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Auf einer genesianischen Raumstation zu Beginn des Jahres 3335 beobachtete Minerva, eine etwa 14-jährige Kriegerin in Ausbildung, ein merkwürdiges Schauspiel. Die schwarzhaarige junge Kriegerin von hohem Wuchs und muskulösem Körperbau hatte schon in den beiden Nächten, die dieser vorausgegangen waren, jenes merkwürdige Phänomen gesehen, das ihr auch jetzt wieder ein gehöriges Kopfzerbrechen bereitete. Erneut hatte sich der Mond von Genesia Prime derart zwischen den Planeten und die Sonne geschoben, dass es eine Mondfinsternis gab. Das war allerdings für die dritte Nacht in Folge sehr ungewöhnlich. Eine Mondfinsternis, das wusste Minerva, trat nur alle paarhundert Jahre einmal auf. Aber, dass sie es nun schon seit drei Nächten immer wieder getan hatte, fand die junge Kriegerin extrem verwirrend.

Minerva, die auch Erbprätora der Vetash, ihres Clans, war, hatte beschlossen, Ihre Aufsichtsperson über die Vorkommnisse in Kenntnis zu setzen. Sie loggte sich aus dem System und verließ ihren Posten, um einen Turbolift zu besteigen, der sie auf das Wohndeck der Station brachte. Shira, eine ältere Kriegerin, würde sich in ihrem Quartier aufhalten. Vor dessen Tür stand Minerva jetzt und betätigte aufgeregt die Sprechanlage. „Was ist los!“, antwortete eine strenge Stimme von drinnen. Minerva ahnte, dass ihre Aufsicht wohl schon ahnte, dass nur sie die Person am anderen Ende der Verbindung sein konnte. Der sonst so tapferen Jungkriegerin schlug das Herz bis zum Hals. Sie wusste, dass sie mit dem Verlassen ihres Postens sicherlich einen schweren Fehler begangen hatte und dass Shira dies anhand des Rufzeichens im Display längst erkannt haben musste. Es würde sicher ein Donnerwetter folgen. Minerva wusste, dass sie Shira auch über die Sprechanlage von der Brücke der Station aus hätte verständigen können, wie es eigentlich auch ihre Pflicht war. Aber sie war zu aufgeregt gewesen, um sich an diese Vorschrift zu erinnern. Außerdem war Minerva sehr gläubig und ahnte, was eine mehrfache Mondfinsternis unter Umständen bedeuten konnte.

„Jetzt antworte mir gefälligst!“, setzte Shira von drinnen nach, als sie gemerkt hatte, dass von ihrem Gegenüber auch nach mehreren Minuten keine Reaktion gekommen war. Ihr strenger Ton war nicht ungewöhnlich für Minerva. Wie bei den Klingonen auch herrschte bei den Genesianern im Allgemeinen ein sehr lauter Umgang.

Das junge Mädchen versuchte, ihre Aufregung herunterzuschlucken und griff beherzt zum Mikrofon. „Verzeih bitte, dass ich meinen Posten verlassen habe, Shira!“, sagte Minerva fest. „Aber ich habe etwas entdeckt, das uns alle sehr interessieren könnte!“ „Warte!“, befahl die ältere Kriegerin von drinnen und richtete sich aus ihrem Stuhl auf, um zur Tür ihres spartanisch eingerichteten Quartiers zu gehen. Das war bei den Genesianern durchaus normal. Sie hielten nicht viel von Raumschmuck. Ihre Quartiere waren eher zweckmäßig und die Möbel auch eher hart und einfach. Da nahmen sie sich nicht viel mit den Klingonen. Aber wahrscheinlich war dies für kriegerische Völker ohnehin normal.

Minerva beobachtete, wie sich die Tür öffnete. Dann stand eine etwa 1,80 m messende schlanke aber dennoch stark wirkende Frau mit kurzen roten Haaren vor ihr. Die Jugendliche senkte den Kopf. Unter Genesianerinnen galt dies als Bezeugung von Respekt, genau wie das Ablegen ihrer Waffe, eines genesianischen Phasers des Typs drei, den sie gut sichtbar vor den Füßen der Älteren auf dem Boden ablegte. Obwohl Minerva die Tochter der Prätora ihres Clans war und man eigentlich denken musste, dass die Ältere ihr Respekt zollen müsste, hatte sie diese Stufe aber noch lange nicht erreicht. Wie bereits gesagt, war sie ja noch eine Kriegerin in Ausbildung. Prätora Yanista hatte Shira zu Minervas direkter Ausbilderin ernannt. Die Erbprätora sollte durch die Schule der Besten gehen. Shira war als Schleiferin und härteste Lehrerin im Clan bekannt.

