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Ich saß in meinem Quartier und redete mit Shimar. Er hatte mir von der ganzen Sache mit Ginalla, dem Ty-Nu-Lin-Ritus und dem allen erzählt. Jetzt fragte er mich doch allen Ernstes, wie er mit der Situation bezüglich Commander Zirell umgehen sollte. „Ich kann dir da leider wenig helfen, Srinadar.“, sagte ich mitleidig, denn ich hatte genau im Gefühl, dass es ihm mit der Sache nicht wirklich gut ging. „Ich könnte mir nur vorstellen, dass Zirell und Maron vielleicht nein sagen werden.“ „Wie kommst du darauf, Kleines?“, fragte er. „Ganz einfach.“, entgegnete ich. „Sie könnten dir vorwerfen, dass du dich auf eine Seite stellst, was ja im Prinzip auch stimmt. Nach den Grundsätzen der Föderation und auch nach den tindaranischen wäre das ja so etwas wie Einmischung in eine fremde Kultur.“ „Aber ich hätte eine gleichwertige Gegnerin.“, erklärte Shimar. „Ich habe ihr Schiff gesehen und nicht nur das. Ich glaube, dass sie durch die Tatsache, dass sie viel rum gekommen ist, auch einige Kontakte hat und …“

Er machte eine Pause, in der er sogar den Sendeknopf losließ. „Augenblick mal, Kleines.“, sagte er dann. „Du hast mich getestet. Du wolltest, dass ich die gleichen Argumente benutze, die ich gegenüber Zirell benutzen würde. Du wolltest mir helfen, das OK zu kriegen.“ „Genau.“, lächelte ich. „Das ist dir auch gelungen.“, gab Shimar zu. „Na ja.“, meinte ich. „Besser ich trainiere dich etwas, damit du ihr nichts vorstammeln musst.“ „Na dann danke, Coach .“, lachte Shimar und fügte hinzu: „Vielleicht sollte ich Zirell einfach eine SITCH-Mail schicken. Darin kann ich zumindest alles besser ordnen.“

Im Hintergrund hörte ich das Signal der Türsprechanlage. „Ich muss Schluss machen, Srinadar.“, sagte ich. „Da will jemand was von mir. Außerdem fängt mein Dienst in ein paar Minuten wieder an.“ „Ich hoffe, du meinst das mit dem Schlussmachen nicht wörtlich.“, erwiderte Shimar und tat übertrieben traurig. „Nein nein.“, tröstete ich. „Ich habe nur von unserem Gespräch geredet.“ „Ach so.“, erwiderte er beruhigt. „Na dann.“ Damit betätigte er die 88-Taste.

Ich drehte mich zur Türsprechanlage: „Wer ist dort?“, fragte ich. „Learosh.“, kam eine bekannte Stimme zurück. „Kommen Sie rein, Medical Assistant.“, sagte ich und entriegelte die Tür.

Vorsichtigen Schrittes betrat der Taskonianer mein Quartier. „Wo sind Sie, Mafam?“, fragte er, denn ich hatte vergessen, dem Computer das Einschalten des Lichtes zu befehlen. „Ich bin im Wohnzimmer!“, antwortete ich. „Warten Sie bitte, Learosh. Bleiben Sie, wo Sie sind.“ Dann drehte ich mich zum Computermikrofon: „Computer, Licht im Flur und im Wohnzimmer einschalten!“ „Befehl wird ausgeführt.“, kam es nüchtern zurück.

Learosh kam auf mich zu. „Tut mir leid, Medical Assistant.“, entschuldigte ich mich. „Ich habe nur so selten sehenden Besuch.“ „Schon gut.“, meinte er und ließ sich von mir auf die Couch bitten.

