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Die Sprechanlage machte unserer Unterhaltung ein abruptes Ende. „Was ist los, Kang?“, beantwortete Kissara den Ruf. „Die IDUSA-Einheit von Commander Zirells Basis in der tindaranischen Dimension fragt an, ob sie eine Live-Übertragung aus dem medizinischen Labor an Sie durchstellen darf. Sie sagt, die Übertragung wäre auf Befehl von Techniker Jenna Mc’Knight veranlasst worden und sei eigentlich für Allrounder Betsy bestimmt. Aber sie ist laut Computer ja noch immer bei Ihnen.“ „Na los, Kang!“, sagte Kissara alarmiert, die auf die offensichtliche Irritation des Klingonen, die ich aus seiner Stimme gehört hatte, nicht einging. „Stellen Sie endlich durch. Sie sagten gerade, es ist live und ich möchte nichts Wichtiges verpassen und der Allrounder erst recht nicht.“

Sie zog mich näher an Lautsprecher und Bildschirm heran. Jetzt sahen und hörten wir genau, was sich im Labor abspielte. „Ich sehe Agent Maron.“, beschrieb mir Kissara die Situation. „Er hat Reagenzgläser vor sich mit Chemikalien.“ „Ist er allein?“, fragte ich. „Nein.“, flüsterte sie. „Ein tindaranischer Medical Assistant und Techniker Mc’Knight sind bei ihm.“

Ich bekam jetzt auch eine Tonaufzeichnung mit. „Jenna.“, vergewisserte sich Maron, ob die Angesprochene noch immer bei ihm war. „Ich bin hier, Sir.“, antwortete Mc’Knight. „Ich bin nicht sicher, was ich hier tue.“, sagte Maron. „Ich war nie gut in Chemie und habe eine verdammte Angst, dass gleich hier alles in die Luft fliegt, wenn ich die Komponenten, die der Teil von mir, der aus Gajus’ Erinnerungen besteht, zusammenmischen will, wirklich …“ „Sie machen das bis jetzt großartig, Sir.“, lobte Jenna. „Vertrauen Sie Gajus. Seine Erinnerungen werden Sie führen. Ich vertraue in solchen Fällen auch Grandemought. Außerdem versteht Nidell genug von der Materie, um im Notfall eingreifen zu können. Aber wenn wir das Gift herstellen wollen, mit dem man jemanden termingerecht töten kann, dann müssen Sie es einfach versuchen.“ „Also gut.“, sagte Maron und goss die Chemikalien zusammen.

Jenna winkte Nidell, die mit dem Erfasser die daraus entstandene Mischung scannte. „Auf den ersten Blick sieht es aus wie Wasser.“, sagte die medizinische Assistentin und nahm eine Einstellung an ihrem Erfasser vor. „Aber wenn man weiß, wonach man suchen muss, erkennt man ein Gift.“ „Ich denke, jetzt wissen Sie, was Sie wissen wollten, Allrounder.“, sagte Jenna und ließ IDUSA die Verbindung abbrechen.

„Jetzt wissen wir, was Eludeh damit zu tun hat.“, sagte Kissara. „Stimmt.“, sagte ich. „Aber wir sollten es auf jeden Fall verifizieren.“ „Das sollten wir.“, bestätigte sie. „Aber ich bin sicher, dass sich das bewahrheiten wird. Eludeh hat als Einzige das entsprechende Wissen und anscheinend hat sie Brako und den anderen ein gehöriges Stück geholfen.“ „Die Anderen.“, sagte ich nachdenklich. „Wir müssen herausfinden, wer das sein kann.“ „Oh, ja.“, sagte mein Commander. „Aber einige Namen haben wir ja schon. Da wären Nugura, Eludeh und Brako.“ „Aber das alles ist so genau geplant.“, sagte ich. „Es kommt mir so vor, als sei auch noch irgendein Mächtiger involviert, der genau die Zukunft kennt.“ „Klingt auf den ersten Blick absurd.“, sagte Kissara. „Aber ein Mächtiger würde sich nur dann bereit erklären, jemandem die Zukunft zu offenbaren, wenn diese sich durch einen Eingriff nicht ändern würde. Während Sie auf Basiria sind, werde ich versuchen, das mit Hilfe von Mikel zu verifizieren. Wenn wir und die Tindaraner dann alle Puzzleteile zusammensetzen, wird, denke ich, ein hübsches Bild daraus werden.“ „OK, Commander.“, sagte ich konspirativ.

