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Mikel und Maron hatten sich in die Achterkabine des Schiffes zurückgezogen, um in Ruhe einen Schlachtplan schmieden zu können. „Wir müssen Tolea unumstößlich beweisen, dass sie mit drin hängt.“, sagte Maron. „Wenn sie uns am Ende nicht glaubt, haben wir ein Problem.“ „Tolea wird uns glauben. Sie wird uns nicht durch irgendwelche Reifen springen lassen zu ihrem Vergnügen, wenn du dass meinst. Sie ist keine Q vom alten Schlag, für die wir Sterblichen nicht mehr als Tiere waren, die man für Zirkusnummern missbrauchen konnte. Sie ist eine Freundin der Sterblichen und das weißt du auch. Sie ist …“

Weiter kam Mikel in seinem Monolog nicht, denn im gleichen Moment unterbrach ihn die Sprechanlage. „Ich werde antworten.“, sagte Maron. „Tu dir keinen Zwang an.“, erwiderte Mikel. „Schließlich ist das hier euer Schiff. Ich bin nur Passagier.“

Maron nahm das Mikrofon: „Maron hier.“ „Hier ist Joran.“, kam es zurück. „Wir werden von der USS Granger über das interdimensionale Relais gerufen. Sie möchten dringend mit Agent Mikel sprechen.“ „Ich gebe weiter.“, sagte Maron und gab seinem Freund und Kollegen das Mikrofon in die Hand. „Mikel hier.“, sagte dieser. „Hab acht, Agent Mikel.“, entgegnete Joran in seiner typischen Art. „Ich verbinde dich jetzt mit Commander Kissara.“

Wenig später hörte Mikel die vertraute Stimme seiner Vorgesetzten: „Bericht!“ „Ich habe bis jetzt nur herausgefunden, dass offenbar Tolea in die Sache verwickelt ist, Ma'am.“, sagte der 36-jährige Spionageoffizier. „Tolea?“, fragte Kissara ungläubig. „Ja.“, bestätigte Mikel. „Dass kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, Agent!“, entgegnete Kissara mit Nachdruck. „Das würde ja bedeuten, dass sie die höchsten Grundsätze der Mächtigen mit Füßen tritt. Wenn Tolea die Mächtige ist, die Brako und Nugura die Zukunft verraten hat, dann …“ „Es scheint aber so zu sein, Commander.“, sagte Mikel. „Da können Sie sich mit Verlaub auf den Kopf stellen. Das wird die Tatsachen nicht verändern. Ich weiß auch, dass das merkwürdig klingt. Aber wenn das Verraten der Zukunft angenommen keinen Einfluss auf sie hätte, dann dürfte Tolea es durchaus.“ „Was reden Sie für einen Unsinn, Agent?“, fragte Kissara. „Es ist ja nur eine Theorie.“, beruhigte ihr Untergebener. „Die haben Sie doch neulich noch mit mir geteilt.“ „Neulich.“, sagte Kissara. „Neulich ist neulich und jetzt ist jetzt. Neulich habe ich wohl gedacht, dass es eine Theorie bleiben würde. Aber jetzt wird immer offensichtlicher, dass es die Wahrheit sein könnte. Das macht mir Angst, Agent. Verdammte Angst.“ „Tolea wird gewusst haben, was sie tut, Ma'am.“, beruhigte Mikel. „Sie ist eine Freundin der Sterblichen und würde uns niemals so ins offene Messer laufen lassen. Sie würde niemals zulassen, dass wir uns so arg verkalkulieren. Sie würde uns niemals einen so großen Fehler machen lassen, den wir nicht mehr allein ausbügeln könnten, nur um zu zeigen, dass es nicht gut ist, wenn ein Sterblicher seine Zukunft kennt.“ „Sie halten sehr große Stücke auf Tolea, Agent.“, sagte die Thundarianerin. „Das stimmt!“, erwiderte der junge Terraner mit Überzeugung. „Tolea ist eine gute Freundin meines Nennvaters Dill. Deshalb kenne ich sie besser als alle anderen.“ „Ihr Wort in Gottes Ohr.“, sagte Kissara. „Betsy musste das Interdimensionsrelais benutzen. Wo sind Sie?“ „Wir sind bereits im Raum-Zeit-Kontinuum.“, antwortete Mikel. „Keine Sorge, Commander. Es wird schon gut gehen.“ Damit beendete er das Gespräch.

