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Sedrin stellte sich rechts neben Scotty und fasste ihn um die Schulter. Dann sagte sie in bestimmtem Tonfall zu Alesia: „Hilf mir!“ Alesia nickte und fasste unter Scottys Füße und Hüften. Gemeinsam gelang es den Frauen tatsächlich, ihn auf das nahe Bett zu verfrachten. „Du redest mit Cupernica und beorderst sie her!“, befahl Sedrin. Alesia nickte erneut und witschte aus der Tür.

Sedrin schaltete ihren Erfasser auf aktives Dauerscannen und befahl dem Interpretationsprogramm, sofort Alarm zu geben, wenn sich Scottys Zustand weiter verschlechtern sollte. Dann setzte sie sich an den Schreibtisch und versuchte die Aufzeichnung im Rechner zu deaktivieren. Leider gelang ihr das nicht, denn Scotty hatte die Endlosschleife, in der ihm die Aufzeichnung vorgespielt wurde, mit einem Code gesichert. „Verdammt.“, entfuhr es Sedrin.

Sie ging zum Bett und zog Scottys Schultern hoch. „Techniker!“, begann sie sehr laut, denn sie dachte sich, er würde sehr weit weg sein. „Ich will Ihnen helfen, aber ich brauche den Code. Ohne ihn kann ich die Aufzeichnung nicht abschalten. Sagen Sie mir den verdammten Code!!!“

Sedrin erhielt keine schlüssige Antwort. Scotty stammelte nur immer wieder meinen Namen. Ein Königreich für einen Telepathen., dachte Sedrin. Dann aber fiel ihr etwas ein. Sie ging zurück zum Schreibtisch und gab die zentrale Allzeit ein, bei der Scotty und ich uns damals auf Celsius kennen gelernt hatten. Wann das war hatte ich ihr einmal gesagt. „Code akzeptiert.“, sagte die Rechnerstimme und die Aufzeichnung wurde abgebrochen.

Wesentlich ruhiger ging die Agentin zu Scotty zurück. Sie hatte zwar immer noch den Ohrhörer in der Buchse gelassen, aber selbst das leiseste Signal schien bei Scotty anzukommen und seine Angst noch zu verstärken. Jetzt aber bemerkte Sedrin, dass er sich immer mehr beruhigte. Seine Atmung und sein Herzschlag normalisierten sich und dann schlug er die Augen auf. „Hallo, Agent Sedrin.“, sagte er erschöpft. „Sie sind ja wieder bei uns, Techniker.“, stellte Sedrin fest und machte ein sehr tadelndes Gesicht.

Scotty drehte sich um. „Oh, Mann.“, sagte er. „Ich habe wohl anständigen Mist gebaut.“ „Sehr richtig.“, bestätigte Sedrin in strengem Ton. „Was glauben Sie, warum ich wollte, dass, wenn wir mit Ihnen und der Aufzeichnung arbeiten, immer ein Arzt in der Nähe ist?“ „Schon kapiert.“, sagte Scotty. „Aber ich wollte ja nur einiges wieder gut machen, Ladies. Ich meine, ich habe mich geweigert, die Aufzeichnung an mich heran zu lassen wegen Betsy. Das ist jetzt Geschichte und ich dachte, ich hole jetzt mal einiges nach. Übrigens, dass ich die Aufzeichnung nicht erwarten darf, stimmt nicht. Das verdammte Ding lässt mich die Dinge sehen, ob ich es nun erwarte oder nicht. Cupernica hat sich getäuscht.“

Sedrins Blick fiel auf den Schreibtisch und auf das immer noch darauf liegende Pad. Sie ging hinüber und holte es her, um es Scotty direkt vor die Augen zu halten. „Haben Sie das gezeichnet?“, fragte sie. „Wer denn sonst.“, sagte Scotty, dessen Gesichtszüge langsam von blass in rosig tendierten. „Na, Ihre burschikose Art haben Sie nicht eingebüßt.“, kommentierte Sedrin seine Äußerung. Dann legte sie dem schweißnassen Mann eine Decke um.

