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    Mit dem Thema Aussagen beschäftigten sich zum gleichen Zeitpunkt auch Cupernica und Sedrin. Die Androidin hatte die Demetanerin wie vorgeschlagen in ihr Haus geführt und beide hatten sich in der Nähe des Hausrechners ins Wohnzimmer gesetzt. Dann hatte Cupernica ihr Haftmodul gezückt und sich damit an den Computer angeschlossen. „Ich habe unterwegs in meiner Datenverarbeitung ein Programm erstellt, mit dem mein Gehirn quasi diesen Rechner fernsteuern wird, wenn Sie so wollen.“, erklärte Cupernica ihr Vorgehen. „Damit wir uns die Daten ansehen können.“, schloss Sedrin. „Das ist korrekt.“, bestätigte die androide Medizinerin. „Ich nehme an, Sie können mich während des gesamten Vorgangs hören, Scientist.“, setzte die Agentin weiter voraus. „Natürlich.“, nickte Cupernica. „Ansonsten wäre ja eine reibungslose Sichtung der Daten nicht möglich. Schließlich müssen Sie in der Lage sein, mir eventuelle Anweisungen zu geben. Ich beginne jetzt mit dem Überspielen der Daten und der Emulation.“

    Sedrin setzte sich ruhig auf die Couch neben Cupernica und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass sie mit der Situation etwas unsicher war. Ihre Bekannte war im Haus der Huxleys bei der eigenen Ansicht der Daten plötzlich sehr ernst geworden, was die intelligente Demetanerin alarmiert hatte. Unter Umständen würden Dinge zutage treten, die sie sehr irritieren könnten und dann war es besser, so dachte Cupernica wohl, wenn sie Sedrin verbal auffangen könnte.

    „Schauen Sie bitte auf den Bildschirm, Agent.“, forderte Cupernica ihr Gegenüber auf. „Ich beginne jetzt. Wie Sie bereits festgestellt haben, kann ich Sie in jeder Phase des Vorgangs hören und so können Sie mich auch stoppen, falls Sie Dinge sehen, die Sie derart aus der Fassung bringen sollten, dass …“ „Ich bin ausgebildete Agentin, Cupernica!“, unterbrach Sedrin sie forsch und mit sehr viel Empörung in der Stimme. „So schnell haut mich nichts um und jetzt hören Sie gefälligst auf, mich ständig zu bemuttern und starten Sie endlich dieses verdammte Programm!“ „Na dann auf Ihre Verantwortung.“, sagte Cupernica nüchtern wie immer und gab dem Rechner einen Befehl in F-14-Code. „Aber werfen Sie mir bitte nachher nicht vor, dass ich Sie nicht ausreichend gewarnt hätte.“

    Sedrin sah das Innere einer Sternenflottenstation vor sich. Tressa, an die sich die demetanische Agentin noch gut erinnern konnte und einige unbekannte Leute standen vor einer Tür, die jetzt aufging. Hinter der Tür saß Huxley an einem Schreibtisch. Neben ihm stand Sedrin. „Anhalten!“, befahl die im Wohnzimmer sitzende Sedrin, die über die Tatsache, ihr eigenes Bild auf dieser Basis zu sehen, sehr erstaunt war. Cupernica ließ die Aufzeichnung einfrieren. „Was mache ich auf dieser verdammten Basis und wo ist das überhaupt?“, fragte Sedrin. „Es ist die Station 449.“, erwiderte Cupernica. „Die Heimatbasis der Jericho.“, Führte die künstliche Lebensform aus. „Sie waren offensichtlich in der geänderten Zeitlinie Commander Huxleys erste Offizierin. Aber passen Sie gut auf. Es kommt noch dicker.“

