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Mikel und ich hatten auch Kissara von unserem Fortschritt in Kenntnis gesetzt. „Gute Arbeit, Sie zwei.“, lobte unsere gemeinsame Vorgesetzte. „Betsy, wenn Sie uns durch die Wirbel gebracht haben, möchte ich über das interdimensionale Relais mit Commander Zirell verbunden werden. Mich würde brennend interessieren, wie die Prinzessinnen es aufgenommen haben.“ „Wie Sie möchten, Ma'am.“, sagte ich und schlug mit dem Schiff den Kurs in Richtung Weltraumwirbel ein.

Shimar und N’Cara hatten sich auf dem Flug noch über einiges unterhalten, was dem Tindaraner auf der Seele gebrannt hatte. „Wie wurde eigentlich dein Vater in die ganze Geschichte involviert, N’Cara?“, fragte er. „Mein Vater und Brako hatten sich eher durch einen Zufall kennen gelernt. Der König suchte damals in allen renommierten Föderationszeitungen nach Sagen- und Geschichtsforschern, für eine Expedition. Mein Vater hat sich gemeldet und wurde angenommen.“ „Schöne Expedition war das.“, urteilte Shimar, denn jetzt konnte er zwei und zwei zusammenzählen. „Ich weiß, wovon du redest.“, sagte N’Cara, der selbstverständlich der gesamte Plan bekannt war. „Das mit dem Wetterbericht und allem tut mir Leid.“, entschuldigte sie sich. „Den Bericht hast du selbst gefälscht, nicht wahr?“, vermutete Shimar. „Ja.“, gab das Mädchen kleinlaut zu. „Dazu, das so perfekt hinzukriegen, wäre mein Vater nicht in der Lage gewesen. Aber du durftest nichts merken.“ „Schon gut.“, sagte Shimar. Mittlerweile begann alles für ihn einen Sinn zu ergeben. Brako musste N’Caras Vater und noch viele andere in den Plan eingeweiht haben. Vielleicht sogar Commander Zirell, obwohl er sich das eigentlich angesichts ihres Verhaltens nicht hatte vorstellen können.

„Mein Vater hat mir erzählt.“, berichtete N’Cara, „Dass er sich mit Brako allein getroffen hat. Alle anderen Mitwirkenden waren zu dem Zeitpunkt nicht anwesend.“ „Weißt du, wer die anderen sind?“, erkundigte sich Shimar. „Leider nicht.“, sagte N’Cara. „Das hat mir mein Vater nie gesagt.“

„Aber ich muss Ihnen beiden etwas sagen.“, meldete sich IDUSA zu Wort. „Meine Sensoren registrieren eine merkwürdige Gewitterfront, die sich auf uns zu bewegt. Korrigiere: Sie hüllt uns ein.“ Im gleichen Moment spürte Shimar die telepathische Energie Sytanias. „Das Ding kommt von Sytania.“, sagte er. „Schilde hoch, IDUSA! Ich werde versuchen, uns hier irgendwie durchzubringen.“

Auch Kamurus und Ginalla hatten jenes merkwürdige Schauspiel beobachtet. „Komisches Gewitter.“, stellte Ginalla fest. „Da pflichte ich dir bei.“, sagte Kamurus. „Welches Gewitter arbeitet schon so gezielt und schließt nur eines der Schiffe ein?“ „Das kennen wir doch.“, sagte die Celsianerin. „Am Liebsten würde ich dir befehlen, die Rosannium-Waffe einzusetzen, aber wenn wir das hier in der Atmosphäre tun, dann verseuchen wir sie für Jahrhunderte.“ „Gut, dass du keine solche Draufgängerin mehr bist.“, antwortete das Schiff. „Ich wüsste gern, was zu deinem Sinneswandel geführt hat. Ich wüsste zu gern, was dich zu einer überlegenden Person gemacht hat, die auch mal über die Konsequenzen ihres Handelns nachdenkt, bevor sie agiert.“ „Sehr witzig.“, lachte Ginalla. „Aber jetzt zeig mir erst mal, was da los ist. Vielleicht können wir ihnen helfen.“

