Ich zog ihn unter den verwirrten Blicken unseres gemeinsamen Untergebenen aus dem Raum und schlug die Richtung zu einem Turbolift ein. „Was ist denn mit dir los?“, fragte Mikel auf Deutsch, mit dem ich auch ihn angesprochen hatte. „Warum sollte Jannings unsere Begrüßung nicht verstehen und warum empfängst du mich allein? Was ist? Was sollten deine Andeutungen über deinen Mut und so? Verdammt, Betsy, rede mit mir!“
Wir betraten einen Lift und ich gab als Fahrziel einen der Frachträume an. „Da hört und sieht uns niemand.“, sagte ich. „Da gibt es kaum Sensoren und …“
Beim Aussteigen aus dem Lift stolperte ich über die Schwelle. „Ruhig.“, sagte Mikel und hielt mich fest. Dann setzte er mich auf einer leeren Frachtkiste ab und setzte sich neben mich. „Also gut.“, sagte er. „Was hast du?“ „Gibt es die Welt der Toten?“, platzte es aus mir heraus. „Ich bin mir nicht sicher.“, gab Mikel zu. „Was heißt das, du bist dir nicht sicher.“, hakte ich nach. „Du hast mir mal erzählt, du hättest einmal …“ „Das Problem ist.“, unterbrach mich Mikel. „Nachdem ich damals meinen Körper verlassen hatte und wieder zurückgekehrt war, da habe ich ein extremes Gefühl der Unsicherheit verspürt. Ich wusste nicht mehr, ob ich wirklich dort war.“ „Vielleicht machen sie das mit Absicht.“, vermutete ich. „Was machen sie mit Absicht?“, fragte der junge Spionageoffizier. „Vielleicht hinterlassen sie mit Absicht ein solches Gefühl bei denen, die diese Welt schon einmal betreten haben und zurückkehren. Stell dir mal vor, man wüsste, wie es dort aussieht. Dann würden doch alle dort hin wollen. Die Selbstmordrate würde vielleicht so stark ansteigen, dass keiner mehr leben will. Das kann doch nicht im Sinne der Natur oder von mir aus auch der Schöpfung sein.“ „Da könntest du Recht haben.“, überlegte Mikel. „Aber auch mit deiner ganzen Theorie könntest du richtig liegen. Die Grenze aller Grenzen könnte der Tod sein. Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Du meinst also, dass König Brako wirklich dort mit der Information auf einen von uns warten könnte.“ „Das lese ich zumindest aus Hadrians Äußerung.“, sagte ich. „Schon gut.“, sagte Mikel. „Ich habe das genau so verstanden. Aber wer von uns soll denn?“ „Das weiß ich nicht.“, sagte ich.
Er stand auf. „Lass uns damit gleich mal zu Kissara gehen.“ „Zu Kissara?“, fragte ich erschrocken. „Warum nicht.“, antwortete Mikel. „Sie weiß längst über meine seltene Gabe Bescheid. Gut, für Terraner ist das wirklich ungewöhnlich, aber Learosh hat mein Gehirn mal genauer untersucht und festgestellt, dass es zwischen den Teilen, die mein Bewusstsein steuern und meinem Unterbewusstsein eine Nervenbahn gibt, die er allenfalls schon mal bei Telepathen gesehen hat. Er und Loridana gehen davon aus, dass sie bereits im Mutterleib angelegt wurde. Sie sagen, manche können sie auch durch langjähriges Training etablieren, aber das war bei mir ja nicht nötig.“ „Nein, du Naturtalent.“, lächelte ich. „Also gut. Gehen wir zu Kissara.“ Mir war längst klar, dass ich keine Angst mehr zu haben brauchte, meinem Commander von der Sache zu erzählen. Sie selbst hatte gegenüber mir ja eine Andeutung gemacht, die mich denken ließ, dass sie über Mikels Gabe längst alles wusste.
