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    Tolea hatte sich im Park ihres Schlosses, das sie wegen der Vendar, die ihr dienten, als Kulisse geschaffen hatte, auf einen Stein gesetzt und schien auf jemanden zu warten. Jedenfalls konzentrierte sie sich unentwegt auf die atmosphärischen Schwingungen in ihrer Nähe, als wollte sie schauen, ob sie von jemandem bei etwas Verbotenem beobachtet würde. Gleichzeitig schien der Umstand, dass die Person, mit der sie sich verabredet hatte, offensichtlich auf sich warten ließ, die Bewohnerin des Raum-Zeit-Kontinuums sehr nervös zu machen. Wir Sterblichen würden wahrscheinlich ständig auf die Uhr schauen, aber Toleas Ersatzhandlung bestand nun mal aus dem telepathischen Scannen ihrer Umgebung.

    Endlich zerriss ein schwarzer Blitz die Luft, auf den Tolea mit Erleichterung reagierte, was eigentlich nicht ihr sonst übliches Verhalten war. Sonst hatten derartige Vorkommnisse sie immer erschreckt und sie eine Verteidigungshaltung einnehmen lassen. Jetzt aber schien sie die Verursacherin des schwarzen Blitzes regelrecht mit offenen Armen zu empfangen. Jedenfalls lächelte Tolea, als der Blitz sich langsam auflöste und in seinem Kern die Silhouette Sytanias zum Vorschein kam.

    Tolea stand auf und ging auf die Gestalt zu, die sich langsam vor ihr materialisierte. „Seid gegrüßt, Milady.“, sagte sie förmlich und machte einen tiefen Knicks. „Auch ich grüße dich, Tolea, meine Verbündete.“, antwortete Sytania auf ihre berühmtberüchtigte hexenartige Weise.

    Die Frauen schritten auf den Felsen zu, auf dem Tolea vorher allein gesessen hatte. „Setzt Euch, Milady.“, sagte Tolea und deutete auf den Platz, der gerade von der Sonne beschienen wurde und auf dem sie selbst gesessen hatte. „Ich bevorzuge eher den Schatten.“, lehnte Sytania dankend ab und setzte sich etwas weiter nach links. „Vom Lichte beschienen zu werden liegt mir überhaupt nicht.“ Wer sie kannte, wusste, wie doppeldeutig diese Aussage zu sehen war. „Wie Ihr wünscht.“, erwiderte Tolea und setzte sich rechts neben die imperianische Prinzessin.

    „Ich habe Euch telepathisch kaum erkannt.“, erklärte Tolea, die ob Sytanias Erscheinen doch etwas überrascht war. „Ich habe zwar gespürt, dass etwas auf mich zukam, aber ich dachte, es sei eine normale Wolke aus Energie, wie sie die Dimensionen eben manchmal hervorbringen.“ „Du schmeichelst mir, Tolea.“, sagte Sytania, die ihre Äußerung durchaus als Lob auffasste. „Genau so wollte ich auch wahrgenommen werden. Man muss sich schließlich gut tarnen, wenn man allein reist.“ „Das ist wohl wahr.“, erwiderte Tolea. „Obwohl Ihr einige Eurer größten Widersacher ja nicht mehr zu fürchten habt. Und der Rest, der frisst Euch aus der Hand.“ „Du hast Recht, Tolea.“, bestätigte Sytania. „Vor allem freut mich der Tod von Time, meinem größten Albtraum. Ich weiß nicht, ob ich Kirk so gehasst hätte, wie ich Time gehasst habe, wenn ich zu seinen Lebzeiten schon gegen die Föderation gekämpft hätte, aber ich bin froh, dass die Regierung der Föderation diesen Fehler gemacht und ihn in den Tod geschickt hat. So bin ich ihn los und kann machen was ich will.“ „Vergesst aber bitte nicht, dass Time auch Nacheiferer hat, die …“, bremste Tolea Sytanias Freude. „An wen hast du denn da gedacht?!“, lachte Sytania schallend auf. „Die Tindaraner zum Beispiel.“, erklärte Tolea. „Oder Huxley.“

