erstaunt. Er hatte nicht gedacht, dass er so gut lügen konnte. Die falsche Identität, die ihm der Geheimdienst gegeben hatte, schien ihm in Fleisch und Blut über gegangen zu sein. „Die beiden geheimen Damen wollen mich zum Shuttleflieger ausbilden lassen.“, berichtete King weiter. Dass er Sedrin und Alesia so betitelte, sollten diese auf keinen Fall erfahren. „Wieso denn das?“, fragte Scotty in seiner gewohnt flapsigen Art.

King kam ins Schwimmen. Jetzt wusste er keine Antwort mehr. Sedrin und Alesia hatten ihm eingeimpft, auf keinen Fall die Wahrheit zu verraten. Aber jetzt musste er es ja schon fast.

Scotty sah, wie er sich nervös an seiner Tasse fest hielt und sie fast umstieß bei dem Versuch, einen kräftigen Schluck aus ihr zu trinken. „Na, na, mein Bester.“, meinte Scotty, während er die mobile Einheit des Reinigungssystems holte, um den ganzen Kaffee, der inzwischen daneben gegangen war, hinein zu beamen und ihn dann der Materierückgewinnung zu überantworten. „Is’n das so schlimm?“, fragte Scotty weiter.

King gab sich einen sichtbaren Ruck und meinte dann: „OK, Mr. Scott. Aber Sie dürfen unseren Babysittern nicht sagen, dass ich Ihnen gesagt habe, wer ich bin und was ich über die Miray-Sache weiß.“ Scotty wurde hellhörig. „Miray?“, fragte er. „Na dann erzählen S’e ma’.“

Wie vereinbart hatte Ginalla Alegria gemeldet, dass Shimar von Hestia angenommen worden war. Jetzt saßen die Prinzessin und ihre celsianische Mitstreiterin in Alegrias Gemach. „Hat er bereits irgendeine Ahnung?“, fragte Alegria. „Kann ich nicht sagen.“, erwiderte Ginalla. „Kamurus, mein Schiff, hat nur gesehen, dass er in einer ganz bestimmten Richtung das Sonnensystem verlassen hat.“ „Konntest du einen Kurs extrapolieren?“, fragte die Königstochter. „Nein.“, gab Ginalla zu. „Kamurus sagt, es kämen mehrere Ziele in Frage. Aber Ihr werdet doch nicht verlangen, dass ich einfach nur hinterher fliege.“

Alegria schüttelte mit dem Kopf, um den ihr langes schwarzes Haar wallend herumwirbelte. „Es soll dir ja keiner vorwerfen können, du würdest dich mit fremden Federn schmücken. Nein, wir werden eine andere Möglichkeit finden müssen, das Tor zuerst zu finden.“

Ginallas Blick fiel auf eine Konsole auf Alegrias Schreibtisch, die mit etwas beschäftigt zu sein schien. Jedenfalls interpretierte das technisch geschulte Auge der Celsianerin den sich ständig verändernden Bildschirm so. Auch Alegria sah von Zeit zu Zeit hin. „Schock schwere Not!“, sagte sie schließlich. „Warum kann mein Rechner keinen Kontakt mehr zur Sternenflottendatenbank bekommen?! Bitte sieh dir das an, Ginalla!“

Grinsend ging die Celsianerin zur Konsole und schaute auf den Schirm. Allerdings schien ihr Blick eher gelangweilt, als würde sie genau wissen, wo der Hase im Pfeffer lege. „Ihr kriegt keine Verbindung, weil Euer Rufzeichen ein alegrisches ist. Das habt ihr Euch aber selbst zuzuschreiben. Nachdem Ihr und Eure Schwester Eure eigenen Staaten ausgerufen habt, mit denen die Föderation ja offiziell keinen Kontakt hat, hat Nugura sicher die Rufzeichen in der Datenbank sperren lassen.“ „Darf sie denn das?!“, empörte sich Alegria. „Ja, das darf sie wohl.“, vermutete Ginalla. „Oder würdet Ihr Euer Wissen jemandem zur Verfügung stellen, der es ohne zu zögern sogar im Krieg gegen die eigenen Verwandten nutzen könnte? Ich meine nicht als Alegria, die einen Staat lenkt, der mit einem anderen im Krieg ist, sondern als neutrale Macht, die einen ebensolchen nicht noch anfachen, beziehungsweise unterstützen, will.“ „Du denkst an eine Art Erziehungsmaßnahme?“, fragte Alegria. „Was nimmt sich diese Nugura da gegenüber mir heraus?“ „Ne.“, grinste die Celsianerin. „Ich denke daran, dass Nugura sich nicht einmischen darf und keinem einen Vorteil gewähren darf, wie es die Gesetze der Föderation vorschreiben.“

