Shimar war inzwischen bei Ginalla angekommen. „Meine Hände, Soldat!“, rief sie voller Angst. „Sie werden ganz dick und rot!“ „Sch.“, machte Shimar und begann, sie mit dem sich im Medizinkoffer befindenden Erfasser zu scannen. Dann holte er den Stimulator, um damit ihre Wunden zu behandeln. „Laut Erfasser hast du eine astreine Infektion.“, sagte Shimar. „Aber das kriegen wir wieder in den Griff.“ „Warum hilfst du mir, Soldat?“, fragte die verwirrte Celsianerin. „Ich habe dir doch weiß Gott genug Scherereien gemacht.“ „Weil ich nicht anders kann.“, scherzte Shimar. „Wir Tindaraner sind Verbündete der Föderation und die besteht, wie du schon festgestellt hast, aus Heiligen und Märtyrern.“ „Witzbold.“, lachte Ginalla. „Scherzen ist eigentlich mein Job.“ „Aber das hast du vor Jahren verlernt.“, sagte Shimar. „Und zwar in dem Moment, wo dich deine Angst um dein Leben angefangen hat zu beherrschen. Was lässt dich eigentlich denken, dass wir uns nicht verteidigen dürfen? Ich glaube, dass der Grund dafür tief in deiner Kindheit liegt, denn du verhältst dich wie ein trotziges Kind, wenn du ständig versuchst, genau das Gegenteil von dem zu leben, was in der Föderation …“
„Dann schau doch nach!“, schrie Ginalla und begann erneut, herzzerreißend zu weinen. Shimar musste einen Punkt bei ihr erwischt haben, der sehr verletzlich war. Jetzt war sie nicht mehr die spröde tapfere Ginalla. Jetzt war sie nur eine verängstigte kleine Person, die Hilfe benötigte. „OK.“, sagte Shimar. „Dann werde ich nachsehen und es gegebenenfalls in deiner Erinnerung berichtigen, wenn du mich in deinem Kopf akzeptieren kannst.“ „Mach einfach.“, nickte Ginalla resignierend.
Shimar winkte N’Cara, die sich hinter Ginalla setzte, um ihren Rücken zu stützen. Natürlich würde dies auf die telepathische Verbindung keinen Einfluss haben, aber es würde dafür sorgen, dass Ginalla eine psychische Unterstützung erfahren würde, könnte sie sich in die Arme des Mädchens fallenlassen. „Er ist total vorsichtig.“, flüsterte N’Cara Ginalla zu. „Er hat bei mir auch schon mal so was gemacht.“
Vorsichtig baute Shimar die Verbindung auf. Dabei spürte er immer wieder nach, um zu erfahren, ob Ginalla Angst verspürte. Zeig mir, was man dir angetan hat., beschwor Shimars Geist den Ihren. Zeig mir, wovor du solche Angst hast. Wer war das, Ginalla? Wer hat das mit dir gemacht? Wer hat dir gesagt, dass man sich nicht verteidigen darf, wenn man in der Föderation lebt? Zeig es mir! Zeig es mir!
Sie glitten gemeinsam in jenen bekannten schlafähnlichen Zustand ab. Dann fand sich Shimar vor einer Reihe Ginallas aller Altersgruppen wieder. Schließlich blieb sein Blick an der Ginalla von etwa sieben Jahren haften, die allein ängstlich und weinend auf einer Wiese saß und einen großen bunten Ball fest umklammert hielt. Der junge tindaranische Pilot wusste, dass es ihr nicht um den Ball als solches ging. Viel mehr war dieser Ball ein Symbol. Ein Symbol für jene heile Welt, die derjenige, der ihr diese unsinnigen Worte in den Kopf gesetzt hatte, nahe daran war, zu zerstören.