Auf der fremden Basis hatte man alles für die Systemfusion vorbereitet. Gor’n steckte nur noch rasch eine letzte Modulverbindung, die sie in IDUSAs Cockpit legen musste. „Hast du verstanden, was wir von dir wollen, IDUSA?“, fragte sie. „Natürlich habe ich das verstanden, Gor’n.“, antwortete das tindaranische Schiff. „Von mir kam der Vorschlag ja schließlich auch.“ „Unser Commander hat Bedenken angemeldet.“, gestand Gor’n. „Er hat Sorge, dass eure Betriebssysteme vielleicht nicht kompatibel sein könnten.“ „Dann sagen Sie ihm bitte, dass dazu keine Veranlassung besteht.“, sagte IDUSA. „Wir hatten schon einmal einen erfolgreichen Datenaustausch, bei dem nichts, aber auch gar nichts, passiert ist.“ „Ich werde es ihm ausrichten.“, sagte Gor’n und wandte sich zum Gehen. „Ich bin jetzt hier fertig. Den Befehl zum Initiieren der Verbindung kriegst du von außen. Du wirst dann deinen Begleiter zunächst als eine Art externes Laufwerk wahrnehmen. Mach dir keine Sorgen. Ich überwache alles an einer Konsole.“ „Verstanden.“, sagte IDUSA und öffnete die Luke, um Gor’n herauszulassen.

Die Ingenieurin verließ das Schiff und ging einen langen Gang entlang, der sie von den Andockplätzen weg führte. Am Ende dieses Ganges betrat sie eine Kabine, in der Lathies und Lantan bereits auf sie warteten. Beide saßen vor einer Konsole im hinteren Teil des Raumes. Gor’n nahm hinter einer im vorderen Teil Platz und aktivierte sie. „Wenn das hier funktioniert.“, sagte sie. „Können wir die Schiffe bald wieder ziehen lassen. Die Observatoren hatten doch bereits neue Technologie gemeldet, die …“ „Lass uns erst mal hier zurechtkommen.“, bremste Lantan ihren Eifer. „Ich würde die Schiffe gern beide noch eine Weile bei uns behalten, aber du hast angedeutet, dass das nicht geht.“ „Stimmt.“, erwiderte Gor’n. „IDUSA hat gesagt, dass sie sich sehr für unsere Pflege und Gastfreundschaft bedankt, aber dass sie auch dringend ihren Piloten und seine Begleitung aus Sytanias Fängen befreien muss. Auch Kamurus, das ist der Name des anderen Schiffes, hat eine ähnliche Mission. Von den Beiden werden wir nichts mehr lernen können.“ „Schade.“, sagte Lantan. „Aber wenn es nicht anders geht …“

Er zeigte auf einen Knopf an der Konsole: „Gib den Befehl!“ Gor’n verstand und drückte den Knopf, der ein Signal an IDUSA aktivierte. Sofort begann das tindaranische Schiff, den Datenkristall ihres neuen externen Laufwerkes zu scannen. Die lückenhaften Routinen füllte sie durch eigene auf. „Ich hoffe, IDUSA weiß, was sie da tut.“, warnte Lathies. „Ich denke, das weiß sie ganz genau.“, tröstete Gor’n. „Ich vertraue ihr in jedem Fall.“