Shimar wusste nicht mehr, in welche Richtung er IDUSA lenken sollte. Wenn immer er einen Kurs eingeschlagen hatte, dehnte sich das Gewitter scheinbar in dieselbe Richtung aus und der erst gerade gesehene und heiß ersehnte Rand schien in weiter Ferne. „Ich kriege uns hier nicht raus.“, resignierte Shimar. „Wie sieht es mit deinen Schilden aus, IDUSA?“ „Die Schilde halten noch.“, sagte das Schiff. „Was meinst du mit noch?“, fragte Shimar nach, der sich denken konnte, dass sie für so eine Auskunft sicher einen Grund hatte. „Noch heißt, dass ich sie gerade modifiziere, damit Sytania ihre Blitze nicht ihrer Harmonik anpassen kann. Aber ich denke, lange wird mir das nicht mehr gelingen.“ „Rede keinen Unsinn!“, sagte Shimar energisch. „Du kannst Rechenoperationen viel schneller ausführen als ein biologisches Gehirn. Wenn Sytania eine Borg wäre, dann hätte ich Bedenken. Aber in diesem Fall!“ „Sie vergessen.“, erklärte das Schiff. „Dass ich nicht meinen gesamten Arbeitsspeicher für diese Operation zur Verfügung habe. Außerdem muss Sytania ja nicht jede Frequenz einzeln denken. Es genügt, wenn sie sich wünscht, dass ihre Blitze meine Schilde durchdringen können. Das müssten Sie doch wohl am Besten wissen.“ „Du hast ja Recht.“, entschuldigte sich Shimar. „Ich bin nur so schrecklich nervös.“

IDUSA empfing einen SITCH mit einer Anfrage nach einer Verbindung über das Interdimensionsrelais. „Shimar, Prinzessin Hestia ruft uns.“, sagte sie. „Sprich du mit ihr.“, sagte Shimar, der jetzt stärker als vorher damit beschäftigt war, für sich, N’Cara und das Schiff einen Ausweg aus dem Gewitter zu finden. „Wie Sie wünschen.“, antwortete das Schiff und nahm die Verbindung selbst entgegen. „Was für ein schwarzer Tag für mich.“, beschwerte sich Hestia. „Erst speist man mich mit einem ersten Offizier ab und nun muss ich auch noch mit einem Raumschiff reden.“ „Ich bin eine selbstständig denkende IDUSA-Einheit.“, rechtfertigte sich IDUSA. „Wie kann ich Euch behilflich sein, Hoheit?“ „Falls dein Pilot irgendwann wieder zur Verfügung steht.“, sagte Hestia. „Dann richte ihm von mir aus, dass er unbedingt beweisen muss, dass das Tor zum Himmel etwas Materielles ist. Commander Zirell und ihr erster Offizier, dieser Agent Maron, haben doch tatsächlich behauptet, die Besatzung der USS Granger hätte herausgefunden, dass es sich nur um den Inhalt eines Sprichwortes handelt. Aber das kann nicht sein und das wird auch bestimmt nicht sein. Mein Vater hätte mir niemals nur ein Nichts hinterlassen.“ „Könnte ich die Daten von der Granger beziehungsweise von meiner Heimatbasis erhalten?“, fragte IDUSA gewohnt nüchtern. „Die unsäglichen Daten habe ich vernichtet.“, antwortete Hestia. „Dann kann ich Euch leider bei der Verifizierung nicht behilflich sein.“, sagte IDUSA. „Das ist mir dann auch egal!“, schnaubte Hestia. „Wichtig ist nur, dass du deine Befehle hast. Es ist mir egal, wie dein Pilot und du das beweisen. Wichtig ist nur, dass ihr auf jeden Fall mit dem Beweis zurückkommt. Warum ist eigentlich die Verbindung so schlecht?“ „Weil wir uns gerade in einem Gewitter befinden, das Sytanias Schöpfung ist.“, erklärte IDUSA. „Das ist auch der Grund, warum Shimar …“ Die Verbindung brach zusammen. „Alles scheint sich gegen mich verschworen zu haben!“, schrie Hestia wütend. „Aber wer weiß, vielleicht bin ich ja doch am Schluss die, die zuletzt lacht!“

