- Schriftgröße +

IDUSA, N’Cara und Shimar flogen immer noch in gebührendem Abstand hinter Ginallas Schiff her. Allerdings achtete der Tindaraner darauf, dass Kamurus’ Sensoren sie nicht wahrnehmen konnten. „Wo will sie nur hin?!“, fragte N’Cara aufgeregt. „Ich meine, ihre Auftraggeberin ist tot. Sie hat doch niemanden mehr, für den sie das Tor finden muss. Wie geht es jetzt eigentlich weiter?“ „Gute Frage.“, stellte Shimar fest. „IDUSA, was sagt deine Datenbank im Fall des Todes eines Auftraggebers über den Ty-Nu-Lin-Ritus?“ „Über so einen Fall habe ich gar keine Daten.“, stellte das Schiff nüchtern fest. „Das ist nicht dein Ernst.“, sagte Shimar. „Oh, doch.“, sagte IDUSA. „Das ist mein voller Ernst. Über so einen Fall steht weder etwas in den Daten, die ich aus der Datenbank der Föderation habe, noch in den Daten aus dem Buch von Ty-Nu-Lin, die Sie mir zur Verfügung gestellt haben. Offenbar war so ein Fall nie vorgesehen.“ „Jetzt ist er aber eingetreten.“, sagte Shimar. „Kannst du mich zufällig mit einem mirayanischen Priester verbinden oder mit einem Schriftgelehrten?“ „Nein.“, sagte IDUSA. „Das kann ich leider nicht, weil mir dazu die nötigen Daten wie Rufzeichen und dergleichen fehlen. Aber ich kann Sie mit Ginalla verbinden, die gerade einen Notruf absetzt.“

Shimar schrak zusammen. „Einen Notruf?!“, wiederholte er. „Was ist denn jetzt schon wieder passiert?“, erkundigte sich N’Cara. „Was wohl?“, antwortete Shimar hektisch. „Ginalla macht wieder Schaden. Los, IDUSA, stell durch!“ „Ich muss Sie vorwarnen.“, erklärte IDUSA, während sie die Verbindung aufbaute. „Die Verbindung ist sehr schlecht.“ „Macht nichts.“, sagte Shimar. „Mit ein bisschen Kratzen und Rauschen komme ich schon klar.“ „Na gut.“, sagte das Schiff und stellte ihm das Gespräch auf den Neurokoppler. „Hilf mir, Soldat!“, hörte Shimar Ginallas hektische Stimme. „Ich werde verfolgt! Es ist total komisch. Hinter mir sind ein Ferengi-Schiff und ein elektrischer Sturm. Ich gebe zu, solche Stürme kommen vor im Weltraum, aber …“

Shimar hörte ein Geräusch, als würde etwas explodieren. Er wusste, dass man auf Kamurus’ Sender geschossen haben musste. „IDUSA, lokalisiere, wovon sie gerade gesprochen hat und dann nichts wie hin! N’Cara, festhalten!“, befahl Shimar.
 IDUSA ließ ihren Avatar nicken und führte die Befehle aus. Sie ging kurz auf Warp drei, um im nächsten Moment wieder scharf auf einen vollen Impuls abzubremsen. „Wow!“, machte N’Cara. „Jetzt weiß ich, warum ich mich festhalten sollte.“

Sie kamen am Ort des Geschehens an und dort sahen sie auch das Ferengi-Schiff. Gleichzeitig spürten die Telepathen aber auch jene berühmte Kälte, die von allen Schöpfungen Sytanias ausging. „Mir kann keiner erzählen, dass dieser Sturm natürlichen Ursprungs ist.“, sagte N’Cara, die stark fröstelte. „Mir auch nicht.“, bestätigte Shimar. „Und mir erst recht nicht.“, sagte IDUSA. „Ein normaler elektrischer Sturm arbeitet nicht so gezielt.“ „Kannst du Ginalla irgendwie erreichen?“, fragte Shimar. „Nein.“, sagte das Schiff. „Kamurus’ Kommunikationsanlage ist völlig zerstört.“ „Dann eben anders.“, sagte Shimar und versuchte, die Celsianerin telepathisch zu erreichen. Im gleichen Moment wurde von dem Ferengi-Schiff ein Photonentorpedo mit Rosannium-Sprengkopf abgefeuert, was die sofortige Bewusstlosigkeit Shimars und N’Caras zur Folge hatte. Eine Bö des elektrischen Sturmes erfasste IDUSA und Kamurus und schliff alle Leiterbahnen auf ihren Hauptkristallen glatt, noch bevor sie reagieren konnten. Shimar, N’Cara und Ginalla wurden von Bord der Schiffe gebeamt. Ohne Antrieb und ebenfalls bewusstlos, wenn man so wollte, dümpelten die Schiffe vor sich hin. Wenn niemand ihnen helfen würde, würden sie in der nächsten Planetenatmosphäre verglühen. Wohin ihre Crews gebracht wurden, konnten sie nicht mehr feststellen.

