- Schriftgröße +

Immer noch hatte die Tatsache, dass Ginalla eine so starke Vision empfangen hatte, Cyrade nicht in Ruhe gelassen. Sie musste es dieser Ungläubigen doch irgendwie heimzahlen können!

„Worüber denkst du nach, Mutter?“, fragte Ataura. „Ich überlege, wie ich es dieser Ginalla zeigen kann.“, erwiderte Cyrade. „Ihr und der gesamten Föderation.“ „Vielleicht hilft es, wenn du einen Krieg zwischen der Föderation und uns provozierst. Dazu müssen wir aber die oberste Prätora einspannen. Ich weiß auch schon wie.“

Cyrade grinste wie ein Kind, dem man gerade sein Lieblingsgeschenk unter den Weihnachtsbaum gelegt hatte. Ein Krieg zwischen Genesia Prime und der Föderation kam ihren Plänen sehr zu Pass. Schließlich wäre die Föderation dann geschwächt und könnte wohl schlecht an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen, wenn Sytania von der anderen Seite angreifen würde. „Sprich!“, sagte Cyrade gehässig.

Ginalla war wieder auf ihrem Strohlager erwacht. Sie war von den Wärterinnen hart bestraft worden, weil sie es gewagt hatte, ihre Vision noch einmal zu wiederholen. Auch die Wärterinnen konnten sich nicht vorstellen, dass die Celsianerin das wirklich gesehen hatte und hielten sie für eine Lügnerin und das, was sie sagte, für eine Aufmüpfigkeit. „Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst nicht so dick auftragen?“, fragte eine Ginalla sehr gut bekannte heisere Stimme. „Aruna?“, fragte die Celsianerin, die aufgrund eines blauen Auges, das ihr eine Wärterin geschlagen hatte, kaum etwas sehen konnte. „Wer sonst.“, gab die heisere Stimme zurück. „Ich hatte dir doch gesagt, du sollst dich an mich halten.“, sagte sie und legte ihr einen mit Wasser getränkten Lappen auf ihr Auge. „Du solltest dich freuen. Ich verschwände mein Trinkwasser an dich. Schließlich muss die feine Dame wieder gucken können, wenn du morgen wieder Geräte reparierst. Du hast doch schon so einen guten Job hier. Also setz’ ihn nicht aufs Spiel.“ „Danke.“, sagte Ginalla. „Aber ich will sehen, ob ich dich nicht auch noch irgendwie unterbringen kann. Wie es aussieht, geht hier so viel kaputt, dass ich demnächst eine Assistentin brauche.“ „Assistentin.“, zischte Aruna. „Na hoffentlich sind die Wärterinnen der gleichen Meinung wie du.“

Ataura und Cyrade hatten ihr Schiff genommen und waren zur Heimatwelt aufgebrochen. Sie wollten Prätora Shashana unbedingt dazu bringen, einen Krieg mit der Föderation zu beginnen. Cyrade war mit dem Plan ihrer Tochter sehr einverstanden gewesen.

„Prätora, wir sind in Sprechgerätreichweite der Heimatwelt.“, meldete Xena, die das Schiff flog und das Sprechgerät bediente. „Ruf Shashana!“, befahl Cyrade ihrer jüngeren Tochter. „Ich werde jetzt mal ein bisschen schauspielern.“ „Wie du wünschst, Mutter.“, erwiderte Xena und gab das Rufzeichen ein. Das nichts ahnende Gesicht Shashanas erschien auf dem Schirm. „Was gibt es, Cyrade.“, fragte die oberste Prätora. „Es ist etwas Furchtbares geschehen, oberste Prätora.“, sagte Cyrade und versuchte dabei sehr betroffen zu klingen. „Die Celsianerin, der Ihr erlaubt habt, an der Initiationsfeier meiner Tochter Teil zu nehmen, hat unseren Glauben mit Füßen getreten. Sie hat nur mitmachen wollen, um von einer Person, deren Namen sie nicht weiter erwähnt hat, eine Bezahlung dafür einzustreichen, dass sie das Tor zum Himmel findet. Außerdem hat sie uns als schwächliche drogensüchtige Scharlatane bezeichnet und sie hat gesagt, sie spräche im Namen der gesamten Föderation.“ Dass ihr letzter Halbsatz eine Lüge war, hatte Cyrade freilich verschwiegen.

