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IDUSA beamte Shimar an Bord. „Hi.“, begrüßte N’Cara ihn. „Alles klar bei dir?“ „Sicher.“, erwiderte der Tindaraner. „Wenn bei dir alles klar ist?“

N’Cara rückte auf den zweiten Sitz. „Dein Platz ist dein Platz.“, sagte sie mit coolem Tonfall zu Shimar. „Danke vielmals.“, gab dieser ähnlich cool zurück und setzte sich. Sie übergab ihm den Neurokoppler und schloss ihren eigenen, den IDUSA ihr repliziert hatte, an den zweiten Port an. „Den kannst du behalten.“, sagte IDUSA. „Dann hast du zumindest immer ein Andenken an uns.“ „Danke.“, sagte N’Cara.

Shimar setzte IDUSA langsam in Bewegung. „Ich muss mit dir was bereden, Maus.“, wendete er sich an N’Cara und hatte dabei ein wirklich nicht all zu gutes Gewissen, weil er ganz genau wusste, dass seine Begleitung noch minderjährig war. Deshalb vermutete er, würde herauskommen, wozu er sie gebracht hätte, dass er massiven Ärger von ihren Eltern bekommen könnte, wenn ihr etwas geschehen würde. „Na raus damit!“, motivierte ihn N’Cara. „Bei deinen erzieherischen Maßnahmen warst du auch nicht so schüchtern. Außerdem muss ich dir auch noch was sagen.“ „Du zuerst.“, sagte Shimar, der ganz froh darüber war, dass ihm noch ein Aufschub gewährt wurde. „OK.“, sagte der lithianische Teenager. „IDUSA und ich haben gesehen, dass Prätora Cyrade voll kriminell ist. Sie arbeitet für Sytania. Sie hält sie für ihre Göttin. Diese Cirnach hat fne riesige Show um ein paar Energiekristalle gemacht. Aber Sytania will ja nur aufrecht erhalten, dass sie eine Göttin ist und einer Göttin muss man opfern. Unter normalen Umständen braucht sie ja keine Fremdenergie. Sicherlich wird sie Cirnach irgendwann mit der Forderung schicken, dass Cyrade ihr ihren Planeten überschreibt. Wie ich die einschätze, wird sie das auch tun, so eingelullt wie die is’.“ „Langsam.“, bremste Shimar N’Caras Eifer. „Du kannst nicht einfach irgendwas behaupten, ohne Beweise zu haben. Die Situation ist sehr gefährlich und kann leicht nach hinten losgehen, wenn du …“ „Aber die habe ich doch auch.“, sagte N’Cara. „IDUSA, zeig ihm die Aufzeichnung!“

Das Schiff folgte ihrem Befehl und Shimar konnte sehen, was sich auf dem genesianischen Randplaneten zugetragen hatte. Damit sie auch eine Tonaufzeichnung mit ihren sehr reichweitenstarken akustischen Sensoren machen konnte, war IDUSA sogar in die Atmosphäre geflogen, hatte sich aber stets im Schutz der Pole gehalten. „Was sagt man denn dazu?“, fragte Shimar mit einem schadenfrohen Lächeln. „Prätora Unehrenhaft ist tatsächlich eine Verräterin. Soweit ich weiß, mag Shashana Sytania genau so wenig wie die Föderation.“ „Oh, Backe!“, sagte N’Cara. „Dann sollten wir ihr die Aufzeichnung zukommen lassen. Dann wird sie Cyrade entehren und sie ist dann auch ihren Posten als Prätora ihres Clans los. Oder nein. Wir schicken beide Aufzeichnungen an eure Station. Der Geheimdienst würde sich sicher drüber freuen. Dann könnte der Krieg beendet werden und vielleicht kommt dann auch Ginalla frei.“ „Hat IDUSA die Situation mit Cirnach von sich aus aufgezeichnet?“, wollte Shimar wissen. „Nicht ganz.“, sagte N’Cara. „Sie hat mich gefragt, ob sie dürfe und ich habe mein OK gegeben.“ Shimar umarmte sie fest. „Habe ich dir nicht gesagt, ich werde dir eine große Hilfe sein?“, sagte N’Cara. „Das hast du.“, musste Shimar zugeben. Es berührte ihn jetzt sehr, dass sie seinen wunden Punkt getroffen hatte. Eigentlich hatte er vor, noch eine Weile zu überlegen, wie er ihr am besten beibringen sollte, was sie tun müssten. Aber jetzt hatte sie ihn genau darauf angesprochen.