Vor der gleichen Fragestellung wie Shimar und N’Cara stand auch Hestia. Sie hatte die Sache zwar mit den Priestern besprochen, die, wenn sie ehrlich wahren, tatsächlich keinen Präzedenzfall finden konnten, aber sie konnte und wollte sich nicht mit dieser Situation abfinden. Schließlich kam man zu dem Schluss, dass ja nach dem mirayanischen Glauben jeder Tote automatisch nach dem Zurücklassen seiner körperlichen Hülle zu einem gottgleichen Wesen aufsteigt, dessen Wille unbedingt befolgt werden muss. Zu Merkurion, der bei dem Gespräch anwesend war, hatte Hestia nach dem Fortgang des Priesters gesagt: „Was immer auch geschieht. Ich werde Shimar auf jeden Fall für mich weiter nach dem Tor suchen lassen, denn nur dann darf ich laut dem Willen meines verstorbenen Vaters herrschen. Würde das Tor überhaupt nicht gefunden, fiele die Herrschaft an die Priester, was ich auf keinen Fall zulassen kann!“ „Verständlich.“, antwortete der Chefagent. „Aber, wenn Ihr Euch erst mal die Unterstützung der Föderation gesichert habt, wird dem, dass Ihr die alleinige Herrscherin auf Miray werdet, nichts mehr im Wege stehen. Ich hörte, Präsidentin Nugura schickt eine Kommission, die herausfinden soll, ob Hestien der Föderation würdig ist.“ „Da hast du richtig gehört.“, erwiderte die Prinzessin. „Und ich werde alles tun, damit sie meinen Antrag bejahen. Alles, hörst du? Alles!“ „Ich nehme an, alles schließt auch kleinere Bestechungen mit ein?“, schloss Merkurion und sah sie fragend an. „Allerdings.“, bestätigte Hestia. „Ich erwarte aber, dass du und deine Beamten großzügig über diesen Umstand hinwegsehen. Du weißt, was dir und ihnen sonst blühen könnte. Wer nicht für mich ist …“ „Ich weiß.“, sagte Merkurion. „Die Einzigen, die Ihr vom Tode verschonen würdet, sind die Priester, weil Ihr auch gläubig seid und Euch nicht den Zorn der Götter einhandeln wollt. Alle anderen können …“ Er machte ein Zeichen, als wolle er jemanden enthaupten. „Sehr richtig.“, lachte Hestia.

Die Sprechanlage piepte nach ihrer Aufmerksamkeit. Ein Kommunikationsoffizier teilte Hestia mit, dass die Raumkontrolle soeben des Shuttles der Kommission ansichtig geworden war. „Werden sie landen oder herbeamen?“, erkundigte sich Hestia. „Laut Kontrolle werden sie wohl etwas weiter vom Palast weg auf den Planeten kommen und den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen.“, antwortete der Kommunikationsoffizier. „Na schön.“, schnippte Hestia zurück. „Sie sind unsere Gäste und einem Gast sollte man keinen Wunsch abschlagen. Sag der Raumkontrolle, das geht von mir aus in Ordnung.“ „Sehr wohl, Hoheit.“, gab der SITCHer zurück.