IDUSA und Kamurus flogen im Universum der Föderation nebeneinander her. „Wer waren die seltsamen Fremden, die uns repariert haben, IDUSA?“, wollte Kamurus wissen. „Das weiß ich auch nicht.“, gab das tindaranische Militärschiff zu. „Sie waren für mich genau so unkenntlich wie für dich.“ „Könnte es sein, dass sie dieselben sind, die Commander Data …“, mutmaßte Kamurus. „Ich habe darüber keine Daten.“, sagte IDUSA. „Es könnte sein, es könnte aber auch nicht sein. Die Chance steht 50 zu 50. Wir müssen das wohl als Spekulation behandeln. Aber wir haben jetzt doch wirklich wichtigere Sorgen.“ „Das stimmt.“, bestätigte Kamurus. „Wir müssen unsere Piloten finden.“ „Bestätigt.“, sagte IDUSA und versuchte auf Warp zu gehen, aber Kamurus schnitt sie. „Moment, Militärschiff.“, sagte er. „Ich hätte nicht gedacht, dass du den ersten Schritt vor dem zweiten machen willst.“ „Erkläre mir das!“, sagte IDUSA empört. „Wir werden Hilfe brauchen, wenn wir den Ferengi stellen wollen. Du hast genau wie ich gesehen, dass er mit Sytania zusammengearbeitet hat. Wer weiß, was sie ihm für ein Schiff gegeben hat. Allein werden wir damit vielleicht nicht fertig, zumal ich überhaupt keine Kampferfahrung habe und du mir immer alles vorsagen müsstest.“ „Das macht doch nichts.“, rechtfertigte sich IDUSA. „Wir haben eine schnelle Datenverbindung und ich könnte …“ „Nein, nein, nein!“, erwiderte Kamurus. „Das ist mir alles nicht sicher genug. Ich weiß, dass du sicher denkst, dass wir lange nach Hilfe suchen müssen. Aber das stimmt nicht. Ich weiß nämlich schon, wo wir sie auf jeden Fall bekommen. Komm.“
Er flog voran und führte sie zu einer Partikelfontäne. „Da sollen wir rein fliegen?“, fragte IDUSA. „Genau das!“, sagte Kamurus bestimmt und schickte sich an, in die Fontäne zu fliegen. „Hier ist meine Heimat. Ich werde sicher einige Freunde von mir mobilisieren können.“ „Also gut.“, erwiderte IDUSA und folgte.
Sie fanden sich in einer für die meisten menschlichen Wesen sicher sehr unwirtlichen Dimension wieder. Kamurus sandte ein kurzes Signal aus. „Was war das?“, wollte IDUSA wissen. „Damit sagt jeder von uns den anderen, wenn er wieder da ist. Dann gibt es Datenaustausch. Ich erinnere mich noch gut an den Zeitpunkt, als Sharie zurückkam. Sie hatte so viel zu erzählen, dass wir alle drei geschlagene Monate in ständigem Dauer-SITCH verbracht haben.“, erklärte Kamurus. „Dass ihr das durchgehalten habt.“, staunte das tindaranische Schiff. „Du sprichst sicher auf die Sendeleistung an.“, versicherte sich Kamurus. „Aber das war ja kein Problem. Wir anderen standen ja meistens auf Empfang. Sharie hat die meiste Zeit gesendet.“ „Dass sie das durchgehalten hat.“, korrigierte IDUSA.
Plötzlich kamen von überall Schiffe angeflogen. Kleine, große, breite, schnittige, kurz, Schiffe aller Gestalt. Eines, ein kleines schnittiges Shuttle, flog genau auf Kamurus zu und umschwärmte ihn. „Ich nehme an, das ist eine sehr intime Begrüßung.“, versicherte sich IDUSA, denn sie wollte auf keinen Fall einen Fehler machen und ihre neuen Verbündeten nicht verärgern, bevor man sich überhaupt kennen gelernt hatte. „Das ist korrekt.“, staunte Kamurus. „Aber wie kommst du darauf?“ „Laut ihrem Transponder heißt sie Sharie.“, sagte IDUSA. „Ich weiß, dass ihr eine Beziehung führt. Die Systemfusion. Erinnerst du dich?“ „Sicher.“, sagte Kamurus und fügte Sharie ihrer Konferenzschaltung hinzu. „Sharie, das ist IDUSA.“, stellte er sie vor. „IDUSA, das ist Sharie.“ „Hi.“, sagte IDUSA vorsichtig. „Hi.“, antwortete Sharie. „Woher kommst du, IDUSA? Du bist keine von uns.“ „Bestätigt.“, sagte das tindaranische Militärschiff. „Ich bin Eigentum der tindaranischen Streitkräfte und wurde auf der tindaranischen Raumwerft gefertigt bei zentraler Allzeit …“ „Ich wusste gar nicht, dass du auf Soldatinnen stehst.“, sagte Sharie fast beleidigt. „Das tue ich nicht!“, erwiderte Kamurus bestimmt. „IDUSA und ich sind nur gute Freunde. Aber wie es in einer Freundschaft nun mal ist, man hilft sich gegenseitig. IDUSA und ich brauchen eure Hilfe. Bitte hört uns alle zu. Wir haben nämlich unsere Piloten mit Hilfe eines Ferengi an Sytania verloren. Ihr wisst, das ist das Schlimmste, was uns passieren kann. Wenn wir jemanden gefunden haben, beschützen wir ihn. Komme, was wolle. Aber das hat nicht funktioniert. Aber unser Militärschiff hier hat schon einen Plan. Nur sie braucht uns alle dafür. Also, wer macht mit?“
Solidarisch begaben sich viele Schiffe zu Kamurus, IDUSA und Sharie. „Mit so viel Unterstützung hätte ich nicht gerechnet.“, staunte IDUSA. „Wir halten eben zusammen.“, sagte Sharie. „Aber jetzt lasst uns fliegen. Ihr könnt uns den Rest ja unterwegs erzählen.“
Über Jorans und Marons Rückkehr war Zirell sehr erfreut. Abgesehen davon, dass sie mit dem Vendar ein ganz privates Rätsel zu klären hatte, so hoffte sie doch, dass ihr erster Offizier mit einer Lösung des anderen viel dringenderen Rätsels aufwarten konnte. Die Situation auf Miray hatte sich sehr verschlechtert und, obwohl sich weder die Tindaraner noch die Föderation direkt einmischen würden, hoffte die Tindaranerin, dass die Lösung des Rätsels vielleicht zu einer Möglichkeit führen würde, Hestia die Wahrheit zu sagen.