„Wenn Sie einen Visor trügen, bräuchten auch Sie Licht.“, stellte er fest. „Kann sein.“, meinte ich. Allerdings betonte ich so, dass er merken musste, dass mir dieses Thema gewaltig auf die Nerven ging. „Entschuldigung!“, sagte er bald darauf peinlich berührt. „Es ist ja bei Ihnen ganz anders. Sie sind allergisch gegen die Implantate und dürften sie ohnehin nicht bekommen, weil Sie eine Pendlerin zwischen den Jahrhunderten sind. Wenn irgendjemand in Ihrer Heimat sie darauf ansprechen würde, was Sie für merkwürdige Dinger im Gesicht haben, hätten Sie ein Problem.“ Ich nickte zustimmend. „Außerdem möchte ich mich nicht zu abhängig von Technologie machen. Wenn die ausfällt, wäre ich am Ar …“ Ich räusperte mich. „Ich meine aufgeschmissen. Mein ehemaliger Fluglehrer auf der Akademie ist da mit mir einer Meinung. Und, jetzt kommt der Oberhammer, Learosh! Halten Sie sich fest! Der war Celsianer!“

Learosh fing an zu husten. „Ich habe Sie gewarnt.“, sagte ich. „Das haben Sie allerdings, Allrounder.“, meinte er mit ziemlich bedientem Ausdruck in der Stimme. „Denen geht doch normalerweise die Technik über alles. Wie kommt der darauf?“ „Er weiß wahrscheinlich genau das Gleiche wie ich.“, erklärte ich. „Je komplexer Technologie ist, desto empfindlicher ist sie auch. Und wenn dann …“ „Schon klar.“, meinte Learosh.

Ich replizierte meinem armen Untergebenen einen starken Kaffee. „Geht schon wieder.“, meinte Learosh, nachdem er einen großen Schluck genommen hatte. „Warum ich eigentlich hier bin.“, berichtete er weiter. „Die Sache mit der künstlichen Puppe hat geklappt! Der Alaraner ist bei bester Gesundheit und seine Verwandlung schreitet ganz normal fort. Loridana und ich glauben, dass er es heute noch hinter sich hat und wir dann einen stattlichen Schmetterling vor uns haben werden. Einen einen Meter neunzig großen Schmetterling zwar, aber …“

Sein Sprechgerät hatte ihn unterbrochen. „Learosh hier.“, beantwortete er den Ruf, nachdem er das Rufzeichen seiner direkten Vorgesetzten im Display erkannt hatte. „Kommen Sie bitte auf die Krankenstation, Assistant.“, erwiderte Loridana. „Und wenn sie in der Nähe ist, bringen Sie bitte den Allrounder mit. Es ist so weit.“

Learosh griff meine Hand. „Kommen Sie, Betsy.“, sagte er und zog mich auf die Beine. „Ich weiß nicht, was Sie dabei sollen, aber wenn Loridana meint …“ „Ich soll wohl nur dabei sein, damit sie mir gegenüber beweisen kann, dass es funktioniert hat. Sie will mir wohl das Gefühl von Stolz vermitteln.“, vermutete ich, während wir zum Turbolift gingen.

Auf der Krankenstation stand Loridana vor einem Behälter, in dessen Innerem dank einer Einstellung der autarken Umweltkontrolle des Systems die gleichen Bedingungen wie in der echten Puppe herrschten. Außerdem gab es in seinem Inneren eine Schicht aus Gewebe, welches dem Gewebe der natürlichen Puppe genau nachempfunden war. Dieses Gewebe zerstörte der Schmetterling nun. Dabei sah Loridana ihm per Display der Konsole außen am Behälter zu. Alles läuft nach Plan., dachte sie, denn die Zerstörung des Gewebes war durchaus geplant. Sie war es auch, durch die den Sensoren des Behälters die Schlupfbereitschaft gemeldet wurde, was den Alarm ausgelöst hatte, der Loridana zum Ort des Geschehens gerufen hatte.