Immer noch getraute sich Minerva nicht wirklich, mit der Wahrheit herauszurücken. Sie dachte sich zwar, dass dies in den Augen ihrer Ausbilderin als Zeichen von Schwäche gelten könnte, aber was sie dort gesehen hatte, war so groß und heilig, dass es ihr einen Haufen Respekt einflößte. „Verzeih bitte nochmals, Ausbilderin.“, stammelte Minerva leise. „Aber ich denke, die heilige Zeit von Sachometh ist angebrochen, an deren Ende wir mit Hilfe der Wächterin von Gore selbst eine große Eroberung machen werden, wie es in den heiligen Büchern steht. Du weißt, dass am Tage von Sachometh die übrigen Götter der Wächterin von Gore vergeben werden, dass sie den Mann in die Welt brachte und somit die Schöpfung außer Kontrolle …“ „Schweig!“, befahl Shira. „Ich kenne die Schöpfungsgeschichte wohl! Darin brauchst du mir keine Nachhilfe zu erteilen! Aber sprich! Welche Beweise hast du?!“

Minerva, die zunächst in leicht gebeugter Haltung vor ihrer Ausbilderin gestanden hatte, richtete sich auf und erwiderte fest: „Ich habe schon in der dritten Nacht in Folge eine Mondfinsternis beobachtet, Ausbilderin!“ „Ungewöhnlich!“, erwiderte die ältere Kriegerin mit ihrer heiseren tiefen Stimme. Im Vergleich dazu war Minervas Stimme eher piepsig und kindlich. „Aber wir werden sehen!“, setzte Shira ihre Antwort fort und winkte ihrer Schülerin, ihr in den Turbolift zu folgen.

Auf der Brücke der Station angekommen zog Minerva Shira sofort zum Schirm. „Du hast Recht!“, sagte Shira. „Das sieht aus wie eine Mondfinsternis! Dabei ist doch für dieses Jahr eigentlich gar keine berechnet!“ „Siehst du, Ausbilderin?“, lächelte Minerva. „Daran solltest du sehen, dass hier etwas Ungewöhnliches im Gange ist!“ „Ungewöhnlich ja!“, meinte Shira skeptisch. „Aber ungewöhnlich muss nicht heilig bedeuten! Bedenke, dass wir auch Feinde haben, die durchaus in der Lage wären, ein solches Phänomen hervorzurufen, um uns in eine bestimmte Richtung zu manipulieren! Feinde, die unseren Glauben gut kennen und ihn ausnutzen würden, ohne mit der Wimper zu zucken!“ „Denkst du an die Föderation, Ausbilderin?“, fragte Minerva. „Die Föderation!“, lachte Shira. Es war ein Lachen, bei dem sich Minerva die Haare kräuselten. „Nein! Aber weil du gerade mal einen Monat in Ausbildung bist, sehe ich dir diese Fehleinschätzung noch einmal nach! Oder haben du oder der Computer etwa ein oder mehrere Föderationsschiffe gesehen, die sich an unserem Mond zu schaffen gemacht haben mit ihren großen mächtigen Traktorstrahlen?“ Sie machte eine große übertriebene Geste mit der Hand und verfiel erneut in ihr lautes tiefes Lachen. Ausgelacht zu werden war für Minerva und auch alle anderen Kriegerinnen in Ausbildung normal. Die junge Kriegerin wusste aber, wie sie sich den Respekt ihrer Ausbilderin zurückerobern konnte. Sie stellte sich kerzengerade vor Shira auf und bat ruhig und fest: „Dann sag mir, wer es sein könnte, Ausbilderin!“ „Eine Reaktion, die einer Kriegerin wert ist!“, lobte Shira, was bei ihr sehr selten vorkam. „Ich werde es dir sagen!“, fügte Shira noch hinzu und ging zum Terminal. „Oder besser, ich zeige dir, wie man mit so einer Sache umgeht! Pass auf!“

