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Kissara hatte die Brücke betreten und war gleich in Richtung von Mikels Platz gegangen. Ohne die Berichte von Mikel und Kang abzuwarten nahm sie den ersten Offizier mit ihrer seidigen weichen Hand, die an die Pfote einer Katze erinnerte, an die Seine und sagte: „Mikel, unter vier Augen in meinem Raum. Kang, Sie haben die Brücke.“ Sie zog den verdatterten Mikel mit sich fort.

Im Bereitschaftsraum angekommen führte sie Mikel zu einem Sessel und setzte sich selbst gegenüber hin. „Was habe ich angestellt?“, scherzte Mikel. „Sie haben gar nichts angestellt, Agent.“, sagte Kissara mit schmeichelnder Stimme. Dabei legte sie eine besondere Betonung auf Agent. „Allrounder Betsy und ich denken nur, dass Sie unter Umständen Ihren Teil dazu beitragen könnten, zu beweisen, dass alles ein großer Plan war und dass Sie vielleicht noch einige Drahtzieher entlarven könnten.“

„Bitte reden Sie weiter, Ma'am.“, bat Mikel, der sehr wohl gemerkt hatte, dass sie eine Pause gemacht hatte. „Was ich Sie jetzt fragen muss, ist für Sie als Nennsohn eines Mächtigen sicher nicht sehr einfach zu beantworten und grenzt sicher an so etwas wie Blasphemie. Aber ich benötige Ihre Expertenmeinung.“ „Nun eiern Sie hier nicht rum, Commander, bei allem Respekt!“, sagte Mikel etwas lauter. „Was genau wollen Sie wissen.“

Kissara schien für einen Moment, als hätte sie den Faden komplett verloren. Dann aber sagte sie: „Ich möchte gern wissen, ob ein Mächtiger sich unter Umständen dazu hinreißen lassen würde, einem Sterblichen dessen Zukunft zu verraten.“

Mikel legte den Kopf in beide Hände und überlegte. „Vielleicht hilft es Ihnen, wenn ich Ihnen etwas zeige.“, sagte Kissara und ließ den Computer die Aufzeichnung von der tindaranischen Basis abfahren.

„Daher weht der Wind.“, sagte Mikel, nachdem er zugesehen und Kissaras Kommentaren zugehört hatte. „Ich denke schon, dass ein Mächtiger unter diesen Umständen dazu bereit wäre. Nur wird uns das niemand abnehmen ohne Beweise. Für die Meisten ist die Prämisse, dass die Mächtigen so etwas nicht tun, unverrückbar.“ „Ich weiß.“, sagte Kissara. „Hier kommen Sie ins Spiel, Agent. Sie sollen …“

Die Sprechanlage beendete ihre Ausführungen. „Was ist denn, Kang.“, fragte sie genervt. „Ich habe Präsidentin Nugura für Sie, Ma'am.“, gab der klingonische Stratege am anderen Ende der Verbindung zurück. „Sie sagt, es sei sehr dringend.“ „Von mir aus.“, stöhnte Kissara und setzte sich gerade hin. „Stellen Sie durch.“

Nuguras Gesicht erschien auf dem Schirm. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Madam President?“, fragte Kissara. „Ich muss etwas weiter ausholen, Kissara.“, erwiderte das Staatsoberhaupt der Föderation. „Prinzessin Hestia von Hestien, das ursprünglich Miray Prime hieß, hat doch tatsächlich die Chuzpe besessen, die Integration ihres Planeten in die Föderation zu beantragen. Sie hat angefragt, ob wir ihr nicht Forschungsgüter und Personal zur Verfügung stellen könnten. Aber unter diesen politischen Umständen kann ich das nicht tun, weil ihr Nachbarstaat gerade in Anarchie versinkt. Ich würde mich dem Vorwurf der Parteinahme aussetzen. Außerdem verträgt sich das überhaupt nicht mit der Obersten Direktive.“ „Ich weiß.“, sagte Kissara konspirativ. „Und warum rufen Sie dabei gerade mich?“ Natürlich kannte die Thundarianerin die Antwort längst, wollte sie aber aus Nuguras Mund hören, um sicher zu sein. „Ich weiß, dass ihr cleverer kleiner Allrounder und Ihr nicht minder cleverer Agent längst wissen, dass ich mit einigen anderen einen großen Plan geschmiedet habe. Er könnte vielleicht nach Miray Prime eingeschleust werden. Vielleicht als Mitglied einer Delegation, die prüfen soll, ob Hestias Planet für die Föderation geeignet ist.“ „Verstehe.“, grinste Kissara. „Sollte er einverstanden sein, werde ich das den Tindaranern sagen. Von denen könnte er nämlich Unterstützung erfahren in Form von Agent Maron, der bereits auf gepackten Koffern sitzt. Die Tindaraner wissen eine Menge über Symbole der Mächtigen. Maron arbeitet schon sehr lange für sie. Sie wissen, dass die Leiche des Königs nach mirayanischer Tradition als Energie nach dem Dematerialisieren in den Weltraum entlassen wurde. Aber im Grab befindet sich immer ein Gegenstand, der an den Toten erinnern soll. Vielleicht finden Sie ja dort einen Beweis.“