Viel zu lachen hatten Shimar, N’Cara und ihr Schiff zu diesem Zeitpunkt nicht gerade. Abgesehen von der Tatsache, dass dieses Gewitter keinen Anfang und kein Ende zu haben schien, so war es für die beiden Telepathen auch extrem störend, jetzt auch noch Sytanias Stimme in ihren Köpfen zu hören, die sie verhöhnte: Na, hättet ihr nicht gedacht, dass ich euch doch noch mal kriege, was? Wo sind denn deine fliegerischen Superkenntnisse, Shimar? Und du, N’Cara, die mich so trickreich hinters Licht geführt hat. Geht dir die Muffe? „Ich habe Angst, Shimar.“, gab N’Cara zu und schmiegte sich an ihn. „Wir müssen sie beschäftigen.“, flüsterte Shimar ihr zu. „Wir müssen Sytania beschäftigen. Versuch sie abzublocken. Ver-such …“

Mit aller möglichen Konzentration stemmte sich Shimars Geist dem von Sytania entgegen. Leider vergaß der Tindaraner dabei, dass er ja auch noch ein Raumschiff zu fliegen hatte, das in dieser Situation auf einen biologischen Piloten mit Bauchgefühl angewiesen war. „Helfen Sie mir doch, Shimar.“, bat das Schiff. „Ich kann diese Situation nicht berechnen. Ohne Sie bin ich aufgeschmissen. Dieses Gewitter passt in keine mathematische Kategorie. Bitte, ich brauche Sie! Ich brauche Sie!“

Von ihm erfolgte keine Reaktion. Nur N’Cara hatte die Situation erkannt. „Lösch seine Tabelle und zeig mir die Steuerkonsole!“, befahl sie. Das tat IDUSA auch. Aber aufgrund mangelnder Kenntnisse fühlte sich das lithianische Mädchen bald mit der Situation überfordert. All die Kontrollen und Instrumente vermochte sie nicht einzuordnen. „Vergiss es!“, sagte sie. „Geh auf Automatik und lande auf dem nächst besten Flecken Erde, den du finden kannst. Dann sind wir auf jeden Fall sicherer.“ „Verstanden.“, sagte IDUSA und führte den Befehl aus.

Ich hatte die Granger durch die Wirbel gebracht und mir somit selbst das Zeichen gegeben, meinem Commander die Verbindung zu schalten. „Wie hat Prinzessin Hestia es aufgenommen, Zirell?“, fragte Kissara. „Nicht wirklich gut, Kissara.“, gab die tindaranische Kommandantin zurück. „Hestia hat gemeint, dass wir sie wohl veralbern wollten.“ „Kann ich mir vorstellen, so eitel und habgierig wie sie ist.“, antwortete meine Vorgesetzte und fügte hinzu: „Allrounder Betsy und ich werden zu Logar gehen. Vielleicht kann er uns sagen, ob es die Welt der Toten gibt. Wenn ja, dann muss irgendjemand von uns dort hin. Das wird wohl die Grenze aller Grenzen sein, die Brakos Sohn erwähnt hat.“ „Aber wer soll gehen?“, fragte Zirell. „Ich weiß es nicht.“, antwortete Kissara. „Aber ich denke, dass uns Logar das vielleicht verraten wird. Er könnte in die Zukunft sehen und …“

Zirell drückte die Break-Taste und ging dazwischen: „Von Logar glaube ich so etwas weniger. Tolea könnte so etwas wohl schon eher für uns tun. Aber ich weiß, dass Logar und sie des öfteren Meinungsverschiedenheiten darüber hatten, was man uns zutrauen kann. Vielleicht hält Logar uns für nicht geeignet, dieses Wissen zu empfangen.“ „Wenn das der Fall sein sollte, Zirell.“, begann Kissara. Dann können wir ja immer noch zu Tolea gehen.“ Sie beendete die Verbindung.