Eine Weile hatte sie die Zeichnung auf dem Pad betrachtet. „Können Sie mir sagen, was das bedeutet?“, fragte sie freundlich. „Wenn ich das wüsste, wäre ich klüger.“, sagte Scotty. „Aber ich weiß, dass es mir eine riesige Angst macht.“ „Kann ich mir vorstellen.“, erwiderte Sedrin, die aus der Zeichnung nicht wirklich etwas erkennen konnte. Scotty musste während des Zeichnens schon sehr große Angst gehabt haben, was seinen Finger extrem zittern ließ. das wiederum hatte zu Lücken in der Linienführung und somit zu schwachen Strichelchen an einigen Stellen geführt. „Was wird wohl passieren, wenn ich dem Pad befehle, die Lücken aufzufüllen?“, fragte Sedrin halblaut. Dann tat sie es. Jetzt bekamen die Figuren und Gegenstände auf dem Pad langsam eine Form. Sedrin erkannte zwei Frauen, die an einem Tisch saßen. Beide schienen eine Krone zu tragen, aber ihre Gesichter waren unscharf. „Sind das Sytania und eine der mirayanischen Prinzessinnen?“, wollte Sedrin wissen. „Das weiß ich doch jetzt nicht mehr.“, schnodderte Scotty zurück. „Ich habe nur so lange Zugriff auf Sytanias Denkmuster, wie die Aufzeichnung läuft.“ „Schon gut.“, sagte Sedrin. „Alesia und ich werden Ihre Zeichnungen sortieren und interpretieren. Vielleicht werden wir schlau draus.“ Scotty nickte und schlief ein.

Alesia hatte Cupernica Bescheid gesagt und war mit ihr nun auf dem Weg ins Zimmer. So schnell es ging war die Androidin mit ihrem Jeep zum Ort des Geschehens gefahren.

Cupernica warf einen Blick auf den schlafenden Scotty und dann auf Sedrin. „Wie ich sehe, haben Sie die Situation unter Kontrolle, Agent.“, sagte sie mit lobendem Tonfall. „Etwas anderes hätte ich auch nicht erwartet.“ „Sie haben gut Reden, Scientist.“, sagte Sedrin, der bei dem Anblick ihrer ehemaligen Untergebenen ein riesiger Stein vom Herzen gefallen war. „Bitte untersuchen Sie ihn.“, sagte die immer noch sehr besorgte Demetanerin. „Das habe ich bereits getan.“, erwiderte die Androidin nüchtern. „Außer leicht erhöhten Adrenalinwerten, die auf eine überstandene Angst- oder Stresssituation schließen lassen, scheint bei Techniker Scott alles in bester Ordnung zu sein. Sie wissen, ich muss einen Patienten nur ansehen und kann …“ „Ich weiß.“, schnitt Sedrin ihr das Wort ab. „Darf ich wissen, was geschehen ist?“, fragte Cupernica. „Er hat sich allein mit der Aufzeichnung beschäftigt.“, sagte Sedrin. Die Androidin zog sehr betont eine Augenbraue hoch. Im Emittieren menschlicher Gesichtszüge, die Stimmungen ausdrückten, war Cupernica eigentlich immer sehr gut gewesen. Wer sie nicht kannte hätte glatt meinen können, sie besäße einen Emotionschip. „Damit war wohl keiner von uns einverstanden.“, bestätigte Sedrin. „Aber Scotty meinte, er schulde uns was.“ „Schuld ist eine sehr schlechte Ratgeberin.“, sagte Cupernica. „Das dürfte er jetzt auch eingesehen haben, Scientist.“, sagte Sedrin.

Noch einmal warf Cupernica einen Blick auf ihren Patienten. „Sie scheinen mich hier nicht mehr zu benötigen.“, sagte sie. Sedrin nickte. „Wie gesagt.“, wiederholte die Androidin ihre Diagnose. „Er ist völlig gesund. Ich werde dann gehen.“ Sedrin brachte sie noch zur Tür.

Merkurion hatte es sich nicht nehmen lassen, Alana selbst auszubilden. Hestia hatte dem zugestimmt, da sie fand, dass die neue Agentin in den Händen ihres Chefgeheimdienstlers in den besten Händen sei. Ihre Ausbildung ging sehr gut voran. Alana lernte mit einem solchen Feuereifer, dass sich Merkurion langsam zu fragen begann, was wohl dahinter stecken könnte. Er beschloss, sie auf eine Sache anzusprechen, die ihm gerüchteweise zu Ohren gekommen war. „Kann ich sicher sein, dass du aus rein patriotischen Motiven handelst?“, fragte er sie mit ermahnendem Unterton.