    Sytania stand auf, um sich im nächsten Moment vor Lachen auf dem Boden zu wälzen. „Huxley!!!“, lachte sie. „Du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass er eine Chance hat. Immerhin ist er ein Mann und die sind im Augenblick nicht sonderlich hoch angesehen im Föderationsuniversum, fürchte ich! Ohne seine Demetanerin ist er ein Nichts und die ist auch tot. Hat er sich selbst zuzuschreiben. Er hätte einfach auf sie hören und nicht in die Schlacht ziehen sollen. Aber er ist so befehlstreu, dass er ihren Einwand nicht ernst genommen hat. Tja, selber schuld. Oh, beim Teufel, habe ich Bauchschmerzen! So habe ich lange nicht mehr gelacht. Ich hoffe, du wolltest mich einfach nur aufheitern, Tolea. Ich meine, du befürchtest doch wohl nicht wirklich, dass mir von Huxley eine Gefahr drohen könnte.“ „Nein, verehrte Freundin.“, redete sich Tolea heraus. Sie ahnte, dass es besser sein könnte, sich bei ihrer neuen Freundin etwas einzuschmeicheln, denn, was sie ihr mitzuteilen hatte, würde sie vielleicht verärgern.

    Sytania hatte sich mühsam aufgerappelt und setzte sich wieder neben Tolea. „Ich habe beobachtet, wie du das Geistwesen umgebracht hast, das dein Neffe geschaffen hatte.“, erwähnte sie. „Ich hätte es nicht besser gekonnt.“ „Ganz ohne Verletzungen ging das aber für mich auch nicht ab.“, gab Tolea zu. „Und wenn Ihr gesehen habt, was ich getan habe, dann habt Ihr auch den Grund dafür gesehen und wisst, wer mich verletzt hat.“ „Tut mir leid.“, entgegnete Sytania. „Selbst, wenn ich etwas gesehen haben sollte, dann weiß ich es jetzt nicht mehr. Bitte hilf mir auf die Sprünge, Tolea.“ „Da war ein selbstständig denkendes Raumschiff mit einer Rosannium-Waffe.“, erklärte Tolea und hielt sich in Erinnerung an Kamurus’ Angriff den Kopf. „Es hat das Geistwesen verteidigt. Es ist ihm sogar gelungen, mich außer Gefecht zu setzen und dann hat es das Wesen wohl an Bord gebeamt. Mehr weiß ich nicht. Ab dann war ich bewusstlos.“

    Sytania schaute gelangweilt, als sie über Toleas Klagen hinwegging, wie sie es auch vorher bezüglich ihrer angeblichen Nichtwahrnehmung von Kamurus getan hatte. Im Normalfall hätte Tolea jetzt hellhörig werden müssen und ihr hätte auffallen müssen, dass Sytania keinesfalls wirklich eine Freundschaft wollte, sondern sie für die Imperianerin nur eine Spielfigur war. Aber der Normalfall lag hier nicht vor, wie alle bald feststellen sollten.