Ein Blinklicht auf der Konsole ließ Gor’n plötzlich aufhorchen. Sie nahm ein Mikrofon, das ebenfalls Teil der Konsole war, in die Hand und fragte: „Was ist, IDUSA?“ „Ich bin mit der Korrektur der Routinen fertig.“, antwortete das Schiff. „Aber jetzt muss jemand von Ihnen ins Cockpit von Kamurus gehen und ihn mit seinem Namen ansprechen. Sonst können seine Systeme nicht starten. Ich werde seine Luke fernsteuern, aber sofort jegliche Verbindung trennen, sobald er eigenständig arbeitet.“ „Ich mache das.“, meldete sich Lathies freiwillig. „OK.“, sagte Lantan. „Halte aber Sprechkontakt mit uns.“

Lathies ging aus dem Raum und legte ein gutes Stück des gleichen Weges zurück, den Gor’n vorher in umgekehrter Richtung gegangen war. Dann schwenkte er zu dem Platz um, an dem Kamurus lag. Er musste nicht lange vor verschlossener Tür stehen. IDUSA hatte Wort gehalten, was die Fernsteuerung anging.

In dem dunklen Cockpit tastete Lathies zunächst herum, fand das Bordmikrofon aber recht schnell. Er klopfte mit dem Fingerknöchel seines rechten Zeigefingers darauf, um eine Reaktion zu erreichen. Dann sagte er: „Kamurus!“ Alsbald begann der Hauptrechner zu summen, Lämpchen auf Konsolen blinkten auf und eine Stimme aus dem Bordlautsprecher sagte: „Danke, Lathies und danke bitte auch deinen Kollegen von mir. Ohne euch würden IDUSA und ich nicht mehr existieren. Wie ich das sehe, wären wir in der nächsten Atmosphäre verglüht, wenn ihr uns nicht gefunden hättet. Ich beame dich jetzt zurück auf die Station. Bitte lasst uns dann gehen. Wir haben noch eine Mission zu erfüllen.“ „Machen wir.“, versicherte der Ingenieur. Dann wurde er von Kamurus auf die Station zurückgebracht. „Es hat funktioniert!“, sagte er. „Kamurus und IDUSA wollen uns aber so schnell wie möglich verlassen wegen ihrer Mission.“ „Verständlich.“, sagte Lantan und ließ den Computer die Andockklammern öffnen.

Eine ganze Zeit waren Mikel, Maron und Joran jetzt bereits mit IDUSA im Raum-Zeit-Kontinuum unterwegs. Mikel war aufgefallen, dass IDUSA mit dem ganz normalen Warpantrieb flog. Dem blinden Offizier konnte beim Thema Hören niemand etwas vormachen. „Tolea scheint ihre Dimension für uns wie ein Universum darzustellen.“, stellte Mikel fest. „In der Tat.“, wunderte sich Joran, der zwar schon einiges gewohnt war, sich aber kaum vorstellen konnte, woher Mikel diese Informationen nehmen könnte. „Woher weißt du das?“, fragte der Vendar zurück. „Ich höre, welchen Antrieb IDUSA benutzt.“, erklärte Mikel. „Du hast ein sehr gutes Gehör, Agent Mikel.“, lobte Joran.

IDUSA meldete sich: „Gentlemen, wir werden gerufen.“ „Stell es auf alle Ports!“, befahl Maron, der das Kommando inne hatte. Dann nahmen alle drei die Neurokoppler und Maron zeigte Mikel, wo er den seinen anschließen konnte. „Seid gegrüßt.“, sagte eine Mikel unbekannte Stimme. Joran und Maron hatten sie aber sofort erkannt. „Auch wir grüßen dich, Diran.“, sagte Maron förmlich. „Ist deine Herrin über unsere Ankunft informiert?“ „Das ist sie in der Tat.“, sagte der junge Vendar und aktivierte ein Positionslicht am Heck seines Schiffes. „Bitte folgt mir. Ich bringe euch zu ihr.“, forderte er sie auf.

