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Auf der Space-Titanic war alles dunkel. Zumindest empfand Kang es so. Mir war es egal. Ich schaltete meinen Erfasser auf aktives Scannen und befahl ihm, mir das Annähern an die Biozeichenquelle per schneller werdendem Piepton anzuzeigen. „Hier entlang, Warrior!“, sagte ich mit fester Stimme. „Mich von Ihnen führen zu lassen, finde ich ungewöhnlich.“, gab der einen Schritt hinter mir gehende Klingone zu. „Tja, Mr. Kang.“, erwiderte ich. „Wenn es dunkel ist, bin ich eindeutig im Vorteil.“ „Wir können froh sein, dass auf diesem Deck die Lebenserhaltung noch funktioniert.“, gab er zurück.

Jannings hatte der Brücke gemeldet, dass er den Traktorstrahl nicht mehr lange aufrecht halten könnte. „Wir müssen so schnell wie möglich abkoppeln!“, sagte er hektisch. Antrieb und Traktorstrahl sind am Limit. Ich versuche was ich kann und Cenda drüben auf der Electronica auch. Aber lange halten die Systeme das nicht mehr aus.“ „Negativ, Maschinenraum.“, gab Kissara zurück. „Wir gehen nicht ohne das Außenteam und den Überlebenden. Lassen Sie sich was einfallen, Jannings. Sprechen Sie sich mit Ihrer celsianischen Kollegin ab.“

Knallend und zischend brannte eine Leitung in der Nähe durch. „Elektra, ich muss mal wieder einen ODN-Bypass legen. Geben Sie mir einen Satz T-20er. Ich mache ja heute den ganzen Tag sowieso nichts Anderes.“, knurrte Jannings verärgert.

Kang und ich waren vor der Kabine angekommen, in der mein Erfasser das Lebenszeichen festgestellt hatte. Von der Tür war nichts mehr übrig, was uns den Einstieg sehr erleichterte. Über das wie ein Tropfstein von der Decke hängende seltsame Ding wunderte Kang sich sehr. „Sieht es aus wie das Gespinst einer Raupe, nur in Größe eines Menschen?“, fragte ich. „Ja, Mafam.“, bestätigte Kang.

Er führte mich näher heran und ich scannte das Objekt. „Hier haben wir den Grund, warum er den Alarm nicht gehört haben kann. Während der Verpuppung sind die Bewohner des Planeten Alaris bewusstlos. Aber hier kann er nicht bleiben.“ „Da stimme ich Ihnen zu.“, meinte Kang und versuchte, die Puppe von der Deckenplatte zu ziehen. Im gleichen Moment schoss mir eine Passage aus meiner Schulzeit durch den Kopf, die mir meine Biologielehrerin damals vorgelesen hatte. Wenn man die Puppe einer Raupe einfach von ihrem Untergrund abriss, zerstörte man wichtige Haltefäden und der später entstandene Schmetterling würde eine Behinderung davontragen. „Halt, Kang!“, schrie ich. „Sind Sie wahnsinnig? Jannings muss die Puppe mit der Deckenplatte beamen. Ich erkläre später alles.“ Er ließ ab und ich befestigte einen mitgebrachten Transportverstärker, bevor ich Mr. Jannings das OK zum Beamen gab. Kang wusste, ich würde ihm alles erklären, wie ich gesagt hatte. Darauf konnte er sich verlassen.

Auf der Niagara, die auf dem Weg zur nächsten Sternenbasis war, hatte man das Problem durchaus auch mitbekommen, mit dem wir und die Electronica es zu tun hatten. „Wir sollten umkehren und ihnen helfen, Commander.“, schlug Serena, Cinias Strategin, eine ebenfalls übergelaufene Genesianerin mit schwarzen Locken und von drahtigem Wuchs, vor. „Wir werden ihnen helfen!“, erwiderte Commander Cinia zuversichtlich. „Aber lassen Sie uns erst mal die Passagiere in Sicherheit bringen. Falls wir in ein Feuergefecht mit einem automatischen Flugkörper verwickelt werden, möchte ich keine Zivilisten hier an Bord.“ „Warum hat der zweite Flugkörper sich überhaupt an das Schiff gehängt?“, wollte Agent Indira, Cinias erste Offizierin, wissen. „Ich weiß es nicht.“, gab die Platonierin mittleren Alters zu. „Aber Techniker Chechow glaubt, dass der Flugkörper aufgrund des zerstörten Transponders nicht mehr Freund von Feind unterscheiden konnte. Ich halte das Vorgehen des Flugkörpers für eine bedauerliche Panne in der Planung und nicht für Absicht seiner Erbauer.“