„Computer, Deckel des Containers öffnen!“, befahl die Zeonide. „Stimmgenehmigung: Loridana, L 1, 4, 9, 8, 0!“ Der Deckel des Containers glitt zur Seite und Loridana blickte in ein müdes aber zufriedenes Insektengesicht. „Computer, Universalübersetzer …“, setzte sie an, aber der Fremde unterbrach sie: „Nicht notwendig. Ich spreche Ihre Sprache.“

Überrascht sah die Ärztin ihn an. „Seit unserer Begegnung mit der Eclypse gehört Englisch zu unserem Standardfremdsprachenschatz.“, erwiderte ihr Patient. „Interessant.“, sagte Loridana. „Huxley und seine Leute müssen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.“ „Das haben sie auch.“, meinte er.

„Schaffen Sie den Ausstieg allein?“, fragte Loridana und deutete auf den Rand des Behälters. „Sicher.“, sagte der Fremde und fügte hinzu: „Es wäre nur gut, wenn Sie etwas zurück treten könnten, sonst schlage ich Ihnen gleich aus Versehen meine Flügel um die Ohren und das will ich so hübschen Ohren ja nicht antun.“ „Sie sind ein Charmebolzen.“, lächelte Loridana und ging einige Schritte von dem Behälter auf dem Behandlungstisch weg. Jetzt beobachtete sie, wie der Fremde langsam seine Flügel entfaltete, die übrigens sehr schön bunt waren, um dann durch einige schnelle starke Schläge den Boden zu verlassen und sich in einer wunderschönen Schraube einige Male bis unter die Decke der Krankenstation zu schrauben, bevor er wieder sanft in sitzender Stellung auf dem Tisch landete. „Bravo!!!“, rief Loridana und klatschte Beifall. „Dass Sie in einer künstlichen Puppe waren, scheint Sie gesundheitlich in keiner Weise beeinträchtigt zu haben.“ „Keine Sorge, Frau Doktor.“, entgegnete er. „Es ist alles in bester Ordnung.“

Learosh und ich betraten die Krankenstation. „Assistant.“, tadelte Loridana ihren Untergebenen scherzhaft. „Sie haben den Teil verpasst, bei dem ich Ihre Hilfe gut hätte gebrauchen können.“

Learosh warf einen Blick auf den Behandlungstisch. Hier konnte er den riesigen Schmetterling erblicken, der es sehr gut allein aus seiner künstlichen Puppe geschafft hatte, wie der medizinische Assistent fand. „Bei allem Respekt, Scientist.“, konterte er. „Das hat ja auch ganz gut ohne mich funktioniert. Allerdings hätte es das ohne Allrounder Betsys Mithilfe bestimmt nicht. Ohne sie wäre er jetzt nämlich nicht mehr am Leben.“

Der Fremde, der dieses Gespräch durchaus mitbekommen hatte, wendete den Kopf in meine Richtung. „Was meint er damit, ich hätte Ihnen mein Leben zu verdanken, Allrounder?“, wollte er wissen. „Die Information über die künstliche Puppe kam von mir.“, erklärte ich. „Aber ich war eigentlich nur die Poststelle. Scientist Cupernica von der Eclypse gebührt der eigentliche Dank. Sie hat Ihr Volk auf diese Weise schon einmal gerettet. Obwohl …“ „Ich kenne die Story wohl, Allrounder.“, ging er dazwischen. „Bitte kommen Sie doch etwas näher, dann muss ich nicht so schreien.“

Ich nahm sein Angebot an und näherte mich langsam dem Tisch. „Endlich sehe ich meine Lebensretterin in voller Größe.“, sagte er mit schmeichelnder Stimme. „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Korelem. Ich bin Wissenschaftler.“ „Angenehm.“, gab ich zurück. „Star Fleet Allrounder Betsy Scott. Ich bin Raumschiffpilotin und SITCH-Offizierin.“ „Und eine sehr gute Allgemeinbildung haben Sie noch dazu.“, schmeichelte Korelem. „Na, man tut, was man kann.“, erwiderte ich bescheiden.