„IDUSA!“, lenkte er noch einmal im Befehlston dem Schiff gegenüber vom Thema ab. „Schicke deine letzten beiden Aufzeichnungen an unsere Basis. Wer weiß, wozu es gut ist!“ „Habe ich längst getan.“, sagte IDUSA. „Ich denke ja mit.“

„Willst du Zeit schinden?“, grinste N’Cara. „Im Prinzip schon.“, gab Shimar zu. „Wieso denn?“, fragte die Jugendliche. „Kommt gleich das Geständnis des Jahrtausends, oder was ist dir für fne Monsterlaus über die Leber gelaufen?“

Shimar replizierte sich einen recht hochprozentigen Drink. „Na, na.“, grinste N’Cara. „Das ist aber nicht so das Gelbe vorn Ei. Gut, dass IDUSA sich im Notfall selbst steuern kann.“ „Keine Panik.“, tröstete Shimar. „Es wird bei dem einen Glas bleiben. Trotzdem wird’s gleich nicht einfach.“ „Hoffentlich muss ich die Info nicht aus dir raus operieren.“, scherzte N’Cara. „Ich bin eine verdammt miese Chirurgin.“ „Dann sollte ich alles versuchen, dass es auf natürlichem Wege funktioniert.“, sagte Shimar. „Also, die Genesianer haben meines Wissens ein Ritual, das Urteil der Götter heißt. Zwei Kriegerinnen stehen an einer Linie, die jede selbst wählen darf. Entscheidend ist die Entfernung zu einer Zielscheibe. Beide haben einen Phaser. Je weiter die jeweilige Kriegerin von der Scheibe weg steht, desto größer ist ihr Gottvertrauen. Mit diesem Ritual wird auch im Zweifel Recht gesprochen. Vielleicht können wir so sogar Ginalla befreien.“

Er sah IDUSA an. „Ihre Ausführungen der vorhandenen Daten über das Urteil der Götter sind korrekt.“, sagte der Schiffsavatar. „Aber Sie werden das wohl kaum durchführen dürfen, selbst wenn Shashana es zuließe.“ „Jetzt brauchst du Jassica James!“, strahlte N’Cara. „Stell dir das nicht so einfach vor.“, ermahnte sie Shimar. „Du würdest unter enormem Druck stehen und das ist beileibe was anderes als in deinem Schützenverein. DA geht es allenfalls um einen Pokal. Hier geht es um ein Leben. Ich weiß nicht, ob du mit dem Druck klar kommst.“ „Das musst du gerade sagen!“, zischte N’Cara. „Du hast doch schon so oft Leben verteidigt, dass du es sicher schon gar nicht mehr zählen kannst.“ „Das ist aber was anderes.“, sagte Shimar. „Ich habe eine militärische Ausbildung.“ „Die kannst du dir quer in den Hintern schieben!“, meinte N’Cara. „Bei den Genesianern ist das nix wert. Du Mann ich Frau. Das ist alles, was zählt. Kapiert?!“ „Oh, ja.“, sagte Shimar, der jetzt wieder jenes mutige kleine Ding in N’Cara spürte, das sie war. „Und ich hatte schon Angst, du hättest die gute Jassica zu Hause gelassen. IDUSA, setze Kurs nach Genesia Prime!“

Jenna, Joran und Maron waren mit dem neuen Schiff in Richtung der interdimensionalen Sensorenplattform aufgebrochen, die in Verdacht stand, manipuliert worden zu sein. Die hoch intelligente Halbschottin hatte beobachtet, dass es ihrem Freund nichts ausmachte, das Schiff zu fliegen. „Ich bewundere die Art, wie du mit ihr klar kommst, Joran.“, flüsterte sie ihm zu. „Warum sollte ich das nicht, Telshanach.“, entgegnete der Vendar. Er hatte kein Problem damit, sie auch in Anwesenheit eines Vorgesetzten Liebling zu nennen, was sie aber genau aus diesem Grund ihm gegenüber vermied. „Sie ist in ihrer Funktionsweise nicht anders als unsere IDUSA auch. Gut, der Avatar hat die Haare anders, aber das stört mich nicht.“ „Dachte ich mir, Joran.“, lächelte Jenna. „Obwohl ich einen kenne, dem es sicher etwas ausgemacht hätte.“ „Du sprichst doch nicht etwa von Maron El Demeta.“, schloss Joran. „Doch.“, meinte Jenna. „Genau von dem spreche ich.“

Die Tür zur Achterkabine öffnete sich und der erste Offizier kam ins Cockpit gestiefelt. „Wie weit ist es noch, Joran?“, fragte er. „Nur noch 30 Parsec, Maron El Demeta.“, antwortete Joran ruhig. „In zehn Minuten werden wir dort sein.“ „Danke.“, sagte der demetanische Agent, drehte sich wieder um und winkte Jenna im Gehen. Diese wusste sofort, was dies zu bedeuten hatte und folgte ihm.