    Sie ließ den Rechner eine Art Kameraschwenk vollführen und dann sah Sedrin auch Cupernica unter den Offizieren, die Huxley und ihr untergeordnet waren. „Sie auch?“, fragte die Spionageoffizierin. „Affirmativ.“, antwortete die Ärztin und fügte bei: „Das passt auch zu den Scanns, die ich am Jeep gemacht habe, als wir nach der Landung auf den Parkplatz kamen. Ich fand am Jeep nur Reste der künstlichen Substanz, aus der meine Haut besteht. Von Ihrer DNS war nichts zu sehen. Das bedeutet, dass Sie mich nicht begleitet haben, als ich Novus abholte. Offensichtlich war ich in der jetzigen Zeitlinie dabei allein.“ „Warum haben Sie mich nicht mitgenommen, Scientist?“, fragte Sedrin. „Wir sind doch gute Bekannte.“ „Ich würde Sie sogar als meine Freundin bezeichnen.“, korrigierte die Androidin. „Aber, Agent, es wäre wirklich besser, wenn wir einfach fortfahren könnten. Den Grund dafür erfahren Sie noch früh genug und er wird nicht angenehm für Sie sein.“ „OK.“, erklärte sich Sedrin einverstanden.

    Cupernica ließ das Programm weiter laufen. Jetzt setzten sich alle um einen großen runden Konferenztisch in dem Raum, der offensichtlich der Bereitschaftsraum des Commanders der Jericho auf deren Heimatbasis war. „Dann sind wir ja jetzt vollzählig.“, begann Commander Huxley. „Die Regierung möchte, dass wir den Genesianern den Hintern versohlen. Sie haben vor, zumindest wenn man die Truppenbewegungen jenseits der neutralen Zone richtig interpretiert, demnächst in unser Gebiet einzufallen. Dem sollen wir einen Riegel vorschieben. Die Electronica wird uns als Forschungsschiff begleiten, außerdem werden noch andere Kriegsschiffe mit uns im Verband fliegen. Die Electronica kommt deshalb mit, weil sie bessere Sensoren als jedes Kriegsschiff hat. Man hat nämlich ‚n paar merkwürdige Beobachtungen bei den Genesianern gemacht. Time soll das Aufklären.“

    Sedrin lief die Gänsehaut über. Jede Faser ihres strategischen Gedächtnisses schrie regelrecht, dass dies nicht gut gehen konnte. Cupernica, die ihre Reaktion aus dem Augenwinkel beobachtet hatte, stoppte das Programm erneut. Dann sah sie die Agentin auffordernd an. „Oh, Gott, Cupernica!“, rief Sedrin aus. „Das Führungsschiff der Kampfflotte wird von einem Mann kommandiert und das Schiff, das herumschnüffeln soll auch! Die Genesianer werden dies als Beleidigung empfinden! Wo hatte die Regierung bloß mal wieder ihren Verstand?!“ „Wahrscheinlich dachten sie, dass Time für diese Aufgabe der beste Mann wäre.“, schloss Cupernica. „Genau das ist das Problem!“, empörte sich Sedrin. „Bestätigt.“, sagte die Androidin nüchtern und fasste ihrer Sitznachbarin energisch auf den Rücken. „Wenn Sie sich nicht beruhigen, werde ich zum Abbruch dieses Programms gezwungen sein.“, sagte sie. „Wenn Ihre Gesundheit eine weitere Sichtung der Beweise nicht zulässt, muss ich …“ „Nein, nein, Cupernica.“, sagte Sedrin. „Lassen Sie uns ruhig weitermachen. Es ist schon wieder gut.“ „Also gut.“, sagte Cupernica, nachdem sie Sedrin erneut gescannt hatte.