Die extrem religiöse Shashana war von Cyrades Worten bis ins Mark getroffen worden. „Das kann doch nicht wahr sein?!“, rief sie aus. „Hätte ich ihr das doch nie erlaubt!“ „Ich finde schon, dass es eine gute Möglichkeit war , die wahre Natur der Föderation kennen zu lernen.“, erwiderte Cyrade doppelzüngig. „Jetzt wisst Ihr, wie sie wirklich über uns denken. Jetzt dürfte Euch klar sein, dass sie nicht die ehrenhaften Gegner sind, für die Ihr sie bisher gehalten habt. Sie spielen sich als moralisch perfekt auf, dabei sind sie es selbst nicht. Sie sagen, sie würden eine fremde Kultur nicht verurteilen oder sie gar benutzen, um ihre eigenen Zwecke zu erfüllen. Sie würden sich auch nie in die Entwicklung einmischen. Aber all das ist nicht wahr. Diese Celsianerin war eine Spionin. Sie sollte sicher herausbekommen, wo unsere Schwächen liegen und uns dann demoralisieren. Nein, oberste Prätora, das dürfen wir uns nicht gefallen lassen.“ „Du hast Recht.“, entgegnete Shashana. „Obwohl ich ihnen das niemals zugetraut hätte. Die Präsidentin und die Sternenflotte geben sich immer so diplomatisch und verständig. Soll das am Ende etwa alles Fassade sein?“

Cyrade freute sich diebisch. Hatte ihr doch Shashana gerade eine sehr gute Vorlage geliefert. „Ja.“, sagte sie. „Offensichtlich, oberste Prätora, ist das alles eine gut durchdachte Fassade, um unschuldige Völker zu blenden, damit sie nicht sehen, dass die Föderation genau so ist wie die Ferengi. Sie sind genau so ehrlos und das würde uns sogar berechtigen, die Föderation einfach zu überfallen, ohne vorher eine offizielle Kriegserklärung herauszugeben. Gegen einen ehrlosen Gegner darf man so vorgehen.“

Shashana überlegte. Sie wusste, dass Cyrade damit Recht hatte, dass man gegen einen ehrlosen Gegner auch selbst ehrlose Mittel anwenden durfte, aber es war ihr zutiefst zuwider, dass die Föderation ein so ehrloser Verein sein sollte. Sie hatte sie niemals so kennen gelernt. Auch hatte die Besatzung der Eclypse ihr damals gegen Sytania geholfen und das hätten sie sicher nie getan, wenn sie so ehrlos wären. Andererseits konnte Huxley, der sich damals von der Regierung abgewendet hatte, auch auf eigene Faust gehandelt haben. Vielleicht war das ja sogar der Grund dafür gewesen.

„Wir werden sehen, was die Präsidentin der Föderation dazu sagt, wenn ich ihr den Krieg erkläre.“, sagte Shashana. „Wenn sie ehrlos ist, wird sie sicher nicht weiter darauf eingehen. Aber wenn sie auch nur einen Funken Ehre im Leib hat, wird sie mich fragen, warum ich sie für ehrlos halte und zu den Vorwürfen Stellung nehmen wollen.“ Cyrade lachte laut auf. „Was ist aus der obersten Prätora der Genesianer geworden?!“, fragte sie. „Seid Ihr inzwischen so verweichlicht, dass Ihr lieber ein Mikrofon in die Hand nehmt statt einer Waffe? Unsere Ahnen würden sich im Grab umdrehen. Das ist nicht die Art, wie wir Genesianer leben. Wir sind eine stolze Rasse von Kriegerinnen. Die Klingonen haben damals den Mord an ihrem Kanzler auch rächen wollen. Wenn wir also einen heiligen Krieg führen wollen, um die Beschmutzung unseres Glaubens durch die Föderation zu rächen, kann es doch nicht falsch sein!“ „Du hast Recht.“, räumte Shashana schließlich ein. „Wir können uns diesen Spott über unseren Glauben und seinen Missbrauch zur Befriedigung von Gewinnsucht nicht gefallen lassen. Also, wir werden die Außenposten dieser ehrlosen Feiglinge einfach überfallen. Mal sehen, wie das Nugura schmeckt.“ „So spricht eine wahre Kriegerin.“, lobte Cyrade. „Ich danke dir.“, sagte Shashana. „Und, weil du mich darauf gebracht hast, darfst du auch damit beginnen. Ich gebe dir Koordinaten. Dort fliegst du hin und veranstaltest ein wahres Gemetzel.“ „Wie Ihr wollt.“, sagte Cyrade und beendete die Verbindung.