Nun saßen sich die Beiden unter vier Augen in der Achterkabine gegenüber. „Halten Sie für möglich, dass Shimar und IDUSA die Wahrheit gesagt haben, Jenna?“, fragte Maron die Chefingenieurin. „IDUSA kann nicht lügen, Sir.“, rief Jenna ihm die Fakten in Erinnerung. „Es ist das Gleiche wie bei einem Androiden, also wie zum Beispiel bei Ishan.“ „Aber wenn derjenige von außen so manipuliert wird, dass er nur die falsche Information hat und sie deshalb für die Wahrheit hält?“, mutmaßte Maron. „Sie denken doch nicht etwa, dass Shimar zu so etwas in der Lage wäre, nur um ein Versäumnis seinerseits zu vertuschen.“, sagte Jenna. „Halten Sie ihn für dazu fähig?“, wollte der Ermittler wissen. „Offen gesagt, Sir.“, begann Jenna. „Ich halte Shimar nicht für fähig, eine Warp- von einer Transporterspule zu unterscheiden, ohne einen technischen Erfasser benutzen zu müssen. Mit dem bloßen Auge und einem stinknormalen Erfasser, der keine Spezialprogrammierung hat, kriegt er das nicht hin. Aber ich habe den Verdacht, dass die Plattform von derselben Person manipuliert worden ist, die das auch mit dem Rechner der tindaranischen Streitkräfte getan hat, um an Shimars Akte zu kommen. Ein Motiv hätte sie. Sie weiß sicher, dass wir Shimar als Babysitter hinter ihr hergeschickt haben. Ich halte es für möglich, dass sie sich, was die Gefahren des Universums angeht, überschätzt und versuchen wird, aus unserem Blickfeld zu entkommen.“ „In zehn Minuten werden wir sehen, wer Recht hat.“, sagte Maron.

Joran meldete sich über die Bordsprechanlage, die Maron beantwortete. „Wir sind da, Maron El Demeta.“, sagte er. „OK.“, sagte Maron und winkte Jenna erneut, die ihm ins Cockpit folgte. Hier schloss sie ihren eigenen Neurokoppler an die Konsole an und ließ sich von IDUSA den technischen Statusbericht der Plattform zeigen. „Sag der Plattform, sie soll die Lebenserhaltung aktivieren, IDUSA!“, befahl Jenna. „Wir gehen rüber.“ Dabei zeigte sie auf Maron. „Habe ich erwähnt, dass ich unter Platzangst leide, Mc’Knight?“, scherzte der erste Offizier. „Du kannst gern hier bei mir bleiben.“, mischte sich Joran ein. „Aber dann dürfte es verdammt schwierig für dich werden, in dieser Sache zu ermitteln.“ „Wir kriegen das schon hin.“, beschwichtigte ihn Jenna. „Pass du auf das Schiff auf. Wir machen den Rest. IDUSA, was ist mit der Atmosphäre?“ „Sie ist jetzt für Sie atembar.“, antwortete das Schiff. „Fein.“, sagte Jenna und schulterte ihre Tasche. „Dann beam uns rüber.“

Nach dem erfolgreichen Transport sah sich Joran allein dem Schiffsavatar gegenüber. Dem genauen und geschulten Auge des Vendar fiel auf, dass sie nicht nur eine andere Frisur als die gewohnte IDUSA hatte. Sie unterschied sich auch in Kleidung und Statur leicht, wenn man davon überhaupt sprechen konnte, denn sie trug wie alle Avatare die Uniform einer tindaranischen Pilotin.

