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IDUSA und N’Cara waren Athenas Schiff gefolgt, bis sie in der Umlaufbahn von Genesia Prime angekommen waren. Wie vereinbart hatte Shimar den gesamten Flug in der Achterkabine verbracht, denn Männer durften laut der genesianischen Kultur nicht anwesend sein, wenn Frauen etwas zu besprechen hatten. „Wir sind da, N’Cara.“, meldete das Schiff. „OK.“, sagte die Jugendliche. „Verbinde mich mit Athena.“

IDUSA tat, was N’Cara ihr gesagt hatte und bald sah sich der Teenager wieder der Patrouillenfliegerin gegenüber. „Gibt es irgendwas, das ich beachten müsste?“, fragte N’Cara. „Das gibt es schon.“, antwortete Athena. „Wir sollten sicher gehen, dass du eine Gegnerin bekommst, die deinem Alter angemessen ist. Prätora Cyrade wird deine Anschuldigungen nicht auf sich sitzen lassen und wird wahrscheinlich ihre älteste Tochter gegen dich antreten lassen. Hoffen wir, dass du eine so gute Schützin bist, wie du behauptet hast.“ Sie lachte auf. „Davon könnt ihr alle ausgehen.“, sagte N’Cara selbstbewusst. „IDUSA, übernimm die Steuerkontrolle!“

Sie ging nach hinten in die Achterkabine. „Wir sind da, Shimar.“, sagte sie. „OK.“, antwortete der Tindaraner. „Ich nehme an, du wirst gleich herunterbeamen.“ „Das werde ich.“, sagte N’Cara und griff ihren Phaser, den sie mitgenommen hatte. „Pass aber auf, dass du nichts Falsches tust.“, ermahnte sie Shimar. „Du weißt, wie es bei Ginalla gewesen ist. Ein falsches Wort und du landest im Gefängnis. Ich habe keine Lust, euch beide befreien zu müssen, zumal ich das gar nicht dürfte und ich große Schwierigkeiten damit hätte, deinem Vater zu erklären, warum ich es vergeigt habe, auf dich aufzupassen.“ „Ich bin nicht so blöd wie Ginalla!“, sagte N’Cara abschätzig. „Ich weiß, was ich tue und ich weiß, was ich sage.“ „Trotzdem wäre es mir lieber, ich könnte dir irgendwie vorsagen.“, entgegnete Shimar. „Aber einen Empfänger in deinem Ohr könnten die Genesianer sehen.“ „Eine telepathische Verbindung könnten sie nicht so ohne Weiteres sehen.“, schlug das Mädchen vor. Shimar pfiff durch die Zähne. „Aber natürlich!“

Beide gingen ins Cockpit zurück und Shimar erklärte dem Schiff, was er und N’Cara beabsichtigten. „Wenn du auf Genesia Prime bist, N’Cara, soll ich Shimar über alles informieren, das meine Datenbank zu der jeweiligen Situation hergibt.“, fasste das Schiff die Erklärungen zusammen. „Über eine telepathische Verbindung, die Sie initiieren, Shimar, wird sie dann alles erfahren.“ „Richtig, IDUSA.“, sagte Shimar und N’Cara nickte. „Dann habe ich ja alles richtig verstanden.“, stellte das Schiff fest. „Bitte sag mir, wenn du so weit bist, N’Cara.“ „Von mir aus kann es losgehen, IDUSA.“, sagte die kleine Lithianerin. „Gut.“, antwortete das Schiff. „Dann beame ich jetzt.“

N’Cara fand sich in der großen Halle der Genesianer wieder. IDUSA hatte sie direkt vor dem Platz der obersten Prätora abgesetzt. Aber eine Leibwächterin verhinderte, dass sie gleich zu ihr ging. „Was willst du hier, Kind?!“, fragte die große starke Kriegerin mit den langen roten Haaren, die sie wie einen Flammenkranz um ihr Gesicht frisiert hatte. „Lass sie durch, Meduse!“, ließ sich eine barsche Stimme von einem Podest vernehmen. „Wie Ihr wünscht, oberste Prätora.“, entgegnete die Wächterin gehorsam.