Mit Genugtuung hatte Sytania das Tun des Ferengi und ihrer Schöpfung beobachtet. Sie hatte auch gesehen, dass Arridor die Gefangenen in das Felsengefängnis beamen lassen hatte, wie sie es befohlen hatte. Danach hatte sie Telzan angewiesen, den Ferengi auszuzahlen, was der Vendar auch mittels des Transporters seines Veshel getan hatte. Mit einem Laderaum voller in Gold gepresstem Latinum hatte Arridor das Dunkle Imperium wieder verlassen. „Besser kann es uns ja gar nicht gehen.“, stellte Sytania fest. „Die Mitwisser werden nie wieder aus dem Felsen herauskommen. Irgendwann wird ihnen der Sauerstoff ausgehen und sie werden elendig ersticken.“ „In der Tat, Gebieterin.“, grinste Telzan. „Es gibt dort weder Licht noch Luft. Der Felsenkerker ist ja nichts als ein hohler Stein.“ Er lachte laut auf. „Ich überlege aber, ob ich sie noch ein bisschen langsamer sterben lasse.“, überlegte Sytania. „Ich werde ihnen mittels meiner Fähigkeiten ab und zu eine Scheibe Brot und ein Glas Wasser zukommen lassen. So können wir uns noch länger an ihrem Leid weiden.“ „Wie klug Ihr doch seid, Gebieterin.“, schmeichelte Telzan.

Centus-Shimar, T’Pel und ich waren auf dem Weg zum Strand, von dem uns nur wirklich wenige Meter trennten. Erstaunt sah mir der Kleine zu, wie ich mir einen der großen elektronischen Verkehrsleitwürfel suchte, um den sich darin befindenden Computer über unsere Absicht zu informieren, die Straße zu überqueren. „Wow.“, quietschte er. „Das ist nichts Besonderes.“, erklärte ich lächelnd. „Du hast das doch sicher auch schon in der Verkehrserziehung gelernt, wie ich deine Nanny und deine Mummy einschätze.“ Ich sah T’Pel an. „Das ist korrekt, Allrounder.“, gab die ältere Vulkanierin zurück.

An der sich stark verändernden Beschaffenheit des Bodens merkte ich, dass wir den Strand erreicht haben mussten. „Jetzt ist es nicht mehr weit.“, strahlte Centus-Shimar und zog mich schneller den sandigen Weg zu seinen Bauwerken entlang. Aber dann merkte ich, wie er plötzlich stehen blieb, um im nächsten Moment meine Hand loszulassen und in Tränen auszubrechen, die er sich vom Gesicht wischte. „Meine schöne Stadt!“, weinte er und zeigte nach geradeaus. „Ich wollte sie dir so gern zeigen, Tante Betsy. Aber jetzt geht das nicht mehr. Alles ist kaputt! Alles ist kaputt!“

Ich hob ihn auf meinen Arm und drückte sein Gesicht an das meine. „Ist ja gut.“, tröstete ich. „Weißt du, das passiert eben, wenn es windig ist und regnet.“ „Aber du solltest doch stolz auf mich sein, Tante Betsy.“, sagte das kleine traurige Etwas auf meinem Arm, dessen ganzer Körper vor Schluchzen nur so bebte. „Aber das bin ich doch auch.“, sagte ich und sah erneut zu seiner Nanny hinüber. Ich dachte mir, dass sie ja beim Bau der Stadt dabei gewesen sein musste. „Centus-Shimar hat bei dieser architektonischen Meisterleistung eine Exaktheit bewiesen, die ihresgleichen sucht, Allrounder.“, sagte T’Pel nüchtern. „Wenn Sie möchten, könnte ich Ihnen einige Grundrisse zeigen, die sicher noch vorhanden sind.“ „Gern.“, sagte ich und wendete mich an Centus-Shimar: „Darf Tante Betsy mal gucken?“ „Klaro.“, sagte der Kleine jetzt schon etwas fröhlicher.