Minerva beobachtete, wie ihre Ausbilderin ihren Sicherheitscode in die Konsole eingab. Dann folgten diesem einige Befehle. Die junge technisch versierte Kriegerin erkannte, dass es sich um Sensoreneinstellungen handeln musste. Dann hörte sie ihre Ausbilderin sagen: „Computer, gibt es Hinweise auf neurale Energie von Sytania?“ Ein kurzes Signal und dann erwiderte eine freundliche weibliche elektronische Stimme: „Negativ.“ „Gibt es Hinweise auf neurale Energie von anderen bekannten Mächtigen?“, verifizierte Shira weiter. Auch dieses Mal erfolgte eine negative Antwort. „Also hatte ich Recht!“, frohlockte Minerva. „Es waren die Götter!“ „Das wird sich zeigen.“, flüsterte die immer noch hoch skeptische Shira. Die ältere Kriegerin hatte in ihrem Leben schon zu viel gesehen, um einfach so an Wunder zu glauben. „Wie lange beobachtest du das schon?!“, fragte sie in Minervas Richtung. „Das ist jetzt schon die dritte Nacht, Ausbilderin!“, entgegnete die Angesprochene.

Shira kratzte sich nachdenklich am Kopf. Wie alle Kriegerinnen hatte auch sie die genesianische Schöpfungsgeschichte verinnerlicht und war mit dem Glauben an sie und auch ein gutes Ende aufgewachsen. Aber dass sie so wortwörtlich wahr sein könnte, bezweifelte sie sehr. Im Laufe ihres Lebens hatte sie gelernt, dass vieles, das in den alten Geschichten beschrieben wurde, eher bildlich und nicht wörtlich zu nehmen war.

„Lass uns mal sehen, ob es dieses Phänomen wirklich genau so in den beiden Nächten vor dieser gegeben hat!“, erklärte Shira dann, um die ihrer Meinung nach extrem festgefahrene Situation zu lösen. Sie drehte sich erneut zum Computermikrofon: „Computer, wurde dieses Phänomen in den beiden vorherigen Nächten ebenfalls beobachtet?“ „Affirmativ.“, kam es nüchtern und freundlich zurück. „Gab es dort einen Hinweis auf bekannte Neuralsignaturen von Mächtigen?“, fragte Shira. „Negativ.“, erfolgte die sachliche Antwort. Minervas Augen begannen zu leuchten. „Jetzt hast du dir selbst einen Fallstrick gebaut, Ausbilderin!“, stellte sie fest. „Der Computer hat bestätigt, dass uns niemand von unseren Feinden hereinlegen will. Also, dann bleibt nur Sachometh!“ Shira, die sich keinesfalls geschlagen geben wollte, zog die Stirn kraus. „Mag sein, mag sein.“, brummelte sie. „Aber du weckst jetzt erst mal deine Mutter. Soll Prätora Yanista entscheiden!“ Minerva nickte und verließ die Brücke. Weder sie noch Shira ahnten allerdings, wie berechtigt die Skepsis der älteren erfahrenen Kriegerin noch sein würde.

Yanista schlief tief und fest, als ihre Tochter ihr gemeinsames Quartier betrat. Am Eingang zum Schlafzimmer blieb Minerva stehen und betrachtete die vor ihr auf dem Bett, das wir wohl eher als Pritsche bezeichnen würden, liegende Kriegerin. Sie maß ca. 1,90 m und war wie alle Genesianerinnen von muskulösem Körperbau und stattlichem Wuchs. Genesianische Männer wirkten dagegen eher unscheinbar. Die Prätora hatte ihren Brustpanzer und den Rest ihrer Kleidung neben dem Bett aufgeschichtet. Nachts trug sie nur ein leichtes wollenes Nachtgewand. Ihre langen schwarzen Haare waren rechts und links ihres selbst im Schlaf streng dreinschauenden Gesichtes am Kopfende des Bettes drapiert.

Minerva zögerte eine Weile, bevor sie langsam und mit feierlichem Gesicht näher schritt. Was sie ihrer Mutter zu sagen hätte, würde die tief gläubige Clanführerin sicher erfreuen. Außerdem würde sich Prätora Yanista denken können, dass ihre Tochter von den Göttern geliebt sein musste, wenn es ihr vergönnt war, die Vorboten des Tages von Sachometh zu sehen. Von keiner anderen Station hatte man derartige Beobachtungen gehört. Während des Tages hatte sich Minerva heimlich mit den anderen Kriegerinnen in ihrem Alter per SITCH über das Phänomen ausgetauscht, aber von keiner eine Antwort bekommen, die sie glauben ließ, dass auch nur eine das Gleiche wie sie gesehen hatte.