Mit festem Schritt ging N’Cara auf die oberste Prätora zu. „Du bist also die Jugendliche, die mit einem tindaranischen Schiff unterwegs ist, um eine unserer Gefangenen zu befreien.“, sagte Shashana, während sie N’Cara musterte. „Das ist richtig, oberste Prätora.“, sagte diese. „Ich weiß, dass Ginalla nie gesagt hat, dass sie für die gesamte Föderation spricht. Das muss sich Cyrade ausgedacht haben, um euch in einen Krieg mit der Föderation zu manövrieren, damit ihr nicht mehr seht, was hinter eurem Rücken passiert. Da verscherbelt sie dann still und heimlich ihre Welt an Sytania und zack hat die einen Brückenkopf im Universum.“ „Du beschuldigst eine meiner Kriegerinnen der Zusammenarbeit mit Sytania, Kind!“, empörte sich Shashana, die ihre eigenen Erfahrungen mit Sytania gemacht hatte. Ohne die Besatzung der Eclypse wäre sie ihr damals beinahe anheim gefallen.

N’Cara wurden die Knie weich. Lass dich jetzt nicht erweichen., Hörte sie Shimars Stimme in ihrem Geist. Wenn du jetzt wankst, denkt sie, du würdest lügen. Ich versuche es., gab N’Cara auf gleichem Weg zurück.

„Bleibst du bei deiner Behauptung?“, wollte Shashana wissen. „Ja, das bleibe ich.“, sagte das Mädchen, nachdem sie ihren Mut wieder gefunden hatte. „Dann werde ich auch Cyrade dazu vernehmen lassen.“, sagte Shashana. „Wir werden sehen, was sie dazu zu sagen hat. Sollte sie deine Anschuldigung als Lüge bezeichnen, wird es wohl auf ein Urteil der Götter hinaus laufen müssen. Oder hast du Beweise, die unumstößlich sind?“

Shimar, soll ich ihr das mit der Aufzeichnung sagen?, wandte sich N’Cara telepathisch an ihren Freund an Bord des Schiffes. Es wäre klüger, das noch nicht zu tun., gab der junge Pilot zurück. Sie kann immer behaupten, die Aufzeichnung wäre technisch manipuliert worden. Lass das besser deinen Phaser beim Zielschießen erledigen, Jassica James.

„Meine Prätora hat dir eine Frage gestellt!“, mischte sich die Wächterin streng ein. „Verlasse uns, Meduse!“, befahl Shashana. „Sie ist keine Gefahr für mich und es gibt keinen Grund, mit ihr so umzugehen. Sie ist noch ein halbes Kind und als solches sicher sehr ängstlich. Außerdem kommt sie aus der Föderation, in der sich hartnäckig das Gerücht hält, wir würden Kinder verspeisen.“

Missmutig mit den Zähnen knirschend verließ die Wache den Raum. „Nun sind wir allein.“, lächelte Shashana. N’Cara war über diese Regung ihres Gegenüber sehr überrascht. „Selbst wenn stimmen sollte, was du behauptet hast, wird es schwer sein, Cyrade etwas zu beweisen. Ich habe schon länger den Verdacht, dass sie krumme Geschäfte macht, aber bisher leider keinen Beweis dafür finden können. Deshalb habe ich dir die Frage mit den Beweisen gestellt.“ „Würdet Ihr ein Urteil der Götter akzeptieren?“, fragte N’Cara. „Das würde ich.“, sagte Shashana freundlich. „Aber wenn du wirklich gegen ihre Tochter antreten musst, wird das nicht leicht. Ataura ist eine gute Schützin.“ „Das bin ich auch.“, lächelte N’Cara. „Außerdem ist es doch nicht wichtig, wie gut jemand ist, wenn es darum geht, dass die Götter der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen. Oder vertraut Ihr Euren eigenen Göttern nicht?“ „Natürlich tue ich das.“, antwortete Shashana. „Kehre auf dein Schiff zurück. Ich werde Cyrade deine Herausforderung und die Anschuldigungen mitteilen lassen.“ „OK.“, lächelte N’Cara und zog ihr Sprechgerät, um IDUSA Bescheid zu geben, die sie an Bord holte.