Wieder piepte die Sprechanlage und Kang meldete, dass wir die Umlaufbahn von Basiria erreicht hatten. „Ich gehe zum Transporterraum.“, sagte ich. „Jannings hat Koordinaten, an denen mich Eludehs Chauffeur treffen wird.“ „Alles klar.“, lächelte Kissara und ich glaubte schon wieder, sie schnurren gehört zu haben. „Die Behörden auf Basiria werden sich auch um eine Passage für den Prinzen kümmern, was ursprünglich die Aufgabe der Demetaner gewesen war. Aber das macht nichts. Gute Jagd, Allrounder.“, fügte sie noch hinzu, bevor ich ihren Bereitschaftsraum verließ.

Die Schlinge um Alegrias Hals, die von revolutionären Kräften geknüpft wurde, zog sich immer enger, wie die Prinzessin bald von ihren Sicherheitskräften erfahren musste. Man legte ihr sogar nah, den Palast zu verlassen, aber Alegria weigerte sich. „Ich werde jetzt erst recht nicht gehen!“, beharrte sie. „Jetzt, wo wir kurz vor dem Durchbruch stehen, wird auch mein Volk begreifen, dass seine Entbehrungen nicht umsonst waren.“

Sie ließ sich mit Ginalla verbinden. „Wo bist du?“, fragte sie. „Ich bin nicht mehr weit von Eurem Sonnensystem entfernt, Hoheit.“, tröstete die Celsianerin ihre doch arg nervöse Auftraggeberin. „In ein paar Minuten werde ich da sein. Hoffentlich wird Euer Volk nicht misstrauisch wegen dem plötzlichen Auftauchen des Tores.“ „Das glaube ich nicht, Ginalla.“, gab Alegria zurück. „Sie sind mir viel zu hörig und seit wann machst du dir Sorgen um so etwas?“ „Ich will ja nur nicht, dass Ihr abgesägt werdet, bevor ihr mich bezahlen könnt.“, gab Ginalla zu. „Mach dir keine Sorgen.“, tröstete Alegria. „Sie werden mir statt dessen die Füße küssen.“ Sie beendete das Gespräch.

Vor Alegrias Palast war eine große Menge aufgelaufen. Das Gerücht, dass das Tor jetzt doch gefunden war, hatte für eine Menge Wirbel unter den Leuten gesorgt. Es gab unter ihnen solche, die es durchaus begrüßten, dass Alegria es wohl durch eine glückliche Fügung tatsächlich gefunden hatte und die diesen Umstand bejubelten. Es gab aber auch Skeptiker, die durchaus von Sytania und ihren gemeinen Machenschaften gehört hatten und die intelligent genug waren, nicht darauf hereinzufallen. Sie ahnten, dass es kein gutes Ende nehmen würde, wenn Alegria allen dieses Tor jetzt als das wahrhaftige Tor zum Himmel verkaufen würde. Diese waren es auch, die insgeheim schon eine Revolution anzettelten, denn von einer Herrscherin, die sich und ihren Planeten einer bösen Macht als Marionette zur Verfügung stellte, wollte keiner von ihnen mehr regiert werden. So waren es nicht nur Hunger und Armut, welche die Revolution auf Alegrien vorantrieben. Man wartete nur noch auf einen schlüssigen Beweis.

Ginalla und Kamurus flogen ins mirayanische Sonnensystem ein. „Ich halte nicht für gut, wenn wir da einfach so mitmachen, Ginalla.“, teilte das Schiff seiner Pilotin seine Besorgnis mit. „Warum?“, fragte Ginalla. „Bitte schau dir die politische Situation an.“, ermahnte Kamurus sie. „Die politische Situation kann mich mal kreuzweise!“, schnippte Ginalla. „So was Unanständiges wie Politik mache ich nicht. Davon kriegt man nur Kopfschmerzen und ich hasse Kopfschmerzen. Die Situation der Miray ist mir so was von scheißegal, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Das ewige was ist wenn der Föderation geht mir am Arsch vorbei, klar?!“ „Oh, ich vergaß.“, meinte Kamurus mit ironischem Unterton. „Du bist ja gegen alles, was dich an die Föderation erinnert. Aber du solltest noch einmal ernsthaft über deine Haltung nachdenken. Sie könnte für uns alle eine große Gefahr beinhalten. Wenn wir Sytania ermöglichen, dass sie einen Brückenkopf im Universum hat, dann …“ „Hör auf zu labern.“, gähnte Ginalla, der sein Vortrag höchst langweilig vorkam. „Dann wird die Föderation zumindest mal sehen, wer Recht gehabt hat. Wollen wir wetten, dass sie es erst mal mit Diplomatie versuchen? Aber da beißen sie bei Sytania auf Granit. Die wird sogar über sie lachen und …“