    „Was hätte das Raumschiff davon gehabt, das Geistwesen an Bord zu beamen?“, fragte Sytania scheinheilig. „Es hätte ihm doch sowieso nicht helfen können.“ „Vielleicht schon.“, erwiderte Tolea. „Es könnte seine Atmosphäre hoch ionisch gemacht haben. Dann hätte das Geistwesen in seinem Inneren überleben können.“ „Aber was hätte das Schiff von seiner Rettungsaktion gehabt?“, fragte Sytania. „Das Geistwesen hätte ihm doch nichts sagen können. Es kann doch mit dem Schiff nicht kommunizieren.“ „Ich glaube, das Schiff wollte das Wesen zu seiner Pilotin bringen, die auf Celsius gewartet hat. Jedenfalls war es dort hin unterwegs.“, berichtete Tolea. „Das Wesen hätte in deren Körper gehen können und dann hätte das Schiff schon mit ihm reden können. Aber dazu war es eigentlich zu schwach, als das Schiff es gefunden hat.“ „Diese selbstständig denkenden Schiffe haben doch alle Neurokopplertechnologie.“, vermutete Sytania. „Ja.“, bestätigte Tolea. Dann fuhr sie zusammen: „Ihr denkt doch nicht etwa … Nein, dazu hätte es die Hilfe seiner Pilotin gebraucht, die den Koppler hätte anschließen müssen. Aber die war nicht bei ihm. Nein, da ist nichts geschehen.“ „Dein Glück.“, sagte Sytania. „Es wäre nicht auszudenken gewesen, wenn dieses Schiff …“ „Es gibt aber immerhin noch jemanden, um den wir uns sorgen sollten.“, gab Tolea zu. „Diran weiß Bescheid. Er weiß zwar nicht viel, aber er hat gesehen, was er gesehen hat. Vielleicht könntet Ihr …“ „Na gut.“, seufzte Sytania. „Wenn man nicht alles selber macht. Lass mich in mein Schloss zurückkehren und darüber nachdenken, wie ich deinen Diener derart aus dem Konzept bringen kann, dass er nicht mehr über das nachdenkt, was er gesehen hat und am Ende vielleicht noch eine Verzweiflungstat begeht, die den armen Diran sein Wissen mit ins Grab nehmen lässt.“ „Gute Idee, Milady.“, strahlte Tolea. „Ihr könntet ihn vielleicht bei seiner Fürsorge packen. Dort ist er am Verletzlichsten. Ich bin überzeugt, er wird alles für meinen komatösen Bruder tun wollen und …“ „Guter Vorschlag.“, sagte Sytania und war mit einem hexenartigen Kichern in einem schwarzen Blitz verschwunden.

    Wie von Kissara angeordnet hatte ich die Granger ins Universum der Föderation zurückgebracht, aber dieses sah auf keinen Fall mehr so aus, wie wir es verlassen hatten. Mein Hilfsmittelprogramm meldete mir unentwegt genesianische Transpondersignale, was ich wiederum sofort Kissara meldete. „Vielleicht habe ich mich bei der Eingabe der interdimensionalen Koordinaten vertippt, Commander.“, suchte ich nach einer Erklärung, die auch in Kangs Anwesenheit glaubwürdig klang. Außer Mikel, Kissara und mir kannte ja niemand die Wahrheit und das sollte auch erst mal so bleiben. „Lassen Sie den Computer den Kurs zur Sternenbasis 817 ermitteln und setzen Sie ihn.“, spielte Kissara mein Spiel mit. „Wir werden ja sehen, ob wir die Grenze zur neutralen Zone überqueren.“ „Aye, Ma’am.“, nickte ich.

    Langsam flog unser Schiff den eingegebenen Kurs. Ich hatte unsere Geschwindigkeit mit Warp eins angesetzt. „Was war das denn?“, raunte mir Mikel auf Deutsch zu. „Sie weiß doch längst …“ „Sie ja.“, gab ich zurück. „Aber Kang und die anderen nicht und ich denke, dass es besser ist, wenn das noch für eine Weile so bleibt. Aber dass du mir sogar abgenommen hast, dass ich unschuldiger getan habe, als ich es eigentlich bin, zeigt mir, dass ich das Schauspielern wohl doch noch nicht verlernt habe.“ „Alles klar.“, verstand er.