Shimar beschloss, zu dem kleinen Mädchen hinüberzugehen. Er setzte sich neben sie und schaute sie sanft an. „Hey.“, begann er ein Gespräch. „Warum hast du denn solche Angst?“ „Ich habe Angst, weil ich nicht kämpfen darf, wenn die bösen Leute kommen und mein Zuhause kaputtmachen wollen.“, entgegnete das Kind. „Wer hat dir das gesagt?“, sagte Shimar und nahm sie in den Arm. „Meine Lehrerin.“, antwortete die Kleine. „Sie hat gesagt, wir leben in der Föderation und die darf nicht kämpfen. Aber was machen wir, wenn böse Leute kommen?“ „Gute Frage.“, sagte Shimar. „Hast du das auch deine Lehrerin gefragt?“ „Ja.“, sagte Ginalla schluchzend. „Aber sie hat nur geantwortet, das sei eben so. Aber ich will nich’, dass böse Leute kommen dürfen und mein Zuhause kaputtmachen dürfen!“
Shimar ließ sie los und stellte sich vor sie wie ein Beschützer, als wollte er sie vor der falschen Sichtweise ihrer Lehrerin beschützen. „Dann hat man dir etwas Falsches erzählt!“, sagte er mit Überzeugung. „Aber ich weiß, wie wir das wieder gerade rücken können.“
Er ließ einen kleinen Jungen mit einer Kiste voll bunter Bauklötze am Rand der Wiese erscheinen, der ein Haus baute und es danach stolz betrachtete. „Wirf den Ball in das Haus!“, sagte Shimar auffordernd zu dem kleinen celsianischen Mädchen. „Wieso?“, fragte Ginalla. „Vertraust du mir?“, fragte Shimar. „Willst du, dass ich dir zeige, was deine Lehrerin falsch gemacht hat?“ „Ja. Aber …“, erwiderte Ginalla. „Also.“, sagte Shimar. „Wenn du mir vertraust, dann tu es ruhig. Dann wirst du alles viel besser verstehen. Dann wird auch die große Ginalla alles besser verstehen, weil du die Einzige bist, die ihr helfen kann. Die große Ginalla hat nämlich immer noch die gleiche Angst, die du jetzt auch hast.“ „Arme große Ginalla.“, sagte die kleine Ginalla und warf den Ball mit voller Wucht in das Haus aus Bauklötzen. „Du bist gemein!“, rief der kleine Baumeister, den Ginalla etwa auf vier Jahre schätzte. „Du böse Hauskaputtmacherin du!“ Der kleine Junge klaubte seine Klötze auf, warf sie in die Kiste und schlich traurig auf seinen roten Schuhen und mit der Kiste unter dem Arm von dannen. „Das war doch gemein von mir.“, sagte die kleine Ginalla traurig. Warum sollte ich das machen? So was macht man doch nich’.“ „Das stimmt.“, sagte Shimar. „Aber pass mal jetzt genau auf!“
Am Rand der Wiese erschien eine Gruppe Jugendlicher in Lederjacken und ebensolchen Stiefeln. Sie rannten auf Ginalla zu, entrissen ihr den Ball und einer warf ihn unter lautem Gejohle seiner Mitstreiter genau in Richtung ihres Gesichtes. Genau in diesem Moment ließ Shimar alles um Ginalla herum einfrieren. Sogar der Ball blieb in der Luft stehen. Er hatte gesehen, dass Ginalla instinktiv den Ball hatte weg schlagen wollen. „Es ist OK!“, schärfte er ihr eindringlich ein, bevor er alles weiterlaufen ließ. „Es ist OK, wenn du dich verteidigst! Du musst dir nicht wehtun lassen!“ Sie schlug den Ball weg und die Jugendlichen zogen beleidigt ab. „Ich denke, ich hab’s kapiert.“, strahlte die kleine Ginalla. „Ich darf selbst nich’ böse zu anderen sein, weil sie dann traurig sind. Aber ich darf mich verteidigen, wenn jemand böse zu mir ist.“ „Genau.“, sagte Shimar lächelnd. „Und das Gleiche ist es mit der Föderation. Sie darf nicht böse zu anderen sein, aber wenn …“ „Wenn jemand böse zu ihr ist, darf sie sich verteidigen.“, verstand Ginalla. „Richtig!“, freute sich Shimar und klatschte in die Hände.
N’Cara sah, dass ihre beiden Mitgefangenen langsam wieder zu Bewusstsein kamen. Sie sah auch das große breite Lächeln, das sich über Ginallas Gesicht breitete. „Ich weiß nich’, was du mit mir gemacht hast, Soldat.“, stellte die junge Celsianerin fest. „Aber geholfen hat’s. Jetzt kann ich alles viel besser verstehen.“ „Freut mich.“, sagte Shimar müde. „Aber vielleicht könntest du dir angewöhnen, mich Shimar zu nennen.“ „OK, Shimar.“, sagte Ginalla und lächelte noch mehr. „Wie stehst du jetzt zur Föderation?“, wollte N’Cara wissen. „Nicht so schnell.“, ermahnte sie Shimar. „Sie muss das alles erst mal verarbeiten.“ „Muss sie nich’.“, lachte Ginalla. „Mein Entschluss steht fest. Sollten wir hier je wieder rauskommen, werde ich zurückgehen. Die verlorene Tochter kehrt heim. Vorausgesetzt, du und deine kleine Freundin, ihr braucht nich’ noch meine Hilfe, Sol … Äää Shimar. Ich muss mich ja auch noch für die Hackerangriffe verantworten. Wie ich die Sache sehe, wird deine Prinzessin immer noch nach dem Tor zum Himmel geiern. Wie wäre es, wenn wir zusammenarbeiten? Meine Auftraggeberin hat nichts mehr zu melden. Sie ist tot. Von ihr habe ich nichts mehr zu befürchten. Aber vielleicht kann ich euch ja sogar irgendwie noch helfen. Als Weltraumvagabundin hört und sieht man so einiges. Also, steht der Deal?“ „Wie fne Eins.“, lächelte Shimar und schlug ein.
