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Auch die Schiffe hatten inzwischen jenen Felsen erreicht, der weithin als Sytanias Gefängnis bekannt war. „Ich weiß nicht, ob du das bestätigen kannst.“, begann Kamurus. „Aber ich glaube, die Biozeichen von N’Cara, Shimar und Ginalla wahrzunehmen.“ „Bestätigt.“, antwortete IDUSA. „Anscheinend ist es ihnen gelungen, den Felsen auf irgendeine Art und Weise durchlässig zu machen. Aber ich nehme nicht nur die Biozeichen wahr. Man scheint ihnen auch ihre Sprechgeräte gelassen zu haben. Jedenfalls registriere ich die Transpondersignale.“ „Bestätigt.“, sagte Kamurus. „Vielleicht sollten wir einen Kontaktversuch wagen.“ „Das halte ich nicht für gut.“, erhob IDUSA Einspruch. „Zumindest sollte unser Kontaktversuch nicht zu offensichtlich sein. Wir sollten es sehr geschickt anfangen. Wenn Sytanias Vendar durch Messungen dahinter kommen sollten, dass wir uns mit den dreien verständigen, dann könnten sie auch feststellen, was diese tun und alles, was sie bisher erreicht haben, wieder zunichte machen. Nein, das machen wir anders.“ Sie begann mit der Übertragung eines Trägersignals an Shimars und N’Caras Rufzeichen. „Warum tust du das?“, fragte Kamurus. „Weil eine Trägerwelle unter normalen Umständen kaum vom Hintergrundbild zu unterscheiden ist. Wenn die Vendar Messungen durchführen sollten, dann nehmen ihre Erfasser nur eine überlagernde Wellenform wahr, die genauso gut normale Energieausstöße des Universums widerspiegeln könnte. Aber auf den Displays der Sprechgeräte wird eine genaue Skala erscheinen, auf der die drei die Qualität der Verbindung ablesen können. Sie wird besser werden, je mehr sie erreichen. Außerdem werden sie unsere Rufzeichen erkennen und somit wissen, dass es uns noch gibt. Das sollte sie sehr motivieren.“ „Du wirst Recht haben.“, sagte Kamurus und begann ebenfalls mit der Übertragung einer Trägerwelle an Ginallas Rufzeichen.

Wieder einmal hatten unsere drei Freunde ein kleines Gewitter produziert. „Wow.“, lobte Ginalla, die ihnen jetzt das Erfasserbild zeigte. „Ich bin beeindruckt. Ihr werdet immer besser. Die Entladungen werden von Mal zu Mal heftiger.“ „Liegt vielleicht daran, dass du uns so gut den Rhythmus vorgibst, Giny.“, sagte N’Cara. „Ach Quark.“, erwiderte Ginalla. „Das liegt daran, weil ihr immer besser aufeinander eingestimmt seid.“ „Aber ohne dich würde das Ganze nicht funktionieren!“, sagte Shimar mit Überzeugung. „Von mir aus.“, stöhnte Ginalla. „Aber was mache ich denn schon?“ „Du sorgst dafür, dass wir überhaupt im Takt sind.“, sagte Shimar. „Wenn du nicht singen würdest, dann … Was ist das denn?!“

Shimar war auf das Signal seines Sprechgerätes aufmerksam geworden. Da es registriert hatte, dass es gerufen wurde, hatte es ein Piepen von sich gegeben. Der tindaranische Pilot zog es neugierig aus seiner Tasche und betrachtete das Display, um gleich darauf irritiert mit dem Kopf zu schütteln und verwirrt in den Raum zu starren. „Was geht denn jetzt ab, Shimar.“, wollte Ginalla in ihrer gewohnt flapsigen celsianischen Art wissen. Shimar stand reglos wie ein Ölgötze da und sagte kein Wort. „Jemand zu Hause?“, fragte die celsianische Weltraumvagabundin. „Hey, antwortest du mir vielleicht mal?“ Shimar zeigte nur wortlos und blass auf das Display und stammelte: „IDUSA … Das kann ich nicht glauben. Das kann ich nicht glauben. Jenn’ hat doch gesagt … Das geht nicht.“ „Hättest du vielleicht mal die Güte uns zu erzählen, was du eigentlich meinst?!“, fragte Ginalla empört. Immer noch wich Shimar nicht von seinem Verhalten ab.