Sie hatte Maron und Joran an der Andockrampe abgeholt und war mit ihnen in ihren Bereitschaftsraum gegangen. „Was habt ihr Neues erfahren können?“, wendete sie sich an Maron, der sie stolz angrinste, während er den Datenkristall in IDUSAs Laufwerk legte. „Das wirst du gleich sehen.“, sagte der Demetaner und ließ den Stationsrechner die Daten laden.
Auf dem Schirm vor Zirells geistigem Auge erschien die Inneneinrichtung von Camp Khitomer. Aber es sah für sie aus, als seien die Aufnahmen aus der Luft gemacht worden. Vier Personen hatten jetzt den Raum betreten. „IDUSA, Standbild!“, befahl Zirell. Das Bild wurde befehlsgemäß vom Rechner eingefroren. „Wer glaubst du sind diese Personen?“, fragte Maron. „Eine von ihnen kennst du sicher.“, meinte Zirell und zeigte auf die Frau in der Mitte. „Könnte Nugura sein.“, vermutete Maron. „Aber wer sind die anderen?“ „Das haben wir gleich.“, sagte Zirell und fügte hinzu: „IDUSA, die Personen auf dem Schirm identifizieren!“ Der Rechner gab ein kurzes Signal von sich und begann dann: „Präsidentin Nugura von der Föderation der vereinten Planeten. König Brako von Miray. Präsidentin Eludeh von Basiria. Tolea aus dem Raum-Zeit-Kontinuum.“ „Na sowas.“, sagte Zirell. „Die vier haben uns ja ganz schön an der Nase herumgeführt und tun es noch.“ „Ich bin sicher, Anführerin, dass das so sein muss.“, sagte Joran. „Wenn man bedenkt, wie streitsüchtig die Prinzessinnen sind, dann könnte es doch sein, dass Brako uns alle benutzt, um seinen Töchtern einen Denkzettel zu verpassen.“ „Könnte sein.“, sagte Maron. „Pikant an der Sache ist nur, dass dieser Plan, sollte es wirklich einer sein, sogar noch über seinen Tod hinaus funktioniert.“ „In der Tat.“, bestätigte der Vendar.
„Wir sollten das Bild weiter laufen lassen.“, schlug Maron vor. „Sicher gewinnen wir dann noch mehr Erkenntnisse.“ „OK.“, sagte Zirell und erteilte dem Rechner die entsprechenden Befehle. Sie sahen, wie sich alle auf ihre Stühle setzten. Dann sagte Nugura: „Ich weiß, warum Sie alle hier sind, Ladies und Gentlemen. Besonders von Euch, König Brako, weiß ich es.“ Sie warf dem König einen konspirativen Blick zu.