Ich ging in die Hocke und T’Pel zog mich, ebenfalls in Hockstellung verweilend, näher an das Trümmerfeld heran. Dann führte sie meine rechte Hand auf dem Boden entlang. Mir fiel auf, dass der Kleine sogar kleine Straßen und Plätze mit der Schaufel in den Sand gefräst hatte. Allerdings fiel mir auch auf, dass von den Häusern so gut wie nichts mehr übrig war. „Er hat eine Menge Spielzeugfiguren.“, erklärte mir T’Pel. „Die sind leider alle unter dem Sand verschüttet. Es wird ziemlich mühselig werden, sie alle auszugraben. Allein würde er, laut meinen Berechnungen, dafür mindestens zwei Tage …“

Sie verstummte plötzlich und holte den Koffer hinter ihrem Rücken hervor. Dieses Verhalten war für eine Vulkanierin wohl eher untypisch, aber ich dachte mir, dass es wohl unmittelbar etwas mit dem Tadel ihrer Chefin zu tun haben musste. T’Pel wollte wohl vor mir nicht als rein mathematisches Monster da stehen, zumal ich auch noch eine gute Freundin ihrer Arbeitgeberin war. Ich sollte wohl später nicht zu Eludeh sagen können: „Wen hast du denn für die Erziehung deines Sohnes eingestellt?!“

Der Kleine kam zu uns gewuselt und sah zu, wie T’Pel den Koffer öffnete. „Was hältst du davon, wenn wir Sternenflotte spielen?“, fragte sie mit einer für ihre Rasse doch ungewöhnlich warmen und weichen Stimme. „Au ja!“, freute sich Centus-Shimar. „Spielst du mit, Nanny T’Pel?“ „Ich denke, dass ich keine adäquate Spielpartnerin bin.“, sagte die vulkanische Kinderfrau und stellte sich abseits. „Logischer wäre es, wenn dich deine Tante Betsy in diesem Spiel anleitete.“ „OK!“, freute sich der Junge und griff sich das Rangabzeichen eines Medical Assistant, um mir im nächsten Moment tatsächlich auch mein Richtiges zu geben. Er wusste also in gewisser Hinsicht Bescheid. Die unechten Ausrüstungsgegenstände aus dem Koffer, die jeweils paarweise vorhanden waren, teilte er ebenfalls korrekt unter uns auf.

„So.“, sagte ich. „Du willst doch bestimmt spielen, dass deine Figuren einer Katastrophe zum …“ Weiter kam ich nicht, denn er quietschte: „Ja! und schuld ist die böse Prinzessin, die hinter den Brummkreiseln wohnt!“ Ich wusste, von wem er sprach, da die Weltraumwirbel in Kinderbüchern als Brummkreisel dargestellt wurden. Also konnte die böse Prinzessin nur Sytania sein. „OK.“, sagte ich.

Wir gingen ein Stück vom Trümmerfeld weg. „Wir sind gerade erst angekommen.“, gab Centus-Shimar vor. „Du musst ins Diary schreiben. Ich gehe dann gleich vor. Als mizinischer Azident muss ich die kranken Leute ja behandeln.“

Ich atmete innerlich auf. Endlich hatte ich einmal gehört, dass er bei einem schwierigen Wort einen Fehler machte. Aber wer konnte ihm solche Worte in den Mund gelegt haben, die er noch gar nicht aussprechen konnte. T’Pel würde ausscheiden. Sie würde sich nicht noch einmal einen Tadel von Eludeh wegen Überforderung ihres Sohnes einhandeln wollen, wo doch die Vulkanier immer so perfekt und fehlerlos sein wollen. Dann blieb nur Eludeh selbst, die mich vielleicht durch sein Verhalten auf eine Spur bringen wollte. Um das genauer herauszufinden, blieb mir nichts übrig, als einfach mitzuspielen.

Ich nahm die Sprechgerätattrappe und tat, als würde ich ein Rufzeichen eingeben. „Wie heißt denn unser Schiff?“, lächelte ich ihm zu. „Wie heißt denn deins?“, gab er zurück. „Also gut.“, sagte ich und hob das Mikrofon zum Mund. „Computerdiary der USS Granger, Allrounder Betsy Scott.“, begann ich. „Medical Assistant Centus-Shimar und ich sind nach Little Basiria heruntergebeamt, um Überlebende aus der Hauptstadt zu bergen, die einem Angriff Sytanias zum Opfer gefallen ist.“