Sie dockten an der nächsten Sternenbasis, um die Passagiere aussteigen zu lassen und dann so schnell wie möglich zurück zu fliegen.

Jannings hatte die Deckenplatte mit der Puppe direkt auf die Krankenstation gebeamt, wie ich es ihm aufgetragen hatte. Hier sah sich Loridana, die inzwischen auch zurückgekehrt war, alles genau an. „Leider sind einige wichtige Fäden bereits zerstört worden, Learosh.“, sagte sie traurig zu ihrem Assistenten. „Die Puppe ribbelt bereits auf und ich kann nicht für den armen Alaraner da drin garantieren.“ „Was können wir denn da nur tun, Mafam.“, fragte Learosh und zeigte ebenfalls auf das immer undurchsichtiger werdende Gewühl von Spinnfäden auf dem Behandlungstisch. „Ohne Weiteres können wir gar nichts tun.“, sagte Loridana. „Theoretisch bräuchten wir eine künstliche Puppe, aber so etwas hat noch nie jemand versucht.“

Ich betrat die Krankenstation. Ein erneutes unbestimmtes Gefühl hatte mich bewogen, noch einmal nach unserem Überlebenden zu sehen. Im gleichen Moment hatte ich Loridanas letzten Satz mitbekommen. „Sie irren, Scientist.“, sagte ich. „Die Eclypse ist den Alaranern schon mal begegnet und sie haben damals für alle künstliche Puppen gebaut, weil …“ Loridanas Augen begannen zu leuchten. „Könnten Sie die Daten besorgen, Allrounder?“, fragte sie. „Ich denke schon.“, antwortete ich. „Sie sollten Commander Kissara informieren. Ich informiere die, von der ich die Daten kriegen kann.“ Damit war ich aus der Tür.

Ein Phaserschuss zerriss die Nachtschwärze des Universums und der Druck auf die beiden Traktorstrahlen ließ nach. Von dem Flugkörper, bei dem es sich, wie sich inzwischen herausstellte, um eine selbstständig suchende Gravitonmine handelte, war nichts mehr übrig als Schrott. Aus dem Sensorenschatten der Granger trat langsam die Niagara. „Computer, SITCH-Verbindung mit Commander Cinia!“, befahl Kissara.

Das lächelnde Gesicht ihrer platonischen Kollegin erschien wenig später auf dem Schirm. „Danke, Cinia.“, sagte Kissara erleichtert. „Kein Problem.“, gab die Angesprochene zurück. „Du weißt doch, dass Warrior Serena sogar einer Fliege ein Auge ausschießen könnte, die auf einem Apfel sitzt, ohne diesen auch nur im Geringsten zu beschädigen. Den letzten Schießwettbewerb der Strategen der Sternenflotte hat sie ja auch haushoch gewonnen.“ „Das stimmt.“, gab Kissara lächelnd zurück und Kang pflichtete bei: „Das ist richtig. Sie hat sogar mich geschlagen.“

Ich war mit Kissaras Erlaubnis, die ich mir noch kurz eingeholt hatte, in mein Quartier gegangen, um dort Data und Cupernica zu verständigen. Cupernica würde die Daten, die man dem Replikator für die künstliche Puppe eingeben müsste, sicherlich noch haben.