Alegria warf einen resignierenden Blick zu Ginalla. „Wenn ein alegrischer Rechner keinen Zugriff bekommt, wie können wir dann Informationen erhalten?“ „Ich habe keinen alegrischen Rechner, Euer Hoheit.“, grinste Ginalla. Dann zog sie ihr Sprechgerät: „Kamurus, zwei zum Beamen.“ Auch Alegria grinste.

Ginalla und Alegria fanden sich bald darauf an Bord von Kamurus wieder. Die Celsianerin holte lächelnd einen weiteren Neurokoppler aus einem Fach unter der Konsole und gab ihn der Prinzessin. „Setzt den bitte auf.“, bat sie. „Er könnte gleich noch wichtig werden.“

Alegria sah das Ding in ihrer Hand verwirrt an. „Wie soll ich ihn aufsetzen?“, fragte sie.

Mit einer schnellen Bewegung zog Ginalla ihr das Diadem vom Kopf, das sie immer noch trug und ersetzte es durch den Neurokoppler, der wie ein Haarreif aussah, was Neurokoppler im Allgemeinen tun. Dann nahm sie ihren Eigenen zur Hand. Sie steckte beide Anschlüsse in entsprechende Buchsen an der Konsole. Dann gab sie dem Schiff den Gedankenbefehl: Kamurus, erstelle von Prinzessin Alegria eine Reaktionstabelle und lade sie. Dann können wir uns zumindest gescheit unterhalten.

Wenig später sah Alegria den verwegen dreinschauenden Kerl vor sich, der Kamurus’ Avatar war. Sie erschrak und wich instinktiv zurück. Da der Mann aber nicht wirklich vor ihr stand und sich alles nur in ihrem Kopf abspielte, nützte das nichts. An den medizinischen Werten der Prinzessin jedoch konnte Kamurus ablesen, dass sie große Angst haben musste. „Ich wollte Euch nicht erschrecken, Königliche Hoheit.“, beruhigte Kamurus sie mit seiner warmen tiefen Stimme, die Alegria nicht erwartet hatte. Sie hatte ein Krächzen wie von einem alten Seebären erwartet und schon gar keine so warme Formulierung. Die Diskrepanz zwischen dem Aussehen des Avatars und seiner Sprechweise ließ sie einen fragenden Blick zu Ginalla werfen. „Ich habe ihn mit Absicht so programmiert.“, sagte die Celsianerin. „Als ich Kamurus auflas, wollte er von mir als Erstes wissen, wie sein Avatar aussehen sollte und sprechen sollte. Das habe ich ihm dann gesagt und hier ist das Ergebnis.“ „Ich nehme an, du hast dir dieses Bild vorgestellt und er hat es umgesetzt.“, verstand Alegria. „Genau so war es.“, gestand Ginalla.

„Lass uns jetzt bitte zum Geschäftlichen kommen.“, wurde Alegria ungeduldig. „Wie Ihr wünscht.“, erwiderte Ginalla. Sie ließ Kamurus ein Programm aufrufen, mit dem sie die Seiten des Föderationsnetzwerkes lesen konnte. Ins Anmeldefeld gab sie per Gedankenbefehl ihren eigenen Benutzernamen und ihr privates Kennwort ein. „Du bist sicher, dass dies funktionieren wird?“, fragte Alegria. „So sicher wie das Amen in der Kirche.“, schnodderte Ginalla zurück. „Ich bin Bürgerin der Föderation. Ich darf das. Nur Ihr dürft das nicht mehr. Nur, wenn der Rechner meine Benutzerdaten sieht, meint er, ich will privat an die Infos. Der Ärmste weiß ja nicht, dass ich für Euch arbeite.“ Alegria pfiff durch die Zähne.