Die Prätora war erwacht und ihrer Tochter im matten Schein des durch den Computer gedimmten Lichts ansichtig geworden. „Was gibt es, Kind?“, fragte sie erstaunt. „Shira sagte mir, dass du eigentlich jetzt Wache hättest und sie dich beaufsichtigen würde. Was ist geschehen, dass du deinen Posten verlassen hast?“ Über Minervas Gesicht breitete sich ein Lächeln. „Ich muss dir etwas sagen, Mutter.“, entgegnete Minerva in leisem fast feierlichen Ton. „Ich habe die Vorboten von Sachometh gesehen. Es war genau so, wie es in den alten Büchern steht. Bisher konnte ich drei der genannten sieben Mondfinsternisse beobachten. Wie es weiter geht, wissen nur die Götter.“

Blitzschnell war Yanista in ihrem Bett herumgefahren, hatte sich aufgesetzt und war dann in Windeseile in ihre Kleidung geschlüpft, soweit dies bei der starren und steifen gepanzerten Kleidung einer Genesianerin überhaupt möglich war. „Wo ist Shira?“, fragte sie hektisch in Richtung ihrer Tochter. „Sie erwartet uns auf der Brücke, Mutter.“, erwiderte die Erbprätora. „Dann lass uns keine Zeit verlieren!“, befahl Yanista und preschte voran.

Auf der Brücke hatte sich Shira inzwischen noch einmal alles angesehen. Sie wollte, wenn ihre Schülerin und die Prätora zurückkehrten, auf keinen Fall wie ein stammelndes Schulmädchen wirken, das die Illustrationen für einen schlecht vorbereiteten Vortrag erst mühsam hervorkramen musste. Sie wusste, dass ihre Prätora und auch die Erbprätora so ein Verhalten keineswegs schätzen würden. Yanista war sehr streng und verlangte ihren Kriegerinnen ebenfalls eine ziemliche Disziplin ab. Auch Minerva würde den Clan sicher später in gleicher Weise weiterführen. Das ahnte Shira und wollte auf keinen Fall durch eine Unachtsamkeit ihren Posten verlieren. Vor Minerva in Begleitung ihrer Mutter hatte Shira doch einen gehörigen Respekt. Zwar war diese noch immer ihre Schülerin, aber dies bezog sich nur auf Jagen, den Umgang mit der Waffe und das Wissen über die genesianische Kultur. Führungsstärke und alles, was damit zusammenhing, würde sie von ihrer Mutter lernen. In Yanistas Begleitung war Minerva als Erbprätora der Vetash anzusehen und nicht als normale Jungkriegerin.

Gerade noch rechtzeitig hatte Shira die letzten Tabellen auf den Bildschirm gebracht, als Yanista und ihre Tochter die Brücke betraten. „Was ist hier geschehen, Shira und was bedeutet das?!“, fragte Yanista streng und zeigte auf den Monitor. „Wie Ihr seht, Prätora!“, begann Shira und drehte sich ihrer Clanführerin zu. „Sind dies Tabellen von Sternenbeobachtungen der letzten drei Nächte. Der Text daneben ist eine Übersetzung aus den alten Schriften.“

Wieder und wieder wanderte Yanistas Blick über die Tabellen und Sternenkarten. Auch das Protokoll von Shiras Verifizierungsaktion war zu sehen. Schließlich sank die tief gläubige Clanführerin auf die Knie. „Das ist unfassbar.“, begann sie mit leiser Stimme. „Es scheint alles so einzutreten, wie es in den alten Schriften steht. In den sieben Nächten des Sachometh wird der Mond sich verfinstern. Am achten Tage wird der Wächterin von Gore durch die anderen Götter vergeben sein und sie wird eine Sterbliche als ihr Werkzeug wählen, um uns eine große Eroberung zu bescheren.“, zitierte sie fast ehrfürchtig aus den alten heiligen genesianischen Schriften. „Da habt ihr es, meine Kriegerinnen. Da habt ihr es.“ Sie stand auf. „Morgen will ich, dass ein Fest auf unserer Station gefeiert wird!“, ordnete sie an. „Ein so prächtiges Fest, wie diese Basis noch nie eines gesehen hat. Ja, wie ganz Genesia Prime noch nie eines gesehen hat. Gebt die Nachricht an alle Stationen weiter. Auch dort soll gefeiert werden!“ Shira und Minerva nickten.