„Die Koordinaten sind eingetroffen, Mutter .“, meldete Xena, die das Ganze sehr interessiert verfolgt hatte. „Gut.“, entgegnete Cyrade. „Dann setze Kurs. Warp acht!“ Xena nickte und führte die Befehle aus. Das genesianische Schiff verschwand in einem Blitz.

Shimar hatte in dieser Nacht sehr unruhig geschlafen. Er hatte oft das Gefühl gehabt, dass er N’Cara telepathisch ganz in seiner Nähe wahrgenommen hätte. Aber das konnte nicht wirklich sein, denn sie war ja ins Haus zu ihren Eltern gegangen. Als er es nicht mehr ausgehalten hatte, hatte er sich von IDUSA eine Patrone mit einem Medikament replizieren lassen, das seine telepathischen Fähigkeiten unterdrückte. So hatte er gut schlafen können und stand jetzt auf.

IDUSAs Sensoren war dieser Vorgang nicht verborgen geblieben. „Guten Morgen, Shimar.“, sagte sie über ihren Außenlautsprecher. Der junge Patrouillenflieger drehte sich zu ihr. „Guten Morgen, IDUSA.“, sagte er. „Wie war deine Nacht?“

Erst jetzt fiel dem Schiff auf, dass ihr ein erheblicher Teil ihrer Daten fehlte. IDUSAs Aufzeichnungen endeten zu dem Zeitpunkt, an dem sie auf N’Caras Datenkristall zugegriffen hatte. Ab dann fehlte ihr fast die gesamte Nacht. Ihre Aufzeichnung setzte erst dann wieder ein, als Shimar aufgestanden war. „Ich kann Ihnen nicht beantworten, wie meine Nacht war.“, sagte sie. „Wie soll ich das …? Wie süß!“

Shimar hatte irritiert um sich geblickt, als sie ihm die Sache gestanden hatte. Dabei hatte er etwas gesehen, das wie eine Miniatur von IDUSA aussah und in Klein-Tamins Sandkasten stand. Er ging näher und erkannte ein genaues Modell des Schiffes, das aus Sand gefertigt worden war. „Da möchte wohl jemand nicht, dass wir gehen.“, sagte er und zog seinen Erfasser, um die Sand-IDUSA zu fotografieren. Beim Einstellen fiel ihm auf, wie detailgetreu sie war. Klein-Tamin musste IDUSA gut und lange beobachtet haben. Auch musste er Shimars Anregung mit dem Matsch allein weiter entwickelt haben, denn so fest bekam man Sand nur mit Hilfe von Lehm und Wasser.

„Ich hoffe, du warst ein geduldiges Model, IDUSA.“, sagte Shimar wieder in Richtung seines Schiffes. „Ich denke schon, dass ich das war.“, sagte die Angesprochene. „Jedenfalls habe ich mich meines Wissens nicht von dem Fleck gerührt, an dem ich gelandet war. Bitte kommen Sie an Bord. Ich möchte diesen Planeten so schnell wie möglich verlassen. Dass mir einige Daten fehlen, finde ich höchst merkwürdig.“ „Komme ja schon.“, sagte Shimar, der erneut die Sand-IDUSA betrachtet hatte.