Joran ließ IDUSA Kurs hinter dem Veshel her setzen. Tatsächlich gelangten sie bald in ein Sonnensystem. „Was mache ich jetzt?“, lächelte Joran Mikel zu, der die Antriebsgeräusche gleich einordnete. „Du hast IDUSA auf Impuls verlangsamen lassen.“, sagte Mikel. „Das ist korrekt.“, sagte Joran. „Schätz doch mal, wie schnell wir sind.“ „Denkst du wirklich, dass er das drauf hat, Joran?!“, sagte Maron etwas energischer. „Wie soll das denn gehen, ohne dass man die Instrumente lesen kann, he? Ich kann mir vorstellen, dass er dich sehr fasziniert, aber …“ „Ein halber Impuls!“, platzte Mikel zu Jorans Ehrenrettung heraus. „Auch das ist korrekt.“, lachte der Vendar und schlug sich auf die Schenkel. „Ich gebe zu, mir war vieles unklar, was das angeht.“, sagte er. „Aber jetzt sehe ich klarer.“ „Dann ist ja gut.“, sagte Mikel.

Sie schwenkten in eine Umlaufbahn um einen Planeten ein, auf dem Dirans Veshel landete. „Nein, Joran!“, sagte Maron bestimmt. „Wir landen auch. Heute wird hier keiner gebeamt. Versteh mich nicht falsch, Joran. Ich weiß, deine Freundin hat den Transporter sicher zuverlässig gewartet, aber um dessen Funktion mache ich mir auch keine Sorgen. Viel mehr habe ich Angst, dass einem von Toleas Freunden vielleicht ihre Aktion nicht gepasst haben könnte und dass derjenige vielleicht unseren Sprechverkehr mit IDUSA stören könnte, um uns für immer hier im Kontinuum zu halten.“ „Du denkst an eine Art Geiselhaft?“, fragte Mikel. „Exakt.“, erwiderte Maron. „Wir sollten uns nicht zu weit vom Schiff entfernen.“ „Wie du wünschst.“, sagte Joran und gab IDUSA die entsprechenden Befehle.

Sie landeten neben Dirans Schiff auf einer grünen Wiese, auf der es von Zeit zu Zeit kleine Farbtupfer durch bunte Blumen gab. „Die Atmosphäre ist atembar, Gentlemen.“, informierte sie IDUSA. „Das können wir uns denken.“, entgegnete Mikel. „Die Verhaltensprotokolle für Beschützerschiffe verlangen die umfassende Information der Crew über alle Umweltbedingungen der Situation, in die sie sich begeben werden.“, zitierte IDUSA aus der Lex Technologica, dem Verhaltenscodex für ihresgleichen. „Schon gut.“, sagte Mikel. „Aber das konnte ich mir schon denken. Tolea will uns ja sicher nicht töten.“

Sie traten aus der Luke und gingen auf die unter einem Baum wartende Tolea zu. Sie trug ein rotes Sommerkleid, dazu passende Sandalen und ihre langen schwarzen Haare wehten lustig im Wind. Diran winkte den drei anderen. Dann setzten sie sich zu Tolea ins Gras, während Diran stehen blieb. „Ich weiß, warum ihr hier seid.“, sagte die Bewohnerin des Raum-Zeit-Kontinuums mit ihrer warmen milden Stimme. Mikel fiel hörbar ein Stein vom Herzen. Er hätte es nicht übers Herz gebracht, sie zu fragen, ob sie die Regeln der Mächtigen gebrochen habe und warum sie dafür noch ungestraft war. „Ich muss euch sagen, dass ihr gar nicht so falsch liegt.“, fuhr sie fort. „Es ist nämlich wahr. Ich habe König Brako von Miray seine Zukunft gezeigt. Aber das konnte ich auch ruhigen Gewissens tun, weil es nichts an ihr geändert hätte, ob die Prinzessinnen nun seine Warnung gehört hätten oder nicht. Beide sind derart auf ihren Vorteil bedacht, dass sie für alles andere taub sind. Sie denken nur an ihren Streit. Den führen sie bereits seit frühester Kindheit. Während ihrer Schwangerschaft mit Hestia, die einen Monat nach der Geburt von Alegria gezeugt worden war, ging es Königin Diomira sehr schlecht. Im mirayanischen Volksmund ging die Mär, dass Hestia alle Überbleibsel ihrer verhassten Schwester tilgen wollte.“ „Aber das war doch nur ein Aberglaube.“, lachte Mikel. „Natürlich.“, sagte Tolea. „Aber ein Körnchen Wahrheit steckt in jeder Legende.“