„Haben fixe Umlaufbahn über Logars Palast erreicht, Commander.“, meldete ich. „Sehr gut, Betsy.“, gab sie zurück. „Dann gehen Sie mal brav in Ihr Quartier und ziehen Ihre Galauniform an. Wir wollen ja schließlich für Logar nicht wie zwei dahergelaufene Bauerntrampel wirken.“ Ich nickte. „Kang.“, fuhr sie fort. „Sie übernehmen den Posten des Allrounders. Mikel, Sie haben die Brücke.“

Kang konnte deshalb für mich übernehmen, weil Jannings die Beendigung meines Hilfsmittelprogramms so in mein Profil aufgenommen hatte, dass es sofort ebenfalls beendet wurde, wenn ich mich ausloggte. Allerdings musste das Schiff kurz gestoppt werden, wenn ich wieder übernahm, denn die Sensoren mussten sich dann neu orientieren, um meinem Programm nach dessen Neustart die korrekten Informationen geben zu können.

Das merkwürdige Gewitter hatte sich verzogen. „Ich hab’s geschafft.“, sagte Shimar atemlos. „Das Gewitter ist weg.“ „Tut mir Leid, dass ich Sie enttäuschen muss.“, sagte das Schiff nüchtern. „Aber das waren definitiv nicht Sie. Sytania hat das Gewitter beendet, nachdem sie uns dort hatte, wo sie uns haben wollte.“

Shimar sah erst jetzt, dass sie gelandet waren. „Wer um alles in der Welt hat dir diesen Befehl erteilt, IDUSA?“, fragte er. „Ich war das.“, meldete sich N’Cara kleinlaut zu Wort. „In der Luft waren wir nicht sicher. Jetzt, wo sie geerdet ist, funktioniert IDUSA wie ein Faradayscher Käfig.“ „Du hast ja Recht.“, sagte Shimar sanft. „Aber jetzt, wo sich das Gewitter verzogen hat, könnten wir ja eigentlich wieder starten.“ „Ich glaube nicht, dass Sytania das zulässt.“, sagte N’Cara warnend. „Glauben heißt nicht wissen, N’Cara.“, erwiderte Shimar und gab IDUSA den Befehl zum Start. Kaum waren sie aber nur einige Zentimeter über dem Boden, brach die Erde unter ihnen auf und eine gewaltige Menge Sand wurde ihnen entgegengeschleudert, die IDUSAs Atmosphärentriebwerke völlig einhüllte. „Das lasse ich nicht zu, dass Sytania so was mit dir macht.“, sagte Shimar ruhig und drückte das Schiff wieder herunter. Im gleichen Moment, in dem sie im Begriff waren aufzusetzen, schloss sich auch der Spalt in der Erde wieder und der Sandsturm hörte auf. „Warum hast du sie nicht einfach hochgezogen?“, fragte N’Cara. „Jetzt enttäuschst du mich aber.“, sagte Shimar. „Von einer Schülerin, die in Physik auf eins steht, hätte ich eine solche Frage nicht erwartet.“ Verwirrt sah das Mädchen ihn an. „IDUSAs Antriebsspulen ziehen den Sand an, weil sie elektrisch geladen sind. Wenn der Sand auf die empfindlichen Kristallkerne trifft, kann er so genannte chaotische Leiterbahnen hineinkratzen, die blind enden.“, erklärte er ernst. „Sorry.“, sagte N’Cara betroffen. „Daran habe ich nicht gedacht. Aber wieso passiert das eigentlich?“ „Ich schätze, Sytania will uns aufhalten.“, gab der junge Pilot zurück. „Sie will wahrscheinlich erreichen, dass Hestia mit mir die Geduld verliert und mir kündigt. Dann stünde sie nicht mehr unter meinem Schutz und Sytania hätte freie Bahn, mit ihr einen ähnlichen Budenzauber aufzustellen, wie sie es mit ihrer Schwester getan hat.“ „Aber dann müssen wir erst recht hier weg!“, insistierte N’Cara. „Da stimme ich dir zu.“, sagte Shimar. „Nur, wie sollen wir das machen? Wir sind immer noch auf Sytanias Seite der Dimension. Hier ist ihre Macht am stärksten. Sogar die Elemente gehorchen ihr. Selbst zu zweit können wir sie nicht bekämpfen. Dieser Bann, den sie über dieses Stück Land verhängt hat, auf dem IDUSA jetzt steht, kann von uns nicht zerstört werden. Aber wir sind ja auch clever. Lass uns mal überlegen, ob wir ihn nicht irgendwie austricksen können.“