„Glauben Sie, dass der Verteidigungsfall eintritt?“, wollte sie wissen. Bei ihrer Frage fiel Joran auch auf, dass sich ihre Stimme von der bekannten IDUSA-Einheit unterschied. Sie war etwas tiefer. Außerdem hatte sie eine Betonung, die Joran verriet, dass sie, wenn sie etwas sagte, es wohl auch geradeheraus meinen würde und keinen diplomatischen Schlenker machen würde, wie er es von der anderen IDUSA gewohnt war. „Ich denke nicht.“, antwortete Joran. „Ich kenne meine ehemalige Gebieterin. Sie würde niemals jemanden von Telzans Leuten schicken, um einen Hackerangriff auf eine tindaranische Sensorenplattform auszuüben. Sie weiß genau, dass wir das erkennen würden und ihr somit sofort draufkommen würden. Das riskiert sie nicht. Dazu ist sie zu bequem und ihre Vendar sind ihr nach meiner Rebellion viel zu kostbar, als dass sie zulassen würde, dass einer von ihnen in einem tindaranischen Gefängnis landete.“ „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie die englische indirekte Rede so gut beherrschen.“, lobte der Schiffsavatar. „Technical Assistant O’Riley hat behauptet, Ihr Englisch sei mindestens so schlecht wie das eines Mannes mit einer Schlange im Bauch aus einem Unterhaltungsroman, den sie lese, weil es auch nicht seine Muttersprache gewesen sei. Aber meiner Meinung nach, Joran, hat sie damit reichlich übertrieben. Ich halte O’Riley für ziemlich affektiert, was diesen Roman angeht. Sie macht sich das Leben zu einfach, wenn sie es einfach nur in schwarz und weiß unterteilt.“ „In der Tat, IDUSA.“, seufzte Joran. „Aber wenn du sie so gut einschätzen kannst, dann weißt du auch, dass sie sich für dümmer hält, als sie ist. Vielleicht besteht da ein Zusammenhang.“ „Korrekt.“, erwiderte das Schiff.

„Ich muss Ihnen aber noch etwas sagen.“, sagte IDUSA und machte eine Pause, um seine Reaktion abzuwarten. „Warum zögerst du?“, fragte Joran. „Weil es um Commander Zirell geht und ich genau weiß, wie treu ergeben Vendar ihren Anführern sind. Ihrem Verhalten nach gegenüber ihr, Joran, haben Sie den Commander als Anführerin akzeptiert und werden mir sicherlich die Ohren lang ziehen, oder mir Ihre Freundin auf den Hals hetzen, wenn ich Ihnen sage, was ich denke.“ „Tindara ist eine freie Welt, IDUSA.“, tröstete Joran sie mit seiner tiefen leicht brummenden Stimme. „Das gilt auch für künstliche Intelligenzen wie dich. Also sag ruhig, was du sagen willst. Es wird nichts passieren. Ich verspreche es.“

Der Avatar legte die Stirn in Falten, bevor sie begann: „Meiner Meinung nach ist Commander Zirell manchmal schon etwas paranoid, was Ihre ehemalige Gebieterin angeht. Sie sieht Sytania überall und das kann unter Umständen einmal schiefgehen.“ „Für solche Fälle bin ich ja da.“, erklärte Joran. „Ich werde ihr schon sagen können, wann es wahrscheinlich ist, dass meine Ex-Gebieterin ihre Finger im Spiel hat.“

Der Avatar machte ein zufriedenes Gesicht. Sie wusste, dass sie Joran in der Hinsicht vertrauen konnte, denn sie hatte über die Individualdateien ihrer Vorgängerin, die Jenna in ihre Verzeichnisse kopiert hatte, alle Informationen, die auch die andere IDUSA gesammelt hatte. Aufgrund der von ihr angestellten Wahrscheinlichkeitsprognose konnte er nur Recht haben.

Maron und Jenna hatten sich auf einer Transporterplattform auf der Station wieder gefunden. Die brünette Halbschottin zog ihren Erfasser und gab eine Reihe von Befehlen ein. Dann stellte sie sich vor ihren Vorgesetzten und sagte: „Wir müssen hier entlang, Agent.“

Sie betraten einen Turbolift, der sie in ein tieferes Stockwerk der Station brachte. „Wir sind im Rechenzentrum.“, erklärte Jenna, nachdem Agent Maron verwirrt auf die unzähligen Wartungskonsolen gezeigt hatte. „Bin ich froh, dass ich keinen technischen Beruf ergriffen habe.“, stellte Maron fest. „Ich würde durch dieses Chaos gar nicht durchfinden.“ „Was meinen Sie mit Chaos, Sir?“, fragte Jenna mit unschuldigem Blick. „Ich finde, hier ist alles super geordnet.“

Forschen Schrittes ging sie zu einer Konsole und schloss ihren mitgebrachten Neurokoppler an. „IDUSA.“, sprach sie ins an der Konsole angebaute Mikrofon. „Hier ist Techniker Jenna Mc’Knight. Erstelle eine Reaktionstabelle von mir und zeig mir die letzten eingegangenen Anfragen nach einer Onlineverbindung.“