    Der Computer machte mich wenig Später auf einen SITCH aufmerksam. „Wir werden gerufen, Commander.“, meldete ich Kissara. „Wer ist es?“, gab sie zurück. „Laut Transpondersignal das genesianische Patrouillenschiff Canara.“, entgegnete ich. „Sie fliegt sehr schnell in Richtung der neutralen Zone. Anscheinend ist sie aber trotzdem auf uns aufmerksam geworden. Ich denke, die Genesianer fragen sich, wo wir auf einmal herkommen.“ „Verständlich.“, sagte Kissara. „Aber verbinden Sie ruhig, Allrounder. Denen werde ich schon eine Erklärung liefern. Ich bin nämlich auch eine passable Schauspielerin.“

    Ich schaltete das Sprechgerät des Schiffes per Menü auf interne Kommunikation um und gab das Rufzeichen ihres Terminals ein. Dann verzog ich mich per 88-Taste aus der Leitung, während ich ihr Bescheid gab: „Sie können sprechen, Commander.“

    Kissara sah das Gesicht einer genesianischen Prätora vor sich auf dem Schirm. Das konnte sie an der Anordnung der Perlen auf dem Halsschmuck erkennen, den sie trug. Jeder Sternenflottenoffizier musste diese Anordnung an der Akademie lernen. „Ich bin Commander Kissara vom Föderationsschiff Granger.“, stellte sie sich vor. „Darf ich erfahren, was Ihr von uns wollt und wie wir überhaupt Eure Aufmerksamkeit erlangt haben, Prätora?“ „Ich bin Prätora Yanista vom Clan der Vetash.“, stellte sich nun auch die Genesianerin vor. „Meine Aufmerksamkeit hast du dadurch erlangt, Thundarianerin, dass du und dein Schiff so plötzlich vor uns aufgetaucht seid. Wir wollen nur wissen, woher ihr gekommen seid.“ „Wir kamen aus Zeitland.“, erklärte Kissara. „Deshalb sind wir wohl auch so plötzlich vor Eurem Schiff aufgetaucht. Eine Interdimensionsreise bringt das mit sich. Das sind physikalische Fakten, gegen die niemand etwas unternehmen kann.“ „Verstehe.“, erwiderte Yanista. „Das erklärt auch die Anwesenheit von Männern auf deiner Brücke. Diesen Umstand solltest du aber schleunigst ändern, wenn du nicht als Rebellin eingeordnet werden willst, Thundarianerin. Ich bin noch gnädig, weil ihr gerade erst aus Zeitland wiedergekommen seid und deshalb zeitlich isoliert wart und die Veränderung eurer Geschichte wohl nicht mitbekommen habt. Ich kann dir aber nur raten, dich so schnell wie möglich anzupassen. Nicht alle Prätoras sind so gutherzig wie ich. Es gibt viele, die deinen Widerstand zu brechen versuchen werden, wenn du die beiden Männer nicht von deiner Brücke entfernst. Betrachte dies als Warnung.“

    Ein Signal ließ uns alle bemerken, dass sie die Verbindung beendet hatte. „Was tut die Canara jetzt, Betsy?“, wendete sich Kissara an mich. „Sie fliegt ihren Kurs weiter, Commander.“, antwortete ich. „Es gibt aber keine Anzeichen dafür, dass wir gescannt werden.“ „Sie haben meine Frage vorweggenommen, Allrounder.“, stellte sie fest. „Aber das war auch gut so. Jedenfalls weiß ich jetzt, dass sie meine Unschuldstour geschluckt haben.“

    Mikel und Kang standen auf und legten ihre Rangabzeichen zunächst ab und dann vor Kissara auf die Konsole. „Die werden Sie brav wieder anstecken, Gentlemen!“, lehnte sie ab. „Jedenfalls wird keiner von Ihnen beiden diese Brücke verlassen, solange ich dieses Schiff kommandiere.“ Kang sah sie ungläubig an und Mikel begann: „Bei allem Respekt, Commander. Sie haben die Genesianerin doch gehört. Offensichtlich ist hier alles genesianisch und als Sternenflottenoffiziere müssen wir uns den kulturellen Gegebenheiten anpassen. Also. Mr. Kang und ich werden jetzt hier rausgehen und dann Elektra fragen, die jetzt ja theoretisch Chefingenieurin sein müsste, ob wir im Maschinenraum die Warpgondeln putzen dürfen. Das wird ja wohl noch das Einzige sein, das wir dürfen. Kommen Sie, Warrior!“