Zunächst traf ich Data an, dem ich zuerst alles erklärte. „Einen kurzen Augenblick bitte, Allrounder.“, sagte der Androide freundlich. „Ich hole meine Frau.“ Etwas sagte mir, dass er mir irgendwas verschwieg. Sonst hatte er mich immer in lange Gespräche verwickelt, wenn wir uns unterhalten hatten. Jetzt war er kurz angebunden und ich bekam mehr und mehr das Gefühl, als würde er mir etwas verschweigen müssen und deshalb ein Gespräch mit mir scheuen wie der Teufel das Weihwasser.

„Hier ist Cupernica.“, hörte ich bald darauf eine nüchterne weibliche Stimme im Sprechgerät. „Was gibt es denn, Betsy?“ „Haben Sie die Daten über die künstlichen Puppen noch, Scientist?“, fragte ich. „Aber natürlich.“, antwortete Cupernica. „Sie wissen doch, in einem gut organisierten Androidenkopf kommt nichts weg.“ Ich musste lächeln. „Wir brauchen diese Daten dringend!“, insistierte ich. „Wir haben einen Bewohner von Alaris. Seine Verpuppung hatte begonnen und die Puppe wurde beim Rettungsversuch zerstört. Wir müssen so schnell wie möglich …“

Ein Signal sagte mir, dass sie die Break-Taste gedrückt haben musste. „Aber sicher bekommen Sie die Daten.“, unterbrach sie mich. „Geben Sie mir am Besten gleich das Rufzeichen ihrer Krankenstation. Passen Sie auf. Gleich kriegen die eine SITCH-Mail.“ Effizient wie immer., dachte ich und beendete das Gespräch mit den Worten: „Danke, Cupernica. Ich wusste, auf Sie ist Verlass.“ Dann gab ich ihr das verlangte Rufzeichen.

Sedrin wartete in meinem Hausflur auf Scotty, der eilig seine Sachen packte. Dann kam er mit dem Koffer wieder zu ihr. „Wusste Ihre Frau, dass Sie hier sind?“, fragte Sedrin. „Ach was.“, antwortete Scotty. „Das hatten Data und ich ganz allein abgemacht. Ich wollte Betsy überraschen, wenn sie von der Mission zurück sein würde.“ „Na um so besser.“, meinte Sedrin, der ein Kilo schwerer Stein vom Herzen gefallen war.

Sie ging an Scotty vorbei. „Lassen Sie uns fahren.“, schlug sie vor. „Je eher wir da sind, desto besser können wir Sie schützen.“ „OK.“, meinte Scotty und folgte ihr zum Jeep.

Zirell war mit Joran und IDUSA inzwischen auf dem Weg nach Tindara. „Was könnte die Zusammenkunft denn noch von dir wissen wollen, Anführerin?“, wollte der Vendar-Krieger wissen. „Ich habe keine Ahnung.“, gab die Tindaranerin zu. „Ich glaube kaum, dass ich ihnen noch irgendwas Neues über die Arbeitsweise der Föderationsregierung sagen kann, was sie nicht schon wissen.“ „Worum geht es da überhaupt?“, fragte Joran, als würde er noch überhaupt nicht informiert sein. „Die Zusammenkunft fragt sich, warum sich die Föderationsregierung so anstellt.“, erklärte Zirell. „Sie wüssten gern, warum Nugura jede Hilfe ablehnt. Dabei wäre ein anderer Blickwinkel auf die Streitigkeiten der mirayanischen Prinzessinnen vielleicht ganz hilfreich.“

Joran grinste. Dabei machte er auch gleichzeitig ein Gesicht, als wollte er sagen: „Ich weiß etwas, das du nicht weißt.“ „Agent Maron hat das Testament des mirayanischen Königs erwähnt und einen Schlüssel.“, sagte Joran. Zirell wurde neugierig: „Erzähl mir mehr!“

Neben Alana hatte ein hoch gewachsener muskulöser schon leicht grauhaariger Mann das Vorzimmer zum Gemach der Prinzessin betreten. Der Mann trug einen schwarzen Anzug, eine ebensolche Sonnenbrille und schwarze Schuhe. „Bitte warte hier.“, bat Alana und betätigte eine Sprechanlage. „Was gibt es, Alana?“, kam es aus dem Lautsprecher zurück. „Euer Geheimdienstchef ist hier und bittet um Audienz.“, antwortete die Kammerjungfer unterwürfig. „Ich lasse bitten.“, erwiderte Hestia.