Auch N’Cara hatte das Signal ihres Gerätes gehört und es aus der Tasche gezogen. „Es stimmt!“, rief sie aus. Dabei zeigte sie mit lächelndem Gesicht ebenfalls auf das Display. Darauf prangte über einer Reihe mit Zahlen dick und fett IDUSAs Rufzeichen. „Aber die Schiffe können den elektrischen Sturm unmöglich überlebt haben.“, sagte Shimar. „Jenn’ sagt …“ „Dann hat sich eure allwissende Techniker Mc’Knight eben mal geirrt!“, ging Ginalla dazwischen, die auch auf ihrem Sprechgerät ähnliche Werte vorgefunden hatte. Nur las sie natürlich Kamurus’ Rufzeichen ab. „Aber wir haben doch alle gesehen, dass sie einer Bö zum Opfer gefallen sind.“, argumentierte Shimar. „Selbst, wenn sie Glück gehabt haben sollten und es hat nur ein mittleres Chaos gegeben, dann müssten sie doch an jemanden geraten sein, der das wieder repariert hat. Aber wer soll denn das gewesen sein?“

„Vielleicht sind wir gleich schlauer.“, sagte N’Cara und schickte sich an, den Sendeknopf zu drücken. „Untersteh dich!“, schrie Ginalla sie an. „Wenn du das machst, dann legst du eine Spur, die Sytanias Vendar alles verraten könnte. Eine Trägerwelle ist nicht wirklich vom Hintergrundbild der Galaxie zu unterscheiden, wenn man eine Energiemessung vornimmt. Ich habe eine andere Idee. Wir sollten noch mal ein Gewitter losbrechen lassen, wenn ihr versteht, was ich meine. Wenn die Zahlen danach höher sind, also die Verbindung besser ist, wissen wir Bescheid.“ „OK.“, erklärte sich Shimar einverstanden. „Sorry, Giny.“, sagte N’Cara, der ihre Argumente auch klar waren. Als gute Physikschülerin wusste sie durchaus, dass Ginalla Recht gehabt hatte.

Sie stellte sich Shimar gegenüber und Ginalla begann zu singen. Wie üblich schickten beide nach der sechsten Silbe ihre Energiebälle los. Es folgte das bereits genannte Schauspiel, aber dieses Mal in einer Intensität, die alle die Augen schließen ließ. „Wir werden immer besser.“, stellte Shimar fest. „Seh’ ich jenau so.“, scherzte Ginalla und sah eine der Wände prüfend an. „Also, ich hoffe, keiner von euch hat einen Schnupfen.“, sagte sie. „Warum?“, fragte Shimar. „Weil jeder kleinste Nieser unter Umständen hier alles zum Einsturz bringen könnte.“, erklärte die Celsianerin.

N’Cara hatte ihr Sprechgerät gezückt und sich das Display angeschaut. „Giny hat Recht.“, sagte sie und hielt es hoch. „Seht mal! Die Zahlen sind höher geworden. Das bedeutet, die Qualität der Verbindung ist besser!“ „Zeig mal.“, sagte Shimar und nahm es ihr vorsichtig aus der Hand. „Tatsächlich.“, stellte er fest. Dann sah er auf die Wand, von der langsam aber sicher immer mehr Steine abbröckelten. Der Fels musste doch stärker geschädigt sein, als alle dachten. „Wenn wir hier noch lebend rauskommen wollen, dann müssen wir dringend die Fallrichtung dieser Steine ändern.“, sagte er ernst. „Sonst gibt es heute Nacht eine Steinlawine und wir werden begraben.“ „Du meinst, wir sollen noch mal?“, fragte N’Cara. „Jenau dat meent’r.“, sagte Ginalla und holte tief Luft, um erneut mit ihrem Gesang zu beginnen. „Also dann.“, sagte Shimar und nahm eine konzentrierte Haltung ein. Auch N’Cara tat es ihm gleich. Die sechste Silbe war gesungen und dann …

Die Energieentladung ließ die Wände des Felsens regelrecht explodieren. Steine und Staub flogen durch die Gegend und bald fanden sich alle in einer Menge Trümmer wieder. Aber nicht nur das. Da der Felsen um sie herum zerstört war, waren sie auch wieder an der frischen Luft, wie Ginalla bald als Erste mit Begeisterung feststellte. „Frische Luft!“, rief sie aus. „Mann, Leute, frische Luft. Oh, Gott! Ich pell’ mir fn Schnitzel vor Freude!“ „Du tust was?!“, lachte N’Cara, die sich das gerade bildlich vorstellte.