Auch Ginalla und Kamurus hatten den erfolglosen Startversuch aus der Luft beobachtet. „Hast du das gesehen?“, fragte die Celsianerin. „Selbstredend.“, antwortete das Schiff. „Wenn du es gesehen hast, dann habe ich es wohl auch gesehen. Du hast nämlich nicht aus dem Fenster geschaut. Für mich sieht es aus, Ginalla, als hätte Sytania jedes Mal, wenn IDUSA Energie auf ihren Antrieb gibt, dies verhindern wollen.“ „Das Gefühl habe ich auch.“, antwortete die junge Celsianerin. „Aber ich habe den Sandsturm ausgemessen, um ihn leichter kategorisieren zu können.“, sagte Kamurus. „Er ist nur bis zu einer Höhe von 500 Fuß wirksam. Wenn diese Höhe überschritten wäre, könnte IDUSA ihre Atmosphärentriebwerke wieder zünden.“

Ginalla lachte auf. „Und wie soll sie auf 500 Fuß kommen, ohne Energie auf ihren Antrieb zu geben, he? Hast du darüber schon mal nachgedacht? Einen antriebslosen Steigflug wird sie wohl kaum hinlegen können … Entschuldige, Kamurus! Du hast ja Recht! Los, zeig mir alles, was du in deiner Datenbank über motorloses Fliegen hast und verbinde mich mit Shimar. Ich muss ihm sagen, dass wir fieberhaft an einer Lösung arbeiten!“ Kamurus ließ seinen Avatar nicken und führte ihre Befehle aus.

„Commander Kissara und ihre Untergebene, Allrounder Betsy!“, kündigte Logars Herold Kissara und mich seinem Herrscher an. Der König wandte sich auf seinem Thron um und erwiderte: „Lass sie vortreten!“ Der Herold winkte uns und Kissara führte mich an ihm vorbei in Logars Richtung. „Majestät.“, begann sie, nachdem wir uns vorschriftgemäß verbeugt hatten. „Meine Untergebene und ich haben ein vielleicht nicht gerade alltägliches Anliegen. Ihr wisst sicher von dem Plan, den König Brako, Präsidentin Nugura, Präsidentin Eludeh von Basiria und Tolea gefasst haben.“

Sie machte eine Pause und wartete die Reaktion des Königs ab. Dabei wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie die drei Namen der in den Hauptteil des Plans involvierten Sterblichen mit Absicht zuerst genannt hatte, um eine bestimmte psychologische Wirkung bei Logar zu erzielen.

„Tolea!!!“, rief Logar aus. „Ja, dieses Weib hat etwas sehr Schändliches getan. Nicht nur, dass sie drei armen Sterblichen deren Zukunft verraten hat, nein, sie hat auch noch …“ „Beruhigt Euch.“, sagte Kissara sehr lang gezogen und ganz Sternenflottendiplomatin. „Ich bin sicher, Ihr glaubt, ich könnte jetzt das Gleiche von Euch verlangen. Aber das werde ich nicht! Ich verlange nicht, dass Ihr mir auf den Kopf zusagt, ob es die Welt der Toten wirklich gibt, noch verlange ich, dass ihr mir die Zukunft offenbart. Aber ich weiß, dass Ihr keinen Schaden anrichten wollt. Also, wenn Ihr wegen Toleas Tat in einem Konflikt seid, dann kleidet doch die Information in ein Rätsel, das ich lösen muss. Auf diese Weise dürftet Ihr es ja und würdet noch nicht einmal vor den anderen Mächtigen Euer Gesicht verlieren, denn es bestünde ja immer noch die Möglichkeit, dass ich es nicht lösen kann.“ „Also gut.“, sagte Logar. „Aber du solltest deine Untergebene wegschicken. Sie könnte Angst bekommen vor dem, was gleich folgt.“

„Betsy.“, wendete sich Kissara an mich. „Gehen Sie zu den Pferdekoppeln und warten Sie dort! Das ist ein Befehl, Allrounder!“ „Aye, Ma'am.“, sagte ich und verließ den Thronsaal. Ich wusste nicht, warum sie mich ausgerechnet zu den Pferdekoppeln schickte, aber ich dachte mir, dass sie dafür schon einen triftigen Grund haben würde. Ich vertraute meinem Commander. Ich vertraute ihr so sehr, dass ich diesen Befehl nicht in Frage stellte, obwohl er sicher auf den ersten Blick merkwürdig klang.