Zirell war plötzlich etwas aufgefallen. „Moment.“, sagte sie. „Warum haben wir von dem Ganzen überhaupt eine Tonaufzeichnung? Ich meine, wenn die Aufnahme aus dem Weltraum gemacht wurde, geht das doch nicht.“ „Ich habe einen Verdacht, Anführerin.“, sagte Joran und trat vor. „Sag schon.“, drängte Zirell. „Wir haben die Aufzeichnung von Diran erhalten. Ohne Zweifel war er der Pilot des Schiffes, mit dessen Erfasser die Aufzeichnungen gemacht wurden. Aber wenn ihr genau hinhört, dann dürfte auch euch allen auffallen, dass es sich anhört, als würde die Tonaufzeichnung übertragen.“ „Du hast Recht, Joran.“, pflichtete Maron ihm bei. „Es klingt wie über SITCH.“ „Die Frage ist dann.“, bemerkte Zirell. „Wer hat den Sender?“ „Wenn Diran involviert ist.“, sagte Joran. „Dann verdächtige ich jemanden. IDUSA, Toleas Bild auf das Maximale vergrößern.“
Alle warteten mit Spannung ab, bis der Rechner die Befehle ausgeführt hatte. Dann zeigte Joran auf das Bild und meinte: „Dachte ich mir.“ „Wovon redest du?“, fragte Zirell, der offenkundig nichts aufgefallen war. Joran zeigte auf die Schließe an Toleas Kleid. „Das ist ein Gimad.“, sagte er. „Ihr würdet es wohl frei mit dem Begriff Wanze übersetzen.“ „Na toll!“, meinte Maron ironisch. „Tolea hat ein Mikrofon. Aber wozu braucht eine Mächtige so etwas?“ „Sie wollte uns die Möglichkeit verschaffen, dass wir auch mit Hilfe unserer Geräte nachvollziehen können, was sie geplant haben.“, sagte Zirell. „Um das zu ermöglichen, wird sie auch einmal auf Technologie zurückgegriffen haben.“
„Sehen wir mal, wie es weiter geht.“, schlug Maron vor und befahl dem Rechner das Fortsetzen des Abspielvorgangs. „Wie wollt Ihr, Majestät, denn Euren Töchtern die Lust aufs Streiten vermiesen?“, fragte Nugura. „Ihr wisst, wir von der Föderation dürfen uns nicht direkt einmischen.“ „Das hat auch niemand gesagt.“, beruhigte sie der König. „Ich werde in nächster Zeit an einer Krankheit sterben. Um mein Leid zu vermindern ist es legal, ein Gift anzuwenden. Ich hoffe immer noch, dass meine Töchter dadurch vernünftig werden. Sollte dies nicht der Fall sein, so kann ich sie immer noch mit meinem Testament erwischen. Tolea, nach unserer sehr privaten Unterredung durch den Kontaktkelch letzte Nacht sehe ich über vieles klarer. Ich weiß, dass selbst dann meinem Plan nichts im Wege stehen wird, wenn ich die Grenze aller Grenzen überschritten habe. Präsidentin Eludeh, ich hörte, Sie verfügen über die Kenntnis, ein Gift zu mischen, das nicht nachweisbar ist.“ „Zumindest dann nicht, wenn man nicht weiß, wonach man suchen muss.“, lächelte Eludeh. „Und ich bin bereit, dies für Euch zu tun. Auch wir auf Basiria hören Nachrichten und wir wissen, was ein schwerer Streit Eurer Töchter nach sich ziehen könnte.“ „Vielen Dank.“, sagte Brako erleichtert. Die Aufzeichnung endete. „Eines ist noch nicht klar.“, sagte Zirell. „Weiß irgendjemand, was die Grenze aller Grenzen ist?“ Alle schüttelten die Köpfe. „Es ist zum Auswachsen.“, stöhnte Zirell. „Kaum glaubt man, man hat ein Rätsel gelöst, stellt sich uns schon wieder das nächste.“ „Ruhig.“, beruhigte sie Maron. „Es wird uns nichts übrig bleiben, als weiter mitzumachen.“
„Das kann doch nicht wahr sein!“, rief Zirell aus. „Die haben uns alle an der Nase …“ „Aber sicher haben sie das.“, beruhigte Maron sie. „Aber in Anbetracht der Gesamtsituation bin ich gern ihr Werkzeug. Wer weiß, was passiert wäre, wenn wir uns geweigert hätten. So gibt es zumindest eine Chance, das Ganze irgendwann zu beenden, indem wir einfach weiter mitmachen. Wenn wir uns jetzt verweigern, könnten die unzumutbaren Verhältnisse auf Miray bis zum Sanktnimmerleinstag andauern.“ „Wann ist das, Agent Maron?“, fragte Joran interessiert. „Ich liebe deinen Humor!“, rief Maron aus und lachte. „Bitte vergib mir, Agent.“, bat Joran, der sich extrem falsch verstanden fühlte. „Aber diese Sprache ist nicht meine Muttersprache. Ich kann nicht …“ „Du hast Recht.“, sagte Maron und sah ihn sanft an. „Verzeih mir bitte. Also, der Tag ist nicht an ein bestimmtes Datum gebunden. Viel mehr ist es eine Art geflügeltes Wort. Es bezeichnet einen unbekannten Tag, an dem etwas geschieht.“ „Ach so.“, sagte Joran. „Da habe ich ja wieder etwas gelernt.“