Sie wurden von Transportern erfasst. Kamurus hatte Ginalla und IDUSA Shimar und N’Cara zu sich an Bord gebeamt. „Es besteht kein Grund zur Beunruhigung.“, erklärte IDUSA. „Wir sind es wirklich. Kamurus und ich sind von einer merkwürdigen fremden Spezies aufgelesen und repariert worden. Wir wissen auch nicht, wer das war, aber das ist jetzt ja auch unwichtig. Die Spezies macht selbst ein riesiges Geheimnis aus ihrer Herkunft.“ „Schon gut.“, sagte Shimar, nachdem er seinen Neurokoppler angeschlossen hatte. „Das kannst du uns gleich alles zeigen. Verbinde mich erst mal über Kamurus mit Ginalla. Wir haben nämlich beschlossen zusammenzuarbeiten.“ „Wie haben Sie diese Frau denn dazu gekriegt?“, staunte das Schiff und ließ ihren Avatar vor Shimars geistigem Auge ein erstauntes Gesicht machen. „Er hat halt einen umwerfenden Charme.“, erklärte N’Cara mit grinsendem Gesicht. „Ich glaube aber.“, sagte Shimar. „Du musst mir auch noch was erklären. Woher wusstet ihr beide, wo ihr uns finden konntet?“ „Ach.“, sagte IDUSA. „Es gab dort eine etwas unangenehme Begegnung mit einem Ferengi. Dem haben Kamurus und ich mit Hilfe einiger Freunde von ihm etwas eingeheizt. Er sah sein Geld in Gefahr und hat dann doch geredet. Tja, Ferengi hängen eben doch noch mehr an ihrem Geld als an ihrem Leben.“ „Na das muss ich unbedingt alles sehen.“, sagte Shimar. „Ich zeige es Ihnen selbstverständlich.“, sagte IDUSA. „Aber jetzt gebe ich Ihnen erst mal Ginalla, mit der Sie ja reden wollten.“

Shimar sah das Gesicht seiner celsianischen Mitstreiterin auf dem virtuellen Schirm. „Hi.“, sagte sie mit einem Lächeln. „Hi.“, gab Shimar zurück. „Wie sieht es aus bei dir? Ist Kamurus OK?“ „Aber klärchen, Teddybärchen.“, sagte Ginalla und grinste. „Und was ist mit IDUSA?“ „Sie ist auch in Ordnung.“, sagte Shimar. „Wir sollten machen, dass wir hier wegkommen. Wir sind schließlich immer noch auf Sytanias Seite der Dimension und ich halte es nicht für ratsam, hier noch länger zu bleiben. Wenn Sytanias Vendar uns sehen, dann …“ „Hast Recht, Shimar.“, sagte Ginalla und mit dem Finger auf dem Sendeknopf fügte sie noch in Kamurus’ Richtung hinzu: „Jib Jummi, Kumpel.“ So schnell es seine Atmosphärentriebwerke in der hoch dichten Atmosphäre zuließen, flog Kamurus los und IDUSA folgte.

Wie befohlen hatte ich Kurs ins Dunkle Imperium gesetzt. Kissara hatte uns auf der Brücke allein gelassen und Kang hatte frei, was dazu führte, dass ich mich frei und ungezwungen mit Mikel unterhalten konnte. „Ich kann immer noch nicht verstehen, warum sie gerade mich mitnehmen will.“, sagte ich. „Das weiß ich auch nicht genau.“, erwiderte Mikel. „Dabei kann ich dir leider nicht helfen. Aber vielleicht kannst du mir bei einer Sache helfen, Frau Kommunikationsoffizier.“ „Wovon redest du?“, fragte ich. Mir war nicht ganz klar, warum er meine Aufgabe so sehr betont hatte. „Wie meinen Sie denn, dass ich Ihnen helfen könnte, Herr Spion?“, witzelte ich zurück. „In welcher Situation glaubst du, dass eventuell eine genaue Formulierung wichtig sein könnte?“, fragte Mikel. „Ich meine, alle reiten pedantisch auf der Formulierung: Tor zum Himmel herum. Man darf nicht etwa Himmelstor oder so etwas sagen. Sogar der Computer in Nuguras Büro tut das. Ich meine, es gibt Gerüchte um ein Virus, das den armen Sekretär der Präsidentin jedes Mal zwingt, das Testament des Königs von vorn zu übersetzen und der Universalübersetzer stolpert immer über den gleichen Begriff. Das muss doch einen Grund haben.“ „Ich kann mir so etwas nur vorstellen.“, packte ich meine linguistischen Kenntnisse aus. „Wenn es sich um einen Eigennamen oder ein geflügeltes Wort handelt.“ „Können wir das verifizieren?“, fragte Mikel. „Ich probier’s mal.“, sagte ich und wendete mich an den Computer: „Computer, in welchem Zusammenhang wird in der Mythologie der Miray oder in deren geflügelten oder Sprichworten die Formulierung: Das Tor zum Himmel erwähnt?“ „Bitte warten.“, kam es freundlich zurück. „Er hat nur die Daten, die wir an Bord haben.“, tröstete ich Mikel, der nervös von einem Bein auf das andere tippelte. „Lange wird es nicht dauern. Seit dem Krach zwischen den Prinzessinnen und Nugura gibt es ja keine Infos mehr in der Föderationsdatenbank über Miray.“ „Du weißt doch wie ich drauf bin.“, sagte Mikel, der immer aufgeregter wurde.