Jenna spürte die üblichen Anzeichen dafür, dass der Avatar sie untersuchte. Dann zeigte sich ihr das Bild eines jungen Tindaraners mit Bubikopf. Gleichzeitig sah sie den gewohnten virtuellen Monitor vor ihrem geistigen Auge und darauf die angeforderten Berichte. „Ich schätze, der sonst für diese Station zuständige Ingenieur ist eine Frau.“, sagte Jenna. „Warum sonst sollte sie auf die männliche Form der Bedienhilfe zurückgreifen.“ „Wäre nett, wenn Sie mir auch zeigen könnten, was Sie sehen, Jenn’.“, sagte Maron und zog seinen eigenen Neurokoppler aus der Tasche. „Also gut.“, sagte Jenna und nahm ihm das Anschlussmodul ab. „Ich wollte ja nur vermeiden, dass Sie sich langweilen.“

Nachdem der Avatar auch von Maron eine Tabelle erstellt hatte, sah der Demetaner eine Menge von Zahlen und Begriffen, die für ihn sehr verwirrend waren. An seinem Blick sah Jenna, dass er sich wohl mit der Sache gänzlich überfordert fühlte. „Bereuen Sie, dass Sie darauf bestanden haben, alles zu sehen, was auch ich sehe, Sir?“, fragte Jenna mit etwas Genugtuung in der Stimme. „Offen gestanden ja, Mc’Knight.“, gestand Maron. „Ich kann hiermit eigentlich überhaupt nichts anfangen und wäre froh, wenn Sie mir ein bisschen unter die Arme greifen könnten.“ „Ihnen alles zu erklären würde sicher jeden Rahmen sprengen, Agent.“, sagte Jenna freundlich. „Aber viele dieser Tabellen und Begriffe beziehen sich auf bestimmte Vorgänge während einer Onlineverbindung. Da sind zum Beispiel die Signalschemen. Sehen Sie mal hier.“ Sie zeigte auf eine bestimmte Spalte. „Dies sind ganz normale Schemen wie sie entstehen, wenn ein tindaranischer Rechner anfragt, ob er die Plattform benutzen darf. Die Zahlen stellen das Frequenzmuster dar, das vom jeweiligen Sprechgerät ausgesendet wird. Die Zahlen in der Spalte davor sind die jeweiligen zentralen Allzeiten, zu denen die Anfrage eingegangen ist. Die Spalte danach enthält Abkürzungen für technische Begriffe, die mir sagen, ob und beim wievielten Versuch die Anmeldung erfolgreich war.“

Maron sah sich die Tabellen genau an ,um zu sehen, ob er verstanden hatte, von was sie gerade gesprochen hatte. Dann sagte er: „Was ist mit diesem Muster, Jenn’?“, und zeigte auf eine bestimmte Zeile. Jenna sah jetzt auch hin. „Sie haben Recht, Sir.“, sagte sie staunend. „Das wäre mir jetzt gar nicht aufgefallen. Aber ich habe dieses Schema irgendwo schon einmal gesehen.“ Sie zog die Stirn kraus und dachte nach.

„Vielleicht hilft es, wenn Sie sich das Schema als Bild zeigen lassen.“, schlug Maron vor, nachdem er ihr ganze zehn Minuten beim Denken zugesehen hatte. „Aber natürlich!“, freute sich Jenna über seinen Vorschlag. „Sie scheinen heute einen Lauf zu haben, Agent.“

Sie erteilte dem Avatar die entsprechenden Befehle. Dann sahen beide die graphische Darstellung eines SITCH-Signals. „Ich will verdammt sein, Sir!“, rief Jenna aus. „Das ist das gleiche Signal, das wir auch damals in der tindaranischen Garnison gesehen haben!“ „Sie haben Recht, Mc’Knight.“, erinnerte sich Maron. „Das bedeutet, Shimar hat die Wahrheit gesagt. IDUSA und er sind tatsächlich von dieser Ginalla auf eine falsche Fährte gelockt worden. Wenn ich mich nicht schon bei Shimar entschuldigt hätte, wäre das sicher jetzt fällig.“ „Da werden Sie von mir keinen Widerspruch hören, Agent.“, sagte Jenna grinsend.

Sie schloss ihr Arbeitspad an den Diagnoseport der Konsole an, um sich die Daten von dort herunterzuladen. Dann sagte sie: „Wir sind hier fertig. Ich werde Joran jetzt sagen, dass er uns holen kann.“ „Wenn wir wieder auf der Station sind, werde ich dem Chief-Agent der Tindaraner und dem der Föderation das Material vorlegen, Techniker.“, sagte Maron. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es kommentieren könnten.“ „Aber klar.“, sagte Jenna und zog ihr Sprechgerät, um Joran Bescheid zu geben, der beide sofort von IDUSA an Bord beamen ließ. Dann machten sie sich auf den Weg zurück zu Zirells Basis.