Vorsichtig legte Alana den Finger in die Sensorenmulde der Tür, die darauf leise zur Seite glitt. Dann winkte sie dem Mann, an ihr vorbei zu gehen. „Lass uns allein, Alana!“, befahl Hestia. Die Kammerjungfer nickte und ging.

Hestia winkte den Mann näher zu sich und sagte dann: „Setz dich, Merkurion. Ich habe etwas mit dir zu besprechen.“ Der Mann setzte sich auf einen Sessel neben die Prinzessin. Dann fragte er: „Worum geht es, Hoheit?“ „Es geht um meine Schwester.“, sagte Hestia mit hasserfüllten Augen. „Ich befehle dir, deine besten Agenten auf sie anzusetzen. Ich muss einfach wissen, wie weit ihre Suche nach dem Tor zum Himmel schon gediehen ist.“ „Aber die hat meines Wissens doch noch gar nicht begonnen.“, erwiderte Merkurion. „Tatsächlich nicht!“, atmete Hestia auf. „Nein.“, versicherte der Chefagent. „Ihr wisst doch, dass Euer Vater Euch und Eure Schwester mittels des Ty-Nu-Lin-Ritus gebunden hat. Solange Ihr niemanden habt, der für Euch die Suche aufnimmt, darf auch die Beauftragte Eurer Schwester nicht mit der Suche beginnen. Außerdem muss sie sich einen würdigen Gegner suchen, der auch Euch genehm ist. Das ist meines Wissens noch nicht geschehen.“ „Das kann ich nur bestätigen.“, meinte Hestia. „Aber ich verstehe einfach nicht, was da so lange dauert. Du solltest einmal nachsehen lassen.“ „Ich bitte zu bedenken, dass ich dann meine eigene Auftraggeberin ausspionieren lassen würde.“, antwortete Merkurion.

Hestia stand auf und ballte ihre rechte Hand zu einer Faust. „Wovon redest du da?“, empörte sie sich. „Davon, dass ich ja dann nachsehen lassen würde, was diese Ginalla für Euch an Beauftragten so sucht. Wenn Ihr mich auf sie ansetzt, dann …“ „Ist schon gut.“, erwiderte Hestia. „Es macht mir nichts. Ich will, nein, ich muss wissen, wie weit die Suche nach einem Auftragnehmer für mich schon ist. Hoffentlich bringt sie mir einen an, der es verdient, für die Königin von Hestien, nein, des gesamten mirayanischen Systems zu arbeiten.“ „Daran habe ich keine Zweifel.“, beruhigte sie der Geheimdienstchef. „Ginalla soll selbst eine Person sein, die Herausforderungen gegenüber nicht abgeneigt ist. Sie wird für sich also einen Gegner suchen, der Eurer würdig ist, weil er ihrer würdig ist. Ihr wollt doch mit Sicherheit Eurer Schwester einen guten Wettkampf liefern und nicht Angst haben müssen, dass Euer Mann beim kleinsten Problem …“ „Du hast es erfasst, Merkurion!“, strahlte Hestia, die sich durch seine Worte tatsächlich sehr beruhigt hatte.

Merkurion wandte sich zum Gehen. „Mit Eurer Erlaubnis, Hoheit, würde ich jetzt gern gehen, um die Sache mit meinen besten Leuten zu besprechen. Ihr könnt Euch auf mich verlassen. Wenn ich heraus habe, warum es mit Eurem Teilnehmer so lange dauert, werde ich auf jeden Fall ein Auge auf das Tun Eurer Schwester werfen und Euch dann berichten.“ „Du darfst dich entfernen.“, entgegnete Hestia.