Sie winkte Diran. „Ihr wollt doch sicher einen für eure Geräte lesbaren Beweis, dass ich etwas mit der ganzen Sache zu tun habe.“, lächelte sie. Maron und Mikel nickten Synchron. „Dann sollt ihr den auch erhalten.“, sagte Tolea und gab ihrem Diener einen Befehl in dessen Muttersprache. Eilig verschwand Diran an Bord seines Schiffes, um bald darauf mit einem Datenkristall wieder zu kommen. „Dieser Kristall enthält alle Aufzeichnungen, die während des geheimen Treffens gemacht wurden.“, sagte Tolea. „Seht sie euch an und dann werdet ihr klarer sehen.“ „Vielen Dank, Tolea.“, sagte Maron diplomatisch und winkte seinen beiden Kollegen, ihm wieder aufs Schiff zu folgen. Dann flogen sie wieder ab.

Aus dem Augenwinkel hatte Joran beobachtet, dass Maron sehr nachdenklich aussah. „Was ist dir, Agent Maron?“, fragte der immer sehr fürsorgliche Vendar. „Ich stelle mir gerade die Gesichter von Nuguras Kollegen im Parlament vor. Wenn wir nicht eindeutig beweisen, dass Tolea wirklich ihre Finger im Spiel hatte, werden sie unsere Ermittlungsergebnisse in der Luft zerreißen. Sie werden nie glauben, dass eine Mächtige …“ „Aber wir haben die Aufzeichnung.“, tröstete Mikel. „Genau das ist das Problem.“, sagte Maron. „Sie könnten uns eine Manipulation vorwerfen.“ „Dann soll man das gern mal versuchen.“, sagte Mikel und tippte rhythmisch mit seinem Finger auf sein Pad, das er mitgenommen und in das er jetzt den Datenkristall gelegt hatte. Maron nahm es ihm ab und las sich eine Meldung durch, die er aber mehr oder weniger buchstabieren musste, da sie in Vendarisch verfasst war und seine Kenntnisse in der genannten Sprache weniger als dürftig waren. „Joran, bitte hilf mir mal.“, sagte er und hielt dem Vendar das Pad vor die Augen. Ein flüchtiger Blick genügte diesem. „Das Pad macht uns darauf aufmerksam, dass die Aufzeichnung nur mit dem richtigen biologischen Fingerabdruck geändert werden kann.“, erklärte Joran. „Und den hat sicher niemand von uns.“, schloss Mikel. „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Maron. „Den haben sicher nur Tolea oder Diran. Wir werden zurückfliegen. Mikel, dich setzen wir auf der Granger ab. Dann fliegen wir zu unserer Basis. Dort werde ich mich genauer mit der Aufzeichnung befassen.“ „In Ordnung, Agent Maron.“, sagte Joran und ließ IDUSA Kurs setzen. Auch Mikel nickte.