„Suche erfolgreich.“, meldete der Computer. „Vorlesen!“, befahl ich. „Übersetzung aus der Datenbank für mirayanische geflügelte Worte und Sprichworte.“, begann der Rechner. „Sie werden sich noch mal um das Tor zum Himmel streiten. Bedeutung und Interpretation: Zwei oder mehrere Personen streiten sich so verbissen, dass es quasi keine anderen Inhalte ihres Lebens mehr gibt. Sie benutzen jeden noch so nichtigen Anlass für ihren Streit und würden sich sogar um etwas fiktives streiten, was es vielleicht gar nicht gibt.“ „Das ist der Durchbruch.“, freute sich Mikel. „All das passt auf unsere Prinzessinnen wie der Mors auf den Nachttopf!“ „Mikel!“, sagte ich peinlich berührt. „Ist doch wahr.“, sagte Mikel. „Am Liebsten würde ich das denen jetzt sofort um die Ohren knallen. Fangen einen Bürgerkrieg wegen nichts an. Das ist so’n Ding wie der Topf mit Gold am Ende des Regenbogens.“ „Das habe ich auch verstanden.“, sagte ich. „Aber wir können nicht mit den Miray reden. Alle Leitungen sind dicht. Kein Sprechgerät der Föderation kann nach der Sperrung …“ „Ich weiß.“, sagte Mikel. „Aber wir können es den Tindaranern sagen.“ „Ich verbinde dich am besten gleich. Die können ja Prinzessin Hestia dann die Hölle heiß machen. Die können ja nach wie vor mit jedem sprechen, mit dem sie wollen. Für sie gilt die Sperre ja nicht. Sie sind zwar Verbündete der Föderation aber keine Mitglieder.“, sagte ich. „Schon klar.“, sagte Mikel. „Dann mal los!“

Während ich meinem Freund und Vorgesetzten die gewünschte Verbindung schaltete, nahm ich wahr, dass er sich von etwas total irritiert fühlen musste. „Ich kapiere nur eines nicht.“, sagte er schließlich. „Hestia und Alegria sind auch Miray. Sie müssten doch eigentlich wissen, was das mit dem Tor zum Himmel ist und dürften doch auf den Trick ihres Vaters gar nicht hereinfallen dürfen.“ „Gier frisst Hirn.“, erklärte ich. „Die Beiden sind so gierig auf die Krone, dass sie über so etwas gar nicht nachgedacht haben und jetzt ist eine tot.“ „Tja.“, sagte Mikel. „Das hat sie nun davon. Was macht meine Verbindung?“ Ich stellte Mikel an Zirell durch.

Ein Vendar-Wächter niederen Ranges hatte auf seiner Streife gesehen, dass Sytanias Felsengefängnis vollständig zerstört war. Er konnte nicht fassen, was er da gesehen hatte! Er konnte nicht glauben, dass es drei Sterblichen gelungen sein sollte, dies zu vollbringen. Sofort hatte er sein Pferd gewendet und war zum Palast zurückgeritten, um Telzan, seinem Anführer, von jenem schändlichen Tun zu berichten. „Was sagst du da?!“, schalt Telzan ihn. „Ja, Anführer.“, stammelte der Wächter. „Das Gefängnis ist völlig zerstört. Alles nur noch Trümmer, sonst nichts. Nur noch Steine und Geröll.“ „Zeig es mir!“, befahl Telzan und der Wächter nickte erleichtert, weil er zunächst befürchtet hatte, sein Oberster würde ihm den Kopf abreißen.

Telzan ließ sich von Sytanias Stallburschen ein Pferd geben und ritt hinter seinem Untergebenen her, der ihn zum Ort des Geschehens führte. Hier sah jetzt auch er das ganze Ausmaß. „Unfassbar!“, rief er, während er vom Pferd stieg und seinen Erfasser aus der Satteltasche holte. „Du glaubst mir also, Anführer?“, vergewisserte sich der Wächter. „Ja, ich glaube dir.“, sagte Telzan. „Oder besser, ich glaube meinen eigenen Augen und dir. Aber wie haben sie das gemacht?“

Er aktivierte das Gerät und hielt es über die Trümmer. Eine Meldung auf Vendarisch erschien auf dem Display. „Hab ich es mir doch gedacht.“, stellte er fest. „Hier sind Reste von positiver und negativer telepathischer Energie. Sie haben eine Art künstlichen Blitzeinschlag erzeugt.“ „Aber warum haben wir nicht viel früher etwas gesehen, Anführer?“, fragte der Wächter mit klopfendem Herzen, denn er befürchtete jetzt doch eine Standpauke. „Ich denke, dass sie es so geschickt eingefädelt haben, dass ihr nichts sehen konntet. Sie werden nicht gleich mit der Tür ins Haus gefallen sein. Ich denke, dass sie eher nach der Devise vorgegangen sind, dass steter Tropfen den Stein höhlt oder in diesem Fall ganz zerstört. Deshalb hat wohl auch unsere mächtige Gebieterin nichts gemerkt und dem Ganzen deshalb keinen Einhalt geboten. Oh, die drei waren clever. Sie waren verdammt clever.“

Er winkte seinem Untergebenen, bevor er den Erfasser wieder einsteckte und aufs Pferd stieg. „Auf jetzt!“, kommandierte Telzan. „Wir müssen Sytania berichten.“ Auch der Wächter stieg auf und folgte ihm.