Nicht nur in Hestias Schloss war eine Geheimoperation im Gange. Alesia hatte King in seiner jetzigen Unterkunft besucht und ihn mit in den normalen Gebäudetrakt genommen. Hier gingen sie jetzt einen langen Gang zu einer Simulationskammer entlang. „Das Programm, mit dem wir jetzt gleich arbeiten werden.“, begann die Platonierin. „Wird Sie auf Ihre Rolle als Frachterpilot Andrew King vorbereiten.“ „Das dachte ich mir schon.“, lächelte King.

Alesia blieb stehen und fasste seinen Ärmel. „Stellen Sie sich das bitte nicht so einfach vor.“, ermahnte sie ihn. „Es werden gleich vielleicht Dinge geschehen, die Sie sehr irritieren könnten.“ „Wenn Sie auf meine tatsächliche Herkunft anspielen, Agent Alesia, dann kann ich Sie beruhigen.“, erwiderte King. „So ein verwöhnter Junge wie Sie glauben, bin ich nicht mehr und bin ich auch nie gewesen. Als ich Miray verließ um auf Terra zu leben, wusste ich, worauf ich mich einließ. Ich habe doch das Leben als einfacher Bürger von Terra bisher gut gemeistert, nicht wahr?“

„Oh, ja.“, gab Alesia zu, nachdem sie etwas länger überlegt hatte. „Jedenfalls gab es keine Vorkommnisse, die Ihre wahre Herkunft verraten hätten. Wir sind mit Ihnen sehr zufrieden.“ „Danke für das Schulterklopfen.“, sagte King. „Und jetzt lassen Sie uns rein gehen.“

Mittels Stimme aktivierte Alesia das Programm, nachdem King und sie die Kammer betreten, sich auf die Sitze gesetzt und die Köpfe in die Mulden gelegt hatten. „Von Ihnen hat der Rechner noch keine Tabelle.“, erklärte Alesia. „Kann ich mir denken.“, lächelte King, der gerade vom Computer untersucht wurde. Dann sah aber auch er die Dinge, die seiner Ausbilderin bereits simuliert wurden.

Sie fanden sich in einer typischen Kneipe wieder, wie sie oft von Frachterpiloten besucht wurde. Diese Kneipe hatte mit den luxuriösen Palästen und den hochherrschaftlichen Essräumen, die King Alesias Meinung nach gewohnt sein musste, nichts gemein. Die Luft war schwer von Rauch und allerlei exotischen Düften außerirdischer Vergnügungen. Die Möbel waren einfach und leicht. Der Computer spielte zum gefühlt achtzigsten Mal das gleiche Lied ab und die Unterhaltung, in die manche vertieft waren, war durch alkoholschwangere Zungen bedingt nicht leicht zu verfolgen.

King erspähte Alesia, die sich bereits an einen Tisch gesetzt hatte. „Da sind Sie ja, Sie Nachzügler.“, sagte sie und hielt ihm eine Schüssel mit seltsam aussehenden Gebäckstücken hin. „Celsianisch.“, meinte sie zur Erklärung. „Vorsicht, ziemlich heiß und ziemlich fettig. Die hier sind mit Käsefüllung. Warten Sie mal. Ein echter Mann zieht die mit Fleisch doch sicher vor.“

Sie replizierte eine zweite Schüssel und stellte sie ihm hin. Er sah die Schüssel zögernd an, genau wie das riesige Glas mit romulanischem Bier, das sie ihm gleich danach servierte. „Messer und Gabel gibt es leider nicht.“, lächelte sie.

