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N’Cara betrat wenig später das Zimmer. Sie hatte ihren Trainer verabschiedet und suchte nun nach ihrem Vater, um ihm über Jean-Lucs Fortschritte zu berichten. Außerdem hatte sie noch ein ganz anderes Anliegen. „Vater, ich würde Shimar gern auf die Suche nach dem Tor zum Himmel begleiten.“, bat sie und machte ein Gesicht wie eine schmeichelnde Katze, die einen auf dem Teller liegenden Futterbrocken unbedingt haben wollte, an den sie nicht heran kam. „Was!!!“, empörte sich Tamin. „Hast du eine Ahnung, wie gefährlich es da draußen im Weltall ist? Da kann dir sonst was passieren!!! Nein, du gehst brav nächste Woche wieder zur High School, junge Dame.“ „Du bist gemein!!“, zischte N’Cara und zog beleidigt ab. „Diese Kinder.“, wunderte sich Tamin. „Man will sie beschützen und sie verstehen einen immer nur miss.“ „Vielleicht sollte ich hinter her gehen und es ihr noch mal erklären.“, schlug Shimar vor. „Wenn du glaubst, dass du es besser kannst.“, erwiderte Tamin und zeigte auf die Tür.

Jenna und Maron erwarteten in der technischen Kapsel die Ankunft der neuen IDUSA-Einheit. Die Chefingenieurin und der erste Offizier beobachteten, wie zwei Schlepper sich der Station auf einem Parallelen Kurs näherten, um dann das Schiff, das sie im Traktorstrahl hatten, gemeinsam durch ein synchrones Manöver zu docken. Natürlich hätte ein Schlepper ausgereicht, um das Schiff durch den Weltraum von A nach B zu ziehen. Aber für den Dockvorgang, bei dem das Schiff gedreht werden musste, war eine zweite Kraft notwendig. Die beiden Schlepperpiloten waren ein gutes Team, so empfand es zumindest Maron. Noch nie hatte er ein so sauberes geschlepptes Dockmanöver gesehen. Da können wir von der Sternenflotte uns manchmal noch eine dicke Scheibe abschneiden., dachte er staunend.

Die Sprechanlage piepte. Am Rufzeichen im Display sah Maron, dass es Joran aus der Kommandozentrale war. „Ja, Joran?“, meldete er sich. „Ist Jenna Mc’Knight bei dir, Maron El Demeta?“, fragte der Vendar zurück. „Für Sie, Mc’Knight.“, sagte Maron und übergab das Mikrofon an die hinter ihm stehende Jenna. „Was ist, Telshan?“, fragte sie lächelnd. „Einer der Schlepperpiloten bittet darum, an Bord gebeamt zu werden, um mit dir die technischen Formalitäten zu besprechen, Telshanach.“, antwortete Joran. Jenna hatte die Sprechanlage auf Lautsprecher geschaltet, so konnte Maron auch alles hören. Sie sah ihn kurz an. „OK, Jenna.“, erlaubte Maron.

Mc’Knight ging zur Transporterkonsole und stellte sie auf die ihr von Joran per SITCH-Mail übermittelten Koordinaten ein. Dann beamte sie den wartenden Tindaraner an Bord der Station.

Nach der Materialisierung sahen Maron und Jenna einen hageren hoch gewachsenen Mann mit braunem Haar vor sich, der für einen Tindaraner mit 170 cm schon sehr groß war. „Ich bin Sidar.“, stellte er sich vor. „Wer ist der zuständige Ingenieur?“ Jenna trat vor. Der Tindaraner musterte sie. „Du musst Jenna sein.“, stellte er dann fest und trat fast ehrfürchtig einige Schritte zurück. „Ganz ruhig.“, lächelte Jenna. „Ich bin doch niemand Besonderes.“ „Doch, das bist du.“, widersprach Sidar. „Wenn es zu Situationen kommt, die uns unlösbar scheinen, hast du meistens eine Lösung.“ Jenna wurde rot. Derart hofiert zu werden, war ihr vor ihrem Vorgesetzten sehr peinlich. „Er hat aber Recht, Mc’Knight.“, schlug Maron in die Kerbe des Tindaraners. „Sie müssen damit nicht hinter dem Berg halten, dass Sie ein Genie sind. Was wahr ist, ist nun einmal wahr.“ „Ich möchte ja nur nicht als arrogante aufgeblasene vergeistigte Intelligenzbestie wahrgenommen werden, mit der niemand kann.“, erwiderte Jenna. „So nimmt Sie hier garantiert niemand war.“, tröstete Maron. „Sie haben Joran, der Sie abgöttisch liebt und Sie haben viele Freunde auf dieser Station und anderswo. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, was Sie ängstigt. Ich habe nämlich Shannons Lieblingsbuch auch gelesen und festgestellt, dass diese Major Carter sehr einsam war. Zumindest ist das meine Meinung. Aber Sie, Techniker, haben da bisher erfolgreich gegengesteuert.“ „Shannon wird sich freuen, das zu hören, Sir.“, lachte Jenna. „Lenken Sie nicht ab!“, sagte Maron sehr bestimmt. „Ich weiß, dass Sie vor vielen Dingen Angst haben, die vielleicht noch mit Ihnen geschehen könnten, aber …“

