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    Kamurus und Ginalla waren inzwischen im terranischen Sonnensystem angekommen. Von genesianischen Patrouillen waren sie nicht länger behelligt worden. „Ich komm’ immer noch nich’ über deine Aktion mit der obersten Prätora hinweg.“, gab die junge Celsianerin zu. „So was hätte ich dir echt nich’ zugetraut. Sonst warst du doch immer der Vernünftige von uns Beiden.“ „Ich dachte, ein kleiner Rollentausch stünde uns mal gut zu Gesicht.“, scherzte Kamurus. „Du Witzpille.“, lachte Ginalla. „Vorsicht, ich bin verschreibungspflichtig.“, erwiderte der Schiffsavatar. „Hey.“, sagte Ginalla und stellte sich vor, ihm in den Bauch zu pieksen. „Sprüche sind mein Job!“ „Aber du musst zugeben, dass ich ein guter Lehrling bin.“, meinte Kamurus. Ginalla grinste.

    Sie schwenkten in die Umlaufbahn ein. „Du hast gegenüber den Genesianern von einem Kunden gesprochen.“, erinnerte Kamurus sie. „Ich nehme an, das soll der sein, zu dem wir Data schmuggeln. Aber an wen hast du dabei gedacht?“ „Ich dachte an Agent Sedrin Taleris-Huxley.“, sagte Ginalla. „Sie wird clever genug sein, um das alles hier einzuordnen und mit uns einen Plan zu schmieden, wie wir die Geschichte korrigieren können.“ „Deine Idee hat einen Pferdefuß, Ginalla.“, bremste das Schiff sie aus. „Falls der Agent zeitlich integriert war, wird die jetzige Zeitlinie für sie völlig normal sein. Sie wird nicht …“ „Falsch!“, setzte sich Ginalla verbal zur Wehr. „Ich war auch in die Zeit integriert, als die Genesianer das Universum der Föderation eroberten. Aber selbst eine dumme Zivilistin wie ich hat kapiert, dass sie von irgendeinem Mächtigen benutzt worden sind. Oder hast du schon mal eine Genesianerin gesehen, die von sich aus Feuerbälle aus ihren Augen schießen kann. Die Genesianer haben normalerweise solche Fähigkeiten nich’ und das is’ auch nich’ ihre Art zu kämpfen. Der Agent is’ clever. Sie wird das auch gemerkt haben. Also logg dich in die Computer von den Einwohnermeldeämtern hier und finde raus, wo sie verdammt noch mal wohnt! Auf der mirayanischen Hochzeit hat sie mir einen sehr verschlagenen Eindruck gemacht. Mit ihr an unserer Seite werden wir das Kind schon wieder aus dem Brunnen ziehen, in den es gefallen ist.“ „Wie du willst.“, sagte Kamurus. Am Gesicht des Avatars konnte Ginalla aber gut ablesen, dass er keine sehr großen Hoffnungen für ihren Plan sah. Wenn sie niemanden auf einer hohen Ebene finden würden, der mitmachte, dann würden sie völlig allein dastehen. Sedrin war ja auch nur ein kleines Rad im Getriebe des Geheimdienstes.

    Tatsächlich musste das Schiff wenig später ihre Hoffnungen begraben. „Es gibt einen Eintrag zu Sedrin Taleris-Huxley.“, sagte er. „Allerdings im Sterberegister.“ Er legte ihr den Eintrag auf den Neurokoppler. „Verdammter Mist!“, fluchte Ginalla. „Das hätte ich nicht besser ausdrücken können.“, grinste Kamurus. „Du und dein schwarzer Humor.“, sagte Ginalla mürrisch. „Aber was ist mit den anderen? Was ist mit Scientist Cupernica oder den Scotts. Hast du …“ „Cupernica ist Androidin.“, rief Kamurus ihr die Fakten in Erinnerung. „Und Techniker Scott ist in einem Gefängnis auf Genesia Prime oder zumindest in dessen Nähe, wenn du dich bitte erinnern könntest. Allrounder Betsy Scott ist mit der Granger irgendwo auf Mission, schätze ich. Ich werde mich nicht in die Sternenflottencomputer hacken, falls du das beabsichtigst. Wir müssen vorsichtig sein.“ „Schon gut.“, sagte Ginalla zu seiner Beruhigung und strich seinem Avatar virtuell über das Haar. „Das verlange ich ja auch nich’. Aber was ist mit Commander Huxley? Der is’ doch Agent Sedrins Witwer, wenn ich mich nich’ völlig vergaloppiere. Krieg’ raus, ob er …!“ „Ginalla.“, stöhnte Kamurus auf. „Männer sind nicht mündig unter den Genesianern. Selbst wenn er noch lebt, darf er keine eigene Entscheidung treffen. Er kann also keinen Roboter bestellt haben. Er darf auch keinen SITCH beantworten geschweige denn überhaupt …“ „Dann hat eben seine Frau zu ihren Lebzeiten die Bestellung aufgegeben!“, widersprach Ginalla mit leichter Wut in der Stimme. „Schau dir bitte noch einmal das Sterbedatum von Sedrin an.“, sagte Kamurus und zeigte ihr den Ausschnitt erneut. „Das würde auf ein halbes Jahr Lieferzeit hindeuten. Das wäre doch für eine Firma, die Roboter für den Alltag herstellt, echt peinlich, findest du nicht?“ „Was kümmert uns das!!!“, schrie Ginalla wütend. „Wir sind doch nur die Spedition. Wieso mäkelst du eigentlich heute an allem rum, was ich sage. Sitzt dir dein Warpplasma quer?! Auf wessen Seite stehst du eigentlich?!“ „Ich will nur, dass unser Plan wasserdicht ist, Ginalla.“, erklärte Kamurus. „Die Genesianer sind nicht zimperlich, wenn sie das Gefühl haben, dass sie jemand veralbert. Dass solltest du noch ziemlich genau wissen.“

    Er hatte einen wunden Punkt bei ihr erwischt. Ginalla konnte sich noch sehr genau an ihren Aufenthalt in dem genesianischen Gefängnis erinnern. Bei dem Gedanken daran zog sich bei ihr alles zusammen. „Sorry, Kamurus.“, sagte sie. „Wenn ich dich nich’ hätte und die dicken Kartoffeln. Ich kann dich voll verstehen. Aber was machen wir denn jetzt?“ Sie machte ein nachdenkliches Gesicht und auch der Avatar legte den Kopf in die Hände und kratzte sich am selben.