Alanas Herz beschleunigte seinen Schlag und ihr Gesicht errötete. Sie musste ihn jetzt überzeugen, sonst würde der Plan, den sie gefasst hatte, nie zur Ausführung kommen. Sie und Timor hatten nicht nur ihre Liebe als Motiv, nein, sie wussten auch, dass sich ihre Herrinnen in ihren Streit derart verbissen hatten, dass es für sie schon fast an Wahnsinn grenzte. Nur durfte Merkurion davon nichts merken. Je nach Situation hatten beide parallel den gleichen Plan gefasst und nun war es an Alana gewesen, ihn auszuführen. Timor und sie wussten, Alegria würde jetzt Verdacht schöpfen, wenn ihr Diener plötzlich nach Hestien wollte, wo sie doch gerade ihrer Schwester einen Dämpfer verpasst hatte. Aber Hestia würde auf Rache sinnen und da passte Alanas Vorschlag sehr gut.

Sie schluckte. Dann sagte sie: „Aus welchen Motiven sollte ich sonst handeln?“ „Ich habe da ein Gerücht gehört.“, sagte Merkurion. „Du sollst einmal mit einem Alegrier eine Beziehung gehabt haben. Ich mache dir daraus keinen Vorwurf. Es war zu einer Zeit, als wir noch ein Volk waren. Da waren wir alle ja Miray. Erst nach König Brakos Tod haben wir uns ja in Hestier und Alegrier gespalten.“ Wir sind wohl eher gespalten worden., dachte Alana und war froh, dass ihr Gegenüber kein Telepath war.

„Ich werde gleich morgen zu Hestia gehen.“, sagte Merkurion. „Dann werde ich ihr berichten, wie gut meine beste Schülerin ist. Du überflügelst die Meisten meiner vorherigen Schüler. Nein wirklich! Ich denke, ich kann dich schon sehr bald nach Alegrien schicken.“ Alana lächelte.

An einem völlig anderen Ort saß eine Frau mittleren Alters versunken auf einem Felsen. Ein etwa 2,30 m großer Mann näherte sich ihr in einer fast ehrfürchtigen Haltung. Bei dem Mann handelte es sich um Diran und bei der Frau, die schwarze Locken trug und einen milden Gesichtsausdruck hatte, um Tolea aus dem Raum-Zeit-Kontinuum.

In einiger Entfernung blieb der Vendar stehen. Er spürte, wie alle Mitglieder seiner Spezies, nicht nur die Anwesenheit von Mächtigen, sondern auch den Umstand, wenn diese ihre Fähigkeiten gerade benutzten. Aber auch Tolea hatte die Anwesenheit ihres Dieners gespürt. „Komm näher!“, sagte sie freundlich, aber bestimmt zu ihm.

Langsam ging Diran näher. Tolea bedeutete ihm, an ihrer rechten Seite auf dem Stein Platz zu nehmen. „Bitte vergebt meine Frage, Herrin.“, sagte Diran, der sich langsam fragte, was dort vorgegangen war. Tolea war in letzter Zeit sogar ihm gegenüber sehr geheimnisvoll gewesen. Natürlich dachte sich der Vendar, dass er als Sterblicher nicht in alle Geheimnisse der Mächtigen eingeweiht werden würde, aber seine Gebieterin war keine von den Mächtigen, die sich ständig hinter der Phrase: „Ihr versteht den großen universellen Plan sowieso nicht“, versteckten. Sie hatte immer wieder versucht, Dinge so zu erklären, dass Sterbliche sie verstehen könnten. Tolea war der Auffassung, dass man uns nicht alles verbieten dürfe, sondern uns sozusagen an die Hand nehmen müsse, wenn es notwendig sei. Es gebe aber auch faszinierende eigene Ansätze unsererseits. Außerdem müsse man uns dort abholen, wo wir stünden. Man müsse also einen Weg finden, uns die Dinge so deutlich zu machen, dass wir sie auch verstehen könnten. Nur dann gäbe es die Chance, dass auch wir uns weiter entwickeln könnten. Mir gegenüber hatte sie einmal geäußert: „Wissen Sie, Allrounder, Eltern verbieten ihren Kindern das Lernen ja auch nicht. Es ist zwar richtig, dass man sie nicht unnütz einer Gefahr aussetzen sollte, aber es ist auch genau so wichtig, dass sie ihre Erfahrungen machen. Aufsicht heißt also nicht, sie in Watte zu packen und von der großen bösen Welt da draußen fernzuhalten, sondern sie an der Welt teilnehmen zu lassen und im richtigen Moment da zu sein, um ihnen zu helfen, wo es nötig ist. Außerdem führen Verbote eher dazu, dass sie es dann erst recht ausprobieren wollen und dann haben wir den Salat. Erklären sollte man schon, dass es zu einer Gefahr hier oder dort kommen könnte, aber gleich mit Strafandrohung und Schimpfen zu reagieren, obwohl noch gar nichts passiert ist, wäre der falsche Weg.“ Ich, die ebenfalls eine Freundin des Erklärens war, hatte sie sehr gut verstanden. Natürlich wusste ich, dass Tolea uns nicht für Kleinkinder hielt, aber mir war klar, was sie mit diesem Beispiel über die Beziehung von ihresgleichen zu uns sagen wollte. Sie wollte uns lieber eine Freundin sein, als eine allwissende und allmächtige Strafrichterin.