„Hier drüben, Allrounder!“, hörte ich bald die hohe Stimme meines „kleinen Kameraden“. Vorsichtig lief ich in die Richtung. Centus-Shimar präsentierte mir drei Plastikmännchen. „Die Frau und das Kind leben noch.“, sagte er. „OK.“, sagte ich. „Ab mit ihnen auf die Krankenstation. Was ist mit dem Mann?“ „Er ist leider tot.“, sagte der Kleine und ich hatte das Gefühl, dass er das Spiel jetzt unterbrechen musste. Deshalb legte ich die Gerätschaften ab und hockte mich neben ihn, um ihn in den Arm zu nehmen. „Weißt du.“, flüsterte er. „Der ist da, wo Daddy, meine Schwestern und Onkel Brako jetzt sind. Mummy hat ihm geholfen, da hin zu kommen.“

Jetzt wusste ich Bescheid. Er konnte das nicht aus eigener Recherche wissen. Eludeh musste ihm alles erzählt haben. Alle Spuren führten unweigerlich zu ihr. Jetzt würde sie sich nicht mehr herausreden können. „Mir ist kalt.“, sagte ich und tat, als würde es mich unheimlich frieren. „Lass uns nach Hause gehen.“ Widerspruchslos folgte mir der Kleine, was mich immer noch mehr in meiner Vermutung bestärkte, dass dies alles kein Zufall sein konnte. Eludeh würde sich jetzt nicht mehr herausreden können. Jetzt würde ich sie festnageln!

Mikel und Maron waren nach der Ankunft nach Hestien gebeamt und auf einem öffentlichen Platz in der Nähe des Palastes materialisiert worden. Maron führte Mikel nun durch die von der allgemeinen schlechten Lage der einfachen Leute gezeichneten Straßen des ehemaligen Miray Prime. „Sei froh, dass du nicht sehen musst, was ich sehe.“, sagte Maron und hoffte, Mikel würde nicht so genau nachfragen. „Sehen kann ich es nicht.“, sagte Mikel. „Aber ich kann es hören. Es ist sehr still hier. Eigentlich viel zu still.“ „Stimmt.“, bestätigte der Demetaner. „Es hat ja sicher lange keine öffentlichen Veranstaltungen mehr gegeben.“ „Die kann sich ja hier auch keiner mehr leisten, so wie Hestia ihr Volk ausbeutet.“, erwiderte Mikel. „Ich bin sicher, sie selbst lebt in unglaublichem Luxus.“ „Dessen bin ich auch sicher.“, sagte Maron und zog den blinden Mann näher an sich heran. „Ich bin überzeugt, du kannst mich auch dann hören, wenn ich nur flüstere.“, flüsterte er. „Ja.“, flüsterte Mikel zurück. „Dann ist ja gut.“, sagte Maron ähnlich leise und fügte bei: „Ich gehe davon aus, dass Hestia versuchen wird, uns zu bestechen. Diese Bestechungen dürfen wir auf keinen Fall annehmen. Auf gar keinen Fall!“ „Für wie dumm hältst du mich?“, wollte Mikel wissen. „Natürlich weiß ich, dass wir sie nicht annehmen dürfen. Außerdem ist das mit der Kommission ja nur Tarnung. Unser wahres Ziel ist ja der Friedhof.“ „Gut, dass du das nicht aus den Augen verloren hast.“, lobte Maron. Gleich darauf entschuldigte er sich aber: „Sorry.“ „Wofür entschuldigst du dich?“, fragte Mikel irritiert. „Willst du dein Lob etwa wieder zurücknehmen? Macht man das auf Demeta so? Wenn ja, dann …“ „Das ist es doch gar nicht.“, sagte Maron, dem partout nicht in den Kopf wollte, warum Mikel anscheinend nicht verstanden hatte, was ihm so peinlich war. „Es geht um das mit den Augen, was ich gesagt habe. Ich dachte nur, du könntest vielleicht …“ „Quatsch!“, lachte Mikel. „Ich bin das gewohnt. Ich mache selber Witze über die eigene Behinderung. Außerdem solltest du Betsy mal hören. Die schießt bei so was echt den Vogel ab.“ Erleichtert atmete Maron auf.