    „Warte mal.“, sagte Ginalla plötzlich. „Die Genesianer werden ja wohl kaum zulassen, dass Mr. Huxley lange unverheiratet bleibt. Deren Meinung nach sind Männer doch nur für zwei Dinge gut.“ Sie machte eine Bewegung, als wolle sie Steine schleppen und dann eine, die eindeutig zweideutiger war. „Du hast Recht.“, sagte Kamurus. „Zumal Männer laut der genesianischen Auffassung vom Leben allein total hilflos sind. Aber ich finde keinen Eintrag mit einem weiblichen Vornamen.“ „Was kannst du dafür, wenn die ihre Seiten nicht rechtzeitig aktualisieren?“, fragte Ginalla grinsend. „Pass auf, Kamurus. Ich diktiere dir jetzt eine SITCH-Mail. Die schickst du an das Rufzeichen von Huxley. Mal sehen, was dann passiert.“ „Also gut.“, sagte der Schiffsavatar, der langsam auch wieder Hoffnung schöpfte, und zeigte ihr das entsprechende Programm.

    Cupernica hatte sich im Haus der Huxleys eingerichtet. Wegen Commander Huxleys medizinischer Situation fand sie dies besser. Sie wollte in Rufweite bleiben, falls es ihm schlechter gehen würde. Jetzt beobachtete sie, wie sich Sedrin neben ihren Ehemann, der auf dem Sofa im Wohnzimmer lag, setzte. „Du musst ziemlich verwirrt sein, Jineron.“, sagte sie weich und strich ihm über die rechte Wange, die er ihr zugewandt hatte. „Das stimmt, Jinya Demetana.“, gab Huxley zu. „Ich meine, du bist tot und plötzlich stehst du hier vor mir und veranlasst, dass ich 'ne Beruhigungsspritze von einer kriege, die eigentlich längst in irgendeiner Müllverwertungsanlage Säcke stapeln oder sonst welche Arbeiten auf Befehl verrichten müsste.“ „Das verstehe ich nicht, Jaden.“, erwiderte Sedrin. „Ich meine, Cupernica ist eine Frau. Die Genesianer sollten …“ „Sie ist in ihren Augen weder Mann noch Frau, Jinya.“, antwortete Jaden. „Sie ist für sie nur eine Maschine wie Novus, Data, Sensora, Switcher und all die anderen Androiden.“ „Entschuldige, Jaden.“, sagte Sedrin. „Diesen Umstand habe ich doch tatsächlich nicht bedacht. Danke für deine Aufklärung. Das musst du weiter so machen, Jineron. Du bist der Einzige, der mir helfen kann, mich in dieser neuen Zeitlinie zurechtzufinden. Ich war temporal isoliert, als die Geschichte verändert wurde. Ich kann nicht wissen, wie hier der Hase läuft. Das muss ich aber, um die richtigen Pläne schmieden zu können, damit wir die Zeitlinie wieder korrigieren können. Also, was ist geschehen? Was ist in diesem halben Jahr zwischen der Schlacht und jetzt noch geschehen?“

    Bevor er antworten konnte, war ihr aufgefallen, dass das Sprechgerät auf dem Wohnzimmertisch ständig piepte und blinkte. Am Symbol im Display sah Sedrin, dass eine SITCH-Mail angekommen war, die sie sogleich öffnete. Kurz überflog sie den Inhalt, um danach festzustellen: „Hm, einen Roboter haben wir nie bestellt. Aber diese Unterschrift. Ich kenne eine Ginalla. Sie war auch auf der mirayanischen Hochzeit dabei. Sie hatte einen ziemlich knalligen Auftritt. Aber sie ist Zivilistin und daher sollten wir alles tun, um sie zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie nicht mit uns in Verbindung gebracht werden kann, damit ihr nichts passiert. Ich werde ihr antworten. Aber anders als alle denken.“

    Sie griff in ihre Tasche und holte Carusos Halsband hervor. Dann ging sie damit zu Cupernica. „Scientist, die Technologie in diesem Halsband steuert doch im Augenblick das Rufzeichen Ihres heimatlichen Rechners an, oder?“, fragte sie. „Natürlich.“, antwortete die Androidin. „Darauf ist sie programmiert. Das rein numerische Rufzeichen benutzt unseres als Heimatbasis und würde alles, was Caruso erlebt, theoretisch an es übermitteln.“ „Kann man diesen Umstand ändern?“, fragte Sedrin. „Affirmativ.“, antwortete Cupernica. „Aber dazu benötigen wir die Installationssoftware. Die habe ich in unserem Haus. Allerdings kann ich schneller laufen als jedes biologische Wesen. Ich könnte sie also holen. Sie kann auf jedem Rechner installiert werden.“ Sedrin nickte. „Dann mache ich mich auf den Weg.“, sagte Cupernica und war verschwunden. Erleichtert setzte sich Sedrin auf einen Stuhl. Sie wusste, dass die Qualität der Verbindung zu wünschen übriglassen würde, denn Mikrofon und Kamera am Halsband waren eigentlich nicht auf normale Kommunikation ausgerichtet. Auch der Lautsprecher für die Gegenrichtung, über den der Haustierbesitzer im Notfall Dinge wie: „Nein!“, übermitteln konnte, hatte eine ähnliche technologische Stufe. Aber damit würde Ginalla leben müssen. Allein durch das numerische Rufzeichen würde keiner darauf kommen, dass die Antwort auf die Mail aus dem Hause der Huxleys kam und um die Umlaufbahn zu erreichen, musste der SITCH über ein weiteres Sprechgerät als Relais. Das machte es noch schwerer, die Verbindung zu verfolgen.