Jemand kam zu ihnen an den Tisch. Die dicke Gestalt mit den schmierigen Händen musterte zunächst Alesia und dann King. Dann setzte er sich direkt neben die junge Platonierin, die King signalisierte, dass es ihr in Gesellschaft dieses Mannes nicht gut ging. „Hey.“, begann der Fremde in Kings Richtung. „Was bist du denn für einer. Da hat wohl jemand gewaltig Angst, sich die Hände schmutzig zu machen.“ Dann zu Alesia: „Hör mal zu, Süße, wenn du von deinem Mr. Vornehm die Nase voll hast, dann komm doch zu mir.“

King stand auf und musterte den zwar sehr dicken aber doch im Ganzen eher schwächlich wirkenden Mann. „Du nennst mich Mr. Vornehm?“, sagte er. „Du Würstchen!“ Dann drehte er sich um und balancierte sein Glas und seine Schüssel tänzelnd zu einem freien Tisch hinüber. Dabei musste er einen schmalen Gang durchqueren. „Bin neugierig, ob du das auch kannst!“, rief er seinem Kontrahenten zu.

Alesia beendete das Programm. Dann lächelte sie King zu. „Die Umgangsformen, die auf Raststätten für Frachtpiloten herrschen können, haben Sie ja drauf.“, lobte sie. „Allerdings.“, sagte King. „Darum müssen Sie sich keine Sorgen machen. Übrigens, er wäre beim Versuch, durch die schmalen Tischreihen zu kommen, ziemlich heftig gestolpert und hätte sich zum Gespött gemacht.“ „Stimmt.“, bestätigte Alesia.

Sie verließen die Simulationskammer. „Ich bringe Sie zunächst wieder in Ihre Wohnung und erstatte Agent Sedrin Bericht, wenn sie eintrifft.“, informierte Alesia ihren Schüler. „Wir werden morgen ans Eingemachte gehen.“ „Was genau meinen Sie damit?“, fragte King. „Das werden Sie schon sehen.“, lächelte Alesia und verließ ihn an der Verbindungstür zwischen Ausbildungs- und Wohngebäude.

An Bord von IDUSA hatte Zirell Joran so interessiert zugehört, dass weder sie noch der Vendar gemerkt hatten, dass das Schiff selbstständig in die Umlaufbahn um Tindara eingeschwenkt war. „Ich mache Sie darauf aufmerksam, Commander.“, wendete sich das Schiff an Zirell. „Dass wir bereits in der tindaranischen Umlaufbahn sind. Ich benötige nur noch das OK für den Transport. Oder haben Sie nach Jorans Informationen nicht mehr vor, mit der Zusammenkunft zu reden?“ „Doch.“, erwiderte Zirell und stand auf: „Aktivieren!“

Befehlsgemäß hatte IDUSA sie nahe des Parlamentsgebäudes auf die Oberfläche ihres Heimatplaneten gebeamt. Ihre eigene Welt kam Zirell etwas fremd vor. Lange war sie nicht mehr hier gewesen. Ihr letzter Heimaturlaub war lange her gewesen. Sie war sehr pflichtbewusst und hatte sich daher nur wenig Freizeit gegönnt. Gegenüber Ishan, der ihr einen Urlaub sogar aus medizinischer Sicht oft empfohlen hatte, sagte sie nur: „Es ist immer so gewesen und wird auch so bleiben. Der Kommandant verlässt das Schiff, beziehungsweise die Station als Letzter, wenn es zu einer Krise kommt. Solange du mich nicht wirklich krank schreibst, werde ich hier bleiben und meinen Dienst tun. Aber für eine Krankschreibung brauchst du einen triftigen Grund. Ich glaube nicht, dass du den bei mir im Moment siehst.“ Der Androide hatte aufgrund der Daten dann tatsächlich eingelenkt.

Als würde sie den ganzen Tag nichts Anderes machen, durchschritt Zirell die Sicherheitsschleuse. Die üblichen Vorkehrungen waren ihr nicht fremd. Im Gebäude betrat sie dann einen Turbolift, der sie in den zehnten Stock brachte. Hier war das Büro, in dem die Vorsitzende der Zusammenkunft sie bereits erwartete.