Bald waren die Männer wieder im Palast angekommen und Telzan hatte die Pferde im Schlosshof wieder an den Stallburschen übergeben. Dabei hatte der Vendar bemerkt, dass ihm ständig jemand hinterher schlich. Er drehte sich um und erkannte im matten Schein einer Laterne Moggador. „Was willst du dämliche Ausgeburt der Liebe zwischen einem Esel und einem Rindvieh von mir?!“, fragte Telzan unwirsch. „Ich muss dir was sagen.“, erwiderte Moggador. „Ich habe das mit den drei Sterblichen gehört und ich habe eine Idee, wie wir sie kriegen können und wie wir Sytania trotzdem einen Brückenkopf im Universum der Föderation verschaffen können.“ „Du!!! Hahaha!!!“ Telzan bog sich vor Lachen. „Du hast eine, eine, hihihi, nein, der Gedanke ist zu komisch!!! Du willst eine Idee haben?! Na, was wird das wohl sein? Ich kann nicht mehr! Oh, ich kann nicht mehr!!! Ihr Götter, helft mir!!!“ „Was gibt es da zu lachen?“, fragte Moggador. „Ganz einfach.“, sagte Telzan, der schon wieder mit einem Lachkrampf kämpfte. „Du und eine Idee haben. Das passt so gut zusammen wie, ääähhh, na wie …“ „Hör dir doch meine Idee erst mal an.“, schlug Moggador vor. „Oder wir präsentieren sie gleich Sytania und lassen sie entscheiden, ob sie gut ist.“ „Einverstanden.“, sagte Telzan und murmelte: „Die Entscheidung kenne ich jetzt schon.“

Er zerrte den ahnungslosen Moggador, der nicht wusste, warum er ihn so behandelte, in Richtung von Sytanias Gemächern. Die Prinzessin war nicht sehr erfreut über diesen Anblick. Sie mochte es nicht, wenn ihr oberster Vendar jemanden so behandelte. Moggador mochte zwar dumm sein, dennoch musste auch Telzan einen Grund für so ein Verhalten vorlegen. Dies wollte Sytania allerdings nicht aus sozialen Motiven, sondern einzig und allein wegen der Tatsache, dass ein schlecht behandelter Diener unter Umständen die Faxen irgendwann dick haben würde und vielleicht zu ihrem Vater überlaufen würde, wo man ihn sicher besser behandelte.

„Warum gehst du so mit ihm um, Telzan?!“, fragte Sytania streng. „Stellt Euch vor, Gebieterin.“, lachte Telzan. „Er behauptet, dass er eine Idee hätte. Als ob dies nicht schon unmöglich genug sei, will er auch noch eine haben, die Euch das Etablieren eines Brückenkopfes im Universum der Föderation ermöglicht. Das haben wir doch längst abgehakt.“

Sytania überlegte. „Vielleicht nicht ganz.“, sagte sie. „Er soll reden. Dann werde ich entscheiden, ob ich seinen Plan genau so lustig finde wie du.“

Telzan stieß Moggador in Sytanias Richtung: „Vorwärts, du Hund!“, schrie er. „Rede! Du hast unsere Herrin gehört!“ „Ich trau’ mich so nich’.“, sagte Moggador, dem das Herz bis zum Hals schlug. „Vielleicht könnte er gehen. Dann geht’s vielleicht.“ „Also schön in drei Teufels Namen.“, sagte Sytania und wendete sich an Telzan: „Verlasse uns!“ Der Vendar nickte und ging.