    Die Aufzeichnung schien einen Sprung zu machen, denn im nächsten Augenblick fanden sich alle nahe der neutralen Zone wieder. Im Hintergrund war das Bild des Hauptschirms zu sehen, auf dem Sedrin den gesamten Verband erkennen konnte. Die Electronica lag neben der Jericho und wurde von ihr und der Glasgow flankiert. „Ich schätze, die Kriegsschiffe sollen die Genesianer ablenken, damit der Forscher in Ruhe spionieren kann.“, vermutete Sedrin. „Das ist korrekt.“, sagte Cupernica. „Da Sie dies ja schon richtig geschlossen haben, werde ich den Teil der strategischen Besprechung zwischen Huxley, Time, Hansen und ihren ersten Offizieren inklusive Ihnen überspringen.“ „Moment.“, bremste Sedrin. „Habe ich denn zumindest meine Einwände gegen den ganzen Plan zum Ausdruck gebracht? Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir der Plan in dieser Zeitlinie gefallen hat, oder hat die Zeitlinie auch meinen Charakter verändert?“ „Oh, da kann ich Sie beruhigen, Agent.“, sagte Cupernica. „Aber leider sind Sie durch die Anderen überstimmt worden.“ „Jasager.“, zischte Sedrin. „Aber weiter, Scientist! Dass die Sache gründlich in die Hose gegangen ist, ist mir klar, aber die Details interessieren mich. Ach, noch eins. Wer ist das.“ Sedrin zeigte auf die Frau an der Flugkonsole der Jericho. „Allrounder Shanara.“, antwortete Cupernica. „Sie ist die feste Pilotin und Kommunikationsoffizierin der Jericho und kennt die Reaktionen des Schiffes daher am besten. Und am Waffenpult sitzt Warrior Diana Jackson, die Sie auch kennen dürften.“ „Danke für die Aufklärung.“, sagte Sedrin. „Aber jetzt lassen Sie uns fortfahren.“

    Cupernica ließ das Programm weiter laufen. „Ich finde es nach wie vor eine ziemliche Schnapsidee, was die Regierung uns hier tun lassen will, Jaden!“, hörte Sedrin sich selbst sagen. „Ich habe deinen Einwand zur Kenntnis genommen, Sedrin!“, erwiderte Huxley sehr nervös, denn er konnte, wenn er ehrlich war, die Situation nicht wirklich einordnen und das machte ihm ziemliches Kopfzerbrechen. Sedrin wusste, dass er in einer solchen Situation dazu neigte, seine Unsicherheit durch scheinbare Kontrolle über die Situation zu überspielen. Deshalb flüsterte sie der Waffenoffizierin zu: „Seien Sie auf der Hut, Diana. Unser Cowboy verursacht in solchen Situationen gern ein Blutbad.“

    Der Annährungsalarm piepte. „Shanara, sehen Sie nach, wer da draußen ist!“, befahl Huxley der schwarz gelockten und großen schlanken Klingonin an der Flugkonsole. „Ein Verband aus drei genesianischen Schiffen nähert sich uns, Sir.“, erwiderte die kräftige mittelhohe Stimme Shanaras. „Stellen Sie das Bild auf den Hauptschirm, Shanara!“, befahl Huxley. Shanara nickte und tat, was ihr soeben geheißen worden war. Huxley zählte die Schiffe auf dem Schirm durch und dann die Eigenen. „Hinter uns, der Glasgow und der Electronica sind noch drei weitere Kriegsschiffe.“, sagte er. „Wir sind also eindeutig in der Überzahl. Also los! Bringen Sie uns rein, Shanara! Geben Sie der Glasgow Signal, sie soll neben uns bleiben und dann feuern Sie auf die Genesianer, Jackson, was das Zeug hält. Wenn sie mit ihrer eigenen Verteidigung abgelenkt sind, schlüpft die Electronica durch und schaut sich die sauberen Ladies mal genauer an!“

    Shanara führte den Befehl sofort aus, aber Jackson sah Sedrin an. Die Strategin hatte die merkwürdigen Berichte auch gelesen, wegen denen die Electronica mitgeschickt worden war. „Wir machen einen Fehler, Agent.“, flüsterte sie. „Das weiß ich, Diana.“, flüsterte Sedrin zurück. „Und das wissen auch noch eine Menge anderer Leute auf diesem Schiff. Nur Huxley und die Regierung sind nicht klug zu reden. Aber wie heißt es auf Ihrem Planeten doch so treffend: Aus Schaden wird man klug.“