Der Tindaraner räusperte sich. „Tut mir Leid, wenn ich euren Streit unterbrechen muss, aber wir sollten jetzt wirklich zum Wesentlichen kommen.“ „Sicher.“, lächelte Jenna, die insgeheim sehr erleichtert über den Umstand war, dass dieser Fremde sie aus der ungeliebten Diskussion mit Maron erlöst hatte. „Die Standardprogramme und Standardprozeduren sind installiert.“, informierte Sidar Jenna. „Es fehlen nur noch die Individualdateien.“ „Benötigen wir die Einschwurprotokolle?“, fragte Jenna. „Die Einheit ist mit einer verlängerbaren Version des Standardmanifestes eurer Station und der zuständigen Piloten ausgestattet. Sie weiß, wo sie hingehört. Sollte die Mission doch länger dauern, kannst du bei uns jederzeit den Zugangscode erhalten, um eine Verlängerung durchzuführen.“

Maron war das ganze Fachchinesisch zu hoch. Er hatte sich fort geschlichen und die Tasche mit den Röhrchen aus der Asservatenkammer geholt. Damit war er jetzt auf dem Weg zur Krankenstation.

Nidell, die medizinische Assistentin, staunte, als der demetanische Kriminalist ihren Arbeitsraum betrat. Ohne Zögern stellte er die Tasche vor ihr auf dem Tisch ab. „Was ist das, Maron?“, fragte die junge Tindaranerin mit den langen schwarzen Haaren und der freundlichen leisen hohen Stimme neugierig. „Das sind eure Patienten.“, meinte Maron. „Ich möchte eine komplette Autopsie.“

Nidell öffnete die Tasche. Ihr Blick fiel auf die kleinen Röhrchen. „Interessant.“, lächelte sie. „Was sollen das denn für Patienten sein?“ „Wahrscheinlich sehr seltene Tiere und Pflanzen.“, sagte Maron. „Bitte findet heraus, ob ich Recht habe. Wenn ja, dann hat Shimar alles richtig gemacht.“

Nidell, die nicht ganz verstanden hatte, was er gemeint hatte, winkte Ishan. Der Androide mit dem aldanischen Bewusstsein kam von seiner Arbeitskonsole herüber. „Was haben wir denn hier Schönes, Nidell?“, wollte er wissen. „Maron möchte, dass wir das hier untersuchen.“, sagte Nidell und zeigte auf die Röhrchen. „Er möchte wissen, was es ist und ob es selten ist. Er sagt, wenn ja, dann hätte Shimar alles richtig gemacht. Ich weiß aber nicht, was er damit sagen will.“ „Werden wir schon herausfinden, Nidell.“, sagte der Arzt zuversichtlich, zog sich ein Paar Handschuhe über und reichte ihr auch eines. Dann widmeten sich beide mit einem Erfasser den Röhrchen. Nidell war allerdings diejenige, die den Erfasser benutzte. Ishan brauchte das nicht, denn er hatte ja wie alle Androiden Sensorenaugen. „Du solltest gehen, Maron.“, schlug Ishan vor. „Das ganze Medizinerlatein, das wir hier von uns geben werden, ist dir sicher nur langweilig. Wir werden dich informieren, wenn wir etwas wissen.“ „Danke.“, sagte Maron und verließ die Krankenstation.