„Was habt Ihr gerade getan?“, fragte Diran. Die Mächtige lächelte und drehte sich zu ihm. „Ich habe mir angesehen, was auf den beiden mirayanischen Planeten geschieht.“, sagte sie.

Diran war eingefallen, dass einmal König Brako mit Tolea zusammengetroffen war. Damals hatte man sich auf einem mirayanischen Nebenmond getroffen. Diran hatte Tolea mit seinem Veshel dort hin gebracht. Natürlich hätte sich die Mächtige auch einfach dort hin teleportieren können, aber Tolea zog in manchen Situationen die Art der Sterblichen, ein Ziel zu erreichen, vor, vor allem dann, wenn sie eine Aufzeichnung von dem Geschehen für später brauchte, die diese auch sehen sollten.

„Es verläuft alles so, wie es verlaufen soll.“, sagte Tolea. „Ich hatte nur Sorge, dass sich die Zukunft doch verändert haben könnte.“, sagte Diran. „Jemandes Zukunft ist auch jemandes Vergangenheit und zwar die Vergangenheit desjenigen, der danach kommt und …“

Tolea klopfte ihm auf die Schulter. „Da hast du natürlich Recht, mein kluger Diener.“, sagte sie. „Aber in diesem Fall war es egal, was getan würde. Die Zukunft würde sich nicht Ändern. Selbst, wenn …“

Sie spürte einen Versuch der telepathischen Kontaktaufnahme. „Logar.“, sagte sie. „Dann werde ich gehen.“, sagte Diran. „Natürlich nur mit Eurer Erlaubnis.“ Tolea nickte ihm lächelnd zu.

Mikel hatte die technische Kapsel betreten. Elektra hatte ihn über die Dinge, die sie und ihr Vorgesetzter gesehen hatten, informiert. Jetzt sah der terranische Agent, was den Ingenieuren ein solches Kopfzerbrechen gemacht hatte. „Ich kann mit Ihrem technischen Fachchinesisch leider nicht viel anfangen, Sie zwei.“, sagte der terranische Spionageoffizier. „Sie müssen mir das hier schon erklären.“

Jannings warf einen Blick zu seiner Assistentin. „Sofort, Sir.“, sagte Elektra und setzte sich neben Mikel, der vor einer Konsole mit dem Funktionsbericht meines Erfassers Platz genommen hatte. „Die Geräte zeichnen jede Tastenbewegung auf, die während ihrer Bedienung gemacht wird.“, erklärte Elektra. „Ungewöhnlich hieran ist, dass dieses Gerät bedient wurde, während seine Besitzerin fest geschlafen hat. Sie kann es also nicht bedient haben.“ „Woher wissen Sie, dass Allrounder Betsy geschlafen hat?“, fragte Mikel. „Aus den Aufzeichnungen des Shuttlerechners.“, sagte Elektra. „Den haben wir nämlich auch schon konsultiert.“ „Lassen Sie mich auch diese Aufzeichnung sehen!“, befahl Mikel und Elektra ermöglichte ihm auch dies. „Interessant.“, grübelte Mikel und legte die Stirn in Falten.

„Meine Assistentin glaubt, es war Korelem.“, sagte Jannings nach einer Weile. „Würden Sie ihm das zutrauen?“, fragte Mikel. „Schwer zu sagen.“, sagte Jannings. „Ich habe Korelem nie wirklich kennen gelernt. Betsy war diejenige, die viel Zeit mit ihm verbracht hat.“, erwiderte Jannings. „Ich werde mit ihr darüber sprechen müssen. Vielleicht kann sie ja auch zu der Sache mit ihrem Erfasser etwas sagen, aber wenn sie geschlafen hat, wird das wohl kaum möglich sein. Außer sie sagt mir, dass ihr nach dem Aufwachen vielleicht etwas Merkwürdiges aufgefallen ist. Haben Sie an dem Gerät fremde DNS gefunden?“, fuhr Mikel fort. „Nein.“, antwortete Jannings. „Aber Sie können es ja auch noch einmal mit Ihrem ballistischen Erfasser scannen, Sir. Vielleicht haben Sie ja mehr Glück.“