„Sagen Sie Nugura, ich sei bereit!“, sagte Mikel freudig. „Oh, ja.“, sagte Kissara. „Das kann ich mir gut vorstellen. Aber passen Sie auf und lassen Sie auf keinen Fall durchblicken, warum Sie wirklich dort sind.“ „Ich bin ausgebildeter Spionageoffizier.“, sagte Mikel. „Ich komme damit schon klar.“ „Ich will ja nur verhindern, dass Sie sich zu sehr in diese Sache steigern. Ich weiß wie Sie sein können, wenn Sie sich freuen und …“ „Keine Angst, Commander.“, sagte Mikel. „Es wird schon gut gehen.“ „Gut.“, sagte Kissara. „Dann gehen Sie erst mal in Ihr Quartier. Sie sollten ausgeruht sein, wenn die Tindaraner Sie holen.“ „OK.“, sagte Mikel. „Packen muss ich außerdem.“ Er verließ den Raum.

Stunden hatte Shimar damit verbracht, die immer noch laut weinende N’Cara zu trösten. „Die Leute auf Miray tun mir so Leid.“, schluchzte sie. „Es gibt ja nicht nur die Steinewerfer, sondern auch die, die sich vielleicht jetzt nicht mehr auf die Straße trauen, weil Plünderungen und andere schreckliche Dinge an der Tagesordnung sind. Der Planet versinkt in Anarchie. Ich würde am liebsten zurückfliegen und ihnen zeigen, wie das mit der Demokratie geht.“ „Der Zustand von Miray zwei wird nicht lange andauern, N’Cara.“, versuchte IDUSA ebenfalls, sie zu trösten, nachdem sie ihre Tabelle wieder geladen hatte. „Die mirayanische Gesellschaft ist hoch zivilisiert. Wenn sie dies länger zuließen, wäre das höchst unlogisch.“ „Wut ist unlogisch, IDUSA.“, erklärte Shimar. „Du kannst das nicht verstehen, weil du ein Computer bist. Aber die Wahrheit ist, dass niemand genau sagen kann, wie lange dieser Zustand anhält und ob es je wieder eine neue politische Richtung auf Miray zwei geben wird. Sicherlich wird es erst ziemlich weit im Chaos versinken, bevor man dort aufwacht.“ „Aber dann müssen wir es ihnen doch erst recht sagen.“, schluchzte N’Cara. „Ich glaube nicht, dass das gut ankäme.“, sagte Shimar. „Und das sage ich unabhängig von unseren Gesetzen.“ „Aber warum nicht?“, fragte N’Cara. „Weil … Puh … IDUSA, hilf mir!“, stammelte Shimar, der keineswegs wie ein Oberlehrer daherreden wollte. „Was hältst du von den erzieherischen Maßnahmen deiner Eltern?“, fragte das Schiff. „Wenn du es wirklich wissen willst, IDUSA.“, begann N’Cara. „Nicht viel.“ „Siehst du?“, fragte das Schiff. „Und genau so geht es den Miray. Sie sind jetzt auch gerade stinksauer und können es gar nicht gebrauchen, wenn man ihnen reinredet.“ „Aber da gibt es noch einen weiteren Aspekt.“, sagte Shimar und gab IDUSA einige Befehle auf Tindaranisch, worauf sich das Schiff langsam aufs Dach drehte. „Jetzt korrigiere ihre Fluglage!“, sagte Shimar deutlich. „Das ist gemein!“, zeterte N’Cara. „Ich weiß doch gar nicht, wie das geht. Bitte hilf mir! Ich bin damit total überfordert!“

Shimar machte seine Kommandos rückgängig. „Das war ganz schön fies.“, sagte N’Cara. „Aber ich glaube, ich verstehe jetzt. Wenn einfach jemand kommen würde und mir reinreden würde, das würde ich nicht gut finden und eventuell wäre ich mit der Aufgabe, die er mir stellen würde, auch total überfordert wie gerade. Jetzt verstehe ich den Sinn dieses Gesetzes.“ „Na siehst du.“, sagte Shimar und strich ihr über das Haar.