Ich war inzwischen zur Granger zurückgekehrt. Mikel, der solange ich abwesend war, meinen Posten bekleidet hatte, empfing mich an der Shuttlerampe. „Unser Nachbar Data hat Sehnsucht nach dir.“, sagte er, während wir zur Brücke gingen. „Er hat schon einige Male versucht, dich zu erreichen.“ „OK?“, sagte ich mit fragendem Unterton, denn ich konnte mir nicht vorstellen, was Data von mir wollen könnte, das so dringend war, dass er wiederholt versuchte, mich zu erreichen. „Hat er etwas gesagt?“, wollte ich wissen. „Nein.“, antwortete Mikel. „Mit dem Grund für seinen Ruf hat er hinter dem Berg gehalten. Ich bin auch sicher, Betsy, dass hier etwas nicht stimmt. Aber was, das kannst wohl nur du herausfinden.“

Wir betraten die Brücke. „Commander, Allrounder Betsy meldet sich zurück.“, sagte ich salutierend. „Nehmen Sie Ihren Posten ein.“, sagte Kissara. Ich tat, was sie gesagt hatte. Das Gespräch mit Data würde ich in meiner dienstfreien Zeit von meinem Quartier aus führen.

King und Scotty hatten sich richtig gut kennen und schätzen gelernt. Zwischen den Männern war eine richtige Freundschaft entstanden. Immer mehr Zeit verbrachten sie gemeinsam im Wohnzimmer bei Skat- oder Pokerrunden. Das war auch heute Abend wieder der Fall gewesen. Leider wurden sie mitten im schönsten Spiel von der Sprechanlage gestört. „Ich gehe schon.“, sagte Scotty. „Aber derjenige, der das Ding erfunden hat, bräuchte ein paar hinter die Löffel.“ „Na.“, entgegnete King. „Du hast aber doch bestimmt schon Situationen erlebt, in denen das Ding auch ein Segen war.“ „So ist das eben mit der Technik.“, lachte Scotty. „Mal ist sie ein Fluch und mal ein Segen.“ Er drehte sich um und ging zur Tür.

Vor der Tür stand Alesia. „Ist Mr. King zu sprechen?“, fragte sie. „Andrew!“, rief Scotty nach hinten. „Für dich. Damenbesuch!“

King betrat ebenfalls den Flur. „Ich muss mit Ihnen reden.“, flüsterte Alesia ihm zu. „Aber wir sollten dazu allein sein.“ „In Ordnung.“, sagte King. „Gehen wir in die Küche. Scotty, du entschuldigst uns.“ Er führte die junge Platonierin mit sich fort.

In der Küche angekommen setzten sie sich an den weißen glatten Tisch. „Was gibt es?“, fragte King. Alesia schob ihm ein Pad hin. „Das sind falsche Unterlagen für eine Bewerbung als Shuttlepilot.“, sagte sie. „Natürlich haben wir alles mit der Frachtfirma abgesprochen und Sie haben den Job längst. Nur für die Anderen muss alles seinen offiziellen Rahmen haben, damit niemand etwas von der Geheimoperation mitbekommt. Sie sollten den falschen Lebenslauf auswendig lernen. Sie werden bestimmt einiges gefragt.“ „Dann sollte ich mir jetzt ein stilles Eckchen suchen und gleich damit anfangen.“, schlug King vor. Alesia nickte und sagte: „Ihr Vorstellungsgespräch ist morgen um zehn.“, bevor sie ging.

Ginalla und Kamurus hatten das genesianische Sonnensystem erreicht und waren eingeflogen, ohne zunächst von einer Patrouille behelligt zu werden. „Komisch, dass die uns gar nicht bemerkt haben.“, wunderte sich Ginalla. „Sie werden uns bemerkt haben.“, widersprach Kamurus. „Aber anscheinend wollen sie erst einmal wissen, was wir hier wollen. Ich habe gehört, Shashana soll eine gemäßigte oberste Prätora sein, die ihren Kriegerinnen den Befehl erteilt hat, erst einmal genauer nachzusehen, bevor geschossen wird.“ „Finde ich persönlich auch besser so.“, entgegnete Ginalla.