    In einer schnellen Bewegung, die einer Katze auf Beutezug ähnelte, drehte sich Kissara zum Computermikrofon: „Computer, alle Ausgänge der Brücke verriegeln! Mit meinem biologischen Fingerabdruck sichern!“ „Befehl wird ausgeführt, Commander Kissara.“, gab die nüchterne weibliche Rechnerstimme zurück. Ich musste innerlich grinsen, denn das Schauspiel, das ich gerade beobachtete, bekam für mich immer mehr das Aussehen einer Posse. Warum verstand Mikel nicht, worauf sie hinaus wollte? Eigentlich müsste er doch intelligent genug sein, um zu sehen, dass sich Kissara keinesfalls einer inkorrekten Zeitlinie anpassen würde.

    „Was hat das zu bedeuten, Kissara?“, fragte Mikel. „Wollen Sie die Genesianer absichtlich provozieren?“ „Das ist sicher keine gute Idee, Commander.“, mischte sich jetzt auch Kang ein. „Wir sind nur ein Schiff gegen eine ganze Armada von feindlichen Schlachtschiffen. Außerdem sind wir nur ein leicht bewaffneter Forscher und haben obendrein noch die Präsidentin und ihren Stab an Bord. Das sind Zivilisten. Sind Sie wirklich willens, deren Leben für eine Rebellion zu riskieren, die keine Aussicht auf Erfolg hat?“ „Sie werden sich jetzt brav wieder auf Ihre Plätze begeben, Gentlemen.“, sagte Kissara ruhig. „Dann werde ich auch diese Türen wieder öffnen und Ihnen alles erklären. Außerdem bekomme ich langsam einen lahmen Arm. Also nehmen Sie gefälligst diese Rangabzeichen wieder an, die ich Ihnen bereits seit mehreren Minuten entgegenhalte. Schließlich gehören sie Ihnen!“

    Kang drehte sich Mikel zu. „Sie wird uns irgendwann rauslassen müssen.“, flüsterte der klingonische Stratege in das Ohr des terranischen Agenten. „Spätestens bei Schichtende.“ „Hoffentlich.“, flüsterte Mikel zurück. „Sie wissen, Warrior, dass sie auch sehr beharrlich sein kann. Jetzt wird es davon abhängen, wer die bessere Geduld hat.“

    Ich musste lächeln, denn ich ahnte, dass das hier wohl dann doch zu Kissaras Gunsten ausgehen würde. Kang und Mikel waren mir beide nicht als sehr geduldig bekannt, aber Kissara konnte sehr geduldig sein, wenn sie wollte. Sie war da ähnlich veranlagt wie eine irdische Katze, die auch Stunden vor einem Mauseloch verbringen konnte, bis sich die anvisierte Beute endlich blicken ließ.

    „Betsy, beschleunigen Sie uns auf Warp sieben.“, befahl sie mir. „Ich hab’s eilig.“ Ich führte ihren Befehl neugierig aus, denn ich konnte mir nicht vorstellen, warum sie plötzlich so schnell nach Hause wollte. Aber auf der anderen Seite dachte ich mir, dass ihr Befehl auch etwas mit der momentanen Situation bezüglich Mikel und Kang zu tun haben könnte. Wenn ihr nächster Befehl lauten würde, einen Notstopp zu initiieren, dann würden die zwei mit den Hintern auf die Sitze zurückfallen. Ich legte die Hände auf die notwendigen Steuerelemente und sah sie fragend an. Sie beugte sich zu mir und schnurrte mir ins Ohr, was mir anzeigte, dass ich auf dem richtigen Weg war. „Ich zähle bis drei!“, sagte sie mit bestimmtem Ton. „Wenn Sie bis dahin nicht freiwillig sitzen, wird sie dafür sorgen!“ Dabei zeigte sie auf mich. „Eins, zwei, drei! Sie wollen nicht? Na gut! Allrounder, darf ich bitten?!“