Der Schiffsavatar räusperte sich. Dann sahen Ginalla und Alegria die Eingangsseite des Föderationsarchives. Die Celsianerin lenkte den Cursor auf ein Suchfeld. „Lass ihn nach allem suchen, worin das Tor zum Himmel vorkommt!“, befahl Alegria. „Wie Madam befehlen.“, lächelte Ginalla und gab per Gedankenbefehl Das Tor zum Himmel in die Suchmaske ein. Wenige Sekunden danach sahen die Frauen eine Menge Links auf dem virtuellen Schirm vor ihren geistigen Augen, die fast alle auf die genesianische Mythologie hinwiesen. „Warum ist unsere Mythologie nicht erwähnt?“, fragte Alegria. „Aus demselben Grund, aus dem Ihr da nicht rein kommt.“, erklärte Ginalla. „Alles, was mit Miray zu tun hat, ist gelöscht.“

Die Celsianerin ließ ihren Blick über den virtuellen Schirm wandern. Da Kamurus beide Tabellen geladen hatte, konnte auch Alegria dies sehen. Schließlich klickte die Celsianerin ein Link an, das auf eine genesianische Zeremonie hinwies, bei der man das Tor zum Himmel durchschreiten würde. Dann würde man zwar ins Gore, das genesianische Totenreich, kommen, aber das machte nichts. Zumindest machte es Alegria nichts, die darauf sagte: „Ginalla, ich will, dass du die Genesianer aufsuchst und bei der Zeremonie mitmachst. Hier steht, dass sie dich zwar an den Abgrund des Todes führen wird, aber sie ist auch ein Teil jeder Initiationsfeier, bei der eine junge Kriegerin in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen wird. Wenn dabei alle sterben würden, wäre das sehr schlecht. Ich habe also die Hoffnung, dass du es überlebst.“

Ginalla zögerte. Dann aber besann sie sich auf ihr altes Lebensmotto. „Was soll’s.“, sagte sie. „No risk, no fun. Ich werde Euch absetzen und dann sofort los fliegen. Kamurus, beam’ die Prinzessin wieder in ihr Schloss. Dann setzt du Kurs nach Genesia Prime.“

Das Schiff tat zunächst, was seine Pilotin ihm aufgetragen hatte. Dann aber wandte sich Kamurus mit sorgenvollem Gesicht an sie. „Bist du sicher, dass du das wirklich willst, Ginalla?“, fragte er alarmiert. „Sicher bin ich sicher.“, grinste Ginalla. „Unser Soldat, der unser Gegner ist, wird alles tun, um uns auszustechen. Aufgrund seiner militärischen Ausbildung wird auch er Gefahren eingehen, denke ich. Wir dürfen ihm da in nichts nachstehen. Sonst findet er das Tor noch vor uns und dann bezahlt Alegria mich nicht, weil ich keine Leistung erbracht habe. Irgendwie muss man ja überleben.“ „Darf ich dich darauf hinweisen, dass Vermögen in der Föderation nicht mehr notwendig ist?“, erwiderte das Schiff. „Klar darfst du das.“, grinste Ginalla zurück. „Aber das heißt nicht, dass ich deinem Hinweis folgen muss. Ich habe nämlich nicht mehr vor, in der Föderation zu leben. Ich bin eine Aussteigerin, schon vergessen? Außerhalb der Föderation gibt es noch genug Spezies, die einen guten Barren in Gold gepresstes Latinum zu schätzen wissen und bei denen man ohne das nicht weiter kommt.“

Kamurus ließ den Avatar die Hände vor das Gesicht schlagen. Er hatte so gehofft, es ihr ausreden zu können. Er hatte es so gehofft! „Mach dir nich’ ins Hemd.“, sagte Ginalla abfällig. „Wird schon schiefgehen.“ „Mir persönlich wäre wohler, wenn es nicht schiefginge.“, meldete Kamurus Bedenken an. „Du weißt doch, dass man das nur so sagt.“, sagte Ginalla. Sie war über das Verhalten ihres Schiffes sehr genervt. Andererseits wusste sie, dass solche Schiffe eine extrem enge Beziehung zu ihren Piloten entwickeln konnten, die sogar so weit gehen konnte, dass sie das dringende Bedürfnis verspürten, auf sie aufzupassen. An so ein Exemplar war sie wohl geraten. Ginalla wusste das, weil sie die alten Berichte auch gelesen hatte. Sie wollte schließlich genau wissen, auf was sie sich mit Kamurus einließ.