Logar erschuf ein Lichtphänomen, das Kissara und ihn vollständig einhüllte. Dann hörte die Thundarianerin seine Stimme in ihrem Geist: Höre mich, Kissara von Thundara! Um zu beenden der fernen Königstöchter Streit, muss die mit flammendem Herzen in deinem Geleit Arkantus finden, der den Schutz ihr gibt, für denjenigen, den sie liebt. Denn um zu besänftigen die, welche sich hassen, wird jener müssen seinen Körper verlassen.

Der Lichtschleier lüftete sich und Kissara drehte sich lächelnd zum Gehen. „Vielen Dank, Majestät.“, schnurrte sie ihm zu, bevor sie in die gleiche Richtung ging, die ich auch vorher eingeschlagen hatte. Logar erwiderte nichts. Er wusste es längst, aber seine Höflinge sollten auf keinen Fall erfahren, dass Kissara das Rätsel insgeheim längst fast gelöst hatte.

Wie es mir Kissara befohlen hatte, war ich zu den Pferdekoppeln unterwegs, als mich plötzlich eine wohlbekannte Stimme ansprach. „Hey, Betsy!“, rief die kleine Kinderstimme mir zu. „Argus!“, gab ich lächelnd zurück.

Er nahm meine Hand und wir gingen den Rest des Weges gemeinsam. „Wenn du hier bist.“, mutmaßte er. „Dann ist doch sicher Commander Time nicht weit. Du wirst ja meistens auf sein Schiff stationiert, wenn irgendwas im Dunklen Imperium faul ist. Also, was hat Sytania wieder angestellt und wo sind Yetron, Time und der Rest?“ „Ich muss dich enttäuschen.“, sagte ich. „Dieses Mal bin ich auf dem Schiff stationiert, auf das ich eigentlich gehöre. Ich bin also mit Commander Kissara zusammen hier. Aber wahrscheinlich werden wir beide trotzdem ein gemeinsames Abenteuer erleben. Kissara hat mich nämlich hierher geschickt. Sie versucht herauszubekommen, ob es die Welt der Toten wirklich gibt. Sie denkt, dass Logar ihr das sagen wird. Vielleicht müssen wir da auch noch was machen.“ „Da ist dein Commander aber ganz schön auf dem Holzweg.“, sagte Argus. „Jetzt muss ich dich leider enttäuschen. Logar wird das keinem Sterblichen sagen.“

Wir waren bei den Koppeln angekommen und Kipana hatte mich sofort erkannt. In Begleitung von Argus’ Pony kam sie zum Zaun getrabt und leckte mir gleich die Hände aus, die ich ihr entgegengestreckt hatte. „Na, Dicke.“, flüsterte ich und kraulte ihre Ohren. Sie senkte den Kopf, schnaubte und schmatzte. Argus zog ein Halfter aus der Tasche. „Du kommst ja erst mal klar.“, sagte er. „Ich soll einige von Logars Pferden umweiden, die auf der anderen Koppel stehen.“ „Mach ruhig.“, sagte ich. „Kipana und ich haben uns lange nicht mehr gesehen und machen erst mal eine Knuddelsession.“

Plötzlich bemerkte ich, wie das gerade von mir erwähnte Pferd sich drehte, um in Argus’ Richtung zu gehen. „Nein, Kipana!“, sagte Argus bestimmt. „Du kommst nicht mit!“ Sein Einwand schien die Stute aber nicht zu stören. Sie streckte Argus ihren Kopf hin, als ob sie sagen wollte: „Bitte leg mir das Halfter an und nimm mich mit.“ Ich hörte, dass ihre Atmung sich beschleunigte und spürte, dass ihre Muskelspannung zunahm, was für mich ein eindeutiges Zeichen für Alarmiertheit war. „Etwas stimmt nicht, Argus!“, sagte ich ernst. „Sie ist alarmiert. Wahrscheinlich will sie deshalb unbedingt mit dir gehen.“ „Oh, Mann!“, sagte der Stallbursche. „Ich vergesse immer wieder, dass du mehr Pferdeverstand als deine Vorgängerinnen hast.“ „Du redest über Sato und Uhura.“, sagte ich, um mich zu vergewissern. „Hm.“, machte Argus, der verzweifelt damit beschäftigt war, vor Kipana mit dem Halfter wegzulaufen. „Wir sollten rauskriegen, was sie hat.“, sagte ich, denn ich ahnte, dass ich eine Entscheidung treffen musste, wenn die Beiden hier nicht auf ewig fangen spielen sollten. „Deshalb solltest du ihr das Halfter ruhig anlegen. Sie kann nicht reden wie wir. Sie kann uns nur mit ihrem Verhalten zeigen, was sie uns zeigen will.“