    Cupernica war zurück. In ihrer Hand hielt sie einen Datenkristall, den sie sofort in den Hausrechner schob. „ Bitte schließen Sie die Schnalle des Halsbandes, Agent.“, bat sie. „Dann ist es aktiv und der Computer kann eine so genannte Kommando- und Diagnoseverbindung herstellen.“ „Sicher.“, nickte Sedrin und tat, worum ihre ehemalige Kameradin sie soeben gebeten hatte.

    Cupernica klickte sich per Touchscreen durch diverse Meldungen. Dann fragte sie: „Mit welchem Rufzeichen soll das Halsband Verbindung aufnehmen, Agent?“ „Lesen Sie sich den Absender der Mail durch.“, sagte Sedrin und deutete auf das Sprechgerät. „Dann wissen Sie es.“

    Cupernica wandte kurz den Kopf und gab dann in einer ziemlich hohen Geschwindigkeit das entsprechende Rufzeichen in die Maske ein. Dann bestätigte sie noch eine Meldung, der nach die Verbindung nur über ein Relais herzustellen war und setzte das Rufzeichen der Huxleys als Relais fest. „Dann wollen wir mal.“, sagte Sedrin und hielt sich das Halsband vor den Mund. „Sobald Sie reden.“, klärte Cupernica sie auf. „Beginnt das Halsband zu senden. Schweigen Sie, schaltet es wieder auf Empfang.“ „Danke für den Hinweis.“, flüsterte Sedrin noch vom Mikrofon abgewandt.

    Mit dem Neurokoppler auf dem Kopf hatte Ginalla geduldig in Kamurus’ Cockpit der Dinge geharrt, die da kommen müssten. „Wir werden keine Antwort bekommen, Ginalla.“, resignierte das Schiff. „Ich schlage vor, dass wir die Kiste ins Wohnzimmer der Huxleys beamen und dann verschwinden. Die Codes für das Schloss hast du ja in der Mail übermittelt und mit dem Rest würde Huxley hoffentlich klarkommen. Dazu muss er ja nicht auf die Straße und das einzige Wort, das er sagen muss, wird ihm wohl auch keiner krumm nehmen.“ „Warum hast du es auf einmal so eilig, Kamurus?“, fragte Ginalla. „Ich sorge mich nur um den Umstand, dass vielleicht eine genesianische Patrouille … Warte mal.“

    Auf einer technischen Anzeige, die Ginalla am unteren Rand des virtuellen Bildschirms für die Steuerkonsole sehen konnte, veränderten sich plötzlich einige Zahlen. Die technisch begabte Celsianerin gewann den Eindruck, dass ihr Schiff etwas zu analysieren versuchte. „Was hast du da, Kamurus?“, fragte sie. „Das weiß ich nicht genau, Ginalla.“, antwortete der Schiffsavatar, der ein sehr konzentriertes und nachdenkliches Gesicht machte. „Ich helf’ dir.“, schlug Ginalla vor. „Zeig mal her!“ „Das dürfte schwierig werden.“, erklärte Kamurus. „Ich liebe schwierige Sachen.“, erwiderte Ginalla. „Na gut.“, sagte Kamurus. „Aber fall mir bitte nicht gleich in Ohnmacht.“ „Ach was.“, lachte Ginalla. „So schnell haut mich nix um.“ „Du hast es nicht anders gewollt.“, sagte Kamurus und stellte ihr auf den Neurokoppler, was er selbst gerade empfangen hatte. „Ich bin Agent Sedrin Taleris-Huxley.“, meldete sich eine bekannte Stimme in Ginallas Ohr. „Ich will vermeiden, dass Sie wegen mir in Schwierigkeiten geraten, Ginalla. Also beamen Sie bitte einfach Ihre Fracht zu uns und verschwinden Sie dann so schnell Sie können. Sie sind Zivilistin und ich ausgebildete Sternenflottenoffizierin. Ich weiß besser, was jetzt für Sie gut ist in diesen Tagen.“