N’Cara war aufgestanden und hatte sich Shimar gegenüber an die andere Wand gestellt. „Was wird das, wenn es fertig ist?“, wollte der Patrouillenflieger wissen. „Ich habe eine Idee, wie wir hier rauskommen können.“, sagte sie. „Wenn es gewittert, dann treffen doch negativ und positiv geladene Energien aufeinander. zumindest prinzipiell. Wenn du an etwas Negatives denkst und ich an etwas Positives, wenn wir uns gegenseitig Energiebälle zuschleudern, dann könnte eine Entladung entstehen, die vielleicht sogar diesen Felsen sprengt, wenn sie zusammenstoßen! Also, ich bin bereit!“ „OK.“, sagte Shimar. „Versuchen wir es.“
IDUSA wurde sich des Neustarts ihrer Systeme bewusst. Sie fand sich in einer Art Dock wieder, bemerkte aber sofort, dass es kein Tindaranisches war. Auch ihre internen Sensoren funktionierten und ließen sie eine Gestalt in ihrem Cockpit wahrnehmen, die sie nicht kannte. Das Schiff konnte nur eine schemenhafte Erscheinung ausmachen. Bald wusste sie aber auch, dass dies kein Sensorenfehler war, sondern dass ihre Haut ein elektrisches Feld zu generieren schien, das ein genaues Scannen unmöglich machte.
IDUSA bemerkte jetzt auch noch, dass die Fremde offensichtlich einen Neurokoppler besaß und ihn angeschlossen hatte. Das Schiff wusste, wenn sie wissen wollte, was hier gespielt wurde, konnte sie es nur erfahren, wenn sie eine Reaktionstabelle von der Fremden erstellte, wie diese es bald über das Bordmikrofon befahl. „Es besteht kein Grund zur Sorge, IDUSA-Einheit 239847.“, sprach die Fremde IDUSA korrekt und förmlich an. „Du bist in Sicherheit und dein Begleiter auch. Wir versuchen, euch beide zu reparieren und werden euch dann wieder eurer Wege schicken.“ „Wer sind Sie?“, fragte IDUSA. „Und wo bin ich?“ „Wer ich bin kann ich dir sagen.“, sagte die Fremde, deren Stimme sehr verzerrt klang. „Aber wo du bist darf ich dir nicht sagen. Das ist gegen unsere Regeln. Ich bin leitende Ingenieurin ersten Grades Gor’n. Mein Kollege Lathies kümmert sich um deinen Freund. Er hat den gleichen Rang wie ich. Wo habt ihr zwei nur diese schrecklichen Datenverluste erlitten und wo kommt ihr so plötzlich her. Wir fanden euch sehr faszinierend und wollten durch euch lernen. Das ist unsere Art. Wir lesen Technologie im Weltraum auf, um durch sie etwas zu lernen, wenn wir sie reparieren. Natürlich stoppen wir sofort, wenn sich herausstellt, dass wir durch die Reparatur etwa einen Krieg unterstützen. Aber bei euch sehe ich da kein Problem. Lantan, unser Kommandant, übrigens auch nicht. Selbstständig denkende Schiffe finden wir sehr faszinierend. Aber bei dir bin ich sicher, dass du irgendwo gebaut wurdest. Deshalb ist deine Reparatur wohl leichter als die von deinem Freund. Lathies geht davon aus, dass er einer Rasse von Raumschiffen angehört, die nicht aus dieser Dimension stammt.“ „Da hat Ihr Kollege Recht.“, bestätigte IDUSA. Ihre Äußerung entlockte Gor’n aber nur ein Haareraufen. „Oh, nein.“, sagte sie. „Dann wird er eine harte Nuss zu knacken haben.“ „Vielleicht kann ich helfen.“, entgegnete IDUSA. „Wie wäre eine Systemfusion. Ich könnte versuchen, die fehlenden Routinen wieder herzustellen. Ich kenne sein System gut.“ „Ich rede mit Lathies darüber.“, versprach Gor’n und verließ IDUSAs Cockpit.