    Ich schaltete den Antrieb von jetzt auf gleich auf null, was den unbeabsichtigten Fall von Mikel und Kang in ihre Sitze nach sich zog. „Hat sie doch noch gewonnen.“, zischte Kang.

    „Und nun werde ich mein Versprechen einlösen.“, sagte Kissara ruhig. „Also. Sie wissen, dass dies nicht die korrekte Zeitlinie ist und Sie wissen auch, dass wahrscheinlich Sytania bei deren Veränderung eine Rolle gespielt hat. Sie wird einen Helfer gehabt haben, den wir noch finden müssen, aber ich bin sicher, das gelingt uns auch noch. Ohne einen Helfer wäre sie ja wohl kaum gegen Dill angekommen. Aber vielleicht spielt ja auch Sytania hierbei nur die zweite Geige. Vielleicht ist der Hauptinitiator ja auch ein anderer. Das sind Dinge, die noch zu klären wären. Jedenfalls möchte ich verdammt sein, wenn ich mir von Sytania und ihren Komplizen eine Zeitlinie aufdrücken lasse, nach der ich in Zukunft zu leben habe. Ich denke, da sind wir uns alle einig.“ Mikel, Kang und ich nickten. „Darauf habe ich gehofft.“, sagte Kissara anerkennend. Dann wandte sie sich an mich: „Betsy, setzen Sie unseren Flug fort und formulieren Sie eine SITCH-Mail an alle Stationen, an denen männliche Offiziere arbeiten. Sagen Sie inhaltlich, dass ich mit allen reden möchte und sie sich in einer Stunde im Konferenzraum einfinden sollen. Sagen Sie auch, dass keiner von ihnen Angst um seinen Posten haben muss. Zumindest nicht auf diesem Schiff und solange ich es kommandiere. Diese Zeitlinie wird nur über meine Leiche bestehen bleiben. Zitieren Sie mich ruhig.“ „OK, Ma’am.“, sagte ich und führte ihre Befehle aus. Dabei fiel mir auf, dass Kang und Mikel ja schon Bescheid wussten. „Soll ich Mikels und Kangs Arbeitskonsolen aussparen, Commander?“, fragte ich. „Auf keinen Fall!“, sagte Kissara. „Geben Sie es den Beiden ruhig noch mal schriftlich!“

    Zirell war mit einem Turbolift auf dem Weg in ihr Quartier. Eine Äußerung von Branell hatte sie aber nicht in Ruhe gelassen. Die Ingenieurin hatte sie als verrückt bezeichnet, weil sie einem Mann einen hohen Posten gelassen hatte, obwohl die tindaranische Dimension jetzt unter genesianischer Herrschaft stand. Ein Fakt, mit dem sich Zirell aber nicht abfinden konnte und wollte. Die tindaranische Kommandantin wusste, dass dies nicht die Zeitlinie war, die sie kannte, aber sie würde noch mehr über diese neue Zeitlinie herausfinden müssen, um die richtigen Schlüsse ziehen zu können. Dabei konnte ihr aber nur der verschlagene Maron helfen. Wenn man ihr irgendeine Tindaranerin als erste Offizierin an die Seite stellen würde, für die diese Zeitlinie normal war, dann würde dies nur hinderlich sein. Zwar war Maron nicht immer der Vorzeigedemetaner gewesen, was Hinterlist anging, aber das war Vergangenheit, wie Zirell fand. Spätestens nach seinem Auftritt auf Khitomer, als er die beiden Prinzessinnen genarrt hatte, war ihr klar, dass bei ihm jetzt endgültig der Knoten geplatzt war. Sie würde sich nur etwas einfallen lassen müssen, um zu kaschieren, dass er eben ein Mann war.