Sie gab Kamurus den Gedankenbefehl zum Kreisen um einen Fixpunkt und beorderte ihn, den Ankerstrahl zu setzen. „SITCH das Rufzeichen der obersten Prätora an und verbinde sie mit mir.“, sagte sie dann. „Was wirst du ihr sagen?“, fragte das Schiff sorgenvoll, denn er ahnte bereits jetzt, dass die Sache in die Hose zu gehen drohte. „Ich werde sagen, dass ich eine Hobbyforscherin sei, die mal fn bisschen was über genesianische Rituale lernen will. Ich sage, dass ich mit Leib und Seele forsche und es daher gern an demselben erfahren würde. Über unser wahres Motiv lasse ich die Genesianer besser im Unklaren, weil sie es sonst auf Garantie nicht erlauben würden, da wette ich mit dir.“ „Die Wette würdest du sogar gewinnen.“, gab Kamurus zurück und ließ seinen Avatar die Stirn runzeln. „Was hast de für’n Problem?!“, fuhr Ginalla ihn an. „Wenn ich das in die Hand nehme, wird schon nix passieren.“ „Das glaube ich aber doch.“, widersprach das Schiff. „Wenn du die Genesianer über unser wahres Motiv im Unklaren lässt bis zum Schluss, könntest du sehr in Ungnade fallen, ja sogar vielleicht als unehrenhaft gelten. Andererseits könnten sie dir auch erst gar nicht erlauben, an der Zeremonie Teil zu nehmen, wenn sie dein wahres Motiv erfahren. Wir müssen einen Kompromiss finden, Ginalla. Bitte lass mich einige Situationen durchsimulieren.“ „Kompromiss.“, bügelte Ginalla ihn ab. „Schnickschnack. Ich halte mit der Wahrheit hinter dem Berg und damit basta. Was Shashana nicht weiß, macht sie nicht heiß. Außerdem, kannst du dir vorstellen, wie egal mir ist, ob mich Shashana ehrenhaft findet oder nicht? Das geht mir an einem gewissen Körperteil Lichtjahre weit vorbei! Nur damit du’s weißt!“ „Ich möchte nur erreichen, dass du dir der Tragweite bewusst wirst, die deine Entscheidung hat. Shashana könnte es als Entweihung heiliger Zeremonien empfinden, wenn du aus reiner Gewinnsucht daran Teil nimmst.“ „Das ist mir scheißegal!“, sagte Ginalla. „Soll s’e doch von mir denken, was s’e will. Außerdem, was ist denn so schlimm daran? Es geht doch nur um eine Art von Schnitzeljagd.“ „Für dich vielleicht.“, sagte Kamurus. „Aber den Genesianern sind diese Zeremonien heilig. Du würdest doch auch nicht wollen, dass man ein celsianisches Ritual für wirtschaftliche Ziele missbraucht.“ „Ach.“, machte Ginalla. „Ich hab’s nicht so mit der Religion.“ „Du nicht.“, sagte Kamurus. „Aber Shashana. Sie ist meines Wissens extrem religiös .“ „Siehst du?“, grinste Ginalla. „Genau deshalb werde ich kein Sterbenswörtchen über die Sache verlieren.“ „Wenn du gar nichts sagst und sie es herausfindet, wird sie die ganze Föderation als unehrenhaft sehen.“, argumentierte Kamurus. „Wie kommst du denn auf das schmale Brett?“, fragte Ginalla und tat, als würde sie überhaupt keine Ahnung haben, wovon er gesprochen hatte. Eigentlich wusste sie es aber ziemlich genau. Nur passte es gerade nicht in ihr Weltbild und schon gar nicht zu ihren Plänen. „Du bist Celsianerin.“, erklärte das Schiff. „Also bist du Bürgerin der Föderation. Shashana wird sehr wütend über die Tatsache sein, dass du …“ „Ich weiß, worauf du hinaus willst!“, fiel Ginalla ihm energisch ins Wort. „Aber der Ruf der Föderation ist mir scheißegal. Ich bin eine Aussteigerin und wie du schon richtig erkannt hast, Zivilistin. Also kann ich auch nichts über diplomatische Verwicklungen und so wissen. Das ist ja auch nicht mein Job. Meinethalben können sich die Militärs das Gehirn verrenken, wenn es auf diplomatische Missionen geht. Ich bin nur Ginalla gegenüber verantwortlich und das bin ich selber, jawohl. Aber du kannst mir ja per Transporter eine Sonde implantieren, wenn du meinst, mit der du meine Biozeichen und alles überwachen kannst, wenn es dich beruhigt.“ „Das werde ich auch besser tun.“, sagte Kamurus, dem längst klar war, dass er sie wohl nicht von ihrem Entschluss abbringen konnte. Er replizierte eine Sonde aus biologisch verträglichem Material, die nicht größer als ein Fingerhut war und beamte sie in Ginallas Stirnhöhle. „Sie wird mich genau über deinen Gesundheitszustand in Kenntnis halten.“, erklärte er. „Solltest du medizinische Probleme haben, werde ich dich sofort wieder an Bord holen.“ „Ja ja.“, wischte sie seine Argumente beiseite. „Und jetzt mach mir endlich meine Verbindung.“ „Na gut.“, sagte Kamurus und ließ seinen Avatar ein Gesicht machen, als sei dieser ganz und gar nicht mit der Situation einverstanden und es sei ihm extrem mulmig dabei.