Scotty war an diesem Morgen bereits sehr früh erwacht. Selbst für ihn, der aus irgendeinem Grund immer noch nach der Sternenflottenzeit lebte, war es ungewöhnlich, dass er bereits um fünf Uhr auf der Kante seines großen in Beige gestrichenen Bettes saß. Er hatte gerade die weiche Decke zurückgeschlagen, deren Bezug mit einem in roten Karos gehaltenen Muster verziert war, aus dem in großzügiger Verteilung angeordnete gelbe Sternchen blitzten. Das Kissen hatte denselben Bezug und so sah auch das Laken aus. Er drehte sich zu seiner kleinen roten Nachtkonsole, auf der sich das Terminal für die Sprechanlage befand. Hier konnte er auch die Uhrzeit ablesen, welche von der Empfangsdame auf Scottys persönlichen Wunsch auf terranische Zeit eingestellt worden war, solange Scotty blieb. Das konnte von der Rezeption aus erledigt werden.

Er stand auf und drehte sich nach rechts, um in das ebenfalls mit fröhlichen warmen Farben ausgestattete Bad zu gehen. Nach einem ausgiebigen Aufenthalt in der Schalldusche nahm er ein Gerät aus seinem Kulturbeutel zur Hand, das uns vielleicht an eine tragbare Spielkonsole erinnern könnte. Damit hatte es aber nichts zu tun. Scotty hielt es vor sein Gesicht und drückte einen Knopf, worauf all seine Barthaare einfach fortgebeamt wurden. Wenn er also einmal sagte: „Ich brauch’ nur noch fne Sekunde zum Rasieren.“, konnte man dies wirklich wörtlich nehmen. Vor allen Dingen ich hatte diesen Umstand immer höchst amüsant gefunden, denn ich hatte ja den direkten Vergleich mit den im Vergleich dazu langwierigen Rasierorgien meines Vaters. Scotty hatte mir natürlich erklärt, dass er über die Menüsteuerung dem Gerät Dinge wie die zu verbleibende Bartlänge und andere Einzelheiten vorgeben konnte.

„Montgomery!“ Er hatte eine Stimme in der Tür zu seinem Zimmer wahrgenommen. Eine Stimme, die er sehr gut kannte. „Augenblick, Sedrin!“, rief er zurück und verließ, nachdem er sich vollständig angezogen hatte, das Badezimmer, um zu ihr zu gehen, die ihn bereits erwartete. „Wir müssen uns ein bisschen beeilen.“, erklärte Sedrin. „Der Transfer zum Tag der offenen Tür des tindaranischen Shuttlegeschwaders geht in zwei Stunden.“ „Aber es wird doch hoffentlich noch Zeit sein, einen Happen zu uns zu nehmen.“, meinte Scotty und ging zum Replikator. „Hast du einen besonderen Wunsch, Sedrin?“, fragte er die auf dem Stuhl am ebenfalls zum Zimmer gehörenden Schreibtisch sitzende Demetanerin. „Sommerfruchttee wäre gut.“, sagte sie. „Und dann frag ihn bitte nach Müsli und einem Quarkbrötchen.“ „OK.“, sagte Scotty. „Aber du klingst, als wärst du nicht sicher, ob das gute Stück dein Spezialmenü zaubern kann.“ „Das hier ist ein tindaranisches Gerät.“, begann Sedrin einen Vortrag. Wer sie kannte, war dies nicht anders von ihr gewohnt. „Es ist nicht gesagt, dass aufgrund der kulturellen Unterschiede alles, was ein Föderationsreplikator …“

Scotty pfiff den Anfang einer Melodie, als er ein Tablett vor ihr und sich auf dem Tisch abstellte, auf dem sich auf der einen Seite tatsächlich das von Sedrin Bestellte und auf der anderen Seite eine Tasse Kaffee und ein Teller mit Eiern mit Speck befanden. „Im Notfall hätte ich’s programmiert.“, grinste der ausgebildete Ingenieur.

Sedrin sah ihr Frühstück lange beeindruckt an. „Na nun iss!“, sagte Scotty in seiner berühmt berüchtigten Art. „Zum Angucken steht’s da nich’.“ Dabei hatte Scotty sich bereits genüsslich eine Gabel voll Rührei in den Mund geschoben.