Auf der tindaranischen Basis hatten sich die Ereignisse überschlagen. Jenna hatte die neue IDUSA-Einheit überprüft und wartete nun gemeinsam mit Zirell auf Joran und Maron, die ins Universum der Föderation fliegen würden, um Mikel dort abzuholen. Gemeinsam würde man dann nach Miray Prime fliegen, um dort unter dem Deckmantel einer Prüfungskommission an Daten aus König Brakos Grab zu kommen.

„Warum begleitet Joran die Agenten, Zirell?“, wollte Jenna wissen. „Dein Freund weiß mehr über die Symbole und Zeichen der Mächtigen, als jeder von uns, Jenna.“, antwortete die Stationskommandantin. „Warum denkst du, dass das wichtig werden könnte?“, fragte Jenna. „Weil ich mein Leben dafür verwetten würde, dass ein Mächtiger hier seine Finger im Spiel hat und dass er oder sie alles gemeinsam mit Brako und Nugura geplant hat. Es gab eine Menge von merkwürdigen Fehlentscheidungen auf politischer Ebene von Leuten, denen man so etwas nie zugetraut hätte. Nehmen wir einmal das Beispiel der Aldaner. Sie sind sonst als so genannte Superdiplomaten im einfachen Volk bekannt und gerade ihr Staatsoberhaupt macht einen Vorschlag, den die Prinzessinnen ablehnen mussten. Das hat wieder dazu geführt, dass sie nicht viel Vertrauen in die Diplomaten der Föderation und ihrer Verbündeten gesetzt hatten und nur eine Lösung nach dem Ty-Nu-Lin-Ritus denkbar erschien. Außerdem sind dem Geheimdienst auffallend viele Fehler beim Verwischen seiner Spuren passiert, über die sich jeder Anfänger schwer gewundert hätte.“ „Außer, das waren keine Fehler.“, spekulierte Jenna. „Stimmt.“, sagte Zirell. „Außer, es waren keine Fehler.“ „Das würde allerdings auch alles zu Allrounder Betsys merkwürdiger Anfrage passen.“, überlegte Jenna weiter. „Oh, ich fand die Anfrage gar nicht merkwürdig.“, entgegnete Zirell. „Und auch die Experimente, die du und Maron aufgrund dessen gemacht habt, fand ich nicht merkwürdig.“

Jenna wich erschrocken zurück. „Du weißt davon?“, fragte sie. „Sicher.“, antwortete die Tindaranerin. „Ishan hat es gemeldet. Das wisst ihr nicht, weil er es mit Hilfe seines Haftmoduls und IDUSAs getan hat. Aber er ist eben sehr pflichtbewusst.“ „Kein Wunder.“, lächelte die hoch intelligente Halbschottin. „Er ist ein Aldaner im Körper eines Androiden. Wenn da nichts Pflichtbewusstes bei herauskommt, dann weiß ich es auch nicht mehr.“ Zirell grinste.

Jenna warf einen Blick zu ihrer Assistentin herüber, die am anderen Andockplatz stand. „Wie kommst du eigentlich nach New-Vendar-Prime?“, erkundigte sie sich bei Zirell, nachdem sie mit Shannon einige Blicke ausgetauscht hatte. „Gar nicht.“, antwortete Zirell. „Ich habe mit Sianach abgemacht, dass sie mit den beiden mirayanischen Flüchtlingen zu uns kommt. Wenn ich die Station jetzt auch noch verließe, wäre ja niemand da, der sie kommandieren könnte, weil mein erster Offizier ja auch fort geht. Shimar ist auch nicht da und so wäre die Brücke verweist.“ „Alles klar.“, sagte Jenna mit einem deutlichen Lachen in der Stimme. „Du willst verhindern, dass wir auf den Tischen tanzen.“ „Aber sicher.“, stieg Zirell auf ihren Scherz ein und marschierte übertrieben zackig auf und ab. „Bei mir herrscht Zucht und Ordnung!“, sagte sie übertrieben laut und spitz wie die Schauspieler in den amerikanischen Militärfilmen. Sie tat auch so, als würde ihr gleich die Stimme kippen. Shannon, die alles gesehen hatte, konnte sich vor Lachen nicht mehr halten und Jenna ging es ähnlich. „Na also.“, meinte Zirell zufrieden, nachdem sie sich geräuspert hatte. „Dann habe ich ja wohl erreicht, was ich erreichen wollte.“