    Das Signal der Sprechanlage ließ sie aufhorchen. Am Rufzeichen im Display erkannte sie, dass dieses Gespräch offensichtlich von Jorans Arbeitsplatz kam. Jetzt fiel ihr auf, dass sie sich auch für ihn und Shimar etwas einfallen lassen musste. In die Kristallminen schicken wollte sie zwei ihrer fähigsten Offiziere auf keinen Fall! Schon gar nicht wegen einer Zeitlinie, die nicht korrekt war.

    „Was gibt es, Joran?“, fragte Zirell. „Und was ist so wichtig, dass du mich sogar im Turbolift rufst? Sind die Sonden zurück?“ „Sind sie nicht, Anführerin Zirell.“, antwortete die tiefe leise Stimme des Vendar. „Aber ich habe eine Nachricht von Techniker Branell für dich. Sie sagt, sie wird nicht auf diese Station kommen. Es sei besser für uns alle.“ „Sieh an, sieh an.“, lachte Zirell. „Ist es ihr also zu heiß in der Rebellenhöhle. Aber das ist sogar noch besser. Ich muss mit Jenna über einiges reden. Aber was du mir gerade gesagt hast, ist Musik in meinen Ohren und wird die ganze Sache ziemlich erleichtern.“ Sie hängte das Mikrofon ein und beendete die Verbindung. Dass sie ihn nicht weiter über ihre Absichten informiert hatte, fand sie besser so. Es war ihrer Ansicht nach gut, wenn jeder nur so viel wusste, wie er wissen musste. „IDUSA.“, wendete sie sich an den Rechner. „Turbolift zum Maschinenraum umleiten!“

    Jenna und Shannon saßen vor zwei Arbeitskonsolen, als Zirell den Maschinenraum betrat. „Oh, der Commander persönlich.“, witzelte Shannon. „Achtung, Jenn’, jetzt gibt’s 'n Einlauf.“ „Das glaube ich nicht, Assistant.“, erwiderte die brünette Halbschottin. „Sie sieht gar nicht sauer aus. Eher nachdenklich.“

    Zirell bog zu den Beiden ab, die sie erst jetzt zwischen all den Konsolen erspäht hatte. „Jenn’, ich muss mit dir über einiges reden.“, sagte sie. „Sicher.“, entgegnete die hoch intelligente Ingenieurin. „Worum geht es? Ist es so geheim, dass meine Assistentin nichts mitbekommen darf?“ „Nein.“, antwortete Zirell. „Deine Assistentin muss die Sache vielleicht ja auch mal betreuen, die mir im Punkte Marons Vernehmung von Techniker Branell vorschwebt.“ „Wer ist Techniker Branell?“, fragte Jenna. „Sie betreut die militärische Datenbank.“, antwortete Zirell. „Angeblich hat sich Diran für die Sache mit Shimars Infektion mit schwarzer Macht interessiert. Branell und ihre Assistentin Sanell wollen uns dazu etwas sagen, aber sie hat eine merkwürdige Äußerung gegenüber mir am SITCH gemacht. Sie hat mich gefragt, ob ich denn verrückt sei, einen Mann wie Maron auf einem Offiziersposten zu belassen. Sie machte sich Sorgen um den Umstand, dass die Genesianer das herausbekommen könnten.“ „Das lässt mich schließen, dass die Genesianer wohl jetzt die neuen Herren oder besser Herrinnen über das tindaranische Universum sind.“, schloss Jenna. „Genau so habe ich das auch verstanden.“, sagte Zirell. „Aber das dringendere Problem ist, dass wir eine Möglichkeit finden müssen, wie Branell vernommen werden kann, ohne dass sie Sorge um uns oder sich haben muss. Sie wird nicht auf diese Station kommen. Das mit Maron ist ihr zu heiß. Sie möchte nicht mit einer Rebellin wie mir in Verbindung gebracht werden.“ „Verständlich.“, überlegte Jenna laut. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Genesianer nicht gerade zimperlich mit Widerständlern sind und sie ihr Leben gern behalten möchte. Das Gleiche gilt wohl für ihre Gesundheit. Aber warum wendest du dich damit gerade an mich, Zirell?“ „Du bist das Genie unserer Basis.“, begründete die Kommandantin. „Dir fällt doch meistens etwas ein.“