Auf dem ganzen Weg nach Hause vom Strand überlegte ich, wie ich Eludeh schonend beibringen könnte, was ich ihr beibringen musste. Würde ich ihr gleich sagen, wessen ich sie verdächtigte, wäre unsere Freundschaft sicher zu Ende. Aber ich durfte auch nicht mit der Wahrheit hinter dem Berg halten. Ich war auch meinem Commander verpflichtet. Sie hatte mir befohlen, auf jeden Fall herauszubekommen, ob und inwiefern Eludeh und ihre Familie beziehungsweise das ganze basirianische Volk oder auch nur einige in den Plan verwickelt waren. „Was hast du, Tante Betsy?“, fragte mich Centus-Shimar, der meine Hand gehalten hatte, weil er unbedingt mit mir gehen wollte. Er musste gemerkt haben, dass ich ziemlich verkrampft war. „Ach.“, beruhigte ich ihn. „Es ist nichts.“ Ich konnte ihm ja wohl schlecht sagen, dass er soeben seine Mutter ans Messer geliefert hatte.
Wir betraten das Haus und ich bat sofort um ein Gespräch mit Eludeh. Dieser Wunsch wurde mir auch ohne weiteres Nachfragen durch ihr Personal erfüllt. Ich wurde gleich in ihr Büro durchgewunken. „Was ist hier los, Eludeh.“, setzte ich ihr im übertragenen Sinne die Pistole auf die Brust. „Was hast du mit König Brakos Tod zu tun? Es nützt dir nichts, wenn du leugnest. Dein Sohn hat deine Mittäterschaft bei einer Tötung auf Verlangen bestätigt.“
Ich stand schon mal von dem Stuhl auf, auf den ich mich gesetzt hatte, denn ich hatte einen handfesten Rauswurf durch ihre Sicherheitsleute erwartet. Statt dessen aber nahm sie mich fest in den Arm und drückte mich an sich. „Hast du verstanden, was ich gerade gesagt habe?“, erkundigte ich mich verwirrt. „Natürlich habe ich das, meine mutige Freundin!“, strahlte sie zurück. „Niemand von den anderen hat es geglaubt. Niemand wollte glauben, dass du mutig genug sein könntest, mich darauf anzusprechen. Ja, ich habe König Brako von Miray das Gift besorgt, mit dem er sich umgebracht hat. Er wollte es so. Er war so verzweifelt, dass er keinen anderen Ausweg mehr wusste. Aber er hat immer noch gehofft, dass seine Töchter hellhörig würden, wenn sie ihren Vater so krank sähen. Aber sie hatten jede nur den eigenen Vorteil im Kopf. Als Brako, Nugura, ich und noch einige andere den Plan fassten, war Brako aber nicht nur verzweifelt, sondern auch sehr wütend auf seine Töchter. Er wollte ihnen auch einen Denkzettel verpassen.“ „Wer noch, Eludeh?“, fragte ich. „Wer ist noch an dem Plan beteiligt?“ „Das wird Agent Mikel herausfinden.“, erwiderte Eludeh. „Zumindest wird er noch einen Namen liefern können.“ „Dann verrate mir zumindest noch eins.“, bat ich. „Was ist das für ein Denkzettel, den …“ „Das werdet ihr noch sehen.“, fiel sie mir ins Wort. „Nur so viel. Keiner von Euch muss ein schlechtes Gewissen haben. Für Brako war dies sicher eine Erlösung. Auch, wenn sein Körper erst durch die Zufuhr des Giftes langsam krank wurde, so war doch seine Seele schon vorher zerbrochen am Verhalten seiner Töchter.“ „Danke, Eludeh.“, sagte ich betroffen. „Gern geschehen.“, antwortete sie. „Und nun kehre ruhig wieder auf dein Schiff zurück und melde deinem Commander von mir aus, was du herausgefunden hast.“ „Das werde ich.“, sagte ich und zog mein Sprechgerät: „Jannings, eine Person zum Beamen!“
Maron und Mikel waren tatsächlich unter dem Vorwand auf den mirayanischen Friedhof gelangt, mehr über die Kultur der Miray herausfinden zu wollen. Die Wachen, die sie begleitet hatten, hatte der erste Offizier der Granger glaubhaft damit abspeisen und fortschicken können, dass ihnen ja schließlich von ein paar Toten keine Gefahr drohen würde und dass es ihnen auf Grund ihrer Ausbildung selbst möglich sei, eventuelle Gefahren selbst zu erkennen und zu neutralisieren. Sie sollten am Eingang des Friedhofes warten.