Er ging durch IDUSAs offene Luke und setzte sich auf den Pilotensitz. Dann schloss er seinen Neurokoppler an, was das Schiff veranlasste, sofort seine Reaktionstabelle zu laden und ihm die Steuerkonsole zu zeigen. „Wir sollten uns wenigstens noch verabschieden, findest du nicht?“, fragte Shimar. „Keine zehn Hacker können mich dazu bringen, mit irgendeinem Gerät hier eine Verbindung aufzubauen!“, sagte IDUSA mit Überzeugung. „Wenn Sie sich unbedingt verabschieden wollen, dann tun Sie das bitte telepathisch! Aber mich kriegen Sie nicht dazu. Wer weiß, was letzte Nacht mit mir passiert ist!“ „Na gut.“, beschwichtigte Shimar sie. „Lass uns erst mal starten. Dann werden wir weitersehen.“

Elektra hatte auf Mikels Befehl den Computer des Shuttles, das ich benutzt hatte, auf den Kopf gestellt. Der Spionageoffizier wusste, dass sie sehr genau war. Genau genug, um auf Dinge zu stoßen, die sogar ihr Vorgesetzter übersehen würde. Deshalb hatte er am Nachmittag zu ihr gesagt: „Ich gebe Ihnen jetzt einen ungewöhnlichen Befehl, Technical Assistant. Durchsuchen Sie den Rechner des Shuttles, mit dem Allrounder Betsy und Korelem geflogen sind, nach irgendwelchen Dingen, die Ihnen anormal vorkommen und wenn es nur ein SITCH oder ein Nieser zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Sie können mich ruhig wörtlich nehmen.“ Der Agent wusste genau, dass die Androidin bestimmte Skrupel nicht kannte, zumal dann nicht, wenn man ihr einen direkten Befehl diesbezüglich erteilte. Sie wusste, dass selbst die Aufzeichnungen der Gespräche im Cockpit Informationen enthalten konnten. Filtern konnte sie später immer noch.

Sie nahm ihr Haftmodul und schloss es an den Computer an, um danach mit seiner Hilfe erneut Kontakt zum Rechner des Shuttles aufzubauen. Dann lud sie die Informationen für den fraglichen Zeitraum in ihren eigenen Speicher. Dabei fiel ihr tatsächlich etwas auf. „Das ist merkwürdig.“, sagte sie zu Jannings, der daneben stand, um ihre Verbindung zum Rechner zu überwachen. „Was meinen Sie, Assistant?“, fragte der technische Offizier.

Es dauerte einige Sekunden, dann hörte man Korelems Stimme aus ihrem Mund. Außerdem war deutlich die Stimme Tamaras zu hören, die Korelem antwortete. Die Beiden sprachen über Savarid-Strahlung und über die Tatsache, dass ich wohl immer noch nicht infiziert war. „Warum redet ein Zivilist mit Tamara und wo hat er ihr Rufzeichen her?“, wunderte sich Jannings. „Diese Fragen kann ich Ihnen leider nicht beantworten, Sir.“, sagte Elektra. „Dazu fehlen mir empirische Daten.“ „Dann vermuten Sie, Elektra.“, sagte Jannings. „Das können Sie, das weiß ich. Simulieren Sie einfach einige Situationen durch und sagen Sie mir dann, welche Theorie Ihnen am wahrscheinlichsten vorkommt. Aber ich finde, das hier ist ein neues Puzzleteil für unseren Agent.“ „Bestätigt.“, sagte Elektra. „Soll ich hingehen und es ihm geben?“ „Tun Sie das.“, erwiderte Jannings.

Blass hatte Saron die Notrufe einiger Sternenflottenschiffe und Basen entgegen genommen. Er war damit sofort zu Nugura geeilt, die über die Aufzeichnungen aus seinem Pad nicht weniger bestürzt war. „Ich habe den Eindruck, Sea Federana, die Genesianer sind verrückt geworden.“, stammelte Saron. „Genau das ist der richtige Ausdruck.“, bestätigte Nugura. „Warum sonst sollten sie wehrlose Zivilisten überfallen und dann auch noch aus dem Hinterhalt. Das ist doch sonst nicht ihre Art. Hören Sie zu, Saron. Übermitteln Sie den Schiffen den Befehl, so viele Siedler aus der Nähe der neutralen Zone zu evakuieren, wie ihnen nur irgendwie möglich ist. Beordern Sie alle verfügbaren Schiffe hin. Und dann machen Sie mir eine Verbindung zu Prätora Shashana. Ich möchte wissen, was sie dazu bringt, solche Dinge zu tun!“