    Während ihres angeregten Gespräches hatten weder Zirell noch Jenna auf Shannon geachtet. Diese heischte aber im gleichen Moment mittels eines schrillen Pfiffes nach ihrer Aufmerksamkeit. „Setzt mal die Neurokoppler auf.“, grinste sie. „Ich hab’ da mal was gemacht.“ „Na da bin ich gespannt, Assistant.“, sagte Jenna und nahm sich ihren Koppler aus der Ablagemulde. Auch Zirell zog den Ihren aus der Tasche und schloss ihn an. Nachdem IDUSA beide Tabellen geladen hatte, sahen die Kommandantin und die Chefingenieurin in das Gesicht einer Demetanerin. Ihre Statur erinnerte leicht an die von Maron, aber der Bartwuchs fehlte natürlich. Sie trug die Uniform eines tindaranischen Geheimdienstlers. „Hallo, Commander Zirell.“, begrüßte sie die Tindaranerin förmlich mit ihrer hohen freundlichen Stimme. „Ich bin Agent Marin. Ich wurde Ihnen von der Sternenflotte für ganz besondere Fälle überstellt. Bitte stellen Sie die SITCH-Verbindung mit der Zeugin her, die ich vernehmen soll. Agent Maron wird mir über seinen Neurokoppler die Fragen stellen, die ich ihr stellen werde.“

    Eine Weile lang stand Zirell der Mund vor Staunen offen. Dann klatschte sie in die Hände: „Großartig, Shannon! Eine weibliche Marionette für Maron, damit sich die arme Branell nicht vor Angst in die Hose macht. In jedem tindaranischen Haus gibt es Simulatoren, allein schon wegen der IDUSA-Einheiten. Im virtuellen Bereich ist das also kein Problem. Schwierig wird es nur, wenn Joran oder Shimar auf Patrouille gehen. Das dürften die Genesianer auf keinen Fall sehen.“ „Moment, Zirell.“, mischte sich jetzt die Simulation ein. „Laut meinem Kenntnisstand der genesianischen Gesetze darf ein Mann nicht allein auf die Straße. In weiblicher Begleitung ist das kein Problem. Du schickst einfach immer eine Frau mit, wenn die Beiden …“

    „Sie ist ja sogar dialogfähig!“, staunte Zirell. „Und Probleme selbstständig lösen kann sie auch. Wow, Shannon. Das hätte ich dir nicht zugetraut. Aber wie konntest du sie so schnell programmieren?“ „Ich hab’ 'n Bild von Maron als Vorlage benutzt.“, gab die blonde Irin zu. „Dann habe ich IDUSA befohlen, einfach bestimmte Parameter zu ändern. Bei dem Rest hat IDUSA mir auch etwas geholfen.“ „Ach du Schande!“, rief Zirell aus. „Hoffen wir, dass Maron das nie erfährt. Er ist da extrem empfindlich. Aber gut. Lassen wir Agent Marin auf Branell los. Ich informiere Maron.“ „Wir werden alles von hier unten überwachen, falls es technische Probleme gibt.“, versicherte Jenna. „OK.“, nickte Zirell und verließ den Maschinenraum wieder mit einem lächelnden Gesicht.

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