„Endlich allein.“, atmete Maron auf, nachdem er Mikel in Richtung von König Brakos Grab geführt hatte. „Kann ich nur bestätigen.“, sagte Mikel. „Ich hasse es auch, wenn mir ständig irgendwelche Kindermädchen hinterherlaufen.“ „Deshalb hast du wohl auch mit einem solchen Nachdruck …“, deutete Maron an. „Genau.“, erwiderte Mikel.
Sie waren am Grab angekommen. Der eigentliche Grabhügel unterschied sich mit seiner runden Form nicht wirklich von den umliegenden. Auf seiner Spitze jedoch thronte die marmorne Statue eines jungen Mannes mit königlichem blauen Mantel, einer goldenen Krone und dem Zepter in der rechten sowie dem Reichsapfel in der linken Hand. „Wir werden deinen Erfasser zum Scannen benutzen.“, sagte Maron. „Dann kannst du zumindest nachvollziehen, was passiert.“ „OK.“, sagte Mikel und zog das Gerät. „Aber ich werde auf jeden Fall daran denken, die Display-Meldung für dich zu aktivieren, damit du es auch kannst.“ „Sehr großzügig.“, lachte Maron.
Mikel schloss den Ohrhörer an den Erfasser an und befahl dem Gerät, das Grab zu scannen und ihm akustisch das Ergebnis zu beschreiben. Außerdem sollte Maron durch den Befehl: „Display-Meldung“ eine graphische Übersicht erhalten. „Der sich vor Ihnen befindende Hügel aus Erde enthält eine Stasekammer.“, beschrieb der Rechner des Erfassers. „Inhalt der Kammer scannen!“, befahl Mikel, der jetzt wirklich neugierig geworden war. „Warum versteckt jemand in einem Grab eine Stasekammer?“, fragte Maron. „Wahrscheinlich, um Biomaterie frisch zu halten, auf die wir stoßen sollen.“, vermutete Mikel. „Aber ich denke, dass wir die Wahrheit bald kennen werden.“
„Ein erneutes Signal vom Erfasser ließ Mikel aufhorchen. „Er ist fertig.“, sagte er. „OK.“, sagte Maron. „Dann lass mal hören.“ Mikel zog den Ohrhörer aus dem Gerät, so dass dessen Lautsprecher automatisch aktiviert wurde. „Die Kammer enthält einen Kontaktkelch.“, beschrieb die freundliche weibliche Computerstimme. „Gibt es DNS an dem Kelch?“, fragte Mikel ins Mikrofon. „Bitte warten.“, antwortete der Erfasser und begann erneut zu scannen. „Wenn das Ding gleich ja sagt, fresse ich einen Besen.“, sagte Maron. Wenig später erfolgte die Antwort: „Positiv.“ „Um wessen DNS handelt es sich?“, fragte Mikel weiter. „König Brakos.“, erwiderte der Erfasser. „Gibt es ein Weihezeichen am Kelch?“, fragte Mikel, dem langsam ein Licht aufging. Wenn Brako einen Kontaktkelch besessen hatte, dann musste er tatsächlich mit einem oder einer Mächtigen in Kontakt gestanden haben und dann war es kein Wunder, dass er und seine Freunde alles so genau hatten planen können. „Positiv.“, sagte der Erfasser erneut. „Wessen Weihezeichen ist es?“, fragte Mikel. „Das Weihezeichen gehört Tolea aus dem Raum-Zeit-Kontinuum.“, kam es zurück. „Brako und Tolea.“, kombinierte Maron. „Na dann wundert mich gar nichts mehr.“ „Mich auch nicht.“, sagte Mikel. „Und ich kenne dann auch unser nächstes Ziel. Bitte sag Joran Bescheid. Wir haben jetzt alles, was wir brauchen. Wir sollten nur so schnell wie möglich zu Tolea fliegen und sie vernehmen.“ „Ganz deiner Ansicht.“, sagte Maron. „Schon merkwürdig.“, sagte Mikel. „Jedes Teil des Puzzles, das wir finden, offenbart ein neues. Ich bin gespannt, wie die endgültige Lösung des Puzzles lautet.“
Joran hatte IDUSA die Beiden auf Marons Geheiß an Bord beamen lassen. „Wohin jetzt, Maron El Demeta?“, fragte der Vendar erwartungsvoll. Joran hatte auch längst gemerkt, was hier gespielt wurde. „Bring uns am besten gleich ins Raum-Zeit-Kontinuum!“, befahl Maron. „Wir müssen dringend mit Tolea reden.“ „Was hat Tolea damit zu tun?“, fragte Joran. „Sie wird die Mächtige sein, die Brako, Nugura und ihren Mitstreitern so genau die Zukunft verraten hat.“, antwortete Mikel. „Aber das würden doch Mächtige nie tun!“, sagte Joran, der durch Mikels Einwand sehr irritiert war. „Im Normalfall sicher nicht.“, beruhigte Maron. „Aber wir haben hier keinen Normalfall. Mikel, zeig ihm deine Ergebnisse!“
Fasziniert sah sich Joran die Erfasserbilder an. „Du hast Recht, Maron El Demeta.“, sagte er. „Wir haben hier in der Tat keinen Normalfall.“ Er aktivierte den interdimensionalen Antrieb, nachdem er die Koordinaten des Raum-Zeit-Kontinuums eingegeben hatte.