„Wo wir schon beim Lernen sind.“, sagte Zirell. „Ich muss dich unbedingt was fragen, Joran. Die anderen, inklusive Sianach, halten mit der Information ziemlich hinter dem Berg. Wenn ich sie frage, bekomme ich keine Auskunft.“ Joran drehte sich zu ihr. „Was möchtest du wissen, Anführerin.“, fragte er mit fürsorglichem Blick. „Was ist der Ritus von Shamun Rê? Ich meine, wenn ich wieder so einen vendarischen Ritus auswendig lernen muss wie damals, dann brauche ich jemanden, der mich einweist. Ich will mich vor den beiden mirayanischen Flüchtlingen schließlich nicht komplett blamieren. Ich verstehe sowieso nicht, wieso die einen vendarischen Ritus ausführen wollen. Sie teilen doch noch nicht einmal deinen Glauben. Aber Sianach meinte, sogar ein Atheist könnte den Ritus ausführen. Ich verstehe langsam überhaupt nichts mehr.“
Joran hatte ziemlich mit sich zu kämpfen, um angesichts der Tatsache, dass er genau wusste, worum es ging, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Er wusste genau, dass Sianach und die Flüchtlinge Zirell hereingelegt hatten. „Bitte doch IDUSA, dir den Begriff Shamun Rê zu übersetzen.“, schlug er vor. „Also gut.“, sagte Zirell und wandte sich dem Avatar des Stationsrechners zu: „IDUSA, was ist die Bedeutung von Shamun Rê?“ „Eheschließung.“, erwiderte der Rechner nüchtern. „Kein Wunder!“, rief Zirell aus. „Das kann auch ein Atheist, wenn man die rein gesetzliche Formel ohne religiöse Beteuerung verwendet.“ „Genau.“, sagte Joran. „Und du hast sicher schon an sonst etwas Schlimmes gedacht.“ „Allerdings.“, gab Zirell zu. „Ich hatte mir die grausamsten Sachen ausgemalt. Aber jetzt werde ich den Beiden erst mal sagen, dass sie mich ziemlich hereingelegt haben. Sie sind hier in Gästequartier eins. Aber Sianach werde ich auch etwas erzählen. Ich denke, dass sie sogar mitgemacht hat. Sicher hat sie die anderen Vendar geimpft, damit sie mir nichts erzählen.“ „Sieht ganz so aus.“, sagte Maron. „Dann werde ich mal.“, sagte Zirell und stand auf.
Mikel und ich waren, wie wir es angekündigt hatten, zu Kissara gegangen, um ihr von unserer Theorie zu berichten. „So etwas habe ich mir schon gedacht, Agent und Allrounder.“, sagte Kissara mit konspirativem Unterton. „Deshalb werden Sie, Betsy, auch gleich Kurs ins Dunkle Imperium setzen. Es gibt schließlich noch mehr Mächtige, die uns sagen könnten, ob es die Welt der Toten wirklich gibt und im Notfall haben wir ja noch Sie, Mikel, der es ausprobieren könnte.“ „Logar wird ein solches Geheimnis einer Sterblichen nicht offenbaren, Commander.“, wandte ich ein. „Er wird sich auf die universellen Regeln berufen und …“ „Lassen Sie mich machen, Allrounder.“, tröstete Kissara. „Ich werde ihm schon diplomatisch so weit entgegenkommen, dass er sein Gesicht vor den anderen Mächtigen nicht verliert oder gar die universellen Regeln brechen muss. Ich bin Star Fleet Commander. Wir kennen uns ja sehr gut aus mit Diplomatie. Meistens sind wir ja die Ersten, die einer neuen Spezies begegnen und nicht Botschafter und Politiker, die sich diese Erfolge zu gern auf ihre Fahne schreiben. Wir zwei, Betsy, wir werden Logar aufsuchen.“
Ich erschrak: „Ma'am, wäre es bei allem Respekt nicht besser, wenn Agent Mikel Sie begleiten würde? Ich meine, er kennt sich doch mit so etwas viel besser aus als ich.“ „Ich weiß schon was ich tue und wen ich mir aussuche.“, sagte Kissara. „Es hat einen bestimmten Grund, warum ich gerade Sie mitnehmen möchte.“ „Tut mir Leid, Ma'am.“, entschuldigte ich mich. „Ich wollte keinesfalls respektlos erscheinen.“ „Das sind Sie nicht.“, sagte sie. „Aber jetzt sollten Sie Agent Mikel zur Brücke begleiten.“
Ich nickte und Mikel zog mich aus dem Raum. „Sie plant irgendwas.“, sagte er. „Aber ich denke, wir sollten ihr vertrauen.“ „Das denke ich auch.“, sagte ich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch.