Diesen Tonfall kannte der Sekretär von seiner Vorgesetzten. Wenn sie so sprach, wusste er, dass sie von ihrer Sache überzeugt und nicht von ihrem Vorhaben abzubringen war. Das mit den Schiffen war ja noch OK. So eine SITCH-Mail war schnell geschrieben, aber wie würde Shashana auf Nuguras Nachforschung reagieren? Er beschloss, alles so zu erledigen, wie sie es ihm gesagt hatte. Vielleicht waren seine Bedenken ja auch völlig umsonst, alles war ein riesiges Missverständnis und würde sich irgendwann aufklären.

Shimar und IDUSA hatten sich immer noch in der Atmosphäre der lithianischen Heimatwelt befunden. Eigentlich war so ein Steigflug schnell erledigt, aber heute musste Shimar die stark trudelnde IDUSA immer wieder auf einer geringeren Flughöhe abfangen, was das Ganze eher an eine Kletterpartie erinnern ließ. „Was ist los mit dir?“, fragte er. „Du fühlst dich an, als hättest du Gleichgewichtsstörungen.“ „Ich weiß es nicht.“, antwortete IDUSA. „Ich bekomme auch mit, dass Sie Schwierigkeiten haben, mich korrekt auszutrimmen. Aber ich weiß nicht, was ich dagegen tun kann. Laut Selbstdiagnose sind meine Systeme in Ordnung.“ „An der Wetterlage kann es auch nicht liegen.“, überlegte Shimar laut. „Deine Sensoren würden mir Luftlöcher oder so etwas anzeigen.“ „Das ist korrekt.“, sagte IDUSA. „Vorausgesetzt, meine Systeme, also auch das für die Selbstdiagnose, funktionieren korrekt, was ich nicht mehr glaube nach dem anständigen Filmriss, den ich diese Nacht hatte.“

Wush! Ein neues Luftloch, oder was man auch immer dafür halten mochte, hatte IDUSA erfasst. Ruhig ließ Shimar sie bis zu einem bestimmten Punkt absinken, um dann geduldig und vorsichtig ihre Geschwindigkeit zu erhöhen, um sie genau so ruhig langsam und nicht zu steil hochzuziehen. „Gut, dass Sie so geduldig mit mir sind.“, sagte IDUSA. „Jeder Andere hätte wohl …“ „Ich bin nicht jeder Andere.“, sagte Shimar ruhig. „Wir schaffen das schon. Wenn wir erst mal aus der Schwerkraft raus sind, werde ich mit Jenna reden. Sie kann mir sicher Instruktionen geben, wie …“

Er stutzte, denn er hatte das Gefühl, etwas telepathisch wahrzunehmen. Es war ein Gefühl von Unbehagen, das er aber nicht selbst hatte. Eher glaubte er, jemand würde es unabsichtlich auf ihn projizieren. Er hatte den Eindruck, derjenige würde mit sich selbst einen richtigen Kampf ausfechten, um es auf keinen Fall dazu kommen zu lassen, dass er etwas davon mitbekam. Wenn er genau hinspürte, hatte er das Gefühl, N’Cara sei hier. Aber er war andererseits auch nicht wirklich sicher. Wer immer das auch war, versuchte, sich vor ihm zu verbergen und falls sich derjenige in einer Wartungsluke verbarg, konnte dies schon zu einem Ungleichgewicht bei IDUSA führen. Das Cockpit, die Achterkabine und der Frachtraum lagen so zentral, dass sie gut ausgetrimmt waren. Wenn sich aber das Gewicht in den Wartungsluken veränderte, konnte dies in einer Atmosphäre schon zu Störungen führen. „Sieh mal nach, ob wir in einer deiner Wartungsluken einen blinden Passagier haben!“, befahl Shimar. „Und ich rede nicht von meiner Freundin.“

IDUSA ließ ihre Sensoren die Wartungsschächte absuchen. „Sie haben Recht.“, sagte sie dann. „In Schacht j22 ist jemand. Wegen der vom Warpantrieb ausgehenden Strahlung kann ich das Biozeichen nicht genau erkennen, denke aber, dass es lithianisch ist.“ „Sobald ich dich irgendwie aus dieser Atmosphäre kriege.“, erwiderte Shimar. „Übernimmst du die Steuerkontrolle und entsicherst die Luke. Ich werde dann mal nachsehen.“ „Wie Sie wollen.“, entgegnete das Schiff.