Widerwillig setzte Kamurus Kurs in Richtung der genesianischen Heimatwelt. „Ich muss dich auf noch etwas hinweisen.“, sagte er. „Die Genesianer haben eine matriarchalische Gesellschaftsstruktur. Bitte lass dir nie einfallen, eine Kriegerin mit hier her an Bord zu bringen. Sie würde …“ „Dann kannst du ja froh sein, dass ich eine Frau bin.“, sagte Ginalla lakonisch.

Korelem saß da und benutzte das Sprechgerät, während ich schlief. Er hatte das Rufzeichen des Chief-Agent eingegeben. Außerdem hatte er mich mit meinem eigenen Erfasser gescannt, den er mir im Schlaf in Taschendiebmanier aus der Tasche gezogen hatte. „Sie lügt.“, hatte er gegenüber Tamara festgestellt. „Sie träumt sehr intensiv und mein Geschenk tut sein Übriges. Können Sie sich vorstellen, Tamara, warum sie mich angelogen hat?“ „Das kann ich sehr wohl.“, gab die Halbklingonin zurück. „Sie denkt, dass Sie ein Zivilist sind, der mit der Sache überfordert wäre. Danke für Ihre Information, Korelem. Ich dachte schon, wir könnten unseren Plan vergessen. Jetzt kann ich auch Sedrin und Alesia gegenüber Entwarnung geben.“ „Ganz ehrlich, Tamara.“, lächelte Korelem. „Sie hatten doch bestimmt einen Plan B.“ „Sicher hatten wir das.“, gab Tamara zurück. „Aber …“

Ich hatte mich bewegt. „Wir müssen aufhören.“, flüsterte Korelem. „Sie wacht auf.“ Er betätigte die 88-Taste.

Jenes Geräusch hatte ich mitbekommen. Jenes Geräusch, das einer jeden Kommunikationsoffizierin in Fleisch und Blut übergegangen sein sollte. „Haben Sie geSITCHt?“, fragte ich. „Ja.“, gab er zu. „Mit zu Hause. Ich habe mit zu Hause gesprochen.“ „Ihre Familie hat aber große Sehnsucht nach Ihnen.“, schmunzelte ich ihn an. „Das haben sie, in der Tat.“, gab er zurück und ich bekam das Gefühl, dass er sich irgendwie ertappt fühlte. Deshalb lenkte ich das Gespräch schnell auf ein anderes Thema. „Sie sagten, Sie seien Wissenschaftler.“, fasste ich zusammen. „Was für eine Art von Wissenschaftler denn?“ „Ich bin Heraldiker.“, sagte Korelem. „Interessant.“, entgegnete ich. „Ein Ahnenforscher.“ Dann setzte ich mich auf und befahl in Richtung Computer: „Computer, Autopilot deaktivieren! Ich übernehme!“

Shimar und IDUSA waren mittlerweile ins lithianische Sonnensystem eingetreten. „Was soll ich eigentlich mit den ganzen gestückelten Delikatessen im Transporterpuffer machen?“, wollte das Schiff wissen. „Soll ich sie als Energie in den Weltraum entleeren, wollen Sie sie behalten und vielleicht doch noch essen, oder soll ich sie vielleicht in Stase versetzen, damit sie nicht schimmeln, um sie in Sonden zu verfrachten, die ich zur Station schicke.“ „Was soll das mit den Sonden?“, erkundigte sich Shimar. „Damit könnte ich Maron und Zirell beweisen, wie überaus moralisch einwandfrei Sie gehandelt haben und wie standhaft Sie gewesen sind, Sie Held.“ Sie ließ ihren Avatar Shimar einen schmachtenden Blick zuwerfen. „War kein Problem.“, tat dieser ihre Äußerung ab. „Wenn man weiß, was das für Konsequenzen haben kann, ist einiges möglich. Aber zu deiner Frage: Mach das mit den Sonden!“ „Wie Sie wollen.“, sagte das Schiff und ließ einige Sonden von ihrem Replikator herstellen, die sie in die entsprechenden Vorrichtungen beamte, um dann die Speisen in deren Laderäumen zu materialisieren. Dann startete sie die Sonden und gab ihnen den Kurs ins tindaranische Universum zu ihrer Heimatbasis ein. „Zirell wird sich wundern.“, stellte Shimar fest. „Wird sie nicht.“, widersprach IDUSA. „Ich werde eine entsprechende Mail senden, in der sie über alles informiert wird. Wenn Sie nichts dagegen haben natürlich.“ „Mach es so!“, sagte Shimar mit einem Grinsen. Diesen Spruch hatte er sich zweifelsfrei von der Sternenflotte abgeschaut, was dem Schiff nicht verborgen geblieben war.