Mikel zog seinen Erfasser und leistete dem Vorschlag seines Untergebenen Folge. „Es gibt Zellreste, die in starkem Zerfall begriffen sind.“, sagte er frustriert. „Aber die könnten von jedem Wesen stammen, sogar von Allrounder Betsy selbst. Sie sind zu alt. Es ist einfach zu lange her. Aber lassen Sie mir die Dateien zukommen. Vielleicht kann ich sie in Betsys Vernehmung verwenden.“ „OK.“, sagte Jannings. „Elektra, veranlassen Sie das.“

Parallel dazu war ich auf die Krankenstation gegangen, um mich von Loridana wegen meiner seltsamen Träume untersuchen zu lassen. Mikel hatte schon Recht gehabt mit seinen Worten. Ich war wirklich keine Spielerin. Ich ging, wenn es mir irgendwie möglich war, immer auf Nummer sicher. Mein Commander hatte diesen Wesenszug sehr gelobt. Kissara hatte gesagt, dass sie so jemanden lieber am Steuerpult ihres Schiffes sähe, als eine Person, die aus falscher Abenteuersucht oder aus ebensolchem Geltungsbedürfnis heraus das Leben von sich und dem Rest ihrer Kameraden gefährde.

„Wo tut’s denn weh?“, fragte mich Learosh freundlich, als ich die Krankenstation betrat. „Schmerzen habe ich keine, Medical Assistant.“, erwiderte ich. „Ich träume nur momentan in Serie und finde das etwas merkwürdig.“ „Hm.“, machte er. „Legen Sie sich bitte auf Biobett eins. Ich hole meine Vorgesetzte.“ Ich nickte und tat, was er gesagt hatte. Ich kannte mich auf der Krankenstation gut genug aus, um das Biobett selbstständig zu finden. Learosh beobachtete mich. Das wusste ich, seit er es mir einmal gestanden hatte. Er hatte mir damals berichtet, ab und zu einen Blick hinter Mikel und mir her zu werfen, wenn wir uns auf dem Schiff orientierten. Die Unterschiede zwischen uns fand Learosh faszinierend. Im Gegensatz zu mir orientierte sich Mikel viel durch das Erzeugen von Klicklauten mit dem Mund, deren akustische Reflektion an Gegenständen er zu interpretieren vermochte. Ich hingegen benutzte mehr meine ausgestreckten Hände, was für ihn eher typisch für Terraner war. Mikels Art erinnerte Learosh mehr an die Orientierung der Dasaniden von Dasan zwei, die gar keine Augen besitzen und zum Erzeugen dieser Klicklaute ein eigenes Paar Stimmbänder besitzen. In seiner Schulzeit hatte er eine Dasanidin als Klassenkameradin. Die Beiden waren die besten Freunde.

„Learosh?“ Loridana hatte sich an ihren Untergebenen gewandt, der offensichtlich seinen Tagträumen nachhing. „Oh, Mafam.“, sagte er. „Zu Ihnen wollte ich gerade.“ „Was gibt es denn.“, fragte Loridana freundlich. „Wir haben eine Patientin.“, sagte Learosh. „Und dann stehen Sie hier und träumen!“, sagte die Ärztin streng. „Es ist kein Notfall.“, sagte Learosh beruhigend. „Zumindest hoffe ich das. Allrounder Betsy klagt über Träumen in Serie.“ „Na gut.“, sagte Loridana. „Sehen wir uns das mal an.“

Sie ging mit ihm hinüber zum Biobett, auf dem ich bereits lag. „Ich denke, ich muss mich nicht frei machen.“, lächelte ich. „Nein, nein.“, lächelte Loridana zurück. „Das Problem liegt ja eher in Ihrem Kopf.“

Sie zog ihren Erfasser und scannte mich damit. „Haben Sie in letzter Zeit Ihren Kontaktkelch benutzt, um mit Dill zu reden?“, fragte sie. „Nein.“, entgegnete ich. „Warum fragen Sie?“ „Weil ich eine erhöhte Menge von Savarid-Strahlung in Ihrer Hirnrinde feststelle, Allrounder.“ „Ich weiß, dass jeder Kontaktkelch Savarid-Strahlung produziert.“, sagte ich. „Aber ich habe meinen lange nicht mehr benutzt.“

Sie legte den Erfasser beiseite. „Welcher Natur sind Ihre seriellen Träume?“, fragte sie, während sie sich zu mir auf das Biobett setzte. „Ich träume von Shimar.“, sagte ich. „Ich habe den Eindruck, ich erlebe mit, was er auf seiner Mission erlebt. Zumindest bekomme ich die Art mit, in der er das Erlebte verarbeitet.“ „Aha.“, sagte sie und stand auf: „Learosh, die Nasalsonde bitte.“ „Muss das sein?“, wollte ich wissen. „Ja, es muss sein!“, sagte die Ärztin und an ihrem Tonfall merkte ich, dass sie keine Widerrede duldete.