„Übrigens.“, lenkte der multi-tasking-fähige Rechner ab. „Wir werden seit einiger Zeit von einer tindaranischen Sensorenplattform überwacht. Sie ist in der interdimensionalen Schicht.“ „Shimar!“, zischte Ginalla. „Hab ich’s mir doch gedacht. Spioniert der uns doch glatt hinterher. Ich bin neugierig, ob das mit dem Ty-Nu-Lin-Ritus vereinbar ist.“ „Für mich sieht es nicht so aus, als würde er uns ausspionieren wollen. Der Sensorenstrahl der Plattform wird durch nichts überlagert, was für mich nach Tarnung aussieht. Er ist für mich klar zu erkennen. Ich habe eher den Eindruck, Shimar möchte auf uns aufpassen, damit wir keinen Unsinn machen.“, bemerkte das Schiff. „Ich brauche keinen Babysitter!!!“, schrie Ginalla. Kamurus vermied es, darauf einzugehen. Er wusste, er würde es ihr in ihrem augenblicklichen Gemütszustand ohnehin nicht erklären können. „Hack dich in die Plattform und füttere sie mit falschen Daten!“, befahl sie. „Wir werden schon sehen, was dieser Tindaraner von seiner Fürsorglichkeit hat.“ „Er meint es doch nicht böse.“, versuchte Kamurus sie zu beruhigen. „Er möchte nur das Gleiche erreichen, was ich auch versuche, nämlich, dich von unüberlegten Handlungen abzuhalten. Deshalb werde ich nicht …“ „Wenn du nicht sofort tust, was ich dir gesagt habe, dann fahre ich deine Systeme herunter ohne zu speichern. Mal sehen, wie das bei dir ankommt!“, drohte Ginalla, der die ganze Diskussion sehr müßig vorkam. Sie sah das Leben extrem locker, was sogar für eine Celsianerin ungewöhnlich war. Für Ginalla war jede Art von Regeln ein Gräuel und nur dazu da, umgangen oder gebrochen zu werden. Das Schiff hatte das schon lange bemerkt, weshalb er auch immer so darauf achtete, dass sie keinen unüberlegten Schritt tat. Das aber was sie ihm gerade angedroht hatte, hätte extreme technische Konsequenzen nach sich gezogen. Deshalb tat Kamurus besser, was sie verlangt hatte. Er wusste, sie war Celsianerin und wusste als solche genau, wo sie ihn zu fassen bekommen konnte.

Kamurus nahm ein Sprechgerätsignal wahr. „Wir werden gerufen, Ginalla.“, meldete er. „Wer ist es?“, fragte Ginalla. „Die Kommandantin eines kleinen Patrouillenschiffes in unserer Nähe.“, erklärte Kamurus. „Verbinde!“, befahl Ginalla.