Argus drehte Kipana seine Vorderseite zu und bot ihr das Halfter an, in das sie sofort den Kopf steckte. Dann führte sie uns von der Koppel zum Anbindepflock. „Ich denke, sie verbindet mit meiner Anwesenheit, dass wir uns bald irgendwo hin begeben.“, mutmaßte ich. „Und wie bringen wir ihr bei, dass es nicht so ist?“, fragte Argus. „Ich befürchte, das dürfen wir nicht.“, sagte ich. „Warum?“, fragte Argus. „Weil es bestimmt nicht die Wahrheit ist.“, sagte ich mit einem mulmigen Gefühl. „Na dann hole ich mal Putz- und Sattelzeug.“, sagte Argus und ging.

Ich strich Kipana übers Fell. „Ist ja gut, Dickmaus.“, beruhigte ich sie. „Was ist denn los?“ Ihre Ohren spielten. Ich ahnte, dass sie Dinge hörte, die mir bisher noch verborgen blieben.

Plötzlich stellte sie das rechte Ohr auf und lauschte angespannt in die Richtung. Jetzt hörte ich auch etwas. Ein Schnurren, das mich im ersten Augenblick an eine Katze erinnerte, aber dafür war es eigentlich zu laut. Das wiederum ließ mich auf einen großen Resonanzkörper schließen, der mindestens die Größe eines menschlichen Brustkorbes haben musste. Das konnte nur die Anwesenheit eines Thundarianers bedeuten, der sich sehr wohl fühlte. Aber die einzige Thundarianerin in meiner Gegenwart war Kissara. „Ich höre Sie, Commander.“, sang ich lächelnd in die Richtung, aus der ich das Schnurren hörte. „Und ich schätze, Sie kommen mit guten Nachrichten zurück!“

Sie näherte sich schnurrend und legte mir ihre tatzenartige rechte Hand auf die Schulter. „Sie können schon genau so gut kombinieren wie Agent Mikel.“, schmeichelte sie mir zu. „Aber Sie haben Recht. Ich habe gute Nachrichten. Logar hat mir mit Hilfe eines Rätsels vermittelt, was wir tun müssen. Sie, meine Liebe, Sie werden sich zu jemandem namens Arkantus begeben, der Ihnen ein schützendes Mittel für Shimar geben wird, der König Brako in der Welt der Toten aufsuchen wird.“ „Schutz vor wem.“, fragte ich. „Ich denke, vor Sytania.“, sagte sie. „Die wird bestimmt nicht gutheißen, was wir vorhaben.“

Argus kam mit einem riesigen Sack aus Leinen zurück, der Putzzeug und Sattel und Trense für Kipana und sein Pony enthielt. „Ich werde auf jeden Fall mit dir kommen, Betsy.“, sagte er. „Du kennst dich ja in den Wäldern hier gar nicht aus. Oh, Hi.“ Er hatte Kissara gesehen. „Hallo, Argus.“, sagte diese. „Du kennst mich nicht, aber ich bin Betsys Commander. Mein Name ist Kissara. Ich bin Thundarianerin.“ Sie gab ihm ihre Hand. „Angenehm.“, sagte Argus. „Ich heiße Argus. Wow, sind Sie weich!“ „Du kannst mich duzen, wie du es mit all deinen Freunden von der Sternenflotte machst.“, sagte sie. „Ich möchte sowieso noch etwas von dir wissen. Wer ist Arkantus?“

Argus wollte antworten, aber ich schüttelte energisch den Kopf und deutete auf meinen Mund. „Sag es mir unterwegs!“, insistierte ich, während ich Kipana den letzten Huf auskratzte. „König Logar hat, um Kissara das zu verraten, sicher etwas gemacht, was unter seinen Höflingen nicht gut ankommen könnte. Also, ich will nicht, dass jemand uns hört und demnächst dein Kopf rollt, weil irgendein missgünstiger Höfling …“ „Schon klar.“, sagte Argus und half mir mit dem Sattel.