    „Wir überqueren die Grenze, Commander.“, meldete Shanara. „Komisch.“, stellte Huxley fest. „Die muxen sich ja gar nicht. Also gut, Jackson. Wenn unsere Chancen so gut stehen, dann Feuer!“

    Im gleichen Moment hörten alle die Stimme der obersten Prätora in ihrem Geist: Was glaubt ihr, warum ich euch so nah herankommen lassen habe. Ich weiß längst, was eure Ziele sind. Eure Gedanken sind für mich ein offenes Buch! Gleich werdet ihr die göttliche Macht der Wächterin von Gore fühlen. Hört jetzt einfach alle auf zu atmen. Hört auf zu schlagen, Herzen aller Sternenflottenoffiziere auf diesen Schiffen! Sterbt! Sterbt!

    Sedrin sah alle mit Erstickungsanfällen ringen. Sie sah auch ihr eigenes Ich aus der Vergangenheit mit rotem Kopf zur Seite kippen.

    Erneut gab es einen Sprung und jetzt spielte sich die Szene auf der Krankenstation ab, wo Cupernica reihenweise versuchte, die Besatzungsmitglieder entweder ins Leben zurückzuholen, oder die Konsequenzen des telepathischen Befehls durch Medikamentengaben bei den Sterbenden rückgängig zu machen. Da sie Androidin war und als solche keine Telepathie empfangen konnte, war der Befehl für sie ohne Folgen geblieben. Gerade hatte sie Tressa auf dem Tisch. Sie war die Vorletzte. Bei allen anderen waren ihre Versuche erfolglos geblieben. „Ich spritze Ihnen eine Einheit zellaren Peptidsenker.“, erklärte Cupernica. „Nein.“, hustete Tressa. „Lassen Sie sich durch mich nicht aufhalten. Gehen Sie … Gehen Sie in den Maschinenraum. Der Computer weiß alles. Er weiß alles. Der Code ist 2, 9, 5, 8, 3. Nutzen Sie Ihr Haftmodul. Mein Virus zeigt …Ich dachte, dass die Sache in die Hose gehen muss und habe … Finden Sie Huxley und nehmen Sie auch ihn mit. Der Sturkopf ist ja bestimmt noch auf der Brücke. Versprechen Sie …“ Sie war tot.

    „Sie sind nicht umsonst gestorben, Techniker.“, sagte Cupernica, drehte sich fort und ging in Richtung einer Jeffriesröhre, die sie zum Maschinenraum führte. Hier holte sie ihr Haftmodul aus der Tasche und schloss sich damit an eine Konsole an. „Erkenne Scientist Cupernica.“, sagte der Computer. „Bitte nennen Sie den Autorisierungscode zum Überspielen der Daten.“ Per F-14-Befehl gab Cupernica den Code ein, den Tressa ihr genannt hatte. „Datenüberspielvorgang wird initiiert.“, antwortete der Computer. „Überspiele Daten an Rettungskapsel vier. Lokalisiere Commander Huxley. Transportvorgang in genannte Kapsel wird eingeleitet. Bitte begeben Sie sich ebenfalls dort hin.“

    Cupernica folgte der Anweisung und bald fand sie sich neben Huxley wieder, der sie verzweifelt ansah. „Ich ersticke, Scientist!“, stieß er hervor. „Das werden Sie nicht!“, sagte die Androidin energisch, zog seine Uniformhose herunter und jagte ihm eine Spritze mit zellarem Peptidsenker in den Hintern, dass es krachte. Auch sie hatte es satt, den Kampf gegen den telepathischen Befehl ständig zu verlieren. Dann setzte sie sich auf den Pilotensitz des Schiffes und jenes in Bewegung. Hier endete die Aufzeichnung.