Etwa ein halbes Jahr nach diesem Ereignis waren wir mit der Granger gerade von der Raumwerft auf Celsius gekommen, wo man dem Schiff einen interdimensionalen Antrieb verpasst hatte. Von hier aus waren wir nach Khitomer geflogen, um dort Präsidentin Nugura und ihren Stab an Bord zu nehmen. Wir hatten Befehl, sie nach Zeitland zu bringen, wo das alljährliche Gipfeltreffen zwischen ihr und Dill stattfinden würde. Nugura hätte zwar wie jedes Jahr davor auch mit ihrer Raumjacht fliegen können, aber sie fand, dass dieses Mal uns die Ehre zuteil werden sollte, da wir einen großen Beitrag zur Lösung des Miray-Konfliktes geleistet hätten. Kissara hatte sich angesichts der Begründung von Nuguras Befehl sehr geschmeichelt gefühlt. Für uns würde der Aufenthalt in Zeitland Oberflächenurlaub bedeuten, auf den wir uns alle sehr freuten.

Vor dem Frühstück hatte ich schon einmal die Brücke aufgesucht und mir von Kang, der die Nachtschicht geführt hatte, einen Abriss geben lassen. Per Computer hatte ich den Kurs überprüft und festgestellt, dass sich unser Schiff auch während meiner Abwesenheit nicht verflogen hatte. „Es gab keine besonderen Vorkommnisse, Allrounder.“, informierte mich der Klingone knapp. „Um so besser.“, antwortete ich. „Dann können wir ja gleich in die Offiziersmesse zum Frühstück gehen.“ Kang nickte und hakte mich unter.

Kissara und Mikel erwarteten uns bereits, als ich neben Kang die Messe betrat. Ihre grünen Katzenaugen hatten uns schnell erspäht und sie winkte uns an ihren Tisch. „Wo waren Sie so lange, Betsy?“, fragte sie. „Sonst sehe ich Sie doch auch zum Frühstück gehen, wenn ich mein Quartier verlasse.“ „Oh.“, antwortete ich, während ich mir ein Frühstück aus Müsli und einem Früchtetee replizierte. „Ich war noch kurz auf der Brücke und habe nachgesehen, ob alles OK ist. Außerdem habe ich den Warrior mitgebracht.“ „Den Warrior. Schon klar.“, frotzelte mir Mikel auf Deutsch zu. „Der würde glatt das Essen vergessen, wenn du ihn nicht erinnern würdest.“ Ich grinste.

Kissara schien genau mein Tablett zu inspizieren, als ich mich damit zwischen sie und Mikel setzte. „Ist alles in Ordnung, Allrounder?“, fragte sie mit ihrer leicht schmeichelnden Stimme, die mich leicht an die deutsche Stimme von Captain Janeway erinnerte, zumindest dann, wenn sie diesen Tonfall hatte. Nur hatte Janeway nicht Kissaras einzigartigen katzenartigen schmeichelnden Schmelz. Diese Tatsache war aber für die Stimme einer Thundarianerin völlig normal. „Es ist alles OK, Ma’am.“, versicherte ich. „Warum fragen Sie?“ „Ich frage, weil jemand an diesem Tisch ganz extrem ihre Essgewohnheiten verändert hat.“, erwiderte Kissara mit dem gleichen schmeichelnden Ton. „Ach das.“, entgegnete ich und versuchte zu überlächeln, dass ich ein ganz mieses Bauchgefühl hatte, das ich mir aber nicht erklären konnte. „Mir war einfach mal nach etwas Gesundem.“ „So, war Ihnen danach.“, schmeichelte Kissara. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie längst wusste, dass ich gerade eine Ausrede benutzt hatte.

„Warum warst du auf der Brücke.“, lenkte Mikel mit vollen Backen ab, nachdem er in ein Wurstbrötchen gebissen hatte. „Ich habe nachgesehen, ob unser Schiff noch auf Kurs ist.“, antwortete ich. „Du denkst wohl, dass ohne dich am Steuerpult gar nichts geht.“, lachte Mikel. „Aber da kann ich dich beruhigen. Die Ingenieure auf der Werft haben Jannings ein super Zeugnis ausgestellt, was die Computersysteme angeht. Der Autopilot schafft das schon. Aber sei ehrlich. Du wolltest doch nur dafür sorgen, dass unser Klingone nicht vom Fleisch fällt, Allrounder Fürsorglich.“ Ich lächelte erleichtert, denn ich war froh, dass Mikel ein anderes Thema angeschnitten hatte.