„Woher wussten Sie eigentlich, dass es um mich und Shimar geht?“, wendete ich mich an Kissara. „Logar hat mir ein Rätsel gestellt, damit er nicht vor den anderen Mächtigen sein Gesicht verliert.“, erklärte Kissara. „Darin geht es um eine Frau mit flammendem Herzen in meinem Geleit. Sie sind die einzige verliebte Offizierin, die ich im Moment um mich habe und Sie sollen den Schutz für den besorgen, den Sie lieben, damit der die beiden Königstöchter besänftigen kann. Aber dazu muss er seinen Körper verlassen.“ „Das heißt, ich werde vielleicht auch Shimar und Mikel zusammenbringen müssen.“, sagte ich. „Damit Mikel Shimar über das Körperverlassen aufklärt?“, fragte sie. Ich nickte.

Inzwischen hatte Argus sowohl Kipana, als auch sein Pony in rasender Geschwindigkeit gesattelt. „Erstaunlich, wie schnell du so was hinkriegst, junger Mann.“, lobte Kissara. „Ich habe Übung.“, sagte Argus bescheiden.

Wir saßen auf und verließen den Hof. „Danke für deinen Schutz.“, sagte Argus. „Aber was sollte Logar dagegen haben, wenn ich dir verrate, wer Arkantus ist?“ „Logar will nicht, dass wir manche Geheimnisse erfahren.“, sagte ich. „Aber eine andere Mächtige namens Tolea glaubt, dass wir bestimmte Dinge bereits wissen dürfen. Sie hält uns für selbstständig genug dafür. Logar ist aber manchmal eine ziemliche Glucke, was uns Sterbliche angeht. Verdammte Politik! Manchmal möchte ich Logar und Tolea nehmen und in einen großen Topf stecken ,dessen Inhalt ich dann kräftig umrühre. Was dann dabei herauskommt, ist vielleicht für uns gerade richtig.“ „Da mache ich mit.“, sagte Argus. „Aber nur, wenn ich abschmecken darf.“ Ich nickte lächelnd.

Die an Logars Hof üblichen Klänge waren längst nicht mehr zu hören. „So.“, sagte ich. „Wir dürften weit genug weg sein. Also, wer ist jetzt Arkantus?“ „Ein Spinnenwesen, das in den Wäldern lebt.“, antwortete Argus. „Sytania hasst ihn. Deshalb hat er sich unter Logars Schutz begeben.“ „Warum hasst sie ihn?“, wollte ich wissen. „Weil seinem Faden ein Gift anhaftet, das gegen ihre geistige Energie wirkt, wenn es mit einem Körper in Berührung kommt. Es macht was mit den Zellen, damit ihre Energie nicht haften kann. Komm! Ich kenne den Weg!“ Er galoppierte sein Pony an und Kipana und ich folgten. Mir war klar, dass ich noch einiges brauchen würde, wenn ich aus Spinnfäden einen Schutz für Shimar stricken sollte. Aber da ich diese alte Kunst ja noch beherrschte, war dies kein Problem. Ich würde, wenn wir angekommen wären, Jannings über die Liste der Dinge informieren und er würde sie mir von der Granger herunterbeamen. Außerdem wusste ich aus dem Biologieunterricht, dass man eine Spinne mit Fieberglasstäben zur Abgabe ihres Fadens stimulieren konnte. Aus gesundheitlichen Gründen würde ich der Liste auch noch eine Packung medizinische Handschuhe hinzufügen, da ich sicher Bakterien auf der Haut hatte, die Arkantus’ Körper nicht kannte. Ich durfte schließlich nicht riskieren, dass er eventuell an einer extradimensionären Infektion starb.

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