Shimar bemerkte, wie die Schwerkraft bedingten Ausfälle weniger wurden und schließlich ganz abebbten. Er sah den lithianischen Heimatplaneten jetzt, wie man einen Planeten eben aus dem Orbit sieht. „Puh, geschafft!“, stellte er erleichtert fest. „Danke für dein Vertrauen.“ „Vertrauen ist eine Empfindung.“, korrigierte ihn das Schiff. „Ich bin eine künstliche Intelligenz und als solche zum Empfinden von Emotionen nicht fähig. Ich kann weder Angst noch Mut oder gar Vertrauen empfinden. Aber die Daten, die ich auf den Flügen gesammelt habe, die wir gemeinsam hinter uns gebracht haben, bestätigen mir, dass Sie uns in 100 % der Fälle aus dem Schlamassel holen konnten.“ „Danke für die Blumen.“, sagte Shimar schmissig. „Und was ist jetzt mit meinen anderen Befehlen?“ „Sicher.“, sagte IDUSA. „Ich habe die Wartungsluke, hinter der sich das Biozeichen befindet, entsichert. Sie befindet sich im Boden des Frachtraumes. Ich leuchte Ihnen den Weg aus.“

IDUSA ließ einige kleine Kontrolllämpchen aufflackern, die sich in regelmäßigen Abständen entlang ihrer inneren Bordwände befanden. Shimar folgte diesem Lichtstrahl. Bald war er im Frachtraum, dem hintersten Teil des Schiffes, angekommen. Hier endete die Lichtspur abrupt über einer Bodenplatte. Shimar drückte mit zwei Fingern auf ein Feld, das er nur dann sehen konnte, wenn die Luke entsichert war. Die Bodenplatte glitt vor ihm zur Seite. Jetzt sah er in ein grinsendes Gesicht. „Komm raus, N’Cara!“, sagte er streng und zerrte sie ans Tageslicht. „Was hast du dir dabei gedacht? Stell dir mal vor, IDUSA und ich hätten dich nicht bemerkt. Was glaubst du, wie lange du es da drin ausgehalten hättest. Da drin gibt es keine Lebenserhaltung. Du hättest ersticken können. Wenn Jenna oder einer unserer Techniker darin arbeitet, ist die Luke immer offen, damit …“ „Bist du fertig?“, entgegnete sie. „Nein.“, sagte Shimar. „Jetzt sagen wir erst mal bei dir zu Hause Bescheid.“ „Viel Spaß beim Versuch.“, grinste N’Cara.

Shimar zog sie mit sich ins Cockpit und pflanzte sie auf den Sitz neben sich. Dann befahl er IDUSA: „Versuch über die Anflugkontrolle Professor Tamin zu erreichen!“ „OK.“, sagte das Schiff. „Jetzt sag mir die Wahrheit!“, sagte Shimar mit Nachdruck. „Wie bist du an IDUSAs Sensoren vorbeigekommen?!“ „War ganz einfach.“, sagte das Mädchen und zeigte auf das Kristalllaufwerk. „Ich habe ein Virus geschrieben, das IDUSAs Sensoren außer Kraft setzt. Zumindest solange, bis ich mich verstecken konnte. Aber dieses Virus muss ich jetzt wieder deaktivieren und das geht nicht ohne den Kristall. Deshalb darfst du ihn nicht entfernen. Aber IDUSA muss mir eine technische Konsole zeigen. Wenn es mir gelingt, das Virus zu entfernen, glaubst du mir dann, dass ich Ahnung von Technik habe?“ „Ja, ja.“, sagte Shimar beiläufig. Er hoffte immer noch, dass IDUSA den Professor erreichen würde.