    Blass zog sich Ginalla den Neurokoppler vom Kopf, bemerkte aber gleich, dass sie ihn wieder aufsetzen musste, um weiterhin mit Kamurus kommunizieren zu können. „Hör mal, du Ass!“, rief sie aus. „Von wegen, wir kriegen keine Antwort. Du bist vielleicht ein Tiefstapler, oder wie soll ich das nennen, wenn du sogar in der Lage bist, mir eine SITCH-Verbindung mit dem Jenseits zu ermöglichen, oder wie würdest du das nennen, was du da gerade gezaubert hast? Aber wieso haben die da drüben rein numerische Rufzeichen? Von deiner Nummer mit der Obergenesianerin war ich ja schon schwer beeindruckt, aber das hier toppt echt alles! Könnt ihr das alle?“ „Ich habe definitiv keine Verbindung mit dem Jenseits, Ginalla.“, zerstörte Kamurus ihre Illusion. „Die Verbindung mit diesem numerischen Rufzeichen führt über ein Relais im Hause der Huxleys. Das habe ich herausbekommen. Mehr weiß ich aber nicht. Die Verbindung ist grausam, aber ich denke, das muss an dem anderen Sprechgerät liegen. Ich habe versucht, alles herauszuholen, was ich konnte. Aber das Bild und die Tonqualität lassen mich schließen, dass ein Gerät auf der anderen Seite verwendet wird, das eigentlich nicht für diesen Zweck gebaut ist.“ „Oh, Mann!“, entfuhr es Ginalla. „Da haben die Behörden wohl eine für tot erklärt, die es eigentlich gar nich’ is’ und die nutzt das jetzt schamlos aus. Würde ich aber genau so machen an deren Stelle.“ „Nein, Ginalla.“, berichtigte Kamurus. „Agent Sedrin Taleris-Huxley ist tatsächlich tot. Es gibt ein Grab mit ihrer Leiche auf dem Friedhof in Little Federation.“ Er zeigte ihr das Bild. „Und mit wem habe ich dann gerade gequatscht, he?“, fragte Ginalla. „Ich sagte doch, du bist ein Ass. Bringt mich in Kontakt mit dem Jenseits und gibt es dann noch nich’ mal zu. Aus der Nummer kommst du nich’ mehr raus, mein Lieber, hi-hi.“ „Ginalla, es gibt noch eine andere viel logischere Erklärung.“, widersprach das Schiff. „Was ist, wenn sie temporal isoliert war, als die Geschichte verändert wurde. Dann könnten die Auswirkungen der neuen Zeitlinie völlig ohne Wirkung auf sie gewesen sein. Dann ist sie zurückgekehrt und sucht jetzt nach Verbündeten. Aber …“ „Aber meine Hilfe is’ ihr nich’ gut genug?!“, fragte Ginalla fast beleidigt. „Ich bin sicher, so meinte sie das nicht.“, interpretierte Kamurus. „Sie wollte dich nur beschützen. Das ist die Aufgabe des Militärs der Föderation, also der Sternenflotte. Ihre Aufgabe ist es, Zivilisten zu beschützen. Wir sollten tun, was sie gesagt hat. Das finde ich auch besser.“ „Ich aber nich’.“, sagte Ginalla und stand vom Sitz auf. „Der werde ich was husten. Mich braucht die nich’ zu beschützen. Die gute Ginalla weiß, wie man überlebt. Was bildet die sich ein? Hat die völlig vergessen, dass ich ein genesianisches Gefängnis und eins bei Sytania überlebt hab’?“ „Und ich dachte, du hättest dich geändert.“, seufzte Kamurus. „Das hab’ ich doch auch.“, entgegnete Ginalla. „Oder glaubst du ernsthaft, ich hätte sonst die ganze Sache mit Data und dem Schmuggel hier organisiert? Wenn ich noch die alte Ginalla wäre, dann hätte ich aus der Situation meinen Vorteil gezogen, wie sie jetzt is’ und mich einen Scheißdreck um die Zeitlinie geschert. Ich will ihr ja nur deutlich machen, dass sie sich nich’ so aufblasen soll. Ich finde nämlich garantiert das Ventil, mit dem ich ihr die Luft ganz schnell wieder rauslassen kann und das heißt Transporter von Kamurus, jawoll! Du beamst mich mit der Fracht zusammen runter. Dann blase ich ihr den Marsch und trete ihr verbal in den …“ „Schon klar.“, lächelte Kamurus, der genau wusste, dass er sie nicht umstimmen können würde. „Aber vergiss dein Sprechgerät nicht.“ „In meiner Tasche.“, sagte Ginalla. „Und jetzt mach!“

    Wenig später fand sich Ginalla im Wohnzimmer der Huxleys wieder. Neben ihr stand die Frachtkiste. „Das is’ vielleicht 'n Scheißwetter heute.“, flapste sie der vor ihr stehenden und ziemlich bedient schauenden Sedrin entgegen. „Wolkig mit Aussicht auf Frachtkisten. Kucken s’e mal, Mrs. Huxley. Sogar der Boden is’ nass.“ „Ginalla!“, rief Sedrin aus. „War ich am SITCH nicht deutlich genug?“ „Deutlich.“, überlegte die Celsianerin halblaut. „Hm, tja, wie man’s nimmt. Die Verbindung war beschissen, jedoch nich’ hoffnungslos. Ob Tulpen, ob Narzissen, ich fand sie echt beschissen. Da nimmt es nich’ Wunder, wenn man mal was in den falschen Hals kriegt. Wie war das nu’? Soll ich bleiben oder gehen?“

    „Deine arme Zivilistin scheint doch mehr drauf zu haben, als du wahrhaben willst, Jinya.“, meldete sich ein hoch amüsierter Huxley aus dem Hintergrund. „Ich glaube, die weiß sich schon zu wehren.“ „Aber jenaustens, mein Bester.“, erwiderte Ginalla in seine Richtung.

    Huxley stand auf und ging auf die Kiste zu. „Was ist da drin, Miss Ginalla?“, fragte er. Lächelnd gab die junge Celsianerin den Code für das Schloss ein. Dann sahen alle auf den bewusstlosen Data. Sedrin schnappte sich sofort das von Ginalla selbst erstellte Handbuch und schlug die erste Seite auf. „Hier steht, dass nur der ihn aktivieren kann, der seinen richtigen Namen kennt.“, las sie vor. „Der richtige Name von dem hier.“, begann Huxley. „Ist auf keinen Fall kybernetisches Hilfsgerät Soong II, sondern.“, er beugte sich zu Datas Ohr: „Data!“

    Sogleich begann Data mit den Testbewegungen, die sogar seine Verpackung sprengten. Dann richtete er sich auf und sagte: „Danke, Commander Huxley. Ich nehme an, ich bin auf der Erde.“ „Das sehen Sie goldrichtig, mein Freund.“, sagte der breitschultrige Amerikaner.