Joran saß in Jennas und seinem Quartier in der Badewanne. Allerdings war das nicht nur ein Bad, sondern diente seiner Tarnung. Er wollte ein möglichst perfekter Raumpirat sein und dazu bedurfte es, so fand er zumindest, der Änderung der Farbe seines Fells. Dazu hatte er sich von IDUSA eine Färbelösung nach einem alten vendarischen Rezept replizieren lassen, die er ins Wasser gegeben hatte. Diese Lösung musste mindestens eine halbe Stunde auf die Haare einwirken, um beim Abtrocknenvorgang nicht gleich wieder abgerieben zu werden. Neben Joran stand Nidell, die ihn mit einer Bürste dort bearbeitete, wo er selbst es nicht konnte. Als Assistentin des medizinischen Offiziers hatte Nidell Joran ja schon oft so gesehen, wie die Götter ihn geschaffen hatten. So fanden beide nichts dabei.

Plötzlich schreckte Nidell ob des grimmigen Gesichtsausdrucks des Vendar zurück. „Mache ich etwas nicht richtig?“, fragte sie ängstlich. Joran spitzte die Lippen und schaute sie weich an. „Keine Furcht, Ishanach.“, schnurrte er ihr leise verbal zu. „Ich übe nur, falls ich Agent Maron mal zurechtweisen muss, um unsere Tarnung aufrecht zu erhalten. Ich würde dir nie etwas tun.“ Er streichelte ihre Wange. Nidell, die einige Begriffe aus Jorans Muttersprache kannte und daher wusste, dass er sie eine Freundin genannt hatte, atmete erleichtert auf, bevor sie entdeckte, dass sie jetzt eine apfelrote Wange und eine blasse hatte. „Oh, nein!“, quietschte sie und schüttete sich vor Lachen aus. „Wie sehe ich denn jetzt aus?“ Joran musterte sie und entgegnete: „Du siehst in der Tat sehr lustig aus.“, bevor er selbst in das berühmte leicht poltrige Lachen verfiel, das alle von ihm kannten. „Du kannst übrigens aus dem Wasser steigen.“, prustete Nidell. „Die Zeit ist um.“

Joran erhob sich und entstieg der Wanne. „Ich denke, dass wohl eine bei der ganzen Aktion nicht so viel Spaß haben wird wie wir zwei.“, sagte er. „Meinst du Agent Sedrin?“, fragte Nidell. „Nein.“, sagte Joran. „Ich spreche über IDUSA.“

Wie Recht er haben sollte, zeigte sich zum gleichen Zeitpunkt in der technischen Kapsel, wo Jenna dabei war, die nötigen Veränderungen am Schiff durchzuführen. „Müssen Sie wirklich mein Transpondersignal umschreiben?“, fragte das Schiff. „Ja.“, antwortete Jenna. „Du musst in sämtlichen Dingen wie ein Raumpiratenschiff wirken. Also darfst du auch nicht mehr das Signal der tindaranischen Streitkräfte aussenden.“ „Aber könnte mich diese Piratin nicht erst kürzlich gestohlen haben und noch nicht dazu gekommen sein, das Signal zu ändern?“, fragte das Schiff, dem man, wenn man es nicht besser wüsste, glatt unterstellen könnte, Scham dafür zu empfinden, als Vehikel einer Kriminellen benutzt zu werden. „Es ist doch nur für eine ganz kurze Zeit, IDUSA.“, tröstete Jenna. „Wenn das vorbei ist, bist du wieder ein rühmliches Schiff der tindaranischen Streitkräfte. Das verspreche ich dir.“ „Also gut.“, antwortete das Schiff und ließ Jenna in die entsprechenden Dateien. „Na, ob Major Carter erst mal einen Computer überredet hätte?“, fragte Shannon lästernd. Jenna setzte einen tadelnden Blick auf und sah ihre Assistentin an. „Die IDUSA-Einheiten sind jedem Lebewesen rechtlich gleichgestellt. Vergessen Sie das nicht, Assistant!“, tadelte Jenna. „Wenn IDUSA nicht einverstanden gewesen wäre, hätten wir uns eine andere Möglichkeit suchen müssen und vielleicht wäre ja sogar ihr Vorschlag …“

Jenna hatte die Tür wahrgenommen, die sich langsam geöffnet hatte und den Blick auf eine Frauengestalt frei gab, die im Rahmen stand. „Wie weit sind Sie, Techniker?“, fragte die Frau, die Jenna nur aufgrund ihrer Stimme als Agent Sedrin erkannt hatte. Ihr Äußeres hatte die Demetanerin extrem verändert. Statt der gewohnten Uniform trug sie nun saloppe Zivilkleidung, einen schicken Kurzhaarschnitt und abgewetzte Schuhe. „Wenn sie jetzt noch die Augenklappe und den Papageien hervorholt, drehe ich durch.“, lästerte Shannon. „Bedaure.“, konterte Sedrin. „Aber der Papagei hat die Vogelgrippe und die Augenklappe habe ich dem Klabautermann für einen Liebesdienst überlassen zusammen mit der Hakenhand. Was haben Sie für Vorstellungen, Technical Assistant?! Ah, da kommt ja mein Komplize.“