Shimar hatte Ginalla in dieser Nacht geweckt. Er hatte sie noch einmal mit dem Erfasser gescannt und dabei gesehen, dass die Entzündung ihrer Hände sehr weit zurückgegangen war. „Und nur um mir das zu sagen, holst du mich aus meinen süßesten Träumen?“, fragte die ziemlich verschlafene Celsianerin. „Ich dachte, das würde dich vielleicht freuen.“, antwortete Shimar. „Schließlich hattest du bis vor einiger Zeit noch große Angst, dass du deine Hände verlierst.“ „Danke.“, sagte Ginalla und brachte tatsächlich ein gequältes Lächeln zustande. „Warum glaubst du, dass Sytania uns den Medizinkoffer und die Sprechgeräte gelassen hat?“, fragte sie. „Warum spielt die Katze mit der Maus, bevor sie sie tötet?“, fragte Shimar zurück. „Du meinst, sie will sich an unserem Leid erfreuen und uns deswegen so lange wie möglich am Leben halten?“, fragte Ginalla. „Genau.“, sagte der Tindaraner und zückte den Stimulator. „Und die Sprechgeräte haben wir, weil Sytania uns zusehen will, wie wir verzweifelt versuchen, die Schiffe zu erreichen, die es wahrscheinlich nicht mehr gibt. Halt bitte still.“ „Ich würde den Kopf nich’ so schnell in den Sand stecken, Soldat.“, scherzte Ginalla. „Unsere Schiffe sind total clever und werden einen Weg finden.“ „Das glaube ich nicht.“, sagte Shimar ernst, während er den Stimulator über ihren Händen kreisen ließ. „Der elektrische Sturm wird ganze Arbeit auf ihren Datenkristallen geleistet haben. Jenn’ sagt, wenn Daten so zerstört werden, dann ist es endgültig . … Was?“

Eine Meldung des medizinischen Gerätes hatte ihn irritiert. „Ginalla, die Infektion ist weg. Er schlägt vor, jetzt deinen Bruch zu heilen.“, lächelte Shimar. „Na dann.“, erwiderte Ginalla.

Shimar bestätigte die Meldung und alsbald begann das Gerät mit seiner Arbeit. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell geht.“, meinte er dann. „Na ja.“, sagte Ginalla. „Ich habe ein gutes Immunsystem.“

In der anderen Ecke des Felsens regte sich etwas. Aus verschlafenen Augen blickte sie N’Cara an. „Is’ was? Ihr seid ja lauter als fne klingonische Kriegsflotte in der Schlacht.“ „Sorry, Kleene.“, entschuldigte sich Ginalla flapsig. „Aber meinen Händen geht es schon viel besser. Übrigens, wie sicher seid ihr zwei Telepathen eigentlich, dass wir atmen können, wenn wir den Felsen gesprengt haben. Ich meine, wir könnten ebenso gut in einem Kometen durch das Weltall treiben.“ „Wir spüren Sytanias Einfluss.“, begründete Shimar. „Das bedeutet, wir müssen im Dunklen Imperium sein. Das Felsengefängnis ist weithin bekannt.“ „Ach so.“, sagte Ginalla. „Jetzt kapiere ich. Aber ich raffe nich’, warum wir die Sprechgeräte behalten haben. Du hast gesagt, weil Sytania sich an unseren verzweifelten Versuchen weiden will, die Schiffe zu erreichen. Aber den Gefallen tun wir ihr nicht. Schließlich können wir alle Displays lesen und wissen, dass innerhalb dieses Felsens keine Verbindung aufgebaut werden kann.“ „Genau.“, sagte Shimar. „Der Computer eines SITCH-Gerätes sendet ja in unregelmäßigen Abständen Testsignale.“ „Was tut Sytania mir doch Leid, dass wir sie so enttäuschen müssen.“, scherzte N’Cara. „Jawollo, Apollo!“, sagte Ginalla. „Das ist die richtige Einstellung.“ Sie versuchte in die Hände zu klatschen, bemerkte aber gleich, dass diese noch sehr wehtaten. „Deine Finger sind frisch behandelt.“, erklärte Shimar. „Das muss erst alles richtig zusammenwachsen.“ „Schon gut.“, entgegnete sie.