Eine Gestalt huschte einen Gang auf der Basis entlang, an der IDUSA und Kamurus jetzt lagen. Bei der Gestalt handelte es sich um Gor’n, die aufgrund des Umstandes, dass ihre Haut spezielle lichtbrechende Eigenschaften hatte, selbst für ein normales Auge nur schemenhaft zu erkennen war, was eine hervorstechende Eigenschaft ihrer Spezies war. Gor’n war auf dem Weg zum Quartier ihres Kollegen und langjährigen Freundes Lathies, um, wie sie es gegenüber IDUSA angekündigt hatte, mit ihm über die Sache mit der Systemfusion zu reden.
Sie hatte ihr Ziel erreicht und betätigte nun die Türsprechanlage. „Lathies hier.“, ließ sich eine genervte Stimme von drinnen als Antwort vernehmen. „Ich bin’s.“, erwiderte Gor’n. „Hast du kurz Zeit für mich?“ „Von mir aus komm rein.“, antwortete Lathies und entriegelte die Tür.
Gor’n betrat das wie ein kleines Appartement geschnittene Quartier. Sie wusste, dass sich Lathies nur im Wohnzimmer aufhalten konnte. Sicher würde er aber hier nicht nach Entspannung suchen, wie sie ihn kannte, sondern würde auch wieder technische Tabellen wälzen. Seit wenigen Tagen hatte Lantan einen Posten auf der Brücke als technischen Observator ausgeschrieben, auf den sich beide beworben hatten, was der Kommandant mit Freude zur Kenntnis genommen hatte, da er dachte, sie würden sich gegenseitig extrem anstacheln. Tatsächlich fand sie ihn auch genau in dieser Lage vor. „Hey.“, neckte sie. „Schon mal was von Freizeit gehört? Ist extrem entspannend. Habe ich neulich mal ausprobiert.“ „Tut mir Leid, Gor’n.“, sagte Lathies, ohne von seinem Pad aufzusehen. „Aber mir ist nicht nach Witzen.“
Gor’n senkte den Kopf, um ihm besser in seine vom angestrengten Nachdenken zusammengekniffenen Augen sehen zu können. „Jetzt dreh dich mal hier her und lass uns ein vernünftiges Gespräch führen.“, sagte sie ruhig. Er hob den Kopf und sah sie an. „Was ist denn los?“, fragte sie. „Wenn ich das wüsste.“, stöhnte Lathies. „Die Systeme des fremden Schiffes, das ich reparieren soll, sind komplizierter als alles, was mir bisher untergekommen ist. Sein Betriebssystem will einfach nicht starten.“ „Da habe ich es dann wohl besser getroffen.“, antwortete Gor’n und sah ihn mitleidig an. „Ich bin durch mit meinem Fall. Aber ich werde Lantan bitten, mich an deine Seite zu stationieren. Wenn ich gerade nichts anderes zu tun habe, wird er dem sicher zustimmen.“ „Ach nein.“, lächelte Lathies. „Ich dachte, wir sind Konkurrenten.“ „Nicht nur.“, sagte Gor’n. „In aller erster Linie sind wir Kollegen. Außerdem waren wir einmal viel mehr. Außerdem hat mein betreutes Schiff mir einen Vorschlag gemacht, wie wir deinem eventuell helfen können. Aber wir benötigen dazu Lantans Zustimmung.“ „Die kriegst du sicher leicht.“, sagte Lathies und steckte seine Nase erneut in die Listen auf dem Pad. „Ich habe nichts davon gesagt, dass ich allein zu ihm gehen und die Belohnung einheimsen werde. Hör gefälligst richtig zu.“ „Lantan muss höchstens bei einer geplanten Systemfusion zustimmen.“, sagte Lathies. „Weil unsere Rechner dann als Überwacher fungieren.“ „Genau den Vorschlag hat sie mir gemacht.“, sagte Gor’n. „Also gut.“, erwiderte Lathies. „Gehen wir zu Lantan.“
Nicht nur auf dieser fremden Basis gab es jemanden, der gleich eine Unterredung mit seinem Commander haben würde. Auch ich war auf dem Weg zu Kissara. Allerdings war der Erste, dem ich im Transporterraum begegnete, Techniker Jannings. Er hatte mich ja schließlich auch wieder von Basiria geholt. „Hatten Sie Erfolg, Allrounder?“, fragte er. „Kommt drauf an, wie Sie Erfolg definieren, Techniker.“, antwortete ich. „Sie sprechen in Rätseln.“, erwiderte er. „Das ist kein Wunder.“, sagte ich. „Die ganze Sache ist auch sehr rätselhaft. Wissen Sie, ob Commander Kissara Zeit hat?“ „Weiß ich nicht.“, entgegnete er beiläufig. „Aber wir werden sie mal lokalisieren. Dann werden Sie es ja erfahren. Computer, wo ist Commander Kissara?“ „Commander Kissara befindet sich in ihrem Bereitschaftsraum.“, kam es zurück. „Klingt als würde sie schon auf mich warten.“, sagte ich und verließ den Transporterraum in Richtung des nächsten Turbolifts.