Sytania ließ ihre Stimme sehr weich werden und sagte: „Kannst du jetzt reden, mein armer Narr?“ „Ich versuche es, Milady.“, sagte Moggador. „Also, ich weiß, wie wir Hestien als Brückenkopf bekommen können.“ „Hestien!“, schrie Sytania und sprang von ihrem Thron auf, auf dem sie bis eben noch gesessen hatte. „Hestien werden wir nie bekommen! Hestias Beauftragter ist Shimar, wie du weißt. Er ist ein militärisch ausgebildeter Tindaraner und würde mich zehn Meilen gegen den Wind erkennen, wenn ich intervenieren würde. Das kannst du dir abschminken!“ „Aber was ist denn?“, widersprach Moggador. „Wenn er nicht mehr für sie arbeitet. Dann wäre sie sicher auch für Eure Verführungskünste empfänglich, was ihren angeblichen Anspruch auf die Alleinherrschaft auf Miray angeht. Sie muss ja nicht erfahren, dass sie nur eine Marionette sein wird.“ „Aber er arbeitet für sie.“, sagte Sytania. „Noch ja.“, sagte Moggador. „Aber sie ist sehr ungeduldig. Sie will das Tor so sehr, dass sie sicher bald mit ihrer Geduld am Ende sein wird, wenn Shimar keine Resultate bringt. Das können wir erreichen, wenn wir ihn so lange aufhalten, bis sie ihm von allein kündigt. Dann ist der Weg für Euch frei und ihr könnt Hestia becircen.“

Sytania musste sich erst mal setzen. Sie konnte nicht fassen, was sie gerade gehört hatte. Dann aber brach sie in fast extatisches Lachen aus. „Ja, mein guter Moggador!“, kreischte sie. „Genau so werden wir es machen! Sag mir nur ehrlich, ob dir Telzan wirklich nicht geholfen hat.“ „Das hat er nicht, Milady.“, versicherte Moggador. „Darauf bin ich ganz allein gekommen. Ihr dürft gern in meinem Kopf nachsehen, wenn es Euch beliebt.“

Sytania nahm das Angebot an und loggte sich telepathisch in Moggadors Kopf. Hier sah sie, dass er die Wahrheit gesprochen hatte. „Tatsächlich!“, rief sie entzückt aus. „Du bist ganz allein auf diese Idee gekommen. Das hätte ich dir nicht zugetraut. Aber diese Idee ist so einfach, wie sie genial ist. Sei es, wie es sei. Ein blindes Huhn findet eben auch mal ein Korn. Ich werde mir ein paar treffliche Hindernisse für den Tindaraner ausdenken. Wollen doch mal sehen, was er gerade macht.“

Die mächtige Imperianerin zog ihren Kontaktkelch aus der Tasche und stellte ihn vor sich auf den Tisch. Dann sagte sie: „Setz dich zu mir, Moggador. Nimm meine Hand. Als Belohnung für deinen guten Plan darfst du heute mal mit mir gemeinsam durch den Kelch sehen.“

Der Diener nahm dankbar an. Er setzte sich neben Sytania auf einen freien Platz des Thrones und fasste mit seiner linken Hand ihre rechte, während er seine rechte Hand auf den Fuß des Kelches legte, wo ihre linke lag. Beide sahen jetzt das Bild der friedlich nebeneinander fliegenden Raumschiffe vor sich. Sytania schauderte bei dem Gedanken. „Oh, nein!“, rief sie. „Jetzt arbeiten der Tindaraner und diese Celsianerin auch noch zusammen! Aber das darf uns nicht schrecken. Ich werde dann nur das Vorhaben entsprechend modifizieren müssen.“ „Darf ich fragen, was Milady beabsichtigen?“, fragte Moggador. „Lass dich überraschen!“, lachte Sytania dreckig zurück.

Zirell hatte mit Mikel gesprochen und der hatte ihr die neuesten Ergebnisse vorgeführt. „Na das sind ja ganz andere Voraussetzungen.“, sagte die Tindaranerin. „Jetzt müssen wir das nur noch den Prinzessinnen beibringen.“ „Ich fürchte, da werden Sie kein Glück haben, Commander.“, widersprach der terranische erste Offizier. „Die Eine ist tot und die Andere wird mit Sicherheit nicht hören wollen, was Sie ihr zu sagen haben.“ „Schon gut, Agent.“, meinte Zirell. „Seien Sie doch nicht so ein Haarspalter. Die politische Situation auf Miray ist mir durchaus bekannt. Und auch Hestias Verhalten haben Sie bestimmt richtig berechnet. Aber trotzdem müssen wir ihr die Wahrheit sagen. Ich bin überzeugt, dass wir das auch sollten. Brakos Plan beinhaltete eine kleine Falle für seine Töchter, in die sie, wenn Sie mich fragen, voll hineingetappt sind. Natürlich sind sie Miray und hätten so auch drauf kommen können. Aber wie Allrounder Betsy schon treffend festgestellt hat, frisst Gier nun einmal Hirn. Wenn man Ihnen oder dem Allrounder den Topf voll Gold am Ende des Regenbogens versprochen hätte, halte ich Sie beide für intelligent genug, dass Sie auf dieses Versprechen nicht hereingefallen wären. Aber Hestia und Alegria …“ „Ich kann Ihnen folgen, Ma'am.“, sagte Mikel förmlich.