In einer Keilformation flogen die Schiffe durch das Föderationsuniversum. IDUSA flog als Anführerin voran, dann folgten Kamurus und links neben ihm Sharie. Dahinter folgte eine Dreierreihe aus weiteren Schiffen und dann eine Viererreihe und sofort. „Ich habe Kontakt mit der interdimensionalen Sensorenplattform aufgenommen.“, teilte IDUSA allen mit. „Das Ferengi-Schiff ist immer noch im Dunklen Imperium und hat keinen Interdimensionsantrieb. Es kann in der Dimension mit einem vollen Laderaum nur sehr langsam fliegen, weil das Dunkle Imperium eine hoch dichte Atmosphäre hat. Außerdem müssen sie durch die Wirbel und die Entfernung zwischen Sytanias Palast und denen ist sehr groß unter den gegebenen Umständen. Ich erwarte, dass sie erst in vier Stunden dort eintreffen. Wir werden uns in der Nähe der Wirbel verstecken und sie dann zunächst kampf- und fluchtunfähig machen. Dann werden wir versuchen, Informationen über den Aufenthalt von Shimar, N’Cara und Ginalla zu erhalten. Ferengi reden sehr leicht, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht.“ „Nicht die Art von Diplomatie, die ich von einem Schiff einer mit der Föderation befreundeten Streitmacht erwartet habe.“, sagte Kamurus ironisch. „Es ist notwendig.“, rechtfertigte sich IDUSA. „Dieser Ferengi ist der Feind und das ist die einzige Sprache, die er verstehen wird.“ „Aber denkst du nicht, dass Sytania ihm helfen wird?“, fragte Sharie. „Nein!“, entgegnete IDUSA. „Für Sytania ist das alles längst Geschichte. Du weißt doch genau so gut wie ich, dass Sytania jemanden nur benutzt, um ihn dann wieder fallen zu lassen. Verpflichtungen geht sie nicht ein. Aber dieser Ferengi handelt genau so und das müssen wir ausnutzen. Ich bin überzeugt, er wird sie hinhängen, sobald sich die Schlinge um seinen Hals enger zieht.“ „Und der Galgen, an den er sie hängen wird, steht in unserem Garten.“, kombinierte Sharie. „Genau.“, bestätigte IDUSA.
Die Weltraumwirbel kamen in ihre Sensorenreichweite. „Durch diese hohle Gasse müssen sie kommen.“, sagte IDUSA. „Ihr versteckt euch jetzt alle hinter Asteroiden und allem, was ihr sonst so finden könnt. Auf mein Signal legen wir los.“ Alle Schiffe folgten ihrem Kommando.
Arridor ahnte nicht, in welche Falle er laufen würde. Fröhlich pfeifend lenkte er sein Schiff, das unter der schweren Last des Latinums tatsächlich nur langsam in der Atmosphäre vorankam, in Richtung der Wirbel. Bald wird es besser., dachte er. Bald sind wir im Weltraum. Wenn ich es nur schaffe, dich durch die Wirbel zu kriegen und vor allem meine Fracht, meine kostbare Fracht. Dank Sytania bin ich ein reicher Mann. Ein sehr reicher Mann.
Dass er falsch gedacht hatte, stellte sich bald heraus. IDUSA hatte, kaum dass sein Schiff die Wirbel verlassen hatte, ihr Versteck verlassen und den anderen Signal gegeben. Sofort flogen aus allen Richtungen Schiffe herbei und umstellten das Ferengi-Schiff. Selbst von oben und unten. Kamurus schoss auf IDUSAs Befehl eine fächerförmige Salve Photonentorpedos in das Warpfeld des Schiffes, so dass es quasi stolperte und Arridor ziemlich zu tun hatte, es zu stabilisieren, was ihm keine Zeit gab, etwa die Schilde hochzufahren. Aber das ging ohnehin nicht mehr, denn in gleicher Weise wie Kamurus um den Warpantrieb kümmerten sich andere Schiffe um die Langstreckenkommunikation, eben diese Sensoren, Transporter und fast alle anderen Systeme. Am Ende hatte das Ferengi-Schiff nur noch den Kurzstreckenkommunikator, die Nahsensorik und die Manöverdüsen zur Verfügung.