Die Begrüßung der Frauen fiel sehr kurz und wenig herzlich aus. Zirell und Darell wussten genau, was von dieser Besprechung abhing. Das Staatsoberhaupt führte ihren Gast in einen großen Konferenzraum, der mit rotem Teppich ausgelegt war. Die Wände zierten wollene blaue Behänge mit Motiven aus der tindaranischen Geschichte und Mythologie. In der Mitte stand ein runder Tisch mit sechs der üblichen tindaranischen Sitzkissen drum herum. „Erwartest du noch mehr Gäste?“, fragte Zirell wenig förmlich. Darell und sie waren gemeinsam zur Schule gegangen. „Nein.“, erwiderte sie. „Wir werden allein sein.“ Dann deutete sie auf eines der Kissen: „Setz dich.“

Zirell tat, was sie ihr gesagt hatte und beobachtete, wie sie sich genau ihr gegenüber hinsetzte. Dann sahen sie sich eine Weile schweigend an. „Was möchtest du denn jetzt von mir?“, fragte Zirell, um das Gespräch zu beschleunigen. „Ich möchte etwas Genaueres über die Arbeitsweise der Regierung der Föderation der vereinten Planeten erfahren.“, erklärte Darell. „Dein erster Offizier ist Demetaner. Er hat lange für die Föderation gearbeitet.“ „Dann hättest du besser mit ihm gesprochen.“, erwiderte Zirell. „Ich kann dir da wenig helfen. Ich begreife die Arbeitsweise der Föderationsregierung oft auch nicht. Ich meine, es ist offensichtlich, dass Nugura Hilfe benötigt, aber sie will sie nicht. Dabei gibt es interessante Ansätze von allen Alliierten der Föderation. Ich wünschte nur, sie würde uns zuhören. Du hast doch unser Lösungsmodell auch an sie geschickt, nicht wahr?“ „Natürlich!“, entgegnete Darell und Zirell glaubte, etwas Empörung in ihrer Stimme zu hören. „Aber sie hat es dankend abgelehnt. Genau so ist es auch Dill von Zeitland, Logar und den Aldanern gegangen. Keiner weiß, warum es so ist.“

Zirell nahm ihr Sprechgerät aus der Tasche und gab IDUSAs Rufzeichen ein. „Ich kann dir nicht helfen.“, resignierte die Basiskommandantin. „Wie gesagt, mein erster Offizier könnte dir da vielleicht …“ „Ich glaube nicht, dass ich die falsche Person hier habe.“, entgegnete Darell. „Agent Maron wäre mir da nämlich zu diplomatisch. Du bist als sehr direkt bekannt und würdest mir genau sagen, wenn etwas nicht stimmt, ohne große Schnörkel zu verwenden.“ „Na gut.“, sagte Zirell. „Dann werde ich dir jetzt mal sagen, was ich vermute. Ich glaube, Nugura ist einfach viel zu stolz und verwöhnt, um Hilfe anzunehmen. Die Diplomaten der Föderation gelten in allen bekannten Dimensionen als die Asse schlechthin. Und jetzt benötigt deren Oberste auch noch Hilfe. Wie sieht denn das wohl aus?“ „Du schätzt Nugura also tatsächlich so ein, dass sie eher einen Bürgerkrieg auf einem Planeten riskiert, als sich die Blöße zu geben, Hilfe anzunehmen?“, fasste Darell die Aussage ihrer Freundin zusammen. „Genau so ist es.“, bestätigte Zirell. „Aber wir verfolgen noch eine weitere Spur. Mein erster Offizier hat über private Kanäle eine Aufzeichnung zugespielt bekommen, die wahrscheinlich Licht ins Dunkel bringen kann. Es geht wohl um das Testament des Miray-Königs.“

Darell wurde hellhörig. „Weißt du schon etwas Genaues?“, wollte sie wissen. „Bedaure.“, winkte Zirell ab. „Aber ich werde dich sofort informieren, wenn ich etwas erfahren sollte.“ „Na das ist ja zumindest ein kleiner Lichtblick.“, meinte Darell. „Mehr habe ich aber wirklich nicht.“, entgegnete Zirell. „Macht nichts.“, sagte Darell und fügte hinzu: „Ich bringe dich noch zur Tür.“ „Nicht nötig.“, erwiderte Zirell und deutete auf ihr Sprechgerät, das die bereits seit mehreren Minuten bestehende Verbindung mit IDUSA anzeigte. „IDUSA, eine Person zum beamen!“, befahl Zirell in Richtung Mikrofon. „Aktivieren!“