Shimar hatte N’Cara zugesehen. Von den Dingen, die sie eingegeben hatte, verstand er zwar nichts, aber als IDUSA ihm bestätigte, dass das Virus verschwunden war, gab er sich damit zufrieden. „Was macht meine Verbindung, IDUSA?“, fragte er. „Es tut mir Leid.“, sagte das Schiff. „Die Sprechgerätoffiziere der Anflugkontrolle können den Professor nicht erreichen und wir müssen weiter. Es war zwar sehr undeutlich, aber ich glaube, ich habe ein Notsignal von den Koordinaten empfangen, zu denen wir fliegen sollen.“ „Na gut.“, lenkte Shimar missmutig ein. „Ob es dir passt oder nicht.“, grinste N’Cara. „Du hast mich am Hals. Du wirst schon sehen, ich werde dir eine große Hilfe sein, wenn du mich lässt.“ „Also gut.“, sagte Shimar. „Aber eines sollte dir klar sein. Wenn es zu einer gefährlichen Situation kommt und ich dir sage, bei IDUSA zu bleiben, dann tust du das auch. Deal?“ „Deal.“, antwortete N’Cara und gab ihm die Hand drauf.

Auf Hestien hatte Merkurion um eine Audienz bei seiner Herrin gebeten und sie auch bekommen. Jetzt saß er gemeinsam mit Hestia an einem Tisch in ihrem Gemach. „Was führt dich zu mir?“, fragte die Prinzessin. „Ich wollte Euch über den Ausbildungsstand von Alana berichten.“, antwortete der Chefgeheimdienstler. „Und?“, fragte die Prinzessin. „Sie überflügelt die meisten meiner bisherigen Schüler um ein Vielfaches.“, lobte Merkurion. „Ich weiß nicht, was sie antreibt, aber sie hat ein solches Talent, dass ich ihre Ausbildungen sowohl im theoretischen, als auch im praktischen Bereich schon verkürzt habe. Ich plane, sie als Shuttlepilotin bei Eurer Schwester einzuschleusen. Diesen Vorschlag hat sie mir selbst gemacht.“ „Das ist eine sehr gute Vorgehensweise.“, urteilte Hestia.

Sie schenkte beiden aus einer goldenen Karaffe den Saft einer seltenen Frucht ein, den ihr ein Diener vorher auf einem Tablett mit Gebäck und zwei Gläsern gebracht hatte. „Hast du rein zufällig Informationen über den Verbleib der Beauftragten meiner Schwester?“, fragte Hestia. „Es gibt eine Menge Gerüchte.“, erwiderte Merkurion, nachdem er einen Schluck aus seinem Glas genommen hatte. „Und was besagen diese Gerüchte?“, bohrte Hestia nach. „Mach es nicht so spannend!“ „Die Gerüchte sagen, dass es einen Krieg zwischen Genesia Prime und der Föderation geben wird.“ „Na und?“, entgegnete Hestia und gähnte. „Was hab ich mit deren internen Kriegen zu schaffen. Außerdem habe ich dich nicht danach gefragt. Ich wollte wissen, was diese Ginalla treibt!“ „Darauf wollte ich gerade hinaus.“, versuchte Merkurion sie zu beschwichtigen. „Ginalla soll an diesem Krieg nicht ganz unschuldig sein.“

Hestia leerte ihr Glas in einem Zug und setzte ein teuflisches und gieriges Lächeln auf. „Das ist wundervoll, Merkurion!“, rief sie aus. „Das ist die wundervollste Nachricht, die ich je bekommen habe. „Dieser celsianische Tollpatsch wird sich irgendwie im Ton vergriffen haben und jetzt sitzt sie sicher irgendwo im Gefängnis auf Genesia Prime. Jedenfalls würde ich das so machen, wenn ich Prätora Shashana wäre.“ Merkurion nickte. „Dann berichte mir!“, befahl Hestia weiter. „Sag mir alles, was du über dieses Gerücht weißt. Ich will jedes Detail. Jedes, hörst du?“ „Ja, Hoheit!“, sagte Merkurion mit fester Stimme. „Also, sie soll den Genesianern vorgemacht haben, eine Forscherin zu sein, die deren Religion erforschen wolle. Dann ist etwas nicht so gelaufen, wie sie wollte und darauf hin hat sie auch noch zugegeben, dass sie ihren Glauben nur benutzt hat, um ihrem eigenen Gewinnstreben nachzugehen. Es gibt ein Ritual, das die Genesianer durchführen, um Visionen von ihrer obersten Göttin zu erzeugen. In diesem Ritual spielt das Gift einer Schlange eine große Rolle. Dieses selbstständig denkende Schiff Namens Kamurus soll festgestellt haben, dass Ginalla nur im Drogenrausch war und es keinen Anhalt dafür gibt, dass sie so etwas wie den Himmel und damit auch das Tor dort hin, gesehen hat. Das hat sie dazu gebracht, den genesianischen Glauben zu verspotten und die genesianische Kultur zu beleidigen. Sie soll gesagt haben, sie spräche im Namen der gesamten Föderation.“