Kamurus kam ein schrecklicher Verdacht. „Du riskierst, dass eine Macht wie Sytania einen Fuß ins Universum setzt, nur um deine Theorie zu beweisen?“, fragte er, denn er wünschte so sehr, dass sich sein Verdacht als unbegründet herausstellen würde. „Ja, das tue ich.“, bestätigte Ginalla. „Die sollen endlich mal lernen, dass sie mit ihrem friedfertigen Getue vielleicht nicht überall durchkommen. Diese Haltung ist mir von Anfang an unheimlich gewesen.“ „Aber dann kannst du doch nicht so etwas wollen.“, sagte Kamurus. „Oh, doch.“, sagte Ginalla. „Genau das will ich. Auch wenn ich dabei sehr mit dem Feuer spiele, aber …“

Kamurus hörte ihren Ausführungen nicht weiter zu. Er ahnte, dass es müßig war zu versuchen, ihr ins Gewissen zu reden. Nur IDUSA und Shimar würden jetzt noch das Schlimmste verhindern können.

In Hestias Gemach piepte ein Sprechgerät. Am Rufzeichen im Display sah die Prinzessin, dass es sich um eine Konferenzschaltung handelte, die ihre Schwester initiiert hatte. „Was gibt es?!“, fragte Hestia wütend. „Ich will dich nur an meinem Triumph teilhaben lassen.“, grinste Alegria ins Mikrofon. „In unsere Verbindung ist auch Ginalla mit eingebunden. Ich werde ihr jetzt befehlen, in das Tor zum Himmel zu fliegen und uns allen von dort zu berichten, was sie sieht.“ „Woher weißt du, dass dieses Phänomen, das erst jetzt plötzlich aufgetaucht ist, das Tor zum Himmel ist?“, fragte Hestia wie eine Anwältin, die gerade einen Angeklagten ins Kreuzverhör genommen hatte. „Glaubst du nicht viel eher, dass es sich um eine Art von Falle handeln könnte?“ „Du kannst ja gern versuchen, mir unlauteres Tun nachzuweisen.“, lachte Alegria. „Ich wünsche dir dabei viel Spaß.“ Sie wendete sich an Ginalla: „Flieg durch das Tor und beschreibe allen, was du siehst.“

„Hoffentlich geht das gut.“, äußerte Kamurus seine Bedenken, nachdem er von Ginalla den Befehl zum Einflug in das Phänomen bekommen hatte. „Das wird schon.“, tröstete sie. „Ich weiß, dass du in solchen Fällen meistens Hilfe brauchst. Ich werde ab hier übernehmen.“ Sie sah die Steuerkonsole, die ihr das Schiff gezeigt hatte.

In einem spiralförmigen Abwärtskurs folgte Kamurus nun den Windungen des Phänomens, um sich bald darauf in einer Dimension wieder zu finden, die den allgemeinen Vorstellungen eines Paradieses sehr ähnelte. „Alegria ruft uns über das interdimensionale Relais.“, meldete Kamurus. „Stell sie durch.“, sagte Ginalla. „Was siehst du.“, geiferte Alegria ihrer Beauftragten zu. „Ich sehe das Paradies, Hoheit.“, lächelte die Celsianerin. „Es scheint hier alles im Überfluss zu geben, was man sich nur vorstellen kann. Die Atmosphäre ist so gesund, wie ich es noch nie gesehen habe. Das Gleiche gilt für Wasser, Tiere und Pflanzen und die gesamte Umwelt. Es gibt hier ein buntes Blumenmeer und sehr schönes Wetter.“

Shimar, IDUSA und N’Cara waren inzwischen auch eingetroffen und das Schiff hatte den beiden Telepathen mit Hilfe ihrer interdimensionalen Sensoren einen Überblick verschafft. Shimar und N’Cara hatten allerdings längst jene Kälte wahrgenommen, die von dem Phänomen ausging. „Mir kann keiner erzählen, dass dieses Ding natürlichen Ursprungs ist.“, sagte N’Cara mit ängstlicher Stimme. „Mir auch nicht.“, bestätigte Shimar, der sich genau wie sie auch noch sehr gut an das Gefühl in Sytanias Kerker erinnern konnte. „Sollten wir Einspruch erheben?“, fragte IDUSA angesichts der Werte, die sie bei einem genaueren Scann erhalten hatte. „Ich mache Sie beide darauf aufmerksam, dass auch wir in die Konferenz integriert sind.“ „Warte!“, befahl Shimar. „Ich denke, das wird unsere Auftraggeberin schon erledigen.“