„Sie sollten uns jetzt erst mal wieder verlassen, Betsy.“, sagte Loridana, nachdem sie Korelems Gesundheit noch einmal mit ihrem Erfasser überprüft hatte. „Er ist zwar gesund wie ein Fisch im Wasser, dennoch scheint er sehr müde zu sein. Wir sollten ihn erst mal schlafen lassen. Sie können sich ja sicher später noch mit ihm unterhalten.“ Ich überlegte kurz und sah auf meine Uhr. Dann sagte ich: „OK, Loridana. Ich muss sowieso zum Dienst. Korelem, wir finden sicher noch eine Gelegenheit zum Reden.“ „Davon gehe ich aus.“, entgegnete der Alaraner grinsend. Ich bekam das unbestimmte Gefühl, dass er noch irgendwas im Schilde führte.

Mein nächster Weg führte mich zur Brücke. Hier erwarteten mich bereits Kissara und Mikel, die in Aufruhr waren. „Hast du zufällig Kang gesehen?“, fragte mich Mikel auf Deutsch, der mich nur duzte, weil wir gemeinsam im 21. Jahrhundert zur Schule gegangen waren. „Nein.“, erwiderte ich, die ich ein eigenartiges Gefühl bekommen hatte. „Es ist nie die Art des Warriors, zu spät zu kommen.“, mischte sich jetzt auch Kissara ein. „Ich hoffe, dass ihm nichts passiert ist. Mikel, Sie sehen besser mal nach!“

Der Ermittler und erste Offizier nickte und verließ die Brücke. „Warum denken Sie auch, dass Kang etwas passiert sein könnte?“, fragte ich Kissara. „Ich weiß nicht, Betsy.“, gab sie zurück. „Nennen Sie es Instinkt, aber ich fühle regelrecht, dass da etwas nicht stimmt.“

Wie Recht sie haben sollte, sollte sich wenig später vor Kangs Quartier zeigen. Mikel hatte bereits zum dritten Mal erfolglos die Sprechanlage betätigt. Eigentlich legitimierte ihn jetzt die Situation, seinen geheimdienstlichen Notfallcode zu benutzen, denn auch ein Klingone konnte einem Verbrechen zum Opfer fallen. Andererseits drängte eine Art innere Stimme den Agenten nahezu, es noch ein viertes Mal mit der Anlage zu versuchen.

Endlich bekam Mikel eine Antwort, aber diese kam ihm vor, als sei Kang extrem nervös und er würde ihn von irgendetwas abhalten. „Was wollen Sie, Sir?“, kam es nervös aus dem Lautsprecher. „Mich würde interessieren, warum Sie noch nicht zum Dienst erschienen sind, Warrior.“, erklärte Mikel mit fester Stimme. „Das werde ich nicht mehr tun.“, gab der Klingone zurück. „Commander Kissara wird keinen Ehrlosen in ihrer Truppe haben wollen.“ „Was reden Sie für einen ausgemachten Quatsch!“, schrie Mikel ins Mikrofon. „Kommen Sie gefälligst wieder zu sich! Was sollen Sie denn getan haben, das Sie entehrt hat?!“ „Ich habe eine wehrlose Kreatur umgebracht!“, gab Kang wütend zurück. „Ich hätte nicht versuchen dürfen, die Puppe des Alaraners von der Deckenplatte zu reißen. Allrounder Betsys Warnung kam zu spät. Learosh hat gemeint, er wird wohl sterben und das muss ich jetzt auch.“

Mikel wurde heiß und kalt. Er war genau so blind wie ich, trotzdem sah er jetzt exakt vor sich, was Kang gemeint hatte. Er sah den Klingonen mit seinem Bath’leth vor seinem geistigen Auge, wie er es in Richtung seines Herzens hielt. Er wusste, er musste das Element der Überraschung auf seine Seite bringen, wenn er jetzt noch etwas ausrichten wollte.

Mikel nahm sein Sprechgerät aus der Tasche und gab Elektras Rufzeichen ein. Er wusste, auf diesem Schiff gab es niemanden, der einen Transporter so exakt einstellen konnte wie die Androidin. „Technical Assistant, ich benötige Ihre Hilfe!“, befahl Mikel. „Erfassen Sie das Bath’leth in Kangs Hand und beamen Sie es in einen der Transporterpuffer!“ Elektra, die alles durch den Transportersucher sah, gab nur ein kurzes: „Aye, Sir.“, zurück und hatte im gleichen Moment den Befehl des ersten Offiziers bereits ausgeführt.