Sie kamen am Schlosstor an, wo Maron sofort der Kontrast zu den ärmlichen Ansichten der restlichen Stadt ins Auge fiel. Eine Wache in mit Gold besetzter Uniform nahm ihnen zur Identifikation ihre biologischen Fingerabdrücke mittels eines Pads ab. Dann wurden die beiden Sternenflottenoffiziere in den Palast geleitet. „Wie gut ist dein Demetanisch?“, fragte Maron, der Mikel jetzt doch einiges beschreiben wollte, was er sah. „Mies.“, antwortete der Terraner. „Betsy hat mir ein paar Worte beigebracht, aber es reicht sicher nicht für das, was du vorhast.“ „Also gut.“, sagte Maron. „Dann regeln wir das in unserem Zimmer.“

Sie fuhren mit einem Turbolift, dessen Luft angenehm nach seltenen mirayanischen Blüten roch und der von hellem warmen Licht durchflutet war, in die obere Etage des Schlosses. Auch Vogelgesang war im Inneren des Liftes zu hören. „Die hat sich das hier sicher was kosten lassen.“, sagte Mikel leise abschätzig zu seinem Kollegen. „Die haben ja noch so ein System.“ Maron nickte. „Versuche aber bitte, deine Wut im Zaum zu halten, wenn wir gleich Hestia vorgestellt werden.“, ermahnte er Mikel. „Ich werd’s versuchen. Darauf kannst du Gift nehmen.“, antwortete Mikel.

Hestia erwartete die Offiziere bereits auf der Veranda ihres Gemachs. „Sie müssen die beiden Offiziere von der Kommission sein, die beurteilen soll, ob Hestien dem Eintritt und somit der Unterstützung durch die Föderation würdig ist.“ „Das stimmt.“, sagte Maron. „Ich bin Agent Maron, das ist Agent Mikel.“ „Zwei Geheimdienstler.“, stellte Hestia fest. „Wie kommt es, dass die Präsidentin gerade zwei Geheimagenten schickt?“ „Im Prinzip.“, begann Mikel. „Ist dies hier eine Art Ermittlung. Wir sollen ermitteln, ob Ihr, Hoheit und Euer Planet die richtigen Voraussetzungen erfüllt. Und wer ist für eine Ermittlung wohl am besten geeignet? Wer würde wohl am ehesten jeden Trick durchschauen?“ Maron war für Mikels Einwand sehr dankbar. Er selbst hatte nämlich keinen Ausweg aus dieser Situation gewusst. „Verstehe.“, sagte Hestia. „Dann werde ich die Gentlemen gleich zu Ihren Gemächern bringen lassen. Sie wollen doch nach dem langen Flug sicher ausruhen.“ „Das wäre wirklich nett von Euch, Prinzessin.“, sagte Maron und tat, als sei er sehr müde. „Nun gut.“, sagte Hestia und betätigte eine Sprechanlage. Mit klirrenden Schritten betrat ein Wachsoldat den Raum. „Er wird Sie gleich in Ihr Reich führen, Agents.“, sagte Hestia und wie auf Stichwort winkte der Wächter. „Wie’n dressierter Affe.“, zischte Mikel seinem Kollegen zu. „Mir gefällt das auch nicht.“, sagte Maron. „Aber warte bitte, bis wir allein sind. Dann kannst du dich bei mir ausmeckern.“ „OK.“, erwiderte Mikel. „Aber mach dich darauf gefasst, dass dir danach ziemlich die Ohren klingeln.“ „Das halte ich schon aus.“, sagte Maron zuversichtlich.

Sie betraten eine große Wohnung, die sich ebenfalls noch im Palast unweit von Hestias Räumlichkeiten befand. Auch hier fiel Mikel die luxuriöse Einrichtung auf. Maron bemerkte, dass sich sein Kollege wohl nicht mehr lange würde zurückhalten können. „Bitte gehen Sie jetzt!“, sagte er diplomatisch aber bestimmt zu dem Wächter. „Wir würden gern auspacken und uns einrichten. Es war ein langer Tag.“ Dabei tat er, als würde ihn sein Rücken stark schmerzen. Die Wache winkte und ging.