Er sollte Recht behalten, denn im nächsten Moment meldete sich Hestia. „Du glaubst doch nicht wirklich, Schwester, dass ich dir diesen Betrug abnehme. Das hier ist auf keinen Fall ein natürliches Phänomen. Auf diese Weise wirst du die Herrschaft nicht an dich reißen! Shimar, beweise, dass sie eine Betrügerin ist!“ „Was meint sie damit?“, fragte N’Cara. „Selbst gemeinsam sind wir zu schwach, um Sytanias Phänomen auf telepathischem Wege zu zerstören.“ „Das stimmt.“, sagte Shimar, dem aufgefallen war, dass N’Cara ihre Kräfte sehr gut einschätzen konnte. „Wir sind zu schwach. Aber IDUSA kann es.“

Er gab dem Schiff einige verbale Befehle auf Tindaranisch, von denen N’Cara nur das Wort Rosannium verstehen konnte, weil es als Eigenname keine Übersetzung hatte. Das Schiff hob alsbald die Schilde, um ihre Insassen gegen die Wirkung des Rosannium hermetisch schützen zu können und flog auf Automatik in Richtung des Phänomens, um dann bis zur Hälfte hinein zu fliegen. Dann lud sie die Rosannium-Waffe. „Feuerbereit auf Ihren Befehl.“, meldete sie an Shimars Adresse. „Verbinde mich mit Ginalla.“, sagte er ruhig.

Wenig später sah er das Gesicht der Celsianerin auf dem virtuellen Schirm. „Was is’?“, fragte Ginalla. „Kannst du nich’ verknusen, dass wir das Tor zuerst gefunden haben?“ „Darum geht es nicht.“, sagte Shimar ernst. „Ich muss dich bitten, sofort umzukehren. Wir werden gleich etwas tun, das das Phänomen und auch die Dimension dahinter zerstören wird. Wir können nicht zulassen, dass Sytania einen Brückenkopf im Universum bekommt.“ „Wenn du wüsstest, wie egal mir das ist.“, sagte Ginalla trotzig. „Und wenn dieses hier hundert mal die Schöpfung einer Mächtigen ist. Bis man das merkt, hat Alegria mich längst bezahlt und ich bin über alle Berge. Nach mir die Sintflut!“

Shimar atmete frustriert aus, während er dachte: Die ist unbelehrbar. Dann befahl er dem Schiff: „IDUSA, Rosannium-Waffe auf halbe Kraft und Feuer!“ „Wie Sie wünschen.“, antwortete das Schiff und führte seinen Befehl aus.

„Ginalla, die Dimension beginnt sich aufzulösen.“, meldete Kamurus. „Was ist der Grund dafür?“, fragte die doch jetzt sehr alarmierte Celsianerin. „Offensichtlich wird mit Rosannium innerhalb der interdimensionalen Pforte operiert.“ „Aber das macht doch normaler Materie nichts.“, antwortete Ginalla verwirrt. „Normaler Materie nicht.“, klärte sie Kamurus auf. „Aber wenn diese eine Schöpfung eines Mächtigen ist, dann …“ „Verdammt!“, rief Ginalla und gab Kamurus einige Steuerbefehle. „Ich kann weder vor noch zurück.“, sagte er. „Meine Antriebe greifen nicht.“ „Noch nicht mal der Interdimensionale?“, fragte Ginalla, der es heiß und kalt wurde. „Nein.“, sagte Kamurus. „Durch die Anwendung von Rosannium innerhalb der Pforte wirkt sich die Instabilität auch auf die interdimensionale Schicht aus. Aber ich habe bereits einen Notruf an IDUSA abgesetzt. Ich stehe noch immer mit ihr in Kontakt.“ „Was tust du?!“, empörte sich Ginalla. „Wir wollten doch nicht …“ „Du wolltest nicht.“, stellte Kamurus fest. „Ich empfand es schon immer als vernünftiger, mit Shimar zusammenzuarbeiten. Gott sei Dank!“

Kamurus hatte einen Traktorstrahl an seiner Hülle gespürt. „Hol uns bitte hier raus, IDUSA.“, SITCHte er ihr zu. „Das habe ich vor.“, gab sie zurück. „Es wäre nur gut, wenn auch du deinen Traktorstrahl an meine Hülle anlegen könntest. Dann ist unsere Verbindung stabiler und Shimar hat nicht das Gefühl, einen Elefanten auf einer Erbse zu balancieren, wenn er uns hier raus fliegt.“ „OK.“, gab Kamurus zurück und tat, was sie ihm vorgeschlagen hatte.