    „Anscheinend haben Huxley und ich das Ganze überlebt.“, schloss Cupernica. „Was mich allerdings sehr irritiert, Agent, ist die Tatsache, dass ich nicht meinem Ich aus dieser Zeitlinie begegnet bin. Wenn ich überlebt habe und sogar Novus abgeholt habe, dann müsste das doch eigentlich der Fall sein.“ „Eigentlich ja, Cupernica.“, stammelte Sedrin, die immer noch mit den Gedanken an den eigenen Tod beschäftigt war. „Aber offensichtlich ist Ihr anderes Ich nicht hier. Weiß der Himmel oder besser der Mächtige, der dies gesteuert hat, wo sie ist. Aber …“ „Woran machen Sie fest, dass ein Mächtiger im Spiel ist?“, fragte Cupernica. „Das Neuralmuster, das Novus gesehen hat.“, entgegnete Sedrin. „Erinnern Sie sich?“ „Ja.“, antwortete Cupernica. „Aber mein Sohn konnte es niemandem zuordnen.“ „Natürlich nicht, Scientist.“, sagte Sedrin. „Aber vielleicht können Sie es. Sagen Sie Novus doch einfach, er soll es Ihnen zeigen.“ „Das wäre einen Versuch wert.“, erwiderte Cupernica. „Nur Sie, Agent, sollten in nächster Zeit Behördengänge vermeiden.“ „Schon klar.“, sagte Sedrin. „Wäre ja höchst unangenehm, wenn einer der zivilen Beamten demnächst Besuch von einer Toten bekäme.“ „Statistisch gesehen sind die Herzen von Beamten an sich nicht sehr stressresistent.“, bestätigte Cupernica.

    Ginalla hatte Data in ihr Haus geführt und dort waren sie jetzt in ihrem knallbunt eingerichteten Wohnzimmer angekommen. Die Einrichtung erinnerte sehr an einen tindaranischen Haushalt. Ginalla musste sich eindeutig von den dort vorherrschenden architektonischen Vorgaben inspirieren lassen haben. Wie in jedem modernen celsianischen Haus waren die Wände mit sich aneinander reihenden Displays gepflastert, die alle mit dem Hausrechner verbunden waren und über diesen beliebige Muster an die Wand zaubern konnten, von denen viele über öffentliche Netzwerke zu bekommen waren und auch jederzeit geändert werden konnten. Ginalla hatte sich heute mal für ein Frühlingsmotiv entschieden. Das Zimmer an sich war rechteckig geschnitten. In der Mitte stand ein runder Tisch, auf dem sich der Rechner mit samt dem Replikator befand. Der ovale Tisch hatte eine braune Oberfläche und emittierte eine Holzmaserung. Um ihn herum befanden sich die typischen tindaranischen Sitzkissen in zylindrischer Form, die alle samt lila waren. Das musste Ginalla auch von Tindara mitgenommen haben. Nur die Farbe war ihr eigener individueller Einschlag.

    Mit einem Hackentrick, der jeden Fußballer vor Neid erblassen ließ, stieß Sie eines der Kissen um und kickte es Data zu. „Setzen Sie sich.“, sang sie, während sie zum Replikator ging. „Ich verschwinde nur kurz ins Schlafzimmer.“ Damit war die junge Celsianerin aus der Tür.

    Data richtete das Kissen auf und setzte sich nah an den Tisch. Was sie vorhatte, wusste der Androide nicht, aber er wollte es gern herausfinden und ihm war klar, dass dies nur ging, wenn er ihr Spiel mitmachte.