Mikel warf sich auf eines der jeweils zu zweien in einem der beiden Schlafzimmer stehenden weichen mit Gold und Silber verzierten Betten. „Ich kann nicht mehr!“, sagte er. Maron setzte sich neben ihn und bot ihm seine Schulter zum Abstützen an. „Ja, jetzt reden wir.“, sagte er. „In Englisch?“, fragte Mikel erschöpft. „Ja, in Englisch.“, sagte Maron. „Dein Demetanisch ist ja zu schlecht, wie du selbst gesagt hast.“, scherzte der Demetaner weiter. Mikel musste grinsen, bevor er wieder mit ernstem Gesicht ansetzte: „Ich halte das nicht aus! Ihr Volk lebt von der Hand in den Mund und sie schwelgt hier in Luxus! Denkt die denn überhaupt nicht nach?! Womöglich will sie uns noch bestechen!“ „Schschscht.“, machte Maron. „Mir geht es ja genau so wie dir. Aber wir müssen durchhalten, bis wir die Informationen haben. Ich werde morgen unter einem Vorwand veranlassen, dass wir auf den Friedhof gelassen werden. Dann holen wir sie uns und fliegen dann wieder ab. Nugura wird Hestia dann einen abschlägigen Bescheid zukommen lassen.“

Er stellte seinen Koffer auf das Bett neben Mikels. „Eigentlich wollte ich rüber gehen und drüben schlafen. Aber ich bleibe lieber bei dir. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Zusammen schaffen wir wohl eine Nacht im Luxus.“ Bei seinen letzten Sätzen hatte Maron wieder gegrinst. Mikel nickte.

Ginalla war als Erste wieder zu Bewusstsein gekommen. Sie war, im Gegensatz zu Shimar und N’Cara, nur einem Narkosegas ausgesetzt gewesen, während sie mit den anderen kurzzeitig im Frachtraum des Ferengi-Schiffes war. Von dort waren sie dann alle drei in ihr endgültiges Gefängnis gebeamt worden. Hier tastete die Celsianerin jetzt im Dunkel um sich und stellte fest, dass die beiden anderen rechts und links von ihr lagen. Sie bemerkte aber auch, dass sich bei Shimar bereits etwas zu regen begann. Um so besser., dachte sie. Dann muss ich zumindest keine Angst haben, dass du tot bist, Soldat. Neben einer Leiche aufzuwachen wäre nämlich echt nich’ mein Fall.

Shimar holte tief Luft und schlug die Augen auf. „Wo sind wir?“, fragte er. „Keinen blassen Schimmer, Soldat.“, antwortete Ginalla. „Aber findest du nich’ auch, dass hier irgendjemand mal das Licht anmachen sollte?“ „Das geht nicht, Ginalla.“, sagte Shimar, der inzwischen die Wand hinter sich abgetastet hatte. „Wir sind in einem Felsen, wie mir scheint.“ „In einem Felsen?“, fragte Ginalla verwundert. „Wie kommen wir denn hier rein?“ „Na, mit einem Transporter.“, sagte Shimar. „Ich vermute, die Ferengi haben uns hier hinein …“ „Du meinst der Ferengi.“, verbesserte Ginalla. „Laut Kamurus war der Typ allein. Na ja. Dann musste er nicht teilen.“ „Davon verstehst du ja auch eine Menge.“, sagte Shimar provozierend. „Witzig.“, brummte Ginalla.

„N’Cara!“ Shimar war seiner Begleiterin ansichtig geworden, die immer noch ohnmächtig in einer Ecke lag. Da sich die Augen des Tindaraners langsam an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er feststellen, dass sie ziemlich ungünstig lag. Ihr Gesicht lag flach auf dem Boden, eine Haltung, in der sie jederzeit ersticken könnte. „Hilf mir!“, wendete er sich bestimmt an Ginalla. „Wir müssen sie drehen!“ „Na gut.“, sagte die Celsianerin reichlich unmotiviert. „Ich will ja später nich’ wegen unterlassener Hilfeleistung dran gekriegt werden. Also, du Kopf, ich Fuß.“