Ein merkwürdiger schwarzer Blitz zerriss die Luft. „Kann Sytania nicht vorher anklopfen?“, fragte Ginalla in ihrer gewohnt flapsigen Art. „Ich glaube, es ist nicht sie, die uns besucht.“, sagte Shimar. „Kann ich nur bestätigen.“, sagte N’Cara und hielt eine große Kiste mit sechs Blechnäpfen hoch. „Ich glaube eher, das ist der Pizzaservice.“ „Hey.“, frotzelte Ginalla. „Sprüche sind mein Job!“

Shimar hob die Deckel von zweien der Näpfe auf. „Wasser und Brot .“,sagte er. „Genau wie gestern.“ „Irrtum.“, sagte Ginalla. „Gestern gab’s Brot und Wasser.“ N’Cara grinste. „Lasst uns das Beste draus machen!“, sagte Shimar und teilte aus. „Na komm, Süße.“, sagte Ginalla zu N’Cara. „Kannst meine Portion auch haben. Bist ja noch im Wachstum.“ „Aber wenn dein Magen ständig knurrt, dann verlieren wir vielleicht den Takt bei dem, was wir vorhaben, Giny.“, sagte N’Cara und sah sie lieb an. „Hast gewonnen, Maus.“, ergab sich Ginalla. „Wer kann so einem Schmeichelblick schon widerstehen.“ „Ich hatte einen guten Lehrer.“, sagte die kleine Lithianerin. „So.“, meinte Ginalla. „Und wer war das?“ „Sein Name ist Jean-Luc.“, sagte N’Cara und machte absichtlich eine Pause, um Ginallas Reaktion abzuwarten. Die Celsianerin überlegte. „Captain Picard hat dir …“ „Reingefallen.“, grinste das Mädchen. „Ich habe von meinem Haustier geredet.“ „Oh, Shit!“, rief Ginalla aus. „Und ich hatte schon gedacht … Na ja. Das Denken sollte man den Pferden überlassen. Die haben den größeren Schädel. Ich habe gar kein Zeitgefühl mehr.“ „Uns geht es nicht viel besser.“, tröstete Shimar.

N’Cara stellte sich an eine Wand des Felsens. „Ich hätte voll Bock, es zu versuchen.“, sagte sie. „Also gut.“, sagte Shimar. „Wie sieht es aus, Ginalla, bist du gut bei Stimme?“ „Wie fne klingonische Schnapsdrossel nach dem dritten Fass Blutwein.“, sagte die Angesprochene und stellte sich zwischen Shimar und N’Cara. „Aber gebt mir besser den Erfasser. Wir wissen ja nicht so genau, was gleich passiert.“ „Vor dir.“, flötete N’Cara und kickte ihr das Gerät zu, das sie sofort aufnahm und auf technische Parameter umstellte. „Spartanisch eingerichtet, das Ding.“, urteilte die technisch versierte junge Frau. „Nur zwei Programme. Aber wird schon gehen. Seid ihr bereit?“ N’Cara nickte und Shimar sagte: „Leg los, Ginalla!“

Der erste Ton, der Ginallas Kehle entflog, war für die beiden Telepathen das Zeichen, mit der Konzentration auf ihr Vorhaben zu beginnen. Sechs Silben würden sie abwarten, um dann im gleichen Moment Energie durch den Raum zu schleudern. Tatsächlich begegneten sich die Energiebälle auch, wie Ginalla unschwer mit dem Erfasser feststellen konnte. Aber sie taten nicht nur das. Nach dem Zusammenstoß vereinten sie sich, um zu einem immer größer werdenden Ball zu werden, der bald darauf mit einer heftigen Entladung explodierte. Ginalla konnte ihren Freunden nur noch: „In Deckung!“, zu schreien, bevor auch sie sich auf den Boden warf. Es gab einen gleißenden Blitz wie bei einem Einschlag während eines Gewitters. Dann war die Finsternis des Kerkers zurückgekehrt.