„Wo wir gerade von der Sternenflotte reden.“, sagte IDUSA. „Wie geht es eigentlich Allrounder Betsy? Haben Sie schon mal wieder von ihr gehört?“ „Jein.“, überlegte Shimar. „Ich glaube, dass ich sie letzte Nacht im Traum gesehen habe und die Nacht davor auch.“ „Das ist nichts Ungewöhnliches.“, erklärte IDUSA. „Wir befinden uns im Universum der Föderation, also im Heimatuniversum des Allrounders. Sie beide haben eine Beziehung und somit besteht zwischen Ihnen eine Schutzverbindung. Sobald Sie sich im selben Universum befinden, treten alle Eigenschaften dieser Verbindung auf.“ „Das weiß ich!“, sagte Shimar unwirsch. „Aber wie erklärst du dir, dass ich sie sogar gesehen habe, als ich noch auf der Station war? In der letzten Nacht vor unserem Abflug, da habe ich sie gespürt wie letzte Nacht auch. Aber da waren wir noch nicht in einem Universum.“ „Das ist korrekt.“, antwortete das Schiff.

„Die Einzige, die eine Möglichkeit und ein Motiv hätte, mir vorzugaukeln, sie sei Betsy, ist Sytania.“, überlegte der Patrouillenpilot halblaut. „Wenn ich glauben würde, ich träume von Betsy, würde ich sicher alles tun, was sie sagt, zumal dann, wenn sie mir signalisieren würde, dass sie mir helfen wolle.“

IDUSA ließ ihren Avatar ein erschrockenes Gesicht machen und sie aufspringen. „Würden Sie das nicht telepathisch überprüfen?!“, fragte sie alarmiert. „Doch.“, beruhigte Shimar. „Jedenfalls würde ich es versuchen, aber ich gehe davon aus, dass Sytania, wenn sie so etwas wirklich vorhat, lang genug übt, um mich hereinzulegen. Aber die Auflösung deiner Sensoren ist viel besser als meine Wahrnehmung. Du bist in der Lage, sogar kleinste Abweichungen zu sehen.“ „Korrekt.“, sagte IDUSA. „Allrounder Betsys und Sytanias Neuralmuster würden sich immer durch eine kleine Abweichung unterscheiden. Ich bezweifle, dass ein Sternenflottenerfasser in der Lage wäre, dies zu sehen, aber ich kann es. Also, ich werde Sie jetzt untersuchen.“

Sie ließ die Steuerkonsole vor Shimars geistigem Auge verschwinden. Der Pilot wusste, was dies bedeutete. Sie hatte die Kontrolle übernommen. Da Shimar bei der Untersuchung sozusagen mithelfen musste, war dies das Beste. Sie war multi-tasking-fähig. Das machte es ihr möglich, sich gleichzeitig selbst zu steuern und den komplizierten Vorgang der Untersuchung ablaufen zu lassen.

IDUSA ließ ein Lämpchen über einem der Ports an der Konsole mit den Anschlüssen blinken. „Bitte konzentrieren Sie sich darauf.“, wies sie Shimar an. „Wenn wir alle Ihre geistige Energie in Ihrem Viso-Cortex sammeln, kann ich die anderen nach Sytanias Energie absuchen.“

Shimar sah in die Richtung und begann, sich auf die Lichtquelle zu konzentrieren, wie IDUSA es ihm gesagt hatte. „Es gibt nur das Licht.“, sagte sie. „Sie nehmen nichts mehr wahr als das Licht. Versuchen Sie, das zu erreichen.“ Tatsächlich gelang es Shimar nach einer ganzen Weile, fast meditativ seine Umgebung auszublenden. Er fühlte sich wie in einem leeren hellen Raum, isoliert von allen Eindrücken. Nur der kleine Lichtpunkt auf der Konsole war noch da. IDUSA scannte dabei jeden Zentimeter seines Gehirns.