Das Geschehen wurde auch auf einer großen Leinwand vor Alegrias Palast übertragen, wo auch jene Revolutionäre alles mitbekommen hatten, was dafür sorgte, dass plötzlich alles ganz schnell ging. „Betrügerin!!!“, schrie jemand und warf einen versteckten Brandsatz in Alegrias Fenster, der die Prinzessin tödlich am Kopf traf, noch bevor die Sicherheitsleute reagieren konnten. Das war auch für alle anderen das Signal. Man überwältigte die Wachen, von denen ein Großteil ebenfalls spätestens jetzt zu den Revolutionären übergelaufen war und stürmte den Palast. Wut und Zerstörung nahmen ihren Lauf und sogar Alegrias Leiche wurde von einigen Frauen an den Haaren aus dem Palast gezerrt und dann wurde sich ein Spaß daraus gemacht, die Tote mit allerlei übel riechendem Zeug zu überschütten und ihr die Haare und Nägel einzeln auszureißen. „Sie soll bezahlen!“, skandierte man. „Jetzt soll sie bezahlen für unsere Ausbeutung und für das, dass sie uns um ein Haar an noch jemanden viel Schlimmeres ausgeliefert hätte!“

Kamurus und IDUSA hatten sich wieder voneinander gelöst. Es war Shimar und seinem Schiff tatsächlich gelungen, Ginalla und ihr Schiff aus dem zusammenbrechenden Phänomen zu befreien. Statt sich zu bedanken hatte Ginalla aber ganz schnell wieder das Weite gesucht. Nur Shimar und N’Cara sowie IDUSA sahen jetzt noch das Brandschatzen und Morden, das die Revolution mit sich brachte. Das geknechtete Volk ließ jetzt seiner Wut freien Lauf. „Was haben wir getan?!“, rief N’Cara und warf sich an Shimars Brust, um im gleichen Augenblick in Tränen auszubrechen. „Die armen Leute. Oh, Gott, Shimar, die armen Leute. In welchem Chaos müssen sie jetzt leben? Das ist unsere Schuld!“

„IDUSA, lösch N’Caras Tabelle!“, befahl Shimar. „Sie soll das nicht sehen!“ Bereitwillig tat das Schiff, was von ihr verlangt worden war. Sie kannte ihren Piloten und wusste, dass sein Befehl nicht nur bedeutete, was er wörtlich gesagt hatte, sondern dass es auch für sie hieß, möglichst schnell einen möglichst großen Abstand zwischen sich und diesen Chaosplaneten zu bringen, damit Shimar, wenn N’Cara sich beruhigt hätte, eine Möglichkeit suchen könnte, ihr alles zu erklären. Außerdem durften sie Ginalla und Kamurus nicht aus den Augen verlieren.

Hestia hatte das Geschehen auf dem Nachbarplaneten im Beisein von Merkurion verfolgt. „Daraus werde ich lernen.“, sagte sie. „So weit werde ich es nicht kommen lassen. Ich bin nicht so dumm wie meine Schwester. Ich werde die Vorratskammern öffnen lassen und den heutigen Tag zu einem Festtag erklären, um die Leute zu beruhigen. Aber das ist noch lange nicht alles, Merkurion. Ich werde bei der Föderation beantragen, dass mein Hestien, mein friedliches Hestien, das ohne eine Revolution ausgekommen ist, integriert wird. Dann stellt mir Nugura sicher Wissen und Forschungsgüter bereit. Dann werde ich das Tor finden und alleinige Herrin über das mirayanische Sonnensystem. Auch, wenn ich bis jetzt übrig geblieben bin, so darf ich so lange nicht herrschen, solange ich nicht das Tor gefunden habe. Bei der Anerkennung meiner Herrschaft bin ich leider durch den klugen Schachzug meines Vaters bedingt auf das OK der Priesterschaft angewiesen. Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend.“ „Hoheit sind sehr raffiniert.“, schmeichelte Merkurion. „Aber seid Ihr sicher, dass Nugura Eurem Plan zustimmen wird? Ich meine, sie wird doch auch über die Dinge informiert sein, die sich hier abgespielt haben. So einfach wird das sicher nicht. Die Föderation hat ein Gesetz, dem nach sie nicht …“ „Ich weiß.“, schnitt ihm Hestia das Wort ab. „Aber es gibt ja keine Gesellschaft mehr, der gegenüber ich einen unlauteren Vorteil erlangen könnte oder so etwas. Ich bin überzeugt, wenn Nugura sieht, wie es hier zugeht, wird sie meine Bitte um Hilfe annehmen.“ „Hoffentlich irrt Ihr da nicht.“, sagte Merkurion und legte nachdenklich die Stirn in Falten. „Hör auf zu grübeln!“, befahl Hestia. „Es wird schon gut gehen.“