Joran betrat den Ort des Geschehens und Jenna raunte ihm etwas in Vendarisch zu. Sedrin hatte diese Sprache, die an das Altägyptische oder Arabische erinnerte, zwar schon einmal gehört, war aber erstaunt über den Umstand, dass sie so akzentfrei aus dem Mund der Halbschottin kam. „Gibt es eigentlich irgendetwas, das Sie nicht können, Mc’Knight?“, fragte die erstaunte Agentin. „Sicher wird es da etwas geben.“, meinte Jenna bescheiden.

Sedrin drehte sich in Richtung Shuttlerampe. „Sei es drum.“, sagte sie. „Was macht das Schiff?“ „Die Softwareveränderungen habe ich durchgeführt.“, sagte Jenna. „Jetzt geht es nur noch darum, ihr einige Kampfspuren zu verpassen. Shannon, führen Sie den Agent in unsere Schatzkammer!“

Die Angesprochene nickte und führte Sedrin in einen kleinen Raum am Ende der technischen Kapsel, in dem allerlei Ersatzteile aufgehoben wurden. Aber in diesem Fall waren es eher Trümmer von Kampfeinsätzen, die Jenna aus der normalerweise zur Basis gehörenden IDUSA-Einheit ausgebaut hatte. „O’Riley, das ist ja ein Augenschmaus!“, rief Sedrin begeistert aus. „Genau das, was wir brauchen. Holen Sie Ihre Vorgesetzte! Ich werde mir jetzt das Entsprechende aussuchen.“

Shannon tat, was ihr Sedrin gesagt hatte und wenig später war Jenna mit den Kaputtreparaturen fertig. Sie hatte einige Hüllenplatten ausgetauscht und sie durch solche mit Kampfspuren ersetzt. Nach Sedrins intensiver Begutachtung hatten die Veränderungen ihren Gefallen gefunden. Aber nicht nur ihren, sondern auch den von Joran. „Du hast dich selbst übertroffen, Telshanach.“, schmeichelte Joran. „Das hat sie in der Tat, wie du immer sagst, Joran.“, bestätigte Sedrin, bevor Jenna antworten konnte. „Wer ist Joran?“, fragte dieser. „Von jetzt an, großzügige Gedrin, nenn mich bitte Gilbaran.“ „Wie du willst.“, sagte Sedrin grinsend. „Dann warten wir ja nur noch auf unser Entführungsopfer.“

Auf der Krankenstation war Ishan mit Maron beschäftigt. „Ich werde dir jetzt genau erklären, was ich tue.“, sagte der Androide mit dem aldanischen Bewusstsein. „Ich werde mit dem chirurgischen Transporter etwas Blut aus den Gefäßen in deinem Gesicht in das umliegende Gewebe beamen. Dein Körper wird darauf mit einer Schwellung und eventuell echtem Schmerz reagieren.“ „Schon gut.“, sagte Maron. „Mach einfach. Solange du mir nicht bei vollem Bewusstsein alle Knochen brichst, soll mir alles egal sein.“ „Ich bin Arzt und kein Folterknecht.“, antwortete Ishan und der Demetaner gewann den Eindruck, dass sein Gegenüber eventuell beleidigt sein konnte. So abwegig war das auch gar nicht, das wusste Maron, denn immerhin war der Mediziner einmal ein Wesen aus Fleisch und Blut mit Emotionen gewesen, bevor die Umstände seines Lebens ihn in diesen künstlichen Körper gezwungen hatten.