Auf dem virtuellen Schirm vor ihrem geistigen Auge erschien das Gesicht einer jungen Genesianerin. Sie war schlank, muskulös und mit ihren 1,90 m sehr groß. Sie trug die übliche Kleidung einer genesianischen Kriegerin, welche aus einem metallischen Brustpanzer bestand, an den sich ein ebensolcher Unterleibsschutz anschloss. Beides war kunstvoll verziert und mit braunem Leder überzogen. Ihren Phaser trug sie in einem darüber liegenden Schulterhalfter. Ihre ebenfalls gepanzerten Schuhe zierten lange Spitzen. „Ich bin Ataura, Erbprätora des Clans der Artash.“, stellte sie sich vor. „ Was machen Sie hier, Zivilschiff?“ „Hi.“, lächelte Ginalla. „Ich heiße Ginalla und bin Forscherin. Ich erforsche die religiösen Rituale anderer Völker. Ich würde gern an einer Initiationsfeier Teil nehmen.“ „Dein Belang ist ungewöhnlich, Celsianerin.“, sagte Ataura. „Aber ich finde, dein Mut sollte belohnt werden. Folge uns zur Heimatwelt. Dort werde ich dich zur obersten Prätora bringen. Wir werden sehen, was sie davon hält.“ „Geht klar.“, flapste Ginalla zurück und beendete das Gespräch.

„Siehst du wie gut das geklappt hat?“, grinste sie Kamurus an. „Ich habe gesehen, dass dieses Mädchen deine Lüge geschluckt hat. Aber bei Shashana könnte das schon anders aussehen.“, sagte er. „Hör auf zu unken!“, sagte Ginalla. „Und was meinst du mit Mädchen?“ „Sie ist ihren medizinischen Werten nach nicht älter als 14 Jahre.“, erklärte Kamurus. „Und dann fliegt sie schon Patrouille?“, fragte Ginalla irritiert. „Meinen Daten zufolge.“, informierte er Ginalla. „Könnte dies ein Teil ihrer Initiation sein. Ich denke, dass ihr Mut geprüft werden soll.“ „Das wäre ja echt klasse.“, frohlockte Ginalla und klopfte sich auf die Schenkel. „Da wird uns eine Initiationsfeier auf dem Silbertablett serviert.“ „Es ist nur eine Vermutung.“, bremste Kamurus sie. „Wir müssen erst mal abwarten, was Shashana dazu sagt.“ „Dann nichts wie hinter her!“, befahl Ginalla. „Mach schon! Sonst verlieren wir sie noch!“

Ich war nach meinem Dienst in mein Quartier zurückgekehrt und hatte mir vorgenommen, endlich Datas heimliches Rufen zu beantworten. „Computer, stell mich an folgendes Rufzeichen durch.“, sagte ich und gab Datas und Cupernicas privates Rufzeichen ein. „Hallo, Allrounder.“, meldete sich bald eine bekannte Androidenstimme. „Hallo, Data.“, sagte ich. „Ich bin zurück. Was gibt es denn?“ „Haben Sie etwas länger frei?“, erkundigte sich der Androide. „Ja.“, erwiderte ich ohne zu wissen, was er von mir wollen könnte. „Dann bitte ich Sie, auf meinen Rückruf zu warten, sobald Agent Sedrin mit Ihrem Ehemann eingetroffen ist.“ „Mein Mann?“, fragte ich. „Was macht Scotty auf der Erde?“

Einige Sekunden lang herrschte Schweigen. Wahrscheinlich war Data damit beschäftigt, die Sache mit seiner Frau auszudiskutieren. Jedenfalls dachte ich mir so etwas. Dass hier etwas im Gange war, hörte ich auch an der typischen Warteschleife, in die ich von Data gelegt worden war.

„Allrounder?“, meldete er sich nach einer Zeit wieder. „Ich muss Ihnen etwas erklären. Ihr Ehemann wollte Sie überraschen und ist deshalb in Absprache mit mir zur Erde gekommen. Er wollte Sie dort treffen, sobald Sie von der Mission mit der Granger zurück seien. Leider hat es Schwierigkeiten gegeben. Die können nur Sie aus der Welt räumen.“ „Ich?“, fragte ich. „Wie kommen Sie darauf?“ „Ich darf Ihnen noch nicht mehr sagen.“, beharrte Data. „Bitte warten Sie, bis der Agent mit Ihrem Ehemann eintrifft.“ „Na gut.“, entgegnete ich etwas frustriert. Oh, Scotty, dachte ich. In was hat dich dein großes Mundwerk wieder hineinmanövriert. Ich konnte ja nicht ahnen, wie hilfreich Scottys Dilemma noch sein würde.