Hestia sprang freudig auf. „Oh, Merkurion.“, sagte sie. „Du verstehst es, die besten Nachrichten bis zum Schluss herauszuzögern. Du weißt, wie du deine Herrin glücklich machen kannst. Was für eine wundervolle Nachricht! Hoffentlich wird sie zum Tode verurteilt! Dann ist sie aus dem Weg! Dann hat Shimar keine Konkurrenz mehr und kann …“ „Hoheit vergessen.“, viel Merkurion ihr ins Wort. „Dass, wenn einer der Teilnehmer stirbt, laut dem Ty-Nu-Lin-Ritus die Suche solange ausgesetzt werden muss, bis der Andere sich einen neuen Gegner gesucht hat. Euer Vater hat Euch somit in die Hände der Götter gegeben, als er dies zur Bedingung machte. Wenn Ihr Shimar trotzdem weiter suchen lasst, ohne ihm Gelegenheit zur Suche eines Herausforderers zu geben, werden die Priester Eure Herrschaft nicht anerkennen, selbst wenn er das Tor finden sollte. Ihr und Alegria gebt Euch im Töten von aufrührerischen Kräften nichts. Das habe ich längst festgestellt. Aber einen Priester werdet weder ihr noch sie töten lassen. Das weiß ich genau. Ihr seid beide dazu viel zu gottesfürchtig.“

Die offenen aber wahren Worte ihres Geheimdienstchefs hatten Hestia sehr erschrocken, aber sie wusste, dass er in allen Punkten die Wahrheit gesagt hatte. Sie und ihre Schwester waren mit dem mirayanischen Glauben aufgewachsen und hatten ihn tief verinnerlicht.

„Niemals würde es mir einfallen, einen Priester töten zu lassen.“, erklärte Hestia. „Da hast du Recht. Schließlich will ich, dass die Götter mir gewogen sind. Wenn ich sie erzürne, ist das sicher nicht gut. Aber sprich weiter. Was ist mit der kleinen Celsianerin?“ „Laut dem Gerücht ist sie nicht zum Tode verurteilt worden. Seid bitte nicht all zu enttäuscht. Sie ist die persönliche Gefangene von einer gewissen Prätora Cyrade. Die darf entscheiden, wann sie wieder raus kommt. Aber das wird wohl so bald nicht der Fall sein. Ginalla hat nämlich behauptet, in der Vision, die sie hatte, der obersten Göttin der Genesianer das Leben gerettet zu haben, was eine sehr starke Vision ist. Ataura, die Tochter der Prätora, die auch Erbprätora ihres Clans ist, soll gar keine Vision empfangen haben. Darauf ist Cyrade extrem neidisch und wird sie wohl deshalb so schnell nicht wieder raus lassen.“ „Um so besser.“, sagte Hestia schadenfroh. „Um so mehr Zeit bleibt Shimar. Jetzt kann er in aller Ruhe nach dem Tor suchen. Seinen Vorsprung holt sie nie wieder auf. Welch wunderbare Fügung, dass ich bald Herrscherin über ganz Miray werde.“

Sie winkte Alanas Vertretung zu: „Schicke nach meinem Kommunikationsoffizier. Er soll mich sofort mit Shimar verbinden.“ Die Hofdame nickte und verschwand durch die Tür. „Und wir, Merkurion.“, sagte Hestia dann und stieß mit ihm an. „Wir werden diese wundervollen Nachrichten erst mal feiern!“

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.