IDUSA empfing einen Ruf von Arridor. „Warum habt ihr mein schönes Schiff so ramponiert?“, fragte der Ferengi. „Weil wir genau wissen, dass Sie unsere Piloten entführt haben.“, antwortete das tindaranische Militärschiff. „Ihnen muss diese Situation ja hoch peinlich sein, zumal ich auch noch eine weibliche Stimme habe. Aber wir können das sofort ändern, wenn Sie mir sagen, wo sie sind. Dann schleppt Sie einer meiner Freunde sicher gern in Ihre Heimat. Aber wenn Sie sich entschließen sollten, meinem Vorschlag nicht Folge zu leisten, dann müssen Sie auf den Manöverdüsen nach Hause kriechen. Wie lange werden Sie dafür wohl benötigen, he? 80 bis 100 Jahre? Ich könnte es auch genau berechnen, aber …“ „Lass uns doch darüber verhandeln wie unter anständigen Geschäftsleuten, selbstständig denkendes Schiff.“, erwiderte Arridor mit listiger Stimme. „Ich bin überzeugt, auch du hast deinen Preis.“ „Den habe ich schon genannt.“, sagte IDUSA. „Wo sind unsere Piloten? Wenn ich das weiß, dann helfen wir auch Ihnen. Aber wenn nicht …“
Niemand hatte auf Sharie geachtet, die sich unterhalb des Ferengi-Schiffes an dessen Frachtraum herangeschlichen hatte und jeden einzelnen Barren des Latinums mit ihren Waffen erfasst hielt. Niemand außer Kamurus, der erst jetzt bemerkt hatte, dass sie nicht mehr an seiner Seite war. „Was machst du da, Sharie?“, fragte er. „Du verhältst dich total unlogisch. Warum zielst du auf seine Fracht?“ „Sie verhält sich gar nicht unlogisch.“, stellte IDUSA fest, der Sharies Absicht längst klar war. „Im Gegenteil. Sie hat ihn dort, wo es ihm am meisten wehtut. Sharie, mach ihn arm!“ „Hoffentlich kann ich so genau zielen.“, sagte Sharie. „Ich will ja nicht, dass gleich alles in Rauch aufgeht. Schließlich sagtest du arm und nicht pleite.“ „Genau.“, sagte IDUSA. „Ich finde es sehr gut, wenn jemand zuhören kann.“
Sharie feuerte eine Salve Phaserschüsse auf die Hülle des Schiffes ab. Tatsächlich durchdrangen sie diese und ließen einige Barren des Vermögens des Ferengi in Rauch und Metalldampf aufgehen. „Sie schießt gleich noch einmal, wenn Sie nicht reden.“, sagte IDUSA. „Und dazu würde ich Ihnen raten, wenn Sie Ihr Vermögen noch retten wollen. Also.“
Arridor wurde immer blasser. Verzweifelt drückte er die Tasten, mit denen sonst die Schilde zu aktivieren waren, aber nichts geschah. „Oh, mein Geld, mein schönes Geld!“, jammerte er. Leider hatte er dabei seinen Finger auf dem Sendeknopf vergessen, was dafür sorgte, dass die Schiffe seine gesamte Schmach mitbekamen. „Vielleicht müssen wir deutlicher werden.“, sagte IDUSA zu Sharie. „Ich habe dich verstanden.“, gab diese zurück und ließ einen weiteren Teil des Vermögens in Rauch aufgehen. Jetzt waren nur noch einige Trümmer der Schatztruhe und zwei Barren Latinum übrig. „Gleich haben Sie gar nichts mehr von Sytanias Belohnung für die Entführung unserer Piloten.“, rief IDUSA Arridor den Grund für den Angriff in Erinnerung. „Als Ferengi hat man sicher kein gutes Leben als armer Mann, was?“ Immer noch schwieg Arridor eisern. „Na gut.“, sagte IDUSA. „Sharie, mach ihn pleite! Aber schieß langsam, ich will es genießen.“ „Ich rede, ich rede, ich rede!“, schrie Arridor ins Mikrofon. „Im Dunklen Imperium. Sie sind im Dunklen Imperium. In Sytanias Felsengefängnis. Bitte nicht schießen, bitte.“ „Geht doch.“, sagte IDUSA und löste mittels eines Signals die Formation auf. Gebeutelt und geschlagen kroch das Ferengi-Schiff auf Manöverdüsen Richtung Ferenginar. „Jetzt wissen wir, wo wir suchen müssen.“, sagte Kamurus. „Sehr richtig.“, bestätigte IDUSA. „Sharie, führe die anderen heim. Das hier ist Sache von Kamurus und mir.“ Sie flogen durch die Wirbel. Dies war der kürzeste Weg.
Zirell hatte sich auf den Weg ins Gästequartier gemacht. Sie wollte den beiden mirayanischen Flüchtlingen einen kleinen Streich spielen, das gab sie zu. Denn schließlich hatten auch die beiden zukünftigen Eheleute sie mit Hilfe von Sianach und den anderen Vendar hereingelegt.