Zirell machte eine kleine Pause, in der sie einen Schluck Kaffee aus einer Tasse nahm, die vor ihr stand. Dann sagte sie: „Wir werden Hestia Ihre Ergebnisse vortragen. Bitte senden Sie sie uns zu. Mal sehen, wie sie darauf reagiert.“ „In Ordnung.“, sagte Mikel und ließ den Computer die entsprechende Verbindung initiieren.

Maron hatte alles in Zirells Bereitschaftsraum mitbekommen, wo diese und ihr erster Offizier das Gespräch entgegengenommen hatten. „Ich finde nicht weiter verwunderlich, dass Allrounder Betsy und Agent Mikel darauf gekommen sind.“, meinte der Demetaner. „Wie kommst du darauf?“, fragte Zirell. „Mich wundert es schon. Ich meine, die Beiden müssen sich doch schon sehr gut mit der Mythologie der Miray auskennen, wenn sie überhaupt so eine Vermutung äußern, die der Computer dann auch noch bestätigt.“ „Nicht unbedingt.“, sagte der Agent. „Es gehört vielleicht nur ein wenig linguistisches Gespür dazu. Allrounder Betsy wird festgestellt haben, dass das Mirayanische dem Deutschen in seiner Struktur sehr ähnlich ist. Ich denke, das wird sie darauf gebracht haben. Die Miray verwenden zum Beispiel ein und das selbe Wort für den Begriff Himmel. In der Muttersprache des Allrounders und ihres Vorgesetzten ist es genau so und man kann nur aus dem Zusammenhang erfahren, ob es sich um den atmosphärischen oder den religiösen Himmel handelt. Außerdem wird es einen Grund haben, warum König Brako das Virus hat schreiben lassen.“ „Welches Virus?!“, fragte Zirell mit leichter Empörung in der Stimme. Langsam hatte sie genug von Rätseln, Fallen und Plänen. „Das weißt du gar nicht?“, wunderte sich Maron. „Nein.“, sagte Zirell. „Du musst schon etwas konkreter werden.“ „Also.“, hob der Demetaner an. „Auf einem Computer in Nuguras Büro gibt es ein mirayanisches Virus, das durch den Datenkristall von König Brakos Testament gekommen sein könnte. Das Virus löscht jedes Mal die schöne Übersetzung des Testamentes und der arme Saron muss jeden Tag von neuem beginnen. Ein Techniker hat das Virus ausgetrickst, aber das ist nicht das eigentliche Problem. Der Universalübersetzer stolpert jedes Mal über den mirayanischen Begriff für Himmel.“ „Jeden Tag?!“, rief Zirell aus und raufte sich die Haare. „Ja, Zirell.“, sagte Maron. „Jeden Tag aufs Neue.“ „Der arme Saron.“, sagte Zirell mitleidig. „Das muss ihn ja ziemlich nerven.“ „Davon kannst du ausgehen.“, sagte Maron. „Aber wenn ich das richtig verstanden habe, dann war genau das auch Brakos Absicht.“

„Ich denke, wir sollten das Prinzessin Hestia gleich mal brühwarm servieren.“, sagte Zirell. „Das würde sicher vieles erleichtern.“ „Vorausgesetzt, sie glaubt uns.“, sagte Maron. „Wir haben den Beweis von der Granger.“, sagte Zirell und zeigte auf den virtuellen Schirm, den auch Maron sehen konnte, da IDUSA beide Reaktionstabellen geladen hatte. Hier war gerade Mikels SITCH-Mail eingetroffen. „Na gut.“, sagte Maron. „IDUSA, verbinde Commander Zirell und mich mit Prinzessin Hestia von Hestien!“

Hestia empfing den Ruf in ihrem Gemach. Bei ihr war wie meistens Merkurion, der sich alles mit anhören sollte. Zirell hatte Maron die Leitung des Gespräches übergeben, denn es bedurfte ja schon fast kriminalistischer Ermittlungen, dieses Rätsel zu lösen. „Ihr Gesicht ist mir nicht bekannt, Agent.“, sagte Hestia zu Maron. „Das kann ich mir nicht wirklich vorstellen, Hoheit.“, antwortete der Spionageoffizier. „Ich denke, wir haben uns auf Khitomer schon einmal gesehen. Ich bin Shimars Vorgesetzter.“ „Ach.“, entgegnete die Prinzessin abfällig. „Sie sind der erste Offizier, der mir dieses Schauspiel mit Shimar geboten hat. Einen Moment lang habe ich damals wirklich geglaubt, Sie würden ihm das OK nicht geben. Aber das Zusammentreffen zwischen Ginalla und ihm hat mich dann doch eines Besseren belehrt.“