Spähsonden hatten alles auch nach Tindara gemeldet. Aber auch durch Shimar hatte Zirell von den Geschehnissen auf Alegrien erfahren. Maron, dem sie diese Bilder auch zeigte, schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Unfassbar!“, rief der Geheimdienstler aus. „Wir haben uns die ganze Zeit auf Ginalla eingeschossen und Scotts Vision völlig außer Acht gelassen! Wir hätten Prinzessin Alegria persönlich durch Shimar beobachten lassen sollen! Wir haben ihn hinter der Falschen hergeschickt!“ „Wie hätte denn Shimar das alles verhindern sollen, Amikron?“, fragte Sedrin, die ebenfalls anwesend war. „Wenn er Alegria gewarnt hätte, hätte sie ihm kein Wort geglaubt. Aber er hat meiner Meinung nach hervorragend auf die Bedrohung durch Sytania reagiert, auch wenn er damit, dass er bewiesen hat, was sie getan hat, eine Revolution auf Alegrien ausgelöst hat. Aber das ist immer noch besser als ein feindlicher Brückenkopf. Wir dürfen nicht vergessen, wer Sytania ist und welche Ziele sie hat.“ „Du musst es ja wissen, Sedrin.“, sagte Zirell. „Schließlich warst du für lange Zeit ihre persönliche Gegnerin. Zumindest, wenn man es aus ihrer Sicht betrachtet.“ „Stimmt.“, sagte Sedrin. „Sytania hat vieles sehr persönlich genommen, was ich ersonnen und getan habe, um uns zu verteidigen.“ „Ich werde bei Nugura einen Antrag stellen, dass du uns für die Dauer dieser Mission als strategische Expertin überlassen wirst.“, sagte Zirell. „Mach dir keine Sorgen um Scott. Er wird nach Tindara ins Hauptquartier des Geheimdienstes verlegt. DA ist er am Sichersten.“ „Einverstanden.“, sagte Sedrin.

Sytania erwachte in den samtenen Kissen ihres großen verschnörkelten Bettes mit den Goldbeschlägen in ihrem Gemach. Am Fußende des Bettes saß Telzan. In der Nähe stand ein weiterer Vendar, seiner Kleidung nach ein älterer Novize, der seinen Ausbilder erwartungsvoll ansah. Sytania hatte den Novizen zunächst nicht erkannt. „Du darfst gehen, Serdan.“, sagte Telzan zu ihm, nachdem er sich durch einen Blick in die Augen seiner Gebieterin von deren Gesundheit überzeugt hatte. „Ja, Ausbilder.“, erwiderte der Novize und verließ den Raum.

„Was ist geschehen, Telzan?“, fragte Sytania. „Ihr wahrt bewusstlos, Gebieterin.“, erklärte der Vendar. „Ich habe Euch hierher gebracht. Den Göttern sei Dank hatte mein Novize gerade einen Telepathen frisch ausgesaugt, dessen Energie er Euch zur Stabilisierung gegeben hat. Oh, dieser verdammte Tindaraner!“ „Dann stimmt es also, was ich wahrgenommen habe.“, sagte Sytania mit schwacher Stimme. „Ich hatte das Gefühl, jemand würde mir eine gehörige Ladung Rosannium verpassen.“ „Das ist richtig, Gebieterin.“, sagte Telzan und half ihr sich aufzusetzen. „Das bedeutet, wir können unseren Plan, Miray zwei als Brückenkopf zu benutzen, komplett vergessen.“, meinte Sytania frustriert. „Das ist korrekt.“, sagte Telzan. „Aber es wäre gut, wenn wir die drei Mitwisser auch aus dem Weg räumen könnten. Ginalla, Shimar und N’Cara wissen zu viel über Euren Plan. Sie könnten alles informieren, was sich in der Reichweite ihrer Sprechgeräte befindet. Dann hätten wir keinen Spielraum mehr.“ „Das stimmt.“, sagte Sytania. „Aber wie willst du das anstellen, ohne dass man gleich auf mich kommt. Die drei wissen, zu was ich in der Lage bin und …“ „Lasst mich nur machen.“, tröstete Telzan. „Ich habe da so meine Methoden. Von einem Ferengi auf Ferenginar zum Beispiel habe ich gehört, der schon seit Tagen kein lohnendes Geschäft mehr gemacht hat. Der wäre doch wie geschaffen dafür, unser Auftragskiller zu werden. Auf Euch würde dann niemand kommen. Transporter von Ferengi-Schiffen sind schließlich auch in der Lage, jemanden in Euer berüchtigtes Felsengefängnis zu beamen.“

Sytanias Wangen wurden auf einen Schlag wieder rosig und sie drehte sich mit einem teuflischen Lächeln zu dem Vendar um. „Oh, Telzan!“, rief sie aus. „Was für ein guter Plan! Natürlich werde ich diesen Ferengi passend entlohnen.“