Sedrin hatte Scotty abgeholt. „Wir müssen zum Haus von Data und Cupernica.“, hatte sie ihn informiert. „Dort warten die Beiden bereits auf uns. Ihre Frau ist ebenfalls informiert. Falls etwas schiefgehen sollte, kann der Scientist Betsy aufgrund der psychologischen Ausbildung, die Teil ihres Berufes ist, sicherlich im Gespräch auffangen.“ „Ich fühle mich nicht wohl dabei, Agent, meiner Frau so etwas anzutun!“, sagte Scotty bestimmt. „Nur, damit Sie Ihre Informationen kriegen. Sagen Sie jetzt bitte nichts über das, ob ich will, dass Sytania unser Universum erobert oder nicht. Natürlich will ich das auch nicht. Aber ich will auch nicht noch einmal zu Sytanias Zombie werden. Betsy wird wahnsinnige Angst um mich bekommen. Für Sie mag sie nur eine weitere Offizierskameradin sein. Aber sie ist meine Frau und ich kann als ihr Ehemann nicht zulassen, dass Sie mich gefährden und sie auch, weil sie dann sicher nicht mehr in der Lage sein wird, ihren Dienst korrekt auszuführen.“

Scotty wartete ihren Kommentar ab. Er wusste, dass er nur den Rang eines Technikers bekleidete und sie, als Agent, Brückenoffizierin war. Sie hätte ihm jederzeit befehlen können, ihr die Informationen zu geben und auf mich keine Rücksicht zu nehmen. Aber er wusste, so skrupellos war sie nicht. Sie würde zuerst versuchen, ihn „in der Sache“, wie sie es nannte, zu überzeugen. Sie war keine der typischen „ein Führungsoffizier muss nichts erklären und die unteren Ränge haben zu tun, was man sagt“ Offizierinnen. Für Sedrin stand immer „die Sache“ im Vordergrund. Und „die Sache“ sollte ihrer Meinung nach auch von den unteren Rängen verstanden werden, falls diese „der Sache“ mal allein gegenüber stehen sollten und damit fertig werden müssten. Sedrin wusste, dass Feinde wie Sytania „die Sache“ auch mal so gestalten könnten, dass das Einhalten von Kommandoketten sie sogar noch begünstigen könnte. So gut kannte Sedrin Staatsfeind Nummer eins und die wusste auch genau, wie die Sternenflotte tickte, was wiederum Sedrin genau wusste.

Scotty und die demetanische Agentin waren am Haus der Androiden angekommen. „Hier sind wir, Cupernica.“, meldete sich Sedrin an, nachdem sie und Scotty das Wohnzimmer betreten hatten. Die androide Ärztin sah von ihrem Platz auf. Hier hatte sie meine Krankenakte auf dem Bildschirm. „Gut, Agent.“, sagte sie und winkte Data, der das Rufzeichen der Granger nebst dem Unterrufzeichen meines Quartiers in das Sprechgerät seines Hauses eingab. „Hallo, Data.“, meldete ich mich lächelnd.

Data gab das Mikrofon an Scotty weiter, der inzwischen von Caruso und Fredy beschnurrt und belagert wurde. Der Kater lag über seinem Nacken und schnurrte, während der Tribble es sich auf seinem Schoß bequem gemacht hatte und der gleichen Tätigkeit nachging. Unentwegt rieben die Tiere dabei ihr Fell an Scottys Hals und Bauch, als wollten sie sagen: „Du musst jetzt gleich ganz tapfer sein. Aber keine Angst, wir sind bei dir.“

Gleichmütig beobachteten die Androiden das Gebaren ihrer Haustiere. Ihnen war bekannt, dass in manchen Kulturen Katzen telepathische Fähigkeiten nachgesagt wurden und dass es oft sogar hieß, sie könnten in die Zukunft sehen. Von Tribbles war dies zwar nicht überliefert, aber Data vermutete, dass Caruso Fredy informiert haben könnte. Dass die Beiden sich über geheime Schnurrcodes verständigten, war ja schon länger seine Theorie.