    Während er dort saß, gingen Data Ginallas Worte bezüglich des Rechtsstatus von Androiden bei den Genesianern nicht aus dem Kopf. Er musste an Novus denken, der jetzt ja nichts weiter als eine Maschine in den Augen der herrschenden Klasse sein musste. Wahrscheinlich gab es das kybernetische Forschungsinstitut auf Celsius noch nicht einmal mehr. Er überlegte, ob er Ginallas Sprechgerät für eine Recherche benutzen sollte, ging dann aber doch wieder davon ab. Wenn die Genesianer eine Maschine wollten, dann würden sie auch eine bekommen. Der Unterschied zwischen einem Androiden und einem Roboter war Datas Definition nach der, dass ein Roboter keine eigenen Entscheidungen traf und auch nicht selbstständig handeln konnte. Er war sicher, dass Ginallas Plan irgendetwas damit zu tun hatte, konnte sich aber beim besten Willen nicht vorstellen was. Um eine Simulation eventueller Möglichkeiten zu erstellen, fehlten ihm Daten. Dazu kannte er sie noch nicht gut genug, aber er beschloss, seine Theorie zu testen.

    Singend kam Ginalla aus dem Schlafzimmer zurück. Sie hatte sich in ihrem Aussehen sehr verändert. Ihre lockere Sommerkleidung hatte sie gegen einen grauen Overall getauscht, wie ihn Frachterpiloten trugen. Auch entsprechende Sicherheitsschuhe hatte sie an. So ging sie nun wie ein Model vor Data auf und ab und pfiff sich selbst die Musik zu ihrem Laufstegauftritt. Sie wunderte sich nur, warum Data sie keines Blickes würdigte, sondern immer nur in Richtung Wand starrte. Sie setzte sich sogar direkt neben ihn, aber immer noch erfolgte keine Reaktion. Schließlich sprach sie ihn an: „Data, ist alles in Ordnung?“ „Kybernetisches Hilfsgerät Soong II erwartet Ihre Befehle.“, antwortete Data nüchtern. „He?“, machte Ginalla irritiert. „Sagen Sie das noch mal. Ich glaub’ ich hab’ mich verhört.“ „Befehl unverständlich.“, erwiderte Data. „OK.“, stöhnte Ginalla. „Dann eben nicht in ganzen Sätzen. Letzten Satz wiederholen!“ „Kybernetisches Hilfsgerät Soong II erwartet Ihre Befehle.“, wiederholte Data. „Kopf um 45 Grad nach rechts drehen!“, befahl Ginalla. „Mich Scannen!“ Dann grinste sie über beide Ohren. „Ich hab’s, Data. Sie können mit dem Schauspielern aufhören. Ich hab’ gerafft, dass Sie gerafft haben, worum es geht.“ „Das konnte ich mir denken.“, sagte Data. „Was genau hat Ihnen ermöglicht, mein Spiel zu durchschauen?“ „Kybernetisches Hilfsgerät Soong II.“, grinste Ginalla. „Das sieht doch 'n Blinder mit Krückstock, dass nur Sie sich so bezeichnen würden, wenn Sie sich als Maschine darstellen wollen. Hoffen wir nur, dass die Genesianer so blöd sind, auf den gleichen Trick hereinzufallen, falls wir einer Patrouille begegnen sollten.“ „Sie sind also mit meiner Historie vertraut?“, fragte Data. „Sicher.“, sagte Ginalla. „Wer kennt die nich’?“ „Dieser Umstand irritiert mich.“, sagte Data. „Sonst wollten Sie doch mit allem, was Föderation ist, nie etwas zu tun haben.“ „Aber das hat sich jetzt grundlegend geändert.“, sagte Ginalla. „Wissen Sie, ich habe mein Leben in zwei Hälften eingeteilt. VSH und NSH.“ „Vor Shimar und nach Shimar.“, schloss Data. „Ich nehme an, Sie spielen auf die Behandlung an, die Shimar Ihnen im Gefängnis von Sytania zuteil werden lassen hat.“ „Genau, mein künstlicher Freund.“, sagte Ginalla und grinste wieder. „Ach, es war so klasse! Ich beneide Allrounder Betsy. Sie könnte das jeden Tag haben, wenn sie wollte. Ich hätte nicht gedacht, dass Probleme an die Oberfläche zu holen und sie zu lösen so ein Wow-Erlebnis sein kann.“ „Wie genau würden Sie dieses Wow-Erlebnis definieren?“, fragte Data. „Auf einer Skala von eins bis zehn?“, fragte Ginalla. Data nickte. „Ich würde sagen, es war ein eindeutiges 10-fach-Wow-Erlebnis.“ Sie setzte einen genießerischen Blick auf.