Learosh kam mit einem langen Gegenstand zurück, der an einen Erfasser angeschlossen wurde. „Drehen Sie sich bitte auf den Rücken, Betsy.“, sagte er. „OK.“, sagte ich mit mulmigem Gefühl. Ich mochte Untersuchungen mit der Nasalsonde nicht, aber sah ein, dass es wohl dieses Mal notwendig war, um verlässliche Daten bekommen zu können. Mit dem Erfasser allein war dies aufgrund von Störfaktoren wohl nicht möglich.

Learosh nahm meinen Kopf in seine rechte Hand. Mit zwei Fingern der anderen Hand fixierte er mein rechtes Nasenloch, um die Sonde mit dem Rest seiner Finger einzuführen. „Ganz ruhig.“, sprach er auf mich ein. „Wir haben es gleich.“

Ich spürte, wie das Ding in meine Stirnhöhle vorgeschoben wurde, ohne mir die befürchteten Schmerzen an deren Knochen und Haut zu verursachen. „Wow.“, machte ich. „Das hat ja gar nicht weh getan.“ „Weil ich genau weiß, wann man abbiegen muss.“, sagte Learosh.

Er ließ meinen Kopf los. „Wenn wir gleich scannen und ich berühre Sie, kann es sein, dass der Erfasser durch meine Nervensignale irritiert wird, so empfindlich, wie er eingestellt ist.“, erklärte Learosh. „OK.“, sagte ich. „Ich kann meinen Kopf auch allein ruhig halten.“

Loridana aktivierte den Erfasser. „Dachte ich mir.“, sagte sie dann und hielt Learosh das Bild unter die Nase. „Das müssen wir melden.“, sagte er. „Natürlich.“, sagte Loridana, „Aber zuerst müssen wir es unserer Patientin erklären.“

„Was ist los mit mir?“, fragte ich. „Stehe ich unter außerirdischem feindlichen Einfluss?“ „Außerirdischer Einfluss.“, lächelte Loridana. „Ja, feindlich, nein. Außer, Sie und Shimar haben Schluss gemacht und er drangsaliert Sie jetzt aus Rache. Aber dann wäre nicht möglich, was ich jetzt sehe.“ „Was sehen Sie denn?“, wurde ich neugierig.

Sie setzte sich erneut zu mir. Ihren Erfasser hatte sie auf ihren Schoß gelegt. „Sie wissen.“, begann sie. „Dass Sie ein residentes telepathisches Muster von Shimar in Ihrer Hirnrinde haben.“ „Ja.“, sagte ich. „Das wird solange bestehen, wie unsere Beziehung andauert. Das passiert immer dann, wenn sich ein Tindaraner verliebt.“, erklärte ich. „Das weiß ich.“, sagte Loridana. „Aber an dieses Muster hat die Savarid-Strahlung, deren Quelle wir nicht kennen, angedockt. Das ist normal. Das tut Savarid-Strahlung. Aber sie tut noch etwas anderes. Sie macht telepathischen Kontakt auch über dimensionale Grenzen hinweg möglich.“

Mir wurde heiß und kalt. „Deshalb träume ich also von Shimar?“, fragte ich. „Wahrscheinlich ja.“, sagte die Ärztin. „Und das wird dann auch der Grund sein, aus dem ich ihn schon gesehen habe, als er noch auf der tindaranischen Station war.“, schloss ich weiter. „Davon gehe ich aus.“, sagte Loridana. „Aber was wollen Sie denn jetzt melden?“, fragte ich. „Die Tatsache, dass irgendjemand Sie mit Savarid-Strahlung infiziert hat ohne, dass Sie davon wussten.“, sagte Learosh. „Wenn Sie den Kelch lange nicht benutzt haben, dann muss es eine andere Quelle geben.“ „Normalerweise dockt Savarid-Strahlung an der telepathischen Energie an, die sich in einem Kontaktkelch befindet und ermöglicht einem Nicht-Telepathen so den Kontakt zu der Person, deren Energie es ist.“, erklärte Loridana. „Aber in Ihrem Fall hat die Strahlung, als sie aus dem Gegenstand in Ihr Gehirn kam, sich an das Muster von Shimar geheftet, das sie dort vorgefunden hat und Sie somit mit ihm verbunden.“ „Denken Sie, das war jemandes Absicht?“, fragte ich. „Genau das muss der Agent herausfinden.“, sagte Learosh und streichelte mir über den Kopf. „Er ist Ermittler. Wir sind nur Mediziner. Wir können ihm die Daten liefern, die er benötigt, aber ermitteln kann nur er.“ „OK.“, sagte ich.