Um Shimar zu signalisieren, dass dieser Teil der Untersuchung vorbei war, ließ sie das Licht erlöschen. „Was hast du gemacht?“, fragte er irritiert. „Ich habe die Untersuchung beendet.“, sagte der Rechner nüchtern. „So, jetzt habe ich alle anderen Sinneszentren durch, bis auf Ihren Viso-Cortex. Um den zu untersuchen, müssen wir Ihre Energie woanders hin verlagern.“

Sie aktivierte den Lautsprecher im Cockpit und ließ eines von Shimars Lieblingsstücken ablaufen. „Weiß schon Bescheid.“, sagte Shimar und begann, sich in der gleichen Weise auf das Lied zu konzentrieren, in der er sich vorher auf das Licht konzentriert hatte. Wenige Sekunden danach war IDUSA auch mit dieser Untersuchung fertig. „Ich habe keine Energie von Sytania festgestellt.“, sagte sie. „Das ist ja beruhigend.“, atmete Shimar auf. „Auf diese Weise wird sie sich also nicht einmischen.“ „Was macht Sie eigentlich so sicher, dass sie sich einmischen wird?“, fragte das Schiff. „Montgomery macht mich sicher, IDUSA.“, gab Shimar zurück. „Ich konnte ihn zwar während unseres Gespräches telepathisch nicht spüren, weil er nicht mit mir in der gleichen Dimension war, aber er schien verdammt sicher, dass sie sich einmischen würde. Deshalb hat uns Zirell ja auch diese Befehle erteilt.“ „Sie meinen den Befehl, auf Ginalla aufzupassen.“, sagte IDUSA. „Genau den meine ich.“, sagte Shimar. „Was tut Ginalla übrigens?“

IDUSA stellte ihm ein Bild durch, das sie von der Sensorenplattform, mit der sie in Kontakt stand, erhalten hatte. Shimar sah Kamurus, der sich am Rand des genesianischen Sonnensystems befand. „Wo fliegt sie hin?!“, fragte Shimar alarmiert. „Extrapoliere ihren Kurs!“ „Sie ist unterwegs zur Heimatwelt der Genesianer.“, sagte das Schiff, nachdem sie den Vektor, den Kamurus flog, bis zum nächst gelegenen Planeten verlängert hatte. „Ach du Sch …!“, entflog es Shimar. „Sie ist Bürgerin der Föderation. Die sind mit den Genesianern verfeindet! Die werden sie einen Kopf kürzer machen, wenn sie Genesia Prime betritt. Wenn es dazu überhaupt kommt. Die Patrouillen werden sie abfangen und dann …“ „Das glaube ich nicht.“, beruhigte ihn IDUSA. „Die Genesianer sind ehrenhafte Krieger wie die Klingonen. Sie würden niemals ein ziviles Schiff angreifen, auch wenn eine Celsianerin darin sitzt. Vielleicht wird man sie eskortieren, aber mehr passiert meines Wissens nicht. Shashana ist eine sehr weltoffene oberste Prätora. Sie wird ihren Kriegerinnen befehlen, erst die Fragen zu stellen und dann zu schießen.“ Sie ließ ihren Avatar verschmitzt lächeln. „Hoffentlich hast du Recht.“, sagte Shimar und verhehlte nicht, dass er ein extremes Bauchgrummeln verspürte. Der Gedanke, dass eine Zivilistin bald allein unter genesianischen Kriegerinnen sein würde, die ein lockeres Mundwerk besaß, behagte ihm gar nicht. Wenn die Genesianerinnen nur halb so temperamentvoll wie die Klingonen waren, konnte es sehr leicht zu Missverständnissen kommen, die diplomatische Verwicklungen nach sich ziehen könnten. Shimar wünschte so sehr, dass er an mehreren Orten gleichzeitig sein könnte, was dem Schiff, das seine Reaktionstabelle noch immer geladen hatte, nicht entgangen war. „Sie hätten nichts tun können.“, erklärte IDUSA. „Selbst, wenn Sie dort wären, hätten Sie die Genesianerinnen nicht beeinflussen können. Die hätten Sie nicht ernst genommen. Sie sind ein Mann. Ihr Geschlecht steht bei denen noch unter den Tieren.“ „Dann hätte ich eben dir das Reden überlassen.“, grinste Shimar. „Ach.“, meinte IDUSA. „Sie wissen doch genau, was ich meine.“