Verdutzt suchte Kang nach seiner Waffe. „Sie werden das Bath’leth nicht mehr finden.“, gab Mikel über die immer noch bestehende Verbindung zurück. „Ob es Ihnen passt oder nicht. Ich komme jetzt rein!“

Mikels Sprechgerät piepte. „Ja, Elektra.“, antwortete er. „Ich habe alle Gegenstände aus Kangs Reichweite gebeamt, die er theoretisch als Waffe gegen Sie oder sich verwenden könnte, inklusive seines Phasers, Sir.“, meldete sich eine nüchterne Androidinnenstimme. „Gute Arbeit, Elektra.“, lobte Mikel und gab seinen geheimdienstlichen Notfallcode in die Konsole ein. Alsbald öffnete sich die Tür.

Der verdutzte Kang saß auf einem Hocker im Flur. „Warum haben Sie mich nicht machen lassen, Agent?“, fuhr er Mikel wütend an. „Weil es für Ihren Selbstmord keinen Grund gibt, Mr. Kang. Der Alaraner lebt! Die Mediziner haben durch Allrounder Betsy Daten bekommen, die es ihnen ermöglicht haben, ihn zu retten. Sie sehen also, Sie haben nichts Ehrloses getan.“ „Beweisen Sie mir das.“, forderte der Klingone. „Und Elektra soll mir meinen Hausstand zurückgeben.“ „Das wird sie auch.“, versicherte Mikel. „Aber erst müssen wir sicher gehen, dass Sie keinen Unsinn machen. Folgen Sie mir auf die Krankenstation, Warrior, das ist ein Befehl!“

Fast beleidigt schlappte Kang hinter Mikel her. Auf der Krankenstation angekommen sah der Klingone bald in das lächelnde Gesicht Loridanas, die Mikel vorab informiert hatte. „Können wir mit Ihrem Patienten sprechen, Scientist?“, fragte Mikel. „Das geht gerade nicht.“, entgegnete Loridana. „Er schläft. Aber Sie können einen kurzen Blick auf ihn werfen, wenn Sie möchten, Warrior.“

Loridana war darüber ebenfalls informiert. Für den Fall, dass sich jemand verletzt hätte, musste sie Bescheid wissen. Die Sache hätte ja auch schiefgehen können. Zufrieden sah Kang durch einen Türspalt, dass es dem Fremden gut ging. „Könnte ich jetzt bitte meinen Hausstand wieder haben, Sir?“, wendete sich der Klingone dann an Mikel. „Aber sicher doch.“, meinte der Agent. „Ich gebe Elektra sofort Bescheid.“

Sedrin und Scotty waren inzwischen wieder auf der Straße, die sie zu dem Gebäude führte, in dem sich jetzt auch Mr. King aufhielt. Der Schotte hatte seine demetanische Begleiterin immer noch nicht ganz einordnen können, geschweige denn die Situation, in die sie ihn gebracht hatte. Er hatte immer noch arge Probleme mit der Tatsache, dass er, wenn man einen bestimmten Stimulus ansetzte, wie Sytania denken konnte.

Sedrin stoppte den Jeep am rechten Fahrbahnrand. „Wovor haben Sie Angst?“, fragte sie mit einer Gewissheit, die Scotty das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Wie kommen Sie darauf, dass ich Angst haben soll, Agent?!“, fragte Scotty leicht empört. Er wusste natürlich, dass sie ihn längst ertappt hatte. „Einen Montgomery Scott haut so schnell nichts um!“ „Außer die Tatsache, dass Sie denken, man könne Sie für genau so böse wie Sytania halten!“, erwiderte Sedrin mit der gleichen Festigkeit in der Stimme, mit der sie ihn vorher schon festgenagelt hatte.