„Ich beginne.“, warnte Ishan seinen vor ihm auf dem Operationstisch liegenden Patienten vor, bevor er dem chirurgischen Transporter zum ersten Mal den Befehl zum Beamen gab. Maron fühlte seine rechte Wange anschwellen und es tat wirklich ziemlich weh. „Ein richtig schönes Schlagmahl.“, lobte Ishan sein Werk, nachdem er es begutachtet hatte. „Tut auch schön weh.“, jammerte Maron. „Aber ich will hier nicht rumwinseln. Ich weiß ja, für welchen Zweck wir das hier tun. Also, mach weiter!“

Einige Vorgänge später konnte Maron entlassen werden und suchte Jenna, Sedrin und Joran in der technischen Kapsel auf. Sedrin erschrak, als sie ihres Schulfreundes ansichtig wurde. „Wir haben doch gesagt, ich soll aussehen, als hätte man mich misshandelt.“, erklärte der Demetaner Jenna und Sedrin, die ihn verschreckt ansahen. „Was habt ihr gemacht?!“, fragte Sedrin. „Hatten Ishan und du einen Boxkampf?“ „So ähnlich.“, log Maron grinsend. „Aber jetzt sollten wir machen, dass wir loskommen.“ „Ganz deiner Ansicht.“, sagte Sedrin und Maron und sie folgten Joran ins Innere des Schiffes. Dann dockten sie ab.

Auch Alegria und Timor waren unterwegs. Mila, die ja eigentlich Alana hieß, flog sie mit einem Shuttle ins Dunkle Imperium, wie es Alegria nach ihrem Traum von Sytania gewollt hatte. Alana war nicht sicher, ob Timor sie erkannt hatte, aber sie hoffte es im Stillen sehr, denn dieser Umstand würde über ihre Flucht entscheiden. Wenn sie allein sein würden, würde sie Timor ihre wahre Identität offenbaren. Aber dazu müsste Alegria erst mal von Bord sein.

Sie kamen in der Dimension an, nachdem Alana den interdimensionalen Antrieb ordnungsgemäß benutzt hatte. „Sieht alles sehr merkwürdig aus hier.“, meinte Timor und deutete aus dem Fenster. „Das muss dich nicht interessieren!“, entgegnete Alegria barsch. Vor lauter Aussicht, bald ihre Schwester ausstechen zu können, hatte sie keinen Blick mehr für alles um sie herum und auch nicht für die Leiden ihres Dieners, der die finstere Stimmung, in die das Dunkle Imperium getaucht war, regelrecht mit Händen greifen konnte. Aber all das war ja auch Sytanias Absicht gewesen.

Das Sprechgerät des Shuttles gab ein kurzes Signal von sich. „Wir werden gerufen, Hoheit.“, meldete Mila. „Antworte!“, befahl die Prinzessin. „Und dann stelle es auf den Hauptschirm.“ Mila tat, was ihr Alegria aufgetragen hatte. Bald sahen alle ein bäriges Gesicht, das einer ungefähr 2,20 m großen Frau auf einem Pferd gehörte. „Ich bin Cirnach Ed Telzan, Ehefrau und Stellvertreterin des Telzan, dem Vertrauten unserer mächtigen Gebieterin Sytania.“, stellte sich die Fremde langwierig vor. „Ich werde Euch, Prinzessin Alegria von Alegrien, zu meiner Herrin bringen. Bitte beamt zu den Koordinaten herunter, die Euch der Schein meiner Fackel anzeigt. Ich werde Euch dort abholen.“ Sie beendete das Gespräch. Fragend sah Alegria Mila an. „Es gibt einen Fackelschein.“, sagte die junge Pilotin. „Worauf wartest du dann?!“, fragte die Prinzessin schnippisch. „Fluchs, die Koordinaten eingegeben und dann aktiviert! Ein bisschen schnell!“ Alana nickte und führte ihre Befehle aus.

Alegria fand sich bald neben einer Fackel stehend wieder. Sie wusste nicht, wie sie die große weite Fläche, auf der sie sich befand, einordnen sollte. Von oben hatte alles so klein ausgesehen, aber das war ja ein durchaus gängiger Effekt, wenn man fliegend unterwegs war.

In der Ferne sah die Prinzessin jetzt die Silhouette einer Reiterin, die sich auf sie zu bewegte. Sie erkannte jenes Bärengesicht vom SITCH. „Cirnach!“, rief sie. „Ich bin hier.“ „Ich habe Euch längst erspäht.“, gab die Vendar zurück, die jetzt einen leichten Bogen ritt um ihr Pferd dann direkt neben Alegria zum Stehen zu bringen und sie quasi wie eine Blume im Vorbeigehen vom Boden zu pflücken, um sie dann hinter sich auf das Pferd zu pflanzen. „Du hebst mich mit zwei Fingern und wirkst dabei noch nicht einmal angestrengt?“, fragte Alegria verwirrt. „Nicht nur die Männer meines Volkes sind fünf mal so stark wie ein durchschnittlicher Humanoide.“, lachte Cirnach. Dann ließ sie die Zügel locker und befahl: „Dshâ!“, was frei übersetzt soviel wie: „Lauf!“, heißt. Gehorsam folgte das Pferd ihrem Befehl und setzte sich in Schritt. „Normalerweise ziehe ich einen scharfen Ritt vor.“, lachte Cirnach. „Aber jetzt habe ich noch jemanden, auf den ich aufpassen muss. Sytania würde es nicht gefallen, wenn ich Euch unterwegs verlöre.“ Sie lachte hämisch.