Ein SITCH ließ Shimar aufhorchen. „Tindaranisches Shuttle, Sie befinden sich in unserer Umlaufbahn.“, sagte eine ruhige freundliche Frauenstimme. „Bitte erklären Sie den Grund für Ihre Anwesenheit.“ „Stell mich an sie durch!“, befahl Shimar. „Sie können sprechen.“, sagte IDUSA und führte seinen Befehl aus. „Ich bin Shimar, Patrouillenpilot der tindaranischen Streitkräfte. Ich muss mit einem Ihrer Bürger in geheimer Angelegenheit sprechen.“, sagte Shimar.

Positionslichter wiesen Shimar und IDUSA augenblicklich zu einer Schleuse am Raumflughafen. Der Grund hierfür wunderte ihn zwar, aber Shimar war zuversichtlich, ihn herauszufinden, wenn er nur lang genug mitspielte. „Ich kann Sie direkt in Tamins Vorgarten beamen.“, sagte IDUSA. „OK.“, erwiderte Shimar. „Lass uns keine Zeit verlieren!“

Zirell und Maron saßen im Kontrollraum der tindaranischen Basis und gingen ihrem Dienst nach. Immer noch fand Maron es etwas eigenartig, dass Zirell so auf die genaue Formulierung bestand. Er wusste ja noch nicht, wie wichtig diese noch sein würde.

Joran saß an der Kommunikation im gleichen Raum. Er hatte der Diskussion seiner beiden Vorgesetzten zugehört und fand sie eigentlich sehr amüsant. „Ich kann mir nicht vorstellen, Zirell, warum Brako so auf die genaue Formulierung gedrängt haben sollte. Was für einen Sinn sollte das haben?“, fragte Maron. „Das weiß ich nicht.“, antwortete Zirell. „Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass er aus irgendeinem Grund genau so formuliert hat und nicht anders. Sein Testament besteht laut der Aufzeichnung der Granger nur aus dem einen Satz. Aber ich denke, gerade das ist der Punkt, auf den wir achten müssen. IDUSA hat uns außerdem gerade eine Datei überspielt, die sie von Prinzessin Hestia bekommen hatte. Sie enthält einige wenige Hinweise auf das Tor zum Himmel. Außerdem geht es um einen lithianischen Forscher namens Tamin, der der Co-Autor dieser Forschungsarbeit ist.“ „Wenn man das überhaupt eine Forschungsarbeit nennen kann.“, kritisierte Maron. „Das ist höchstens eine Seite und die steckt voller Spekulationen.“

„Anführerin!“, wendete sich Joran plötzlich an Zirell. „Ich sehe etwas sehr Eigenartiges.“ Die tindaranische Kommandantin nahm ihren Neurokoppler zur Hand und schloss ihn an. Gleich darauf lud IDUSA ihre Reaktionstabelle. „Sag IDUSA, sie soll es uns allen durchstellen!“, befahl sie dann. Joran nickte und gab dem Rechner den entsprechenden Gedankenbefehl.

Zirell staunte über die große Anzahl kleiner Frachtsonden, die sich auf die Station zu bewegten. „Was ist das, Joran?“, fragte sie mit extrem viel Verwunderung in der Stimme. „Ich habe keine Ahnung, Anführerin.“, gab der Vendar zurück. Auch Joran beobachtete das Geschehen mit großem Interesse.

Wie gebannt hatten alle auf den virtuellen Schirm vor ihren geistigen Augen gestarrt, als Maron schließlich sagte: „IDUSA, senden die Sonden ein Transpondersignal?“ „Positiv.“, antwortete der Rechner. „Dann verbinde mich mit der Führungssonde.“ „Verbale Kommunikation mit den Sonden ist leider nicht möglich.“, erwiderte IDUSA. „Es ist aber gerade eine SITCH-Mail von der Führungssonde eingegangen.“ „Zeig her!“, befahl Maron.