Die Tür öffnete sich und herein kamen Maron und Joran in trauter Zweisamkeit. „Ich dachte, es sei das Privileg des weiblichen Geschlechtes, zu spät zu erscheinen.“, scherzte Zirell. „Hat jemand etwas von Termindruck gesagt?“, fragte Maron und sah Joran an: „Du hast doch so ein gutes Gedächtnis. Kannst du den SITCH der Granger vielleicht auswendig?“ „Ich muss dich enttäuschen.“, gestand der Vendar, nachdem er sich am Kopf gekratzt hatte. „Aber das habe ich mir leider nicht gemerkt.“

Der demetanische Agent ging weiter in Richtung Andockschleusen und Jenna. „Ist das Schiff bereit, Techniker?“, fragte er förmlich. „Ja, Sir.“, entgegnete Jenna. „Gut.“, sagte Maron und winkte seinem Begleiter. Dann flogen beide mit dem Schiff ab.

Zirell ging zu Shannon herüber, die immer noch an der gleichen Stelle stand. Vor der technischen Assistentin befand sich ein Terminal, auf dem die blonde Irin alles, was mit dem Andockvorgang zu tun hatte, ablesen konnte. „Sianach und die Miray lassen auf sich warten, was?“, fragte Shannon. „Die werden schon noch kommen.“, sagte Zirell. „Wenn Sianach etwas verspricht, hält sie es im Allgemeinen auch.“

Wie auf Stichwort lud die IDUSA-Einheit der Basis plötzlich beide Reaktionstabellen und meldete die Ankunft des Veshel. „Da sind sie ja.“, sagte Zirell. „Weise sie nach Andockport zwei, IDUSA.“ Die Einheit tat, was Zirell ihr gesagt hatte und bald darauf öffnete sich die Luke und Sianach verließ gemeinsam mit den beiden Miray ihr Schiff. „Sei gegrüßt, Anführerin Zirell.“, sagte die Vendar und gab Zirell langsam und fast ehrfürchtig die Hand. „Alana und Timor El Miray würden gern mit dir allein über etwas sprechen.“, erklärte Sianach. „Allein stimmt nicht ganz.“, korrigierte Alana. „Du kannst ruhig dabei sein, Sianach. Außerdem können es ruhig alle mitbekommen.“

Sie schaute in die sie umgebende Runde, als würde sie darauf warten, dass jemand für sie weiter reden würde. Schließlich sagte Sianach: „Alana und Timor El Miray möchten, dass du den Ritus von Shamun Rê mit ihnen durchführst.“ Sie kämpfte mit einem Grinsen. „Oh, nein.“, stöhnte Zirell. „Wieder so ein vendarischer Ritus, den ich auswendig lernen muss. Aber gut. Wenn ihr das unbedingt so wollt, soll es mir recht sein. Ich frage mich nur, warum zwei Miray eine religiöse Zeremonie der Vendar durchführen wollen. Ihr drei gehört doch gar nicht demselben Glauben an.“ „Dazu bedarf es überhaupt keines Glaubens.“, versicherte Sianach. „Den Ritus von Shamun Re kann man sogar als Atheist durchführen.“ „Sei es, wie es sei.“, sagte Zirell. „IDUSA wird mir schon die richtigen Daten geben. Ich zeige Euch jetzt erst mal das Gästequartier. Kannst du noch bleiben, Sianach?“ „Nein.“, sagte die junge Vendar. „Es tut mir Leid, aber ich muss gleich wieder abfliegen .“ „Das macht nichts.“, sagte Zirell verständig. „Du hast ja auch Verpflichtungen. Shannon, überprüfe bitte Sianachs Schiff.“ „Mach’ ich.“, gab Shannon zurück. Zirell wandte sich zu den beiden Miray um: „Bitte folgt mir.“

Shannon und Sianach blieben am Andockplatz zurück. „Nun ma’ raus mit der Sprache.“, flapste die blonde Irin. „Sogar ich hab gemerkt, dass du und die Flüchtlinge Zirell gehörig verarscht habt. Wenn dieser Shamun ääähhh Sha-Mun-Dings das ist, was ich glaube, dann weiß die gute Zirell schon längst, worum es geht.“ „In der Tat.“, lachte Sianach. „Sie weiß nur noch nicht, dass sie es weiß. Aber IDUSA wird ihr schon die Augen öffnen.“ „Davon kannst de ausjehen.“, flapste Shannon. Dann drehte sie sich dem Schiff zu: „So, dann ma’ ran an den Speck. Ich will ja nicht verantworten müssen, dass du mitten im Weltraum liegen bleibst.“