„Sind Sie noch dran, Data?“, fragte ich. Die Wartezeit war mir jetzt doch sehr lang geworden. „Ich bin’s, Darling.“, sagte Scotty. „Hey.“, lächelte ich zurück. „Was machst du auf der Erde?“ „Ich wollte dich überraschen.“, erklärte Scotty. „Wenn du von deiner Mission zurückgekehrt wärst, hättest du mich vorgefunden und wir hätten einige schöne romantische Abende verbringen können. Jetzt gibt es aber leider ein Problem. Weißt du, ich habe entdeckt, dass ich Sytanias Strategien vorausahnen kann, wenn man einen bestimmten Stimulus bei mir anwendet. Nur habe ich Angst, wieder zu Sytanias Zombie zu werden und ich habe auch Angst um dich. Wer weiß, was ich dir antue, wenn ich in diesem Zustand bin und Sytanias Denkmuster die Oberhand gewinnen sollte. Die Mediziner haben zwar gesagt, das geschieht nicht, aber ich weiß nicht so recht. Sytania hasst dich und …“

In mir stieg eine ungeheure Wut auf. Sytania hatte, wenn man es so wollte, meinem Ehemann ein Andenken hinterlassen, das ihn in eine gefährliche Situation gebracht hatte. An seiner Betonung hatte ich gemerkt, dass er wirklich sehr große Angst haben musste. Ursprünglich hatte er mich beschützen wollen, aber ich dachte, dass ich jetzt wohl diese Rolle übernehmen müsste. Ich kannte Sytania schließlich länger als er.

„Techniker Montgomery Scott!“, begann ich mit fester Stimme. „Du wirst mir jetzt zuhören! Du wirst denen alle Informationen geben, die du hast! Um mich brauchst du dich nicht zu sorgen! Ich bin OK und werde es auch bleiben! Im Gegensatz zu dir glaube ich den Medizinern nämlich! Also, arbeite gefälligst mit ihnen zusammen! Das ist ein Befehl!“ Ohne seine Antwort abzuwarten drückte ich die 88-Taste.

Wie vom Donner gerührt saß Scotty mit weit offenem Mund da. Mit so einer Reaktion meinerseits hatte er wohl nicht gerechnet. Jetzt wusste er auch, was die Tiere gemeint hatten. Caruso gab ein leises Mitleid zeigendes „Maaang.“, von sich und Fredy ein ebensolches „Quietsch.“ Dann beschnurrten und beschmusten sie ihn noch stärker.

Cupernica löschte meine Akte vom Schirm und ging zu Scotty hinüber. „Sieht aus, als bräuchten Sie jemanden, der Sie auffängt.“, stellte die Androidin fest. „Bei Ihrer Frau mache ich mir da keine Sorgen.“ „Das war so unfair.“, stammelte Scotty. „Beendet einfach das Gespräch und lässt die Brückenoffizierin raushängen.“ „Anscheinend ist der Allrounder nicht mehr das schüchterne Etwas, das Sie einmal geheiratet haben, Techniker.“, mischte sich jetzt Data ein. „Das Gefühl habe ich verdammt noch mal auch.“, sagte Scotty, der noch immer damit zu kämpfen hatte, seine Fassung wieder zu finden. „Eine weitere Erklärung könnte sein, dass der Allrounder Sytania mindestens ähnlich gut kennt wie wir.“, referierte Cupernica. „Ihre Wut und ihr Hass gegenüber der imperianischen Prinzessin könnten ihr geholfen haben, einen Schutz aufzubauen. Im Allgemeinen wird Wut als sehr negative Emotion bezeichnet, aber es kommt eben immer auf die Handhabung an. Sinnlose Aggression ist sicher negativ. Aber wenn sie in die richtigen Bahnen gelenkt wird, kann sie auch hilfreich sein.“ „Jetzt verstehe ich, was Troi damals meinte, als sie mir versucht hat zu erklären, dass Wut weder positiv noch negativ ist.“, strahlte Data. „Danke, Mr. Scott.“ Scotty sah Cupernica Hilfe suchend an. „Wir reden gleich noch unter vier Augen.“, sagte sie mit leiser tröstender Stimme. „Folgen Sie mir bitte in mein Arbeitszimmer.“

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