Scotty drehte sich zur Tür. „Das brauchen Sie nicht zu versuchen!“, ermahnte sie ihn scharf. „Sie ist versperrt und kann nur durch meinen biologischen Fingerabdruck entsichert werden. Sie kommen hier nicht eher raus, bis Sie mir sagen, was mit Ihnen los ist. Die ganze Fahrt über haben Sie kein Wort mit mir gesprochen und haben mich angesehen, als sei ich ein Monster …“ „Ich bin das Monster!!!!“, schrie Scotty. Dann ließ er seinen Kopf in seine großen Hände sinken und brach in Tränen aus, was für ihn als bekanntes Rauhbein eigentlich nicht typisch war.

Der harte Ausdruck in Sedrins Gesicht, mit dem sie ihn angesehen hatte, schmolz zu einem freundlichen Lächeln. „Na geht doch.“, sagte sie ruhig. „Jetzt kommen wir der Sache doch langsam näher.“ „Oh, meine Betsy.“, schluchzte Scotty. „Meine arme Betsy. Wenn sie erfährt, was ich bin, dann … Oh, um Gottes Willen!!!“ „Ihre Frau weiß doch, wer Sie sind.“, sagte Sedrin und tat, als würde sie nicht verstehen, was er meinte. „Der Allrounder weiß, dass sie Montgomery Scott, einen Terraner, geheiratet hat, der …“ „Dass meine ich nicht.“, erwiderte Scotty. „Ich rede davon, dass ich vielleicht zu einem Abkömmling von Lady Schreckschraube werde, wenn wir nicht aufpassen.“ „Na endlich ist es raus!“, atmete Sedrin auf. „Aber da kann ich Sie beruhigen. Nichts dergleichen wird passieren. Dieses Überbleibsel von Sytanias Denkmuster ist nicht mehr mit ihr direkt verbunden. Dass Sie also von ihr besessen sind, ist nicht wahr. Es ist eher wie ein …“ Sie überlegte lange. „Wie ein Programm eines Rechners, der mal mit Ihrem verbunden war und einen Teil seines Betriebssystems überspielt hat. Das ist aber nur eine Emulation, die ohne ein unterstützendes Betriebssystem nicht allein funktioniert. Das Betriebssystem, das die Kontrolle hat, ist aber Ihres.“

Scotty hörte auf zu weinen, setzte ein Lächeln auf und schlang seine Arme um sie, die ihn zunächst gewähren ließ. Gerade aber als er ihr einen Kuss auf die Wange geben wollte, schreckte er doch von sich aus zurück. „Entschuldigen Sie bitte, Sedrin.“, sagte Scotty, der von seinem eigenen Verhalten peinlich berührt war. „Sie haben nur gerade wie meine Betsy geklungen. Wenn sie jemandem etwas erklärt, dann versucht sie auch immer eine Art zu finden, die derjenige auch aus seinem beruflichen oder privaten Umfeld kennt.“ „Schon gut, Techniker.“, sagte Sedrin. „Was glauben Sie, warum ich Sie gerade machen lassen habe. Sie wissen, dass wir vom Geheimdienst auch eine Nahkampfausbildung haben. Ich hätte Ihnen also empfindlich weh tun können, wenn ich gewollt hätte, aber ich wollte nicht. Ich habe mir schon gedacht, dass Sie extrem fertig sind, nach dem, was Sie erlebt haben. Übrigens denke ich, dass Sie den Allrounder unterschätzt haben. Sie wäre durchaus in der Lage gewesen, zu verstehen, was mit Ihnen passiert ist. Sie hat eine Menge Wissen über Sytania und …“ „Deshalb haben Sie die Sache wie sie erklärt, Agent.“, meinte Scotty. „Allerdings.“, gab Sedrin zu, während sie den Jeep startete.

Maron und IDUSA befassten sich immer noch mit dem Inhalt der Datei. Der Stationsrechner übersprang immer wieder Seiten, um Maron nicht mit Dingen zu langweilen, die ihrer Meinung nach nichts mit der anstehenden Fragestellung zu tun hatten. Sie wusste, dass Maron eigentlich nur über die Ausführung des Ritus informiert werden wollte und dass ihn im Moment nicht im Geringsten interessierte, wo das Ritual her kam, wann es zum ersten Mal durchgeführt wurde, was passieren würde, wenn und so weiter. All diese Punkte würden bei Gelegenheit erörtert werden.