Sedrin drehte sich plötzlich weg und verließ im Laufschritt das Zimmer in Richtung Bad. Als sie zurück war, sah Scotty die Blasse mitleidig an. „Entschuldige, wenn du das nicht sehen kannst.“, sagte er. „Es ist der Speck, habe ich Recht? Das hat doch sicher moralische Gründe. Oder?“ „Es sind die Vulkanier, die aus moralischen Gründen kein Fleisch essen, nicht mein Volk.“, verbesserte Sedrin. „Aber es ist auch nicht der Speck, sondern es sind die Eier. Ich kann das einfach nicht sehen. Aber das hat nichts mit Moral zu tun. Für mich sieht das nur rein optisch aus, als würde man die Augen einer platonischen Schneekröte aussaugen, die ja bekanntlich weißgelbe Augen hat, wenn ich Rührei sehe. Bei Spiegelei ist es noch schlimmer.“ „Oh, Sorry.“, sagte Scotty peinlich berührt und schiss sich innerlich selbst zusammen, dass die Fetzen flogen. „Dann ändern wir mal die Sitzordnung. Er rückte um die Ecke. „So.“, sagte er danach. „Um mir jetzt auf den Teller sehen zu können, müsstest du dich dauerhaft nach rechts verrenken und das würde dein Nacken nicht sehr prickelnd finden.“ „Danke, Scotty.“, lächelte Sedrin zurück, der es schon viel besser ging. „Du findest wohl immer eine Lösung.“

Alana hatte ihre Ausbildung beendet. Auch die notwendigen Veränderungen, die vorgenommen werden mussten, damit keiner sie erkennen würde, waren geschehen. Da sie auch eine Miray war, musste dies aber nicht viel sein. Sie benötigte nur eine andere Haarfarbe. Operationen waren eigentlich nie ihr Ding gewesen und so war sie froh, dass kein geheimdienstlicher Arzt bei ihr Hand angelegt hatte.

Nun ging sie den langen Gang zu Alegrias Gemach entlang, um sich gleich unter falschem Namen bei ihr vorzustellen. Eine falsche Identität hatte ihr Merkurion selbstverständlich besorgt.

Timor erkannte sie nicht, als er die junge fremde Frau durchwinkte. Alana war in der Hinsicht zweigeteilt. Eigentlich hätte sie sich sehr gefreut, wenn der Geliebte sie erkannt hätte. Aber Merkurion hatte ihr eingeschärft, dass dies nicht geschehen durfte. „Die neue Shuttlepilotin ist hier, Hoheit.“, kündigte der Diener sie an. „Lass sie ein!“, befahl Alegria.

Mit klopfendem Herzen betrat Alana das Zimmer. Sie hoffte sehr, dass Alegria sie nie gesehen hatte und wenn, dass sie die Kammerjungfer kaum eines Blickes gewürdigt hatte. Sonst wäre es mit ihrer Tarnung sicherlich aus gewesen.

„Setz dich!“, befahl die Prinzessin und deutete auf einen Stuhl neben dem Ihren, der aber bedeutend niedriger war. Alana legte einen Datenkristall auf den marmornen Schreibtisch. Ohnehin hatte Alegria die Einrichtung ihrer Gemächer komplett verändern lassen. In allem wollte sie ihre Schwester übertreffen. Das führte sogar zu sehr abstrusen Auswüchsen bei beiden Prinzessinnen. Sowohl Hestia als auch Alegria hatten ein Dekret erlassen, nach dem jeder einfache Bürger nur noch so viel haben durfte, dass es für eine Scheibe Brot am Tag reichen würde. Alles andere musste man den Prinzessinnen als Zehnt zur Verfügung stellen. Auch zu merkwürdigen Ritualen war es gekommen. Jeder musste zum Beispiel eine kleine Statuette im Haus haben, welche die jeweilige Prinzessin vor einem goldenen Tor darstellte. Morgens nach dem Aufstehen mussten alle eine merkwürdige Beschwörungsformel sprechen, die angeblich die Suche nach dem Tor beschleunigen sollte. Die Einhaltung dieser Rituale wurde sorgfältig von Polizeikräften überwacht. Wer es bis zu einer bestimmten Urzeit nicht getan hatte, wurde verhaftet und dazu gezwungen. Wer aus Versehen den falschen Namen verwendete, wurde gleich getötet und das ohne Prozess!

Alegria hatte den Inhalt des Kristalls kurz durchgelesen. „Du heißt also Mila.“, sagte sie. „Deine Prüfung hast du mit Bravur bestanden, lese ich hier.“ „Ja.“, sagte Alana, wie es abgesprochen war. „Ihr werdet also bei mir in sehr sicheren Händen sein.“ „Also gut.“, sagte die Prinzessin, der auch bewusst war, dass Alana alias Mila die einzige Bewerberin war.