Eludeh hatte mich in ihr Arbeitszimmer, einen großen hellen Raum mit freundlich gefärbter Einrichtung, geführt. Hier hatte sie mich in einen großen weichen Sessel gesetzt, wie es ihn auch in der Eingangshalle gegeben hatte. Nur stand der Sessel hier vor einem kleinen weißen glatten Tisch, auf dem sie mir ein Glas terranischer Limonade zuschob. „Warum willst du mit mir reden?“, fragte sie.

Mir schnürte sich die Kehle zu. Was ich ihr sagen müsste, käme der Verdächtigung zum Mord gleich. Wenn ich es falsch anfangen würde, dann könnte sich unsere Freundschaft von jetzt auf gleich erledigt haben. Welcher Freund fand es schon gut, wenn ihn der andere als Mörder bezeichnete. Deshalb sagte ich: „Was weißt du über den Tod von König Brako und über die Sache auf Miray?“ „Nicht mehr, als in den Medien steht.“, sagte Eludeh. Aber ich merkte, dass sie sehr nervös wurde. Diese Nervosität in der Stimme kannte ich von ihr. Sie hatte sie immer dann an den Tag gelegt, wenn sie etwas zu verbergen oder vor etwas Angst hatte. Das wusste ich noch gut von damals. Als ich sie auf Terra kennen gelernt hatte, war sie sehr verängstigt gewesen und das aus gutem Grund, wie sich herausgestellt hatte. „Du weißt nicht nur das.“, unterstellte ich. „Du weißt mehr.“ „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.“, log sie. „Wirklich. Ich weiß nichts.“

Die Türsprechanlage rettete sie. „Was gibt es?“, fragte Eludeh ins Mikrofon. „Hier ist T’Pel, Ihre Nanny.“, gab eine nüchterne tiefere Frauenstimme zurück. „In meiner Begleitung befindet sich Ihr Sohn. Er kann es kaum erwarten, Allrounder Betsy seine Stadt zu zeigen.“ „Kommen Sie mit ihm herein, T’Pel!“, wies Eludeh sie an.

Die Tür öffnete sich und eine Vulkanierin mittleren Alters mit kurzen braunen Haaren betrat den Raum. Ihr folgte Centus-Shimar. „Mummy?“, fragte der Kleine in Eludehs Richtung. „Darf ich Tante Betsy jetzt meine Stadt zeigen?“ „Geduld ist eine Tugend, die du noch lernen musst, junger Mann.“, mischte sich T’Pel ein, worauf sie einen tadelnden Blick von ihrer Arbeitgeberin erntete. „Ich habe Ihnen schon so oft gesagt, T’Pel, dass Sie es hier nicht mit einem vulkanischen Kind zu tun haben!“, ermahnte Eludeh sie. „Es tut mir Leid, Madam.“, entschuldigte die Angesprochene sich.

Mir war aufgefallen, dass Eludeh sich sehr gemausert hatte. Sie war nicht mehr der verschüchterte Flüchtling, als den ich sie damals auf Terra kennen gelernt hatte. Aus ihr war ein souveränes Staatsoberhaupt geworden. Offensichtlich war sie an der Aufgabe, die ihr Volk ihr gegeben hatte, sehr stark gewachsen.

„Um auf den Grund zurück zu kommen, aus dem Sie mit dem Kleinen hier sind.“, wendete sich Eludeh an ihr Kindermädchen. „Ja, wir sind hier fertig. Sie können jetzt mit Allrounder Betsy zum Strand gehen und dort kann ihr Centus-Shimar seine Stadt zeigen. Vergessen Sie aber den gewissen Spielzeugkoffer nicht.“ „Den werde ich nicht vergessen, Madam.“, versicherte T’Pel. Ich werde ihn sogleich holen. Centus-Shimar, du wartest am Besten schon mal hier.“ „Au ja.“, freute sich der Kleine und wuselte zu mir.