„Wo wir schon einmal beim Thema Beschäftigungen sind.“, mischte sich Kissara ins Gespräch. „Was werden Sie beide denn so tun, wenn wir in Zeitland sind?“ „Ich werde auf jeden Fall viel in den um Dills Schloss gelegenen Seen und Flüssen schwimmen gehen!“, rief Mikel freudig. Kissara wartete eine Weile ab, ob von mir etwas käme. Dann fragte sie, um das Gespräch anzustoßen: „Und Sie, Betsy?“ „Ach.“, sagte ich hektisch, während ich versuchte, mein wieder aufkeimendes Bauchgefühl zu unterdrücken. „Ich bin mit Prinzessin Eldisa verabredet. Sie benötigt meine Hilfe. Aber wenn ich die Zeit finden sollte, lege ich mich vielleicht auch noch kurz an den Strand.“ „Ständig willst du irgendjemandem helfen.“, lachte Mikel. „Denk dran, das ist Oberflächenurlaub und keine humanitäre Mission.“ „Lassen Sie sie doch, Agent.“, lächelte Kissara. „Sie scheint sich in der Rolle der helfenden Hand sehr wohl zu fühlen und ich schließe nicht aus, dass das Gefühl, wenn sie jemandem erfolgreich helfen konnte, für Ihre Freundin genau so schön ist wie Urlaub.“ „Ich werde an Bord bleiben.“, erklärte Kang. „Man kann nie wachsam genug sein.“ „Als Commander muss ich beim Gipfeltreffen anwesend sein. Nugura wollte das unbedingt.“, stöhnte Kissara. „Ich soll wohl als Vorzeigekommandantin dienen.“ „Um den Job beneide ich sie nicht.“, flüsterte mir Mikel auf Deutsch zu, worauf ich ihn nur angrinste.

Die Mittagssonne stand hoch am Himmel, als ein Jeep eine von großen Bäumen gesäumte Allee auf dem Planeten Celsius entlang fuhr. Der Jeep hatte eine grüne Lackierung und erinnerte in seiner Form eher an einen Leib Brot als an ein Fahrzeug, was der demetanische Hersteller aber durchaus beabsichtigt hatte. Die runden Formen schmeichelten sowohl der Hand, als auch dem Auge. In jenem Jeep, der sich langsam einem Grundstück näherte, saßen ein etwas korpulenter jüngerer Terraner von ca. 1,70 m Größe mit roten kurzen Haaren und eine mit 1,60 m kleinere ältere rothaarige verheiratete Celsianerin, deren Ohrenform vermuten ließ, dass vor etlichen Generationen in ihrer Familie einmal ein Vulkanier mitgemischt haben musste. Es handelte sich um Professor Teva Saren, die ausgewiesene Androidenexpertin der Sternenflotte und ihren Assistenten, Technical Assistant Derek Reeves. Beide waren direkte Angehörige des Stabes von Chief-Techniker Ayora, der Stabschefin der Chefingenieure.

Reeves, der auf dem Beifahrersitz saß, drückte einen Knopf in der Seitentür, worauf das Fenster mit fast freundlich anmutendem Summen nach unten glitt. Dann sog er die Luft ein. „Es riecht fast wie Jasmin, Professor.“, stellte er gegenüber seiner Vorgesetzten fest. Die Professorin wendete noch nicht einmal den Kopf. Sie schien völlig unbeeindruckt von seiner Äußerung. „Ich hoffe nur.“, erwiderte sie ausweichend, „Dass Novus wirklich das hält, was er versprochen hat, beziehungsweise was aus den Berichten seiner Betreuer hervorgeht. Ayora wäre höchst unwohl dabei, wenn sie ihn auf die Gesellschaft losließe, obwohl er nicht weiß, wie er sich verhalten soll. Viele Dinge könnten …“ Sie hatte bemerkt, dass ihr Assistent ihr nicht zuzuhören schien. „Das hier ist kein Luftkurort, Derek!“, wies sie ihn zurecht. „Wir sind zum Arbeiten hier!“ „Verzeihen Sie bitte, Professor.“, sagte der Terraner mit dem britischen Akzent kleinlaut.