Learosh entfernte die von mir so gehasste Nasalsonde. Aber eigentlich hatte ich gegen das Gerät nicht mehr wirklich etwas. Learosh wusste, wie man damit umgeht und er hatte wohl auch bessere Kenntnisse der terranischen Anatomie. Auf jeden Fall waren seine besser als die Kenntnisse des vulkanischen Viehdoktors, der mir so ein Ding einmal während meiner Zeit als Kadettin einführen musste. „Sie können gehen.“, sagte Loridana. „Aber machen Sie sich darauf gefasst, dass der Agent auch noch mit Ihnen sprechen wollen wird.“ Ich nickte und verließ die Krankenstation.

Maron hatte die neuen Erkenntnisse, die er gewonnen hatte, auch Zirell vorgetragen. „Jenna ist sicher, dass die Sonne nicht hyperaktiv ist?“, versicherte sich die Tindaranerin. „Ja.“, sagte der Demetaner. „Wenn Mc’Knight das sagt, dann wird es wohl so sein.“ „Aber was sollte derjenige für einen Grund haben, Shimar mit falschen Informationen zu versorgen?“, fragte die tindaranische Kommandantin. „Ich weiß es nicht.“, gab Maron zu. „Meine Theorie bezüglich Sytania hält Mc’Knight für nicht zutreffend. Sie sagt, wenn Sytania eine Sonne benutzen würde, um uns Steine in den Weg zu legen, könnte man das nachweisen.“ „Das könnte man ja auch.“, sagte Zirell. „Und Sytania arbeitet gern im Verborgenen. Sie mag es nicht, wenn man ihr drauf kommt.“ „Das stimmt.“, bestätigte Maron. „Aber was sollte sonst passiert sein?“

„Warum spekulierst du eigentlich darauf, dass Sytania sich einmischen wird?“, wollte Zirell nach einer Weile wissen. „Weil der Chief-Agent der Sternenflotte in dieser Hinsicht erhöhte Alarmbereitschaft gefordert hat, seit sie eine Aussage von Techniker Montgomery Scott in Händen hält, nach der sich die Prinzessin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einmischen wird.“, sagte der Kriminalist. „Woher weiß Scott das?“, sagte Zirell. „Er hat ein Denkmuster von ihr im Kopf. Dieses Stück geistiger Energie ermöglicht ihm, wie sie zu denken, wenn man einen bestimmten Stimulus anwendet. Tamara hat Zoômell auch informiert und die informierte mich. Auch Zoômell möchte das Gleiche wie Tamara.“ „Jetzt verstehe ich.“, sagte Zirell. „Und ihr vom Geheimdienst, ihr seit euch nicht sicher, wann und wie sie es tun wird.“ „Genau.“, sagte Maron. „Und ich bin sicher, Scott irrt sich nicht. Sytania wird es tun. Wir wissen nur nicht wie und klammern uns jetzt an jeden Strohhalm. Auch, wenn er sich als Sackgasse herausstellt. Besser ein Mal zu viel ermittelt, als ein Mal zu wenig.“

Zirell replizierte beiden einen heißen Kaffee. „Schon gut.“, sagte sie dann. „Wer wird sich denn gleich so aufregen? Egal, was jetzt passiert ist. Wenn Sytania offensichtlich nichts hiermit zu tun hat, sollten wir froh sein. Dann gibt es hierfür nämlich sicherlich Gründe, die leichter aus dem Weg zu räumen sind, als ein von ihr gemachtes Problem.“ „Wenn du das so siehst.“, erwiderte Maron. „Ja.“, sagte Zirell. „Das sehe ich so und du tätest gut daran, auch nicht hinter jeder Ecke Sytania zu vermuten. Sonst erkennst du sie nicht, wenn sie wirklich eingreifen sollte, weil du zu sehr damit beschäftigt bist, Phantome zu jagen.“

Maron nahm einen großen Schluck aus seiner Tasse. Was sie ihm gerade gesagt hatte, musste er erst mal verdauen. Er hatte sich eigentlich immer für einen vernünftigen Ermittler gehalten, der sich nicht von Panikmache aus der Ruhe bringen ließ. Aber jetzt war ihm genau dies passiert. „Du hast Recht.“, sagte er. „Das weiß ich.“, entgegnete Zirell.