„Was ist das mit dieser Stadt, Eludeh?“, fragte ich. „Ach.“, lächelte sie. „Er hat eine komplette Stadt aus Sand am Strand gebaut. Die möchte er jetzt am liebsten jedem zeigen, der vorbeikommt, so stolz ist er darauf. Das Wissen, wie man ein Haus aus Sand baut, hat er wohl von dir, nehme ich an.“ „Schuldig im Sinne der Anklage.“, grinste ich zurück. „Jetzt verstehe ich auch, warum er sie ausgerechnet mir unbedingt zeigen will.“

Die vulkanische Nanny war bald mit einem Spielzeugkoffer zurück, den ich schon einmal gesehen hatte. Solche Koffer wurden auch bei uns auf der Erde angeboten und enthielten eine unechte Sternenflottenausrüstung. Der Phaser konnte zwar ein echtes Geräusch machen, aber er gab nur einen Lichtstrahl in Taschenlampenstärke ab. Ähnliches galt für den Erfasser und das Sprechgerät, die sich ebenfalls im Koffer befanden. Im Deckel befanden sich auf einem Filzkissen aufgesteckte Rangabzeichen, von denen sich das Kind beim Spiel eines aussuchen konnte. Diese Koffer waren für terranische Kinder erst ab sechs Jahren freigegeben, aber …

„Komm, Tante Betsy!“, quietschte Centus-Shimar und nahm mit seiner kleinen amphibischen Hand die meine. Ich stand vom Stuhl auf und wir tippelten los. Er konnte ja noch keine sehr großen Schritte machen. „Bis zum Strand ist es nicht weit.“, verkündete er. „Es gibt zwar eine große Straße, über die wir müssen, aber das kann ich auch schon ganz alleine. Ich passe schon auf dich auf.“ „Das glaube ich.“, lächelte ich. „Aber im Notfall ist ja auch noch deine Nanny da. Sie hilft uns sicher.“

Telzan hatte sein Schiff in die Umlaufbahn von Ferenginar gesteuert. Dann hatte er den Erfasser auf bestimmte Biozeichen programmiert. Langsam umflog er jetzt den Planeten. Das sah aus wie ein Tiger, der seine Beute einkreiste. Ähnlich war sein Vorhaben auch zu sehen. Mit dem Ferengi, zu dem er wollte, verband ihn nichts. Er war nur Mittel zum Zweck, um von seiner Gebieterin abzulenken. Telzans Mentalität war da ähnlich wie die Sytanias. Genau wie sie liebte es auch der Vendar, andere wie Schachfiguren auf einem Brett hin und her zu schieben.

Ein Signal verriet ihm, dass der Mishar gefunden haben musste, wonach er ihn suchen lassen hatte. „Anzeigen!“, befahl Telzan. Der Schiffsrechner kam seiner Aufforderung sogleich nach. Jetzt sah Telzan das Innere einer typischen Bar auf der Heimatwelt der Ferengi vor sich. „Mishar, Autopilot aktivieren und mich zu den angezeigten Koordinaten beamen!“, befahl er mit einem Grinsen.

Er fand sich bald darauf in der schmierigen finsteren Kneipe wieder. Die Luft war schwer von Rauch diverser Genussmittel, von denen Telzan nur wenige einordnen konnte. Seinen Erfasser hatte er mitgenommen. Mit seiner Hilfe würde es ihm leichter fallen, den Gesuchten aufzuspüren. Auch konnte das Gerät ihm sagen, ob sich in der Luft der Kneipe für ihn giftige Stoffe befanden.

An den Tischen, an denen Telzan jetzt vorbeiging, saßen Ferengi und machten zweifelhafte Geschäfte mit noch zweifelhafteren anderen Ferengi oder auch gewissen Damen. Auch eine Ecke mit Dabo-Tischen gab es. Aber auch die interessierte Telzan nicht. Zielstrebig folgte der Vendar der Anzeige seines Erfassers bis zu einem allein stehenden Tisch, an dem ein Ferengi in vergleichsweise ärmlicher Kleidung saß. Leise setzte sich der Vendar dazu und bediente den Tischreplikator. „Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich dir einen ausgebe, Dimon Arridor.“, sagte Telzan und sah ihn mit einem bohrenden Blick an, der dem Ferengi signalisierte, dass er hier wohl keine Möglichkeit zum Entkommen hatte. „Warum sollte ich etwas dagegen haben?“, krächzte der Ferengi zurück, dessen Stimme an die eines boshaften Zwerges in terranischen Märchen erinnerte. „Wenn ich selbst nichts bezahlen muss, soll mir das recht sein. Aber wer bist du überhaupt?“ „Mein Name lautet Telzan Ed Cirnach.“, stellte der Vendar sich vor. „Ich arbeite für Sytania. Meine Gebieterin schickt mich, um dir das Geschäft deines Lebens vorzuschlagen.“ „Wie kommst du darauf, Telzan Ed Cirnach, dass ich für ein Weibchen arbeiten würde?!“, empörte sich Arridor.