    „Dann mach’ ich mal 'n Abflug.“, sagte Ginalla. „Hab’ ja schließlich noch was zu tun.“ Sie zog ihr Sprechgerät: „Kamurus, hol’ mich und dann ab nach Tindara. Du sagtest doch so was.“ Data, Cupernica und die Huxleys sahen noch zu, wie sie in einer immer durchsichtiger werdenden Säule verschwand.

    „Grins nicht so dämlich, mein Schatz!“, bemerkte Sedrin ziemlich empört gegenüber ihrem Ehemann, der das Gespräch zwischen ihr und Ginalla sehr sorgfältig beobachtet hatte. „Warum nicht?“, fragte er. „Ich meine, ich habe es genossen, dass es wohl endlich mal jemand geschafft hat, es der ach so patenten Sedrin mal so richtig zu geben. Ginalla scheint sehr gut darin zu sein, Situationen zu analysieren und mit ihnen klarzukommen. Sie hat keinen Schutz nötig, das glaub du mir ruhig.“ „Aber sie ist Zivilistin.“, widersprach Sedrin. „Sie kann doch gar nicht in so einer Situation zurechtkommen können. Sie …“ „Ihre Annahme ist inkorrekt.“, schlug Data in Huxleys Kerbe. „Miss Ginalla partizipierte an diversen Dingen, die, seien sie nun legal oder illegal, dazu beigetragen haben, dass sie viele Situationen überlebte, ohne dass ein Sternenflottenoffizier an ihrer Seite war.“ „Aber dies hier ist etwas anderes.“, sagte die Demetanerin. „Sie kann nicht auf alles eine Antwort finden. Mit einer veränderten Zeitlinie ist sie bestimmt überfordert.“ „Dies kann ich nicht bestätigen.“, erwiderte der Androide. „Die Idee, mich hier her zu schmuggeln, kam eindeutig von Ginalla. Und die Art, auf die sie es getan hat, lässt mich auf eine sehr hohe Anpassungsfähigkeit ihrer Selbst an die neue Zeitlinie schließen. Außerdem denke ich, dass sie durchaus in der Lage wäre, uns bei der Planung für deren Korrektur behilflich zu sein. Mir ist klar, dass das Teilen derartiger Geheimnisse mit Zivilisten eigentlich allem widerspricht, was wir Sternenflottenoffiziere gelernt haben. Aber ich finde, dass wir in Ginallas Fall eine Ausnahme machen sollten. Sie ist viel herumgekommen im All. Vielleicht kann sie uns bei der Lösung dieses Problems stärker helfen, als wir alle heute denken, inklusive meiner Person. Dies bringt mich auf eine weitere Theorie, wie bewiesen werden könnte, dass Ginalla die nötigen Kenntnisse und die nötige Intelligenz besitzt. Sie war es, die erkannte, dass ich im Moment nicht mehr den Rechtsstatus einer Person, sondern lediglich den einer Maschine besitze. So behandelte sie mich auch gegenüber den genesianischen Patrouillen und deshalb bin ich hierher gelangt.“ „Hab ich doch gesagt.“, meinte Huxley. „Die hat’s drauf.“

    Er nahm die Tüte auf, die noch immer auf dem Grund der Frachtkiste lag, wohin Datas Bewegungen sie befördert hatten und warf sie dem Androiden zu, der sie sogleich auffing. „Ich wollte nur mal Ihre Reflexe testen.“, begründete er lapidar. „Wie lautet das Ergebnis Ihres Tests?“, fragte Data zurück. „Bei Ihnen ist alles in Butter.“, antwortete der Terraner mit schwerem amerikanischen Akzent.