Shimar hatte als Erster seine Orientierung wieder und half den anderen Beiden auf. „Was war das denn?“, fragte N’Cara. „Das waren wir.“, sagte Shimar stolz. „Aber ich weiß nicht, ob wir etwas erreicht haben. Ginalla, funktioniert der Erfasser noch?“ „Mal sehen.“, sagte die Celsianerin und hob das Gerät auf. Dann ging sie die Wände des Felsens entlang. „Ich glaube nicht, dass sich etwas geändert hat.“, sagte N’Cara. „Es ist hier noch genau so dunkel wie vorher.“

„Kommt mal her!“ Ginallas Ausruf hatte beide aufhorchen lassen. Shimar zog das Mädchen auf die Beine und lief mit ihr so schnell es ging zu Ginalla. Die Celsianerin stand grinsend mit dem Erfasser vor einer Stelle an der Wand. Fortwährend zeigte sie darauf und grinste und grinste. „Was ist da, Giny.“, wollte N’Cara wissen. „Mach mal so.“, sagte Ginalla und spuckte sich auf den Handrücken. Dann hielt sie die Hand in die Luft. N’Cara tat es ihr gleich und bemerkte, dass sie eine ziemliche Gänsehaut bekam. „Verdunstungskälte.“, erklärte Ginalla. „Was willst du uns sagen?!“, fragte Shimar verwirrt und ihrer Spielchen langsam sehr überdrüssig. „Willst du oder kannst du das nich’ raffen, Soldat.“, sagte Ginalla ruhig. „Das heißt, dass es zieht. Wir haben was erreicht. Es gibt Spalten im Fels. Wir sollten es aber nicht übertreiben, damit Sytanias Wachen keinen Verdacht schöpfen können. Einmal am Tag muss genügen.“ „Ganz deiner Ansicht.“, bestätigte Shimar. „Wenn die Wachen etwas davon sehen, was wir hier tun, melden sie es ihrer Herrin und dann macht die all unsere Bemühungen wieder zunichte. Nein, nein, dazu darf es nicht kommen. Also dann morgen weiter.“ „OK.“, sagte N’Cara. „Aber dann bin ich mit dem negativen Denkmuster dran. Ich habe eine Stinkwut auf Sytania.“ „OK.“, sagte Shimar. „Du bist übrigens eine klasse Taktgeberin, Ginalla.“ „Danke für die Blumen.“, grinste die Celsianerin.

Mit klopfendem Herzen wartete ich vor dem Transporterraum auf Mikels Rückkehr. Ich hatte mir vorgenommen, ihn auf eine Sache anzusprechen. Mir war Hadrians Satz nicht aus dem Kopf gegangen. Die Grenze aller Grenzen konnte nur der Schritt vom Leben in den Tod sein. Im Allgemeinen wurde dies als die letzte Grenze bezeichnet. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich einer von uns wirklich umbringen sollte. Viel mehr ging ich davon aus, dass jemand vielleicht temporär in die Welt der Toten gehen sollte, wenn es sie überhaupt gab. Dort würde er oder sie dann vielleicht auf König Brako treffen, der ihm oder ihr dann die ganze Wahrheit über das Tor zum Himmel verraten würde. Dies war zwar eine recht banale Lösung, wenn man betrachtete, was wir sonst schon alles erlebt hatten, aber es erforderte doch schon ziemlichen Mut. Mut, den ich jetzt auch gut gebrauchen konnte, denn ich hatte mich mit solchen Dingen eigentlich nie beschäftigen können, ohne davor schreckliche Angst zu haben. Aber jetzt, gerade jetzt, hatte ich den Mut gefunden und hoffte, dass er mich nicht mehr verlassen würde.

Ich hörte eine Abfolge von Signalen, die mich sofort denken ließen, dass Kang jetzt Jannings mit dem tindaranischen Schiff verbunden haben musste. Da der Ingenieur einen Ohrhörer benutzte, konnte ich nur seine Worte hören: „Achtung, Sir. Ich aktiviere.“ Dann stand Mikel vor mir. „Ich bin so froh, dass du da bist.“, flüsterte ich dem ersten Offizier ins Ohr. „Bitte komm schnell mit, bevor mich wieder der Mut verlässt.“

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