Die 10-seitige Mail, in der IDUSA detailliert beschrieben hatte, was im Gemach der Prinzessin geschehen war, überflog Maron nur kurz. Dann sagte er: „Joran, lass IDUSA die Sonden anweisen, ihre Fracht auf das Deck vor den Schleusen zu beamen. Ich komme gleich dort hin.“ „Wie du wünschst, Vertreter meiner Anführerin.“, gab Joran zurück und rief das Programm zum Versenden von SITCH-Mails auf. Maron warf Zirell einen kurzen fragenden Blick zu, worauf sie nur nickte. Dann verließ er den Kommandostand.

O’Riley war in der technischen Kapsel allein und wunderte sich doch sehr über die Vorgänge an der Andockschleuse. Vor allem wunderte die blonde Irin der Umstand, dass es kleine weiße Röhrchen zu regnen schien, wie sie zur Aufbewahrung von biologischem Material bei der kriminalistischen Beweisführung benutzt wurden. Sie ging hin und sammelte so viele der Röhrchen ein, wie sie gerade finden konnte und wie in ihre Taschen passten. In diesem Moment betrat Maron den Ort des Geschehens. „Bericht, O’Riley!“, forderte er. Shannon, die den Blick bis dahin starr nach unten gerichtet hatte, sah auf. „Sorry, Sir.“, sagte sie. „Habe Sie nich’ gesehen.“ „Schon gut, Technical Assistant.“, sagte Maron. Dann begab auch er sich auf die Knie und sammelte mit ihr Röhrchen auf. Diese steckte er in eine eigens dafür mitgebrachte Tasche. „Hätte ich auch drauf kommen können.“, sagte Shannon und kramte in den Taschen ihrer Uniform. Die dabei zum Vorschein kommenden Röhrchen ließ sie ebenfalls in Marons Tasche gleiten. „Sie wollten doch wohl keine Beweise unterschlagen?“, grinste Maron. „Ne.“, flapste Shannon. „Wollte ich nich’. Ich hätte alles brav bei Ihnen abgeliefert.“ „Da bin ich ja beruhigt.“, meinte der Agent.

Sie hatten den gesamten Fußboden von den Röhrchen befreit und Maron hatte extra noch einmal mit dem ballistischen Erfasser nachgesehen. Aber er hatte kein einziges Röhrchen mehr finden können. Die Sonden waren auch fort. Genauer hatten sie sich an die freien Schleusen begeben, wo Jenna sich um sie kümmerte.

„Sie sprachen von Beweisen, Sir.“, meinte O’Riley. „Denken Sie, die Dinger weisen auf ein Verbrechen hin? Glauben Sie, da sind Leichenteile drin oder so was? Hoffentlich mussten Shimar und IDUSA nicht mit ansehen, wie diese Hestia ihre Schwester zerstückeln lassen hat oder so.“

Maron überlegte, ob er ihr nicht einen kleinen Streich spielen sollte. „Leichenteile. hm.“, überlegte er. „Könnte in gewisser Weise schon hinkommen. Hier, halten Sie mal.“

Er drückte ihr die Tasche in die Hand und nahm ein x-beliebiges Röhrchen heraus, um es mit seinem ballistischen Erfasser zu scannen. Dabei nahm er sich viel Zeit und beobachtete Shannons Reaktion genau aus dem Augenwinkel. Der Ekel, mit dem sie die Tasche hielt, blieb ihm nicht verborgen. „Oh, ja.“, grinste er dann. „Es handelt sich eindeutig um Leichenteile.“ „Scheiße!“, stammelte Shannon. „Also doch.“ Maron nickte. Dann sagte er: „Geben Sie mir die Tasche. Ich muss zu Ishan.“ Geschockt gab Shannon die Griffe der Tasche mit spitzen Fingern in die Hände des erfahrenen Kriminalisten. Maron steckte das Röhrchen, das er gescannt hatte, ebenfalls wieder in die Tasche und ging. „Igitt!“, meinte Shannon. „Das sind ja raue Sitten auf Miray.“

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