Telzan blieb total ruhig. Er hatte zwar gespürt, dass sein Gegenüber soeben seine Herrin beleidigt hatte, aber das ließ ihn in diesem Fall total kalt. Er wusste, dass er am längeren Hebel saß. Durch den Kontaktkelch hatte er Arridor beobachtet und genau gesehen, dass dieser in letzter Zeit keine Geschäfte gemacht hatte, was für einen Ferengi gar nicht gut war.

„Meine Gebieterin ist, wenn du so willst, ein mächtiges Weibchen.“, schüchterte er den Ferengi ein. „Sie kann dir mit einem Augenzwinkern alles nehmen inklusive deines Lebens und, woran du noch viel mehr hängst, deines Geldes. Ach nein. Davon hast du ja schon jetzt nichts mehr.“ Er lachte laut auf. „Aber meine Gebieterin und ich beabsichtigen, das zu ändern, wenn du für uns arbeitest.“ Telzan war sich des psychologischen Effektes seiner Worte durchaus bewusst.

Er zog sein Sprechgerät und gab dem Mishar einige Befehle auf Vendarisch, bevor er dem Ferengi das Gerät unter die Nase hielt. „Sieh hin!“, sagte er. „Das alles, was du auf diesem Display siehst, wird dir gehören, wenn du …“ Er beendete die Verbindung und steckte das Gerät wieder ein. Der Vendar wusste längst, dass er Arridor wie einen Fisch am Haken hatte. Er musste ihn nur noch einholen, aber das war weniger vergnüglich. Lieber würde er noch eine Weile mit ihm spielen, zumal er spürte, dass Sytania das Geschehen gerade mit ihren seherischen Fähigkeiten beobachtete. Auch sie würde Vergnügen daran finden, wenn er den Ferengi noch eine Weile zappeln ließe.

Arridor lief die Spucke aus dem Mund. „Was muss ich tun, um diesen Haufen in Gold gepresstes Latinum zu erhalten, den du mir gerade gezeigt hast?“, fragte er schließlich. „Nur eine Kleinigkeit.“, sagte Telzan. „Du wirst die Besatzungen zweier kleiner Schiffe aufbringen und sie Sytania übergeben. Das ist alles, was du wissen musst. Die Schiffe sind zwar hoch modern und ich weiß, dass du nur ein altes Schiff mit schlechter Bewaffnung hast, aber in ihrer unermesslichen Gnade wird dir meine Gebieterin helfen, wenn du einverstanden bist. Denk an deinen Lohn. Denke daran.“ Seine letzten beiden Sätze betonte der Vendar fast hypnotisch. „Ich bin einverstanden.“, sagte Arridor und machte große Augen. „Gut.“, sagte Telzan. „Dann werde ich dich jetzt über alles informieren.“

Joran und Maron waren mit der neuen IDUSA-Einheit ebenfalls ins vulkanische Sonnensystem eingeflogen. Hier würden sie auf die Granger treffen und Mikel an Bord nehmen. „Kennst du Agent Mikel, Maron El Demeta?“, fragte der Vendar neugierig. „Nicht persönlich.“, gab der Demetaner zurück. „Wir sind gute Kollegen. Mehr weiß ich nicht über ihn. Aber es gibt ein Gerücht, dem zufolge er der Nennsohn von Dill von Zeitland sein soll.“ „Das ist nicht nur ein Gerücht.“, bestätigte Joran. „Dann stimmt das?“, fragte Maron fassungslos. „In der Tat.“, antwortete Joran. „Und auch alles andere, was du so über Agent Mikel El Taria gehört hast, alles andere stimmt auch.“

IDUSA lud beide Reaktionstabellen. „Gentlemen, die Granger ruft uns.“, erklärte sie. „Stell durch!“, befahl Maron, der lieber selbst mit einem von uns reden wollte.

Kissaras Gesicht erschien auf dem Schirm. „Ich bin Commander Kissara.“, stellte sie sich vor. „Angenehm.“, sagte Maron. „Agent Maron vom tindaranischen Geheimdienst. Ist Agent Mikel bereit?“

Einige Sekunden vergingen und dann sah Maron einen Schatten hinter Kissara. Der Schatten nahm ihr vorsichtig das Mikrofon aus der Hand. „Hier ist Agent Mikel.“, sagte er. „Ich bin bereit, an Bord gebeamt zu werden.“ „Du hast den Gentleman gehört!“, wandte sich Maron im Befehlston an IDUSA, die Mikel sofort an Bord holte. Dann trennten sich die Wege der Granger und IDUSAs wieder.