    „Sollten wir nicht jetzt Ihren Plan weiter verfolgen, Ginalla?“, wollte Data wissen. „Aber sicher doch.“, sagte die junge Celsianerin und stand wieder vom Sofa auf, um erneut den Replikator aufzusuchen. Da sie genau vor dem Gerät stand, war es für Data unmöglich, herauszubekommen, was sie dort tat. Erst als sie sich wieder umdrehte, sah er, was sie repliziert hatte. Aus dem Gerät war ein merkwürdiger Plastikanzug zum Vorschein gekommen, der genau Datas Körpergröße entsprach. Aber es war nicht nur eine weiße Folie, die auch an den Füßen und Händen geschlossen war, sondern sie hatte auch eine Kapuze, an die sich sogar eine Gesichtsmaske anschloss. Dieses Ding breitete sie nun vor Data aus. „Wenn ich den Rest repliziert und zusammengebaut habe, schlüpfen Sie am besten mal in was Bequemes.“, grinste sie und zeigte auf den Anzug. „Ich hoffe, Sie müssen nicht wirklich atmen, um überleben zu können.“ „Die Luftzirkulation, die Sie wahrnehmen.“, begann Data. „Dient zur Kühlung meiner Prozessoren. Wenn diese aber nicht sehr beansprucht werden, kann ich sie auch eine gewisse Zeit deaktivieren.“ „Um so besser.“, sagte Ginalla und zog eine Art Schweißgerät aus der Tasche. „Ich werde Ihre Verpackung nämlich verschließen müssen.“ „Gut.“, antwortete Data gleichmütig. „Ich nehme an, ich soll den Flug zur Erde über bewusstlos sein. Das bedeutet, dass meine Prozessoren wirklich nicht viel zu tun haben werden.“ „Ich wusste, wir verstehen uns.“, grinste Ginalla. „Muss ich, um für Ihre Bewusstlosigkeit zu sorgen, eigentlich irgendwas bei Ihnen machen?“ „Seit mich die fremden Wesen gefunden und verbessert haben, ist dies nicht mehr nötig.“, antwortete Data. „Ich kann mich selbst durch reines Denken entsprechend programmieren.“ „Cool.“, grinste die Celsianerin.

    Erneut hatte Ginalla den Replikator mit Daten gefüttert und zum Vorschein waren zehn silbern glänzende Bretter aus Metall, Schrauben und Muttern sowie ein elektronisches Schloss und Werkzeug gekommen. „Ich nehme an, das wird meine Frachtkiste.“, vermutete Data. „Schlaues Kerlchen.“, lobte Ginalla. „Das hier ist ein ganz normaler Haushaltsreplikator. Damit kann ich so große Dinge nicht im Ganzen replizieren. Deshalb muss ich die Kiste jetzt zusammenbauen.“ „Darf ich Ihnen assistieren?“, fragte Data und nahm sich einen der Magnetschraubenschlüssel.“ „Aber gern.“, lächelte Ginalla.