Die Türsprechanlage piepte. „Das wird Ishan sein.“, sagte Zirell, nachdem sie auf das Rufzeichen im Display geschaut hatte. „Ich erwarte noch einen Bericht von ihm.“ „Dann werde ich jetzt gehen.“, sagte Maron und drehte sich zur Tür. „OK.“, sagte Zirell.

Telzan hatte sich wieder einmal mit dem Kontaktkelch beschäftigt. Er hatte von Sytania gelernt, ihn auch nach bestimmten Dingen zu fragen. Er selbst hatte, wie alle Vendar, keine aktiven telepathischen Fähigkeiten, konnte aber Telepathen spüren und seine Sifa reagierte auf telepathische Energie. Da Sytania mittels ihrer Fähigkeiten den Kontaktkelch extra dafür geschaffen hatte, konnte aber auch Telzan mit seiner Hilfe die Geschicke in den Universen sowie überall wo er wollte, beobachten. Er sah jetzt ganz genau, was sich im Universum der Föderation abspielte. Das war auch das, was ihn interessiert hatte.

Sytania kam hinzu und legte ebenfalls ihre rechte Hand auf den Kelch, um die linke ihrem Diener zu geben. Jetzt sahen beide gemeinsam was sich zutrug. „Wann wollen Milady endlich eingreifen?!“, fragte der Vendar voll Ungeduld. „Wenn die Gelegenheit günstig ist.“, erwiderte die imperianische Prinzessin. „Aber sie ist günstig.“, sagte Telzan und konzentrierte sich auf ein bestimmtes Bild. „Nein.“, sagte Sytania. „Noch ist es nicht so weit, obwohl wir von dem Zeitpunkt in der Tat nicht weit entfernt sind. Aber ein bisschen Geduld wirst du noch haben müssen. Die Genesianer werden uns sehr guten Vorschub leisten. Erst dann werden wir eingreifen. Die Föderation wird dann geschwächt sein. Dann ist es besser für uns. Außerdem ist sie dann abgelenkt und merkt nicht, was ich vorhabe.“ „Ihr spielt auf die Sache mit dem überschriebenen Planeten an, nicht wahr?“, fragte Telzan mit verschwörerischem Unterton. „Genau das tue ich.“, sagte Sytania. „Also, fasse dich in Geduld! Aber du und deine Leute könnt schon mal eure Schiffe überprüfen, wenn ihr unbedingt eine Beschäftigung braucht.“ „Wie Milady wünschen.“, sagte Telzan und verließ den Thronsaal.

Ishan hatte vor Zirells Bereitschaftsraum ihre Antwort erwartet. Er hatte sie über sein Handsprechgerät quasi von außen über die Sprechanlage gerufen, um sich vorher ankündigen zu können. Zu diesem Zweck hatte der Androide das Rufzeichen der Station sowie das Unterrufzeichen des Raumes eingegeben. Zirell sollte auf jeden Fall erkennen können, dass er es war. „Komm rein.“, beantwortete sie den Ruf.

Ishan legte seinen Finger in die Sensorenmulde, worauf die Türen auseinander glitten. Er betrat leise aber mit bestimmtem Schritt den Raum. „Was hast du für mich?“, fragte die Stationskommandantin. „Den Ausgang des Experimentes habe ich für dich.“, antwortete der Arzt. „Wie ist es ausgegangen?“, lächelte Zirell. „Nun.“, begann Ishan und holte ein Pad hervor, auf dem medizinische Kurven abgebildet waren, die er gegenüber Zirell gleich kommentierte.

„Es ist so.“, sagte er, nachdem er sich in die Mitte des Raumes zum Referieren gestellt hatte. „Wenn der Eine weiß und der Andere schwarz malt, ist die Antwort meistens grau. Ich will damit sagen, Joran erreicht den Zustand, in dem er ein Energiefeld füttern könnte, wenn er denn eines trüge, aber seine Sifa sagt ihm sehr schnell, dass sie kein Feld enthält. Das führt zur Einmischung seines Nashach, das jenes bekannte Gift produziert. Ich habe es entnommen und abgefüllt. Jetzt frage ich mich, was wir damit machen sollen. Ich meine, es verhindert, dass geistige Energie irgendwo haften bleibt. Es könnte also auch eingesetzt werden, um die Kontrolle eines fremden Wesens über einen Körper zu verhindern.“ „Leg es auf Eis.“, sagte Zirell. „Wer weiß, wann wir es noch mal brauchen können.“ Sie wusste nicht, wie Recht sie noch haben sollte.

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