Auf der Basis hatte sich Maron die Aufzeichnung jetzt schon zum dritten Mal angesehen. Er hatte sie sich sogar in der Simulationskammer zeigen lassen und dem Ganzen aus einem Versteck hinter einer Säule zugeschaut. Aber der versteckte Hinweis, nach dem der Agent suchte, wollte sich einfach nicht zeigen. Nur mit dem Wort Ty-Nu-Lin-Ritus konnte er nicht wirklich etwas anfangen.

Wieder war die Aufzeichnung an der Stelle angekommen. „IDUSA, Aufzeichnung halt!“, befahl Maron. Der Rechner stoppte befehlsgemäß. „Was ist dieser Ty-Nu-Lin-Ritus?“, fragte Maron. „Darüber habe ich keine Daten.“, antwortete die künstliche Intelligenz. „Aber ich kann mich gern mit der Sternenflottendatenbank verbinden und dort mal nachfragen.“ „Tu das!“, befahl Maron.

Eine Weile verging, in der IDUSA Marons Reaktionstabelle aus dem Speicher genommen hatte. Der Rechner wusste, dass Maron ihr nicht wirklich gern beim Suchen zusah.

Das ist sicher die einzige Spur, die mich weiter bringen kann., dachte der Spionageoffizier. Sonst habe ich ja nichts. Mich wundert nur, dass Nugura noch nicht darauf gekommen ist.

Der Avatar erschien wieder vor Marons geistigem Auge und räusperte sich. Gleichzeitig hatte sie einen Zeigestock und ein Pad dabei. „Ich gehe davon aus, dass du etwas gefunden hast.“, sagte Maron. „Ja, Agent, das habe ich.“, sagte IDUSA.

Sie ließ es für Maron so aussehen, als würde sie das Pad an die Konsole anschließen und den Inhalt überspielen. Dann erschien der Inhalt auf dem virtuellen Bildschirm vor Marons geistigem Auge. „Mutter Schicksal.“, stöhnte Maron. „Das sind ja Seiten!“ Dann sagte er eher zu sich selbst: „Na dann mal ran!“ Er wusste, dass es schon oft Situationen gegeben hatte, in denen er zunächst vor großen Schwierigkeiten bei seinen Ermittlungen gestanden hatte. Dann hatte es sich aber gelohnt, sich durch diese hindurch zu graben, auch, wenn dies, wie in diesem Fall, nicht sehr leicht werden würde.

„IDUSA, wie viele Seiten hat die Datei?“, fragte der Demetaner. „2138.“, gab der Rechner nüchtern zurück. „Also schön.“, antwortete Maron und biss die Zähne zusammen.

IDUSA ließ ihren Avatar vor den Bildschirm treten und mit dem Zeigestock auf eben diesen deuten. „Geh mir aus dem Blickfeld!“, befahl Maron genervt. „Das werde ich nicht.“, gab sie zurück und blätterte einfach weiter. Maron schaute bedient. „Ich weiß.“, meinte IDUSA. „So etwas hätte sich ein Föderationscomputer nie erlaubt. Aber ich kenne Sie mittlerweile und weiß, dass Sie viel Wert auf die nackten Fakten legen. Die ersten 1000 Seiten enthalten nur den geschichtlichen Hintergrund zum Ty-Nu-Lin-Ritus. Aber den brauchen wir jetzt ja nicht. Viel mehr müssen wir in Erfahrung bringen, wie es funktioniert und warum König Brako darauf solchen Wert legt. Also, Agent. Ab hier wird’s interessant.“ Sie deutete mit dem Zeigestock auf einen Absatz in der Mitte der sich auf dem Schirm befindenden Seite. „Danke für deine Hilfe.“, lächelte Maron ihr zu. „Tja.“, gab sie zurück. „IDUSAs wissen, was Agenten wünschen.“

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