Sie drehten die kleine Lithianerin auf den Rücken, worauf sie sogleich die Augen öffnete. „Was ist los?“, fragte N’Cara verwirrt. „Was macht ihr in meinem Schlafzimmer?“ „Wir sind in Sytanias Gefängnis, Kleine.“, schnippte Ginalla ihr zu, als sei es das Natürlichste der Welt. „Der Ferengi hat …“ „Dann wundert es mich, dass du nicht neben ihm im Cockpit seines Schiffes sitzt!“, schrie N’Cara, der die Situation langsam bewusst wurde. „Deine Einstellung würde ja prima zu seiner passen!“ Sie spuckte Ginalla vor die Füße. „Oh, ja.“, sagte die Celsianerin mit ironischem Unterton. „Ihr alle von der Föderation seid Heilige. Ihr seid so heilig, dass ihr euch mit Freuden von Sytania überrennen lassen würdet. Verteidigen würdet ihr euch nich’. Dann würdet ihr ja Gefahr laufen, dass eure primitive Seite zum Vorschein käme. Aber so was macht mir verdammte Angst. Ich will nich’ von meinem Feind überrannt werden und wenn das schon irgendwann passiert, dann möchte ich vorher noch was gehabt haben vom Leben, bevor es zu Ende ist. Das ist der Grund für meine Einstellung. Ich bin nich’ nur der Gier verhaftet. Wenn das so wäre, dann säße ich jetzt sicher nicht mit euch in diesem Loch!“ Verzweifelt schlug sie die Fäuste gegen die Felswände, bis das Blut aus ihren Fingern spritzte. „Hör auf!“, ermahnte Shimar sie eindringlich. „Das nützt gar nichts! Du tust dir nur weh! Du kannst den Felsen nicht durchschlagen! Nein, Ginalla! Hör auf! Hör auf!“

Ein konzentrierter Blick und Ginalla schwebte durch die Luft, um dann sanft genau vor Shimar, der inzwischen in einer anderen Ecke des Felsens stand, zu landen. „Das war unfair, Soldat.“, sagte Ginalla resigniert. „Aber nötig.“, sagte Shimar. „Schau mal, du hast dir sämtliche Finger aufgeschlagen.“ Er nahm vorsichtig eine Hand von ihr auf. „Tut das weh?“, fragte er und streckte vorsichtig ihre immer noch zu Fäusten verkrampften Finger. Seine Handlung entlockte ihr einen Schmerzensschrei. „Oh, nein.“, sagte Shimar jetzt auch sehr niedergeschlagen. „Die sind garantiert gebrochen. Hoffentlich entwickelst du keine Infektion.“

Ein schriller Pfiff zerriss die Luft. „Kommt mal her!“, rief N’Cara aufgeregt. „Ich habe was gefunden.“ „Bleib wo du bist!“, sagte Shimar bestimmt und rannte in N’Caras Richtung. Das Mädchen stand tatsächlich vor einem Haufen von Ausrüstungsgegenständen. „Hier ist ein Medizinkoffer und unsere Sprechgeräte.“, erklärte N’Cara. „Das sehe ich.“, antwortete Shimar. „Damit können wir zumindest Ginalla behandeln. Aber die Sprechgeräte werden uns nicht viel helfen. Der Fels ist meterdick und die Schiffe gibt es bestimmt nicht mehr. Ich befürchte, sie sind dem elektrischen Sturm zum Opfer gefallen. Du als gute Physikschülerin kannst dir ja bestimmt denken, was so einer auf dem Datenkristall anrichten kann.“ „Kann ich.“, sagte N’Cara. „Und das alles haben wir nur ihr zu verdanken!“ Sie zeigte auf Ginalla. „Das finde ich nicht anständig von dir! Das ist dir hoffentlich klar!“, sagte Shimar streng. „Wenn sie mit Sytania zusammenarbeiten würde, hätte sie nicht das Gleiche auszustehen wie wir. Sytania hasst Mitwisser, deshalb hat sie uns alle drei aus dem Weg räumen wollen! Außerdem hat Ginalla vorhin einiges gesagt, das mich glauben lässt, dass bei ihr einiges falsch angekommen sein muss.“

Ginalla gab einen Schrei von sich. „Ich bin gleich wieder da.“, sagte Shimar. „Ich hoffe, dass du bis dahin über einiges nachgedacht hast.“ Mit versteinertem Gesicht setzte sich N’Cara. Sie wusste, dass er mit dem, was er gerade gesagt hatte, sicher richtig lag. Sie hatte ja Ginallas Worte auch gehört.

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.