IDUSA kaschierte die Sprünge immer wieder so geschickt, dass Maron gar nicht merkte, wenn sie mehrere Seiten ausgelassen hatte. Insgeheim war der erste Offizier ihr sogar dankbar dafür. Er hätte sich keinen Suchbegriff vorstellen können, den er einem Sternenflottenrechner eingeben hätte sollen. IDUSAs Eigenständigkeit kam ihm da sehr entgegen. Sie war es auch, die dieses über 1000 Seiten starke Dokument jetzt zu einem Heftchen von maximal zehn Seiten zusammenschnurren ließ. Maron wusste, dass sich die Forscher, die es ausgearbeitet hatten, sicher große Mühe gegeben hatten, aber es war ihm auch klar, dass sie ja nicht sahen, was er und eine gewisse tindaranische Einheit jetzt daraus machten. Außerdem geschah der Datei selbst ja nichts. Es wurden ja nur die Dinge verblättert, die IDUSAs Meinung nach nichts mit Marons Frage zu tun hatten.

Die Simulation legte den Zeigestock weg. „Das war alles, Agent.“, sagte sie, nachdem Maron den letzten Satz gelesen hatte. „Deine Arbeitsweise ist sehr effizient.“, lobte der erste Offizier. „Da können Sie sich bei Techniker Mc’Knight und den Programmierern auf den tindaranischen Werften bedanken.“, entgegnete IDUSA. „Ich frage besser nicht nach Adressen.“, sagte Maron. „Du bist im Stande und lässt mich SITCH-Mails an alle senden.“ „Das könnten Sie sich doch vereinfachen.“, scherzte IDUSA. „Sie formulieren einen Text und schicken ihn an alle Adressen.“ „Mail von der Stange?!“, fragte Maron empört. „Nein, IDUSA, nicht bei mir und nicht bei dem Anlass. Wenn ich schon Leute lobe, dann jeden einzeln und jeden persönlich.“ „Ah.“, machte IDUSA. „Dann sind aber Sie selbst derjenige, der sich die Sache unnötig verkompliziert.“ „Lass mir doch meine kleine Macke.“, grinste Maron.

Ein Signal ließ den Demetaner aufhorchen. Maron wusste sehr wohl, was es bedeutete. „IDUSA, öffne bitte die eingegangene SITCH-Mail!“, sagte er. Der Rechner kam der Aufforderung nach. Jetzt sah Maron die SITCH-Mail von Shimar, aus der er genau ersehen konnte, was dieser demnächst plante. Zwar war die Mail eigentlich an Zirell adressiert, was er aus der Anrede zweifelsfrei ableiten konnte, aber er konnte sich auch denken, dass der junge Pilot von den Geschehnissen auf der Station noch nichts wusste.

Maron überflog die Mail nur kurz. Schon bei den ersten Sätzen war ihm klar geworden, dass Shimar gerade einen Vorschlag machte, der das ganze Problem sicher lösen könnte. „Mutter Schicksal!“, rief er aus. „Das ist genau das, was wir jetzt brauchen. Wenn Shimar für die eine Prinzessin am Ty-Nu-Lin-Ritus Teil nimmt und diese Ginalla für die andere, dann haben wir eine Möglichkeit, Präsidentin Nugura bei den schweren Verhandlungen zu helfen, ohne dass diese ihr Gesicht verliert.“