Endlich waren Alana und Timor allein mit sich. „Warum hast du mich ab und zu so seltsam angesehen?“, fragte Timor, der zwar inzwischen einen Verdacht hatte, diesen aber erst verifizieren wollte. „Weil ich nicht die bin, für die du mich hältst.“, sagte Alana und bewegte das Schiff aus der Umlaufbahn. „Was machst du?“, fragte Timor, dem ihr Verhalten gänzlich unverständlich war. „Wir können die Prinzessin doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Wir haben beide geschworen, sie nie im Stich zu lassen.“ „Die Einzige, der ich etwas geschworen habe, ist Hestia von Hestien.“, sagte Alana. „Für sie arbeite ich nämlich eigentlich. Ich bin eine Spionin. Aber das habe ich auch nur gemacht, weil ich eigentlich verhindern will, dass wir diesem wahnsinnigen Streit noch weiter ausgesetzt sind.“, erwiderte Alana. Jetzt fiel es Timor wie Schuppen von den Augen. „Alana!“, rief er, umarmte und küsste sie. „Endlich!“, atmete Alana erleichtert auf. „Ich hatte schon befürchtet, du würdest mich nie erkennen. Aber jetzt lass mich bitte los, damit wir unsere Flucht weiter fortsetzen können.“

Timor ließ von der Geliebten ab, die sich gleich daran machte, den interdimensionalen Antrieb des Shuttles zu aktivieren. „Wohin bringst du uns?“, fragte Timor, der mit den unzähligen Dimensionsfalten auf dem Bildschirm nichts anfangen konnte. „Nach Tindara.“, sagte Alana und strich mit der Hand über die richtige Falte. Alsbald flog das Schiff in die tindaranische Dimension ein. „Hier werden wir sicher sein. In der Dimension der Föderation würde man uns suchen, hier nicht. Es gibt hier einen Planeten, der New-Vendar-Prime heißt. Dort werden wir erst mal bleiben. Die Vendar dort sind Rebellen und werden uns sicher gut aufnehmen. Sie wissen sehr genau, zu was Größenwahn und Herrschsucht führen können.“ „Ich sehe, du hast alles sehr gut geplant.“, sagte Timor erleichtert.

Alana verlangsamte das Schiff von Warp eins auf ein Viertel Impuls. „Jetzt wird unser Flug zwar länger dauern.“, sagte sie. „Aber das mirayanische Antriebssystem hat einen Vorteil. Der Impulsantrieb ist bei dieser geringen Geschwindigkeit kaum von den Hintergrundbildern des Weltraumes zu unterscheiden. Falls man uns verfolgen sollte, sind wir gut getarnt.“ „Dafür nehme ich gern einen langen Flug auf mich.“, sagte Timor und sah sie verliebt an. „Um so länger können wir unsere Zweisamkeit genießen.“ Er küsste ihren Mund.

Cirnach und Alegria waren in Sytanias Schlosshof angekommen und die Vendar hatte ihrer Begleitung genau so vom Pferd geholfen, wie sie ihr auch auf selbiges geholfen hatte. Dann hatte sie das fuchsfarbene Tier einem Stallknecht übergeben und war mit der Prinzessin an der Hand durch das Tor geschritten. Bald kamen die Frauen vor einem prunkvoll geschmückten Gemach an, vor dem ein ebenfalls bärengesichtiger Mann Wache hielt. Cirnach flüsterte ihm etwas in ihrer gemeinsamen Muttersprache zu und er ließ die Frauen ohne weiteres Federlesen passieren.

Jetzt standen Alegria und Cirnach direkt vor Sytania, die auf einer Art Thronsessel saß. Neben ihr war ein weiterer Platz, der unbesetzt war und vor dem mit Gold und Samt verzierten Thronsessel stand ein niedrigerer Stuhl aus einfachem Holz.