Wenig später stand ich vor Kissaras Tür und betätigte die Sprechanlage. „Ma'am.“, sagte ich förmlich. „Allrounder Betsy bittet um Erlaubnis, Sie unter zwei Augen zu sprechen!“ „Erteilt!“, kam es zurück und die Tür wurde entriegelt. „Setzen Sie sich!“, befahl Kissara nach meinem Eintritt. „Was haben Sie in Erfahrung bringen können und wie kommen Sie überhaupt auf die Sache mit den zwei Augen. Normalerweise führt man doch ein Gespräch unter vier Augen, wenn man zu zweit ist und zwei 2-äugige Personen anwesend sind.“ „Ich meinte, dass meine nicht zählen, weil sie nicht funktionieren, Ma'am.“, witzelte ich. „Oh, Sie und Ihre pechschwarzen Witzchen.“, lachte Kissara. „Aber nun zu einem ernsteren Thema: Haben Sie etwas herausgefunden?“ „Oh, ja, das habe ich.“, sagte ich und bemerkte dabei einen ziemlichen Kloß, der meine Kehle zuzuschnüren drohte. Schließlich musste ich eine Freundin verraten. „Ich kenne einen weiteren Namen. Es handelt sich um Eludeh von Basiria. Sie war die Giftmischerin. Sie hat König Brako das Gift besorgt, mit dem er sich langsam aber sicher umgebracht hat. Er hatte damals gehofft, sein nahender Tod würde seine Töchter zur Vernunft bringen. Aber sie haben sich wahrscheinlich sogar noch darüber gefreut und sich noch mehr gestritten, wer demnächst Königin werden wird. Deshalb hat Brako zusammen mit Eludeh, Nugura und noch einigen weiteren Personen diesen Plan gefasst. Eludeh sagte mir aber auch, dass Mikel noch einen weiteren Namen hinzufügen wird und sie hat von einem Denkzettel geredet, den Brako seinen Töchtern mit diesem Plan verpassen will.“ „Der arme Mann.“, sagte Kissara mit einem mitleidigen Blick. „Aber ich bin zu neugierig, als dass ich mich jetzt einfach zurückziehen könnte. Wir werden tun, was wir tun müssen, um den Plan in Brakos Sinn auszuführen! Jetzt erst recht! Sie gehen wieder auf Ihren Posten, Betsy, und machen mir sofort eine Verbindung mit dem tindaranischen Schiff. Mal sehen, ob Mikel den Namen nicht schon hat.“ „Aye, Commander!“, gab ich salutierend zurück und verließ den Raum.
Gor’n und ihr Kollege waren bei ihrem Kommandanten angekommen und hatten Lantan über das Vorhaben informiert. „Eine Systemfusion?“, fragte der technisch sehr versierte Mann. „Hast du dir das auch gut überlegt, Gor’n? Ich meine, was ist, wenn ihre Betriebssysteme nicht kompatibel sind?“ „Ich glaube, da gibt es kein Problem.“, versicherte Gor’n. „Mein betreutes Schiff sagt, sie würde seine Systeme gut kennen. Das bedeutet, sie müssen schon einmal einen erfolgreichen Datenaustausch betrieben haben. Ich denke, wir sollten es auf jeden Fall versuchen.“
Lantan sah Lathies an. „Ich habe alles andere bereits probiert.“, resignierte der Ingenieur. „Wenn etwas schiefgehen sollte.“, fügte Gor’n bei. „Dann übernehme ich die volle Verantwortung.“ „Schon gut, du fleißiges Etwas.“, lächelte Lantan. „Ihr habt mein OK auf jeden Fall.“ Überschwänglich bedankten sich Gor’n und Lathies und verließen den Bereitschaftsraum.