Sie zwinkerte mit den Augen und alsbald stand vor ihr und Telzan eine Schatztruhe. Sie maß 10 Meter in der Breite, 15 Meter in der Länge und acht Meter in der Höhe und hatte ein schweres eisernes Schloss. Telzan fiel auf, dass er den Schlüssel in der Hand hielt. „Sieh hinein!“, forderte Sytania ihn auf. Telzan tat das auch und war erstaunt über die große Menge in Gold gepressten Latinums, die er dort sah. „Eine stattliche Füllung für den Frachtraum seines alten Schiffes.“, sagte Telzan. „Du scheinst ja ein sehr gutes Detailwissen über diesen Ferengi zu haben.“, stellte die Herrscherin fest. „Das habe ich.“, sagte Telzan. „Deshalb weiß ich auch genau, wo und wie ich ihn zu packen habe. Bitte erlaubt mir nun aufzubrechen, Gebieterin. Die Schatztruhe werde ich mit dem Transporter in den Laderaum meines Veshel beamen. Sie ist sogar für mich zu schwer.“ „Wie du willst.“, keifte Sytania. „Sonst gibt vielleicht noch jemand anderer ihm einen Auftrag und wir können seine Verzweiflung nicht mehr ausnutzen. Aber eines frage ich mich doch. Beinhaltet dein Plan denn zumindest, dass ich die beiden unseligen Schiffe selbst vernichten darf?“ „Natürlich, Gebieterin.“, sagte Telzan. Sytania grinste. „Ich werde dann mein Schiff überprüfen und abfliegen.“, sagte Telzan. Sytania nickte ihm zu.

Ich war auf Basiria angekommen und wartete an den vereinbarten Koordinaten an einen Baum gelehnt auf Eludehs Chauffeur. Sie hatte sich sehr über meinen Besuch gefreut, obwohl ich es vermieden hatte, am SITCH ins Detail zu gehen. Ich wollte vermeiden, dass sie unter Umständen vielleicht sogar mauern würde, wenn ich es falsch anfangen sollte. Mancher, der mich jetzt sah, hätte eventuell auf den Gedanken kommen können, dass etwas nicht stimmte, denn an sich traten Sternenflottenoffiziere ja immer im Doppelpack auf. Aber diese Tatsache war mir jetzt auch egal.

Ein Jeep hielt neben mir. Aus der Tür, die sich links von mir öffnete, wurde mir eine Hand entgegengestreckt. „Sie sind Allrounder Betsy Scott.“, setzte eine gleichmütige männliche Stimme voraus. Ich nickte. „Steigen Sie bitte ein.“, sagte er genau so gleichmütig und zog mich durch die Tür auf den Beifahrersitz, nicht ohne genau auf meinen Kopf und auch den Rest von mir zu achten. Dann schloss er die Tür wieder per Knopfdruck und startete den Jeep.

„Sie sind dann wohl Eludehs Chauffeur.“, setzte dieses Mal ich lächelnd voraus, nachdem wir eine Weile gefahren waren. „Das ist korrekt.“, sagte er. „Mein Name ist Sturok.“ „Angenehm.“, gab ich zurück. „Wer ich bin, wissen Sie ja bereits.“ „Sie haben mich gerade sehr verblüfft, Allrounder.“, gab Sturok zu. „Wie das?“, fragte ich verwundert. „Woher haben Sie gewusst, dass ich Präsidentin Eludehs Chauffeur sein muss. Sie können doch meine Kleidung nicht sehen, die mich als solchen ausweist.“ „Es war logisch für mich.“, sagte ich diplomatisch und lächelte ihn an. „Sie fahren ein Fahrzeug und wissen, wer ich bin. Außerdem hatte ich die Information von Eludeh, dass mich ihr Chauffeur abholen würde. Ich habe diese Puzzleteile einfach zusammengesetzt.“ „Faszinierend.“, sagte Sturok und fügte hinzu: „Sehr logisch gedacht für eine Menschenfrau, die noch dazu nicht sehen kann und trotzdem keinen Visor benutzt.“ „Ich wusste auch vom ersten Ton, den Sie gesagt haben an, welcher Spezies Sie angehören, noch bevor ich ihren Namen kannte.“, sagte ich. „Und welche Spezies ist das Ihrer Meinung nach, Allrounder?“, fragte Sturok. „Sie sind Vulkanier.“, stellte ich mit sicherer Stimme fest. „Korrekt.“, sagte er und ich dachte mir, dass sich Eludeh und ihr Volk bereits sehr gut in die Gesellschaft hier integriert haben mussten, wenn sogar Einheimische für sie arbeiteten.