Mikel war über das Aussehen des Schiffsinneren etwas überrascht. Das hatte Maron wohl bemerkt. Deshalb führte er seinen Kollegen auch sofort zu einem Sitz. „Bitte setz dich.“, sagte er beruhigend. „Ich kann mir vorstellen, dass die ganze Sache für dich sehr aufregend sein muss.“ „Aufregend ist leicht untertrieben.“, gab Mikel zu. „Wir sind übrigens nicht allein.“, erklärte Maron und nickte Joran zu. „Sei gegrüßt, Mikel El Taria.“, sagte dieser. „Ich bin Joran.“ „Dann bist du der Vendar, von dem alle reden und auf den alle so große Stücke halten?“, erkundigte sich Mikel. „In der Tat.“, antwortete Joran. „Ich werde, wenn du und Maron auf die Oberfläche von Hestien beamen, hier an Bord bleiben. Vielleicht kann ich von hier aus besser behilflich sein.“ „OK.“, sagte Mikel. „Du solltest langsam Kurs Richtung Hestien setzen.“, instruierte Maron Joran. „Das habe ich bereits.“, antwortete er.

Telzan hatte Arridor über alles informiert, was der Ferengi seiner Meinung nach zu seiner Mission wissen musste. Er hatte allerdings kaum geendet, als er einen telepathischen Kontaktversuch seiner Gebieterin spürte. Telzan, sag ihm, er soll dich in den Hinterhof der Kneipe begleiten. Dort werdet ihr Beide etwas zu sehen bekommen. Auf der Stelle, Telzan!, befahl sie. Ich will ihn meiner unermesslichen Gnade versichern.

Telzan stand auf und winkte Arridor. „Bitte folge mir.“ „Wohin willst du mit mir gehen?“, fragte der Ferengi. „Meine Gebieterin hat mich gerade kontaktiert.“, sagte Telzan fast feierlich. „Sie sagt, du sollst mich in den Hinterhof der Bar hier begleiten. Dort würden wir Zeugen ihrer unermesslichen Gnade.“ „Was immer du damit auch meinst.“, grinste Arridor.

Über eine schmale Treppe schlichen die Männer aus der Bar in den Hinterhof. „Was will deine Gebieterin tun?“, fragte Arridor voll Ungeduld. „Will sie es in Gold gepresstes Latinum regnen lassen?“ Sag diesem ungeduldigen Kind, es soll gefälligst abwarten!, wendete sich Sytania streng telepathisch an Telzan. Ja, Gebieterin., gab Telzan in Gedanken zurück. Dann standen beide vor dem alten Schiff des Ferengi. „Wie kommt mein Schiff hierher?“, wollte Arridor wissen. „Wenn du es selbst nicht hierher gebracht hast.“, gab Telzan zurück, „Dann wahrscheinlich durch die Hand meiner Gebieterin. „War das alles?“, fragte Arridor enttäuscht. „Nein.“, versicherte Telzan. „Das wird bestimmt noch nicht alles gewesen sein.“

Über ihnen erschien ein Phänomen und beide hörten Sytanias Stimme in ihrem Geist: Du hast Recht, Telzan. Das ist beileibe noch nicht alles. Sieh hin, Arridor. Sieh gut hin!

Das Schiff wurde in einen seltsamen Lichtschleier gehüllt und verwandelte sich vor den Augen der Männer von einem schrottreifen Kahn in ein nagelneues waffenstarrendes Kriegsschiff. Ich habe dir gegeben, was du benötigst., wendete sich Sytania nun noch einmal an Arridor. Nun erwarte ich, dass auch du mir gibst, was ich haben will. Sonst kann ich dir auch ganz schnell wieder alles nehmen. „Sag ihr, ich werde alles tun, was sie verlangt.“, bat Arridor, dem angesichts dessen, was er gerade gesehen hatte, ganz schön die Knie weich wurden. „Das weiß sie längst.“, lachte Telzan. „Du darfst nicht vergessen, dass sie in deinen Geist sehen kann.“ Dann ließ er sich vom Mishar auf sein Schiff beamen und flog ab. Arridor betrat fassungslos sein Schiff und machte sich ebenfalls auf den Weg.

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