„Wir haben neue Erkenntnisse, Hoheit.“, lenkte Maron sie auf das eigentliche Thema. „Ich denke, wir wissen jetzt, was das Tor zum Himmel ist.“ „Reden Sie schon.“, geiferte Hestia. „Wir glauben.“, setzte Maron an. „dass es sich um nichts Materielles handelt.“ „Nichts Materielles?!“, echote Hestia voller Empörung und gut hörbarer Enttäuschung. „Dass kann nicht sein! Das darf nicht sein und das wird auch nicht sein! Shimar wird beweisen, erster Offizier, dass Sie sich gewaltig irren.“ „Und wie bitte soll er das beweisen?“, fragte Maron und hoffte, sie irgendwie doch zum Einlenken bewegen zu können. „Euren Vater kann er nicht mehr fragen. Der ist tot.“ „Natürlich ist er das.“, sagte Hestia. „Aber merken Sie denn nicht, dass Ihre Theorie einen riesigen Riss hat? Ich meine, schließlich geht es hier um etwas, mit dem man eine Herrschaft begründet und das soll nichts Materielles sein? Nein. Das glaube ich nicht. Mein Vater wird der zukünftigen Herrscherin nicht einfach nur ein Nichts hinterlassen haben. Schließlich muss das einfache Volk ja erkennen können, von welchem Stand man ist. Falls Sie mich hereinzulegen versuchen, erster Offizier, gibt es ja noch eine Instanz über Ihnen, mit der ich sprechen kann. Sie werden mir auf der Stelle Ihren Commander geben! Dass ich mit Ihnen sprechen muss, finde ich nicht meinem Stande angemessen. Sie sprechen ja auch mit mir und nicht mit einem meiner Diener!“

„Für dich.“, sagte Maron ruhig und gab Zirell das Mikrofon in die Hand. „Hoheit, hier spricht Commander Zirell.“, meldete sich diese ebenso ruhig. „Gut, dass ich jetzt endlich mit der Frau spreche, die jenen infamen Lügen ein Ende machen kann.“, antwortete Hestia. „Von welchen Lügen sprecht Ihr, Hoheit?“, fragte Zirell. „Die gesamte Zeit, die ich bei diesem Gespräch anwesend war, hat mein Untergebener nichts als die Wahrheit gesagt. In unseren Händen befinden sich sogar Beweise dafür. Der Rechner meiner Station wird Euch gleich einen Mitschnitt aus dem Flugkommentator der Granger überspielen, der alles zweifelsfrei belegt.“

Sie wies IDUSA an, den Beweis an die mirayanische SITCH-Mail-Adresse zu senden. „Also schön, Commander.“, schnippte Hestia. „Ich werde mir Ihren Beweis ansehen.“ Sie beendete das Gespräch.

Nachdem sich Hestia und Merkurion das Ganze angehört und angesehen hatten, wandte sich die Prinzessin blass an ihren Geheimdienstchef. Aber sie war nicht blass, weil sie ihren Fehler einsah, sondern weil ihr die ganzen Umstände einen regelrechten Schock verursacht hatten. Dieser Schock war aber hauptsächlich von ihrer Eitelkeit geprägt. Hatte sie doch gerade festgestellt, dass Mikel und ich mit Hilfe des Computers einen Umstand bewiesen hatten, der ihr so gar nicht passte. „Das darf nicht wahr sein, Merkurion.“, stammelte Hestia. „Das darf nicht sein. Es darf einfach nicht sein, dass dieser dahergelaufene Agent und seine Sprechgerätsuse ...“ „Mit Verlaub, Hoheit.“, versuchte Merkurion sie zu unterbrechen. Damit hatte er aber etwa so viel Erfolg, als würde man eine Erbse vor einen Laster werfen, der gerade auf einen Abgrund zurollt, um ihn zu bremsen, nämlich gleich null. „Sie fliegt auch das Schiff.“ „Von mir aus auch Pilotenpimpinella oder was auch immer!“, erboste sich Hestia. „Jedenfalls dürfen sie einfach nicht Recht haben. Mein Vater muss mir etwas Materielles hinterlassen haben. An irgendetwas muss man ja sehen, dass ich die Herrscherin bin. Es muss also etwas Materielles sein! Es muss!“ Ihre Stimme kippte: „Es muss, es muss, es muss, muss, muss, muss!“

Merkurion gab auf. Er ahnte, dass er sie nicht besänftigen würde. „Kann ich noch etwas für Euch tun, Hoheit?“, fragte er. „Ja.“, sagte die Prinzessin. „Sag meinem Kommunikationsoffizier, er soll mich mit Shimar verbinden. Ich werde mir diese Frechheit nicht bieten lassen. Ihm soll etwas einfallen, wie er einen Beweis erbringen kann. Aber er muss beweisen, dass mein Vater …“ „Schon verstanden.“, sagte Merkurion und verließ so schnell wie möglich das Gemach seiner tobenden und rasenden Herrin.

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