Eine junge zierliche Celsianerin winkte ihnen zu, als sie das Tor zum Grundstück passierten. Jetzt tat sich vor ihnen eine große parkartige Landschaft auf, an deren komplett anderem Ende zwei Gebäude zu sehen waren, die in ihrem Aussehen an großzügige Wohnhäuser erinnerten und in roter Backsteinoptik gehalten waren. Auf mit runden Steinen abgesetzten kleinen Flächen fanden sich Blumentöpfe mit allerlei exotisch anmutenden Pflanzen.

Die ältere Professorin, eine routinierte Fahrerin, brachte den Jeep mit einer sanften Bremsung neben der jungen Frau mit den verspielten kessen schwarzen Locken und der schlanken Statur, die einen langen roten und luftigen Sommerrock mit einer weißen Bluse und braunen Sandalen trug, zum Stehen und deutete auf die Rückbank: „Steigen Sie ein, Tila.“

Reeves öffnete die Beifahrertür, um selbst dem Jeep zu entsteigen und der Fremden die Tür zum hinteren Bereich zu öffnen. „Sehr liebenswürdig.“, lächelte die junge Celsianerin. „Aber ich komme schon zurecht.“ Damit öffnete sie sich selbst die Tür und bestieg das Fahrzeug. Reeves stieg wieder vorn ein. „Es ist nicht weit.“, versicherte die junge Celsianerin. „Wie ich Novus kenne, wird er uns auch schon vom Balkon seines Zimmers aus erwarten. Meine Kollegen und ich haben ihn über Ihr Kommen unterrichtet. Sehen Sie? Da oben ist er.“ Sie deutete auf ein Gesicht, das sich hinter einer der Balkonbrüstungen verbarg.

Professor Saren stellte den Jeep in einer Parkbucht in der Nähe ab und dann folgten sie und Reeves Tila, die sie ins Gebäude führte. Die Eingangshalle des Hauses war mit freundlichen hellen Wandbehängen geschmückt. Gegenüber der Eingangstür gab es eine Sitzecke mit einem runden weißen Tisch und dazu passenden weichen Polstersesseln. Eine reich verzierte Säule in der Hallenmitte verbarg einen doch eigentlich sehr unansehnlichen Liftschacht.

Tila hatte ein Feld an der Wand dieses Schachtes berührt. Bald darauf öffnete sich eine Tür und die Celsianerin bat ihren Besuch in den Turbolift, mit dem sie eine Etage höher fuhren. Von hier aus kamen sie auf einen großen offenen Flur, von dem rechts und links Gänge zu kleinen Wohneinheiten abgingen. In einen dieser Gänge bog Tila jetzt ab und Saren und ihr Assistent folgten ihr. Vor der Wohnungstür blieb sie stehen und betätigte eine Sprechanlage. Kurze Zeit darauf erfolgte die Antwort einer fast jugendlich anmutenden männlichen Stimme von drinnen: „Wer ist dort?“ „Hier ist Tila.“, gab sich die Betreuerin mit ihrer freundlichen hellen Stimme ihrem Gegenüber zu erkennen. „Ich habe Professor Teva Saren und ihren Assistenten mitgebracht. Heute ist dein großer Tag, Novus. Dürfen wir hereinkommen?“ „Aber natürlich, Tila.“, erfolgte seine freundliche Antwort. Dann öffnete sich die Tür.

Saren und ihr Assistent folgten Tila in die Wohnung, deren Einrichtung sich nicht sehr vom Durchschnitt unterschied. Nur fiel Reeves plötzlich auf, dass ihm von zweien der in die Wand eingelassenen Displays die Bilder von Commander Data und Scientist Cupernica entgegenstrahlten. Diese Module hatten auch einen eigenen kleinen Datenkristall, auf den man ebensolche Fotos laden konnte. Der Inhalt konnte bei Bedarf jederzeit geändert werden.

Professor Saren war vor den Bildern stehen geblieben und hatte sie mit Faszination betrachtet. „Sie haben mit keinem Wort erwähnt, dass er Bilder von seinen Eltern hat, Tila.“, bemerkte die Professorin. „Für mich ist das auch neu.“, lächelte die Betreuerin. „Aber ich würde es schon mal als gutes Zeichen werten.“ „Sie meinen, weil auch wir Normalsterblichen gern Bilder von unseren Angehörigen um uns haben.“, scherzte Reeves. Teva Saren und Tila nickten.

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