Ich hörte ein Piepen im Lautsprecher des Sprechgerätes. Sturok stellte den Jeep vorschriftsmäßig am rechten Fahrbahnrand ab, um den Ruf zu beantworten. „Ist Allrounder Betsy bereits bei Ihnen, Mr. Sturok?“, erkundigte sich eine mir sehr wohl bekannte Frauenstimme. „Ja, Madam President.“, gab Sturok zurück. „Wir sind auf dem Weg zu Ihrem Privathaus, wie Sie es angeordnet haben.“ „Geben Sie ihr bitte das Mikrofon!“, sagte Eludeh weisungsgewohnt. „Mein Sohn kann es kaum erwarten, ein paar Worte mit ihr zu wechseln.“ „Sehr wohl, Madam President.“, gab Sturok zurück und mir im gleichen Moment das Mikrofon in die Hand. „Hallo, Centus-Shimar.“, lächelte ich hinein. „Hallo, Tante Betsy!“, freute sich eine quietschende Kinderstimme zurück. „Ich freu mich schon ganz doll auf dich! Ich könnte platzen, so doll freu ich mich!“

Dass der Kleine in seinem Alter schon vollständige Sätze sprechen konnte, war für mich nicht weiter verwunderlich, wenn ich davon ausging, dass ich es nicht mit einem Erdenkind von einem Jahr, sondern mit einem außerirdischen Kind zu tun hatte. Diese Begebenheit rief mir aber auch noch etwas anderes in den Sinn. In einem alten Bericht, der auf der Akademie Pflichtlektüre gewesen war, hatte Mr. Spock den Schiffsarzt aufmerksam gemacht, dass dieser immer wieder menschliche Maßstäbe für außerirdische Kulturen anwenden würde. Er hatte ihn auch erinnert, dass der Mensch eine unscheinbare Minderheit in dieser Galaxie sei. Das dazu gehörige Zitat hatte sich tief in mein Gehirn eingebrannt. Ich machte spaßeshalber aus dem Doktor einen Allrounder und schon hieß es: „Allrounder, Sie wenden immer wieder menschliche Maßstäbe für außerirdische Kulturen an. Ich darf Sie erinnern, dass der Mensch eine unscheinbare Minderheit in dieser Galaxie ist.“ „Das lasse ich nicht auf mir sitzen, Mr. Spock.“, flüsterte ich lächelnd.

„Bist du noch da?“, fragte mein Patenkind. „Ja, Centus-Shimar.“, antwortete ich. „Gleich bin ich sogar ganz bei dir.“ Mir war aufgefallen, dass wir die Hofeinfahrt befahren haben mussten, denn Sturok hatte den Jeep nach einer Kurve erst verlangsamt, um ihn dann rückwärts wahrscheinlich in eine Parklücke zu stellen. „Jetzt komme ich.“, sang ich ins Mikrofon und drückte die 88-Taste.

Sturok führte mich ins Haus. Ich erkannte eine große Eingangshalle, wie es sie zumeist in den mir überlieferten Villen gab. Da ich so eine noch nie von innen gesehen hatte, musste ich wohl davon ausgehen, was mir andere Leute darüber erzählt hatten. Er brachte mich zu einem Stuhl. „Bitte warten Sie hier kurz.“, sagte er mit derselben Gleichmut, die er schon die ganze Zeit an den Tag gelegt hatte. „OK.“, sagte ich und setzte mich in den bequemen Sessel, der mich mit seinem weichen Bezug und den geschwungenen Lehnen an eine Art Fernsehsessel erinnerte.

Lange zu warten brauchte ich nicht, denn im gleichen Moment wuselte etwas auf mich zu. An den tapsigen Schritten erkannte ich Kinderfüßchen. Dann quietschte ein Stimmchen: „Tante Betsy!“, und etwas kleines Aufgeregtes sprang auf meinen Schoß. „Hi, kleiner Knopf.“, lächelte ich und drückte ihn an mich. „Lange nicht gesehen.“, stellte ich fest.

Eine Frau betrat, den weiteren Schritten nach, die Halle. „Hi, Betsy.“, sagte sie. „Eludeh!“, rief ich. „Dass wir uns mal wiedersehen.“ „Finde ich auch cool.“, sagte sie. „Aber du hast am SITCH angedeutet, dass du mit mir über etwas reden musst.“ „Ja.“, sagte ich. „Das muss ich tatsächlich. Aber wir sollten das nicht vor dem Kleinen tun.“ „OK.“, sagte Eludeh und wendete sich an ihren Sohn: „Centus-Shimar, bitte geh wieder mit Nanny T’Pel spielen, ja? Mummy kommt, wenn sie mit Tante Betsy alles besprochen hat. OK?“ „OK.“, lachte der Kleine. „Darf ich dann Tante Betsy auch meine Stadt zeigen?“ „Aber sicher.“, lächelte Eludeh. „OK.“, strahlte Centus-Shimar und wuselte davon. „Wir gehen am Besten in mein Arbeitszimmer.“, sagte Eludeh und nahm mich bei der Hand.

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