Cirnach stellte sich hinter Alegria, um sie sichern zu können, falls sie fallen sollte. „Kommt herauf zu mir, edle Freundin.“, keifte Sytania von oben. Vorsichtig stieg Alegria die kleine Treppe zum Thron herauf und setzte sich auf den freien Platz neben Sytania. Cirnach nahm auf dem Holzstuhl unten zu Füßen der beiden Prinzessinnen Platz. „Nun.“, sagte Sytania. „Wie habt Ihr Euch entschieden?“ „Ich habe mich entschieden, Euer Angebot anzunehmen.“, erwiderte Alegria. „Gut.“, sagte die Imperianerin. „Dann soll es so sein.“ Sie schaute die Vendar an. „Cirnach, bring Schreibzeug und einen Dolch. Du weißt schon.“ „Ja, Gebieterin.“, antwortete die Vendar und ging aus dem Raum. „Wozu brauchen wir einen Dolch?“, fragte Alegria. „Weil wir beide diesen Vertrag mit unserem Blut besiegeln werden.“, antwortete Sytania. „Oder habt Ihr damit ein Problem? Denkt daran, dass nur dieser Vertrag zwischen uns zweien es ist, der Euch einen Vorteil gegenüber Eurer Schwester verschaffen kann. Da wird es doch um ein paar Tropfen Blut nicht schade sein.“ Sytania wusste genau, dass sie die Prinzessin bei ihrer Gier gepackt hatte, was ja auch ihr Ziel war.

Cirnach kam mit einem vergoldeten Schreibset zurück. Sie legte ein Pergament auf den Boden vor sich und Sytania diktierte ihr den Vertrag in die Hand. „Jetzt kommt der unangenehme Teil.“, warnte sie Alegria vor und Cirnach kam wie auf Stichwort mit dem Dolch nah an die Prinzessin heran. „Muss das sein?“, fragte Alegria blass. „Natürlich.“, lachte Sytania. „Oder wollt Ihr jetzt etwa einen Rückzieher machen. Denkt an Eure Schwester.“ „Natürlich nicht.“, sagte Alegria und ließ sich bereitwillig von Cirnach stechen, worauf drei Blutstropfen auf das Pergament fielen. Genau so ging es bei Sytania, die dafür extra per Willenskraft ihre Unverwundbarkeit temporär aufgegeben hatte.

Sytania sah nachdenklich zu Alegria herüber, nachdem der Vertrag unterschrieben war. „Mit meinen seherischen Fähigkeiten habe ich gerade festgestellt, dass Euer Schiff nicht mehr da ist, edle Freundin.“, sagte sie. „Aber das macht nichts. In meiner unermesslichen Gnade werde ich Euch jetzt in Euer Schloss zurückbringen. Seht es als Zeichen unserer Freundschaft.“ Es gab einen schwarzen Blitz und Alegria fand sich im Schloss wieder. Sie hoffte inständig, dass sich der Verbleib von Mila und Timor noch klären würde.