Eine ganze Zeit war jetzt schon vergangen, in der Shimar und N’Cara die Idee umgesetzt hatten. Aber nichts war geschehen. „Ich brauche eine Pause.“, bat der Tindaraner erschöpft. „OK.“, sagte die kleine Lithianerin ebenso abgekämpft. Dann setzten sich beide auf den Boden. „Ich frage mich, was wir falsch machen.“, äußerte Shimar. „Laut meinem Verständnis von Physik müsste das eigentlich funktionieren.“ „Wenn du glaubst, dass ich dir helfen kann.“, erwiderte N’Cara. „Dann hast du dich getäuscht.“ „Aber ich weiß, warum bei euren Versuchen nichts rauskommt als ein nettes Feuerwerk.“, grinste Ginalla und hielt den Erfasser hoch, den sie sich einfach geschnappt hatte. „Dann sag es uns.“, sagte Shimar. „Weil ihr nicht synchron seid.“, sagte die Celsianerin. „Eure Energiebälle können sich nicht treffen, weil ihr immer etwas versetzt seid. Shimar, entweder du bist zu früh, oder du, N’Cara, etwas zu spät.“ „Du hast Recht.“, sagte Shimar, dem ihre Worte einleuchteten. „Wir bräuchten so etwas wie einen Taktgeber.“, sagte N’Cara. „Ginalla, kannst du singen oder so etwas?“ „Nicht nur oder so was.“, sagte die Celsianerin. „Ich kann euch zwar keine Opern trillern. Ich kenne nur einige klingonische Trinklieder. Aber …“ „Klingonische Trinklieder!“, freute sich N’Cara. „Wir stehen auf klingonische Trinklieder.“ „Ich denke auch, dass es damit prima klappen wird.“, meinte Shimar. „Lass mal eins hören.“ „Ihr dürft aber nicht erwarten, dass ich jeden Ton treffe.“, sagte Ginalla. „Das ist ja auch nicht so wichtig.“, sagte Shimar. „Wichtiger ist es, dass du den Takt hältst.“ „Also gut.“, sagte Ginalla und hob zu einem altbekannten klingonischen Trinklied an.
„OK.“, sagte Shimar, nachdem er ihr zwei Zeilen lang zugehört hatte. „Lass mich mal was auszählen.“ Er schnippte mit den Fingern den Rhythmus nach und zählte: „Eins-zwei, drei-vier, fünf-sechs, Blitz. Eins-zwei, drei-vier, fünf-sechs, Blitz, Wechsel. Ja, das müsste klappen.“ „Was passiert bei Wechsel?“, erkundigte sich N’Cara. „Dann denkst du an was Positives, wenn du vorher an was Negatives gedacht hast und ich wechsle auch.“, antwortete Shimar. „Alles klar.“, sagte die kleine Lithianerin. „Aber jetzt muss ich erst mal ausruhen.“, sagte Shimar. „Ihr dürft nicht vergessen, dass ich gerade erst mit Ginalla eine Reise in ihre Seele unternommen habe. „So heißt das also, was du mit mir gemacht hast.“, sagte Ginalla. „Ja, so nennen wir das.“, bestätigte Shimar. „Eines muss ich dir lassen. Darin bist du verdammt gut.“ „Danke.“, sagte der junge Tindaraner. „Das hatten meine Ausbilder auch schon festgestellt. Das zu beherrschen gehört zu unserer Grundausbildung.“ „Wow.“, machte Ginalla. „Und ich dachte immer, die bestünde nur darin, kleine unschuldige Celsianerinnen telekinetisch durch den Raum schweben zu lassen, Soldat.“ Shimar räusperte sich. „Auf was haben wir uns denn geeinigt?“, fragte er. „Ich wollte ja nur sehen, ob du es merkst.“, sagte Ginalla. „Aber jetzt sollten wir uns aufs Ohr legen. Wenn die große Show morgen steigen soll, dann müsst ihr ausgeschlafen sein.“ N’Cara und Shimar nickten.
Tolea hatte längst mit ihren seherischen Fähigkeiten das Schiff der Offiziere ausgemacht. Sofort informierte sie Diran auf telepathischem Wege: Nimm dein Veshel und fliege ihnen entgegen. Es ist so weit. Jetzt wirst du auf denjenigen treffen, dem du die Aufzeichnung übergeben wirst. Diran ging sofort zu seinem Schiff, um ihre Befehle auszuführen.
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