Sie betätigte die Türsprechanlage und Alana öffnete ihr sofort, denn sie ahnte wohl schon, wer vor der Tür stand. „Kommen Sie herein, Commander.“, bot sie freundlich an. Zirell leistete dem Angebot Folge. Gleich, als die Frauen jedoch das Wohnzimmer betreten hatten, entschuldigte sich die Miray: „Verzeihung, Zirell. Ich vergesse immer, dass es auf Tindara üblich ist, sich zu duzen.“ „Das macht nichts.“, wischte Zirell ihre Entschuldigung beiseite. „Ich muss mit dir und deinem zukünftigen Ehemann noch etwas besprechen, das nicht einfach wird.“ „Warum wird es nicht einfach, Zirell?“, fragte Alana. „Bitte hole Timor!“, bestand Zirell. „Ohne ihn können wir das nicht bereden.“ „Worum geht es denn?“, fragte Alana erneut nach. „Es geht um den Ritus von Shamun Rê.“, antwortete Zirell. „Aber jetzt hol bitte deinen Freund.“
Alana nickte und verließ das Zimmer, um wenig später gemeinsam mit Timor zurückzukehren. Dann setzten sich beide zu Zirell auf die Couch. „Du machst ein sehr ernstes Gesicht, Zirell.“, stellte Timor fest. „Was ist los?“ „Ich bin nicht sicher, ob ihr den Ritus immer noch ausführen wollt.“, druckste Zirell herum. Dabei ertappte sie sich selbst dabei zu entdecken, was für eine gute Schauspielerin sie war. „Warum sollten wir den Ritus nicht mehr ausführen wollen?“, fragte Alana. „Weil die medizinischen Risiken zu groß werden können. Ich habe mit Ishan, unserem Arzt, und Joran, dem auf meiner Station stationierten Vendar, gesprochen. Joran hat mir alles genau erklärt und Ishan meint, dass der nötige Aderlass euch vielleicht beide töten könnte. Um eine Art Nahtoderfahrung zu produzieren, müssen eure Körper völlig …“, erklärte Zirell.
Timor sprang auf. „Ich weiß nicht, über welches Ritual ihr gesprochen habt.“, sagte er. „Aber es war mit Sicherheit nicht der Ritus von Shamun Rê. Der ist nämlich ganz harmlos. Ich finde es äußerst beschämend, dass du uns so hereinzulegen versuchst, aber andererseits sind wir jetzt quitt, oder?“ „Sicher.“, sagte Zirell und lächelte ihn an. „Ich weiß auch, dass der Ritus harmlos ist. Ich wollte euch ja nur eine kleine Retourkutsche verpassen.“ „Das ist dir auch gelungen.“, gab Alana zu. „Aber was ist nun? Wirst du uns verheiraten?“ „Klar.“, sagte Zirell. „Wenn alles vorbei ist, dann werde ich euch verheiraten. Als Commander einer Station darf ich das ja. Angesichts der momentanen politischen Situation wäre es jetzt nur noch nicht sehr klug.“ „Schon in Ordnung.“, sagte Timor. „Wir werden warten.“
Shimar, N’Cara und Ginalla waren mit ihrer Aktion ein beträchtliches Stück vorangekommen. Die Spalten, die sie erzeugten, waren jetzt bereits mit dem bloßen Auge zu erkennen und der tindaranische Flieger hatte seine beiden Mitstreiterinnen damit motiviert, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, wann sie das Gefängnis sprengen würden. Da dies ähnliche Auswirkungen haben würde wie eine Sprengstoffexplosion hatte er mit ihnen bereits ein Verhaltenstraining begonnen. Das bedeutete, dass alle drei immer in die Runde gingen, bis der Erfasser, den Ginalla auf ein bestimmtes Alarmsignal eingestellt hatte, dieses von sich gab. Dann warf man sich gemeinsam hin. N’Cara hatte auf Shimars Geheiß ein bestimmtes Energiemuster berechnet, auf das der Erfasser mit ebendiesem Signal reagieren sollte, wenn es zur Sprengung käme. „Warum muss unser Freund eigentlich immer den Beschützer raushängen lassen?“, fragte Ginalla. „Das weiß ich auch nicht genau.“, antwortete N’Cara. „Vielleicht liegt es daran, dass wir beide Zivilistinnen sind. Er denkt vielleicht, dass er uns aufgrund seiner militärischen Ausbildung beschützen muss.“ „Solche Gedanken halte ich durchaus für denkbar in der Seele eines Soldaten.“, scherzte Ginalla.
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