King, oder besser Hadrian und ich saßen an einem Tisch in der leeren Offiziersmesse. Der Platz war zwar in gewisser Weise öffentlich, aber da sich außer uns niemand dort befand, auch sehr gut für unser Gespräch geeignet. „Wer übernimmt jetzt eigentlich gerade Ihren Posten, Allrounder?“, fragte der Prinz. „Im Moment Agent Mikel.“, antwortete ich. „Commander Kissara hat mich dazu abkommandiert, mich speziell um Euch zu kümmern.“ „Dann ist das mit der leeren Messe wohl auch arrangiert.“, vermutete Hadrian. „Kann schon sein.“, erwiderte ich und spielte an einem Knopf meiner Uniformbluse. „Tragen Sie eine Wanze? Werden wir abgehört?“, scherzte Hadrian. „Nein.“, tröstete ich. „Wir sind allein, obwohl ich, falls Sie mir etwas mehr über den Plan verraten sollten, dies sofort dem Agent melden muss. Das mit dem Spielen an meiner Kleidung ist nur eine Marotte, wenn ich nervös bin und im Augenblick bin ich nervös. Irgendwie habe ich das Gefühl, Ihnen etwas kaputt gemacht zu haben, als ich Sie enttarnte.“ „In gewisser Weise haben Sie das vielleicht.“, sagte Hadrian. „Aber wir können das leicht kompensieren. Eigentlich wollte der Chief-Agent eine bestimmte politische Entwicklung auf Miray abwarten, bevor Sie mich enttarnen sollten. Aber das macht jetzt auch nichts. Ihr Commander hat befohlen, dass das Schiff höchstens mit Warp 2 fliegen soll, obwohl die Granger an sich bis Warp 9,9 fliegen könnte. Aber sie weiß ja auch, worum es geht.“ „Worum geht es denn?“, nahm ich meine Chance wahr, vielleicht doch mehr zu erfahren, aber Hadrian war wachsam und bemerkte, dass ich ihn aufs Glatteis führen wollte. „So läuft das nicht, meine Liebe.“, sagte er freundlich. „Die Antworten, die ich Ihnen nicht geben darf, werden Sie auf Basiria bekommen und nicht von mir.“ „Also gut, Hoheit.“, sagte ich. „Bitte nennen Sie mich nicht so.“, bat Hadrian. „Ich habe längst abgedankt und somit nichts mehr mit den mirayanischen Regierungsgeschäften zu tun. Sollen sich doch meine Schwestern bis aufs Blut darum streiten. Das ist nicht mehr mein Bier.“ „Tut mir Leid, dass ich das sagen muss.“, widersprach ich. „Aber Sie haben eine ganze Menge damit zu tun, wenn Sie ihrem Vater geholfen haben, diesen Plan zu entwerfen.“ „Sie merken auch alles.“, lächelte Hadrian. „Dumm sind Sie nicht. Ich habe außerdem sehr gestaunt, als ich erfahren habe, dass Sie die hauptsächliche Pilotin dieses Schiffes sind, obwohl Sie nicht sehen können.“ „Die Technik nimmt mir viel ab und hilft mir.“, fasste ich die Funktionsweise meines Hilfsprogramms zusammen. „Dachte ich mir.“, erwiderte er. „Aber da ist noch etwas. Die Art, wie Sie und der Agent mich enttarnt haben, zeugt von hoher Intelligenz. Mit Ihrer Aktion mit dem Watt hatte ich nicht gerechnet. Deshalb ist mir auch die Sache mit dem erfreuten Bad im Schmutz passiert. Aber Mikel und Sie hatten diese Vermutung ja schon länger.“ „Das Watt hat dafür eine gute Kulisse geboten.“, sagte ich. „Es ist einzigartig auf Terra und ein außerirdischer Prinz würde es erst recht nicht kennen.“ „Ich sagte ja bereits, Sie haben das Element der Überraschung sehr gut ausgenutzt. Sie sind ein hoch intelligentes kleines Ding. Nach außen hin tun Sie harmlos, aber innen sind Sie ganz schön durchtrieben.“ „Kann schon sein.“, lächelte ich.

Hadrian ging zum Replikator und replizierte uns beiden einen Milchkaffee. „Wo genau auf Basiria werde ich die Antworten finden?“, wollte ich wissen. „Suchen Sie doch am Besten die Präsidentenfamilie auf.“, schlug er vor. „Soweit ich informiert bin, sind Sie doch die Patentante des ersten Sohnes im Staate.“ „Also gut.“, sagte ich und nahm einen großen Schluck aus meiner Tasse. „Eines ist sicher.“, sagte Hadrian, von dem ich langsam das Gefühl bekam, er würde mich vor irgendetwas schützen wollen. „Es wird da unten nichts mit Ihnen geschehen, vor dem Sie sich fürchten müssen.“ „Ich habe keine Angst.“, erwiderte ich. „Das ist nur alles so mysteriös und spannend. Ich liebe Rätsel!“

„Wir müssten bald in der Umlaufbahn von Basiria sein.“, sagte Hadrian, nachdem er aus dem Fenster geblickt und das vulkanische Sonnensystem, in dem Eludeh und ihr Volk Zuflucht gefunden hatten, erkannt hatte. „An Ihrer Stelle würde ich mich bei Eludeh ankündigen. Ihr Rufzeichen kennen Sie doch bestimmt.“ Er lächelte mir konspirativ zu. „Ich muss gehen.“, sagte ich und zeigte auf meine Uhr. „Meine Schicht beginnt.“ „Tun Sie sich keinen Zwang an.“, lächelte Hadrian und verließ mit mir die Messe, bevor sich unsere Wege trennten.

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