    Data öffnete die Tüte und begann sich anzuziehen. „Ich hoffe, mein Anblick war Ihnen nicht peinlich.“, entschuldigte er sich für seine Nacktheit. „Ach was.“, wischte Huxley die soeben erwähnte Tatsache beiseite. „Sie so zu sehen, wie Doktor Soong Sie geschaffen hat, macht mir keine Kopfschmerzen. Wie’s mit den anderen is’, kann ich nich’ sagen.“ „Meine Frau kennt mich genau so.“, führte Data aus. „Da sie Androidin ist, gehe ich davon aus, dass es ihr nichts ausmacht. Die Einzige, die wir fragen müssen, ist der Agent.“ „Ich finde es sehr reizend, dass ihr Rücksicht auf meine Befindlichkeiten nehmt.“, sagte Sedrin. „Aber es ist schon OK, so wie es ist. Wichtig ist jetzt nur, dass wir Informationen sammeln und wir müssen entscheiden, inwieweit wir Ginalla einbeziehen. Wenn eure Theorie stimmt, dann müssen wir sie wohl an unseren Plänen beteiligen, obwohl mir das zutiefst widerstrebt!“ „Wir haben aber keine Wahl, Jinya.“, flüsterte Huxley ihr zu. „Ginalla ist Zivilistin, aber sie ist nicht irgendeine unschuldige Zivilistin, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Ich würde fast sagen, sie tutet und bläst vorzüglich, wenn man sie mit anderen Zivilisten vergleicht, die in so 'ner Situation panisch zum nächsten Bunker rennen würden, was ihnen nichts nützen würde, oder die nach Hilfe schreien würden, wenn sie überhaupt bemerken würden, dass hier was faul is’. Ginalla war dafür schlau genug. Dass sollte dir zeigen, Jinya Demetana, was du von ihr zu halten hast. Oder kannst du es nich’ ab, dass dir jemand das Wasser reichen können könnte?“ „Darauf kommt es doch nun wirklich nicht an!“, sagte Sedrin, die durchaus gespürt hatte, dass ihr Mann sie am Haken hatte und sie so schnell nicht wieder loslassen würde. „Oh doch.“, meinte Huxley mit einem verschmitzten Grinsen. „Entweder das, oder dein Beschützerinstinkt geht mit dir durch, meine kleine Demetanerin. Ich weiß, dafür kannst du nichts. Genau so gut könnte man dem Mississippi das Fließen verbieten, oder einem Vulkanier das logische Denken. Das hätte ungefähr den gleichen Effekt, nämlich gar keinen. Ich würde auf jeden Fall mit ihr Kontakt halten, Jinya. Wehr weiß, wozu es gut is’.“ „Also gut.“, gab sich Sedrin jetzt doch geschlagen. „Aber wir müssen verhindern, dass die Genesianer ihr auf die Spur kommen können. Unser Kontakt mit ihr muss so verschlüsselt wie möglich bleiben.“ „Deine Halsbandaffäre war doch schon ein guter Anfang, Frau Geheimdienst.“, grinste Huxley, der jetzt schon wieder Farbe in sein vorher kreidebleiches Gesicht bekommen hatte. „Mir scheint, es geht Ihnen schon wieder besser, Commander Huxley.“, stellte Cupernica aufgrund dieser Tatsache fest. „Darauf können Sie einen Lassen, verehrter Scientist.“, flapste Huxley. „Ich bin zwar immer noch 'n bisschen verwirrt, aber das wird sich schon noch geben. Immerhin muss ich erst mal begreifen, dass meine tote Ehefrau wieder lebt und wohl in eine völlig andere Zeitlinie gehört und dass ich mittlerweile in einer falschen Zeitlinie existiere. Oh, wie habe ich temporale Mechanik auf der Akademie gehasst. Wie habe ich sie gehasst!“ „Und genau jetzt müssen wir sie vielleicht anwenden, Sir.“, schloss Cupernica. „Unterstehen Sie sich, mich Sir zu nennen, Cupernica!“, erwiderte Huxley. „Ich habe nicht mehr Rechte wie ein Fussel auf dem Teppich, wenn ich das alles richtig verstanden habe. Also …“ „Ich werde Sie auch weiterhin Sir nennen, Sir.“, widersprach die Androidin. „Wenn wir uns der falschen Zeitlinie nicht beugen, so wie ich es verstanden habe, dann werde ich Sie auch weiterhin mit dem Respekt behandeln, der Ihnen in der korrekten Zeitlinie zustünde. Natürlich werde ich dies nur hinter dieser oder einer anderen Tür tun. Auf der Straße werde ich tun, als …“ „Genau, Cupernica.“, sagte Sedrin.

    Sie setzte sich seufzend auf die Couch. „Wir werden aber Hilfe brauchen von Leuten, die Einfluss haben. Ohne die können wir die Zeitlinie nicht korrigieren geschweige denn herausfinden, wo der Fehler liegt. Jede falsche Wendung könnte das Chaos nur noch vergrößern. Wenn wir doch nur Tamara oder gar Nugura auf unsere Seite ziehen könnten.“

    Novus betrat das Zimmer. „Bitte verzeihen Sie.“, wendete er sich höflich an Sedrin. „Aber meine Mutter hat mich gerade über F-14-Code verständigt. Sie sagte mir, dass Sie vielleicht meine Hilfe benötigen könnten.“ Fragend sah Sedrin Cupernica an. „Die Ausführungen meines Sohnes sind korrekt.“, bestätigte die Androidin. „Ich verständigte mich mit Novus, während Sie und der Commander mit Ihrer Diskussion beschäftigt waren. Ich dachte über die Daten nach, die Novus auf dem Flug gesammelt hatte. Diese Daten müssten zu Chief-Agent Tamara gebracht werden. Mit Hilfe dieser Daten sollte es möglich sein, ihr die Inkorrektheit der momentanen Zeitlinie zu beweisen. Da ich das Muster der genesianischen Patrouillengängerinnen mittlerweile erkannt habe, konnte ich mit Novus einen Zeitpunkt abmachen, an dem er mein Haus verlassen und zu uns kommen konnte, ohne von den Patrouillen entdeckt zu werden. Für die Genesianer ist er eine Maschine, die allein auf der Straße sicher Aufmerksamkeit erregen würde, aber …“ „Klasse, Scientist.“, lobte Sedrin. „Ich weiß, dass Sie im Erkennen von Mustern schneller sind als wir alle. Aber wie kriegen wir Novus und die Daten zum Chief-Agent? Wir haben kein Schiff.“ „Ginalla hat eins.“, bemerkte Huxley. „Wir wollten sie doch einbeziehen, Jinya. Erinnerst du dich?“ „Also gut.“, erwiderte Sedrin. „Benutzen wir das Halsband noch mal. Tja, Caruso. Wer hätte gedacht, dass uns dein Vermächtnis noch einmal so gute Dienste leisten würde.“