    Kamurus hatte das celsianische Sonnensystem erreicht. Auch an dessen Grenze hatte er eine genesianische Boje gesehen. Er war froh, dass er so weit gekommen war, ohne einer Grenzpatrouille aufzufallen. Er hatte sich immer unterhalb der Sensoren gehalten und so gehofft, dass die Genesianer ihn nicht bemerken würden. Er wusste, dass er von dem Wesen Wissen erhalten hatte, das ihm sehr gefährlich hätte werden können und er würde auch immer noch sehr aufpassen müssen. Würde er einer Grenzpatrouille begegnen und diese würde ihn aufbringen und man würde ihn auf Genesia Prime untersuchen, dann würde man auch dieses Wissen finden und das würde das momentane Weltbild der Genesianer ins Wanken bringen, was diese sicher nicht gut finden würden. Das Wesen hatte ihm vor ihrem Tod alles gestanden. Daraus konnte Kamurus glasklar schließen, dass dies alles nicht rechtens wahr, zumindest dann nicht, wenn man die Moral der Föderation zugrunde legte, der nach man ja die Zeitlinie nicht verändern durfte. Aber da war ohnehin noch etwas, das sich auch das Wesen hatte nicht erklären können. Warum war es ihr gelungen, in der Zeit zurückzureisen und die Zeitlinie derart zu verändern, ohne dass Dill etwas dagegen unternehmen konnte. Dies hatte sie Kamurus noch gebeten aufzuklären, als sie sozusagen ihren letzten Atemzug tat. Das Schiff hatte ihr dies hoch und heilig geschworen. „Wer immer dieses Wesen geschaffen hat.“, sagte Kamurus zu sich. „Der muss eigentlich keine bösen Absichten gehabt haben. Warum das alles doch so böse geendet hat, muss ich herausfinden. Aber Ginalla wird mir ja sicher dabei helfen. Aber erst mal werde ich ihr helfen müssen.“

    Der Bau der Kiste war gut vorangeschritten und Data und Ginalla betrachteten ihr Werk nun aus der Ferne. „Haben Sie keine Probleme mit dem Umstand, dass Sie sich gerade mit mir zusammen diesen Sarg gezimmert haben, Data?“, fragte die Celsianerin. „Wenn es unserem Plan dienlich ist, dann habe ich damit keines.“, antwortete Data. „Na dann.“, sagte Ginalla und öffnete den Deckel der Kiste, um auf ihr Inneres zu zeigen und zu sagen: „Rein mit Ihnen!“

    Data drehte sich zum Wohnzimmertisch, auf dem noch immer der wattierte Plastikanzug lag. „Ich schlage vor, ich steige zuerst in die Kiste und ziehe mich dort um. Dann werde ich mein Bewusstlosigkeitsprogramm starten. Ich bezweifele nämlich, dass Sie in der Lage sein werden, mich in die Kiste zu heben, wenn ich bewusstlos bin. Ich wiege 90 Kilogramm und kann mir vorstellen, dass Ihre Kräfte dazu nicht ausreichen. Außerdem können schwerwiegende Schäden an den Puffermechanismen Ihres Körpers auftreten.“ „Find’ ich ja echt süß von Ihnen, dass Sie sich so um meine Bandscheiben sorgen.“, lachte Ginalla.

    Der Androide nahm den Anzug vom Tisch und stieg in die Kiste. Dann begann er, sich seiner Kleidung zu entledigen, die er Ginalla gab. Diese stopfte sie zusammengelegt in eine extra Tüte, die sie mit dem Schweißgerät verschloss. Dann klebte sie ein Schild mit der englischen Aufschrift: „Zubehör“ darauf. Dieses konnte man auch auf Genesianisch lesen. Sie konnte es allerdings nicht lassen, Data dieses Schild noch einmal grinsend unter die Augen zu halten. Auch ein zweites Schild zeigte sie ihm, auf dem er den von ihm benutzten Gerätenamen wieder erkannte. „Wo hätten Sie’s denn gern?“, fragte Ginalla. „Ich denke, meine Brust wäre ein geeigneter Platz.“, sagte Data und legte sich auf den Rücken. Ginalla schloss die Schweißnähte an der Tüte, während Data sich herunterfuhr und deaktivierte. Dann klebte sie ihm das Schild mitten auf die Brust. Danach legte sie noch vier leichte Kunststoffteile um ihn, deren eine Seite eben war und genau mit der Wand der Kiste abschloss und deren andere Seite genau um die jeweiligen Teile von Data in dem Anzug passte. Dann legte sie das Päckchen mit der Kleidung und eine selbst erstellte Bedienungsanleitung oben auf und schloss die Kiste, um darauf das elektronische Schloss mit einem Code zu sichern.

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