„Wie stehst du zu meiner Schwester?“, fragte Alegria und Alana war sicher, jenes hasserfüllte Blitzen in ihren Augen zu sehen, das sie auch bei Hestia wahrgenommen hatte, wenn das Gespräch auf Alegria gekommen war.“ „Eure Schwester ist auch meine Feindin.“, erwiderte Alana und holte einen Anhänger an einer Kette hervor, der das gleiche Bild wie die Statuetten zeigte. „Euch aber werde ich treu ergeben sein, auch wenn ich eigentlich auf Miray Prime geboren und aufgewachsen bin, das jetzt Eurer Schwester gehört. Aber glücklicherweise bedeutet das ja nichts. Ich bin ja nicht dem Erdboden meiner Heimat verpflichtet. Das ist nur ein Stück Sand. Viel mehr bin ich der Frau verpflichtet, die bald Herrscherin über beide Planeten sein wird.“

Alegria sonnte sich in den verbalen Schmeicheleien, die ihr Alana servierte. „Also gut.“, sagte sie dann. „Melde dich bei meinen Wachen. Sie werden dich zu meinem privaten Hangar bringen, wo du dein Arbeitsgerät in Augenschein nehmen wirst. Dann wird man dir deine Unterkunft zeigen.“ Alana nickte und folgte Timor aus dem Zimmer, der noch immer keinen Verdacht geschöpft hatte.

Scotty und Sedrin waren mit einem der vielen Transferbusse zur Garnison des tindaranischen Militärs, die gerade rein zufällig Tag der offenen Tür hatte, unterwegs gewesen und hatten sich nun in eine der vielen Schlangen vor den Eingängen zum Gelände eingereiht. „Hoffentlich fallen wir nicht auf.“, meinte Scotty nervös. „Wenn Sie sich nicht auffällig benehmen, wird das auch nicht passieren.“, flüsterte ihm Sedrin zu, die ihm schon verdeutlicht hatte, dass sie ihre Tarnung aufgeben konnten.

Ein Wachoffizier, der den Einlass regelte, sperrte plötzlich vor ihnen ab. „Was soll das?“, fragte Scotty irritiert. „Ruhig Blut.“, antwortete Sedrin und wendete sich an den Wachhabenden: „Tindara ist im Frühling sehr reizvoll.“ „Sie haben unsere Sommer noch nicht kennen gelernt.“, sagte der Fremde, ein junger Tindaraner von schlanker drahtiger Statur.

Sedrin zog Scotty zu einem Blumentopf in der Nähe. „Was sollte das?“, fragte der Techniker. Sie gab keine Antwort. Statt dessen betrat jetzt eine zierliche Tindaranerin in Fliegeruniform die Bildfläche. Sie hatte langes rotes Haar und machte ein freundliches Gesicht. Sedrin warf ihr einen Blick zu, worauf sie nur nickte und beiden ein Zeichen gab, ihr zu folgen.

Sie gelangten zu einem verlassenen Stellplatz, auf dem sich ein Shuttle befand. Die Fremde legte ihren Finger in die Sensorenmulde an der Tür zum Cockpit, worauf das Schiff sie auf Tindaranisch begrüßte und alle drei einließ. Routiniert setzte sie den Neurokoppler auf und startete das Schiff, nachdem sich alle gesetzt hatten. „Jetzt können wir frei reden.“, sagte sie dann und stellte sich vor: „Ich bin Agent Kibell vom tindaranischen Geheimdienst. Mein Auftrag lautet, Sie nach Basis 281 Alpha zu überstellen.“ „Angenehm, Agent.“, sagte Scotty darauf, nachdem er mit Sedrin einen viel sagenden Austausch von Blicken durchgeführt hatte. Jetzt wusste er sicher, dass er seine Tarnung fallen lassen konnte. „Ich bin Techniker Montgomery Scott. Ihre Kollegin werden Sie ja schon kennen. Verzeihung, wirst du. Bei euch ist das Sie ja nicht üblich.“ „Schon gut.“, lächelte Kibell.

Sie setzte Kurs hinter den anderen Shuttles her, die in einem langen Zug über die Garnison flogen. Der normale Rundflug für Touristen bestand aus einer Schleife, in der die Zivilisten das sehen würden, was die Regierung sie sehen lassen konnte. Hauptsächlich waren das Anlagen und Gebäude, also nichts Geheimes oder Verwerfliches. Ihre Position am Ende der Schlange hatte Kibell mit Absicht gewählt. So würde ihr plötzlicher Kurswechsel so schnell niemandem auffallen und auch niemanden gefährden.

Bald sahen Scotty und Sedrin Tindara aus dem Orbit und dann, wie sich die blaugrüne Kugel immer weiter entfernte. „Wow.“, lobte Scotty. „Den Schlenker hab ich doch glatt nich’ gemerkt. Also, bei dir wird garantiert keiner raumkrank.“ „Danke vielmals.“, lächelte Kibell mit ihrer weichen hohen fast schmeichelnden Stimme zurück.

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