    Maron war im Maschinenraum der Station vorstellig geworden, nachdem Zirell ihn dorthin zitiert und ihm eine Überraschung versprochen hatte. Nachdem IDUSA auch die Reaktionstabelle des Demetaners geladen hatte, sah er in das grinsende Gesicht seiner Landsmännin. „Und sie soll den beiden Tindaranerinnen die Angst vor mir nehmen?“, fragte Maron, dem selbst ein Tauber hätte anmerken können, dass er von der Idee nicht sehr begeistert war. Wahrscheinlich erahnte er tief in seinem Inneren bereits die Konsequenzen, die noch folgen würden. „Das ist die einzige Möglichkeit.“, erklärte Zirell. „Oder soll Ishan dich etwa einer Geschlechtsumwandlung unterziehen? Ich glaube, die Zeit haben wir nicht und es gibt auch eine Menge medizinischer Risiken dabei. Aber wenn du die eingehen möchtest, bitte, dann melde dich bei unserem Arzt. Ich kann dir nur ganz genau sagen, dass er diese Operationen nur wegen einer einzigen Vernehmung nicht durchführen wird.“ „Aber begreifst du denn nicht, Sea Tindarana!“, sagte Maron recht leidenschaftlich. „Wie du auch sind die Beiden Telepathinnen. Sie werden schnell darauf kommen, dass sie von ihr keinerlei Gedanken empfangen können. Sie kennen den Umgang mit Simulationen und sie werden rasch heraushaben, dass sie eine ist und dass du sie veralberst.“ „Deshalb handelt sie ja nicht völlig autark.“, beruhigte Zirell. „Du sitzt in einem Nebenraum und gibst ihr über den Neurokoppler die Fragen ein, die du ihnen stellen willst. Das bedeutet, sie könnten von dir schon Gedanken empfangen.“

    Der erste Offizier runzelte die Stirn. Dann stand er auf und drehte sich so, dass er seiner Vorgesetzten genau in die Augen sehen konnte. „Was wird das, Maron?“, fragte Zirell lächelnd. „Wenn du mich umstimmen willst, ist das eindeutig die falsche Methode.“ „Das ist auch logisch für mich, zumal ich weiß, dass ich diese Fähigkeit nicht habe, Zirell.“, gab Maron zu. „Und, bitte vergib einem Nicht-Telepathen diese Frage, aber, wenn du Gedanken von uns empfängst, die verbaler Natur sind, hörst du dann nicht auch unsere Stimmen?“ „Ja.“, gab Zirell zu. „Aber darum geht es doch hier gar nicht. Branell und ihre Assistentin werden so mit dem Beantworten von Marins und deinen Fragen beschäftigt sein, dass sie dich nur als anwesende Existenz wahrnehmen werden. Das bedeutet, sie werden sich nicht so auf deine Gedanken konzentrieren können, dass sie bemerken, wer du bist. Aber dafür wirst du mit deinen Fragen sorgen müssen. Damit wirst du sie in einem gewissen Maße bombardieren, damit sie …“ „Verstehe.“, fiel ihr Maron ins Wort. „Aber was ist, wenn ich das zu offensichtlich tue und sie mir deshalb draufkommen?“ „Du bist ausgebildeter Geheimagent.“, lachte Zirell. „Du wirst das alles schon richtig dosieren.“ „Trotzdem ist mir nicht wohl dabei, Sea Tindarana.“, erwiderte Maron. „O’Riley hätte sich etwas ausdenken sollen, dass etwas wasserdichter ist.“ „Da haben wir es.“, lachte Zirell. „Du hast deshalb Manschetten, weil die Idee von Shannon gekommen ist. Was hättest du gemacht, wenn sie von Jenna gekommen wäre?“

    Maron musste sich wieder setzen. Sie hatte ihm da gerade einen ziemlichen Tiefschlag verpasst. Aber von einer Telepathin sollte er das gewohnt sein. Jetzt hörte er ihre bohrende Stimme sogar in seinem Geist: Was hättest du gemacht? „Bitte geh aus meinem Kopf, Zirell.“, bat Maron. „Ich werde besser reden, bevor du mich für meine Gedanken, die dich sehr wütend machen würden, doch noch in die genesianischen Minen schickst.“ Zirell folgte seiner Bitte. „Also?“, erwiderte sie und setzte einen wartenden Blick auf. „Es ist wahr. Ich habe hauptsächlich wegen der Urheberin der Idee ziemlichen Schiss, wenn nicht sogar Panik. Hast du eine Ahnung, was geschieht, wenn die Genesianer deine Rebellion erkennen? Wir würden alle getötet oder etwas Schlimmeres. Dich würden sie auf jeden Fall umbringen, weil du die Anführerin der Rebellen wärst. An dir würden sie ein Exempel statuieren. Als dein erster Offizier ist es auch meine Aufgabe, dich manchmal vor dir selbst zu schützen, Sea Tindarana, wenn du mich schon unbedingt behalten willst!“

    Zirell machte ein enttäuschtes Gesicht. „Bin ich denn die Einzige, die den Mut hat, gegen eine inkorrekte Zeitlinie zu kämpfen?“, fragte sie. „Es müsste doch auch eigentlich dir widerstreben, Maron. Auch ihr Sternenflottenoffiziere lernt doch, dass die Zeitlinie auf keinen Fall verändert werden darf. Also müsstest du doch an sich …“ „Das stimmt schon.“, gestand Maron. „Aber du hast wohl ganz vergessen, dass die Genesianer einen mächtigen Helfer oder eine Helferin hatten, die …“ „Oh, nein.“, sagte Zirell mit fast spöttischer Stimme. „Diesen Umstand habe ich nicht vergessen. Das kannst du mir ruhig glauben und gerade er ist es, der mich piekt wie ein Stachel im Fleisch. Ich weiß, dass die Genesianer hereingelegt wurden und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, dann weißt du das auch. Da ich mir schon denken kann, wer diese Helferin ist, weiß ich aber auch, dass sie im Grunde viel zu feige ist und eine offene Konfrontation schon immer gescheut hat. Auch jetzt wird sie die armen Genesianer benutzt haben, solange sie ihr nützlich waren und sich dann fein aus der Affäre gezogen haben. Das ist unsere Chance, Maron. Jetzt können wir eingreifen. Sicher müssen wir noch Beweise sammeln, um die Genesianer zu überzeugen, aber wir werden sicher irgendwann eine Möglichkeit finden und behalten, ja, das würde ich dich wirklich zu gern! Du kennst dich in eurem Universum und vielleicht auch in dem der Genesianer aus wie kein Zweiter. Du wirst mich wohl aufklären müssen. Ohne dein Wissen über die genesianische Kultur werde ich nicht sehr weit kommen. Ich brauche dich!“