„Freuen Sie sich bitte nicht zu früh, Agent.“, sagte IDUSA. „Warum das?“, meinte Maron irritiert. „Weil Zirell und Joran in diesen Minuten die Station betreten haben. Sie werden ihr alles auseinander setzen müssen. Ich fürchte außerdem, Sie werden gute Argumente brauchen.“, erklärte IDUSA. „Das macht nichts.“, entgegnete Maron. „Die hat mir Shimar hier gerade geliefert. Sag Zirell, ich muss mit ihr im Konferenzraum sprechen. Ach, sag Techniker Mc’Knight, sie soll das Shuttle warten. Shimar wird es bestimmt brauchen.“ „Nicht so schnell.“, versuchte der Rechner Marons Tatendrang zu bremsen. Sie kannte ihren Commander und wusste, dass Zirell auf keinen Fall so einfach ja sagen würde, bevor sie nicht alle Argumente gehört hatte. „Ich will ja nur, dass alles vorbereitet ist.“, beschwichtigte Maron sie. „Meiner Information nach müssen wir schnell handeln. Der Bürgerkrieg darf nicht weiter gehen. Er gefährdet inzwischen sogar Zivilisten. Es ist etwas passiert.“

Das gleiche Unglück, welches Maron gerade erwähnt hatte, beschäftigte zur gleichen Zeit auch Präsidentin Nugura und ihren Sekretär. Beide hatten von der Sache erfahren, weil natürlich das Ganze nicht ohne Folgen geblieben war. Commander Time persönlich hatte einigen Passagieren angeboten, ihre Anzeige an die richtigen Stellen bei der Sternenflotte weiter zu leiten. Genau das war auch passiert und den verantwortlichen Kontrolloffizier hatte man erst mal beurlaubt. „Es geht nicht an, dass man ein wehrloses Passagierschiff durch ein Kriegsgebiet leitet.“, gab Saron entschieden seine Meinung zum Ausdruck. „Sie haben Recht.“, beschwichtigte Nugura ihn. „Die Space-Titanic hätte auch einen noch viel längeren Umweg nehmen können, aber das hätte mehrere Tage gedauert. Wir müssen auf politischem Wege dafür sorgen, dass der Weg durch das Miray-System wieder sicher wird. Lassen Sie Space Force One vorbereiten!“

Saron sah sie an. „Mit Verlaub, Madam President.“, meinte er vorsichtig. „Die beiden Prinzessinnen werden politischen Lösungen gegenüber nicht mehr offen sein, jetzt, wo sie sich quasi ineinander verbissen, oder sollte ich eher sagen verschossen, haben.“ „Das zu erreichen, mein lieber Saron.“, begann Nugura. „Überlasse ich ganz Ihnen und Ihrem demetanischen Geschick. Sie werden die Einladung an die Beiden selbst formulieren. Lesen Sie mir vor, was Sie geschrieben haben, bevor Sie es senden. Ich bin sicher, Sie machen das schon.“ „Habe ich Sie gerade richtig verstanden, Madam President?“, erkundigte sich Saron. „Sie wollen, dass ich eine Einladung an zwei Staatsoberhäupter ganz allein formuliere und Sie im Prinzip nur noch drüber schauen? Wie können Sie mir das erlauben? Ich bin doch nur Ihr Sekretär.“ „Aber Sie sind Demetaner.“, entgegnete Nugura. „Ihre Rasse ist für ihre hinterlistigen Eskapaden bekannt. Wahrscheinlich bedarf es einer kleinen List, um die Prinzessinnen an einen Tisch zu bekommen. Wie gesagt, Sie machen das schon, Mr. Saron.“

Saron nickte etwas zögernd. Immer noch nicht war ihm die wahre Absicht seiner Vorgesetzten vollständig klar. Er wusste zwar, dass er die Einladung nicht mit seinem Namen unterzeichnen konnte, denn dann würde man ihm bestimmt drauf kommen, aber er fand Nuguras Vorgehen auch sonst äußerst ungewöhnlich.

„Noch mal zu einem ganz anderen Thema, Madam President.“, lenkte er ab. „Was soll ich der Besatzung Ihrer Raumjacht sagen? Wo soll es hingehen?“ „Khitomer natürlich.“, erwiderte Nugura. „Oder können Sie mir einen anderen neutralen Ort für Verhandlungen nennen.“ Saron schüttelte den Kopf und verließ ihr Büro.

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