    Maron vermied es, ihr noch länger zu widersprechen. Er wusste, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, blieb sie dabei, auch wenn es in seinen Augen eine Fehlentscheidung war. Er dachte, dass es jetzt wohl besser wäre, sich einem anderen Thema zuzuwenden. Deshalb zeigte er auf den Emitter, aus dem die Simulation kam und fragte: „Wie Autark kann sie handeln, wenn mir mal nichts einfällt?“ „Laut Shannon hat sie eine autoaktive Routine.“, erklärte die Kommandantin. „Außerdem ist sie mit allen Gesetzen der Genesianer, der Föderation und auch mit unseren programmiert. Falls du mal nicht weiter weißt, kann sie durchaus übernehmen. Sie kennt diverse Vernehmungstechniken. Ich hoffe aber, dass es nicht dazu kommen wird und das liegt allein in deiner Hand, Maron.“ „Ich weiß.“, erwiderte der Demetaner. „Wenn ich ihr so viele Fragen eingebe, dass es Branell und Sanell quasi schwindelig wird, dann werden sie sich nicht auf meine Wahrnehmung konzentrieren können und dann werden sie mich nur als Lebensform, aber nicht im Detail erfassen können. Weißt du eigentlich, Zirell, dass du mir gerade einen Schwachpunkt von Telepathen verraten hast?“ „Natürlich weiß ich das.“, lächelte Zirell. „Aber das war ja auch meine Absicht. Ich weiß, dass du dieses Wissen niemals gegen mich einsetzen würdest.“

    Die Sprechanlage beendete ihre Unterhaltung. Im Display sah Zirell Jorans Rufzeichen. „Ja, Joran.“, antwortete sie. „Ein tindaranisches Schiff hat um Andockerlaubnis gebeten, Anführerin Zirell.“, antwortete der Vendar. „Wer ist auf dem Schiff, Joran?“, wollte die Kommandantin wissen. „Laut IDUSA ein Technical Assistant Sanell.“, erwiderte Joran. „Sie bittet darum, sofort vernommen zu werden. Sie sagte, sie sei ohne das Wissen ihrer Vorgesetzten gestartet.“

    Zirell bekam eine Art Vorahnung. Sie hatte Joran genau zugehört und so genau darauf geachtet, was er gesagt hatte. „Moment, Joran.“, führte sie ihn einige Sätze zurück. „Du sagtest, laut IDUSA. Warum hast du nicht selbst mit ihr geredet? Ich meine, sie weiß doch sicher, dass …“ Sie ließ mitten im Satz die Sendetaste los, um Joran eine sofortige Chance zum Antworten zu geben. Sie hoffte, dass der Vendar in der Lage war, ihren kleinen Test zu durchschauen. Tatsächlich wurden ihre Hoffnungen nicht enttäuscht. „Ich habe IDUSA mit ihr reden lassen, Anführerin.“, grinste Joran, als wolle er ihr ein Werk zeigen, auf das er besonders stolz war. „Sanell besitzt sicher nicht deinen Mut, sich gegen die Genesianer zu stellen. Deshalb wollte ich ihr nicht zumuten, mit mir als einem Mann reden zu müssen. Das hätte ihr nur gezeigt, dass du rebellierst und das hätte sie vielleicht so geängstigt, dass sie ihr Vorhaben aufgegeben hätte und schnurstracks wieder nach Tindara geflogen wäre. IDUSA hatte von mir aber Befehl, mich mit keinem Wort zu erwähnen. Sie sollte Sanell auch sagen, dass die Sternenflotte uns extra eine demetanische Agentin geschickt hätte, die sie vernehmen würde. Das war übrigens IDUSAs Vorschlag. Was tut ihr da unten, Anführerin? IDUSA sagt, Shannon O’Riley hätte da etwas programmiert.“ „Klasse überlegt, Joran.“, lobte Zirell. „Ich wusste, dass du dich der neuen Situation sehr schnell anpassen würdest. Ich glaube, von dir könnte sogar Agent Maron noch etwas lernen. Sag IDUSA, sie soll Sanell nach Andockrampe vier weisen. Ich werde sie dann persönlich abholen. Sag IDUSA auch, dass die Show beginnen kann. Sie weiß schon, was zu tun ist.“

    Sie winkte Maron und zeigte auf eine kleine Tür, die in einen Nebenraum führte. „Shannon hat da schon einen Neurokoppler angeschlossen.“, sagte sie. „Die Simulation wird deine Tabelle laden, sobald du dort bist und ihn aufgesetzt hast. Also, wenn alles reibungslos funktionieren soll, würde ich an deiner Stelle machen, dass ich da rüber komme. Als Verhörzimmer wird mein Bereitschaftsraum dienen. Also los!“ „Ja, ich werde gehen.“, sagte Maron. „Aber ich muss dir bei allem Respekt auch sagen, dass du gerade etwas von mir verlangt hast, das unmöglich ist, Zirell. Es ist nur logisch, dass sich Joran schneller an eine Situation anpassen kann und mit ihr zurechtkommt als ich. Die Mächtigen, denen die Vendar schon seit mehreren tausend Jahren dienen, haben mit ihren Genen gespielt und es ihnen dadurch ermöglicht. Sie waren und sind die Elitekrieger der Mächtigen und gerade Sytania, Jorans ehemalige Gebieterin, ist darin …“ „Das weiß ich.“, erwiderte Zirell. „Aber gerade deshalb könntest du gut von ihm lernen.“ Dann ging sie und auch Maron suchte sein von der technischen Assistentin vorbereitetes Versteck auf.

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